Telefon: 0 233-47880 0 233-47843 Telefax: 0 233-47605 Seite 1 von 14 Referat für Gesundheit und Umwelt Steuerungsunterstützung Beteiligungsmanagement RGU-S-BM Hygiene und Umweltmedizin RGU-HU Gesundheitsschutz RGU-GS Klimawandel und Gesundheit Klimawandel und Gesundheit (I) Antrag Nr. 08-14 / A 01063 der Stadtratsfraktion DIE GRÜNEN/RL vom 23.09.2009 Klimawandel und Gesundheit (II) Antrag Nr. 08-14 / A 01064 der Stadtratsfraktion DIE GRÜNEN/RL vom 23.09.2009 2 Anlagen Beschluss des Gesundheitsausschusses vom 18.03.2010 (SB) Öffentliche Sitzung Inhaltsverzeichnis Seite I. 2 2 2 3 3 Vortrag des Referenten 1. Klimawandel – eine Realität 2. Auswirkungen des Klimawandels im Stadtgebiet München 3. Klimawandel und Gesundheit 3.1. Klimawandel und nicht-infektiöse Krankheiten 3.1.1. Zunahme von u.a. Herz-Kreislauferkrankungen durch extreme Wetterereignisse 3.1.2. Im Jahresverlauf verlängerte und verstärkt auftretende allergische Beschwerden 3.1.3 Atemwegsbeschwerden durch erhöhte Ozonbelastungen im Freien 3.2. Klimawandel und Infektionskrankheiten 3.2.1. Zunahme von durch Vektoren übertragenen Infektionskrankheiten 3.2.2. Durch Stechmücken übertragene Krankheiten 3.2.3. Durch Zecken übertragbare Krankheiten 3.2.4. Durch Nager übertragene Krankheiten 3.2.5. Zunahme von durch Lebensmittel übertragenen Infektionen 3.2.6. Globalisierung, Mobilität – vermehrter Import von Infektionskrankheiten 3.3. Anpassungsstrategien 3.3.1. International 3.3.2. National 3.3.3. Regional 3.3.4. Kommunal: Rolle des RGU 3 4 4 4 5 5 6 6 6 7 7 7 8 8 8 Seite 2 von 14 3.4. 3.5. Versorgungsbedarf bzgl. klimaassoziierter Erkrankungen Medizinische Aus- und Weiterbildung bzgl. gesundheitlicher Folgen des Klimawandels 3.6. Quellen und weiterführende Informationen II. Antrag des Referenten III. Beschluss I. 9 10 11 13 14 Vortrag des Referenten Die Stadtratsfraktion Die Grünen/ Rosa Liste hat am 23.09.2009 die Anträge „Klimawandel und Gesundheit I und II“ (Anlage 1 und 2) gestellt, in denen er das Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) auffordert dem Stadtrat die Auswirkungen des globalen Klimawandels darzustellen. Zudem fordert er das RGU und die Städtisches Klinikum München GmbH auf Fortbildungsveranstaltungen zum Thema „Klimawandel und Gesundheit“ durchzuführen. Für beide Anträge wurde eine Terminverlängerung bis 18.03.2010 gewährt, für die ich mich bedanke. 1. Klimawandel – eine Realität Internationale Klimaexperten und Wissenschaftsgremien sind sich einig, dass der Klimawandel Realität ist. Modellrechnungen sagen in diesem Jahrhundert, bedingt vor allem durch anthropogene Einflüsse, einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 2°C bis 4,0°C voraus. In Deutschland nahm die Jahresmitteltemperatur von 1901 bis 2007 um 0,9°Grad zu (weltweit um 0,7 Grad), bis zum Ende dieses Jahrhunderts könnten die Temperaturen in Deutschland um weitere 2,5°C bis 3,5°C steigen. Angenommen wird eine besonders starke Erwärmung in den Winterperioden in Süddeutschland. Weiter wurde weltweit eine Zunahme von extremen Wetterereignissen verzeichnet. Die Häufigkeit und die Intensität dieser extremen Wetterereignisse (Stürme, Überflutungen, Trockenperioden und Hitzewellen) werden auch bei uns zunehmen. Eine Folge davon sind jetzt noch nicht absehbare Bevölkerungsverschiebungen bzw. Flüchtlingsproblematiken. 2. Auswirkung des Klimawandels im Stadtgebiet München Die Übertragung dieser globalen Aussagen zur Klimaveränderung auf das Stadtgebiet München ist schwierig und derzeit kaum annäherungsweise möglich. Das Stadtklima ist gegenüber dem Umland stark modifiziert, man spricht von einem Mesoklima in Städten und Ballungsräumen. Verursacht wird es zum einen vom übergeordneten regionalen Klima, zum anderen innerhalb der Stadt von der Art und Dichte der Bebauung und ihrer Wärmespeicherkapazität, dem Versiegelungsgrad des Bodens, dem veränderten Wasserhaushalt und der vermehrten Emission von Abgasen und Abwärme. Wechselseitig bedingend ergeben sich daraus markante Seite 3 von 14 Phänomene des Stadtklimas, wie beispielsweise München als Wärmeinsel oder die Dunstglocke über der Stadt. Kleinräumiger (Mikroklima) können teilweise aber auch stadtteil-/straßenbezogen große Temperatur- und Windgeschwindigkeitsunterschiede auftreten. Herausforderungen, Ziele und Umsetzungsstrategien im Bereich „Klimawandel und Klimaschutz“ werden für die Stadt München im Entwurf zur Aktualisierung der „Leitlinie Ökologie der Perspektive München“ beschrieben. 