Gravitationswellen Schule für Astroteilchenphysik Obertrubach-Bärnfels, 13. Oktober 2008 Peter Aufmuth MPI für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) Leibniz Universität Hannover Schule für Astroteilchenphysik 2008 Teil 1 1 Gravitationswellen 1. Theorie der GW 2. GW-Detektoren 3. GW-Astronomie Einstein Weber Thorne Wheeler Schule für Astroteilchenphysik 2008 2 Zentrum für Gravitationsphysik Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Inst.) Golm und Hannover Universität Hannover Gravitationswellendetektor GEO 600 Auswertung der Daten Berechnung neuer Quellen Zusammenarbeit mit LIGO und VIRGO Physik der NachfolgeInterferometer & LISA Schule für Astroteilchenphysik 2008 3 Sonderforschungsbereich / Transregio SFB/TR 7 Gravitationswellenastronomie Albert-Einstein-Institut Golm und Hannover Leibniz Universität Hannover Friedrich-SchillerUniversität, Jena Eberhard Karls Universität Tübingen Max-Planck-Institut für Astrophysik Garching Schule für Astroteilchenphysik 2008 4 Max-Planck-Schule – Exzellenzcluster Centre for Quantum Engineering and Space-Time Research International Max Planck Research School on Gravitational Wave Astronomy Schule für Astroteilchenphysik 2008 5 Gravitationswellen 1. Geometrodynamik Gravitation vor der ART Allgemeine Relativität Einsteins Feldgleichungen Gravitationswellen Schule für Astroteilchenphysik 2008 6 1. Gravitation vor der ART Newtons Gravitationstheorie 1687 Isaac Newton (1643 – 1727) „Alle Massen üben eine anziehende Kraft auf einander aus.“ F G m1m2 r2 Gravitationsgesetz Schule für Astroteilchenphysik 2008 7 1. Gravitation vor der ART Newtons Postulate Raum und Zeit sind absolute Größen, die unabhängig von den physikalischen Vorgängen existieren. Fernwirkung Die Gravitationswirkungen breiten sich augenblicklich im ganzen Universum aus. Keine Gravitationswellen ! Schule für Astroteilchenphysik 2008 8 1. Gravitation vor der ART Problembewußtsein Es ist undenkbar, daß Materie auf andere Materie wirkt ohne direkten Kontakt und ohne die Vermittlung von etwas anderem. Newton selbst kannte die seinem Gedankengebäude anhaftenden Schwächen besser als die folgenden gelehrten Generationen. Das hat stets meine ehrfürchtige Bewunderung erregt. Brief an R. Bentley von 1692/3 1927 Schule für Astroteilchenphysik 2008 9 1. Gravitation vor der ART Gravitationsfeld Poisson-Gleichung: Kräfte werden durch Felder übertragen. 4πG = Gravitationspotential = Massendichte der Feldquelle G = Gravitationskonstante 1845 Gravitationspotential: 1 N (x, t ) G (y, t ) d 3 y r mit r | x y | Michael Faraday (1791 – 1867) Nahwirkungs-Theorie: Ladungen (Massen) erzeugen in ihrer Umgebung ein Feld, das den Raum durchsetzt. Keine Gravitationswellen ! Schule für Astroteilchenphysik 2008 10 1. Gravitation vor der ART Newtons Optik Licht besteht aus Korpuskeln, die sich durch ein materielles Medium bewegen. Äthertheorie 1704 Schule für Astroteilchenphysik 2008 11 1. Gravitation vor der ART 1784 Henry Cavendish (1731 – 1810) Lichtablenkung Newton: Licht besteht aus Partikeln mit kleiner Masse Dann sollte ein Lichtstrahl an einer großen Masse, z.B. der Sonne, abgelenkt werden. 