Seminarvortrag Teilchen- und Kerntheorie Wechselwirkungen, Propagatoren und FeynmanDiagramme Bei Herrn Prof. Münster und Dr. Heitger Stefanie Rau 1.Wechselwirkungen In der Natur lassen sich 4 Arten von Wechselwirkungen finden. Gravitation Stärke Wirkungsbereiche elektromagnetische WW sehr schwach schwach stark wirkt zwischen Leptonen, Hadronen Ladungen Massen ⇒ Chemie ⇒ β -Zerfall ⇒ Planetenbewegung Reichweite Unendlich WW durch: ?Graviton? schwache WW < 10 −17 m Vektorboson Unendlich Photon starke WW sehr stark Hadronen ⇒ Bindung der Kerne Quarks ⇒ Bindung der Quarks im Nukleon ≤ 10 −15 m Mesonen Gluonen Wie man auch in der letzten Zeile der Tabelle sieht kann man Wechselwirkung auch durch Teilchenaustausch beschreiben. Allerdings ist das Graviton bisher noch nicht nachgewiesen. Die Wechselwirkung zwischen zwei Teilchen lässt sich mathematisch durch eine Störungstheoretische Entwicklung beschreiben. Allerdings macht diese erst dann Sinn, wenn ein Beitrag höherer Ordnung kleiner ist als der vorherige Beitrag. Dazu können wir zwei Beispiele betrachten: Thomson-Streuung: γe → γe Abb.1 Thomson-Streuung Die Wechselwirkung wird in diesem Fall charakterisiert durch die Größe α ≈ hier eine störungstheoretische Entwicklung sinnvoll. Pion-Proton-Streuung: Abb.2 Pion-Proton-Streuung 1 . Damit ist 137 Hier ist die charakteristische Größe nun α H ≈ 1...10 . Eine störungstheoretische Entwicklung ist nun nicht mehr sinnvoll. Wir wollen nun im folgenden eine mathematische Beschreibung der elektromagnetischen Wechselwirkung zwischen zwei Teilchen, also eine störungstheoretische Entwicklung herleiten. Dazu müssen wir beachten, dass die zu betrachtenden Teilchen eine hohe Energie und eine Geschwindigkeit nahe der Lichtgeschwindigkeit haben, so dass man relativistisch rechnen muss. 2.Lagrange-Formalismus Wir betrachten als erstes für die Herleitung der mathematischen Beschreibung unseres Problems den Lagrange-Formalismus. Hierbei versucht man für das jeweilige Problem die Lagrange-Funktion L(q, q& ) = T − V zu finden. Daraus erhält man die Bewegungsgleichung: Euler-Lagrange-Gleichung: ∂L d ∂L − =0 ∂q dt ∂q& ∂L Wobei q die generalisierte Koordinate ist, mit der sich über = p der generalisierte Impuls ∂q& berechnen lässt. Man kann dann eine Hamilton Funktion definieren zu: H = pq& − L . Daraus lassen sich nun die wichtigen Hamiltonschen Bewegungsgleichungen berechnen: ∂H ∂H q& = p& = − ∂p ∂q Wenn wir nun von klassischen zum quantenmechanischen System übergehen wollen, müssen wir Quantisierungsbedingungen einführen: q& (t ) = (ih) −1 [q(t ), H (t )] p& (t ) = (ih) −1 [ p(t ), H (t )] Will man zum Vielteilchensystem übergehen, so ersetzt man q durch q n und summiert ggf. über n. Bei der Quantisierungsbedingung erhalten wir so ein δ n,m . [q(t ), p(t )] = ih Wir machen nun den Übergang zur Feldtheorie. Das Feld zur Zeit t wird beschrieben durch r φ (t , x ) und durch seine Variablen q n (t ) repräsentiert. Wir können deswegen nun auch für r φ (t , x ) den Lagrange-Formalismus anwenden und erhalten: r L(t ) = ∫ d 3 xLˆ (t , x ) r r r ∂L ⇒ H (t ) = ∫ d 3 xΠ (t , x )φ&(t , x ) − L(t ) ∂φ&( x) Hamiltonschen Bewegungsgleichungen: r δH (t ) & (t , xr ) = − δH (tr) φ&(t , x ) = Π r δΠ (t , x ) δφ (t , x ) Auch hier macht man den Übergang zum quantenmechanischen System über die Quantisierungsbedingungen: Π ( x) = [φ (t , xr ), Π (t , yr )] = ihδ 3 ( xr − yr) r r φ&(t , x ) = (ih) −1 [φ (t , x ), H (t )] [φ (t , xr ), φ (t , yr )] = [Π (t , xr ), Π (t , yr )] = 0 & (t , xr ) = (ih) −1 [Π (t , xr ), H (t )] Π 2.1 Beispiel für ein relativistisches System Im einfachsten Fall ist L = − 12 (∂ µ φ )(∂ µ φ ) − 12 m 2φ 2 . (Die Einsteinsche Summenkonvention wurde verwendet.) Wir erhalten aus der Euler-Lagrange-Gleichung die Bewegungsgleichung: (∂ µ ∂ µ − m 2 )φ = 0 Klein-Gordon-Gleichung r In relativistischen Systemen ist x ein 4er-Vektor, der sich schreiben lässt als x = (t , x ) , wobei r x der dreidimensionale Ortsvektor ist. Damit lässt sich L umformen und erhält eine Ableitung nach der Zeit und eine Ableitung nach dem Ort. Auch hier lassen sich die Hamiltonschen Bewegungsgleichungen berechnen: r δH & = − δH = ∇ 2φ − m 2φ φ& = =Π Π δΠ δφ Die Lösungen dieser Gleichungen sind ebene Wellen: φ = e ± ikx und Π = m ik 0 e ± ikx mit k 0 = + m 2 + k 2 . Wir fouriertransformieren diese Lösungen nun und machen den Übergang zum quantenmechanischen System. Das bedeutet aber, dass φ und π nun hermitesche Operatoren sind. Auch hier müssen dann die Quantisierungsbedingungen gelten. Wir erhalten dann: r r 1 a(k )e ikx + a + (k )e −ikx φ ( x) = ∫ d 3 k 3 (2π ) 2k 0 r ikx r −ikx 1 + Π ( x) = ∫ d 3 k a ( k ) e − a ( k )e (− ik 0 ) (2π )3 2k 0 Wobei gilt: r r a (k ) = ∫ d 3 x (2k 0φ + iΠ )e − ikx [a(kr), a(kr ′)] = [a + ( ) ( ) r r a + (k ) = ∫ d 3 x (2k 0φ − iΠ )e ikx ] r r (k ), a + (k ′) = 0 [a(kr), a + ] r r r (k ′) = 2k 0 (2π ) 3 δ 3 (k − k ′) 2.2 Teilchen-Interpretation Wir wollen uns als nächsten Punkt die Eigenschaften von a und a + verdeutlichen. Mit Hilfe r r der Schrödinger Gleichung HΨ = EΨ und den Kommutatoren H , a + (k ) = a + (k )k 0 und r r H , a (k ) = − a (k )k 0 kann man zeigen, dass a und a + die Eigenschaften von Vernichtungsoperatoren bzw. Erzeugungsopertoren haben. [ ] [ ] Der Vakuumzustand Ψ0 oder 0 charakterisiert ein System ohne Teilchen. Hierbei gilt: r HΨ0 = E 0 Ψ0 mit E 0 = 0 und a (k )Ψ0 = 0 . (Also E 0 ist minimale Energie.) Mit der Interpretation der Erzeugungs- bzw. Vernichtungsoperatoren sehen wir jetzt, dass sich jeder beliebige Zustand Ψn durch Anwendung der Erzeugungsoperatoren aus dem Vakuumzustand entwickeln lässt: r r r r r r Ψn = a + (k1 ) ⋅ a + (k 2 ) ⋅ ... ⋅ a + (k n )Ψ0 bzw. k1 ,..., k n = a + (k1 ) ⋅ a + (k 2 ) ⋅ ... ⋅ a + (k n ) 0 2.3 Weitere Bewegungsgleichungen und ihre Lösungen Wir können natürlich neben dem behandelten Beispiel auch für andere Probleme Bewegungsgleichungen aufstellen und diese mit der eben beschriebenen Methode lösen. Zum Beispiel: Dirac-Gleichung: r Ψ ( x) = ∫ d 3 k (i∂/ − m)Ψ ( x) = 0 1 −ikx e ∑ b(k , s )u (k , s ) + e ikx ∑ d (k , s )v(k , s ) 3 (2π ) 2k 0 s s r Ι 0 r 0 σ r γ = r . Wobei σ die PauliHierbei ist ∂/ = γ ∂ µ mit γ = (γ , γ ) und γ = 0 − Ι −σ 0 Spin-Matrizen sind. b(k,s) und d(k,s) haben dieselbe Interpretation wie a und a + . u und v geben den Spin des Teilchens an. µ 