Bei Krampfadern nicht zu lange warten

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Sonntag, 6. März 2016 / Nr. 10 Zentralschweiz am Sonntag
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Bei Krampfadern nicht zu lange warten
GESUNDHEIT Zur Therapie
von Krampfadern setzen sich
neue Methoden durch. Ohne
Operation. Unter anderem
eine Art «Sekundenkleber».
Publikumsvortrag
in Klinik St. Anna
ANLASS Am Donnerstag, 24. März,
19 Uhr, referiert PD Dr. med. Heiko Uthoff in der Hirslanden-Klinik
St. Anna, Luzern, über moderne
Krampfaderntherapien. Der Vortrag ist kostenlos, die Platzzahl
begrenzt. Verbindliche Anmeldung
unter 041 208 32 32 (Bürozeiten)
oder online www.hirslanden.ch/
veranstaltungen (die erste Veranstaltung zum selben Thema am
17. März ist ausgebucht).
INTERVIEW HANS GRABER
[email protected]
Was sind Krampfadern?
Heiko Uthoff*: Es werden zwei verschiedene Formen unterschieden. Primäre
Krampfadern (Varizen) werden verursacht
durch eine familiäre Veranlagung für eine
Venenwandschwäche. Sie machen etwa
95 Prozent aller Fälle aus. Die restlichen
5 Prozent betreffen die sekundären
Krampfadern. Sie entstehen infolge anderer Erkrankungen wie etwa einer tiefen
Beinvenenthrombose, welche den Blutrückfluss in den tiefen Venen behindert.
Der Blutrückstrom erfolgt dann über die
oberflächlichen Venen im Sinne eines
Umgehungskreislaufs.
Was läuft denn bei einen Venenwandschwäche genau ab?
Uthoff: Im Normalfall wird das Blut in
den Beinen dank Muskelpumpen über
die Venen zum Herzen befördert. Beim
Sitzen, Stehen oder Gehen muss das Blut
entgegen der Schwerkraft quasi aufwärts
fliessen, die Venenklappen verhindern
dabei einen Rückfluss. Bei schwachen
Venenwänden kommt es zur Grössenzunahme der Venen mit der Folge, dass
die Klappen nicht mehr richtig schliessen
können. Das Blut versackt in den oberflächlichen Venen, aus denen es in das
tiefe Venensystem abfliessen sollte. Die
Blutüberfüllung führt dazu, dass sich die
oberflächlichen Blutleiter erweitern und
verformen. Das nennt der Volksmund
Krampfadern, eigentlich sind es erweiterte und geschlängelte Venen.
Eine Alterserscheinung?
Uthoff: Die Häufigkeit nimmt mit steigendem Alter zwar deutlich zu, es kann aber
in jedem Lebensalter auftreten. Von den
20- bis 29-Jährigen sind etwa 5 Prozent
betroffen, von den 70- bis 79-Jährigen
30 Prozent, Frauen im Verhältnis 1,5:1
etwas mehr als Männer. Auch Übergewicht und Schwangerschaften sind aufgrund hormoneller Umstellungen und
erschwerten venösen Rückflusses ein
Risikofaktor.
Kann man Krampfadern vorbeugen?
Uthoff: Wenn eine familiäre Veranlagung
vorhanden ist, kann man diese durch die
eigene Lebensweise natürlich nicht beeinflussen. Durch einen aktiven Lebensstil
mit viel Bewegung ohne langes Stehen,
mit Betätigung der Muskelpumpe sowie
dem Vermeiden von Übergewicht kann
jedoch das Auftreten und die Ausprägung
unter Umständen verzögert beziehungsweise minimiert werden. Das Übereinanderschlagen der Beine oder Saunabesuche
sind übrigens nach heutigem Wissensstand keine Risikofaktoren zur Entstehung, sie verstärken aber unter Umständen kurzfristig die Symptome.
Hat man meist an beiden Beinen
Krampfadern?
Uthoff: Ja, häufig sind jedoch die Ausprägung und die Beschwerden der
Krampfadern auf einer Seite betont.
Was ist der Unterschied zwischen
Krampfadern und Besenreisern?
Uthoff: Auch Besenreiser sind Krampfadern, nur einfach kleine.
testens beim Auftreten einer Schwellungsneigung oder von Komplikationen.
Helfen Medikamente?
Uthoff: Ein Effekt auf den Blutfluss in den
Blutgefässen ist für aktuell erhältliche
Venenmedikamente nicht eindeutig belegt, eine geringe Symptomlinderung
kann mit einzelnen Präparaten aber erreicht werden. Aber wie erwähnt, keine
der genannten konservativen Massnahmen kann Varizen beseitigen oder deren
Entstehung verhindern.
Gesunde Beine sind leider vielen nicht ein Leben lang gegeben: Krampfadern lassen sich bei entsprechender Veranlagung nicht völlig vermeiden, aber eine rechtzeitige Therapie kann schlimme Folgen verhüten.
