auschwitz und in dieser großen qual schweigen alle liebeslieder und sie kehren nicht mehr wieder asche regnet auf das land brot aus asche stein die träne sterne unter jedem tritt zieht der tod als schatten mit steigt dem leben in die kehle hoffnungslose zeitenwende schreie klirren in den wind schreie niemals so sie sind schreie ohne zeit und ende. anna haentjens geschrieben nach dem Besuch des Staatlichen Museums in Auschwitz Wo sind sie geblieben? Wohin die Elmshorner Juden von den Nationalsozialisten verschleppt wurden Von Harald Kirschninck Anders als bisher bekannt, sind von den Juden, die in Elmshorn geboren sind, zeitweise oder auch ständig lebten, nicht 21, sondern fast doppelt so viele, nämlich mindestens 39 Personen deportiert worden. Hiervon verschleppten die Nationalsozialisten nach: Fuhlsbüttel: 1 Auschwitz: 6 Bergen-Belsen: 1 Trawniki: 1 Lodz (Litzmannstadt): 2 Minsk: 8 Riga: 3 Theresienstadt: 12 Juden. Fünf Deportationsziele sind unbekannt. Von den Verschleppten hat keiner die Deportation überlebt, bis auf John Hasenberg. Er überlebte das KZ Bergen-Belsen, wurde befreit und starb im Zug auf der Fahrt in die Schweiz an den Folgen der Misshand-lungen und an Entkräftung. Wie sahen diese Lager und Vernichtungsstätten aus, wo lagen sie und wie sind sie entstanden? Trawniki Elmshorner Opfer: Hermann Blumenfeldt, geb. am 30.3.1872 in Elmshorn, deportiert 28.3.1942, gestorben 1942. Das Dorf Trawniki liegt etwa 40 km östlich von Lublin. Auf dem Gelände einer alten Zuckerfabrik errichteten die Nationalsozialisten im Herbst 1941 ein Zwangsarbeitslager, dem ein SS-Ausbildungslager für angehende Wachmannschaften für die Lager und die Deportationen von Juden angeschlossen wurde. Diese aus Letten, Esten, Litauern und Ukrainern bestehenden Freiwilligen nannte die SS und die örtliche Bevölkerung auch „Trawnikis“ oder „Hiwis“ (Hilfswillige). Seit Oktober 1941 unterstand das Lager dem SS-Sturmbannführer Karl Streibel. (http://www.deathcamps.org/occupation/trawniki_de.html) Im Frühjahr 1942 wurden Juden aus Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei nach Trawniki deportiert, unter ihnen der Elmshorner Hermann Blumenfeldt. Viele von ihnen starben an Hunger und Krankheiten, die Überlebenden wurden in das Vernichtungslager Belzec gebracht oder in der Umgebung erschossen. Nach dem Aufstand in Sobibor am 14. Oktober 1943 befahl Heinrich Himmler, alle Arbeitslager im Distrikt Lublin zu liquidieren. Die nun folgende Vernichtung wurde „Aktion Erntefest“ genannt. Am 3. November 1943 liquidierte die SS das Lager Trawniki. 10.000 Juden wurden aus dem Lager getrieben und in vorher ausgehobenen Gruben erschossen. Vermutlich ist Hermann Blumenfeldt aber nie in Trawniki angekommen: „Im Verlauf der Deportationen in den Distrikt Lublin ab März 1942 wurde kein einziger „Judentransport“ aus dem Reich in Trawniki untergebracht. (…) Allerdings zeigt die Darstellung der einzelnen Transporte, dass der Stab des Lubliner SS- und Polizeiführers (Anm. Verf.: Odilo Globocnik) die Züge mit Juden aus dem „Großdeutschen Reich“ zwischen Mitte März und Mitte Juni 1942 in die – zumeist nicht weit von Trawniki entfernt gelegenen Ortschaften Izbica (…), Piaski (…), Rejowiec (...), Zamosc (…) und in andere Dörfer des Lubliner Distrikts leitete.“ (Gottwaldt/Schulte, Judendeportationen, S. 137ff) Die Ermordung fand dann zumeist im Vernichtungslager Belzec statt. Bergen-Belsen Elmshorner Opfer: John Hasenberg, geb. am 8.10.1882 in Elmshorn, deportiert am 23.6.1943, gestorben am 23.1.1945 im Eisenbahnzug in Laupheim (Biberach). Das KZ Bergen-Belsen lag etwa 60 km nordöstlich von Hannover in der Lüneburger Heide. Im Jahr 1940 wurde von der deutschen Wehrmacht ein Kriegsgefangenenlager für französische und belgische Solda- ten eingerichtet. Seit Juli 1941 wurden dort auch etwa 20.000 sowjetische Kriegsgefangene interniert, von denen bis zum Frühjahr 1942 rund 14.000 Gefangene an Hunger, Kälte und Krankheiten (Fleckfieber) starben. Im April 1943 wurde ein Teil des Lagers von der SS zu einem KZ für Juden vor allem ausländischer Nationalität umgewandelt. Diese sollten gegen Devisen oder auch gegen im Ausland festgesetzte Deutsche ausgetauscht werden. Daher nannte man das KZ auch „Aufenthaltslager Bergen-Belsen der Waffen-SS“. Seit Juni/Juli 1943 wurden die ersten KZ-Häftlinge nach Bergen-Belsen deportiert. Der vorgesehene Personenkreis wurde in den „Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes“ wie folgt beschrieben: - Juden mit verwandtschaftlichen oder son- stigen Beziehungen zu einflussreichen - Personen im feindlichen Ausland, - Unter Zugrundelegung eines günstigen - - Schlüssels für einen Austausch gegen im - feindlichen Ausland internierte oder gefan- gene Reichsangehörige infrage kommende - Juden, - Als Geiseln und als politisch oder wirt- schaftliche Druckmittel „brauchbare“ - - Juden, - Jüdische Spitzenfunktionäre. Das „Aufenthaltslager“ war in mehrere Abteilungen aufgegliedert, die streng von einander isoliert waren: a) das „Sternlager“ mit Arbeitszwang und a) sehr schlechter Verpflegung. Die a) Gefangenen mussten einen Judenstern a) tragen. b) das „Neutralenlager“ mit Juden aus neub) tralen Staaten. Hier gab es keinen b) Arbeitszwang, und die Verpflegung war b) etwas besser. c) das „Sonderlager“ mit polnischen Juden, c) die Ausweise von verschiedenen c) c) c) Ländern besaßen. Umzäunung zwischen den Baracken. Überall im Lager verstreut lagen verwesende menschliche Körper. Die Gräben der Kanalisation waren mit Leichen gefüllt, und in den Baracken selbst lagen zahllose Tote, manche sogar zusammen mit den Lebenden auf einer einzigen Bettstelle. In der Nähe des Krematoriums sah man Spuren von hastig “Die Zustände im Lager waren wirklich unbegefüllten Massengräbern. Hinter dem letzten schreiblich; kein Bericht und keine Lagerabteil befand sich eine offene Grube, Fotografie kann den grauenhaften Anblick halb mit Leichen gefüllt; man hatte gerade des Lagergeländes hinreichend wiedergemit der Bestattungsarbeit begonnen. In einigen Baracken, aber nicht in vielen, waren Bettstellen vorhanden; sie waren überfüllt mit Gefangenen in allen Stadien der Auszehrung und der Krankheit. In keiner der Baracken war genügend Platz, um sich in voller Länge hinlegen zu können. In den Blocks, die am stärksten überfüllt waren, lebten 600 In Güterwaggons wurden die Juden in die Lager verschleppt. bis 1.000 Menschen auf ben; die furchtbaren Bilder im Innern der einem Raum, der normalerweise nur für hunBaracken waren noch viel schrecklicher. An dert Platz geboten hätte. In einem Block des zahlreichen Stellen des Lagers waren die Frauenlagers, in welchem die FleckfieberLeichen zu Stapeln von unterschiedlicher kranken untergebracht waren, gab es keine Höhe aufgeschichtet; einige dieser Betten. Die Frauen lagen auf dem Boden Leichenstapel befanden sich außerhalb des und waren so schwach, dass sie sich kaum Stacheldrahtzaunes, andere innerhalb der bewegen konnten. Es gab praktisch keine Bettwäsche. Nur für einen Teil dieser Menschen waren dünne Matratzen vorhanden, die Mehrzahl aber besaß keine. Einige hatten Decken, andere nicht. Manche verfügten über keinerlei Kleidung und hüllten