0 r 0 3. Propagatoren Wir betrachten nun die Dirac-Gleichung für ein Elektron im elektromagnetischen Feld: / Ψ ( x) (i∂/ − m)Ψ ( x) = −eA Diese Gleichung lässt sich, ähnlich wie die Poisson-Gleichung, mit Hilfe der Greenschen Funktion lösen. Allerdings müssen wir hier beachten, dass die Gleichung gekoppelt ist. Wir machen also den Ansatz: (i∂/ − m)G ( x, x ′) = δ 4 ( x − x ′) und erhalten dann als Lösung: / ( x ′))Ψ ( x ′)d 4 x ′ Ψ ( x) = ∫ G ( x, x ′)(−eA Dies ist zwar Lösung der DGL, allerdings ist die Lösung noch gekoppelt. Deswegen wird diese Lösung entwickelt, wir erhalten dann eine iterative Lösung. Dies entspricht genau der Störungsrechnung. Aber zuerst werden wir zu der schon bekannten Lösung die Lösung der homogenen DGL hinzuaddieren, die ebene Welle: / ( x ′)Ψ ( x ′)d 4 x ′ Ψ ( x) = φ ( x) − e ∫ G ( x, x ′) A Näherungen: 0te-Ordnung: Vernachlässigung des äußeren Feldes Ψ ( 0 ) ( x) = φ ( x) 1te-Ordnung: Einsetzten von Ψ ( 0 ) ( x) / ( x ′)φ ( x ′)d 4 x ′ Ψ (1) ( x) = φ ( x) − e ∫ G ( x, x ′) A 2te-Ordnung: Einsetzten von Ψ (1) ( x) / ( x ′)φ ( x ′)d 4 x ′ + e 2 ∫ G ( x, x ′) A / ( x ′)G ( x ′, x ′′) A / ( x ′′)φ ( x ′′)d 4 x ′d 4 x ′′ Ψ ( 2 ) ( x) = φ ( x) − e ∫ G ( x, x ′) A Wir müssen nun G ( x, x ′) berechnen. Dazu fouriertransformieren wir G ( x, x ′) und wenden ~ (i∂/ − m) an. Wir erhalten dann den Elektron-Propagator G ( p ) . Dieser ist allerdings für reelle Elektronen nicht gültig, da der Zähler Null wird (p=4erImpuls). Mit Hilfe der Residuenmethode (siehe Anhang) lässt er sich umschreiben zu: p+m ~ G ( p) = 2 / 2 ε >0 p − m + iε Aus der Herleitung erhalten wir noch, dass Teilchen bei positiven Energien vorwärts in der Zeit laufen und bei negativer Energie rückwärts in der Zeit, bzw. ihre Antiteilchen laufen vorwärts in der Zeit. Der Propagator beschreibt anschaulich die Ausbreitung eines Teilchens vom Ort x zum Ort x ′ . 4.Elektronenstreuung Abb.3 Streuung eines Wellenpakets am Potential Dargestellt ist die Streuung eines einlaufenden Wellenpakets am Potential. Wir betrachten die r Welle allerdings nur näherungsweise als ebene Welle. Der Detektor misst nur den auf p f projizierten Teil der Streuwelle. Die Streuwelle wird definiert durch: ΨSTREU = Sφi Die Elemente der Streumatrix S sind als Übergangswahrscheinlichkeiten zwischen gegebenen Eingangs- und wohldefinierten Ausgangszuständen zu interpretieren. Diese Elemente sind gegeben durch das Überlappungsintegral zwischen der Streuwelle ΨSTREU und der ebenen Welle: S f ,i = ∫ d 3 x 2φ f+ ( x 2 ) Sφi ( x 2 ) = ∫ d 3 x 2φ f+ ( x 2 )ΨSTREU ( x 2 ) Für ΨSTREU setzt man die jeweilige Näherung (siehe 3.) ein. 4.1 Matrixelement 1ter Ordnung / ( x ′)φi ( x ′) S (f1,)i = ie ∫ d 4 x ′φ f ( x ′) A Dieses Matrixelement kann durch ein Raum-Zeit-Diagramm veranschaulicht werden. Abb.4 Raum-Zeit-Diagramm Damit keine Divergenzen auftreten, darf das elektromagnetische Potential nur in einem begrenzten Gebiet ungleich Null sein, wenn wir ebene Wellen anstatt Wellenpakete benutzten. 