3. Klimawandel und Gesundheit Das Thema des Weltgesundheitstages im April 2008 „Schutz der Gesundheit vor den Folgen des Klimawandels“, stellt die Gesundheit ins Zentrum des weltweiten Dialogs über den Klimawandel. Der Klimawandel kann auf vielerlei Weise Einfluss auf die menschliche Gesundheit nehmen. Neben den direkten Folgen wird langfristig auch mit indirekten Folgen einer anthropogenen Klimaänderung für die menschliche Gesundheit zu rechnen sein. Hierbei ist insbesondere die Ausbreitung von Infektionskrankheiten im Mittelpunkt des Interesses. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt - neben anderen Gesundheitsrisiken - vor der Zunahme von Infektionserkrankungen. So ist zusätzlich zu den in Deutschland selbst neu auftretenden Infektionserkrankungen vermehrt mit importierten Erkrankungen zu rechnen, die in den südlichen Haupturlaubsgebieten (Mittelmeerländer) neu bzw. verstärkt auftreten oder Erkrankungen, die durch den Ferntourismus innerhalb kürzester Zeit eingeschleppt werden können. 3.1. Klimawandel und nicht-infektiöse Krankheiten 3.1.1. Zunahme von u.a. Herz-Kreislauferkrankungen durch extreme Wetterereignisse Beeinträchtigungen der menschlichen Gesundheit sind möglich durch extreme Wetterereignisse und den direkten Folgen von Überflutungen oder Stürmen. Hitzewellen (vgl. Sommer 2003 ) führen zu einer deutlichen Zunahme der Sterblichkeit vor allem bei älteren und chronisch kranken Menschen durch die hitzebedingte verstärkte Belastung des Herz-Kreislauf-Systems. Über ein Hitzewarnsystem erhalten z.B. Einrichtungen, in denen besonders gefährdete Personengruppen versorgt werden (u.a. Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäuser) direkt vom Deutschen Wetterdienst (DWD) bereits seit mehreren Jahren regionale Hitzewarnungen und Hitzeprognosen, um gefährdete Personen rechtzeitig informieren und/oder behandeln zu können. Seite 4 von 14 3.1.2. Im Jahresverlauf verlängerte und verstärkt auftretende allergische Beschwerden Für Patienten mit einer entsprechenden Sensibilisierung gegen Pollen relevant ist, dass aufgrund der milderen Temperaturen sich die Pollenflugzeiten um zirka zehn Tage verlängert haben. Außerdem erwarten Experten durch die Zunahme der CO2Konzentration eine stärkere Pollenemission bei manchen Pflanzen. Allergiker werden deshalb nicht nur über längere Zeiträume, sondern auch quantitativ stärker gegen bestimmte Allergene exponiert sein. Erschwerend hinzukommt die zunehmende Schadstoffbelastung der Außenluft im Ballungsgebiet München, die die allergische Immunantwort in besonderem Maße aktivieren kann. Der Klimawandel kann auch die Verbreitung von Pflanzen mit starkem allergenen Potenzial nach Deutschland begünstigen. Bei der verstärkten Ausbreitung der aus Nordamerika eingewanderten Beifuß-Ambrosie als sehr potentem Allergen sind aber in erster Linie andere anthropogene Faktoren anzusprechen, nämlich die Verbreitung über Vögel (Vogelfutter), Saat und kontamiertes Erdreich. Das bayerische Ministerium für Umwelt und Gesundheit (StMUG) startete 2007 ein konzertiertes Aktionsprogramm zur Bekämpfung der Beifuß-Ambrosie. Die Bekämpfung größerer Bestände erfolgt nach Meldung an die Münchner Kreisverwaltungsbehörden mit deren Beratung. 