Lindner

Werbung
41
562
Wechselstromkreis
und der Scheinleitwert Y
Scheinleitwert
(41.27)
Der Blindleitwert (Suszeptanz) B = Be - BL kann positiv oder negativ werden. Nach
Phasenwinkelbeziehung
(Parallelschaltung)
(41.28)
bekommt danach auch die Phasenverschiebung zwischen der Gesamtstromstärke I und der
Spannung U das entsprechende Vorzeichen.
41.2.7
Resonanz im Wechselstromkreis
1. Reihen- oder Spannungsresonanz. In einem Sonderfall der Reihenschaltung von Wechselstromwiderständen (s. 41.2.5) kann der Blindwiderstand X gleich null werden. Dies ist
nach (41.19) dann der Fall, wenn der induktive und der kapazitive Blindwiderstand gleich
sind. Dann erhält man wegen XL = wL = Xc = l/(we) die Resonanzbedingung:
Resonanzbedingung
(41.29)
Der Scheinwiderstand Z ist jetzt gleich dem Wirkwiderstand R und hat für den betrachteten Stromkreis ein Minimum, während die elektrische Stromstärke auf ein Maximum ansteigt (wegen I = U / Z wird I max = U / Zmin). Weil jetzt die elektrische Stromstärke nur
noch vom Wirkwiderstand R abhängt, ist die Phasenverschiebung zwischen Spannung und
Stromstärke gleich null. Der geschilderte Sonderfall heißt Reihenresonanz.
Bei Reihenresonanz hat der Scheinwiderstand ein Minimum, es tritt ein Stromstärkemaximum auf.
Bei gleichen Schaltelementen kann Reihenresonanz auch dann auftreten, wenn die Frequenz des verwendeten Wechselstromes gleich der Resonanzfrequenz Ir wird, die aus
(41.29) folgt:
Resonanzfrequenz
(41.30)
Anstatt Reihenresonanz wird auch häufig der Ausdruck Spannungsresonanz verwendet,
weil in diesem Fall an der Induktivität und Kapazität sehr hohe Spannungen entstehen, die
sich wegen ihrer entgegengesetzten Phasen lage zwar gegenseitig aufheben, aber Spule und
Kondensator einzeln hoch belasten.
Der folgende Versuch bestätigt das Auftreten der Reihenresonanz: Eine Spule (etwa 250
Windungen) auf einem V-Eisenkern mit verschiebbarem I-Kern wird in Reihe zu einem
41.2
Widerstände im Wechselstromkreis
563
Bild 41.23: Versuch zur Reihenresonanz
Kondensator (Kapazität etwa 10 j..lF) und einem Strommeßgerät geschaltet (Bild 41.23).
Es wird eine Wechselspannung von ca. 25 V angelegt. Der Strommesser zeigt dann eine
dem Scheinwiderstand und der Spannung entsprechende Stromstärke an. Verschieben des
I-Kerns ändert den induktiven Widerstand der Spule und damit auch den Scheinwiderstand
der Schaltung. Man findet eine Einstellung des I-Kerns, bei der die Stromstärke ein Maximum ist: Spannungsresonanz ist erreicht.
Beispiel 1 zeigt, daß im Resonanzfall an den einzelnen Schaltgliedern sehr hohe Spannungen auftreten. Die für das betreffende Bauelement zulässige Spannung wird weit überstiegen, und Zerstörungen treten als Folge auf.
2. Parallel- oder Stromresonanz. Dieser Resonanzfall kann bei Parallelschaltung von
Wechselstromwiderständen auftreten (s. 41.2.6). Die Phasenverschiebung zwischen Stromstärke und Spannung wird in diesem Fall gleich null, wenn der Blindleitwert B = 0 ist.
Wegen BL = 1/(wL) und Be = wC folgt aus B = Be - BL = 0 die gleiche Resonanzbedingung (41.29) wie bei Reihenresonanz.
Jetzt wird der Scheinleitwert Y gleich dem Wirkleitwert G (nach (41.27)). Er erhält den für
diese Schaltung kleinsten Wert. Nach I = U Y folgt aus dem Minimum des Scheinleitwertes auch ein Stromstärkeminimum.
Bei Parallelresonanz tritt ein Scheinleitwert- und ein Stromstärkeminirnum
auf.
Bild 41.24: Versuch zur ParaIlelresonanz
Mit dem Versuch nach Bild 41.24 kann dieser Resonanzfall gezeigt werden. Die Spule hat
jetzt etwa 1000 Windungen, die Kapazität des Kondensators ist ca. 6 j..lF, und die Wechselspannung liegt bei 80 V. Im Resonanzkreis befinden sich zwei kleine Glühlampen Ll und
L2. Bei geschlossenem magnetischem Kreis (der I-Kern liegt vollständig auf) leuchtet nur
LI auf, und der Strommesser im Hauptstromkreis zeigt eine dem Scheinwiderstand und der
Spannung entsprechende Stromstärke an. Verschiebt man den I-Kern, geht die angezeigte
Stromstärke bei einer bestimmten Einstellung des I-Kerns auf ein Minimum zurück, und
L2 leuchtet gleichfalls auf: Parallelresonanz ist vorhanden.
41
564
Wechse1stromkreis
Im Beispiel 2 werden wir sehen, daß bei Parallelresonanz zwar die Gesamtstromstärke
minimal ist, die Teilstromstärken durch Spule und Kondensator jedoch wesentlich größer
sein können. Überlastungen von Spule oder Kondensator können die Folge sein.
Einen zusammenfassenden Vergleich der beiden Resonanzfälle zeigt die folgende Zusammenstellung:
Reihenresonanz
Parallel resonanz
Resonanzbedingung
ist bei beiden gleich, es gelten Xc = XL bzw. Be = BL und damit die
Gleichungen (41.29) und (41.30)
Scheinwiderstand
Scheinlei twert
Teilspannungen
hat ein Minimum Zmin
=
R
hat ein Maximum Ymax = l/Zmin
sind z. T. wesentlich höher als die
angelegte Spannung
hat ein Maximum Zmax = R
hat ein Minimum Y min
= 1/ Zmax
sind z. T. wesentlich größer als die
Gesamtstromstärke
Teilstromstärken
Gesamtstromstärke
durchläuft bei U = const. die Resonanzkurve
durchläuft bei I
sonanzkurve
Gesamtspannung
=
const. die Re-
Beispiele:
I. Eine Reihenschaltung von Kondensator (C = 1,0 ILF), Spule (L = 2,0 H) und Wirkwiderstand
(R = 50, 0 Q) liegt an einer Wechselspannung U = 100 V. Die Abhängigkeit der Stromstärke I von
der Frequenz Cl 00 Hz < I < 130 Hz) ist grafisch darzustellen!
Berechnet man nach (41.1 7) die Stromstärke I im angegebenen Frequenzbereich, so entsteht die im
Bild 41.25 dargestellte Resonanzkurve. Die Resonanzfrequenz ist nach (41.30) Ir = 112,5 Hz. Die
zugehörige Resonanzstromstärke beträgt Ir = U / R = 2, 00 A (im Resonanzfall ist Z = R). Dann
liegen am Kondensator und an der Spule Ue = UL = 2830 V!
2. Wie groß ist die Kapazität C eines Kondensators, der mit dem Wirkwiderstand R = 105 Q
und einer Spule mit der Induktivität L = 0,150 H parallelgeschaltet ist, damit bei der Spannung
U = 230 V und der Frequenz I =50 Hz die Gesamtstromstärke I = 2,19 A beträgt? Wie groß sind
die Tei lstromstärken?
Der Scheinwiderstand ist Z = U / I = 105 Q = R, d. h., es liegt Parallel resonanz vor. Damit wird
Xc
XL, also C = I/(u} L) = 67,5 ILF. Die Teilstromstärken sind IR = U / R = 2, 19 A und
I L = le = U /(wL) = UwC = 4, 88 A (also größer als die Gesamtstromstärke)!
=
I
~Ot---+---~--+---~--~--~~
100
10*
108
112
116
120
r-
Hz
128
Bild 41.25: Stromstärke in Abhängigkeit von
der Frequenz bei Reihenresonanz (Resonanzkurve zu Beispiel 1)
41.3 Leistung im Wechselstromkreis
41.3
565
Leistung im Wechselstromkreis
41.3.1
Wirkleistung
Wenn zur Aufrechterhaltung eines elektrischen Stromes überhaupt eine Energie erforderlich ist, so liegt das an der im Stromkreis erzeugten Wärmeenergie oder anderen frei werden den Energiearten (mechanische Energie, Lichtenergie, Schallenergie usw.). Die Leistung wird wie im Gleichstromkreis als Produkt aus der Spannung und der Stromstärke
ermittelt. Nach 41.2.1 wird im reinen Wirkwiderstand (ohmschen Widerstand) eine "wirkliche" Leistung in Wärmeleistung umgesetzt und nach außen abgegeben. Sind daher V und
I die von den üblichen Meßgeräten angezeigten Effektivwerte von Spannung und Stromstärke, so erhält man für die Wirkleistung
Wirkleistung im ohmschen Widerstand
(Wirkwiderstand)
I P = VI I
(41.31)
Die Wirkleistung ist die in nichtelektrische Leistung umgewandelte elektrische
Leistung.
Das Produkt aus der Wirkleistung und der Zeit t ist die in dieser Zeit umgesetzte elektrische
Energie Eel:
I Eel
I
= Pt = V It
(41.32)
Elektrische Energie
Mathematisch ergibt sich die Wirkleistung, wenn man die elektrische Energie während
einer Periode Eel
=
fo Tp R dt durch die Periodendauer T
teilt. Dabei i t
PR
die Au-
genblicksleistung, die sich aus PR = uRiR ergibt (keine Phasenverschiebung zwi ehen
UR = V max sin cut und iR = I max sin cut). Man erhält die Wirkleistung Paus
P
=~
T
f
uRiR
dt
o
=~
f.
T
f
V max sin cut Imax sin cut dt
0
T
=
Vmax/ max
T
o
1
sm 2 cut dt = -Vmaxl
max = V I
2
in Übereinstimmung mit (41.31).