sich in Decken, andere wiederum besaßen deutsche Krankenhauskleidung. Das war das allgemeine Bild.” (http://www.bergenbelsen.niedersachsen.de /pdf/zurgeschichte.pdf). Allein zwischen Januar und April 1945 starben in BergenBelsen 35.000 Menschen. Am 15. April 1945 wurde das Lager durch die britische Armee befreit. Lodz (Litzmannstadt) Elmshorner Opfer: Änne Rosenberg, geb. 29.10.1894 in Elmshorn, deportiert 25.10.1941 nach Litzmannstadt, weiter am 8.11.1941 nach Minsk, sowie ihr Bruder Julius Rosenberg, geb. 29.8.1884 in Elmshorn, deportiert 25.10.1941 nach Litzmannstadt, weiter am 8.11.1941 nach Minsk. In Lodz wohnten zu Beginn des 2. Weltkrieges zirka 180.000 Juden. Am 11. April 1940 wurde die Stadt nach dem General Karl Litzmann (1850-1936), einem NS-Würdenträger, in Litzmannstadt umbenannt. Am 8. Februar 1940 wurden aus der Altstadt, dem Proletarierviertel Baluty und dem Vorort Marysin das Ghetto gebildet. Es bestand aus anfangs 4,13 Quadratkilometern mit insgesamt 28.400 Wohnräumen. Am 30. April 1940 wurde es endgültig von der Außenwelt isoliert. Das Gelände war nicht kanalisiert, es konnten daher auch keine Kontaktaufnahmen mit der übrigen Stadtbevölkerung stattfinden. Rund um das Ghettogelände waren Stacheldrahtsperren gezogen und im Abstand von maximal 100 m Posten der Schutzpolizei aufgestellt, die jeden Juden, der das Ghetto verlassen wollte, ohne Vorwarnung erschießen durften. Die tschechischen Überlebenden Vera Arnsteinnovà und Mája Randová berichteten: „Fäkalien flossen den Bürgersteig entlang. Bei der Ankunft fanden wir Hinterhöfe vor, die voller Müll waren. Baluty bestand aus Stein- und Holzhäusern mit großen Höfen, die untereinander verbunden und völlig verwahrlost waren. Erst als eine Epidemie drohte und die Deutschen Angst vor Epidemien hatten, ließen sie den Müll wegräumen. Es drohten Cholera, Gelbsucht, Typhus. Für Mutters Kleider tauschten wir Waschschüsseln und Kübel ein, um existieren zu können. Laufend gingen aus dem Ghetto die ersten Transporte ab, und niemand wusste, wohin. Reihenweise starben die Menschen an Hunger und Krankheiten. Wir zogen in eine freigewordene Wohnung um – vier Personen in einem Zimmer mit zwei Pritschen. Tausende Wanzen, derer man nicht Herr wurde. (…) Wanzen, Flöhe, Kleiderläuse. Bei der Essensausgabe lange Schlangen, und man konnte beobachten, wie die Läuse von einem zum anderen sprangen. Die Läuse übertrugen Flecktyphus. Für die ausgehungerten und erschöpften Menschen war es schrecklich schwer, im Winter für tägliche Hygiene zu sorgen. Als wir ankamen, teilte man uns irgendeine Rübensuppe aus. Wir konnten sie nicht essen, aber die Einwohner bettelten darum. Bald haben auch wir sie geschluckt. Die ganzen Jahre war der Hunger im Ghetto am schlimmsten, vor Hunger starben Alte und Junge.“ (zit. nach: www.shoa.de) Am 26. Oktober 1941 wurden die Geschwister Rosenberg mit dem Transport von 1063 Menschen aus Hamburg deportiert. Ob die Geschwister tatsächlich am 8. November 1941 nach Minsk weitertransportiert wurden, Blick in eine Lagerbaracke des KZ Auschwitz. Sie waren hoffnungslos überbelegt, Häftlinge mussten sich Pritschen teilen. oder ob sie nicht doch entweder im Ghetto oder im Vernichtungslager Chelmno in Gaswagen ermordet wurden, wie der größte Teil der 145.000 Opfer von Litzmannstadt, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Allein zwischen Dezember 1941 und Herbst 1942 sollen 85.000 Bewohner des Ghettos getötet worden sein. Am 17. Januar 1944 wurde Lodz befreit. Vorher sind bis auf kleine Reste alle Einwohner des Ghettos nach Auschwitz deportiert worden. Theresienstadt (Terezin) Elmshorner Opfer: Minna Bachrach, geb. 11.1.1873 in Elmshorn, deportiert am 15.7.1942, gestorben 7.8.1942 Rosa Goldschmidt, geb. Oppenheim, geb. 23.12.1868 in Elmshorn, deportiert 15.7.1942, gestorben 17.12.1942 Ferdinand Hertz, geb. 7.11.1861 in Elmshorn, dep. 15.7.1942, gest. 28.7.1942 Regine Hertz, geb. 25.4.1868 in Elmshorn, dep. 23.6.1943, gestorben 31.10.1943 Emma Israel, geb. Oppenheim, geb. am 2.12.1858 in Elmshorn, deportiert 19.7.1942, weiter nach Minsk, gestorben 1942 Paula Israel, geb. 19.8.1892 in Elmshorn, deportiert 19.7.1942, weiter nach Minsk, gestorben 1942 Henriette Lippstadt, geb. Rothgiesser, geb. am 8.8.1872 in Hamburg, wohnte in Elmshorn, dep. 15.7.1942, gest. 15.11.1943 Lea Nemann, geb. 15.5.1868, wohnte in Elmshorn, deportiert vermutlich Juli 1942, gestorben 18.10.1942 Recha Oppenheim, geb. Gumpel-Fürst, geb. 13.2.1863 in Lübeck, wohnte in Elmshorn, dep. 19.7.1942, gestorben 1942 Minni Petersen, geb. Hertz, geb. 23.6.1905 in Elmshorn, dep. 12.2.1945 (!), überlebte, wurde befreit und am 19.6.1945 entlassen. James Philipp, geb. 12.1.1872 in Elmshorn, deportiert 9.6.1943, gestorben 18.10.1943 Johanna Simon, geb. Susmann, geb. 20.6.1864 in Elmshorn, deportiert 19.7.1942, gestorben 8.2.1944. Das Ghetto Theresienstadt (Terezin) lag im Nordwesten der Tschechischen Republik. Erstmals erwähnt wurde das Ghetto am 10. Oktober 1941. Zunächst sollten vor allem Juden aus Böhmen und Mähren über Theresienstadt nach Osten deportiert werden. Die Nationalsozialisten planten dann bei der Wannseekonferenz am 20. Januar 1942 ein Altersghetto, in das alle Reichsjuden über 65 Jahren, schwerkriegsbeschädigte Juden, ehemals jüdische Soldaten mit Kriegsauszeichnungen, Prominente und Juden aus anderen westeuropäischen Ländern deportiert werden sollten. Der Aufenthalt sollte nur vorübergehend sein, das Ziel waren die Vernichtungslager im Osten. Nachdem Dänemark mit ausländischem Druck den Verbleib seiner jüdischen Landsleute herausfinden wollte, gestatteten die Nationalsozialisten dem Internationalen Roten Kreuz im Juni 1944 Theresienstadt zu besuchen. Dazu war das Ghetto in den vorhergehenden Wochen und Monaten „verschönert“ worden. So wurden, um die Überbelegung des Lagers zu senken, die Transporte nach Auschwitz verstärkt. Die mit dieser Aktion transportierten Juden wurden zunächst in Auschwitz isoliert, damit sie eventuell bei einer Kontrolle des Roten Kreuzes präsentiert werden konnten. Nach der Aktion wurden sie ermordet. Als Krönung wurde noch der Propagandafilm „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“ gedreht. Die Darsteller wurden anschließend getötet. Ein Viertel der 140.000 Häftlinge starb durch die entsetzlichen Lebensumstände und Seuchen, etwa 90.000 wurden in die Vernichtungslager Auschwitz, Treblinka, Majdanek , Sobibor u.a. weiterdeportiert. Zwei Wochen bevor die Rote Armee am 8. Mai 1945 das Lager erreichte, wurde es dem Roten Kreuz übergeben. (vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/KZ_Theresienstadt) Minsk Elmshorner Opfer: Heinrich Basch, geb. 27.3.1900 in Wien, deportiert 18.11.1941, gestorben 1941 Hertha Basch, geb. 16.12.1900 in Hamburg, dep. 18.11.1941, gestorben 1941 Jeanette Basch, 22.2.1872 in Hamburg, deportiert 18.11.1941, gestorben 1941 Otto Cohn, geb. 10.5.1898 in Elmshorn, deportiert 8.11.1941, gestorben 1941 Ilse Lippstadt, geb. 31.12.1905 in Elmshorn, deportiet 18.11.1941, gestorben 1941, auf dem Feld erschossen John Löwenstein, geb. 23.10.1886 in Elmshorn, deportiert 8.11.1941 Gustav Stern, geb. 27.3.1877 in Hannover, wohnte in Elmshorn, dep. 8.11.1941, gest. 1941 Friederike Stork, geb. Rosenberg, geb. 20.3.1883 in Elmshorn, dep. 8.11.1941, gest. 1941, war die Schwester von Änne und Julius Rosenberg (dep. nach Litzmannstadt) Mit den zwei Transporten vom 8.11.1941 und 18.11.1941 wurden 1420 Juden aus Hamburg (darunter auch acht Elmshorner) nach Minsk deportiert. Dort hat man von dem ursprünglichen Ghetto ein abgetrenntes „Sonderghetto“ eingerichtet, in dem die Juden aus Deutschland untergebracht wurden. Innerhalb des „Sonderghettos“ wurden noch einmal je nach geographischer Herkunft der Deportierten drei Gruppen unterschieden. Vor Ankunft der Deportationszüge wurden vom 7.