3.1.3. Atemwegsbeschwerden durch erhöhte Ozonbelastungen im Freien Hohe Lufttemperaturen verbunden mit starker Sonneneinstrahlung verstärken die bodennahe Ozonbildung, was bei anhaltender sommerlicher Schönwetterlage zu ozonbedingten gesundheitlichen Problemen führen kann. Zwar gehen seit 1990 dank einer konsequenten Luftreinhaltepolitik die Ozonspitzenwerte zurück. Aber örtlich können immer noch Ozonkonzentrationen oberhalb der Alarmschwelle auftreten, wenn eine weitere Verringerung des Ausstoßes der Ozon-Vorläufersubstanzen (Stickstoffoxide (NOx) und flüchtigen organischen Verbindungen (NMVOC)) nicht gelingt. 3.2. Klimawandel und Infektionskrankheiten Veränderungen der Verteilung und des Verhaltens von Insekten-, Spinnen- und Vogelarten sind frühe Anzeichen dafür, dass die biologischen Systeme bereits auf den Klimawandel reagieren. Im Blickpunkt des Fachbereiches Infektionsschutz steht das Risiko der Verbreitung und der Zunahme von medizinisch bedeutsamen Infektionskrankheiten, an deren Übertragung Insekten und andere Gliederfüßer, Nagetiere oder Vögel beteiligt sind. Mit Blick auf Deutschland betrifft dies vorwiegend Infektionserreger, die bereits endemisch sind (z.B. Hantaviren, Zecken-übertragene Erreger wie Borrelien und FSME-Virus, durch Lebensmittel und Wasser übertragene Erreger). Auch neue, bisher in Deutschland nicht heimische Erreger (z.B. das West-Nil-Virus, Seite 5 von 14 Dengue-Virus), die über den Tourismus und den Transport von Tieren oder Waren eingeschleppt werden können, gewinnen an Bedeutung. Das für den Menschen potenziell pathogene Erregerspektrum ist vielfältig, die Interaktionen und Einflussfaktoren sind komplex und bei Weitem nicht in Gänze erfasst. Die fehlenden Informationen machen es daher auch sehr schwer, klare Aussagen über die zunehmende Ausbreitung und die daraus resultierenden Risiken für die Bevölkerung zu treffen. 3.2.1. Zunahme von durch Vektoren übertragenen Infektionskrankheiten Viele Infektionskrankheiten werden durch Krankheitsüberträger, sog. Vektoren, wie Insekten oder Nagetiere auf den Menschen übertragen. Nach Angaben des RobertKoch-Instituts (RKI) wird die Ausbreitung von Infektionskrankheiten wie Malaria, Gelbfieber und Dengue-Fieber durch die aktuellen Klimaveränderungen in einigen Regionen Afrikas, Südamerikas und Asiens nachweislich begünstigt. Tropische und subtropische Infektionskrankheiten werden meist durch Fernreisen nach Deutschland eingeschleppt. Laut RKI sinkt im langfristigen Trend zwar die Zahl der reisebedingten Malaria-Fälle, gleichzeitig steigt aber die Zahl an importierten Infektionen beispielsweise durch Dengue-Viren und Leishmanien, Erreger von schweren Infektionskrankheiten. 3.2.2. Durch Stechmücken übertragene Krankheiten Dengue-Viren werden ebenso wie die Malaria verursachenden PlasmodienParasiten von Stechmücken übertragen. Das Risiko, dass sich die Krankheiten in Europa ausbreiten werden, schätzen Experten zurzeit als gering ein. Bemerkenswert ist allerdings der deutliche Anstieg an importierten DengueVirusinfektionen in 2009: In den Jahren 2005-2008 bewegte sich die Zahl der Dengue-Virusinfektionen, die in München vom Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) zu bearbeiten waren, immer um 18 Fälle pro Jahr. 2009 wurden 34 Fälle gemeldet, eine junge Person verstarb an der Dengue-Virusinfektion. Ob sich aus dieser Zunahme im Jahr 2009 ein Trend ausmachen lässt, wird die Zukunft zeigen. Die mit Fieber und Gelenkschmerzen einhergehende tropische Infektionskrankheit Chikungunya führte 2007 in Norditalien erstmals zu einem schweren regionalen Ausbruch. Auch in Deutschland wird in den nächsten Jahren mit einer Einwanderung der asiatischen Tigermücke, die Chikungunya-Viren und zahlreiche andere Krankheitserreger übertragen kann, gerechnet. Unter bestimmten Klimaerwärmungsszenarien in Deutschland sind LeishmanienInfektionen denkbar, die – abhängig von der Erreger-Spezies – von selbstlimitierenden Hautgeschwüren bis zu potenziell tödlich verlaufenden Organmanifestationen reichen. Ebenfalls wird