41.3.2
Blindleistung
Ganz anders liegt der Fall bei einer Spule oder einem Kondensator. Denkt man sich die
Spule im Idealfall aus widerstandslosem Draht gewickelt, so ist zwar der Wider tand für
Gleichstrom gleich null, nicht aber für Wechselstrom. An den Spulenenden kann mit einem
geeigneten Meßgerät ein Spannungsabfall V L gemessen werden, der jedoch, wie bereits
bekannt ist, der Stromstärke um 90° vorauseilt.
41
566
Wechselstromkreis
1
Bild 41.26: Augenblickswerte von Spannung,
Stromstärke und Leistung im kapazitiven Widerstand
Das Produkt ULI ist zwarJormal auch eine Leistung, man sucht aber vergeblich nach der
ihr entsprechenden, äquivalenten nichtelektrischen Leistung, denn diese aus widerstandlosem Draht gewickelte Spule erzeugt keine Wärmeenergie.
Ähnlich verhält sich ein idealer, verlustloser Kondensator. Dieser läßt keinen Gleichstrom
passieren, wohl aber Wechselstrom. Auch hier kann das Produkt Ucl gebildet werden,
obwohl auch der Kondensator keinerlei Energie in Form von Wärmeenergie abgibt. Die
Begründung erhält man nach Bild 41.26. Für jeden Zeitpunkt des Liniendiagramms ist die
Momentanleistung ui = p errechnet und dargestellt worden. Je eine Halbperiode der
sinusförmigen Leistung liegt im positiven und im negativen Bereich. Im ersten Fall nimmt
der Kondensator Energie zum Aufbau eines elektrischen Feldes auf, im zweiten gibt der
Kondensator die gleiche Energie wieder ab (das Feld als Energieträger wird abgebaut).
Die gleichen Überlegungen ergeben sich für die ideale Spule. Auch mathematisch kann
gezeigt werden, daß der zeitliche Mittelwert der Wirkleistung sowohl für den Kondensator
als auch für die ideale Spule gleich null ist:
T
P =
~
f
o
T
p dt =
f
Um sin cvt Im sin ( cvt
+ ~)
dt = 0
0
Somit pendelt zwischen Kondensator und Spannungsquel1e bzw. zwischen Spule und Spannungsquelle die Energie lediglich hin und her. In beiden Fällen reiner Kapazität bzw. reiner Induktivität nennt man das Produkt aus der Spannung U und der Stromstärke 1 daher
Blindleistung Q:
Blindleistung eines kapazitiven oder
induktiven Blindwiderstandes
(41.33)
Um Verwechslungen mit der Wirkleistung zu vermeiden, wurde nicht nur für die Blindleistung ein anderes Formelzeichen Q verwendet, es wurde auch zumindest für die Angabe
des Endergebnisses einer Berechnung oder zur besseren Kennzeichnung der Blindleistung
statt der Einheit W (Watt) die Einheit var (voltampere reactif) eingeführt. Dabei ist zu beachten, daß grundsätzlich W = VA = var ist.
Der ideale Kondensator und die ideale Spule verbrauchen keine Wirkleistung.
Die Blindleistung tritt nach außen hin überhaupt nicht in Erscheinung. Zu ihrer Erzeugung ist im zeitlichen Mittel keine Energie nötig.
41.3
Leistung im Wechselstromkrei
41.3.3
567
Scheinleistung und Leistungsfaktor
Geht man im realen Wech elstromkreis mit Wirk- und Blindwiderständen von der Gesamtspannung U aus, 0 wird die Gesamtstromstärke 1 im allgemeinen um einen Winkel cp
zwischen 0 und 90° gegenüber U verschoben sein (Bild 41.27). Gleichgültig, ob eine Parallelschaltung oder eine Reihen chaltung von Wirk- und Blindwiderständen vorliegt, kann
man sich gedanklich die fließende Stromstärke 1 in zwei Komponenten zerlegen, von denen die eine, die Wirkstromstärke Iw , mit der Spannung U in Phase liegt. Die andere, die
Blindstromstärke Ib, hat dagegen zu U eine Phasenverschiebung von 90°.
u
Bild 41.27: Zerlegung der Gesamtstromstärke in
Wirk- und Blindstromstärke
Aus Bild 41.27 ist abzulesen:
1I
w
=
1 cos cp
ITb = 1 sin cp
I
(41.34)
Wirk- und Blindstromstärke
Wegen der Gleichphasigkeit von Iw und U ergibt sich für die Wirkleistung P
1
P = U 1 cos cp
Wirkleistung eines beliebigen
Widerstandes
I
Auch hier erhält man mathematisch die Wirkleistung aus P
(41.35)
=
~
T
[Tui dt.
Jo
Wegen der
Phasenverschiebung cp zwischen der Spannung u und der Stromstärke i gilt jetzt
f ..
f.
o
0
T
P=TI
T
max
UmaxslDwtlmaxsm(wt-cp)dt= Umaxl
T
Formt man den Integranden mit der Formel sina sinß =
SlDwt sin(wt - cp) dt
21 (cos(a -
ß) -cos(a + ß)) um,
ergibt sich
P =
UmaxT max
2T
T
(
T
)
[ cos cp dt - [ cos(2wt - cp) dt
Während das erste Integral den Wert T cos cp hat, ist der zweite Integrand eine periodische
Funktion mit dem zeitlichen Mittelwert null, d. h., das zweite Integral ist gleich null. Somit
wird
Umaxl max
P=
2
cos cp = U T cos cp
womit (41.35) bestätigt wird.
41
568
Wechselstromkreis
/'\
1
! \p
. ..
j
\
:
uJ.P
wtBild 41.28: Verlauf von Spannung, Stromstärke und Leistung im beliebigen Wechselstromkreis
Bild 41.28 zeigt, daß die Augenblickswirkleistung p mit der doppelten Frequenz um einen
Durchschnittswert schwingt. Dieser ist die Wirkleistung P.
Der Faktor A = cos q; in (41.35) heißt Leistungsfaktor.
Leistungsfaktor
(41.36)
Im Fall der idealen Spule ist cos q; = cos 90° = 0, also wie nicht anders zu erwarten, ist hier
die Wirkleistung P = O. Für den rein ohmschen Widerstand ist cos q; = cos 0° = 1 und
damit P = V I. Die üblichen, auch im Haushalt verwendeten Wechselstromzähler messen
das Produkt aus P und t, also nach (41.32) die tatsächlich verbrauchte Energie. Dennoch
ist auch die Ermittlung der Blindleistung wichtig. Für sie ergibt sich wegen Q = V h
I Q = V I sin q; I
Blindleistung eines beliebigen
Widerstandes
(41.37)
Ein in die Zuleitung zu den Wechselstromverbrauchern geschaltetes Strommeßgerät zeigt
aber weder die Wirkstromstärke noch die Blindstromstärke an, sondern die Gesamtstromstärke I, die die betreffende Schaltung der Spannungsquelle entnimmt. Das Produkt aus der
Klemmenspannung V einer Schaltung und der ihr zufließenden gemessenen Stromstärke I
ist nicht die tatsächlich umgesetzte (Wirk-)Leistung, sondern die Schein leistung S:
I S= VI I
Scheinleistung eines beliebigen
Widerstandes
(41.38)
Um Verwechslungen mit der Wirkleistung zu vermeiden, wird als Einheit der Scheinleistung V . A = VA (Voltampere) angegeben.
Erst nach Multiplikation von S mit cos q; und der Zeit t entsteht die vom Zähler registrierte und vom Konsumenten zu bezahlende Wirkenergie Eel. Ein Vergleich von (41.38) und
(41.36) zeigt, daß der Leistungsfaktor der Quotient aus der Wirkleistung und der Scheinleistung ist:
Leistungsfaktor
(41.39)
41.4
Bedeutung und Kompensation der Blindleistung
P
569
Bild 41.29: Leistungsdiagramm
Werden die Stromstärken im Diagramm Bild 41.27 mit der Spannung U multipliziert,
so entsteht ein geometrisch ähnliches Leistungsdiagramm (Bild 41.29), aus dem Zusammenhänge zwischen den Leistungen abgelesen werden können, die auch (41.36) und
(41.35) bestätigen:
I p = S cos cp I I Q = S sin cp I I Q =
P tan cp
I I S = J p2 + Q2
(41.40)
Beispiele:
I. Ein Einphasenwechselstrommotor nimmt bei Anschluß an die Spannung V = 230 V (Frequenz
f =50 Hz) die Stromstärke I =6,10 A auf. Die Wirkleistung des Motors ist P = 1,20 kW. Wie groß
sind Schein leistung S, Leistungsfaktor A, Phasenverschiebungswinkel cp und Blindleistung Q?
= VI = 1,40 kVA, A = cosrp =
= 0, 855, rp = 31,2° , Q = JV 2 / 2 -
= 727 var.
2. Von einem Motor sind folgende Parameter bekannt: Mechanische Leistung Pmech = 2, 50 kW,
Wirkungsgrad." = 80 %, Spannung V = 230 V, Frequenz f = 50 Hz, Leistungsfaktor A = 0, 85.
S
PI(V!)
p2
Wie groß sind Wirkleistung P, Scheinleistung S, Blindleistung Q, Phasenverschiebungswinkel cp,
Stromstärke I, Wirkstromstärke I w und Blindstromstärke Ib?
P
I
= Pmechh = 3,13 kW, S = Plcosrp =
= SI V = 16,0 A, I w = I cos rp = l3 , 6 A,
41.4
3,68 kVA, Q = Ssinrp
Ib = I sin rp = 8, 42 A.
=
1,94 kvar, rp
=
31 , 8° ,
Bedeutung und Kompensation der Blindleistung
Auch der in den öffentlichen Leitungsnetzen fließende elektrische Strom i t durch induktive
Belastung mit Elektromotoren und dgl. kein reiner Wirkstrom. Auch hier läßt sich die tatsächliche Stromstärke I in eine Wirkstromstärke I w und eine Blindstrom tärke h zerlegen.
Auf jeden Fall ist die tatsächlich fließende Stromstärke I größer als die zur Um etzung in
nutzbare Energie nötige Wirkstromstärke [w.
Das Leitungsnetz wird durch die Stromstärke I bedeutend stärker belastet, als
es dem eigentlichen Bedarf entspricht.