1801 Johann Georg von Soldner (1776 – 1833) Einsteins Ableitung, bei der er auf den Newtonschen Wert kommt. Richtig: δE = 2δN Schule für Astroteilchenphysik 2008 12 1. Gravitation vor der ART 1676 John Michell (1724 – 1793) Dunkle Sterne Olaf Roemer: Lichtgeschwindigkeit c Fluchtgeschwindigkeit: u 2GM R Licht kann einem Körper nicht entkommen, wenn dessen Fluchtgeschwindigkeit größer ist als c. Pierre S. Laplace (1749 – 1827) Schwarzschild-Radius R Rg 2GM c2 Wird eine feste Masse M auf einen Radius R < Rg komprimiert, so erscheint sie schwarz. Schule für Astroteilchenphysik 2008 13 1. Gravitation vor der ART Einsteins Postulate Man betrachtet zwei Systeme, die sich relativ zueinander mit konstanter Geschwindigkeit bewegen = Inertialsysteme Die Lichtgeschwindigkeit hat den gleichen Wert, unabhängig von der Bewegung der beiden Systeme. ( x, t ) '(x',t') t´ (t vx / c 2 ) / 1 v 2 / c 2 x´ ( x vt) / 1 v 2 / c 2 Lorentz-Transformation Alle Gesetze der Physik sind in beiden Systemen gleich. 1905 Schule für Astroteilchenphysik 2008 14 1. Gravitation vor der ART Raumzeit Raum & Zeit beeinflussen sich gegenseitig → Raumzeit x00 x10 g ik x 20 x 30 x01 x11 x21 x31 x02 x12 x22 x32 x03 x13 x23 x33 Minkowski-Metrik für eine ebene Raumzeit mit der Signatur ( ) 1 0 ik 0 0 0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 0 1 (x0, x1, x2, x3) = (ct, x, y, z ) definiert ein Ereignis in der Raumzeit. Der Abstand ds2 zweier Ereignisse („Raumzeit-Intervall“) ist invariant = unabhängig vom Koordinatensystem. ds 2 c 2dx02 dx12 dx22 dx32 c 2dt 2 dx 2 dy 2 dz 2 Schule für Astroteilchenphysik 2008 15 1. Gravitation vor der ART Spezielle Relativität Keine Wirkung und kein Signal kann sich schneller ausbreiten als mit Lichtgeschwindigkeit. 1905 Zur Elektrodynamik bewegter Körper; von A. E i n s t e i n Annalen der Physik XVII, 891 – 921 Schule für Astroteilchenphysik 2008 16 1. Gravitation vor der ART Gravitationswellen Das muß auch für die Gravitationswirkung gelten. Also gibt es Gravitationswellen ! »Onde gravifique« Retardiertes Potential: 1905 r 1 3 R (x, t ) G (y, t ) d y c r mit r | x y | Henri Poincare (1854 – 1912) Schule für Astroteilchenphysik 2008 17 1. Gravitation vor der ART Freier Fall Im freien Fall herrscht Schwerelosigkeit ! Es treten keine Kräfte auf ! Warum ? Alle Körper fallen an der gleichen Stelle des Raums mit der gleichen Beschleunigung, unabhängig von ihrer Masse oder ihrer Zusammensetzung. Schule für Astroteilchenphysik 2008 18 1. Gravitation vor der ART ISS Äquivalenz von Mt und Ms In einem Gravitationsfeld frei fallende Bezugssysteme sind Inertialsysteme. Die Vorgänge in beschleunigten Bezugssystemen und in Gravitationsfeldern sind einander äquivalent. Träge Masse Mt = schwere Masse Ms Fahrstuhl Schule für Astroteilchenphysik 2008 19 1. Gravitation vor der ART Gezeitenkräfte Die Signatur der Gravitation Volumenerhaltende Kräfte, die im freien Fall nicht verschwinden, weil sie durch Ungleichmäßigkeiten in der gravitativen Beschleunigung hervorgerufen werden. Schule für Astroteilchenphysik 2008 20 2. Allgemeine Relativität Einsteins Äquivalenzprinzip In einem lokal frei fallenden Bezugssystem sind in einer hinreichend engen Nachbarschaft eines jeden Raumzeit-Ereignisses keine gravitativen Effekte feststellbar. „Starkes Äquivalenzprinzip“ Schule für Astroteilchenphysik 2008 21 2. Allgemeine Relativität Gravitation nach Einstein 1912 Albert Einstein (1879 – 1955) „Die Gravitation ist keine Kraft, sondern eine Eigenschaft des Raums.