-11. November 1941 etwa 6000 weißrussische Juden im Wald von Blagowschtschina, 13 km südöstlich von Minsk, erschossen. Seit Mai 1942 waren die ausgehobenen 3 m breiten und tiefen, 50 m langen Massengräber im Wald die zentrale Mord- und Hinrichtungsstätte der deutschen Besatzer. Das größte Pogrom im Ghetto fand vom 28.30. Juli 1942 statt, dem etwa 30.000 Juden zum Opfer fielen. Die Vorgehensweise war immer die gleiche: Kommandos trieben die Menschen aus ihren Unterkünften zusammen. Dann wurden sie in Gruppen mit Lastwagen zu der Exekutionsstätte, in diesem Falle der Wald von Blagowschtschina oder Maly Trostenez transportiert. Hier hatten sich die Opfer vollkommen zu entkleiden, dann wurden sie zu der Grube getrieben. Je nach Länge des Massengrabes waren bis zu zwanzig Mann mit Pistolen an der Grube postiert, unterstützt von Mannschaften, die das Gelände umstellten und absicherten. Es wurden immer Pistolen benutzt. In der Regel bekam jeder der zwanzig Mann 25 Schuss bis zur nächsten Gruppe von Opfern. Die Juden wurden mit einem Genickschuss getötet und fielen in die Grube. Wenn der Verdacht aufkam, dass der Schuss nicht tödlich war, wurde erneut geschossen. Abschließend wurde mit einem Maschinengewehr so lange in die Grube geschossen, bis sich nichts mehr regte. Darüber hinaus wurde nicht mehr untersucht, ob alle gestorben waren. Es kam die nächste Gruppe an die Grube oder sie wurde zugeschüttet (vgl.: Mosel: Hamburg Deportation Transport to Minsk). „Direkt vor der Massenerschießung hatten sich alle zu entkleiden und ihre Kleidung auf einen Haufen zu werfen. Zwei junge Frauen beobachteten eine ältere verwirrte Frau, die aufgeregt herumlief, keinen Versuch machte, sich zu entkleiden. Darauf gingen die zwei Frauen zu ihr, überredeten und entkleideten sie. Dann, ohne ein Wort des Pro- testes, nahmen die beiden jungen Frauen die ältere Frau zwischen sich, jede hielt sie an einer Hand, und legten sich auf die noch warmen Körper der soeben Erschossenen, um ihren Tod zu erwarten. Weder sie noch andere baten die Mörder um Gnade.“ (Karl Löwenstein, Minsk im Lager der deutschen Juden. Löwenstein stammt aus Berlin und überlebte die Auflösung des Lagers und die Todesmärsche). Neben den Massenerschießungen kamen auch drei Gaswagen zum Einsatz, große geschlossene Lastwagen, in die man Autoabgase einleitete, so dass die Menschen qualvoll starben (zitiert und übersetzt nach: Wilhelm Mosel: Hamburg Deportation Transport to Minsk). Seit dem Pogrom befanden sich noch 9000 Juden im Ghetto. Der größte Teil von ihnen wurde bei der Auflösung am 21.10.1943 ermordet. Im Oktober 1943 wurden die 34 Massengräber wieder geöffnet und die 150.000 Leichen verbrannt, um Spuren zu beseitigen. Nach Auflösung des Lagers und den Todesmärschen waren nur noch 20 Juden aus Minsk am Leben. Riga (KZ Jungfernhof) Elmshorner Opfer: Selma Levi geb. Löwenstein, geb. 7.6.1883 in Elmshorn, dep. 6.12.1941, gest. 1941. Karl Löwenstein, geb. 17.8.1880 in Rehberg, wohnte in Elmshorn, deportiert 6.12.1941, gestorben 1941. Günther Simon Valk, geb. 4.4.1921 in Altona, wohnte in Elmshorn, deportiert (vermutlich 6.12.) 1941, gestorben 1941 Albert Hirsch, geb. 24.9.1878 in Mogilno, nach Zustellung des Deportationsbefehls für diesen Transport nahm er sich auf dem Friedhof in Hamburg-Ohlsdorf am 1.12.1941 das Leben. Am 6. Dezember 1941 verließ ein Deportationszug um 0:11 Uhr den Hannoverschen Bahnhof in Hamburg. Im Zug waren 753 Juden, darunter drei Personen aus Elmshorn und der Oberrabbiner Joseph Carlebach mit seiner Familie aus Hamburg. Nach Erhalt der Deportationsbescheide verübten 13 Juden Selbstmord, darunter auch Albert Hirsch. Das Ziel des Zuges war Riga in Litauen, das er am 9.12.1941 erreichte. Die Opfer dieses Transportes wurden in das Konzentrationslager Jungfernhof, drei Kilometer südlich des Bahnhofes, getrieben, bei Temperaturen unter 40 Grad. Sofern die Elmshorner nicht gleich bei der Ankunft erschossen wurden oder im Lager an Hunger oder Krankheiten und Misshandlungen starben, sind sie wahrscheinlich bei der „Aktion Dünamünde“ am 26.3.1942 ermordet worden, wo der Hauptteil des Hamburger Transportes getötet worden ist. Ein Überlebender aus Hamburg berichtete: “Lager-Kommandant Seck befahl dem Lagerältesten Kleemann, er solle eine Liste der auszusondernden Juden erstellen. Seck selbst benannte 440 Juden, die in Jungfernhof bleiben sollten. Dieses waren gesunde, starke Leute, die man gut in der Landwirtschaft einsetzen konnte und Juden, die spezielle Fähigkeiten und Berufe aufweisen konnten. Ausgesondert wurden: - Alte und Kranke Kinder bis 14 Jahren mit ihren Müttern Juden über 46-50 Jahren, die nicht voll arbeiten konnten. Insgesamt waren es 3000 Leute. Ihnen wurde erzählt, sie würden nach Dünamünde gebracht, wo sie bessere Lebensbedingungen und leichtere Arbeit in einer Konservenfabrik erhalten sollten. Am 26. März 1942 wurden diese mit Bussen und Lastkraftwagen abtransportiert. Das gesamte Gepäck sollten sie zurücklassen. Eine zynische Warnung am Lagerzaun von Auschwitz. Es war ein Shuttle-System eingerichtet worden, bis alle weggefahren worden sind. Die Busse und Lkw kamen immer nach 15 bis 20 Minuten leer zurück. Die Opfer wurden in den Wald von Bikerneiki in der Nähe von Riga gefahren, wo Arbeitskommandos große Gruben ausgehoben hatten. Dort wurden alle erschossen. Hier kam auch Oberrabbiner Carlebach ums Leben. Eine Einwohnerin berichtete: „Mein Haus ist ungefähr 1 bis 1,5 km vom Wald entfernt. Ich konnte daher sehen, wie die Leute in den Wald gebracht wurden und konnte hören, wie man sie erschoss. (…) Es war am Karfreitag und Ostersonnabend 1942. Die Leute wurden mit Bussen und grauen Fahrzeugen gebracht (…) Allein am Freitag zählte ich 41 Busse bis 12. (…) Tag und Nacht hörten ich und andere Einwohner die Schüsse von Gewehren und automatischen Waffen. (…) Am Ostersonntag war alles ruhig.(…) Wie viele andere gingen ich und meine Familie in den Wald. (…) Unter den vielen Gräbern sahen wir ein offenes Grab mit erschossenen Leichen. Die Körper lagen durcheinander, nur leicht angezogen oder in Unterwäsche. Es waren Körper von Frauen und Kindern. Die Körper zeigten Anzeichen von brutalen Misshandlungen und Quälereien, bevor sie erschossen wurden. Viele hatten Schnitte im Gesicht, Schwellungen an den Köpfen, einige mit abgetrennten Händen, ihre Augen herausgerissen oder ihre Bäuche aufgeschlitzt. Neben dem Grab waren Blutlachen, Haare, abgetrennte Finger, Gehirne, Knochen, Schuhe von Kindern und andere persönliche Gegenstände… Ausländische Juden wurden also erschossen. Man konnte es an den verschiedenen zurückgelassenen Sachen erkennen. Neben beinahe jedem Grab waren Rückstände eines Feuers. An den Feuerstellen und neben den Gräbern lagen verschiedene Dokumente, Fotografien und Ausweise. Aus diesen konnte man die Herkunft der Leute erkennen… Ich sah, dass sie aus Österreich, Ungarn, Deutschland und anderen Ländern kamen… Vor ihrer Flucht beseitigten die Faschisten alle Spuren. Im Sommer des gleichen Jahres öffneten sie die Gräber im Bikernieki-Wald, exhumierten die Körper und verbrannten sie.