Dieser Nachteil ist um so schwerwiegender, als die in Leitungen entstehenden Energieverluste in für den Menschen nicht nutzbare Wärmeenergie umgewandelt werden (Leitungen
sind ohmsche Widerstände) und dem Quadrat der elektrischen Stromstärke proportional
sind (38.27). Es muß daher das Bestreben aller Energieverbraucher, insbe ondere aber der
Großbetriebe sein, den Leistungsfaktor dem Wert 1 möglichst nahe zu bringen . Dafür wird
ein ökonomischer Anreiz insofern ge chaffen, al Großabnehmer nicht nur den tat ächli chen Energieverbrauch bezahlen müs en, ondern auch die dem Netz entnommene Scheinleistungsspitze während eines relativ kurzen vorgegebenen Zeitraumes.
570
41
a)
Wechsel stromkreis
b)
Bild 41.30: a) Wechselstromverbraucher, z. B. Motor, Phasenverschiebung zwischen U und
Schei nleistung SI = U I1 , Blindleistung Q 1 = S si n rp 1 = P tan rpl,
b) Kompensation der BLindleistung, rp2 < rpl, S2 = U 12 < SI, Q2 = P tan rp2
h
ist rpl,
Für die Verbesserung des Leistungsfaktors und damit für die Kompensation der Blindleistung gibt es zwei Möglichkeiten. Die eine besteht im Betreiben besonderer, übererregter Synchronmotoren. Einfacher und bequemer sind jedoch richtig bemessene Kondensatoren, die dem jeweiligen Verbraucher parallelzuschalten sind (Bild 41.30). Die Kapazität des Kondensators muß so groß gewählt sein, daß bei der betreffenden Klemmenspannung die kapazitive Blindleistung des Kondensators die induktive Blindleistung des jeweiligen Verbrauchers möglichst ganz kompensiert. Die Blindleistung des Kondensators ist
Qc = U h c ' dabei ist nach Ibc = U / Xc und Xc = 1/(wC)
Blindleistung des Kondensators
(4l.41)
und daraus
Kapazität des Kondensators zur
Kompensation der Blindleistung
(für Qc = QL = Q)
(41.42)
(),
()
p
Bild 4J .31: Zur Kompensation der Blindleistung
Wird die Blindleistung nicht vollständig kompensiert, so ist nach Bild 41.31
Qc = Q = Q I - Q 2 = P(tan <PI - tan <P2) die Blindleistung des Kondensators. Gleichung
(41.42) geht dann über in
C = _P....:(_ta_n-.:<p....:l_-_ta_n--=<p....:2::..)
wU2
Kapazität des Kondensators bei
unvollständiger Kompensation der
Blindleistung
(41.43)
41.5
Transformator
571
Beispiele:
1. Ein Motor für U = 230 V (Frequenz f = 50 Hz) hat die Wirkleistung P = 1,80 kW und den
Leistungsfaktor A = 0, 82. Wie groß sind die Blindleistung Q und die zu ihrer Kompensation erforderliche Kapazität C des parallelzuschaltenden Kondensators?
Nach (41.40) ist Q
Q=P
= J S2
- p2 und 5
=
!...A = ~.
Daraus erhält man
cos cP
J
1
- 1 = I , 26 kvar.
cos 2 cP
Die Kapazität ist C
=
-.iL
= 75 , 6 f..LF.
wU 2
2. Reicht ein Kondensator mit der Kapazität C = 60 f..LF aus, um den Leistungsfaktor eines Motors
mit der Wirkleistung P = 1,80 kW und einer Stromaufnahme von 11 = 9,75 A auf mindestens
A2 = 0, 96 zu verbessern? Die Spannung ist U = 230 V und die Frequenz f = 50 Hz. Wie groß ist
dann die Stromstärke 12?
= U 1[ = 2,24 kVA und der Leistungsfaktor ohne
= 0, 803. Aus (41.43) folgt CP2 = arctan (tan CPI - (wCU 2 )j p),
Nach der Kompensation ist A2 = cos CP2 = 0,98, d. h., die angegebene Kapazität ist
Vor der Kompensation der Blindleistung ist 5 I
Kondensator A[
= cos CPI =
P j 51
CP2 = 10.7°.
ausreichend. Die Stromstärke ist dann nur noch 12 = P j (U cos CP2) = 7, 96 A.
41.5
Transformator
Mit dem Transformator können nahezu ohne Energieverluste niedrige Spannungen in höhere umgewandelt werden und umgekehrt, bzw. es können Stromkreise mÜ Trenntransformatoren galvanisch voneinander getrennt werden. Bei den folgenden Ausführungen beschränken wir uns auf den idealen Transformator. Bei diesem werden zur Vereinfachung die
Wirkwiderstände RI und R2 der beiden Wicklungen vernachlässigt und gleich null gesetzt.
Außerdem werden StreuverLuste des Eisenkernes nicht beachtet. Die beiden Spulen sind
über den geschlossenen Eisenkern induktiv miteinander gekoppelt. Die umzuwandelnde
Spannung (Primärspannung UI) liegt an der Primärwicklung (N[ ist ihre Windungszahl).
Sie ist dort gleich dem induktiven Spannungsabfall Uind = UI = -NI dc;t>/dt. Der durch
den sinusjörmigen Wechselstrom 11 in dem Eisenkern entstehende magnetische Fluß ist
c;t> = c;t>max sin wt und ändert sich somit ebenfalls nach einer Sinusfunktion. Die Flußänderung dc;t> /dt ist die Ursache für die gewünschte Spannung (Sekundärspannung U2). Sie wird
an der Sekundärwicklung (Windungszahl N2) abgegriffen und ist dort die Quellenspannung
Uq = U2 = N2 dc;t> /dt, die durch einen Belastungswiderstand R die Sekundärstromstärke
h treibt (Bild 41.32).
N1
(/)
N2
_
UI-o-----w~I....I----o~,-
ß
a)
b)
/1
Trafo
_ /2
(EJR
Bild 41.32: a) Prinzip des Transformators, b) Schaltung
41
572
Wechselstromkreis
Nach den Richtungsfestlegungen in 37.3 sind VI und V2 gegenphasig, d. h., die Phasenverschiebung zwischen beiden Spannungen ist 1800 , also eine halbe Periode. Sind die Phasenverschiebungen zwischen Spannung und Stromstärke im Primärkreis und im Sekundärkreis
gleich, so sind auch die Stromstärken l] und 12 um 1800 phasenverschoben. Die Gegenphasigkeit der beiden Ströme wird auch durch den Versuch nach Bild 40.37 bestätigt: Auch
beim Anlegen einer Wechselspannung an die Spule wird der Ring als Sekundärspule mit
einer Windung weggeschleudert.
Primär- und Sekundärspannung sowie Primär- und Sekundärstromstärke liegen beim Tranformator in Gegenphase zueinander.
Bildet man den Quotienten aus VI und V2, ergibt sich für den unbelasteten oder nur wenig
belasteten idealen Transformator unter Nichtbeachtung der Gegenphasigkeit
VI
NI
..
-=-=u
V2
N2
Übersetzungsverhältnis des idealen
Transformators
(41.44)
Weil bei guten Transformatoren der Wirkungsgrad 0,96 bis 0,98 beträgt, d. h. die Energieverluste sehr klein sind, kann man Eingangsleistung und Ausgangsleistung annähernd
gleich setzen. Daher ist wegen VIII ~ V2h der Quotient aus der Primärstromstärke 11
und der Sekundärstromstärke h für den idealen Transformator etwa gleich dem reziproken
Übersetzungsverhältnis:
11
N2
NI
V2
VI
1
-~-=-=-
h
Ü
Stromstärken und Spannungen für den
idealen Transformator
(41.45)
Transformatoren spielen in der elektrischen Energieversorgung eine wichtige Rolle. Ihre
technische Ausführung ist unterschiedlich. Der Energietransport vom Erzeuger zum Verbraucher erfolgt in Wechselstromnetzen. Um bei gleicher Leistung die Verluste in den Leitungen möglichst gering zu balten, muß wegen Pv = 12 R die Stromstärke möglichst klein
sein. Die von den Generatoren in den Kraftwerken abgegebenen Spannungen von 10 bis
20 kV werden auf 110 kV, 220 kV oder 380 kV hochgespannt und am Ort des Verbrauchers
auf 230 V oder 400 V heruntertransformiert. Auch in vielen Bereichen der Schwachstromtechnik haben Transformatoren Bedeutung, sei es als Meßwandler, in Netzteilen oder als
Übertrager.
Wie schon gesagt, sind die Leistungsverluste von Transformatoren z. T. gering. Man unterscheidet Eisenverluste und Kupferverluste. Die Ursache der Eisenverluste sind Hystereseverluste, bedingt durch das fortwährende Ummagnetisieren des Kerns beim Durchlaufen der Hysteresisschleife, und Wirbelstromverluste, welche durch die Induktion von
Wirbelströmen in den Kernblechen entstehen. Die Kupferverluste sind durch den Wirkwiderstand der Wicklungen begründet, den wir beim idealen Transformator vernachlässigt
haben. Während die Kupferverluste unabhängig von der Frequenz f sind, hängen Hystereseverluste von fund Wirbelstromverluste von f 2 ab.
41.6
Berechnungen von Wechselstromkreisen mit komplexen Zahlen
41.6
Berechnungen von Wechselstromkreisen mit komplexen Zahlen
573
Bei der Berechnung komplizierter Wechselstromkreise bietet die Mathematik mit der Verwendung komplexer Zahlen und ihrer Rechenmethoden einen Ausweg: Alle Zeigerdiagramme werden in clie komplexe (GAusssche) Zahlenebene verlegt. In diesem Abschnitt
werden komplexe Zahlen unterstrichen dargestellt, die imaginäre Einheit wird mit j bezeichnet: j = R. Die komplexe Zahl z = a + jb wird anschaulich in der GAussschen
Zahlen ebene dargestellt und kann auch in der Form ~ = z sin qJ + j z cos qJ = ze j I{J (EuLERsche Formel) geschrieben werden (Bild 41.33). Setzt man für qJ = wt, kann man z. B.
eine Wechselspannung als komplexe Zahl darstellen:
I~ =
Umax(coswt
+ jsinwt)
= umaxejevt
Wechselspannung in
komplexer Schreibweise (41 .46)
Imaginäre
I----~
Achse
jb
a
Reelle Achse
Bild 41.33: Darstellung einer komplexen Zahl
Für den Anwender läßt man offen, ob mit dem Realteil Re M = Umax cos wl oder mit dem
Imaginärteil Im M = Umax sin wt als zeitabhängige Größe gerechnet wird. In gleicher
Weise verfährt man mit Stromstärken und Widerständen im Wechselstromkreis.