4.2 Matrixelement 2ter Ordnung / ( x ′′)G ( x ′′ − x ′) A / ( x ′)φi ( x ′) S (f 2,i) = −ie 2 ∫ d 4 x ′∫ d 4 x ′′φ f ( x ′′) A Auch dieses Matrixelement kann durch ein Raum-Zeit-Diagramm veranschaulicht werden. Abb.5 Raum-Zeit-Diagramm 4.3 Anwendungsbeispiel Berechnung des Matrixelements 1ter Ordnung für Elektronenstreuung an einem schweren Atomkern. r Ze Ze / ( x) = γ µ Aµ = γ 0 A=0 A0 = A r 4πr 4π x Der Kern bleibt in Ruhe ⇒ kein Magnetfeld. φi / f ( x) = Wellen: ebene, normierte Wellen: Mit u ( p) = 1 V u ( pi / f ) exp(−ipi / f x) r ϕr Mit u ( p) = E + m σ ⋅ p (gibt Spin ½ an). ϕ e+m r r r r r θ Mit q = p f − pi und q = 2 pi sin 2 Dieses alles wird nun in das Matrixelement 1ter Ordnung eingesetzt. Außerdem wird mit d 4 x = d 3 x ⋅ dt und dem 4er Impuls p = ( p X , pY , p Z , E ) : 1 −iqrxr S (f1,)i = ie( Ze) V1 u f γ 0 u i ∫ d 3 x r e ∫ dt exp(i ( E f − Ei )t 4π x Bei Integration des zweiten Integrals erhält man eine Deltafunktion und somit Energieerhaltung bei elastischer Streuung am unendlich schweren Streuzentrum. 5. Photon-Propagatoren Wir haben bisher die Streuung eines Teilchens (Elektron) an einem statischen Potential betrachtet. Nun wird der erarbeitete Lösungsweg auf das Problem Streuung zweier geladener Teilchen übertragen. Wir behandeln als Beispiel die Elektron-Proton-Streuung e + p → e + p . Das Proton erzeugt ein Potential A µ : ∂2 r 2 µ 2 − ∇ A ( x) = J µ ( x) ∂t Hierbei ist J µ (x) der vom Proton erzeugte Viererstrom. Auch diese DGL lösen wir mit der ∂ 2 r 2 µν 2 − ∇ D ( x − x ′) = g µν δ 4 ( x − x ′) Greenschen Funktion und machen den Ansatz: ∂t 4 µ µν Damit erhalten wir als Lösung: A ( x) = ∫ d x ′D ( x − x ′) Jν ( x ′) . Für den Photon-Propagatoren erhalten wir − g µν ~ D µν (q) = 2 q + iε Als nächstes muss J µ (x ) errechnet werden: J µ ( x) = eΨ f ( x)γ µ Ψi ( x) Für die Wellenfunktionen gilt: Ψi / f = 1 V u ( p 2 / 4 ) exp(−ip 2 / 4 x) Wenn dies alles nun einsetzten erhalten wir für die Lösung der DGL: e − g µν −iqx A µ ( x) = ∫ d 4 p 2 e u ( p 4 )γ ν u ( p 2 )δ 4 ( p 4 + q − p 2 ) V q + iε Um nun die Wechselwirkung des Protons auf das Elektron zu erhalten setzten wir die Lösung für A µ (x) in die Streumatrix 1ter Ordnung ein und erhalten: S (f1,)i = ie 2 ∫ d 4 q 1 (2π ) δ 4 ( p3 − p1 − q)δ 4 ( p 4 + q − p 2 )(2π ) 8 4 − g µν 1 u ( p ) γ u ( p ) u ( p 4 )γ ν u ( p 2 ) 3 µ 1 V2 q 2 + iε Diese lange Gleichung lässt sich in einem Feynman-Diagramm darstellen. 6. Feynman-Diagramme Um die obige Gleichung graphisch darzustellen stellen wir zuerst ein paar Regeln auf. 1. Fermionen werden durch eine gerade Linie dargestellt. 2. Photonen werden durch eine geschlängelte Linie dargestellt. 1 3. einlaufende Fermionen sind das Matrixelement u ( p) , auslaufende das V 1 Matrixelement u ( p) V − g µν 4. Das Photon wird durch den Propagator 2 ⋅ i beschrieben. q + iε 5. In einem Vertex (Schnittpunkt) enden immer zwei Fermionenlinien und eine Photonenlinie Damit lässt sich nun die Gleichung darstellen : Abb.6 Feynman-Diagramm Aber auch andere Prozesse lassen sich graphisch darstellen, hier ein paar Beispiele: Streuung geladener Teilchen Abb.7 Streuung geladener Teilchen Compton-Streuung Abb.8 Compton-Streuung Bremsstrahlung Abb.9 Bremsstrahlung Paar-Vernichtung und –Erzeugung Abb.10 Paar-Vernichtung und -Erzeugung Anhang Zur Herleitung des Elektronenpropagators.