die in seltenen Fällen tödlich verlaufende West-Nil-Virus Infektion im Zusammenhang mit dem Klimawandel als mögliche neue Infektionskrankheit diskutiert. Seite 6 von 14 3.2.3. Durch Zecken übertragbare Krankheiten Nach Erkenntnissen aus den cCASHh (climate change and adaption strategies for human health)- Studien haben sich die Lyme-Borreliose und die FrühsommerMeningoenzephalitis (FSME), zwei wichtige durch Zecken übertragbare Krankheiten, in den vergangenen Jahrzehnten weiter nach Norden und in höhere Lagen ausgebreitet. Sie treten heute beispielsweise in Schweden und Tschechien auf. In Deutschland haben sich die Risikoregionen für die FSME nach Angaben des RKI von Süddeutschland aus zwar leicht nach Norden verschoben, etwa nach Hessen und ins Saarland, sind aber weiterhin auf die seit längerem bekannten Endemiegebiete beschränkt. In Bayern sind insgesamt 78 von 96 Kreisen zum FSME-Risikogebiet erklärt, der Ballungsraum München zählt noch nicht dazu (Epidemiologisches Bulletin Nr.18/2009). Das Vorkommen der Lyme-Borreliose ist nicht auf Risikogebiete beschränkt. Eine Infektion ist in Bayern überall dort möglich, wo Schildzecken vorkommen. Entsprechend dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist diese bakterielle Infektion im Vergleich zur viral bedingten FSME in Deutschland nicht meldepflichtig. Es ist durchaus denkbar, dass sich im Zusammenhang mit wärmeren Wintern die Lebensbedingungen für Reservoir- und Vektorpopulationen zunehmend verbessern und dadurch die Infektionsgefahr für den Menschen steigt. Belegbar sind solche Effekte derzeit noch nicht. So ist die Häufigkeit der LymeBorreliose in den Gebieten Ostdeutschlands mit Meldepflicht im langfristigen Vergleich zwar gestiegen, doch ein Einfluss des Klimawandels lässt sich noch nicht eindeutig beweisen. 3.2.4. Durch Nager übertragene Krankheiten Die Hantavirus-Infektion, die zu Fieber-, Kopf-, Bauch- und Rückenschmerzen und schwerer Nierenerkrankung führen kann, wird hauptsächlich durch das Einatmen von getrocknetem Urin und Kot infizierter Rötelmäuse übertragen. Im Jahr 2007 gab es aufgrund des ungewöhnlich warmen Winters und der somit guten Vermehrungsbedingungen der Mäuse ungewöhnlich viele HantavirusErkrankungsfälle in Deutschland, vor allem in den südlichen Regionen. Da milde Winter die Vermehrung der Hanta-übertragenden Nagetiere (Rötel-, Gelbhals-, Brandmäuse) begünstigen, könnte die Klimaerwärmung zu einer Zunahme dieser Viruskrankheit führen. In Deutschland stellen Hanta-übertragende Nagetiere neben den Zecken die bedeutsamste Quelle vektor-assoziierter Infektionskrankheiten dar. In München sind Hantavirus-Infektionen selten. Seit 2005 bewegen sich die Zahlen zwischen 0 und 1 Fall pro Jahr. 3.2.5. Zunahme von durch Lebensmittel übertragenen Infektionen Lebensmittelbedingte Durchfallerkrankungen gelten als in hohem Maße sensibel für Klimaveränderungen und sind starken saisonalen Schwankungen unterworfen. Das RKI geht davon aus, dass Lebensmittel assoziierte Infektionen bei einer Seite 7 von 14 Temperaturerhöhung häufiger auftreten werden. Ein Vorbote dafür könnte die Zunahme der Campylobacter-Erkrankungsfälle vor zwei Jahren sein: 2007 gab es ungewöhnlich viele Fälle von Campylobacter-Infektionen, die Fallzahlen stiegen ungewöhnlich früh im Jahresverlauf an (München 2007, 1056 Fälle). Ursache dafür war vermutlich das außergewöhnlich warme Frühjahr 2007. Auch für Salmonellen lässt sich belegen, dass sich hohe Außentemperaturen auf die Erkrankungshäufigkeit auswirken. Hinzu kommt, dass sich das Freizeitverhalten durch den Klimawandel verändert; die Menschen gehen früher ins Freie, grillen und picknicken häufiger. Stehen Speisen bei warmen Temperaturen lange im Freien, steigt das Risiko für Lebensmittelinfektionen. 3.2.6. Globalisierung, Mobilität – vermehrter Import von Infektionskrankheiten Viele Experten halten die Globalisierung und Mobilität der Weltbevölkerung für den am meisten relevanten Faktor in der Ausbreitung von Infektionskrankheiten, die in Europa bisher nicht aufgetreten sind oder bereits ausgerottet waren. Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür ist die im Jahr 2003 aufgetretene neue Erkrankung SARS (Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom), eingeschleppt von Fernost nach Deutschland. Mit dem Ausbruch von SARS zeigt es sich, dass Infektionskrankheiten drastische Folgen haben können, nicht nur für den einzelnen Betroffenen, sondern für die gesamte Gesellschaft. Die Globalisierung trägt zu Austausch/Import/rascher Verbreitung von Infektionen über den Ferntourismus, über die weltweite Produktion und den Handel mit Lebensmitteln, insbesondere solchen tierischen Ursprungs, bei. Als jüngstes Beispiel wird auf die 1. Welle der Neuen Influenza A/H1N1 hingewiesen. Noch nie hat sich eine Pandemie so rasch über den Erdball ausgebreitet wie die der Neuen Influenza A/H1N1. Auch wenn mehrheitlich milde Verläufe beobachtet wurden, darf nicht unerwähnt bleiben, dass in Deutschland 178 (Stand 12.01.2010) Menschen an der Neuen Influenza verstarben, darunter zahlreiche jüngere Personen. In Kürze wird dem Stadtrat zu diesem Thema, unter Federführung des KVR, im Rahmen der jährlichen Bekanntgabe „Umsetzung des Nationalen Pandemieplans“ berichtet. 3.3. Anpassungsstrategien 3.3.1. International Im Bericht „climate change and adaption strategies for human health“ (cCASHh) wird dargestellt, wie die Menschen und die Gesundheitssysteme sich auf die neuen klimabedingten Gefahren einstellen und wie gesundheitspolitische Interventionen den negativen Folgen für die Gesundheit jetzt am besten entgegenwirken können. Dabei werden konkrete Maßnahmen genannt, um effektive politische Entscheidungen im Bereich Klimawandel und Gesundheit zu ermöglichen, die der Seite 8 von 14 Gesundheitssektor in Zusammenarbeit mit anderen Bereichen ergreifen kann. 3.3.2. National Die Gesundheit ist eines der 13 Handlungsfelder der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS). Als Beispiele für mögliche Anpassungsmaßnahmen nennt der Bericht unter anderem die vermehrte Aufklärung der Bevölkerung und des medizinischen Fach- und Pflegepersonals, die Einführung von Frühwarnsystemen mit zeitlich und räumlich konkretisierten Warnungen und Verhaltensregeln, den Ausbau der medizinischen Forschung sowie ein intensives Monitoring klimabedingter Krankheiten. Bis 2011 soll dem Strategiepapier ein Aktionsplan folgen, anhand dessen konkrete Maßnahmen beschlossen werden. 3.3.3. Regional Es gilt als wahrscheinlich, dass Bayern im globalen Vergleich einer überproportionalen Erwärmung im 21. Jahrhundert ausgesetzt sein wird. Damit entsteht für Bayern ein besonderer Handlungsbedarf bzgl. seiner Anpassungsstrategie unter anderem zur Prävention und Bekämpfung übertragbarer Erkrankungen (vgl. hierzu Quelle „Klimaveränderung in Bayern - Gesundheitliche Folgen des Klimawandels in Bayern“). Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit (StMUG) hat daher seine Anstrengungen zum Klimaschutz verstärkt. Vom StMUG wird beispielsweise die „Vector-borne Infectious Diseases in Climate Change Investigations“ (VICCI)Studie gefördert, bei der das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in einem Verbund mit anderen Einrichtungen die Auswirkungen des Klimawandels in Bezug auf Infektionskrankheiten erforscht (geplanter Projektzeitraum 2008 bis 2011). 