“ Der Raum ist kein starrer Hintergrund, er wird durch Massen verformt. 1916 Schule für Astroteilchenphysik 2008 22 2. Allgemeine Relativität Gravitation ist Geometrie Vorstellung anhand einer Fläche (= 2-dim. Raum) keine Masse = keine Krümmung (Euklidischer Raum) eine Masse krümmt den Raum (Riemannscher Raum) Schule für Astroteilchenphysik 2008 Der Planet folgt der vorgegebenen Struktur des Raums 23 2. Allgemeine Relativität Das Prinzip der ART „Die Materie bestimmt die Krümmung des Raums, und der Raum bestimmt die Bewegung der Materie.“ John Archibald Wheeler (1911 – 2008) prägte die Begriffe „Schwarzes Loch“, „Geometrodynamik“, „Quantenschaum“ Schule für Astroteilchenphysik 2008 24 2. Allgemeine Relativität Anmerkung: Ist Alles Nichts ? Können wir den Materiebegriff nicht einfach fallenlassen und eine reine Feldphysik entwickeln ? Der Raum ist das „Feld“ Albert Einstein Die Materie ist nur eine Anregung des leeren gekrümmten Raumes. Schule für Astroteilchenphysik 2008 25 2. Allgemeine Relativität Geometrodynamik Alle Massen im Universum bewegen sich; das Universum selbst expandiert. Die Geometrie der Raumzeit ist nicht nur gekrümmt, sie verändert sich auch ständig. Schule für Astroteilchenphysik 2008 26 2. Allgemeine Relativität Gravitationswellen Die Ausbreitung von Störungen in der Struktur der Raumzeit erfolgt nur mit endlicher Geschwindigkeit Existenz von Gravitationswellen z.B. Sternexplosion (Supernova) mit Lichtgeschwindigkeit Schule für Astroteilchenphysik 2008 27 2. Allgemeine Relativität Robert M. Wald Allgemeine Relativität Eine Raumzeit ist eine Äquivalenzklasse differenzierbarer Mannigfaltigkeiten, auf denen eine Lorentz-Metrik gab definiert ist. Die Krümmung von gab ist über die Einstein-Gleichung mit der Materieverteilung in der Raumzeit verknüpft. Zu Diskontinuitäten und Singularitäten fragen Sie Ihren Topologen oder Geometer ! Schule für Astroteilchenphysik 2008 28 2. Allgemeine Relativität Probleme mit der ART ? Lv g mn : vn;m vm;n heißt Lie-Ableitung von gmn. Als Bedingung dafür, daß vi Isometrie erzeugt, erhalten wir die Killing-Gleichung. Wenn ich nur wüßte was das alles soll... was das überhaupt b e d e u t e t ... ??? Experimentalphysiker Schule für Astroteilchenphysik 2008 29 2. Allgemeine Relativität Seufz ! Seit die Mathematiker über die Relativitätstheorie hergefallen sind, verstehe ich sie selbst nicht mehr. Schule für Astroteilchenphysik 2008 30 2. Allgemeine Relativität Allgemeine Kovarianz Darstellung der Physik durch Größen, die bei einer beliebigen Koordinatentransformation invariant bleiben (= „kovariant sind“). Das leistet der Tensorkalkül von Ricci und Levi-Cività. Tensoren, Vierervektoren und Skalare sind die gesuchten Invarianten. Marcel Grossmann (1878 – 1936) Schule für Astroteilchenphysik 2008 31 2. Allgemeine Relativität Konventionen Einheiten: c = 1, G = 1 (und k = 1, = 1) (nur Theoretiker halten das für einfacher !) Metrik: – dt 2 + dx 2 oder dt 2 – dx 2 ? Misner, Thorne & Wheeler; Wald: Landau & Lifshitz; Sexl & Urbantke: Summenkonvention: ( ) ( ) 3 A Ai Ai Ai (A) 2 i i 0 Gewöhnliche partielle Ableitung: Kovariante Ableitung: Ai A k x k Ai k Ai x i ,k i a A;ik A,ik ka A Schule für Astroteilchenphysik 2008 32 2. Allgemeine Relativität Zusammenhang Kovariante Ableitung: i a A;ik A,ik ka A Christoffel-Symbole Гika klm g mi ikl g g 1 g ikl ik li kl 2 xl x k xi Die Christoffel-Symbole beschreiben den Zusammenhang zwischen einem Vektor und seiner infinitesimalen Umgebung; sie beschreiben den Paralleltransport eines Vektors in einem gekrümmten Raum. Christoffelsymbol = Übertragung = Konnektion = Zusammenhang Schule für Astroteilchenphysik 2008 33 2. Allgemeine Relativität Vektorkomponenten Kontravariante Komponenten: Ai (Vektorraum En ) Kovariante Komponenten: Ai (Dualraum En* ) Ak g ik Ai und Ak g ki Ai Für g ik ik : A0 A0 A2 A 2 A1 A1 A3 A3 Das Skalarprodukt ist invariant: AB Ai B i Ai Bi ds 2 Schule für Astroteilchenphysik 2008 34 2. Allgemeine Relativität Geometrische Einheiten m G/c2 tc E G/c4 Masse: Zeit: Energie: = m* = t* = E* Alle *Größen haben die Einheit [Meter] ! c G Planck-Länge: LP G 35 1 , 6 10 m 3 c Schule für Astroteilchenphysik 2008 35 2. Allgemeine Relativität Größenordnungen 2Gm RS 2 c R RS R Schwarzschild-Radius der Masse m [m] (= Masse in „geometrischen“ Einheiten) geometrischer Radius der Masse m Größenordnung relativistischer Effekte (Schwarzes Loch) = 1 (Neutronenstern) 0,5 (Sonne) 10–6 (Erde) 10–9 ! Newtonscher Grenzfall reicht in fast allen Fällen (nicht bei GPS !) Schule für Astroteilchenphysik 2008 36 3. Einsteins Feldgleichungen Einstein-Gleichung Krümmung ~ Masse/Energie-Verteilung Krümmungstensor 1915 G T Energie-Impuls-Tensor 1 Gik Rik Rg ik g ik Tik 2 = der einzige Tensor, der gik und dessen 1. und 2. Ableitung enthält und der divergenzfrei ist: Gik;k = 0 Schule für Astroteilchenphysik 2008 37 3. Einsteins Feldgleichungen Vergleich mit Newton hik Tik und h00 2 2 N c h = Abweichung von der Minkowski-Metrik Tik = Quelle des Gravitationsfelds T00 = = c2 = Energiedichte Wellengleichung: 2 2 2 N c c Poissongleichung: N c 4 4πG 2 Newton 8πG c 4 2 10 Schule für Astroteilchenphysik 2008 43 1 N 38 3. Einsteins Feldgleichungen Warum ein Tensorfeld ? Ausgangspunkt: keine Massenerhaltung ! → m ist keine Komponente eines Vektorstroms Außerdem: Vektortheorie → Abstoßung der Massen ! Bedingungen: Tik = Tki und Div Tik = 0 → 6 unabhängige Komponenten → Spin-0-Feld (Spur T ) + Spin-2-Feld → rein skalare Theorie (Nordstrøm) → rein tensorielle Theorie (Einstein) → Skalar-Tensor-Theorie (Brans & Dicke) Schule für Astroteilchenphysik 2008 39 3. Einsteins Feldgleichungen Einsteins Feldgleichungen 1 8πG Rik Rg ik g ik 4 Tik 2 c Rik = Ricci-Tensor (Krümmung) R = skalare Krümmung (= Sp Rik) = kosmologische Konstante (= 0) Tik = Energie-Impuls-Tensor gik = metrischer Tensor (Metrik) Zehn gekoppelte nichtlineare Differentialgleichungen zweiter Ordnung für die gik Tik (Materie) = Quelle von Gik und Gik → Tik → Nichtlinearitäten der Einstein-Theorie Schule für Astroteilchenphysik 2008 40 3. Einsteins Feldgleichungen Metrik und Abstandmessung Die Metrik gik bestimmt lokal die Geometrie der Raumzeit und damit das