Getty
Sind Krampfadern mehr ein optisches (Stauungsekzem), Entzündungen der
oberflächlichen Venen (ThrombophlebiProblem oder ein gesundheitliches?
Uthoff: Krampfadern sind sicher nicht tis) bis hin zum «offenen Bein» (Ulcus
nur ein «Schönheitsfehler», sie haben cruris varicosum) stellen dann schwere,
einen bedeutsamen Krankheitswert. Mit zum Teil nicht mehr reparable Krankfortschreitender Erkrankung kann es in- heitsbilder dar. Im hohen Alter kann die
folge der Abflussstörung des Blutes und fortgeschrittene Schädigung der Haut
des damit erhöhten
sogar zu einer lebensDruckes in den Venen
bedrohlichen Varizenblutung selbst nach
zu schweren Schäden
einer Bagatellverletim Bein kommen, insbesondere im Bereich
zung führen, was aber
der Knöchelregion.
zum Glück selten vorDas ist oft ein langer,
kommt. Nur gering ist
fortschreitender Proauch das Risiko einer
zess. Die krankhafte
Thrombose und damit
Veränderung zeigt
verbunden einer Lunsich anfänglich meist
genembolie.
nur in diskreten und
«Übereinanderman Krampfunspezifischen Sympschlagen der Beine ist Sollte
tomen, wie einseitig
adern also zwingend
kein Risikofaktor.»
verstärkter
Beinbehandeln?
schwellung, SchwereUthoff: Nein, nicht alle
P D D R . M E D . H E I KO U T H O F F
gefühl, Juckreiz oder
sind medizinisch relenächtlichen Wadenvant. Vereinzelte Bekrämpfen. Typischerweise nehmen solche senreiser zum Beispiel muss man nicht
mit Krampfadern verbundenen Beschwer- zwingend behandeln, aber in der Praxis
den unter Bewegung oder in Beinhoch- zeigt sich, dass sie oft nur die «Spitze des
lage eher ab.
Eisbergs» beziehungsweise Symptom
eines fortgeschrittenen Venenleidens sind.
Aufschluss gibt eine angiologische UnterAber das ist nur der Anfang?
Uthoff: Die Vernarbung von Haut, Unter- suchung inklusive Ultraschall.
haut und Bindegewebe, die Ablagerung
von Blutbestandteilen, HautentzündunWas ist das Ziel der Behandlung von
gen im Rahmen der chronischen Stauung
Krampfadern?
Uthoff: Es geht darum, die Auswirkungen
der chronischen Stauung sowohl in Hinblick auf die Lebensqualität (zum Beispiel
«Beinschwere») als auch körperliche Folgeschäden (zum Beispiel «offenes Bein»)
und Komplikationen (zum Beispiel
Thrombose der oberflächlichen Venen)
zu reduzieren oder ganz zu eliminieren.
Je früher eine Therapie erfolgt, desto effektiver können Langzeitschäden vermieden werden.
Aber Therapie heisst nicht in jedem
Fall Operation bzw. Eingriff?
Uthoff: Richtig, denn grundsätzlich ist in
jedem Stadium der Erkrankung auch eine
konservative Therapie möglich. Dabei ist
aber zu beachten, dass der Effektivität
konservativer Massnahmen in bestimmten Situationen – etwa bei sehr alten
Patienten – Grenzen gesetzt sind. Neben
Hochlagerung der Beine und körperlicher
Bewegung, welche die Muskelpumpe aktiviert, stellen Kompressionsverbände und
-strümpfe die wesentlichen Elemente
einer konservativen Therapie dar.
Und das bringt etwas?
Uthoff: Ja, aber Kompressionsstrümpfe
wirken dem erhöhten Venendruck zwar
entgegen, behandeln aber die eigentliche
Ursache nicht. Und sie müssen dauerhaft
getragen werden. Aktuelle Richtlinien
empfehlen deshalb eine frühzeitige aktive Ausschaltung der Krampfadern spä-
Was wird bei einem Eingriff gemacht?
Uthoff: Mit der Einführung von neuen
und weniger invasiven Therapieoptionen
als der klassischen Operation hat es einen
grundlegenden Wandel bei den fachärztlichen Empfehlung zur Sanierung des
Krampfaderleidens gegeben. Crossektomie und Stripping sind nicht mehr durchgehend erste Wahl, denn die minimalinvasiven, endovenösen Methoden sind
weniger einschneidend, und sie führen
auch zu weniger Komplikationen wie etwa
Hämatomen, Nervenverletzungen oder
Infektionen (beachten Sie zu den einzelnen Methoden die Kästen unten).
Wie sind die Erfolgsraten?
Uthoff: Bei korrekter Indikation und
Durchführung darf man bei allen Methoden von einer Erfolgsrate von über 90 bis
95 Prozent ausgehen. Da die genetische
Veranlagung zur Krampfaderausbildung
durch die Eingriff nicht behandelt wird,
ist eine erneute Ausbildung von Krampfadern grundsätzlich möglich, diese sind
dann aber meist geringer ausgeprägt.