Die Verwendung komplexer Zahlen für den Wechselstromkreis bringt einen wesentlichen
Vorteil:
Die Darstellung von Größen des Wechselstromkreises durch komplexe Zahlen und die Anwendung von deren Rechenmethoden gestattet es, alle für den
Gleichstromkreis abgeleiteten Gesetze auch für jeden beliebigen Wechselstromkreis anzuwenden.
Zum Ende jeder Anwendung muß jedoch entweder der Realteil oder der Imaginärteil der
betreffenden physikalischen Größe genutzt werden. Dies soll an zwei einfachen Beispielen
gezeigt werden:
Reihenschaltung von R, L und C:
Für den durch diese Schaltung fließenden Strom ist die Stromstärke in komplexer Schreibweise L = Imaxe jW'. Daraus ergeben sich folgende Teilspannungen an den Schaltgliedern
und deren Widerständen:
Wirkwiderstand
Induktiver
Blindwiderstand
Kapazitiver
Blindwiderstand
= R Imaxe jw/ = Z.RL
!:LR
=
Rf:..
!:LL
=
LdfJdt
= jwL!max ejw/ = Z.Ü
Uc = -Q = -I
C
C
f
I
J'w/
i dt = -Imaxe
jwC
-
Z.R = R
Z.L =
jwL
R
= jX L
I
j
ZC----jwC
(vC
XL
= wL
-I
XC=wC
41
574
Wechselstromkreis
Die Gesamtspannung ~ = Umaxej(wt+CP) bei Reihenschaltung ist dann nach dem Maschensatz (cp ist die Phasenverschiebung zwischen der Stromstärke und der Spannung):
~
=
~R
+ ~L + ~c = (Z R + Z L + Z-c)L
(R
+ jwL +
:1) L= (
R
+j
( wL -
wIc)) L ZL
=
Der Quotient aus ~ und Lergibt den komplexen Scheinwiderstand
IZ-==;==--e
u
U~ "'=R+J
J'fn
Komplexer Scheinwiderstand
bei Reihenschaltung von R, L
undC
(41.47)
'
I rnax
!.
Der Betrag des komplexen Scheinwiderstandes stimmt mit (41.18) überein, wie man sich
auch an Bild 41.34a leicht überzeugen kann.
jwC
jwL
l.
_.L
R
_...L
1
roL
R
roC
a)
~--~
b)
Bild 41.34: a) Komplexer Scheinwiderstand bei Reihenschaltung,
b) Komplexer Scheinleitwert bei Parallelschaltung
Parallelschaltung von R, L und C:
Für die Parallelschaltung ergibt der Knotensatz für die komplexe Gesamtstromstärke
u
u
u
u
L = LR + LL + Lc und -=- + -=- + -=-. Daraus errechnet man den kompleZ
Z-R
ZL
Zc
xen Scheinleitwert
y
1
i
Z
~
1
. 1
11111
- =.=. = - + - + =
ZR
Z-L
Zc
1
= -+-+--R
jwL
1/ UwC)
.
- - J - +JwC also
R
wL
'
Komplexer Scheinleitwert bei
Parallelschaltung von R, L und C
(41.48)
Auch hier erkennt man aus Bild 41.34b, daß der Betrag des Scheinleitwertes mit (41.27)
übereinstimmt.
41.7
Dreiphasenwechselstrom
575
Schließlich ergibt sich der Phasenverschiebungswinkel cp zwischen der Spannung und der
Stromstärke sowohl bei der Reihen- als auch bei der Parallelschaltung aus dem Quotienten
von Imaginärteil und Realteil der betreffenden Größen, also bei
Reihenschaltung
Im ®
Irn(Z)
tancp = - - = - Re V!)
Re (Z)
41.7
41.7.1
Parallelschaltung
tancp
Im(D
Re(D
Im(D
Re(D
= - - = ---
Phasenbeziehung
(41.49)
Dreiphasenwechselstrom
Entstehung des Dreiphasenwechselstromes
Große elektrische Leistungen werden mit Hilfe des Dreiphasenstromes (Drehstrom) übertragen. Auch werden größere Motoren (P > 2,5 kW) als Drehstrommaschinen ausgeführt.
Der Dreiphasenstrom besteht aus einer zweckmäßigen Verkettung von drei Einphasenwechselströmen. Im Ständer eines Drehstromgenerators befinden sich drei um je 1200
gegenseitig versetzte Spulenpaare, zwischen denen der Feldmagnet rotiert (Bild 41.35).
Die drei Spulen heißen Stränge. Man bezeichnet deren Anfange mit u I , VI, WI und deren
Enden mit U2, V2 , W2. Es entsteht in jedem Spulenpaar je eine selbständige Wechselspannung. Da der Feldmagnet zeitlich nacheinander an den Spulen vorbei wandert, sind die drei
Spannungen um je 1200 phasenverschoben (Bild 41.36).
.-.
-rp=wt
Bild 4l.35: Prinzip eines Drehstromgenerators mit feststehenden Spulen und
rotierendem Feldmagnet
Die Summe der drei um je 120° phasenverschobenen Spannungen und die der
drei bei gleicher Belastung vorhandenen Stromstärken ist in jedem Augenblick
gleich null.
Den Beweis liefert Bild 41.37. Das Zeigerdiagramm enthält die drei Stromstärken 11 , 12
und h deren Beträge bei gleicher Belastung gleich groß sind. Die beiden Zeiger hund 13
ergeben den resultierenden Zeiger I ' , der entgegengesetzt gleich 11 ist.
41
576
Wechselstromkreis
t
1----1._'20_°___-'20-°-
wt--
Bild 41.36: Liniendiagramm der Stromstärken bei gleicher Belastung
41.7.2
Bild 41.37: Zur Berechnung der Summe
der Stromstärken beim Dreiphasenstrom
Dreieckschaltung
Zwecks der Einsparung von Leitungen verkettet man die drei Spannungen. Eine Möglichkeit besteht darin, das Ende des einen Stranges mit dem Anfang des nächsten so zu verbinden, daß ein in sich geschlossener Stromkreis entsteht, die sogenannte Dreieckschaltung
(Bild 41.38) .
.-H----,---Lt
~--------L3
Bild 41.38: Dreieckschaltung
1I = h = 1S t Strangstromstärke
lL = I Leiterstrom tärke
U 12 = U = US t Leiterspannung = Strangspannung
Bild 41.39: Zeigerdiagramm der Stromstärken (Dreieckschaltung)
Zwischen je zwei Eckpunkten liegt die Spannung einer Spule (Strang), die sogenannte Strangspannung Us t , die hier gleich der Spannung zwischen je zwei Leitungen, also
gleich der Leiterspannung (Leitungsspannung) U ist.
Wir nehmen im einfachsten Fall an, daß alle drei Stränge des Generators gleichmäßig belastet sind. Man spricht dann von symmetrischer Belastung, d. h., alle Stromstärken durch
die Stränge sind (abgesehen von den Phasenverschiebungen) gleich groß.
Jeder Eckpunkt ist ein Knotenpunkt, für den der Knotensatz (38.3) gilt. Ein Spulenstrom
(Strangstrom) fließt dem Eckpunkt zu, ein anderer fließt von ihm weg, während die Differenz beider in die Leitung fließt: h = 11 - /z. Diese Differenz muß wegen der Phasenverschiebungen wiederum geometrisch gefunden werden. Bild 41.39 zeigt die Stromstärken
1I und 12 um 120 0 verschoben. Subtraktion des Zeigers lz bedeutet Richtungsumkehr von
41.7
Dreiphasenwechselstrom
577
h und anschließende geometrische Addition mit 11. Es ergibt sich
Leitungsstromstärke bei
Dreieckschaltung
(41.50)
Die Spulenstromstärken heißen Strangstromstärken Ist. die Stromstärken in den Leitungen Leitungsstromstärken (Leiterstromstärken) I. Mit den gewählten Bezeichnungen gilt
somit für die Dreieckschaltung:
Spannungen und Stromstärken
bei Dreieckschaltung
41.7.3
(41.51)
Sternschaltung
Bei dieser Schaltungsart werden die Anfänge der drei Spulen (Stränge) miteinander verbunden (Bild 41.40). Aus den Endpunkten des entstehenden Sternes fließt je ein Leitungsstrom ab, so daß in diesem Fall die Leitungsstromstärke gleich der Strangstromstärke
ist.
~-------,:---r-
L,
6 - " - - - - - - - _ + _ L3
3
Mp
' - -_ _ _ _ _ _ _...L....
Bild 41.40: Stemschal tung
1s t = IL = J Strangstromstärke =Leiterstromstärke
US t = U 1 = U2 Strangspannung
UL = U Leiterspannung
Bild 41.41: Zeigerdiagrarnrn der Stromstärken (Stemschaltung)
Die Spannung zwischen den beiden Leitern (Leitungsspannung) UI2 = U ist wegen der
in 41.7.1 erläuterten Phasenverschiebungen gleich der geometrischen Differenz der beiden Strangspannungen UStI - USt2 (vom Mittelpunkt Mp aus sind die beiden Spannungen
einander entgegengerichtet) .
Man findet nach Bild 41.41, indem genauso verfahren wird wie mit den Stromstärken bei
der Dreieckschaltung,
Leitungsspannung bei
Sternschaltung
(41.52)
Für die Sternschaltung gelten bei symmetrischer Belastung aller drei Phasen für die Strangspannungen US t und die Leitungsspannungen U sowie für die Strangstromstärken Ist und
die Leitungsstromstärken I somit folgende Zusammenhänge:
1S t
=
I
Spannungen und Stromstärken
bei Sternschaltung
(41.53)
41
578
Wechselstromkreis
Es muß nochmals darauf verwiesen werden , daß die Gleichungen (41.50) bis (41.51) nur
dann gelten, wenn alle drei Stränge durch die äußeren Teile des Stromkreises (Verbraucher) gleichmäßig belastet sind. Der Mittelpunktsleiter wird auch als Sternpunktleiter
oder Neutralleiter, der auch geerdet werden kann, bezeichnet. Beim Vierleitersystem unserer Elektroenergieversorgung ist die Leiterspannung U = 400 V und die Spannung zwischen einem Leiter und dem Neutralleiter, die Strangspannung US t = 230 V. Verbraucher
mit einer Leistungsaufnahme bis etwa 2,5 kW sind in der Regel Einphasenwechselstromverbraucher, d. h., sie liegen zwischen einer Phase (z. B. dem Leiter L1) und dem Neutralleiter an 230 V. Bei höheren Leistungen sind sie Dreiphasenverbraucher. Sie können
sowohl in Stemschaltung (dann liegt an jedem Strang des Verbrauchers 230 V) oder in
Dreieckschaltung mit 400 V Strangspannung betrieben werden.