“ (zit. u. übersetzt nach: Wilhelm Mosel: Hamburg Deportation Transport to Riga.) Das KZ Jungfernhof bestand als Judenlager bis Sommer 1942. Die meisten Arbeitskräfte wurden dann in das Ghetto von Riga gebracht, das am 2. November 1943 aufgelöst wurde. Ungefähr 20.000 Juden sind nach Riga deportiert worden. Im Herbst 1944 waren nur noch 30 Juden vom Hamburger Transport am Leben. Diese wurden auf die Todesmärsche Richtung Deutschland geschickt. (vgl. Prof. Dr. Wolfgang Scheffler: Zur Geschichte der Deportation jüdischer Bürger nach Riga 1941/1942. Vortrag anlässlich der Veranstaltung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. am 23. Mai 2000 zur Gründung des Riga-Komitees im LuiseSchröder-Saal des Berliner Rathauses). Auschwitz Birkenau) (Auschwitz- Elmshorner Opfer: Martin Bachrach, geb. 26.11.1899, nach Augenzeugenberichten in Auschwitz ermordet. Frieda Dieseldorff geb. Sternberg, geb. am 16.1.1884 in Elmshorn, dep. 11.7.1942. Moritz Meyers, geb. 20.1.1894 in Stadtlohn, wohnte in Elmshorn, deportiert 11.7.1942. Georg Rosenberg, geb. 9.6.1886 in Elmshorn, deportiert 12.2.1943. Elsa Stoppelmann geb. Vogel, geb. 1.8.1877 in Bad Kreuznach, wohnte in Elmshorn , dep. nach Auschwitz mit Sohn: Hans-Daniel Stoppelmann, geb. 30.10.1912 in Elmshorn, deportiert nach Auschwitz. Das Konzentrationslager Auschwitz lag in der Kleinstadt Oswiecim (dt. Auschwitz), zirka 60 Kilometer von der polnischen Stadt Kraków (dt. Krakau) entfernt und bestand eigentlich aus drei Hauptlagern und ungefähr 40 Außenlagern. Die drei Hauptlager waren: KZ Auschwitz I, das sogenannte Stammlager, ab Mai 1940, nach ersten Plänen als Durchgangslager, aber schon im Bau als KZ- und Arbeitslager eingerichtet. Der erste Häftlingstransport erreichte Auschwitz I am 20.5.1940. Bereits im März 1941 ordnete Himmler die Vergrößerung des Lagers an. Dies führte zu KZ Auschwitz II – Birkenau, dem größten deutschen Vernichtungslager, drei Kilometer vom Stammlager entfernt und KZ Auschwitz III-Monowitz im Ort Monowitz, zunächst unter der Bezeichnung BUNALager, zeitweilig organisatorisch ein eigenständiges Arbeitslager für verschiedene Industrieansiedlungen, z.B. IG Farben. Auschwitz-Birkenau wurde zu einem Symbol für den Holocaust. Es wurde zu einem Vernichtungslager mit insgesamt sechs Gaskammern und vier Krematorien. Unter unvorstellbar grausamen Bedingungen wurden hier diejenigen Hunderttausende von Men-schen, die nicht gleich an der berüchtigten Rampe aussortiert (selektiert) und sofort nach der Ankunft in den Gaskammern durch Zyklon B (Blausäuregas) vergast wor- den waren, gefangen gehalten, gefoltert, durch Zwangsarbeit, Erfrieren, Verhungern, Erschöpfung, medizinische Versuche, Exekutionen und letztendlich doch durch Vergasen getötet. Die meisten Opfer (nicht nur jüdische) kamen in Viehwaggons nach tagelangen Reisen in Auschwitz-Birkenau an. Meist fanden auf einer Verladerampe, zirka einen Kilometer vom Lagertor entfernt, die Selektionen durch die Lagerärzte statt, nur durch bloßen Augenschein, nicht durch Untersuchungen. Die „Schwachen“ und nicht „Arbeitsfähigen“, Mütter mit Kindern, alte Menschen, Kranke wurden gleich nach der Ankunft zur Gaskammer geführt, die anderen kamen zunächst ins Lager und mussten in den an das Lager angrenzenden Industriebetrieben arbeiten, wofür die Firmen eine kleine „Miete“ bezahlen mussten. Bei der Ankunft im Lager wurde den Opfern ihre Identität genommen, es wurde ihnen wie Vieh Nummern eintätowiert. rigen Arbeiter mussten im Laufschritt Ziegelsteine schleppen oder schwere Loren schieben. Jeder Versuch, sich etwas auszuruhen, hatte die Versetzung in eine Strafkompanie zur Folge, evtl. auch die sofortige Erschießung. Angehörige dieser Strafkompanien hatten kaum eine Überlebungschance. Am frühen Morgen und nach der Arbeit mussten sich die Gefangenen auf den diversen Appellplätzen versammeln. Die Appelle dauerten manchmal stundenlang. Viele hielten das Strammstehen in der Sommerhitze oder bei Frost nicht aus, kipp- In Auschwitz-Birkenau vegetierten die Gefangenen in hölzernen oder gemauerten Baracken dahin. Die Konzeption dieser Baracken basierte auf einem Plan für Pferdeställe. Bis zu 800 Menschen waren in jeder Baracke eingepfercht, die für 52 Pferde gedacht war. Es gab nur wenige, dazu noch sehr primitive Toiletten und Waschgelegenheiten. Tag und Nacht bestand Lebensgefahr. Das Lagergelände war durch eine doppelte Zaunreihe gesichert. „Arbeit“ bedeutete unmenschliche Sklavenarbeit in Fabriken, Minen, auf dem Land oder auf Baustellen. Sogar die schwersten Erdarbeiten mussten ohne ausreichendes Werkzeug verrichtet werden. Die stets hung- ten um und wurden deswegen ins Gas geschickt. Die tägliche Mahlzeit bestand aus einem Becher wässriger Rüben- oder Kohlsuppe, 300g Brot und etwas Schmalz oder Margarine. Selten „bereicherte“ ein 100g schweres Stück gepökeltes Schweinefleisch das Hungermahl. Als Folge der schweren Arbeit und der unzureichenden Versorgung mit Essen magerte man stark ab. Nach kurzer Zeit bestand der Körper nur noch aus Haut und Knochen …“ (http://www.deathcamps.org/occupation/auschwitz_de.html) Am 27. Januar 1945 erreichten und befreiten sowjetische Truppen das Lager und konnten noch 7650 Menschen befreien. Da nur die in den Lagern aufgenommenen und nicht die schon an der Rampe und bei der Selektion im Lager direkt in die Gaskammern geschickten Opfer gezählt wurden, ist man auf Schätzungen angewiesen. Nach neuerer Forschung wurden allein in Auschwitz zirka 1.100.000 Menschen ermordet, davon etwa 1.000.000 Juden, 70 bis 75.000 nichtjüdische Polen, 21.000 Roma, 15.000 sowjetische Kriegsgefangene und zirka 10 bis 15.000 Menschen sonstiger Herkunft. Neben den Opfern der hier aufgeführten Konzentrationslager gibt es noch weitere jüdische Opfer aus Elmshorn: KL Fuhlsbüttel später Gestapo-Gefängnis Alfred Oppenheim, geb. 13.5.1897 in Elmshorn, 1942 verhaftet, gest. 6.4.1943. Unbekannte Todesorte: Julius Dreiblatt, geb. 2.1.1890 in Hamburg, Verbleib unbekannt John Ely, geb. 9.8. 1873 in Elmshorn, gest. in Polen Olga Ely, geb. Lippstadt, geb. 14.2.1875 in Elmshorn, Verbleib unbekannt Walter Ely, geb. 8.8.1903 in Elmshorn, gestorben angeblich In Lodz Franz Goldschmidt, geb. am 7.3.1904 in Elmshorn, 1942 deportiert mit Frau Reine und Tochter Leah. Scheffler, Prof. Dr. Wolfgang: Zur Geschichte der Deportation jüdischer Bürger nach Riga 1941/1942. Vortrag anlässlich der Veranstaltung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. am 23. Mai 2000 zur Gründung des Riga-Komitees im LuiseSchröder-Saal des Berliner Rathauses. Literatur und Quellen: Links: Gillis-Carlebach (Hrsg.): Memorbuch zum Gedenken an die jüdischen, in der Shoah umgekommenen Schleswig-Holsteiner und Schleswig-Holsteinerinnen. Hamburg 1996. Kirschninck, Harald: Datei der jüdischen Einwohner Elmshorns 1685-1945 Kirschninck, Harald: Die Geschichte der Juden in Elmshorn. 