Ergebnis einer Abstandsmessung: ds 2 g ik dx i dx k ik Für frei fallende Bezugssysteme und eine hinreichend kleine Umgebung eines Raumzeit-Ereignisses ist 1 0 g ik ik 0 0 0 1 0 0 0 0 1 0 0 0 0 1 Minkowski-Metrik (= ebener Raum) Für den Abstand zweier Raumzeit-Ereignisse ergibt sich dann ds 2 c 2dx02 dx12 dx22 dx32 c 2dt 2 dx 2 dy 2 dz 2 Schule für Astroteilchenphysik 2008 41 3. Einsteins Feldgleichungen Schwachfeldnäherung 1 8πG Rik Rg ik 4 Tik 2 c Modifizierte Feldgleichung: Rik 8πG c 4 1 (Tik Tgik ) Tik* 2 mit R 8πG c 4 T hik = kleine Störung der flachen Minkowski-Metrik ik gik ik hik mit | hik | 1 d.h. Wahl eines Bezugssystems, in dem dies gilt → keine Invarianz unter Koordinatentransformationen → Eliminierung überflüssiger Freiheitsgrade Schule für Astroteilchenphysik 2008 42 3. Einsteins Feldgleichungen Eichtransformationen g ik ik hik Einsetzen in die modifizierte Feldgleichung und lineare Näherung betrachten ! In erster Ordnung gilt dann: Invarianz gegenüber Eichtransformation k i hik hik xi xk Lorentz-Eichung: Div h k hik 0 xk Schule für Astroteilchenphysik 2008 43 3. Einsteins Feldgleichungen Wellengleichung Eichbedingung führt auf eine lineare Wellengleichung 2 2 2 1 2 O (h) 2 2 2 2 2 hik 2 Tik* y z c t x 1 Allgemeine Lösung: retardierte Potentiale | r r '| Tik* r ' , t c 3 hik (r , t ) d r' 2π | r r '| Außerhalb der Quelle, d.h. im Vakuum (für Tik = 0) → ebene Wellen hik (r, t ) hiko sin(k r t ik ) Schule für Astroteilchenphysik 2008 44 3. Einsteins Feldgleichungen TT-Eichung (TT = “transverse” & “traceless”) hik ist ein symmetrischer Tensor 10 unabhängige Komponenten Lorentz-Eichung legt vier Komponenten fest 1 hi 0 hi1 hi 2 hi 3 0 c x0 x1 x2 x3 Koordinatenwahl legt zwei Komponenten fest h 0k 0 (Transversalwelle) Phasenwahl legt zwei Komponenten fest h11 h22 0 (spurfreie Welle) → Koordinatensystem bewegt sich mit der Welle durch den Raum Schule für Astroteilchenphysik 2008 45 3. Einsteins Feldgleichungen GW in der TT-Eichung Ebene Wellen mit zwei Freiheitsgraden und Geschwindigkeit c Für eine Welle in z-Richtung erhält man: 1 0 gik ik hik 0 0 hikTT (t , z ) h h 0 1 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 h 0 0 h 1 0 0 0 h h 0 0 0 0 0 h cos[ (t z / c)] h h+ und h sind die beiden Schwingungsrichtungen (Polarisationsrichtungen) der Welle Schule für Astroteilchenphysik 2008 46 3. Einsteins Feldgleichungen Polarisation und Spin h A e i (t z / c) h Ae i (t z / c) hR 1 2 (h ih ) hL 1 2 (h ih ) Allgemein: Ein Strahlungsfeld mit dem Spin S hat zwei orthogonale Zustände linearer Polarisation unter dem Winkel 90°/S. Für GW ist S = 2 zwei Zustände, die sich um 45° unterscheiden. Schule für Astroteilchenphysik 2008 47 3. Einsteins Feldgleichungen GW ändern die Metrik Abstandsmessung zwischen frei fallenden Testmassen dl = 0 dl = 0 – dl = 0 + ds 2 c 2dt 2 (1 h )dx 2 (1 h )dy 2 dz 2 Schule für Astroteilchenphysik 2008 48 3. Einsteins Feldgleichungen Wirkung einer GW Schule für Astroteilchenphysik 2008 49 3. Einsteins Feldgleichungen Klassische Feldtheorie Die linearisierte Theorie beschreibt ein masseloses (Spin 2)-Feld, das sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet. EinsteinLagrangedichte g ik ik hik hik als Feld, das sich