41.7.4 Leistung im Drehstromkreis
Da es sich um Wechselstrom handelt, gibt es auch hier die Scheinleistung S, die Wirkleistung P und die Blindleistung Q. Symmetrische Belastung aller drei Phasen vorausgesetzt,
ist die Gesamtleistung im Drehstromkreis gleich der Summe der drei Leistungen in den drei
Strängen, unabhängig von der Schaltung:
I S = 3Us
t / st
I I P = Scoscp I I Q = Ssincp I
Leistungen
(41.54)
Da meßtechnisch meistens die Leitungsgrößen U und 1 bestimmt werden, liefert die Anwendung von (41.51) und (41.53) S
=
31
U
M
-v3
Sternschaltung. Damit ergibt sich für beide Schaltungsarten
I S = -/3u 1 I
IP =
S cos cp
I I Q = S sin cp I
1
=
3-U für
Leistungen im
Drehstromkreis
(41.55)
für Dreieckschaltung und S
v'3
Wie man sich leicht überzeugen kann, ist die Leistung eines Verbrauchers in Dreieckschaltung dreimal so groß wie die Leistung in Sternschaltung (s. auch Beispiele).
Beispiele:
I. Drei Heizwicklungen mit je 15 n Wirkwiderstand sind einmal in Stern- und zum anderen in Dreieckschaltung an unser Dreiphasensystem (400 V/230 V) geschaltet. Wie groß sind in jedem Fall
Spannungen, Stromstärken und Leistungen?
Bei Heizwicklungen kann der induktive Widerstand vernachlässigt werden, also Q = 0
Sternschaltung
Dreieckschaltung
= 230 V, U = -J3 USt = 400 V
ISt = Ust! R = 15,3 A, I = 1S t
S = P = -J3 U I = 10, 6 kW
= 400 V
ISt = Ust! R = 26, 7 A, I = -J3 ISt = 46 , 2 A
S = P = -J3u I = 32, 0 kW
USt
USt
=
U
2. Ein Drehstrommoter liegt in Dreieckschaltung an der Leiterspannung U = 400 V und nimmt bei
dem Leistungfaktor Ä = cos cp = 0, 83 die Stromstärke I = 8,70 A auf. Wie groß sind Schein-, Wirkund Blindleistung? Wie groß wären die Leistungen bei Sternschaltung?
Dreieckschaltung: S =J3 U I = 6, 03 kVA, P = S cos cp = 5,00 kW, Q = S sin cp = 3,37 kvar.
Scheinwiderstand eines Stranges Z = U / 1S t = 79, 6 n.
Sternschaltung: I = ISt = USt!Z = 2, 89 A, S = -J3 U I = 2,01 kVA, P = 1,67 kW,
Q = 1, 12 kvar.
42.1
Schwingkreis
579
42 Elektromagnetische Schwingungen und Wellen
42.1
Schwingkreis
Schaltet man einen Kondensator und eine Spule nach Bild 42.1 in Reihe, entsteht ein
Schwingkreis. Wird der Kondensator durch kurzzeitiges Verbinden mit einer Gleichspannungsquelle aufgeladen, kann er sich nach der Trennung von der Quelle über die Spule
entladen. Durch die entstehende Selbstinduktionsspannung, hervorgerufen durch das veränderliche Magnetfeld, wird der Kondensator mit entgegengesetzter Polung aufgeladen,
wonach der gleiche Vorgang sich in umgekehrter Richtung wiederholt: Beifeh/enden Wirkwiderständen würden freie, ungedämpfte Schwingungen entstehen.
[!Jö
~
a)
b)
-
+
-
N
c)
d)
f)
e)
~+ t
I
1-+1
t
t
SN
SN
S
[!J+ ~+
S
•
1
N
--r----_u
tt
I
I
............
.........
I Umax
I
I
I
I
- -.......- t
Bild 42.): Vorgänge im geschlossenen Schwingkreis. Darunter Verlauf der Strom tärke i und der
Spannung u.
Die Bilder 42.1a bis f erläutern die Zusammenhänge im Schwingkreis deutlicher. Am vollständig geladenen Kondensator (Bild 42.1 a) haben Spannung und elektrische Feldstärke
einen maximalen Wert; zu diesem Zeitpunkt to ist die Stromstärke io = O. Bei Bild 42. 1b
fließt die positive Ladung über die Spule zur anderen Seite des Kondensators. Mit dem
Beginn des Stromflusses wird in der Spule ein Magnetfeld aufgebaut. Die Stromstärke und
damit die magnetische Feldstärke sind im Bild 42.lc maximal, der Kondensator ist entladen: Nach einer viertel Periode (t = T /4) hat sich die elektrische Feldenergie in magnetische Feldenergie umgewandelt. Das nun in der Spule abklingende Magnetfeld (Bild 42.ld)
induziert eine Spannung, die mit der Stromstärke gleich gerichtet i t und den Kondensator
mit umgekehrter Polung auflädt. Zur Zeit t = T /2 ist die magnetische Feldenergie null
42
580
Elektromagnetische Schwingungen und Wellen
(Bild 42.1 e) und der Anfangszustand des Kondensators mit entgegengesetzter Polung wieder hergestellt. Die geschilderten Vorgänge wiederholen sich anschließend in umgekehrter
Richtung, so daß im Schwingkreis ein Wechselstrom fließt.
Im Schwingkreis findet eine periodische Umwandlung von elektrischer in magnetische Feldenergie und umgekehrt statt. Es entsteht eine elektromagnetische
Schwingung, bei der die Phasenverschiebung zwischen Spannung am Kondensator und Stromstärke durch die Spule eine viertel Periode (90 0 = n/2 rad) ist.
Ist im idealen Schwingkreis der Wirkwiderstand gleich null, würden ungedämpfte Schwingungen auftreten. Infolge der nie ganz zu vermeidenden Wirkwiderstände (Spulendraht,
Leitungen) sind diese Schwingungen mehr oder weniger gedämpft. Sollen sie ungedämpft
sein, muß die in Wärme umgewandelte Verlustenergie ständig wieder neu zugeführt werden
(s.42.2).
Die Eigenfrequenz der ungedämpften Schwingung erhält man aus der verlustlosen Umwandlung von elektrischer Feldenergie (39.42) in magnetische Feldenergie (40.45)
1
1
-CU 2 = -LI 2
2
2
Energieumwandlung im idealen
Schwingkreis
(42.1)
Der Kondensator ist die Spannungsquelle für die durch die Spule fließende Stromstärke,
somit ist I
=
~
XL
=
~,
und aus (42.1) wird CU 2 =
wL
2
=
2nj ergibt sich
Frequenz der ungedämpften Schwingung
(Thomsonsche Schwingungsformel)
(42.2)
LU . Mit w
(wL) 2
für die Eigenfrequenz je = j der ungedämpften Schwingung
Die Eigenfrequenz j ist also um so größer, je kleiner Induktivität L der Spule und Kapazität C des Kondensators sind. Die Gleichung stimmt mit derjenigen für die Resonanifrequenz (41.30) überein. Dort wurden im Resonanzfall Extremwerte für den Wechselstromwiderstand Z festgestellt. Zahlreiche Anwendungen der Schwingkreise beruhen darauf,
daß z. B. bei einer Reihenschaltung von L und C der Scheinwiderstand bei Resonanz ein
Minimum hat. Es ist dann Zmin = R, wobei R der Wirkwiderstand des Schwingkreises
ist. Die Stromstärke I ist dann maximal. Werden in einen Schwingkreis viele Frequenzen
eingespeist, wie es bei Funk und Fernsehen der Fall ist, rufen nur Frequenzen, die der
Resonanzfrequenz je nahekommen oder ihr gleich sind, im Schwingkreis eine merkliche
Stromstärke hervor: Der Schwingkreis stellt einen Filter für bestimmte Frequenzen dar.
Den mathematischen Beweis dafür, daß es sich um sinusjörmige Schwingungen handelt,
liefert folgende Überlegung:
· lD
. der S
' d'
Que11 enspannung Ist
. Uq = cl!'
L di un d ffilt
"
D le
puIemuzIerte
Ld 2Q
Uq = --;Jt2. Für die Spannung arn Kondensator gilt Uc -
I
dQ
= dt
.d
Wlf
d'lese
Q
C· Wendet man auf den
42.2
Erzeugung elektrischer Schwingungen
581
Schwingkreis den Maschensatz an, ergibt sich in jedem Zeitpunkt Uq + Uc = O. Dies führt
auf die Differentialgleichung, die der Gleichung des Masse-Feder-Systems ähnelt:
Der Lösungsansatz für diese Differentialgleichung ist Q = Qmax sin wt.
Den Beweis ergibt die Differentiation dieses Ansatzes
dQ
dt
-
= wQmax cos wt
und
d2Q
-2-
dt
=
2
.
-w Qmax sm wt
und Einsetzen in die Differentialgleichung. Es ergibt sich mit w 2
Qmax .
L
.
- - smwt - -Qmax smwt
C
LC
=
1
LC
=0
also die Bestätigung, daß der Lösungsansatz richtig war. Die Ladung Q und die Spannung
u ändern sich demnach sinusjörmig, während sich die elektrische Stromstärke i = dQ/dt
nach einer Kosinusfunktion ändert (zwischen U und I besteht eine Phasenverschiebung von
90°) .
Hochfrequente Schwingungen wurden erstmalig bei Funkenentladungen von FEDDERSEN (1862)
festgestellt, als er einen zwischen zwei Kugeln überspringenden Funken mit einem Drehspiegel auseinanderzog und fotografierte.