1918-1945. Band 2. Norderstedt 2005. Kirschninck, Harald: Interviews mit Heinz Hirsch, Rudolf Baum (verst.), Rudolf Oppenheim und Anna Lötje geb. Lippstadt (verst.) Kirschninck, Harald: Juden in Elmshorn, Teil 1: Diskriminierung, Verfolgung, Vernichtung. Elmshorn 1996. (Beiträge zur Elmshorner Geschichte Band 9). Kirschninck, Harald: „Wer beim Juden kauft, ist ein Volksverräter!“ Der Untergang der jüdischen Gemeinde Elmshorn. In: Gerhard Paul / Miriam Carlebach (Hrsg.): Menora und Hakenkreuz. Zur Geschichte der Juden in und aus Schleswig-Holstein, Lübeck und Altona 1918 – 1998. Neumünster 1998. S. 283 – 296. Mosel, Wilhelm: Hamburg Deportation Transport to Riga Mosel, Wilhelm: Hamburg Deportation Transport to Minsk http://www.deathcamps.org/ occupation/auschwitz_de.html http://www.geschichtswerkstatt-dueren.de/ juden/a_z/depo.html http://www.deathcamps.org/ occupation/trawniki_de.html http://www.bergenbelsen.niedersachsen.de/ pdf/zurgeschichte.pdf http://www.shoa.de http://www.deathcamps.org/ occupation/lodz%20ghetto_de.html http://www.deathcamps.org/ reinhard/terezin_de.html http://de.wikipedia.org/ wiki/KZ_Theresienstadt Albert Hirsch Lornsenstraße 35 (Plan Nr. 9) Von Harald Kirschninck Albert Hirsch wurde am 24. September 1878 in Mogilno (Posen) geboren. Seine Eltern waren Fleischermeister Wilhelm Hirsch und Ernstine, geb. Baszynska. Albert heiratete am 15. November 1919 in Elmshorn seine Frau Gertrud, geb. Schmerl. Gertrud war Witwe und brachte ihren Sohn Horst mit in die Ehe. Albert und Gertrud bekamen am 16. Oktober 1920 einen gemeinsamen Sohn, den sie Heinz-Walter nannten. Die Familie Hirsch wohnte in der Lornsenstr. 35. Albert Hirsch war der Besitzer der Konservenfabrik Hirsch am Gerlingsweg. Im Israelitischen Kalender von 1926/27 erschien folgende Anzeige: "Gemüse- und Obstkonserven in feinster Qualität, hergestellt unter Aufsicht des Oberrabbiner Dr. Carlebach, Altona Holsteiner Konservenfabrik Albert Hirsch, Elmshorn." Albert Hirsch war ein sehr angesehener Mitbürger. Er war Ersatzdeputierter und über mehrere Jahre Vorsteher der Elmshorner Gemeinde. Albert Hirsch war der letzte freigewählte Vorsteher. Mit Beginn des Nationalsozialismus begann auch der Niedergang der Fabrik und schwere Jahre für die Familie Hirsch. Seit Juni 1935 durfte auf den Geschäftspapieren der Fabrik nicht mehr das Elmshorner Stadtwappen stehen. Dieses wurde in der Beigeordnetensitzung vom 12.6.1935 beschlossen. 1938 wurde die Fabrik schließlich “arisiert”, d.h. von einem Nationalsozialisten praktisch enteignet. Wilhelm Bull, der neue Besitzer, verschickte am 1. August 1938 Briefe, in denen er sich der Kundschaft empfahl. Jetzt prangte auf dem Briefkopf auch wieder das Elmshorner Stadtwappen. Am 16. September 1938 verstarb Gertrud Hirsch. Ihr Sohn aus erster Ehe war mittlerweile nach Peru ausgewandert. Zurück blieben Albert und Heinz Hirsch. Beide wurden in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt. Sie kamen nach einiger Zeit wieder frei. Heinz Hirsch wanderte im Februar 1939 ebenfalls wie sein Stiefbruder nach Lima/Peru aus. Dort eröffnete er einen AutoImporthandel, der sehr erfolgreich war. Er lebt heute in Florida und ist dort trotz des schon sehr hohen Alters ein angesehener Geschäftsmann. Zurück blieb Albert Hirsch, der letzte Vorsteher der Gemeinde. Die Nationalsozialisten erpressten von ihm noch am 5. September 1940 die Vereinbarung, dass künftig keine Beisetzungen mehr auf dem jüdischen Friedhof stattfinden sollten, da man beabsichtigte, diesen Friedhof nach einer Übergangsfrist aufzulösen und zu bebauen. nen Deportationsbescheid nach Riga. Er begab sich am 1. Dezember 1941 auf den jüdischen Teil des Ohlsdorfer Friedhofs, wo seine Frau Gertrud beerdigt worden war, und Albert Hirsch und seine Frau Gertrud. erhängte sich um 15.30 Uhr. In den Elmshorner Nachrichten erschien am 4.12.1941 darüber eine kleine Notiz: "Freiwillig aus dem Leben geschieden ist der frühere Besitzer der Holsteinischen Konservenfabrik H. Man fand ihn in einem Toilettenraum auf dem Ohlsdorfer Friedhof erhängt auf." Pate für Albert Hirsch ist Zu dieser Zeit wohnten in Elmshorn noch sechs Juden, darunter vier Glaubensjuden. Im November 1941 erhielt Albert Hirsch sei- Harald Kirschninck Fotos oben und unten: die Konservenfabrik von ... ... Albert Hirsch am Gerlingweg. Ausgeplündert: Der neue Besitzer zeigt seinen Geschäftsfreunden die “Arisierung” der Konservenfabrik an, die zuvor Albert Hirsch gehört hatte. Karl Löwenstein John Löwenstein Selma Levi geb. Löwenstein Peterstraße 29 (Plan Nr. 5-7) Von Harald Kirschninck Moses Löwenstein war ein streitbarer, kräftiger Mann. Er wurde 1848 geboren, ein halbes Jahr, bevor sein Vater im Befreiungskrieg 1848 fiel. Er erlernte wie dieser das SchlachterHandwerk, welches er in Elmshorn über lange Zeit ausübte. Er war Kriegsteilnehmer von 1870/71 und hatte vier Kinder, zwei Töchter (Bertha, geboren 1883 und Selma, geboren 1885) und zwei Söhne (Karl, geboren 1881 und John, geboren 1886). Moses Löwenstein war zwar ein Mitglied der hiesigen jüdischen Gemeinde, aber er galt als nicht sehr religiös, weshalb die Elmshorner Juden ihr Fleisch auch nicht bei ihm kauften, da es als nicht koscher galt. Dennoch sandte er seine Kinder auf die hiesige jüdische Schule. Als diese um 1890 geschlossen und in eine Religionsschule umgewandelt werden sollte, protestierte er bei dem Landrat Scheiff und dem Kreisschulinspektor Probst Buchholz und forderte, den damaligen Lehrer Bacharach durch einen neuen Lehrer zu ersetzen. Zu dieser Zeit besuchten allerdings nur noch die Löwenstein-Kinder die Schule, sodass die Umwandlung von Löwenstein nicht mehr aufgehalten werden konnte. Am 1. Weltkrieg nahmen Karl und John als Soldaten teil. Moses Löwenstein starb 1924 und brauchte nicht mehr mitzuerleben, dass drei seiner Kinder deportiert und schließlich ermordet wurden. Die Täter waren Bürger des Landes, für das er, sein Vater und auch seine Söhne in drei Kriegen gekämpft hatten. Alle drei Kinder wurden innerhalb eines Monats im Jahr 1941 deportiert und schließlich ermordet. John Löwenstein, der jüngste, war im Transport nach Minsk am 8.11.1941, Karl und Selma verschleppte man mit dem Transport am 6.12.1941 nach Riga. Karl Löwenstein war krank, pflegebedürftig und lebte im Pflegeheim Sandberg 102. Hier wurde er zunächst am 4.12.1941 der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) Kiel übergeben. Schon drei Wochen vor dem Transport verschickte die Gestapo Vermögenserklärungen, die die Juden auszufüllen hatten. Damit man auch alles erfassen konnte, bat man darum "gut leserlich auszufüllen, wenn möglich mit Schreibmaschine". Mitnehmen durften die Ausgeplünderten: "1. Ein Koffer mit Ausrüstungsstücken im Gewicht bis zu 50 kg. 2. Vollständige Bekleidung, möglichst festes Schuhwerk. 3. Bettzeug mit Decke. 4. Verpflegung für 14 Tg. bis 3 Wochen. 