MITTEILUNGEN WEIHNACHTEN 2012 Dezember 2012 Zeitschrift für Eltern und Freunde der Rudolf Steiner Schule Aargau Zur Bedeutung der Musik in der Pädagogik Im Gespräch … Der Weg von Vergangenheit in die Zukunft LIEBE LESERIN, LIEBER LESER Sphärenmusik (Sphaira = Kugel) ist ein Begriff aus der Zeit der Griechen; mit der Idee, dass die Bewegungen der Himmelskörper im Kosmos verschiedene musikalische Harmonien erzeugen, die mit den mathematischen Gesetzen übereinstimmen. Der Begriff vermittelt uns heute noch Harmonie, Ganzheit, Schönheit, Musikempfindung. Unsere heutige, etwas irdischere Musik wird als individuelles Ausdrucksmittel benutzt, sie zeichnet sich durch verschiedene Klangfarben, Tonabläufe und Geräusche aus. Musik bewegt; sie bringt Sphärisches und Individuelles zusammen. Es freut mich sehr, dass wir diese Ausgabe der Schulmitteilungen der Musik widmen dürfen, die Musik, die als Gemeinschaftserlebnis, aber auch als Erlebnis der eigenen Möglichkeiten, erlebt werden kann. Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen INHALT 6 10 Für die Redaktion Agnes Studerus IMPRESSUM Zeitschrift für Eltern und Freunde der Rudolf Steiner Schule Aargau. Erscheint halbjährlich. Die Verantwortung für die einzelnen Beiträge tragen die VerfasserInnen. Auflage: 1500 Ex. Abo-Preis: CHF 25.–/Jahr Herausgeberin: Rudolf Steiner Schule Aargau Alte Bernstrasse 14 5503 Schafisheim T: 062 892 05 20, F: 062 892 05 24 [email protected] Redaktion: Michael Poblotzki, Agnes Studerus Lektorat: Michael Poblotzki Inserate: Elisabeth Spielmann [email protected] Layout: Andreas Merz, Fislisbach [email protected] Produktion: SCHMAEH Offset & Repro AG Ehrendingen Postkonti: Allgemeine Rudolf Steiner Schulverein Spenden Aargau, 5503 Schafisheim PC-Konto 50-17253-9 Spenden Stiftung Brutelgut Renovationsfonds 5503 Schafisheim, PC-Konto 50-3611-6 2 Rudolf Steiner Schule Aargau 12 Zum Musikunterricht in der Unterstufe 4 Orchesterleben 6 Akustik – Klang und Musik 9 Musizieren! 10 Von Huftieren,Tierkreisbildern und der zwölfgliedrigen Menschengestalt 12 Die neuen Gesichter an unserer Schule 14 Im Gespräch mit Joseph Hess 16 Georgien – Der Weg von Vergangenheit in die Zukunft 18 Adventsbasar 2012 – Impressionen 20 Daten und Termine 23 18 20 Diese Mitteilungen wurden mit freundlicher Unterstützung von Weleda AG gedruckt. Mitteilungen Weihnachten 2012 Elementarstufe MIT KLÄNGEN IN BERÜHRUNG KOMMEN … «Ohh du liäbi goldigi Sunn, chum erwärm öis um und um, chum erwärm öis Händ und Füess, dass mir nüme früüre müess.» So beginnen wir mit unserem Morgenkreis. Wenn ich die Kinderharfe hervornehme und ein paar Töne erklingen lasse, versammeln sich die Kinder meistens schnell um mich.Thematisch zum Jahreslauf singen wir pentatonisch gestimmte Lieder. Dies ist ein wichtiger Teil in unserer pädagogischen Arbeit. «Schnägge, Schnägge Chrüücherlii chrüüch jetz i diis Hüüsli iiä, tüüf im Bode tues Töörli zue und halt i dim Hüüsli Rue.» Die Stimmung der Kinderharfe entspricht in ihrer Schwerelosigkeit dem kleinkindlichen Wesen. Die Töne wirken lösend und heilend auf die Kinder und vermögen so auch unruhige Kinder zu innigem Lauschen zu bringen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass gerade dieses Instrument in der Heilpädagogik Eingang gefunden hat. Der zauberhafte, schwebende Klang des in Flügelform gebauten Saiteninstrumentes hat etwas Zartes an sich. Heute werden Instrumente mit sieben oder zehn Saiten in pentatonischer oder diatonischer Stimmung hergestellt. (Wir benutzen die siebensaitige Kinderharfe pentatonisch gestimmt: D, E, G, A, H, D, E). Schön wäre es, wenn jedes Kind mit verschiedenen Instrumentengattungen in Berührung kommen dürfte, da jede eine andere Seite im Menschen anspricht. Die Blasinstrumente haben eine