Die göttliche Gerechtigkeit

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| Warum lässt Gott leiden? |
13 | 1. April 2010
„
Das Leid und der Glaube an Gott
Steht ob der Verhältnisse in der Welt
die Gerechtigkeit Gottes nicht infrage?
Die islamische Theologie ist dazu durch
Polarisierung charakterisiert.
Karfreitag
“
Die Frage nach
dem Leid kulminiert gerade in den
christlichen Riten
am Todestag
Christi (Bild: griechisch-orthodoxe
Karfreitagsprozession auf der Via Dolorosa in der Jerusalemer Altstadt).
nach dem Leid beschäftigt auch islamische Theologen.
| Die Frage
|
Hinweise auf Denkansätze zur Theodizee-Frage im Islam.
| Von Jameleddine Ben Abdeljelil |
Gott ist nicht ungerecht
Im Gegensatz zu dieser Darstellung standen andere Schulen, die für den freien Willen des Menschen eintraten, aber auch für
das Prinzip der Gerechtigkeit als Schöpfungsprinzip.
Stellvertretend dafür sind theologische
Diskurse, die im Bezug auf die Zentralstellung der Frage der göttlichen Gerechtigkeit,
auf die Mutazila und die Schia zurückzuführen sind. Sie leugnen nicht den freien Willen und das freie Handeln des Menschen. Sie
nehmen auch die Einheit Gottes und seine
Allmächtigkeit in seinen Handlungen nicht
zum Anlass, die Ungerechtigkeiten des
Menschen zu entschuldigen. Nach der
Ansicht der Mutaziliten ist die Gerechtigkeit eine vernünftige Tatsache, von der die Verhältnismäßigkeiten in der Schöpfung geprägt
sind. Die Mutaziliten sind der
Überzeugung, dass genauso wie
die menschlichen Handlungen
GERECHTIGKEIT
Foto: EPA (2)
Die göttliche
als gut oder schlecht, gerecht oder ungerecht
bewertet werden können, auch Gottes Handeln mit diesen Begriffen bemessen werden
kann. Sie betrachten Gut und Schlecht als
moralische Grundsätze, auf die sie in Theologiefragen immer wieder zurückgreifen. Sie
meinen: Weil die Gerechtigkeit an sich gut ist
und Ungerechtigkeit schlecht, wird Gott, der
allwissend ist, niemals etwas unterlassen,
was die Vernunft gutheißt und etwas unternehmen, was unvernünftig wäre. In der Polemik zwischen Offenbarung (bzw. den religiösen Überlieferungen) und der Vernunft
vertraten die Mutaziliten ganz deutlich und
klar die Meinung, dass in einem Streitfall
der Vernunft die Priorität gegeben werden
sollte.
Eine neue Lesart des Koran
Moderne Neomutaziliten versuchten, die
Denkansätze der Mutaziliten weiterzuentwickeln. Unter diesem Gesichtspunkt gewann der Begriff „Gerechtigkeit“ weitere
Aspekte. Charakteristisch für diese Bemühungen ist, eine neue Leseart des Koran
und der religiösen Schriften zu entwickeln.
In diesem Sinne wird festgestellt, dass der
Begriff Gerechtigkeit etymologisch in verschiedenen Symbolen, Variationen und Ableitungen im Koran verwendet wird.
In der Sure 55: 3–8 wird der Begriff Gerechtigkeit kosmologisch ausgelegt: Er hat
den Menschen geschaffen, Er hat ihn gelehrt
(einen Sachverhalt) darzulegen, Die Sonne und der Mond sind Gesetzen unterworfen, Und die Sterne und Bäume werfen sich
anbetend nieder, Und den Himmel hat er erhöht und die Waage aufgestellt, Auf dass ihr
in der Waage euch nicht vergeht. Denn durch
die Gerechtigkeit ist die gesamte Schöpfung,
Mensch und Natur bestimmt. Der Mensch
hat hier die Pflicht, sich in diese Harmonie
der Schöpfung einzubetten, dem Gleichgewicht zuzugehören und dieses nicht zu zerstören.
