Du sollst Dir kein Bild machen

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DU SOLLST DIR KEIN BILD MACHEN
Djawid C. Borower ist ein “pictor doctus”. Das
tuelle an ihrem Grund verschmilzt mit ihrer An-
ist genau kein Gegensatz zur Lust am Schaf-
ziehungskraft. Man muß – und vor allem: man
fen und Schauen. Gerade weil er ein gelehrter
will – sie immer neu betrachten. Ihre Lockung
Maler ist, sind die Bilder, die er sich und dem
erlahmt nicht.
Betrachter macht, so aufgefüllt mit Sinnlichkeit
und Präsenz. Sie heucheln keine Spontaneität.
KONZEPT UND MALEREI
Sie sind ganz unverhüllt Resultate der Vereinigung von Genauigkeit und Verspieltheit, von
Djawid C. Borower im Gespräch mit Rose-
Kalkül und Farbe; denn sie flirten nur mit der
Maria Gropp. Auszug aus einem Interview,
Vorhersehbarkeit, die dem Seriellen scheinbar
September 2002
innewohnt: Sie sind wahre Verführer, weil sie
nie da anfangen und enden, wo ihre physische
Rose-Maria Gropp: Du arbeitest zu bestimm-
Grenze im Raum markiert wäre.
ten Themenkomplexen. Da gab und gibt es
Zunächst einmal rufen diese Bilder auf zur
den Zyklus über Geld, über Gott, über Zeit und
Versenkung in ihre Oberflächen, die eigentlich
nun über Sprache. Was verbindet diese Zyklen
eher Schleier sind als dass sie ohne weiteres
miteinander?
Einlaß, Durchblick gewährten. Unter diesen
Häuten lagern Gesichter, deren Anonymität
Djawid C. Borower: Zunächst einmal die Tat-
man erkunden, aufbrechen möchte. Diese An-
sache selbst, dass ich in thematischen Zyklen
eignung mißlingt – die Bildnisse beharren auf
arbeite. Mich interessieren bestimmte Inhalte
ihrer Fremdheit, sie fordern die Blicke ihres
und deren formale Umsetzung. Wie übersetze
Betrachters immer neu heraus. Die mit den
ich das Thema Geld in die Malerei? Wie finde
Porträts verschmolzene fragmentierte Schrift,
ich eine bildhafte Sprache für die Zeit als Be-
die Buchstaben, die ihres Signifikats entbun-
wusstseinszustand? An der Serie „GOD“ inte-
den sind, delegieren zusätzlich alle Sinnge-
ressierte mich das Bilderverbot, das hinter der
bung an den Betrachter. Zeichen, die schön
Visualisierung dieses Begriffs steht - und das
sind, flottieren einfach.
letztlich auch immer wieder über die moderne
Die programmatische Serialität der „Pictures of
Kunst verhängt wird.
Poems“ unterstreicht den enigmatischen Zug
und Sog des einzelnen Werks nur: Zuerst lüftet
Bleiben wir einmal bei Deinem ersten gro-
die Wiederholung der – zwangsläufig nie iden-
ßen Zyklus, dem Geld, mit Deinen „Por-
tischen – Repräsentationen des an sich Sel-
traits of Money“ und „Pictures of Money“.
ben das Geheimnis nicht. Dann bleibt der
Wo lagen dort genau Deine Interessen?
Schrift-Sinn rätselhaft, gleitet in die Vieldeutigkeit des Ornaments.
Wenn ich etwa das Porträt auf einer Banknote
So werden diese Bilder lesbar nach Maßga-
male, porträtiere ich keine Person, sondern
be ihres ästhetischen Kraftfelds, das Konzep-
male eben nur einen Ausschnitt einer Bankno-
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te ab. Dasselbe gilt für eine Landschaft oder
mer ein konzeptueller Akt. Auf der anderen
ein Wort. Ich stelle also die Repräsentation
Seite bedarf das Konzept stets auch einer
einer Repräsentation her. Wobei eine Kopie in
„Materialisierung“, um als Kunstwerk rezipiert
Öl auf Leinwand rein durch ihre Materialität
zu werden, sei es, dass man es nur aufs Pa-
mehr Originalität suggeriert als das Original
pier bringt. Im Grunde trifft zu, was Kant formu-
selber. Entscheidend aber war, dass ich auf
lierte: Anschauungen ohne Begriffe sind blind
einer Banknote die Abstraktion neben der Fi-
und Begriffe ohne Anschauungen leer.
guration fand, die Zahl und den Text neben
dem Ornament.