Beziehung zum Denken, zum Kopf, sind sie doch eigentliche Melodieinstrumente. Mehr dem Fühlen zugehörig, der Harmonie, erweisen sich die Saitenklänge, wogegen uns die Schlagzeugmusik «in die Glieder fährt»: Sie impulsiert den Willen. « Die Blasinstrumente haben eine Beziehung zum Denken … Mehr dem Fühlen zugehörig erweisen sich die Saitenklänge, wogegen uns die Schlagzeugmusik in die Glieder fährt.» Helena Vaglietti ■ Mitteilungen Weihnachten 2012 Rudolf Steiner Schule Aargau 3 Unterstufe ZUM MUSIKUNTERRICHT IN DER UNTERSTUFE Wir wissen, dass Kinder, die in ihrem Umfeld keine Sprache hören, nicht sprechen lernen. Auch das musikalische Gestalten entwickelt sich aus dem Hören. In den ersten Lebensjahren bilden wir uns aus den vielfältigen Geräusch- und Klangeindrücken ein Hör-Vokabular aus, das dann im Singen und Sprechen entfaltet werden kann. Körper, Atem und Stimme bilden die ersten und wichtigsten Medien des Musizierens und werden über das Hören und Bewegen angeregt. « Wirkliches Hören bedeutet Erkennen, nicht nur oberflächliches, akustisches Hören.» 4 In jedem Menschen, in jedem Kind lebt ein Musiker! Die musikalische Begabungsforschung hat gezeigt, dass jeder Mensch mit einem bestimmten Begabungs- oder Lernpotential geboren wird. Dieses ist bei der Geburt am grössten und nimmt danach ab, wenn es nicht durch Sinneseindrücke gepflegt wird. Um sowohl das Hören, als auch das Bewegen in gesunder Weise zu pflegen, braucht es von den Eltern Achtsamkeit, also ein bewusstes Gestalten der Umgebung und des Tageslaufes des Kindes. Die heutigen Umweltbedingungen mit Hektik und einem ständigen Zuviel an Höreindrücken lassen den Musiker in den Kindern verkümmern. Oft finden die Kinder nicht die Bedingungen vor, unter denen sie sich in den ersten Lebensjahren so entwickeln können, dass ihre Körpersinne gesund zur Entfaltung kommen und sie sich gut in ihrem Leib beheimaten. So ist es heute Aufgabe der Schule, vieles nachzuholen, was früher als Voraussetzung galt, um in die Schule aufgenommen zu werden. Das Beheimaten der Kinder in sich selbst und in der Welt, durch eine achtsame Pflege reicher Sinneseindrücke, ist ein wichtiges und grundlegendes Ziel des Musikunterrichtes in der Unterstufe. Das Hören ist der Weg zur Welt- und Selbsterkenntnis, sowohl für das Kind als auch für den Erwachsenen. Die ersten Schritte auf diesem Weg müssen vom Erwachsenen geleistet werden. Wie kann es mir gelingen, das Kind in seinem Wesen zu verstehen? Wie schaffe ich es, im Alltag den Kindern wirklich zuzuhören? Wirkliches Hören bedeutet Erkennen, nicht nur ober- Rudolf Steiner Schule Aargau flächliches, akustisches Hören. Laut amerikanischen Untersuchungen wird einem Kind am Tag noch zehn Minuten zugehört! So steht die Pflege des Hörens im Musikunterricht der Unterstufe im Zentrum.Vielfältige Klangerfahrungen lassen freudig aufhorchen und schulen ein differenziertes Lauschen. In der Qualität des Klanges verrät ein Material etwas von seiner inneren Beschaffenheit. Weshalb klingt ein Eisenstab so lange nach und ein Holzstab ist unmittelbar nach dem Anschlag wieder still? Wie halte oder bewege ich ein Klanginstrument, dass der Klang sich frei entfalten kann? Beim visuellen Wahrnehmen hat jeder Betrachter seinen eigenen Seh-Raum, je nachdem, wohin er seinen Blick lenkt. Im Hör-Raum hingegen sind wir miteinander verbunden. Nur wenn alle im gemeinsamen Hör-Raum bleiben, ist auch ein individuelles Zuhören möglich. Diese soziale Komponente in der Musik ist immer wieder eine grosse Herausforderung. Gelingt es aber, so entsteht eine tiefe Zufriedenheit; jedem steht im Gemeinsamen sein Platz zu. Neben dem Hören ist die Bewegung die Grundlage im musikalischen Gestalten. Hören ist verwandelte Bewegung! So ist es wesentlich für den ersten