In einer weiteren Stelle im Koran wird auf
die gefährlichen Konsequenzen der ungerechten Taten Bezug genommen und auf die
Natur deutlich hingewiesen, Sure 30:41: Unheil ist auf dem Festland und auf dem Meer
sichtbar geworden für das, was die Hände der
Menschen begangen haben, Gott wollte sie
(auf diese Weise) etwas von dem spüren lassen, was sie getan hatten, damit sie sich
vielleicht bekehren
würden.
Hier sind zwei Aspekte zu beachten:
erstens, dass die ungerechten Taten
der Menschen
Auseinandersetzung: Wie kann Gott gerechtfertigt werden angesichts der Übel und Leiden
| Einein alte
der Welt? Anmerkungen über die Theodizee-Frage und den – christlichen – Glauben an Gott. |
Foto: EPA (3)
D
ie Geschichte der Menschheit
ist nicht selten eine dramatische und leidvolle. Kriege und
Massaker, aber auch Naturkatastrophen, Überschwemmungen, Dürreperioden und Krankheiten
stellen den Menschen immer wieder vor
neue Herausforderungen. Ist angesichts solcher Verhältnisse in der Welt die göttliche
Gerechtigkeit nicht infrage zu stellen? Gott,
der Allmächtige, hätte all das doch verhindern können. Die Religionsphilosophie bzw.
die philosophische Theologie ist gefordert,
diese und andere grundsätzliche Fragen
über die Religion zu beantworten.
Solche Fragestellungen wurden von islamischen Gelehrten schon in der Frühzeit
gestellt. Die islamische Theologie ist dabei
durch eine entscheidende Polarisierung charakterisiert. Eine erste Tendenz ist, die eine
göttliche Vorherbestimmung und die Unterlegenheit der gesamten Schöpfung eines unvermeidbaren Fatalismus predigt. Mensch
und Natur werden hier als Schöpfungswerk
Gottes verstanden, die letztendlich nur eine
irreale Selbstständigkeit besitzen. Alles, was
dem Menschen und der Natur geschehen
kann, ist auf unmittelbares kontinuierliches
Gotteswirken zurückzuführen.
Dies steht keinesfalls für sie im Widerspruch zum Prinzip der Gerechtigkeit, denn
jede Handlung von Gott ist gerecht, nur weil
sie Gottes Handlung ist. Sie meinen, dass es
für die göttliche Gerechtigkeit keinerlei Verbindlichkeiten gebe: Sollte Gott die Frommen belohnen und die Sündigen bestrafen,
so sei dies gerecht. Und wenn er umgekehrt
die Sündigen belohnt und die Frommen bestraft, so sei das auch gerecht. Wenn Gott die
Fortentwicklung seiner Schöpfung fördert,
sei es gerecht. Und wenn er das nicht tut, sei
es auch gerecht. Denn die Gerechtigkeit ist
das, was Gott tut.
Das Spektrum theologischer Diskurse,
die diese Ansichten vertreten, umfasst viele
Schulen wie Dschabriten, Aschariten, Salafiten etc.
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| Warum lässt Gott leiden? |
13 | 1. April 2010
| Von Hans Kessler |
Fatalismus
Die eine Denkrichtung meint, es
gibt für Gottes Gerechtigkeit keinerlei Verbindlichkeit : Wenn Gott die
Frommen belohnt
und die Sündigen
bestraft, so ist dies
gerecht. Und wenn
er umgekehrt die
Sündigen belohnt
und die Frommen
bestraft, so ist das
auch gerecht.
„
bzw. die Zerstörung des Gleichgewichtes der
Natur konsequenter Weise zu Unheil und
Katastrophen führen. Zweitens, der Mensch
wird diese Konsequenzen und die Verantwortung für seine Taten tragen müssen, die
sich als Unheil und Katastrophen auf sein
Leben auswirken werden. Der Mensch muss
also bewusst und verantwortungsvoll mit
der Schöpfung bzw. mit der Natur umgehen
und sich selbst als Teil dieser Schöpfung betrachten.