in einer LE g R g = Determinante der Metrik R = skalare Krümmung c3 SE d4 x g R 16πG flachen Raumzeit ausbreitet Einstein-Wirkung → Ableitung der Feldgleichungen Schule für Astroteilchenphysik 2008 50 3. Einsteins Feldgleichungen Gravitonen Das Graviton ist das Eichboson (Austauschteilchen) einer Quantenfeldtheorie der Gravitation mit S = 2 Die Kopplungskonstante G hat die Dimension [Fläche] → die Theorie ist nicht renormierbar (Divergenzen) Für Energien E << EP = 1.2 1019 GeV → effektive Theorie mit ART als guter Näherung niedrigster Ordnung E Verschwindende Wechselwirkung zwischen Gravitonen und Materie. Schule für Astroteilchenphysik 2008 51 3. Einsteins Feldgleichungen Gravitonenmasse ? Ansatz der relativistischen Feldtheorie der Gravitation: 1 LRTG LE m 2 (hik h ik ah 2 ) 4 m = Gravitonenmasse a = –1 : Pauli-Fierz Aus den WMAP-Daten und dem Standardmodell folgt m < 1.3 10–63 kg bzw. < 7.3 10–34 eV Die Geschwindigkeit von Photonen und Gravitonen ist < c Der Kollaps eines Sterns führt nicht zu einer Singularität Schule für Astroteilchenphysik 2008 52 4. Gravitationswellen Lexikondefinition GW sind durch beschleunigte Massen erzeugte Transversalwellen in der Struktur der Raumzeit, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Schule für Astroteilchenphysik 2008 53 4. Gravitationswellen Multipolentwicklung Monopolmoment: Jede sphärisch-symmetrische Vakuumlösung der Feldgleichungen ist statisch. Massendipolmoment: d m mx dm t 2 2 Strahlungsleistung: 2d m 2 x p m 2 0 2 t t t SD ~ 2 Impulserhaltung ! Das magnetische Dipolmoment entspricht in der Gravitationstheorie dem Drehimpuls; dies liefert infolge der Drehimpulserhaltung ebenfalls S = 0. Erst der Quadrupolterm liefert einen Beitrag. Schule für Astroteilchenphysik 2008 54 4. Gravitationswellen Quadrupol-Formel Allgemein: Alle Multipole der Ordnung < S liefern keinen Beitrag zur Strahlung. Für Gravitonen ist S = 2. Die metrische Störung in der Wellenzone (r >> /2) hängt vom TT-Anteil des Massenquadrupolmoments der Quelle ab: 1 Q ( xi xk ik r 2 )d 3 x 3 Q = Abweichung von der Kugelsymmetrie hikTT 2G 44 W m 1 , 6 10 c4 s 2G 1 2 4 c r t 2 TT r Qik t c Großes Quadrupolmoment ! Schnelle Änderungen ! Schule für Astroteilchenphysik 2008 55 4. Gravitationswellen Strahlungsleistung dE G 5 dt 5c ik 3 r 3 Qik t c t 2 G 5c 5 Q ik Q ik Energiefluß einer ebenen Gravitationswelle Labor: Rotierende Hantel Erde um Sonne Jupiter um Sonne Doppelsternsystem Neutronensternsystem 10–26 W 200 W 5300 W 1015 … 1030 W 1045 W Nur kompakte kosmische Objekte mit großen Beschleunigungen kommen in Frage ! Schule für Astroteilchenphysik 2008 56 4. Gravitationswellen Quellen von GW die energiereichsten und heftigsten Vorgänge im Universum Doppelsternsysteme Supernovae Pulsare Urknall Inflation Kollidierende superschwere Schwarze Löcher Akkretierende Neutronensterne Dunkle Materie Schule für Astroteilchenphysik 2008 57 4. Gravitationswellen Amplitude, Stärke Gravitationswelle h: h hik hik0 e i (t z / c ) × L 2 Amplitude: hik0 2G 1 r Qik t 4 c r c h L 2δ Lineare spektrale Dichte: ~ h Sh ( f ) 1 Hz Sh ( f ) 2 h L Spektrale Leistungsdichte = FT der Autokorrelationsfkt. von h Mittelwert von h bei der Frequenz f innerhalb der