Einer der wichtigsten Künstler, die sowohl
konzeptuell als auch malerisch gearbeitet
... also genau die Elemente, die Deine Zyk-
haben, ist Jasper Johns. Gibt es von seiner
len auch formal miteinander verbinden.
Seite einen Einfluss auf Dich?
Ja, es interessiert mich, sowohl konzeptuell als
Merkwürdigerweise bin ich überhaupt nicht von
auch malerisch zu arbeiten. Und ich entdecke
Jasper Johns, der unzweifelhaft eine entschei-
dieses Interesse bei mir immer wieder.
dende Figur war und ist, beeinflußt, sondern
vielmehr von den Fauvisten, von deren Vor-
Nun sind die konzeptuellen und maleri-
liebe für starke Farben und der Auflösung der
schen Anteile von Zyklus zu Zyklus ver-
Bilder in Farbfelder. Und natürlich von Matisse.
schieden gewichtet. Während in Deinen
Sicherlich kommt diese Neigung daher, dass
Arbeiten über die Zeit das konzeptuelle
ich biographisch, wenn man so will, vom „Kon-
Moment dominiert, haben Deine Porträtse-
zept“ komme, nämlich vom Schreiben.
rien – die dem Geld und die der Sprache
gewidmeten – starke malerische Tenden-
Du hast Philosophie und Geschichte stu-
zen.
diert, während und nach Deinem Studium
für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“
Das stimmt. Für mich erfordert jedes Thema
gearbeitet. Du hast Schauspiele und Hör-
seinen eigenen Zugang. Das ist auch das, was
spiele geschrieben.
die thematische Arbeit so reizvoll macht. Die
Herausforderungen sind jeweils andere. Dar-
Eine
über hinaus denke ich, dass es den reinen
Schreibens ist es, Sprache anschaulich und
konzeptuellen Ansatz nicht gibt wie auch die
lebendig zu machen, durch sie Emotionalität
reine Malerei eine Chimäre ist. Allein die Tat-
zu vermitteln. Der Autor arbeitet mühevoll da-
sache, in einer Zeit zu malen, in der der Male-
ran, einen Gedanken gleichsam auszumalen
rei fort und fort ihre Existenzberechtigung ab-
und farbig zu gestalten, ist aber durch sein
gesprochen wird, ist ein konzeptueller Akt. Wa-
Medium begrenzt. Der Konzeptkünstler neigt
rum malt man? Wieso malt man gerade so und
zum Gegenteil, tendiert zur Reduktion. Inso-
nicht anders. Und in der Vielzahl der Möglich-
fern war es für mich bereichender, mich zu-
keiten, die man heute hat zu arbeiten, ist die
nächst mit einer prononcierten Malerei zu be-
Entscheidung für oder gegen ein Medium im-
-2-
der
großen
Herausforderungen
des
schäftigen. Dann erst trat das Konzept wieder
Da die Verwischung bei jedem Bild eine
hervor und mit ihm auch wieder die Sprache.
andere ist, macht sie jedes Motiv einer Serie zu einem anderen Bild.
Deine ersten konzeptionellen Bilder waren
seriell gearbeitet. Ähnlich wie in den ge-
Ein weiteres permutatives Element ist die
genwärtigen Porträtserien hast Du identi-
Schrift. Ich schreibe einen Text und lege ihn
sche Motive aus verschiedenen Perspekti-
gleichsam über eine Serie von Porträts. Dabei
ven gezeigt. Wann begann nun die Sprache
entsteht eine Folge von Einzelbildern. In jedem
in Deine Bilder einzufließen?