Eine islamische Geschichtsphilosophie
Der irakische Islam-Gelehrte und Philosoph Mohamed Baqir Sadr (1935–80) führt
diese Überlegungen basierend auf dem Koran weiter und versucht, die Grundlagen
die Verantwortung (für istikhlaf) den Himmeln und der Erde und den Bergen angeboten, doch weigerten sie sich, diese zu tragen
und schreckten davor zurück. Jedoch der
Mensch lud sie sich auf, denn er ist ungerecht
und unwissend. Hier wird darauf hingewiesen, wie schwer und gefährlich diese Aufgabe ist. Der Mensch hat aber – im Gegensatz
zu anderen Geschöpfen – aufgrund seiner
Vernunft die Voraussetzungen und die Fähigkeiten, trotz seiner Mängel und Schwächen, diese Aufgabe auf sich zu nehmen und
die Verantwortung dafür zu tragen.
Zusammengefasst kann Folgendes festgestellt werden: Grundlegend und bestimmend für das Verhältnis Mensch zur Natur
„
Nach dem irakischen Philosophen Baqir Sadr
konstituieren drei Elemente eine Gesellschaft:
1. der Mensch, 2. die Erde oder die Natur im Allgemeinen und 3. die Beziehung zwischen diesen.
“
Freier Wille
Die andere große
Denkrichtung tritt
für den freien Willen des Menschen
ein, aber auch für
das Prinzip der
Gerechtigkeit als
Schöpfungsprinzip. Weil die Gerechtigkeit an sich
gut ist, wird Gott,
der Allwissende,
niemals etwas unterlassen, was die
Vernunft gutheißt.
für eine islamische Sozial- und Geschichtsphilosophie zu entwickeln, in der er das Verhältnis Gott, Mensch und Natur erörtert.
Er beruft sich dabei auf die Koranstelle
Sure 2:30: Und als dein Herr zu den Engeln
sagte: Ich werde auf der Erde einen Nachfolger einsetzen, Sie sagten: Willst du auf ihr
jemand (vom Geschlecht der Menschen) einsetzen, der auf ihr Unheil anrichtet und Blut
vergießt, wo wir (Engel) Dich loben und preisen und rühmen Deine Heiligkeit, Er antwortete: ich weiß, was ihr nicht wisst.
Aus dieser Koranstelle entnimmt Baqir
Sadr drei Elemente, die nach dem Koran-Verständnis eine Gesellschaft konstituieren: 1.
den Menschen, 2. die Erde oder die Natur im
Allgemeinen und 3. die Beziehung, die zwischen Menschen und Natur aber auch zwischen den Menschen existiert. Diese wird in
der Koranterminologie mit dem Begriff istikhlaf – „Nachfolgerschaft“ bezeichnet. Istikhlaf ist nach Baqir Sadr ein Konzept für die
sozialen Lebensformen, die in den verschiedenen Gesellschaften variieren können und
unterschiedlich strukturiert und konzipiert
werden. Die Aufgabe des Menschen ist,
letztendlich im Sinne dieses Auftrages
zu agieren und sein Leben entsprechend zu gestalten.
In einer anderen Koranstelle, Sure 33:72, heißt
es: Wir (Gott) haben
leistet ist. Jeder einzelne Teil hat eine eigene
spezielle Aufgabe, welche in Verbindung mit
anderen Teilen die Funktion des Zuges ergeben. Auf diese Weise bekommen auch die einzelnen Teile ihre Existenzberechtigung und
dürfen dabei sein, weil sie einen Nutzen haben und eine Rolle in der Gemeinschaft erfüllen. Grob gesehen könnte man diese Verhältnisse auch in der Schöpfung vorfinden. Der
Zug der Schöpfung fährt auf seiner Entwicklungsreise entlang der Zeit und strebt die
Vollkommenheit an. Alles, was diesen Zug
beschleunigt, ist positiv, und alles, was ihn
aufzuhalten versucht, ist negativ und ungerecht. Auf diesem Fundament kann man zwischen gut und schlecht, Logik und Unlogik,
schön und hässlich, gerecht und ungerecht
unterscheiden. Alles steht in einer Wechsel-
Jeder versucht auf
seine Art , etwas
besser als vorher
zu sein. Dieser Prozess wird immer
fortgesetzt: Vollkommenheit ist
das Ziel (Bild:
Kaaba in Mekka).
Der iranische Gelehrte Mortaza Motahhari
meint, der Zug der Schöpfung fährt auf
seiner Entwicklungsreise entlang der Zeit
und strebt die Vollkommenheit an.
wirkung zueinander.