5. Bargeld bis zu RM 50,-." Was mit dem übrigen Vermögen geschah, wurde in dem Schreiben ebenfalls klargestellt: "Das Vermögen der für die Evakuierung vorgesehenen Juden ist rückwirkend ab 15.10.41 beschlagnahmt." Patin für Karl Löwenstein ist Anna Haentjens Pate für John Löwenstein ist Kai Lohse Patin für Selma Levi geb. Löwenstein ist die Frauengeschichtswerkstatt des Industriemuseums Elmshorn Penibel listete die Kieler Gestapo auf, was Karl Löwenstein und Albert Hirsch zur Deportation mitbringen durften. NaziDeutschlands Verwaltung hatte sie bereits mit dem Zwangsvornamen für männliche Juden, “Israel”, gedemütigt. Das Bahnticket für die Anreise zur Deportation hatten die Todeskandidaten selbst zu bezahlen. John Hasenberg Kirchenstraße 40 (Plan Nr. 10) Von Maximilian Jermies Geboren am 8. Oktober 1892 in Neunmünster als eines von sieben Kindern des jüdischen Ehepaares Henny Hasenberg (geb. Lippstadt) und Julius Hasenberg, zog John Hasenberg gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit seiner Familie nach Elmshorn, wo sein Vater in der Kirchenstraße 40 eine Immobilienfirma betrieb. John ging von 1902 bis 1909 auf die Bismarckschule und schloss diese mit dem Abschluss des Realgymnasiums ab. Auch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges erlebte er hier und zog bald an die Front. Sein Einsatz blieb nicht ohne Konsequenzen - für seine Verdienste wurde er mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet. Nach dem Ersten Weltkrieg hielt es ihn nicht mehr lange in Elmshorn; im Jahr 1922 zog er nach Hamburg, wo er als Kaufmann in der Bank von Willi Seligmann am Gänsemarkt 35 arbeitete und unter anderem am Schwanenwik 29 wohnte. Die Blaue Steuerkartei der Jüdischen Gemeinde belegt seinen Fortgang im Jahre 1927. Auf Hamburg folgte sein letzter deutscher Wohnsitz – Berlin. Hier heiratete er Gertrud (geb. Meyer), geboren am 28. Oktober 1903 in Berlin. Auch die beiden Kinder des Paares, ein Sohn, 1928 geboren, und die Tochter Irene Hasenberg, geboren im Jahr 1930, erblickten hier das Licht der Welt. Zwei Jahre nach der Proklamation der „Nürnberger Rassengesetze” bekam John Hasenberg die Möglichkeit, Deutschland zu verlassen. Die Firma „American Express” hatte ihm zwei Alternativen geboten: einen Job in Curacao oder in Amsterdam. Mit seiner Frau, seinem neunjährigen Sohn und seiner siebenjährigen Tochter zog John Hasenberg im Jahr 1937 von Berlin nach Amsterdam, um der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entgehen. Als die Nazis im Jahr 1940 in die Niederlande einmarschierten, wurde auch hier das Leben der Familie erheblich erschwert. Die Benutzung der Straßenbahn war der banale Grund für die erste Inhaftierung der kompletten Familie Hasenberg, aber vorerst hatte sie Glück. Ohne Begründung wurde die Familie wieder freigelassen. Was blieb, war die Angst. Weil es American Express verboten wurde, Juden zu beschäftigen, verlor John seine Arbeit und arbeitete nun für den “Joodsraad”, eine von den Nazis eingerichtete Organisation. Seine Aufgabe war es, den durch plötzliche Razzien deportierten Juden Das Wohnhaus John Hasenbergs in der Kirchenstraße 40. ihr Gepäck in die Sammellager nachzuschicken. John hatte die Erlaubnis, mit einem Team in die Wohnungen der deportierten Juden einzudringen und die benötigten Gepäckstücke zu beschaffen. Irene Hasenberg sagte in einem Interview im Jahr 1986, dass ihr Vater gehofft hatte, mit der Mitarbeit beim “Joodsraad” anderen Juden zu helfen. Wie so oft zögerte die Mit- arbeit im Joodsraad die Deportation nur hinaus, anstatt sie zu verhindern. Am 23. Juni 1943 kreiste die SS auch das Wohnviertel der Hasenbergs ein. Irene Hasenberg erinnerte sich, dass es ungefähr um 10 Uhr morgens an einem ungewöhnlich heißen Tag gewesen sein muss, als die SS auch an ihre Tür klopfte. Der Familie Hasenberg war es noch erlaubt, ein wenig Proviant und anderes Gepäck mitzunehmen, dann wurde sie mit anderen Juden zu Sammelplätzen getrieben und in Güterwaggons gepfercht. Die Erfahrung, mit zirka 60 anderen Menschen den ganzen Tag in einem Güterwaggon gefangen zu sein, beschreibt Irene Hasenberg als grausam. Am 23.Juni 1943 erreichte der Zug dann seine Endstation, das Sammellager Westerbork, wo die Familie acht Monate verbringen musste. Noch in Amsterdam hatte John jedoch über einen Freund von einem Schweden erfahren, der gefälschte Pässe beschaffen konnte. Auf Johns briefliche Anfrage erhielt die Familie Hasenberg nun aus Schweden vier ecuadorianische Pässe. Wie diese Pässe ihren Weg von Schweden über Amsterdam bis nach Westerbork gefunden haben, konnte niemand erklären. Fest stand aber, dass die Pässe den Status der Familie Hasenberg entscheidend veränderten. War ursprünglich die Deportation der Hasenbergs nach Auschwitz vorgesehen, so bewirkte der Nachweis einer nichtdeutschen Staatsbürgerschaft die Streichung der Familie von der Transportliste. Am 16.Februar 1944 erfolgte die Deportation in das Konzentrationslager Bergen-Belsen, wo Irene Hasenberg auch Anne Frank kennenlernte. Die Situation in Bergen-Belsen war wegen der Größe des Camps und der Menge an Menschen, die auf noch kleinerem Raum zusammengepfercht waren, schlimmer als in Westerbork. Mangelernährung, harte Arbeit und, im Falle von John Hasenberg, Prügelstrafen, schwächten besonders Hasenberg und seine Frau. Doch trotzdem erlangte die Familie Hasenberg aufgrund eines glücklichen Zufalls schließlich die Freiheit. Bei einem Gefangenenaustausch zwischen Amerikanern und Deutschen waren auf deutscher Seite nicht genügend Amerikaner für den Austausch vorhanden. Die Recherchen zu John Hasenberg hat der Leistungskurs Geschichte des 12. Jahrganges der Elsa-Brändström-Schule Elmshorn unter der Leitung von Doris Hannig-Wolfsohn in einem Projekt der Referendarin Julia Störzel im Jahr 2007 vorgenommen. Deswegen wählten die Nazis Häftlinge nichtdeutscher Nationalitäten aus, um die geforderte Anzahl zu erreichen. Wegen ihrer gefälschten Pässe gehörten die Hasenbergs zu den glücklichen Auserwählten, die den Zug Richtung Schweiz besteigen durften. Trotz des unglaublichen Glücks war es für John Hasenberg schon zu spät. Quellen: Stadtarchiv Elmshorn; Archiv der Elmshorner Nachrichten; Staatsarchiv Hamburg; Interview mit Irene Hasenberg (www. http://holocaust.umd.umich.edu/ butter/). Seine letzte Prügelstrafe hatte ihm bei seiner sowieso schlechten körperlichen Verfassung die letzten Kräfte geraubt. Er starb auf dem Weg in die Freiheit am 23. Januar 1945 bei Laubheim. Seine Familie zog weiter nach Amerika. Die folgenden Schüler haben daran mitgearbeitet: Lisa Arendt, Uwe Dahlke, Pia Heyne, Kerry Howard, Maximilian Jermies, Kevin Klüver, Maria Koch, Martin Krempa, Patrick Meißner Jana Mohr, Franziska Ortlinghaus, Milord Said, Tanja Schumann, Jessica Vokuhl, Janine Walter, Isabel Werner. Patin für John Hasenberg ist die Elsa-Brändström-Schule Georg Rosenberg Kirchenstraße 4 (Plan Nr. 11) Von Jürgen Wohlenberg, Mark Seeland, Thorben Walter und Anna Zier Georg Rosenberg führte bis 1926 einen Papiergroßhandel in der Kirchenstraße 4. Dieser war von seinem Vater Alexander Rosenberg im September 1883 als kleines Ladengeschäft am Markt gegründet worden. Er selbst wurde am 9. Juni 1886 als erster Sohn von Alexander und Amalie Rosenberg in Elmshorn geboren. Nach seinem Abschluss an der Bismarckschule im Jahre 1902 half er im Betrieb aus. Der Betrieb wurde später von ihm übernommen und im Laufe der Jahre signifikant vergrößert, sodass ein neues Gebäude in der Kirchenstraße 10 hinzugekauft werden musste. Am 8. Juni 1909 heiratete Georg die Elmshornerin Gerda Johanna Mendel. Sie entstammte einer der angesehensten jüdischen Familien Elmshorns. Im November 1910 bekamen die beiden ihren Sohn Günter, und im Dezember 1912 folgte die Tochter Edel Ellen. (1) Im Jahre 1913 wanderte Georgs Bruder Friedrich, auch genannt Fritz, mit der „Graf von Waldersee“ in die USA aus. Sein Vater Alexander bezahlte die 75 US-Dollar für die Überfahrt, und er gab als Adresse seinen Cousin Jacob in der Nassau Street, New York City an.