Kann der Patient entscheiden, welche
Methode er möchte?
Uthoff: Dank der Entwicklung neuer Katheter ist eine minimal-invasive, endovenöse und ambulante Behandlung bei
praktisch allen Patienten mit Venen jeder
Grösse grundsätzlich möglich. Aufgrund
der mindestens gleich hohen Effektivität,
aber geringeren Nebenwirkungen werden
die endovenösen Verfahren zunehmend
die traditionelle Chirurgie ablösen. Die
neuen Methoden sind seit Anfang 2016
auch vom Bundesamt für Gesundheit
anerkannt und somit vergütungspflichtige
Leistungen in der Grundversorgung. Die
Entscheidung zur Therapie im Allgemeinen und zur Methode im Besonderen
liegt letztlich immer beim Patienten. Unabdingbar ist aber weiterhin eine sorgfältige und genaue Diagnosestellung inklusive Ultraschall, damit für jeden Patienten die am besten geeignete Methode
empfohlen werden kann.
HINWEIS
* PD Dr. med. Heiko Uthoff ist Facharzt FMH für
Angiologie und Allgemeine Innere Medizin in der
Gefässpraxis am See, St. Anna im Bahnhof Luzern.
Klassisch
Thermisch
Chemisch
Mechano-chemisch
«Sekundenkleber»
METHODE 1 Bei der klassischen
Operation von Krampfadern werden
die in tiefe Beinvenen einmündenden Verbindungen zwischen den
oberflächlichen Krampfadern und
der tiefen Beinvene abgetrennt und
abgebunden (Crossektomie). Danach erfolgt das mechanische «Herausziehen» (Stripping) der kranken
Vene samt Seitenästen. Viele Studien
belegen die Wirksamkeit dieses Eingriffs. Mit der Einführung von endovenösen Verfahren kam es in den
letzten Jahren in vielen Ländern zu
einem starken Rückgang an klassischen Krampfaderoperationen, die
nicht mehr durchwegs als Methode
der ersten Wahl betrachtet wird.
METHODE 2 Das Prinzip der endovenösen Laser- und RadiofrequenzVenenverödung beruht auf einer
lokalen Schädigung der Venenwand
mit Hitze samt nachfolgender
Schrumpfung und Vernarbung der
behandelten Vene. Im Gegensatz zur
traditionellen Krampfaderchirurgie
ist bei diesem Verfahren ein Schnitt
in der Leiste oder Kniekehle nicht
mehr notwendig, und der Eingriff
wird meist ambulant durchgeführt.
Nach ultraschallgesteuerter Punktion der Vene wird ein Mikrokatheter in die Vene eingelegt und eine
lokale Kühl- und Anästhesielösung
entlang der Vene eingefügt, die danach mit Hitze verödet wird.
METHODE 3 Die chemische Verödung (Sklerotherapie) wird ebenfalls meist ambulant durchgeführt.
Im Allgemeinen wird ultraschallgesteuert eine schaumige Substanz
in die Krampfadern gespritzt mit
dem Ziel, diese zu veröden und zu
vernarben. Neben den geringen Kosten spricht die relativ einfache und
schnelle Anwendung für die Sklerotherapie. Sie ist aber nicht so gut
steuerbar und nicht ganz so effektiv
wie die katheter-basierten Verfahren
und wird eher zur Behandlung von
Seitenästen und retikulären (netzartigen) Venengeflechten sowie bei
einem Wiederauftreten von Krampfadern (Rezidiv) empfohlen.
METHODE 4 Die mechano-chemische Ablation (Fachabkürzung:
MOCA) ist eine Weiterentwicklung
der Sklerotherapie und basiert auf
einem zweifachen Wirkprinzip. Eine
schnell rotierende Katheterspitze
führt zu einer mechanischen Schädigung der Vene. Gleichzeitig wird
über den Katheter eine schaumige
Substanz eingebracht, was zu einer
chemischen Verödung führt. Da keine Hitze eingesetzt wird, ist keine
lokale Kühlflüssigkeit/Betäubung
entlang der Vene notwendig, das
Risiko von Haut- und Nervenschäden ist praktisch ausgeschlossen.
MOCA ist etwas effektiver als die
rein chemische Verödung.
METHODE 5 Die neueste und
speziell minimalinvasive Methode
zur Behandlung von Stammvenen
ist das Veröden bzw. Verkleben mittels Cyanoacrylat, einer Art «Sekundenkleber». Dabei wird ultraschallkontrolliert ein Teflonkatheter in die
Vene eingelegt, die von innen über
den Katheter verklebt wird. Bei dieser Methode entfällt sogar eine örtliche Betäubung, und die Vene kann
in allen Abschnitten ohne Risiko
einer Nervenverletzung behandelt
werden. Auch das Tragen von Kompressionsstrümpfen entfällt, und die
Patienten können oft unmittelbar
nach dem Eingriff die normalen
Tätigkeiten wieder aufnehmen.
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