Beispiel:
Ein Schwingkreis, dessen Wirkwiderstand vernachlässigt wird, besteht aus einer Spule mit der Induktivität L = 45 j..LH und einem Kondensator mit der veränderlichen Kapazität 100 pF < C < 500 pF.
Wie groß müßte die Induktivität sein, damit bei der kleinsten Kapazität die Frequenz 10,0 MHz ist?
Mit (42.2) ergibt sich ein Frequenzbereich von 1,06 MHz bis 2,37 MHz. Für 10,0 MHz wäre bei
LOO pF die Induktivität L = (4n 2 j 2 C)-1 = 2, 53 j..LH erforderlich.
42.2
Erzeugung elektrischer Schwingungen
Lange Zeit waren durch Funken angeregte Schwingkreise die Grundlage drahtloser Sendeanlagen. Heute gibt es eine Vielzahl elektronischer Schaltungen zur Erzeugung von
Schwingungen verschiedenster Formen. Schaltungen zur Erzeugung von Schwingungen
heißen allgemein Oszillatorschaltungen. Schwingungen dienen in der technischen Anwendung als Signalträger, Testsignale oder auch als Taktfrequenzen für Rechenschaltungen
und vieles andere mehr. Oft sind sie nicht mehr sinusförmig, sondern häufig sind sie Rechteckschwingungen. Die Behandlung spezieller Schaltungen ist Gegenstand der Elektronik.
Hier soll nur kurz auf die Erzeugung von Sinusschwingungen hingewiesen werden.
Bild 42.2 zeigt eine Röhrenschaltung mit einer Triode, Bild 42.3 eine äquivalente Transistorschaltung mit einem npn-Transistor. Bei Anschluß an die Betriebsspannung UB lädt
der fließende elektrische Strom den Kondensator C2 im Schwingkreis C2-L2 auf, es entstehen in diesem gedämpfte elektrische Schwingungen. Zur Vermeidung der Dämpfung muß
42
582
Bild 42.2: Schaltung mit Triode zur Erzeugung
ungedämpfter Sinusschwingungen
Elektromagnetische Schwingungen und Wellen
Bild 42.3 : Schaltung mit Transistor
diesem Schwingkreis laufend neue Energie zugeführt werden. Dazu erfand MEISSNER
(1913) das Prinzip der Rückkopplung. Die Schwingungen im Schwingkreis induzieren
in der Koppelspule LI Spannungsschwankungen der gleichen Frequenz, die im Gitterkreis
der Triode bzw. im Basiskreis des Transistors die Gitterspannung bzw. die Basisstromstärke beeinflussen. Gitterspannung und Basisstromstärke steuern im gleichen Rhythmus
die Stromstärke durch die Röhre bzw. den Transistor so, daß die Schwingungen verstärkt
werden und die Dämpfung durch laufende Energiezujuhr beseitigt wird.
Statt der induktiven Kopplung (der Koppelgrad wird durch den Abstand von L I und L2 beeinflußt) besteht auch die Möglichkeit einer kapazitiven Rückkopplung. Zur Stabilisierung
der Frequenz werden heute u. a. Schwingquarze verwendet. Statt einzelner verstärkender
Bauelemente (Transistoren) benutzt man integrierte Schaltkreise (z. B. Operationsverstärker).
42.3
Dipol als Schwingkreis
Die Frequenz eines Schwingkreises wird durch die Kapazität C und die Induktivität L
bestimmt. Dabei ist es gleichgültig, weIche technische Form Kondensator und Spule haben. Jeder Draht hat eine Kapazität und eine Induktivität, die jedoch sehr klein sind.
Bild 42.4: Übergang vom geschlossenen zum
offenen Schwingkreis
So stellt der kreisförrnige Drahtbügel im Bild 42.4 einen einfachen geschlossenen Schwingkreis dar. Läßt man die Platten verkümmern und biegt den Bügel auseinander, wirken die
12
200
Dynarruk chwingender Körper
12.1.3 Energiebilanz
Sowohl beim harmonischen Oszillator mit linearer Auslenkung als auch bei einem Oszillator, der Drehschwingungen ausführt, gilt der Energieerhaltungssatz. Darauf wurde auch
schon in Abschnitt 6.2 hingewiesen. Wie verhalten sich nun die beiden Energieanteile während eines Schwingungszyklus? Betrachten wir als Beispiel das Feder-Masse-System. Für
die kinetische Energie gilt wegen (11.7)
Eldn =
21mv 2 = 2I m [AYWO cos(wot + ({Jo) ]2
Die potentielle Energie folgt aus Gleichung (6.4), wobei die Auslenkung s durch Y zu
ersetzen ist:
I 2 I [A .
E pot = 2CY = 2C Y Slll(Wot
Mit Hilfe von c
E pot =
+ ({Jo) ]2
= mW6 erhält man
21m [AYWO sin(wo t + ({JO) ]2
E
Bild 12.6: Zeitverlauf der Energie bei einer
harmonischen Schwingung
Potentielle und kinetische Energie unterscheiden sich demnach nur durch ihr Zeitverhalten.
Sie sind gen au um einen Winkel von 90° phasenverschoben. In Bild 12.6 sind E pot und
Ekin in Abhängigkeit von der Zeit t aufgetragen, wobei als Anfangsbedingung für t = 0
maximale Auslenkung, d. h. Ekin = 0 gewählt wurde.
Zwischen potentieller und kinetischer Energie findet ein periodischer Wechsel statt, wobei
die Summe, wie sich leicht durch Addition der beiden Gleichungen nachprüfen läßt, immer
gleich groß bleibt. Die Schwingungen der beiden Energieformen erfolgen jedoch doppelt
so schnell wie die Schwingung der Masse.
12.2 Dämpfung
Die Auslenkungsamplituden eines einmal angestoßenen Pendels werden im Laufe der Zeit
stetig kleiner, bis das Pendel stehenbleibt. Die Ursachen sind die Reibung an der Aufhängung, der Luftwiderstand und die Energieabgabe an das Gestell, das stets ein wenig mitbewegt wird. So halten die Schwingungen einer Blattfeder, die fest in einen Schraubstock
gespannt ist, viele Sekunden lang an. In einer Fassung aus Gummi kommt sie schon nach
wenigen Schwingungsbewegungen zur Ruhe, eine Folge der starken Dämpfung.
12.2
Dämpfung
201
-. -.
Zeit
Bild 12.7: Gedämpfte Schwingung
Die Dämpfung läßt sich bei keiner Schwingung ganz vermeiden, so daß Schwingungen im
Prinzip stets so verlaufen, wie Bild 12.7 zeigt. In vielen Fällen liegt ein Zeitverhalten für
die Auslenkung vor, das durch ein Produkt aus einer Sinusfunktion und einer Exponentialfunktion beschrieben werden kann:
Auslenkungsfunktion eines gedämpften
Oszillators (bei geschwindigkeits(12.12)
proportionaler Reibung)
8 ist der Abklingkoeffizient, sein Kehrwert die Abklingzeit r.
Zusammenhang zwischen
Abklingkoeffizient und Abklingzeit
[8]
= 1/s
(12.13)
Ge Sekunde)
Die Kreisfrequenz (Ud im Argument der Sinusfunktion nennt man auch die Eigenkreisfrequenz des gedämpften OsziUators, da durch sie der periodische Teil der zusammengesetzten Funktion charakterisiert ist. Der Kehrwert von (Ud ist entsprechend die Periodendauer
Td. Die Exponentialfunktion in (12.12) beschreibt die durch die Dämpfung hervorgerufene
Abnahme der Anfangsamplitude Yo. Nach der Abklingzeit r hat diese nur noch den Wert
yo/e.
Die gesamte Auslenkungsfunktion ist zwar wegen des Dämpfungsgliedes nicht mehr periodisch, da die Bedingung y(t + Td) = y(t) nicht mehr erfüllt ist, jedoch gilt für das
Verhältnis von zwei Auslenkungen im zeitlichen Abstand von Td:
_.:....y_(t_)_ = e8Td
y(t + Td)
= const.
Auslenkungsverhältnis bei der
gedämpften Schwingung
(12.14)
Das Verhältnis zweier im Abstand einer Periodendauer Td aufeinanderfolgender Auslenkungen ist konstant.
12
202
Dynamik chwingender Körper
Den natürlichen Logarithmus des Quotienten in (12.14) bezeichnet man a1 logarithmisches Dekrement:
A
= In
y(t)
y(t + Td)
) = oTd
= In (
eöTd
Logarithmisches
Dekrement
(12.15)
Für die gewählte Schwingungsfunktion ist A gleich dem Produkt au Abklingkoeffizient
und Periodendauer. Durch die Bildung der Verhältni e von z. B. aufeinanderfolgenden
Maxima einer gemessenen Auslenkungsfunktion läßt sich die Gültigkeit des Dämpfungsge etzes überprüfen und mit Hilfe der Perioden dauer Td der Abklingkoeffizient be timmen.
Genauso wie im Fall des freien harmonischen Oszillators erlaubt die Auslenkungsfunktion, Rückschlüsse auf die am Schwingungsvorgang beteiligten Kräfte, vor allem die für
die Dämpfung maßgebliche Kraft zu ziehen. Betrachten wir wie oben ein Feder-MasseSystem, so muß nur die Beschleunigung mit der Masse multipliziert werden, um die Kraftresultierende zu erhalten. Die Berechnung erfolgt in zwei Schritten. Zunächst gilt für die
Geschwindigkeit der schwingenden Masse:
Iv = y = -oy + yoe-
öt
COS(Wd
+ <po)
Geschwindigkeit eines
gedämpften Oszillators
(12.16)
Nach nochmaliger Ableitung erhält man die Beschleunigung:
a
= v = -ov - o(v + oy) - w~y = -20v - (0 2 + w~) Y
Nach Multiplikation mit der Masse m lautet schließlich die Bewegungsgleichung
Ima = -2mov -
2
m (0 + W~) y I
Bewegungsgleichung eines FederMasse-Oszillators mit geschwindig- (12.17)
keitsproportionaler Dämpfung
Die Bewegungsgleichung enthält zwei verschiedene Kräfte. Zum einen tritt eine Kraft auf,
die wie beim harmonischen Oszillator proportional zur Auslenkung y ist. Hierbei handelt es
sich offensichtlich um die Rückstellkraft der Feder. Entsprechend muß auch der Koeffizient
m (0 2 + wDmit der Federkonstanten c übereinstimmen, woraus sich für die Eigenkreisfrequenz Wd folgende Beziehung ergibt:
Eigenkreisfrequenz des gedämpften (12.18)
harmonischen Oszillators
Hierbei wurde berücksichtigt, daß der Quotient c / m dem Quadrat der Kenn-(Eigen-)Kreisfrequenz des freien harmonischen Oszillators entspricht.