Musikunterricht, dass vielfältige Bewegungs-Klangspiele das Bewegen im Raum und das Hören pflegen und fördern. Wie setzt das Kind seine Bewegung an? Wie führt es sie wieder zur Ruhe? Die Art und Weise, in der ein Kind sich musizierend bewegt, offenbart, wie es zuhört. Gelingt es einem Kind beim Schreiten mit einem Klangstab seine Füsse fast unhörbar werden zu lassen, so kann man deutlich spüren, wie auch das Hören intensiver wird. Neuere Forschungen haben gezeigt, dass das Ohr wohl unerlässlich ist für die Hörwahrnehmung, dass aber 80% der Hörwahrnehmungen über den Körper geschehen. Dem im Musikunterricht der Unterstufe Rechnung zu tragen, ist in den oberen Klassen wesentlich. Neben den Hör- und Bewegungsübungen wird viel gesungen. Sich selber klingend zu erleben – im Zusammenklang mit den Klassenkameraden – ist eine nicht hoch genug einzuschätzende Qualität. Das Musizieren auf dem Klangspiel und auf der pentatonischen Flöte Mitteilungen Weihnachten 2012 führt an die Welt der Töne heran. Da gibt es hellere und dunklere Töne. Die Kinder lernen, sie immer differenzierter zu erleben und zu erkennen. Eine Melodie, ein Lied wird als Weg, als Bewegungspur durch die Töne erfahren, mal aufsteigend, mal absteigend oder verweilend. Diese wachsende Orientierung im Tonraum schafft eine innere Ordnung und Sicherheit. In den ersten beiden Schuljahren bewegen sich die Kinder vor allem in der pentatonischen Skala d' e' g' a' h' d'' e''. Diese Skala ist – ausgehend vom Mittelton a' – aus Quinten aufgebaut. Sie klingt offen, leicht und lichtvoll. Die dunkleren Töne c und f fehlen in dieser Tonreihe. Die der Skala zugrunde liegenden Quinten vermitteln eine weite Geborgenheit. Dieses freie, noch nicht durch einen Grundton beschwerte Sich-Bewegen im Tonraum entspricht den Kindern in diesem Alter und stärkt sie in ihrem Kindsein. Haben die Kinder im ersten Schuljahr gelernt, mit den Instrumenten liebevoll umzugehen und so zu spielen, dass der Klang sich gut entfalten kann, so können im zweiten Schuljahr die Hör- und Bewegungsspiele reicher und komplexer werden. Im musikalischen Tun erwacht mehr und mehr auch das Interesse an den Besonderheiten jedes einzelnen Kindes der Klasse. Die gesungenen und gespielten, meist noch in der Quintenstimmung gehaltenen Lieder werden bewegter. In den Melodiefolgen können erste Anklänge von einem Grundtonerleben entstehen. Das dritte Schuljahr ist eine Zeit der Übergänge. Die Kinder erwachen immer mehr für ihre Umgebung. In dieser sich verändernden Lebenslage können die geometrischen Formen der Klangbewegungsübungen einen sicheren Boden bilden. Dem sich bildenden Innenraum des Kindes und der andersartigen Beziehung zur Umwelt entsprechen auch der neue Flötenklang und die möglich werdende C-Dur Tonleiter. Dieses Der-Welt-gegenüber-Stehen schafft ein Verständnis für die Notenschrift. Schön ist es, wenn die Kinder anhand einer Geschichte erleben dürfen, wie die Notenschrift sich entwickelt und verändert hat. Es ist nun Aufgabe des Musikunterrichts, jedes Kind durch den Nullpunkt der Abstraktion dahin zu führen, dass es die ge- Mitteilungen Weihnachten 2012 schriebenen Noten wieder zum Leben erwecken kann. Durch die abstrakte Notenschrift verändert sich auch die Qualität des Hörens. Die äussere Bewegung kann zurückgehalten werden und sich in eine innere Bewegung verwandeln. Den Weg, der von einem Ton zum nächsten führt, muss man sich vorstellen. Erst wenn dieses Dazwischen erlebt wird, entfaltet die Musik ihre Kraft und Schönheit. Gegen die vierte Klasse hin, können die Kinder singend und spielend an die Zweistimmigkeit herangeführt werden. Daraus entwickelt sich dann immer sicherer und reicher das Kanon- und mehrstimmige Singen. Bis zum Beginn der fünften Klasse haben die Kinder auf ihren