3.3.4. Kommunal: Rolle des RGU Der Schutz der Münchner Bevölkerung durch Verhütung und Bekämpfung von meldepflichtigen und anderen gefährlichen Infektionskrankheiten (IfSG) ist originäre Aufgabe des RGU. Für den Infektionsschutz ist das RGU als Gesundheitsbehörde nicht subsidiär, sondern primär eigenverantwortlich tätig. Im IfSG werden die meisten der wichtigen „klimasensitiven“ oder über Globalisierung und Mobilität importierten Infektionserreger erfasst, die derzeit von den Experten für Klimawandel diskutiert werden. Somit wendet das RGU die Kernaufgaben des IfSG (Aufklärung, Verhütung und Bekämpfung von meldepflichtigen Infektionskrankheiten) auch auf durch Klimawandel oder Globalisierung beeinflusste Infektionskrankheiten an. Zum Erreichen der Ziele Verhütung (Prävention) und Bekämpfung von Infektionskrankheiten, verfolgt das RGU verschiedene Ansätze, situationsangepasst an die Schwere der Infektionskrankheit und die Zahl der Erkrankten bis hin zu infektiologischen Sonderlagen. Das RGU verweist hier auch auf seine jährliche Seite 9 von 14 Bekanntgabe im Stadtrat „Infektionskrankheiten auf dem Vormarsch“, welche im Juni 2010 erneut vorgelegt wird. Die Präventionsmöglichkeiten im Bereich Vektor übertragener Krankheiten sind relativ beschränkt. Impfstoffe als effektive Präventionsstrategie stehen nicht immer zur Verfügung. Die intensive Aufklärung und Bewusstseinsbildung über Internet, Flyer und individuell stellt in diesem Zusammenhang deshalb eine wichtige Maßnahme dar. Regelmäßige Beratungsangebote und gezielte Informationsveranstaltungen gibt es zum Beispiel für die durch Zecken übertragbaren Erkrankungen Lyme-Borreliose und FSME durch das RGU. Ebenfalls finden sich aktuelle Informationen zu Infektionskrankheiten auf den Internetseiten des RGU unter www.muenchen.de/infektionen. Sind klimaassoziierte oder globalisierungs-/mobilitäts bedingte Infektionskrankheiten, wie beispielsweise Hanta-Virusinfektionen, FSME oder Dengue-Fieber, aufgetreten, so ergreift das RGU zielführend die geeigneten Maßnahmen zur Verhütung der Ausbreitung der Krankheit. Dabei muss berücksichtigt werden, dass viele Vektor übertragene Infektionskrankheiten, wie Dengue, Malaria und Leishmaniose nur über Vektoren weiter verbreitet werden. Diese Vektoren (meist Insekten) haben zumindest derzeit in München noch keine guten Überlebensbedingungen. Das RGU stellt die Surveillance der Klima mitbedingten bzw. Globalisierungs-/Mobilität assoziierten Infektionskrankheiten durch die systematische und kontinuierliche Überwachung von Erkrankungen bzw. Todesfällen in diesem Bereich sicher. So trägt das RGU durch die Übermittlung dieser Daten an zentrale Surveillance-Stellen und durch eigene Bewertung dieser Daten und Trends maßgeblich zur bundesweiten, europaweiten und durch die internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) geregelten, weltweiten Surveillance dieser Infektionen bei. 3.4. Versorgungsbedarf bzgl. klimaassoziierter Erkrankungen Unabhängig von Extremereignissen sind die Erkrankungshäufigkeit, die Notwendigkeit einer stationären Versorgung und letztlich auch die Sterblichkeit in Kälteperioden erhöht. Europaweite Studien finden, dass die Zahl der kälteassoziierten Todesfälle die der hitzeassoziierten Todesfälle um den Faktor 4-8 übersteigt. Folgender Effekt ist an bayerischen Daten beobachtbar: durch Kälte- und Hitzewellen sterben zwar akut mehr Menschen speziell aus der Risikogruppe der alten und pflegebedürftigen Menschen, ihr Tod wird aber durch das auslösende Ereignis (Hitze, Kälte) lediglich um wenige Monate vorgezogen. Die Sterblichkeit der Folgemonate liegt dann wieder unter dem Durchschnitt. Es wird vermutet, dass im Rahmen eines Klimawandels mit Temperaturanstieg die Reduktion der Seite 10 von 14 kälteassoziierten Todesfälle durch die milderen Winter die Erhöhung der Todesfälle im Sommer ausgleicht und so zu einer Verringerung der Gesamtsterblichkeit durch temperaturbedingte Umweltfaktoren führt. In Bezug auf die Krankenversorgung könnten vor allem die massenhafte Verbreitung von Infektionserreger zu problematischen Situationen führen. Hier sind konkrete Planungen auch hinsichtlich des Versorgungsbedarfs an städtischen Kliniken vorzubereiten und umzusetzen, wie dies z.B. bei der Influenza-Pandemie-Planung der Fall war. Wie und in welchem Ausmaß klimatische Veränderungen das verstärkte Auftreten von bislang seltenen Infektionskrankheiten in Deutschland in den nächsten Jahrzehnten beeinflussen werden, ist im Einzelnen noch nicht absehbar. 