Die Eigenkreisfrequenz des gedämpften Oszillators ist geringer als die des freien Oszillators. Der Grenzfall 0 = WO heißt aperiodischer Grenzfall. Die Masse chwingt dann nicht
mehr, sondern bewegt sich nach einer Auslenkung langsam (kriechend) in die Ausgangslage zurück.
12.3
Erzwungene Schwingungen
203
Die zweite Kraft in (12.17) beschreibt den Einfluß der Dämpfung. Sie ist proportional zur
momentanen Geschwindigkeit des schwingenden Körpers und entspricht einer Reibungskraft, wie sie bei der Bewegung in viskosen Medien auftritt (Abschnitt 10.2). Bestimmt
wird diese Kraft durch das doppelte Produkt aus Masse und Abklingkoeffizient, das auch
als Dämpfungskoeffizient bezeichnet wird:
Dämpfungskoeffizient
[b]
= kgjs
(12.19)
(Kilogramm je Sekunde)
Mit Hilfe der Federkonstanten und des Dämpfungskoeffizienten sowie nach Ersatz von a
und v durch die entsprechenden Ableitungen lautet schließlich (12.17) kurzgefaßt
I my+by+cy=O I
Schwingungsdifferentialgleichung eines
harmonischen Oszillators mit geschwindigkeitsproportionaler Dämpfung
(12.20)
Mathematisch entspricht (12.20) einer homogenen Differentialgleichung 2. Ordnung mit
konstanten Koeffizienten.
Beispiele:
1. Die Anfangsauslenkung eines Feder-Masse-Pendels hat sich nach 4 Schwingungen halbiert. Wie
groß ist die Auslenkung nach weiteren 4 Schwingungen? Welcher allgemeine Zusammenhang besteht
zwischen der "Halbwertszeit" Tl /2 für die Auslenkung und dem Abklingkoeffizienten?
Wegen (12.14) hat sich die Auslenkung nach weiteren 4 Schwingungen noch einmal halbiert, d. h. ,
sie beträgt jetzt nur noch 1/4 der ursprünglichen Auslenkung. Außerdem gilt
~
y(T I /2)
= 2 = eO TI / 2
In 2
und damit TI/2
= 8'
2. Welcher Anteil der Oszillatorenergie wurde bei Halbierung der Auslenkung in Wärme umgewandelt?
iCY5
mit der Anfangsauslenkung
Die Energie des Oszillators zu Beginn ist potentielle Energie E =
Ya. Bei Halbierung von Ya ist die verbliebene Energie nur noch 1/4 der Anfangsenergie, d. h., 3/4 der
Energie wurde in Wärme umgewandelt.
12.3
Erzwungene Schwingungen
Bei den bisherigen Betrachtungen über Oszillatoren wurden nur solche Fälle behandelt, in
denen der Oszillator kurzzeitig einer äußeren Kraft ausgesetzt und der Schwingungsverlauf
ausschließlich durch die Eigenfrequenz des Oszillators bestimmt war. In der Praxis bedeutsamer sind aber die Fälle, in denen der Oszillator unter der Einwirkung einer längerandauemden periodischen Kraft steht. Man denke z. B. an die Karossel1eteile eines Fahrzeugs,
die entweder durch Motorschwingungen oder Fahrtkräfte zum Mitschwingen angeregt werden. In diesen Fällen bilden Erreger und Oszillator eine Einheit, die sowohl durch die Eigenschaften des Oszillators als auch durch die der äußeren Kraft bestimmt ist. Je nachdem,
welche Anwendung im Vordergrund steht, wird beim Mitschwingen des Oszillators darauf
geachtet, daß dieses entweder unterdrückt wird oder aber möglichst effektiv erfolgt. Bei
12
204
Dynamik schwingender Körper
einem piezoelektrischen Schwinger z. B. wird man ver uchen, eine möglichst große Auslenkungsamplitude zu erzielen, während bei den obenerwähnten Karo erieteilen eine hohe
Dämpfung wünschenswert ist. Natürlich zeigen die in der Praxi auftretenden Erregerkräfte
i. allg. ein kompliziertes Zeitverhalten, was die exakte Analy e von Schwingungsvorgängen
erschwert. Trotzdem lassen sich die wesentlichen Ge icht punkte herausstellen, wenn man
das Verhalten eines einfachen Schwingers, wie er in Ab chnitt 12.2 be chrieben wurde,
unter der Einwirkung einer äußeren Kraft mit sinusförmigem Zeitverlauf betrachtet.
Zur mathematischen Behandlung muß hierzu die rechte Seite von (12.20) durch einen Term
ergänzt werden, der eben diese Kraft berücksichtigt
I my+by+cy =
FSinwEf
Bewegungsgleichung eines gedämpften
harmonischen Oszillators bei Einwirkung
einer sinusfOrmigen Kraft
(12.21)
F ist die Amplitude der erregenden Kraft, WE die Kreisfrequenz (Erregerkreisfrequenz) der
Kraft.
Mathematisch erfolgt nun die Lösung des Problems in der Weise, daß eine Auslenkungsfunktion für den Oszillator angesetzt wird, die sowohl dem Fall F = 0, d. h. für eine
verschwindende äußere Kraft, als auch dem Sinusverlauf Genüge leistet. Der Fall F = 0
entspricht dem Schwingungsproblem des freien gedämpften Oszillators, d. h., die Auslenkungsfunktion ist die von Gleichung (12.12). Einen Lösungsansatz für F > 0 erhält man
aus der Überlegung, daß zumindest nach einer längeren Zeitdauer der Oszillator mit der
gleichen Frequenz wie der Erreger schwingt, aber evtl. eine Phasenwinkelverschiebung gegenüber dem Erreger aufweist. Die gesamte Schwingungsfunktion des Oszillators ist also
eine Überlagerung aus (12.12) und einer sinusförrnigen Funktion. Gleichung (12.12) spielt
aber nur während des Einschwingvorgangs eine wesentliche Rolle, da, bedingt durch den
exponentiellen Dämpfungsfaktor, dieser Schwingungsanteil allmählich verschwindet. Für
die stationäre Schwingung des Oszillators bleibt also nur noch der Sinusanteil übrig:
Iy =
y sin (WEt
+ qJo) I
Stationäre Auslenkungsfunktion eines
Oszillators bei Sinuserregung
(12.22)
Sowohl die Amplitude y als auch der Nullphasenwinkel qJO sind abhängig von der Erregerfrequenz WE, wie sich leicht durch Einsetzen von (12.22) in (12.21) zeigen läßt. Nach
Bildung der entsprechenden Ableitungen erhält man:
-mw~y sin qJ + bWEY cos qJ
+ cY sin qJ =
F sin wEt, mit
qJ
= wEt
+ ({JO
Die drei Summanden auf der linken Seite repräsentieren Kräfte, wobei der erste Summand
die Trägheitskraft, der zweite die Dämpfungskraft und der dritte die Rückstellkraft des
Feder-Masse-Systems bedeuten.
Bei kleinen Erregerfrequenzen dominiert die Rückstellkraft, bei großen die Trägheitskraft.
Eine pezielle Sitiuation ist dann gegeben, wenn die Erregerfrequenz gleich der Eigenfrequenz de ungedämpften Oszillators ist, d. h., wenn WE = wo. In diesem Fall heben sich
12.3
205
Erzwungene Schwingungen
Trägheitskraft und Rückstellkraft gegenseitig auf, und es bleibt nur noch die Dämpfung kraft übrig.
Durch Koeffizientenvergleich der linken und der rechten Seite obiger Gleichung erhält man
für die Amplitude y sowie den Nullphasenwinkel rpa:
a)
cy ~
~
F, d. h. , Y ~
fr
-
sowie rpa ~ 0 für WE «wo
c
Erreger und Oszillator schwingen gleichphasig; die Amplitude entspricht einer Auslenkung, wie sie auch bei einer statischen Kraft vorhanden wäre.
F
~
Jt
b) bWOY ~ F, d. h., Y = sowie rpa = - - für WE = WO
bWO
2
Hier bestimmt der Dämpfungskoeffizient b die Amplitude. Bei verschwindender Dämpfung geht die Amplitude gegen unendlich! Die Phasenver chiebung beträgt -900 .
c)
2
mWEY
~
~
F, d. h.,
Y ~ - -fr2 sowie rpo ~ -Jt für WE »
WO
mWE
Die Amplitude wird mit zunehmender Erregerfrequenz immer kleiner; gleichzeitig nähert sich die Phasenverschiebung dem maximalen Wert von -180°.
Natürlich lassen sich Amplitude und Nullphasenwinkel auch für den allgemeinen Fall ermitteln. Ein einfacher Lösungsansatz ergibt sich unter Verwendung eines Zeigerdiagramms.
Da alle Terme in obiger Gleichung bis auf eine Phasenverschiebung die gleiche Zeitabhängigkeit aufweisen, lassen sie sich in ein gemeinsames Zeigerdiagramm eintragen (Bild
12.8). Die Dämpfungskraft ist um 900 (cos-Funktion!), die Trägheitskraft um 1800 gegenüber der Rückstellkraft phasenverschoben.
ey
Bild 12.8: Zeigerdarstellung der erzwungenen Schwingung: die
Zeiger repräsentieren die Kräfte, die arn Oszillator angreifen, eingetragen sind jeweils die Beträge.
Nach Anwendung der Regeln für Vektoraddition erhält man für
y bzw. rpo:
Frequenzgang der
Auslenkungsamplitude
rpo = arctan
m
(2
2)
WE -wo
Frequenzgang des
NuJlphasenwinkels
(12.23)
(12.24)
Der Verlauf der Auslenkungsamplitude und des Nullphasenwinkels in Abhängigkeit von
der Erregerfrequenz ist in Bild 12.9 wiedergegeben.