individuellen Instrumenten eine solche Grundsicherheit erworben, dass es möglich wird, all die verschiedenen Instrumente zu einem mehrstimmigen Klassenorchester zusammen zu fügen. « Hören ist verwandelte Bewegung!» Anna-Barbara Hess ■ Biografiewerkstatt Das Leben in die Hand nehmen Ziele: • meinen Faden erkennen • Distanz gewinnen • Krisen bewältigen • Visionen entwickeln • Selbsterkenntnis Einzelgespräche, Standortbestimmung Arbeit in Gruppen Individuelle Lernveranstaltungen Kurse auf dem Herzberg Ich freue mich auf Ihre Anfrage! Herzlich willkommen! Stefanie Schär, Ausbilderin FA Biografiebegleiterin / Jakchos / Brenner Gässliacherweg 2, 5503 Schafisheim Mob. 076 472 94 80 [email protected] www.biografie-werkstatt Rudolf Steiner Schule Aargau 5 Mittel- und Oberstufe ORCHESTERLEBEN « Die Klänge, die die Instrumente von sich geben, sind so verschieden, wie die Kinder selbst.» spürt, verliert sich schnell. Jeder Ton muss «geschmackvoll» gestaltet werden; sowohl die Noten als auch der Dirigent dürfen nicht aus den Augen verloren werden, und so weiter – und alles mit der Präzision eines grossen Uhrwerks! Eine hohe Schule, die viel gemeinsames Üben erfordert. Ob das Zusammenspiel auch wirklich gelungen ist, kann man an der Tiefe der Stille, die nach dem Musizieren dann wie von selbst entstehen will – und in der das wahre Musikerleben seine Heimat hat – erkennen.Viele Male durften wir es gemeinsam dankbar erfahren. Sechste Klasse Die Pause hat gerade begonnen, erste Schüler erscheinen: «Darf ich Schlagzeug spielen»? Ein begehrtes Instrument, das aber nur von sehr wenigen Kindern gut gespielt wird … Die SchülerInnen finden sich langsam alle ein: Es wird gestimmt, eingespielt, eingerichtet, zuhause vergessene Noten nachgereicht. Jetzt sitzen alle, und es wird langsam still. Das Zusammenspielen kann nun beginnen. Die Klänge, die die Instrumente von sich geben, sind so verschieden, wie die Kinder selbst. Siebte Klasse Zirkusmusik war das erste Motto unseres Übens. Die Stille ist nicht mehr so selbstverständlich … Die Fähigkeiten auf dem Instrument gehen weit auseinander, oft entsprechend der Üb-Freudigkeit zu Hause. Andererseits wächst der Wunsch nach anspruchsvoller Musik, möglichst klang- und rhythmusreich: Ein Spagat, der nur mit viel Geduld und Ausdauer zu bewältigen ist! Die gewählten Werke sind jetzt dramatischer, harmonienreicher. • Blasinstrumente: Blockflöten, Klarinette, Tenor-Horn, Posaune • Zupfinstrumente: Gitarren • Schlaginstrumente: Xylophon, Pauken • Tasteninstrument: Klavier • Streichinstrumente: Geigen, Celli Bild: Sven Germann Bild: zVg Durch das Zusammenwirken all’dieser Instrumente entstehen unendlich viele verschiedene Klangräume. Jeder Ton, jeder Klang muss zur richtigen Zeit, in der für den Augenblick richtigen Gestalt erklingen: Eine hohe Kunst des Zusammenwirkens! Alle Sinne sind dabei gefordert. Wer nicht die gemeinsame Bewegung, den gemeinsamen Puls auch in der eigenen Gestalt 6 Rudolf Steiner Schule Aargau Achte Klasse Einige SchülerInnen sind jetzt sehr gewandt auf ihren Instrumenten - auf deren Eigenarten jetzt differenzierter eingegangen werden muss. So ist jetzt ein Teil der Klasse in der Lage, allein verschiedene Musikstücke einzustudieren. Die SchülerInnen, die noch Begleitung oder Hilfe brauchen, arbeiten mit dem Lehrer in einem anderen Raum.Von Zeit zu Zeit wird das getrennt Geübte wieder in gemeinsamen Proben zusammengefügt. Mitteilungen Weihnachten 2012 Bild: Sven Germann Sommerspiel Eine Besonderheit an unserer Schule ist, dass jedes Jahr das Sommerspiel, welches von der jeweiligen vierten Klasse gespielt wird, von einem rund 20-köpfigen Orchester von SchülerInnen klassenübergreifend von der sechsten bis zur zwölften Klasse begleitet wird! Bild: zVg Oberstufenorchester