(2) Der Grund für die Auswanderung ist naturgemäß nicht bekannt, vielleicht war es Abenteuerlust, vielleicht auch nur die Enttäuschung, dass sein Bruder das Geschäft bekam. Georg und Gerda wurden offensichtlich nicht glücklich. Mit einem Gerichtsurteil des Landesgerichts Altona wurde die Ehe zwischen beiden im Jahre 1920 geschieden. Gerda durfte den Namen Rosenberg-Mendel weiterführen.(1) Sie zog bald darauf in die Holstenstraße 10 und war dort mit ihrem Sohn Günter gemeldet. Sie arbeitete als Hand- und Fußpflegerin und Günter als Messe-Steward.(3) Kurz nach der Scheidung nahm sich seine Mutter Amalie Rosenberg das Leben. Am 8. November 1921 heiratete er die Nichtjüdin Irma Schmidt.(1) Zum 40-jährigen Jubiläum seines Geschäfts am 1. September 1923 lobt die Elmshorner Zeitung Georg Rosenberg; er wird dort als Gönner vieler Elmshorner Einrichtungen in Sport und Kultur und ein Förderer des Elmshorner Theaters genannt. Mit seinem guten Geschäftssinn und seinen zahlreichen Kontakten ins Ausland konnte er Devisen in die Stadt schaffen, dies wurde von der Elmshorner Zeitung als „praktische Vaterlandsliebe“ bezeichnet.(4) Doch wenig später wendete sich für ihn das Blatt, denn die Scheidung und einige Steuervergehen führten schließlich zum Konkurs seines Papiergroßhandels, eine zweimonatige Gefängnisstrafe wegen Konkursvergehen wurde in eine Bewährungsstrafe umgewandelt.(5) Die Kirchenstraße 4 musste im April 1926 zwangsversteigert werden, (6) und weitere Eine Annonce der Firma Rosenberg aus dem Jahr 1903. Immobilien wurden verkauft oder vor dem Konkurs an seine Ex-Frau und Kinder überschrieben.(7) Mit seiner zweiten Frau Irma zog er dann in die Peterstraße 28, dort betrieb sie einen Handarbeitsladen, in dem er ihr aushalf. Bei der großen Boykott-Aktion der Nationalsozialisten am 1. April 1933 wurde auch Irmas Laden in der Königstraße von SA-Posten belagert und als jüdisches Geschäft gebrandmarkt. Nach der „freiwilligen“ Schließung ihres Ladens zogen die SAPosten ab.(8) Georg arbeitete nach seinem Konkurs auch als Reisevertreter für eine Elmshorner Margarinefabrik und reiste 1936 geschäftlich wie früher nach Wyk auf Föhr. Er wohnte wie immer im Strandhotel. Dort wurde er von einem SA-Mann, dem Sohn der Eigentümerin Frau P. und einem Bekannten des Herrn P. aus dem Hotel geprügelt und beschimpft. Bei der Polizei warfen ihm Herr P. und der Bekannte vor, den dortigen Kolonialwarenhändler betrogen zu haben, wofür es aber keinerlei Beweise gab. Georg war bereit, die Anzeige zurückzuziehen, wenn die Täter an die Winterhilfe spenden würden. Das Verfahren wurde von der Flensburger Staatsanwaltschaft wenige Tage nach Erhalt des Polizeilichen Führungszeugnisses Georg Rosenbergs eingestellt. Die Elmshorner Polizei schreibt im Dezember 1936: „Der Kaufmann Georg Rosenberg, geboren am 9. Juni 1886 in Elmshorn, wohnhaft in Elmshorn, Peterstraße Nr. 28, ist Jude. […] Der Ruf des Rosenberg ist kein guter. Wie bereits oben erwähnt, ist er wegen Konkursvergehen und Betruges vorbestraft. Im Laufe dieses Jahres liefen hier mehrere Anzeigen gegen seine Ehefrau, die Inhaberin des Stickereigeschäfts ist, durch. Der Frau wurde Untreue und Betrug zum Nachteil ihrer Lieferanten zur Last gelegt. Der Hauptbetreiber dieser Handlungen dürfte aber der Ehemann gewesen sein. […] Im Übrigen kann gesagt werden, daß man es bei Rosenberg mit einem typischen Juden mit typisch jüdischem Charakter und Einstellung zu tun hat.“ (5) Georg versuchte jetzt irgendwie durchzukommen, nachdem er seinen „Arierschutz“ nach der Trennung von seiner Frau Irma irgendwann nach 1936 verloren hatte. Er wandte sich an die jüdi- sche Gemeinde in Elmshorn und bekam Zuflucht bei den Oppenheims. Er versteckte sich auf deren Dachboden bis zur Flucht der Oppenheims im Februar 1939.(13) Zu diesem Zeitpunkt musste die jüdische Bevölkerung all ihre Besitztümer abgeben, sodass sie nur noch ihren Hausrat besaß und einen kleinen Zins ihres ehemaligen Vermögens. Wie gefährlich es war, nicht all sein Geld abzugeben, bekam Georg im Juli 1939 am eigenen Leib zu spüren. „Festgenommen wurde am Montag, dem 24. Juli, der frühere Kaufmann, der Jude Georg Rosenberg. Er lebte in der letzten Zeit von Unterstützungen der jüdischen Gemeinschaftshilfe und versuchte, bei Behörden Hilfe in seiner angeblichen „Notlage“ zu finden. Es wurden bei seiner Festnahme 452,16 RM bei ihm vorgefunden. Diese Summe hatte Rosenberg nach jüdisch-devisenschieberischer Weise in dem Futter seiner rechten Hosenklappe versteckt. Die Gestapo wird sich jetzt wieder einmal mit ihm beschäftigen.“ (9) Er wurde der Gestapo übergeben, und am 19. Februar 1943 von Berlin nach Auschwitz deportiert.(10) Er ist in den Opferlisten von Yad Vashem geführt, sein genaueres Schicksal und der genaue Todeszeitpunkt bleibt wohl für immer unbekannt. 1937 zog Gerda Rosenberg-Mendel nach Hamburg. Ihre Tochter Edel Ellen war schon 1935 nach Liverpool, England, geflohen und zog nach der Flucht Gerdas 1939 mit ihr nach Romford/Essex, ein heutiger Stadtteil Londons. Edel Ellen erhielt 1947 die britische Staatsbürgerschaft. Der Verbleib des Sohnes Günter ist ungeklärt. (7) Der Bruder Friedrich Rosenberg starb im Jahr 1975 in San Antonio, Texas, USA.(12) In dem Stadtteil von San Antonio, in dem er zum Zeitpunkt seines Todes lebte, wohnen auch heute mehrere Rosenbergs. Das Grab der Eltern von Georg und Friedrich Rosenberg ist heute noch auf dem jüdischen Friedhof in Elmshorn zu finden. Es liegt von der Feldstraße aus gesehen auf der linken Seite der Friedhofshalle. Quellen: (1) Meldekarten, Elmshorner Stadtarchiv (2) Ellis Island, Einwanderungsunterlagen (3) Elmshorner Adressbuch 1934, Elmshorner Stadtarchiv (4) Elmshorner Zeitung, 31. August 1923 5 Landesarchiv Schleswig-Holstein 354 – 2256 (6) altes Grundbuch Elmshorn, Band 18, Blatt 894 (7) Landesarchiv Schleswig-Holstein 510 – 3331 (8) Elmshorner Nachrichten,1. April 1933; Band 9 der Elmshorner Geschichte (9) Elmshorner Nachrichten, 25. Juni 1939 (10) Archiv Auschwitz, Deportationsliste vom 19. Februar 1943 von Berlin nach Auschwitz (11) Landesarchiv Schleswig-Holstein 761 – 14282 und Jewish Refugee Committee Archiv (12) Ancestry.com (13) Information von Harald Kirschninck, Verfasser des 9. Bandes der Beiträge zur Elmshorner Geschichte. Paten für Georg Rosenberg sind Jürgen Wohlenberg und Hans-Joachim Wohlenberg sowie