12
206
Dynamik schwingender Körper
kleine Dämpfung
Ymax
t
Y
Ystat
t
'Po
o
kleine Dämpfung
7r
2
I
I
I
I
I
I
-7r
__________________1 __________________ _
Bild 12.9: Auslenkungsamplitude und Nullphasenwinkel einer erzwungenen Schwingung als Funktion der Kreisfrequenz für verschiedene Dämpfungen
Die oben nur näherungsweise bestimmte Abhängigkeit der beiden Schwingungsgrößen von
der Erregerfrequenz wird bestätigt. Die Auslenkungsamplitude steigt, von einem festen
Wert ausgehend, zunächst mit der Frequenz an, um dann nach Überschreiten eines Maximums rasch abzufallen. Den Fall, daß die Amplitude einen Maximalwert erreicht, nennt
man auch Auslenkungsresonanz. Der Oszillator ist dann ein Resonator. Die Frequenz,
bei der Resonanz eintritt, ergibt sich aus der Forderung, daß der Nenner in (12.23) minimal
wird. Nach Bildung der ersten Ableitung des Nenners nach (VE und Nullsetzen erhält man:
Kreisfrequenz bei
Auslenkungsresonanz
(12.25)
Die Resonanzfrequenz (Kreisfrequenz) ist kleiner als die Eigenfrequenz des ungedämpften, aber auch des gedämpften Oszillators. Mit zunehmender Dämpfung verschiebt sie sich
zu immer kleineren Werten. Im Fall sehr schwacher Dämpfung und großer Masse des Oszillators stimmt sie mit der Kennkreisfrequenz WO überein. Gleichzeitig verbreitert sich mit
zunehmender Dämpfung der Kurvenverlauf, Höhe und Schärfe der Resonanzlinie nehmen
ab.
Der Frequenzgang des Nullphasenwinkels zeigt, daß bei kleinen Frequenzen Erreger und
Oszillator gJeichphasig schwingen, <Po bei (VE = (VO den Wert -90 0 einnimmt und schließlich bei hohen Frequenzen Erreger und Oszillator gegenphasig schwingen. Im Resonanzfall ist die Verschiebung etwas kleiner als -90 0 • Mit zunehmender Dämpfung verflacht der
Verlauf des Nullphasenwinkels. Die S-Kurvenform ist dann weniger ausgeprägt.
Wenn man von Resonanz bei mechanischen Systemen spricht, ist meistens die Auslenkungsresonanz gemeint. Man sollte aber immer daran denken, daß auch andere physikalische Größen wie z. B. die Auslenkungsgeschwindigkeit Resonanzverhalten aufweisen. Die
12.3
Erzwungene Schwingungen
207
Frequenz, bei der ein Maximum der Geschwindigkeitsamplitude auftritt, ist aber eine andere als die Resonanzfrequenz für die Auslenkung (es gilt ja i) = wy). Ähnliche Aussagen
gelten auch bei anderen Schwingungssystemen, wie etwa elektromagnetischen Schwingkreisen. Hier wird zwischen Strom- und Spannungsresonanz unterschieden.
Mit Hilfe der Beziehungen über Auslenkungsamplitude und Nullpha enwinkel läßt sich auch eine
Aussage über die vom Erreger zu erbringende Leistung treffen. Multipliziert man die Erregerkraft
mit der Geschwindigkeit des Oszillators, so erhält man
Das Produkt aus den bei den Sinusfunktionen läßt sich in eine Summe umwandeln,
0
daß gilt
Der erste Summand in der Klammer besitzt eine sinusförrnige Zeitabhängigkeit, während der zweite Summand von der Zeit unabhängig ist. Integriert man die Leistung über eine Periodendauer, so
verschwindet der Beitrag des ersten Terms, und es bleibt nur noch der zweite übrig:
Für die mittlere Leistung gilt daher
Pm =
I
A
-2 FWEY sin ({Ja
Mit (12.23) und (12.24) ergibt sich schließlich
Frequenzgang der mittleren
Leistung
(12.26)
Die mittlere Leistung ist ausschließlich durch die Dämpfung des Oszillators bestimmt. Bei verschwindender Dämpfung, d. h. b = 0, wird auch Pm zu null, ausgenommen den Fall wE = WQ.
Trägheits- und Rückstellkraft erfordern zwar auch Antriebsleistung, jedoch kehrt diese wieder in den
Erreger zurück. Es handelt sich hierbei um eine Blindleistung. Nur der Dämpfungsterm erfordert
Wirkleistung.
In Bild 12.10 ist der Frequenzgang der mittleren Leistung grafisch wiedergegeben . Bei kleinen Frequenzen und schwacher Dämpfung wächst Pm zunächst quadratisch mit der Frequenz, um nach Überschreiten eines Maximums umgekehrt proportional zum Quadrat der Frequenz wieder abzufallen. Die
Frequenz, bei der Pm maximal wird (Leistungsresonanz), entspricht der Eigenfrequenz des ungedämpften Oszillators und ist damit etwas größer als die Frequenz für Amplitudenresonanz. Speziell
bei einer Anregung mit der Eigenfrequenz ergibt sich für die mittlere Lei tung
Maximale mittlere Leistung
(12.27)
t
kleine Dämpfung
große Dämpfung
Bild 12.10: Mittlere Wirklei tung eine gedämpften Oszillator aJ Funktion der Erregerkreisfrequenz
Bei vorgegebener Kraftamplitude und verschwindendem Dämpfungskoeffizienten geht Pm gegen
unendlich, was zunächst widersprüchlich erscheint. Das Ergebnis wird verständlich, wenn man die
Reibungsarbeit betrachtet, die wegen der immer größer werdenden Auslenkung amplitude ebenfalls
unendlich groß werden muß.
Mit Hilfe der Systemparameter Masse m, Dämpfungskoeffizient b und Federkonstante eist
das Schwingungsverhalten des zugrunde gelegten Modelloszillators vollständig bestimmt.
Durch Variation dieser drei Größen wird eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Schwingungsformen ermöglicht.
Beispiele:
1. Wie groß ist die Auslenkungsamplitude eine Resonators im Resonanzfall?
Setzt man an Stelle der Erregerkreisfrequenz in (12.23) die Resonanzkreisfrequenz (12.25) und verwendet für b den Ausdruck (12.19), so ist die Auslenkungsamplitude
fr
y=--;::.==2
A
6- 8
28mJw
Wenn darüber hinaus 8
« WO (schwache Dämpfung), gilt die
äherung
y ~ ~= F
28mwO
d. h.,
bWO
Yentspricht dann der Amplitude bei der Kennkreisfrequenz des Oszillator .
2. Wie groß muß die Dämpfung eines Oszillators ein, damit er gerade keine Auslenkungsresonanz
mehr besitzt?
Aus (12.25) folgt, daß wR genau dann null wird, wenn w6 - 28 2
= 0, d. h., 8 =
~.
3. Ein Oszillator mit der Masse 1,0 kg und der Federsteife 100 N/m wird bei der Kennkreisfrequenz
betrieben. Die Auslenkungsamplitude beträgt 10 cm, die Wirkleistung des Erregers 1,0 W. Wie groß
sind die Kraftamplitude und der Abklingkoeffizient?
Für y gilt bei WE = wo
y=
F
L
- - . In (12.27) eingesetzt, erhält man Pm = - FYwO. Die KennkreisA
bWO
2
frequenz ist
wo=/f=
100N
1, 0 kg· m
=
10 l/s
Daraus folgt
F=
2Pm
YWO
=
2· 1,0 w· s
0, 10 m . 10
=2
0N
'
Entsprechend gilt dann
8=
b
F
2,0 N· s
-2m = - = 2· 1,0 kg . 0, 10 m . 10 = 1' 0
2mywo
l /s
12.4 Gekoppelte Oszillatoren
Die Schwingungen einer angestoßenen Glocke, einer gezupften Saite oder einer durch
Flugzeugschall angeregten Fensterscheibe haben eines gemeinsam: sie ind das Ergebni
der Kopplung vieler Oszillatoren. Anzahl und Eigenschaften dieser Oszillatoren sind letzten Endes durch die atomare oder molekulare Struktur des betrachteten Körpers bestimmt,
was natürlich bedeutet, daß eine enorme Zahl von Teilchen betrachtet werden müßte. Für
die meisten praktischen Fälle gibt es jedoch Modellvorstellungen, mit denen die Schwingungseigenschaften eines solchen Vielteilehensystems hinreichend genau be chrieben werden können, ohne daß eine solche mikroskopische Sichtweise vonnöten wäre. Natürlich
gibt es auch weniger komplizierte Fälle von realen Teilchensystemen, die sich mit verhältnismäßig einfachen Mitteln berechnen las en und nützlich zum Verständnis ausgedehnter
Systeme sind. Drei Beispiele für einfache Systeme aus gekoppelten Oszillatoren sind in
Bild 12.11 wiedergegeben.
Bild 12.11: Beispiele für gekoppelte 0 zillatoren
Die wesentliche Bedeutung der Kopplung von 0 zillatoren beruht darauf, daß sowohl ein
Austausch von Impuls als auch von Energie zwischen den Oszillatoren möglich wird.
12.4.1
Systeme aus einzelnen Oszillatoren
Die Auswirkungen auf das Schwingungsverhalten der einzelnen Oszillatoren lassen sich
am Beispiel zweier durch eine gemeinsame Kopplungsfeder miteinander verbundenen identischer Feder-Masse-Schwinger ohne Dämpfung demonstrieren (Bild 12.12).
In Bild 12.13 ist die Auslenkung der beiden Massen in Abhängigkeit von der Zeit t dargestellt, wobei die Masse J zum Zeitpunkt t = 0 die Auslenkung XI = und die Masse
2 die Au lenkung X2 = 0 hatte. Die Kopplungsfeder wurde dabei 0 gewählt, daß ihre
Federkonstante kleiner al die der Einzelfedern war (c' < c, d. h. chwache" Kopplung).
Beide Ma en führen modulierte Sinusschwingungen durch, wie wir ie bereit im Zu ammenhang mit Schwebungen kennen gelernt hatten. Dabei ergeben ich in periodischen Abständen Schwingungszustände, bei denen die Auslenkung amplituden maximal bzw. null
x
Herunterladen