3.5. Medizinische Aus- und Weiterbildung bzgl. gesundheitlicher Folgen des Klimawandels Für eine funktionierende Surveillance ist es Voraussetzung, dass die klinisch tätige Ärzteschaft im Krankenhaus und/oder im niedergelassenen Bereich die bei einem Klimawandel zunehmenden Krankheiten in die Differenzialdiagnose aufnehmen und erkennen lernen. Neue Erkenntnisse über die gesundheitlichen Folgen eines Klimawandels müssen daher in der Ausbildung des medizinischen Nachwuchses im Bereich Infektiologie und Tropenmedizin, aber auch in der kontinuierlichen Fort- und Weiterbildung der bereits tätigen Ärzte berücksichtigt werden. Dies geschieht u.a. über Beiträge in Ärztezeitschriften und Fortbildungen. Hier seien beispielhaft die Dialogforen "Die Risiken der Münchner" der Helmholtz Gesellschaft (früher GSF) und der Münchner Rück Stiftung (munichre-foundation) sowie das Symposium „Globaler Klimawandel und Gesundheit“ zum Weltgesundheitstag 2008 des bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit hervorgehoben. Die seit vielen Jahren regelmäßig durchgeführten reisemedizinischen Fortbildungen mit sehr guter Resonanz bei der Münchner Ärzteschaft und relativ hohen Besucherzahlen umfassten z.T. Themen, die im direkten Bezug zum Klimawandel zu sehen sind. Die Veranstaltungen haben die Zielgruppe medizinisches Fachpersonal aus dem Krankenhausbereich, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte und Interessierte. Sie werden u.a. angekündigt über die Münchner Medizinische Wochenschrift, die jedem in München gemeldetem Arzt und Ärztin zugestellt wird. Eine Vielfalt der letztjährigen Vorträge (Auszug: Influenzapandemie; Zoonosen bei Waldarbeitern; FSME, Borrelien und Zecken-Fleckfieber; Weltseuchenlage 2009; Klimawandel - Gefahr durch zeckenübertragene Infektionen; Erkrankungen bei Tropenrückkehrern: Aktuelles, Neuigkeiten, praktische Bezüge, Ausblick; Reiseimpfungen-update; ...) zeigen, dass bei diesen Fortbildungen sich die Referenten, u.a. auch vom RGU und vom Klinikum der Stadt München, speziell auch Krankheitsbildern widmen, die in Bayern aufgrund des Klimawandels künftig gehäuft Seite 11 von 14 auftreten könnten. Die für 2010 vorgesehenen reisemedizinischen Veranstaltungen sind noch ohne konkrete Angaben zu den vorgesehenen Vorträgen. Es wurde bereits Kontakt zu den wissenschaftlichen Leitern aufgenommen, um die aufgeführten Aspekte „Klimawandel und Gesundheit“ in Form von Referaten einzubringen: - Reisemedizin aktuell 2010 am 24.04.2010 Pharmakologisches Institut der LMU – Hörsaal Nußbaumstr. 26 80336 München Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. H. D. Nothdurft, Abt. für Infektions- und Tropenmedizin der Ludwig-Maximilians-Universtität, Leopoldstr. 5, 80802 München - 26. Symposion 2010 - Impfen, Reisen und Gesundheit am 25.09.2010 Holiday Inn Munich City Centre, Hochstraße 3, 81669 München Wissenschaftliche Leitung:Dr. Nikolaus Frühwein, Bayerische Gesellschaft für Immun-, Tropenmedizin und Impfwesen e.V. Brienner Straße 11, 80333 München - 2. Symposium Arbeits-, Reise u. Impfmedizin am 10.11.2010 Alte Kongresshalle München, Theresienhöhe, 80339 München Moderation und Tagungsleitung: Dr. med. Dipl.-Ing. Robert Truckenbrodt, Leitender Arzt dbgs GesundheitsService GmbH, Gesundheitszentrum Süd, Lothstraße 19, 80797 München 3.6. Quellen und weiterführende Informationen - Bundesregierung: Klimawandel wirkt sich auf die Gesundheit aus. Mitteilung Nr. 063 vom 05/2008 http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Magazine/MagazinSozialesFamilieBildu ng/063/t6-klimawandel-und-gesundheit.html - Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Umweltbundesamt (UBA): Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel http://www.wasklim.de/download/Hintergrundpapier_BMU.pdf - Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit (StMUG): Fakten zum Klimawandel http://www.stmugv.bayern.de/umwelt/klimaschutz/klimawandel/index.htm Seite 12 von 14 - Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit: Bayerische KlimaAnpassungsstrategie (BayKLAS) http://www.bestellen.bayern.de/shoplink/stmug_klima_00002.htm - Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL): Klimaveränderung in Bayern. Gesundheitliche Folgen und Perspektiven http://www.lgl.bayern.de/publikationen/doc/klima_gesundheit_ lgl_2006.pdf - VICCI -Studie (Vector-borne Infectious Diseases in Climate Change Investigations) http://www.lgl.bayern.de/lgl/aufgaben/forschungsprojekte/vicci.htm - Robert Koch Institut (RKI): Klimawandel und Gesundheit http://www.rki.de/cln_178/nn_205772/DE/Content/Gesund/gesund__node.html? __nnn=true - WHO Faktenblatt Kopenhagen, 4. April 2008 : Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit vor den Folgen des Klimawandels in der Europäischen Region http://www.euro.who.int/Document/Mediacentre/fs_4_Apr_08g.pdf http://www.euro.who.int/document/mediacentre/fs1505g.pdf - Bundesgesundheitsblatt 2009, 52: 699-714 : Die Auswirkungen des Klimawandels Welche neuen Infektionskrankheiten und gesundheitlichen Probleme sind zu erwarten - UMID-Themenheft Klimawandel und Gesundheit Ausgabe 3 Dezember 2009 - Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung (KomPass) des Umweltbundesamtes http://www.anpassung.net/cln_047/nn_700470/DE/Fachinformationen/KlimaFolgenA npassung/Gesundheit/gesundheit__node.html?__nnn=true - Climate Change and Adaptation Strategies for Human Health in Europe (cCASHh) http://www.anpassung.net/nn_1005392/SharedDocs/UDK-Dokumente/cCASHh.html - Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) http://www.bmu.de/klimaschutz/downloads/doc/42783.php Seite 13 von 14 Anhörung des Bezirksausschusses In dieser Beratungsangelegenheit ist die Anhörung des Bezirksausschusses nicht vorgesehen (vgl. Anlage 1 der BA-Satzung). Der Korreferent des Referates für Gesundheit und Umwelt, Herr Stadtrat Klaus Peter Rupp, die zuständigen Verwaltungsbeirätinnen, Frau Stadträtin Eva Maria Caim und Frau Stadträtin Dr. Ingrid Anker, sowie die Stadtkämmerei haben einen Abdruck der Vorlage erhalten. II. Antrag des Referenten 1. Der Stadtrat nimmt die Ausführungen des Referates für Gesundheit und Umwelt über die Auswirkungen des globalen Klimawandels auf die Gesundheit der Münchner Bevölkerung zustimmend zur Kenntnis. Das RGU wird beauftragt, in der Aufklärungsund Öffentlichkeitsarbeit auf neue, auch durch den Klimawandel bedingte Infektionskrankheiten besonders hinzuweisen. Außerdem wird künftig in der jährlich dem Stadtrat vorgelegten Bekanntgabe „Infektionskrankheiten auf dem Vormarsch“ die Entwicklung dieser Infektionskrankheiten besonders dargestellt. 2. Das RGU wird beauftragt, in die Fortschreibung der Leitlinie Ökologie, Bereich „Klimawandel und Klimaschutz“, die im Vortrag dargelegten Erkenntnisse einzubringen. 3. Das Referat für Gesundheit und Umwelt und die Städtische Klinikum München GmbH werden beauftragt, im Rahmen der regelmäßig stattfindenden reisemedizinischen Fortbildungen Beiträge zum Thema „Klimawandel und Gesundheit“ anzubieten. 4. Die Anträge Nr. 08-14 / A 01063 und Nr. 08-14 / A 01064 von der Stadtratsfraktion DIE GRÜNEN/RL sind damit geschäftsordnungsgemäß erledigt. 5. Dieser Beschluss unterliegt nicht der Beschlussvollzugskontrolle. Seite 14 von 14 III. Beschluss nach Antrag. Der Stadtrat der Landeshauptstadt München Der Vorsitzende Der Referent Ober-/Bürgermeister Joachim Lorenz Berufsmäßiger Stadtrat IV. Abdruck von I. mit III. (Beglaubigungen) über den stenographischen Sitzungsdienst an das Revisionsamt an die Stadtkämmerei an das Direktorium – Dokumentationsstelle an das Referat für Gesundheit und Umwelt RGU-S-SB V. Wv Referat für Gesundheit und Umwelt RGU-S-SB zur weiteren Veranlassung (Archivierung, Hinweis-Mail).