Porträt ist nun ein anderes Fragment dieses
Textes eingeschrieben. Jedes Bild hat damit
Mit „Pictures of Money“. Für mich stellte sich
einen anderen Ausdruck und Charakter. Die
lange das Problem, wie Sprache Malerei wird
Schrift interveniert formal wie malerisch, und
und nicht Sprache bleibt, die nur vom Papier
sie erzeugt gemeinsam mit der Verwischung
auf die Leinwand wechselt. Ich wollte eben
die Variation.
nicht etwas auf die Malerei draufschreiben, als
eine zweite Ebene, sondern etwas in ihr ein-
Aber dadurch geht die eigentliche Funktion
schreiben, die Sprache zu einem integralen
der Sprache verloren, jedenfalls in „Pic-
Bestandteil der Malerei machen. Mit der Geld-
tures of Poems“. Ihr Sinn ist nicht mehr er-
serie fand ich nun für mich ein Thema, in dem
fassbar, höchstens werden noch Sinn-
Sprache und Zahl bereits in einem formalen
fragmente vermittelt.
Zusammenhang mit Sujets stehen, die traditionell malerisch besetzt sind.
In dieser Serie habe ich mit Absicht das Gedicht als Textgattung gewählt. Denn ein Ge-
Meines Erachtens sind die Verwischungen auf
dicht ist selbst schon ausschnitthaft. Ein Ge-
Deinen Bildern ein wichtiges Mittel, Sprache in
dicht erklärt nichts, es ist offen, es bedarf
die Malerei einzubinden. Die Konturen werden
selbst der Deutung. Selbst wenn man ein Port-
aufgelöst. Die Farbe, mit der Du den Text
rät neben das andere reihen würde und den
malst, verbindet sich materiell wie visuell mit
Gesamttext anschauen könnte, hätte man bei
dem Umfeld.
mir nichts weiter als ein größeres Sinnfragment. Das Einzelbild zeigt nun einen kleineren
Ja, die Verwischung integriert. Sie ist zentral.
Ausschnitt. Die Schrift ist hier teilweise noch
Sie ist der malerischste, intuitivste Aspekt der
erkennbar, sie ist aber auch bildhaft konkret.
Arbeit. Sie ist ein Akt purer Malerei. Was vor-
Man sieht das Zeichen nun nicht mehr nur als
her sorgfältig aufgetragen worden ist, wird mit
Bedeutungsträger, sondern auch in seiner
einem Gestus verschmiert. Es ist ein ritueller
Form und Farbe. Das Zeichen ist versinnlicht.
Vorgang, der das Bild entscheidend verändert.
Es hat eine malerische Materialisierung erfah-
Er macht sozusagen das Konzept lebendig. Er
ren. Es geschieht eine Verbildlichung der
lädt es emotional auf.
Sprache: die Sprache wird geschaut.
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Es gibt aber auch Bilder, in denen die
Sprache lesbar bleibt, „Picture of Time.
This Moment” zum Beispiel.
In diesem Fall hat die Sprache zwei Ebenen,
eine konkrete, materielle und eine repräsentative. Die Zeichen verweisen auf sich selbst wie
auch auf einen Inhalt. Der Betrachter hat hier
mehrere Angaben: eine Zeitangabe, einen
kurzen Text, der ein Kommentar oder ein innerer Monolog sein könnte, den Teil eines größeren Textes und ein Porträt – und damit wiederum nur Sinnfragmente, die er selbst in ein Zusammenhang stellen kann. Sie bilden einen
Assoziationsraum, in dem der Betrachter eine
Bedeutung herausschauen oder hineinlesen
kann - wenn er will. Dieser Assoziationsraum,
der aus Text und Bild gebildet wird, nenne ich
„Sprachbild“.
Rose-Maria Gropp
Rose-Maria Gropp ist Redakteurin im Feuilleton der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und
verantwortlich für den Kunstmarkt.
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