Das Oberstufen Orchester setzt sich zusammen aus SchülerInnen, die in der Lage sind, an einer Orchesterarbeit sich zu beteiligen: Eine gute Grundlage auf dem Instrument und eine angemessene Arbeitshaltung sind da erforderlich. Kleine Kammermusik-Gruppen können entstehen sowie individuelle Projekte. Einige Stücke werden von allen gespielt. Nach Möglichkeit werden für uns spielbare Arrangements aus der historischen Orchester-Literatur gespielt sowie Jazz-, Film- und gute Unterhaltungsmusik. Im Januar wird die Orchesterarbeit des ersten Semesters an einem öffentlichen Konzertabend vorgestellt. Die SchülerInnen treten klassenweise, klassenübergreifend, in kleinen Gruppen auf; wenn möglich auch einzelne solistisch oder als Duo.Vor dem Konzert üben wir – in der Form einer Projektwoche – mit den verschiedenen Gruppierungen. « Chor Die SchülerInnen der achten bis zur zehnten Klasse (etwa 60) üben wöchentlich gemeinsam als Wochenausklang am Freitagnachmittag. Unsere erste Aufgabe in diesem Jahr war der Auftritt als Zugabe beim Benefizkonzert mit dem Pianisten Cosmin Boeru. Die SchülerInnen haben sich dabei selbst übertroffen, sodass dieses Ereignis für alle Teilnehmenden zu einem tiefen Erlebnis werden durfte. Jetzt bereiten wir uns auf die zwei Aufführungen von Mozarts Requiem am 3. und 5. März 2013 in Suhr und in Basel vor. Wir singen dann gemeinsam mit den 100 OberstufenschülerInnen der Rudolf Steiner Schule Birseck, dem Eltern-Lehrer-Chor und einigen LehrerInnen und ehemaligen SchülerInnen, begleitet von einem Berufsmusiker-Orchester und vier Solisten. Es muss noch streng und ausdauernd geübt werden, aber am Ziel wird gewiss für alle ein gewaltiges Erlebnis stehen! Ob das Zusammenspiel auch wirklich gelungen ist, kann man an der Tiefe der Stille, die nach dem Musizieren entsteht, erkennen.» Gil Soyer ■ Mitteilungen Weihnachten 2012 Rudolf Steiner Schule Aargau 7 Mittel- und Oberstufe ORCHESTERLEBEN « Rhythmen und Melodien sind Abbilder des Zornes oder der Sanftmut, der Mässigkeit und des Mutes, sowie ihrer Gegenteile.» Ausbildung Spielgruppenleitung «Die meisten treiben die Musik gegenwärtig zum Vergnügen, den Alten dagegen war sie ein Bildungsmittel … In den Melodien sind Nachahmungen ethischer Vorgänge enthalten … Die Musik besitzt die Fähigkeit, der Seele eine bestimmte sittliche Beschaffenheit zu geben … Die Musik dient der Bildung; daher soll man sie in der Jugend selbst ausüben … Man muss nur zusehen, was für Melodien und Rhythmen die Jugend üben und welche Instrumente sie spielen soll! Es gibt gewisse Arten von Musik, die eine nachteilige Wirkung haben … Rhythmen und Melodien sind Abbilder des Zornes oder der Sanftmut, der Mässigkeit und des Mutes, sowie ihrer Gegenteile. In ihnen sind Nachahmungen ethischer Vorgänge enthalten. Zwischen der Seele und den Melodien und Rhythmen scheint eine Verwandtschaft zu bestehen. Die Musik dient der Bildung zum Guten und Schönen, darum soll man die Jugend zu ihr hinführen. Ungebildete Hörer wirken nachteilig auf die Musik ein; sie zwingen die Künstler, sich nach ihnen dienstwillig zu richten, wobei diese die Musik durch alberne Faxen verunstalten und sie zur blossen Unterhaltung herabziehen. Es gibt zwei Gruppen von Hörern: freie und gebildete Menschen, sowie eine ungebildete Menge. Auch dieser seien musikalische Wettkämpfe und Schaustellungen zu ihrer Erholung vergönnt. Wie ihre Gemüter eine natürliche Verfassung eingebüsst haben und gleichsam verrenkt und verkrümmt sind, so stellen sich auch die gellenden und falsch tönenden Weisen als Ausartungen der wahren Musik dar. Für die Erziehung aber soll man eine Auswahl treffen und nur die ethisch wertvolle Musik verwenden! Wir fühlen uns innerlich verändert, umgewandet, wenn wir Musik hören. Wie könnte das geschehen, wenn nicht Harmonien und Rhythmen eine innere Verwandtschaft mit der Seele und ihren Zuständen und Bewegungen hätten? 