Bandbreite ∆f = 1 Hz) Schule für Astroteilchenphysik 2008 58 4. Gravitationswellen „Empfindlichkeit“ s(t ) h(t ) n(t ) Signal = GW + Rauschen Darstellung des Rauschens: ~ hn S n ( f ) 1 Hz Lineare spektrale Rauschdichte ~ ~ h const. h f h ~ h 3 1022 1 und f 100 Hz h 3 1021 Hz Schule für Astroteilchenphysik 2008 59 4. Gravitationswellen Die Stärke von GW Günstigster Fall: Supernova in der Milchstraße M ~ 1.4 M , D ~ 50000 Lj, f ~ 1 kHz ESN ~ 3 1046 J, 1 % EGW ~ 1044 J Strahlungsleistung auf der Erde: S ~ 105 W/m2 100 el.-magn. Solarkonstante 1031 Gravitonen pro m2 und s h ~ 10–18 Schule für Astroteilchenphysik 2008 60 4. Gravitationswellen Angestrebte Empfindlichkeit SN in der Milchstraße ? Alle 30 – 50 Jahre ! Virgo-Haufen Galaxienhaufen in 50 Mio Lj Entfernung Angestrebte Empfindlichkeit der 1. Generation von GW-Detektoren: h ~ 10–21 d.h. Abstand Erde - Sonne ändert sich um den Durchmesser eines H-Atoms bzw. eine 1 km lange Meßstrecke um den Durchmesser eines Protons ! Schule für Astroteilchenphysik 2008 61 4. Gravitationswellen Quellen und Frequenzen Pulsare Phasenübergänge im frühen Universum Quantenfluktuationen im frühen Universum Verschmelzende Binärsysteme NS – NS BH – BH Kompakte Objekte + supermassive Schwarze Löcher Schule für Astroteilchenphysik 2008 Supernova in der Milchstraße 62 4. Gravitationswellen Elektromagnetische Wellen / GW Schwingungen, die sich durch die Raumzeit bewegen Schwingungen in der Struktur der Raumzeit selbst inkohärente Überlagerung der Emission einzelner Atome kohärente Bewegung großer Massen oder Energiedichten Wellenlängen kleiner als das Objekt Bild des Objekts Wellenlängen gleich groß oder größer als die Quelle (Akustik) Absorption, Streuung, Dispersion durch Materie Keine Beeinflussung durch Materie Frequenzen 107 ... 1027 Hz Frequenzen 10–18 ... 104 Hz Die meisten Quellen von GW senden keine EMW aus und umgekehrt Komplementäre Informationen - neue Entdeckungen zu erwarten Schule für Astroteilchenphysik 2008 63 4. Gravitationswellen Starke Felder Absorption, Streuung und Dispersion durch Materie und elektromagnetische Felder Streuung durch Hintergrund-Krümmung für RB ~ (Schwingungsmoden Schwarzer Löcher) Gravitationslinseneffekt (Fokussierung) durch Schwarze Löcher, Sternhaufen, Galaxien Parametrische Verstärkung für RB (Vakuumfluktuationen beim Big Bang) Nichtlineare Effekte spielen praktisch keine Rolle (h << 1) Schule für Astroteilchenphysik 2008 64 5. Anhang Historisches 1905 Spezielle Relativität 1912 „Der glücklichste Einfall meines Lebens“ 1915 Allgemeine Relativität 1916 Gravitationswellen 1917 Kosmologische Konstante 1918 Quadrupolformel 1925 Entdeckung der Expansion des Weltalls 1927 Lemaîtres Urknall-Modell Schule für Astroteilchenphysik 2008 65 5. Anhang Literatur 1.) Misner, Thorne & Wheeler „Gravitation“ 1973 2.) Robert M. Wald „General Relativity“ 1984 3.) R.U. Sexl & H.K. Urbantke „Gravitation und Kosmologie“ 1975, 52002 4.) Bernard F. Schutz „Gravity from the ground up“ 2003 5.) Landau & Lifschitz „Klassische Feldtheorie“ 1963, 101982 6.) Albert Einstein „Grundzüge der Relativitätstheorie“ 51969, 2002 7.) Michele Maggiore „Gravitational Waves Vol. I“ 2008 Schule für Astroteilchenphysik 2008 66