Mark Seeland, Thorben Walter und Anna Zier von der Gesamtschule Elmshorn (KGSE) Hans-DDaniel Stoppelmann Adele-EElsa Stoppelmann Norderstraße 28 (Plan Nr. 12 + 13) Von Rudi Arendt und Maren Josephi Als Schleswig-Holstein 1945 von britischen Truppen besetzt und damit vom NSTerrorregime befreit wurde, war das jüdische Leben zerschlagen: die Gemeinden waren längst liquidiert, die Synagogen geschändet, jüdischer Besitz „arisiert“ und die jüdische Bevölkerung verjagt, deportiert und ermordet. „Hier riecht es nach Leichen, nach Gaskammern und nach Folterzellen“, schrieb der Journalist und Schriftsteller Robert Weltsch nach einem Besuch im besiegten Deutschland im Jahre 1946. Doch das ganze Ausmaß der Katastrophe wurde erst später offenbar. „Ich hätte niemals geglaubt, dass allein wir über 1600 umgebrachte Juden zu beweinen haben“, zeigte sich Schimon Monin – 1934 zusammen mit seiner Familie von Flensburg nach Palästina geflohen und heute Sprecher des Schleswig-Holstein-Komitees in Israel – erschüttert. Oktober 1912, lebte er zusammen mit seinen beiden Brüdern Richard (geboren am 22. Februar 1910) und Max Heinz (geboren am 24. Januar 1908) sowie seinen Eltern. Die Eltern, Vater Julius Stoppelmann, geboren 1874 im holländischen Belingwolde und Mutter Adele Elsa, geb. Vogel, bewohnten anfangs mit ihren Kindern ein Haus in der Gärtnerstraße. Hans Daniel Stoppelmann ging, so ein Zeugnis aus dem Jahre 1927, auf die nahe gelegene Bismarckschule. Sie wurde derzeit als „städtisches Realgymnasium mit Realschule“ geführt. In einer Schulklasse (eine U-IIa) dieses Jahrganges, das belegt dieses Dokument, lernten zwischen 34 und 38 Schülerinnen und Schüler in einem Raum. Sein Bruder Max-Heinz hatte zu dem Zeitpunkt schon seine achtjährige Schulzeit an der Bismarckschule (1917 bis 1925) absolviert. Erinnert werden soll hier an die Familie Stoppelmann. An die Mutter, Adele-Elsa und an Hans Daniel, jüngster Sohn dieser fünfköpfigen Elmshorner Familie, die dem jüdischen Glauben angehörte. Geboren am 30. Kaum begann Hitler nach der Machtübertragung 1933 damit, sein von Rassismus, Ausgrenzung und Willkür getragenes Regime zu etablieren, erklärte Rabbiner Dr. Leo Baeck, „der letzte große repräsentative deutsche Jude, der in der kritischen letzten Periode auch zum politischen Führer wurde“, die tausendjährige Geschichte der Juden in Deutschland für abgeschlossen. Dieser düsteren Prophezeiung – ausgesprochen bereits auf der ersten Sitzung der im selben Jahr gegründeten „Reichsvertretung der deutschen Juden“, deren Präsident Baeck war – wollten zunächst nur wenige Juden Glauben schenken – ein für sie tragischer Trugschluss. Die Frage „Gehen oder bleiben?“ beantworteten viele von ihnen mit „Abwarten“. Auch die Familie Stoppelmann. Sie gerieten zusehends in die Ausgrenzungsund Vernichtungsmaschinerie der Nazis. Die Familie zog noch um. Von der Gärtnerstraße in die heutige Norderstraße, damals Schlageterstraße, in das Haus Nr. 28. Sie wohnte damit unweit des Parteilokals der NSDAP, Stüben und des Café Koch. Hier kamen regelmäßig dienstags die örtlichen Schläger von SA und SS zusammen. Im Jahr 1936 starb der Vater im Alter von 62 Jahren an Herzversagen. Er war in seinem Leben Viehhändler gewesen. Seine Arbeitsstätte befand sich am Flamweg 7. Julius Stoppelmann gehörte noch zur Generation der Teilnehmer des 1. Weltkrieges. Mit ihm verlor die jüdische Gemeinde einen aktiven Gläubigen – er fungierte als Deputierter der Elmshorner Glaubensgemeinschaft in den Jahren 1929 bis 1932 – und Elmshorn verlor ein Mitglied und einen Ehrenförderer der Elmshorner Männer- und Turnvereinigung (EMTV). Der Tod des Vaters bedeutet einen tiefen Einschnitt für die übrige Familie. Die „Arisierung“ von Mietgrundstück, Stallgebäude und Weidegrund durch die Nazis raubt ihnen die Existenzgrundlage. Und dann kommt die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. In der „Hauptstadt der Bewegung“, in München, hat sich zum Gedenken an den missglückten Hitler-Putsch vom 8./9. November 1923 fast die gesamte NS-Prominenz – darunter auch Schleswig-Holsteins Gauleiter Hinrich Lohse – versammelt, als die Nachricht eintrifft, dass Ernst vom Rath, Diplomat der deutschen Botschaft in Paris, den schweren Verletzungen erlegen ist, die ihm zwei Tage zuvor der 17-jährige Jude Herschel Grynszpan mit einem Revolver zugefügt hatte. Den Nazis kommt dieses Attentat gelegen. Sehen sie doch den willkommenen Anlass, eine „Nacht des Schreckens“ zu inszenieren, in der sich der braune Mob auf Anweisung „spontan“ austoben sollte – so die offizielle Sprachregelung und die Darstellung in der längst gleichgeschalteten Presse. In Elmshorn wird das alte SA-Kampflied „Hallo, die Synagoge brennt“ grausame Wirklichkeit: SA-Männer haben von der nahe gelegenen Tankstelle Benzin zum jüdischen Gotteshaus am Flamweg geschleppt und das Gebäude in Brand gesteckt. Erst als das Zerstörungswerk vollbracht ist, wird die Feuerwehr alarmiert. Die Mutter und ihre Söhne (Hans Daniel war zwischenzeitlich auch in Kiel gemeldet) emigrieren noch einen Monat später – am 12. Dezember 1938 – nach Assen/Holland, wohl zu Verwandten des verstorbenen Vaters. Auf den Angriff auf Polen, am 1. September 1939 – der Entfesselung des Zweiten Weltkrieges – folgt der Überfall der Wehrmacht auch im Westen auf neutrale Staaten wie die Niederlande, Belgien und Luxemburg. Am 15. Mai 1940, nach dem verheerenden Luftangriff auf Rotterdam, kapituliert die niederländische Armee. Die Vernichtung der jüdischen Menschen auch in West-Europa beginnt. Der frühere Wohnsitz der Familie Stoppelmann in der Norderstraße 28. Hans Daniel Stoppelmann und seine Mutter, Adele Elsa Stoppelmann, werden 1942 in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Die Mutter wird kurz nach der Ankunft am 26.10.1942 dort ermordet. Für das Ende in der Gaskammer gibt es keine persönlichen Zeichen. Durch Nachforschungen vor Ort in der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem ist auch das Todesdatum von Hans Daniel Stoppelmann bekannt. Es ist der 30.6.1944. Dennoch gab es Überlebende der Familie Stoppelmann. Richard Stoppelmann emigrierte am 22.10.1939 mit dem Schiff „Statendam“ von Rotterdam nach New York. Ziel der zehntägigen Überfahrt: die 1440 4th Str. Des Moines in Iowa/USA, die Wohnung des zuvor schon emigrierten Bruders MaxHeinz. Im November 1942 lebten gerade noch 59 Juden in Schleswig-Holstein, verteilt auf 18 Orte. : Quellen für Hans-Daniel und Adele Elsa Stoppelmann G. Paul/M. Gillis Carlebach: Menora und Hakenkreuz zur Geschichte der Juden in und aus Schleswig-Holstein, Lübeck und Altona, Seite 713; Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der NSGewaltherrschaft in Deutschland 1933 bis 1945, Bundesarchiv Koblenz 1986 und Stadtarchiv Elmshorn, Schularchiv der Bismarckschule, H.Diercks/F.Bringmann, „Die Freiheit lebt“, Seite 24, Gedenkstätte Yad Vashem/Israel, Liste von Opfern aus den Niederlanden, Erich Koch/Schleswig, Center of Research on Dutch Jewry, Harald Kirschninck/Elmshorn. Patin für Hans-Daniel Stoppelmann ist die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Elmshorn Patin für Adele-Elsa Stoppelmann ist die Jüdische Gemeinde Elmshorn