8 Lernen, Kinder im Alter zwischen 21/2 bis 41/2 Jahren in einer Spielgruppe oder in der Familie körperlich-sinnlich, seelischemotional und sprachlich-musikalisch für das Leben zu stärken und als Individualität differenziert zu begleiten. Die Ausbildung ermöglicht den Einstieg in einen kreativen, sozialen und pädagogischen Beruf und schliesst ab mit dem Diplom zur Spielgruppenleitung. Die Ausbildung ist vom Verband anerkannt: www.sslv.ch Dauer: Infos: Unterlagen: Jahreskurs: Februar bis November 2013; familien- und berufsbegleitend: jeweils ein Wochenende pro Monat [email protected] www.elementarpaedagogik.ch Kosten: Inklusive Diplomierung CHF 3000.– Die Musik besitzt die Fähigkeit, dem Gemüte eine bestimmte sittliche Beschaffenheit zu geben. Vermag sie das aber, so muss man offenbar die Jünglinge zu dieser Kunst anhalten und in ihr unterrichten. Auch passt der Unterricht in der Musik sehr gut zu der Eigenart dieser Altersstufe. Denn die Jünglinge unterziehen sich wegen ihres Alters keiner Sache freiwillig, die ihnen keinen Genuss gewährt. Nun ist aber die Musik von Natur etwas Genussreiches. Es scheint auch eine Art Verwandtschaft zwischen der Seele und den Harmonien und Rhythmen zu bestehen.» Rudolf Steiner Schule Aargau Aristoteles (389-322 v. Chr.) ■ Mitteilungen Weihnachten 2012 Mittelstufe AKUSTIK – KLANG UND MUSIK Das Wort Akustik entstammt der griechischen Sprache. «Akustein» bedeutet hören. Im Unterricht der sechsten Klasse wird in der ersten Physikepoche ein grosses Gewicht auf das Hören, auf die Akustik, gelegt. Aber was hat das mit Musik zu tun? Pythagoras von Samos (ca. 570–510 v. Chr.), der griechische Philosoph und Natur(er)forscher, untersuchte den Zusammenhang zwischen der Länge einer Saite und dem Klang, der entsteht, wenn die Saitenlänge verkürzt oder verlängert wird. Erforschend tätig werden auch die Kinder der sechsten Klasse, wenn sie hörend erleben, wie eng die Verbindung von Klang und Mathematik ist. Bei der Tonleiter erlebt man das Ansteigen der Töne. Nach acht Schritten kommt man wieder beim gleichen Ton an, nur klingt er jetzt viel höher als am Anfang; dies nennt man die Octav. Wurde vorher z.B. bei einer Gitarre die ganze Saite gespielt, so erklingt die Oktav genau dann, wenn die Saite halbiert wird. Weitere Zahlenverhältnisse sind zu finden: Wenn genau 8/9 der Saite gespielt wird, ertönt die Sekund, bei 4/5 die Terz, bei 3/4 die Quart und bei 2/3 der Saite die Quint. So ergibt sich ein harmonisches Zusammenspiel: Tonhöhe und Bruchrechnen, ein weiteres wichtiges Thema für die sechste Klasse. So ist auch an diesem Beispiel der ganzheitlich Aspekt in der Steinerpädagogik zu erkennen. Musik, Mathematik und Physik sind keine absolut getrennten Bereiche, sie sind miteinander verbunden und das Eine ist immer nur im Bezug zum Andern zu verstehen. Und in diesem seelischen Erleben ist die Musik stets im Unterricht an der Steinerschule eingebettet und sollte nie als isoliertes «Randfach» betrachtet werden. « Musik, Mathematik und Physik sind keine absolut getrennten Bereiche.» Michael Poblotzki ■ Mitteilungen Weihnachten 2012 Rudolf Steiner Schule Aargau 9 Schwerpunkt MUSIZIEREN! Vom wahrnehmenden, mitfühlenden Zuhören im aktiven Gestalten « Musik ist etwas, das uns hilft, die Welt zu vergessen, und Musik ist etwas, wodurch wir die Welt verstehen können.» «Immer wenn man Musik macht, sei es als Mitglied eines Kammermusikensembles oder eines grossen Orchesters, muss man zwei wichtige Tätigkeiten gleichzeitig ausführen: Man muss sich selbst ausdrücken –, sonst trägt man nicht zum musikalischen Erlebnis bei –, man muss aber auch den anderen