Jeder versucht auf seine Art und entsprechend seines Wesens etwas besser als vorher zu sein. Dieser Prozess wird immer fortgesetzt und die Vollkommenheit ist das Ziel. Mit
anderen Worten, die relative Schöpfung sucht
den absoluten Gott, Sure 84:6: Oh Mensch, du
strebst mit all deinem Bemühen deinem Herren
zu, und so wirst du ihm begegnen.
ist die Konzeption der Schöpfung in ihrer
Gesamtheit und das Prinzip der Gerechtigkeit kosmologisch verstanden.
Wie leben?
| Der Autor ist Islamwissenschafter
an der Universität Wien |
“
1.
Der (von Leibniz 1697 im Anschluss
an Röm 3,5 geprägte) Begriff Theodizee bedeutet wörtlich übersetzt
„Rechtfertigung Gottes“, nämlich angesichts
der Übel und Leiden in der Welt, der naturbedingten ebenso wie der von Menschen verursachten.
Das Theodizeeproblem ist schon alt. Es
tritt dort auf, wo drei Dinge zusammen gegeben sind: wo man (1) das Leid in der Welt
nicht verharmlost, (2) einen einzigen Gott
als Urgrund oder Schöpfer der Welt und zugleich als vollkommen mächtig und gütig
annimmt, (3) dem Menschen die Würde der
Freiheit – und damit des Fragens und Protestierens – auch Gott gegenüber zuerkennt.
Dann ergibt sich ein Widerspruch zwischen
dem Glauben an einen all-mächtigen, gütigen Schöpfer und dem übergroßen, abgründigen Leid in seiner Schöpfung.
Diesen Widerspruch suchten die theoretischen Theodizeeversuche durch rationale Erklärungen (Leid als Strafe für Verfehlung, als
Mittel der Prüfung, Züchtigung, Läuterung,
als notwendiger Kontrast des Guten und Teil
der Gesamtordnung) aufzulösen. Diese Theodizeen bleiben zutiefst unglaubwürdig, weil
sie an der konkreten Leiderfahrung vorbeigehen, das bestehende Unrecht rechtfertigen,
indem sie es mit Gott in Einklang bringen, und
beanspruchen, das Ganze der Wirklichkeit, also Welt und Gott zusammen, zu überschauen
in einer Art Vogelperspektive, während wir
immer nur Froschperspektiven haben.
Anders die existenzielle Theodizeefrage.
Sie entspringt nicht der distanzierten Außenperspektive, sondern ureigener Erfahrung
von großem Leid (bei Hiob, in Leidens- und
Klagepsalmen, in Gebeten vieler Religionen,
in Auschwitz). Sie ist eine Frage vor Gott und
„
Eine Frage vor Gott und
an Gott, die sich in Zweifel,
Klage, Anklage, Protest und im
Schrei ausdrückt: ‚Warum?‘
“
mit
riert
chen“
–
nach
daat).
refeund
rsu24).
der
Kess? (Ps
42,4) Die Frage nach Leiden, Wirken und Gericht Gottes.“ (vgl.
Artikel oben). Hans Kessler hat
christliche Zugänge zu dieser Frage in einem lesenswerten Büchlein zusammengefasst.
(ofri)
Das Leid in der Welt –
ein Schrei nach Gott
Von Hans Kessler. Topos plus
Verlagsgemeinschaft, Kevelaer 2007
147 Seiten, kart. € 9,20
tut (z. B. Tsunamis oder genetische Defekte),
ist Gottes Wille. Gott zwingt die Dinge nicht
in eine bestimmte Richtung, sondern lädt
ein, wirbt, lockt:
Alles in der Welt vom Urknall an geschieht
in einem ständigen – mehr oder weniger gelingenden und oft auch misslingenden – Dialog zwischen Gott (als Urgrund) und den
(in ihre Eigendynamik freigegebenen) Geschöpfen. Soweit Dinge und Wesen für einander und darin für Gott offen sind, kommt
er mit seinem guten Willen zum Zug; soweit
sie sich sperren, entstehen Übel, Schuld und
Böses.