zuhören. (…) In jedem Fall ist es unmöglich, in einem Orchester auf intelligente Weise mitzuspielen, wenn man sich nur auf eine der beiden Tätigkeiten konzentriert. Es reicht nicht aus, nur die eigene Stimme zu spielen; wer nicht auf die anderen hört, wird vielleicht so laut, dass er die Stimmen der anderen überdeckt, oder er wird so leise, dass er nicht mehr zu vernehmen ist. Auf der anderen Seite ist Zuhören alleine aber auch nicht genug. Die Kunst, Musik zu machen, besteht darin, gleichzeitig zu spielen und zuzuhören, wobei das eine vom anderen profitiert. Zu einer solchen Bereicherung kommt es sowohl auf individueller als auch auf kollektiver Ebene: Das eigene Spiel wird dadurch ausdrucksstärker, dass man den anderen zuhört, und jede einzelne Stimme wird im Zusammenklang mit den anderen in ihrer Wirkung gesteigert. Dieser der Musik inhärente dialogische Charakter war der Hauptgrund dafür, dass wir unser Orchester gründeten.» Dies schreibt Daniel Barenboim, Dirigent und Pianist sowie Begründer von Musik-Kindergärten und des West-Eastern Divan Orchestra (in dem Palästinenser und Israelis, Christen, Juden und Muslime gemeinsam musizieren) in seinem Buch «Klang ist Leben. Die Macht der Musik.» Gleichzeitigkeit verschiedenster Qualitäten Auf beeindruckende Weise beschreibt Daniel Barenboim, wie im musikalischen Prozess zwei sehr bedeutungsvolle Qualitäten ineinander spielen müssen. «Die Kunst, Musik zu machen, besteht darin, gleichzeitig zu spielen und zuzuhören, wobei das eine vom anderen profitiert.» Das musikalische Gestalten muss zeitgleich mit einem wahrnehmenden, mitfühlenden Zuhören fortwährend begleitet werden. Diese Komplexität, die in höchst konzentrierter Form in der Gleichzeitigkeit abläuft, ist einzigartig! Im Musizieren werden alle diese Qualitäten dauernd gefordert und immer weiter geübt! Viele Hinder- 10 Rudolf Steiner Schule Aargau nisse sind dabei zu überwinden. Und wie! Dazu kommen noch unzählige weitere Teilfertigkeiten, die ebenfalls in dieser Gleichzeitigkeit darin beteiligt sind. Den Weg immer wieder dahin zu finden, dass sich alle Qualitäten voll entfalten können, zu einem sehr lebendigen, wundervollen Ineinander-Spiel, das ist das schönste und höchste Ziel im Musizieren. Was für ein wunderbares Geschenk, die Musik und die Welt darin, mit all diesen Qualitäten, entdecken zu dürfen! Wahrnehmendes, mitfühlende Zuhören Während ich aktiv musikalisch gestalte, muss ich mir selber zuhören können, muss aber auch wiederum zeitgleich offen sein für das Andere. Dieses wahrnehmende, mitfühlende Zuhören ist hoch differenziert, so vielschichtig, dass es nur annähernd, umkreisend mit Worten zu beschreiben ist. Wie klingt mein Gestalten auf mich, wie klingt es zum Anderen hin, wie klingt es an, was klingt vom anderen wieder zurück, wie klingt es bei mir an...? Im Tun, Wahrnehmen und Erkennen, und erneutem, verbesserten Tun, tieferem Wahrnehmen und vertieftem Erkennen entsteht ein fliessender Kreislauf. Ein ständiger Dialog mit mir und dem Anderen. Innen-, und Aussenwelten begegnen sich … Loslassen-Müssen. Fliessen lassen wie das Wasser, atmen lassen wie die Luft! Es spielt Wenn sich Spielen und wahrnehmendes, mitfühlendes Zuhören im musikalischen Fliessen verdichten, entwickeln sich «wirbelförmige» Richtungskräfte hin zur konzentrierten inneren Mitte, zur inneren «Wärme». Geistesgegenwärtig, hochaufmerksam balancierend «geprüft» im wahrnehmenden, mitfühlenden Zuhören und aktiven schöpferischen Gestalten! «Es spielt». Daraus zu schöpfen ist unendlich und unerschöpflich! Dazwischen hören – eine pädagogische Aufgabe Peter-Michael Riehm, Schulmusiker, Komponist und Pianist, schreibt in seinem Beitrag ‹Was ist die Musik?