Er aber „will andere als Mitliebende haben“ (Duns Scotus). Deshalb hält er sich
nicht aus dem Drama heraus, lässt sich vom
Weltlauf betreffen und geht selbst in ihn ein:
er leidet (nicht nur im gekreuzigten Jesus,
sondern) in allen Gequälten und in den Quälenden. Von Anfang an leidet er mit seiner
Schöpfung gleichsam Geburtswehen, dass
die Agape, nicht ihr Gegenteil, mehr Raum
finde. Er bangt darum, wie wir Geschöpfe
uns selber formen, dass wir heilsame Wege
gehen. Und er wirkt aktiv-kreativ durch Menschen, die für ihn offen sind, aber auch durch
naturale und soziale Ereigniskonstellationen: wirbt um Guttat und Heilung, gibt dazu Impulse, macht Angebote, gibt Kraft, eröffnet neue Möglichkeiten.
Gott – ein Wort gegen das Leid
Gottes gegen die Übel – nicht zu beseitigen,
sondern auszuhalten: im Appell an Gott, in
mitfühlender Solidarität mit den Leidenden
und in praktischer Leidminderung.
Gott leidet mit
Die Einheit der Schöpfung
Der iranische Gelehrte und Philosoph Mortaza Motahhari (1920–79) weist auf diese
Ideen in seinem Werk „Die göttliche Gerechtigkeit“ hin. Er meint, dass man – um die
Schöpfung besser zu verstehen und die Ereignisse in der Welt besser beurteilen zu können – bei seinen Überlegungen unbedingt
die Einheit der Schöpfung berücksichtigen
soll. In gewisser Hinsicht könne man die
Schöpfung mit einem Reisezug vergleichen,
der über viele Stationen ein bestimmtes Ziel
erreichen soll. Alle Teile, aus denen der Zug
gebaut worden ist, sind so geformt und angelegt, dass die Funktion des Zuges gewähr-
an Gott, die sich in Zweifel, Klage, Anklage,
Protest und im Schrei ausdrückt: „Warum?“
Sie schiebt die ganze ungelöste Not ihm hin.
Sie rechtfertigt Gott nicht, sondern rechtet
mit ihm, so, dass die Beziehung zu Gott selbst
auf dem Spiel steht und verhandelt wird. Sie
spricht Gott nicht frei, sondern behaftet ihn
beim Leid seiner Schöpfung.
Wer die Theodizeefrage festhält, versucht
den Widerspruch der Übel gegen Gott – und
2. Der biblische Glaube reimt Übel, Leiden, Böses nicht mit Gott zusammen. Denn
Gott, der v. a. in Leben, Passion und Auferstehung Jesu als die für alle entschiedene Liebe
(griech.: Agape) offenbar wird, steht gegen
das Leid: Er will es nicht.
Aber indem er die Schöpfung in relative
Eigenständigkeit und evolutive Eigendynamik frei-gibt, gibt er ihr relative Eigenmacht,
begrenzt sich also in der Äußerung seiner
Macht, und muss er in Kauf nehmen, dass
nicht erst die Menschen, sondern auch schon
die Natur, die Evolution, die vormenschlichen Wesen Wege gehen, die nicht immer
gott-gewollt sind. Nicht alles, was die Natur
3. Der Glaube hofft, dass es überhaupt
keine Situation gibt, in der Gottes Möglichkeiten am Ende wären. Er traut Gott zu, dass
er für diese schöne und geplagte Welt in seiner radikal anderen (Ewigkeits-)Dimension
– durch Untergang und Verwandlung hindurch – eine Gutmachung bereit hält und
alle schließlich doch zu gewinnen vermag.
Der Glaube hat (v. a. mit Jesus Christus) Anzeichen dafür, dass Gott Liebe ist, und hofft,
dass Gott sich vollends als für alle entschiedene Liebe erweisen wird.
Vieles in der Welt ist mit dem Glauben an
diesen Gott nicht vereinbar und würde ihn
widerlegen, wenn es das letzte Wort behielte.
Doch wer immer entschieden für das Gute
Partei ergreift, der setzt – ob er es weiß oder
nicht – letzten Endes auf diesen Gott, dass
er sich erweise. Auf ihn zu setzen, ist ein Lebensexperiment, wie jede andere Weltanschauung auch.
So ist Gott ein Wort des Protestes und der
aktiven Hoffnung gegen das Leid.
| Der Autor ist Emeritus für kath. Systematische Theologie an der Universität Frankfurt|
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