›: «Unsere eigentlichen musikalischen Erfahrungen machen wir zwischen den Tönen. So wie wir nicht in den Bausteinen des Architektonischen leben, sondern im ausgesparten, immateriellen Raum, den es umschreibt, so leben und wohnen wir musikalisch, innerseeMitteilungen Weihnachten 2012 Warum? Darum Musizieren! Aktives Musizieren stärkt sehr bedeutungsvolle Qualitäten, die im Musizieren wundervoll gleichzeitig ablaufen. Musizieren ist eine wohltuende, harmonisierende, ins Gleichgewicht bringende Tätigkeit. Dies wird direkt ohne grosse Umwege hör- und fühlbar. Dabei entsteht Künstlerisch-Schönes. Musik öffnet, erweitert Räume. Erweitert unsere Denkräume und vertieft unser Handeln. Musizieren wir gemeinsam. Die Gegenwart und Zukunft fordert geistesgegenwärtige, empathische, umsichtig handelnde Menschen. Geben wir Kindern und Jugendlichen die Chance, ein Musikinstrument zu erlernen, zu spielen, gemeinsam zu musizieren, zu singen... Rudolf Steiner schildert im ersten Vortrag «Das Wesen des Musikalischen» zusammenfassend: «Der Mensch fühlt in der Musik die Nachklänge dessen, was im Innersten der Dinge webt und lebt, was mit ihm so verwandt ist. Weil die Gefühle das innerste Element der Seele sind, verwandt mit der geistigen Welt, und weil die Seele im Ton ihr Element hat, in dem sie sich eigentlich bewegt, so lebt sie da in einer Welt, wo die körperlichen Vermittler der Gefühle nicht mehr vorhanden sind, wo aber die Gefühle noch leben. Das Urbild der Musik ist im Geistigen, während die Urbilder für die übrigen Künste in der physischen Welt selbst liegen. Wenn der Mitteilungen Weihnachten 2012 Bilder: Sven Germann lisch im intervallum, im unhörbaren Dazwischen. (...) Alles klingt, wir müssen’s nur wieder hören lernen. Das aber ist hervorragendste, weil eminent pädagogische Aufgabe, die sich uns dringender denn je stellt und an deren Umsetzung wir alle (Eltern, Erzieher,Therapeuten …) aktiv teilnehmen müssen zur Not-Wende dieser Zeit.» Kinder und Jugendliche spüren sehr sensibel, mit welcher Stimmung, mit welcher Offenheit und inneren Lebendigkeit ich ihnen begegne und mit ihnen zusammenarbeite. Ob ich mit einem mitfühlenden Zuhören sie wahrnehme. Kinder und Jugendliche wollen und müssen gehört werden. Eine drängende und auch dringende Forderung und Aufforderung in unserer gegenwärtigen Zeit, das aktiv Gestaltende immer vom wahrnehmenden, mitfühlenden Zuhören begleiten zu lassen! Es eröffnen sich Zwischenräume für das Feine, Zarte, Stillere im Innen und Aussen. Jeder Augenblick lässt uns deutlich, ja überdeutlich werden, wie viel zu üben wäre und noch ist! Mensch Musik hört, fühlt er sich wohl, weil diese Töne übereinstimmen mit dem, was er in der Welt seiner geistigen Heimat erlebt hat.» Ausklang Zum Ausklang nochmals Daniel Barenboim mit weiteren Gedanken: «Selbstverständlich kann das West-Eastern Divan Orchestra keinen Frieden herbeiführen. Es kann jedoch die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich ein Verständnis füreinander ausbildet, ohne das es noch nicht einmal möglich ist, Friedensgespräche zu beginnen. Das Orchester kann Neugierde eines jeden Einzelnen wecken, sodass er sich die Geschichte des anderen anhört, und vor allem auch ihm genügend Mut einflössen, damit er nicht die Ohren vor dem verschliesst, was er eigentlich nicht hören möchte. Denn wer das scheinbar Unannehmbare annimmt, vermag anzuerkennen, dass der Standpunkt des anderen eine Berechtigung besitzt.» (...) «Musik zu machen ist, vor allem was das West-Eastern Divan Orchestra betrifft, nicht einfach eine gemeinsam ausgeführte Aktivität, die Menschen miteinander verbindet, sodass sie die zwischen ihnen bestehenden Unterschiede vergessen, sondern es versetzt diese Menschen in die Lage, genau diese Unterschiede zu erkennen und sie zu verstehen. Es ist ein existenzieller Prozess, der zum Nachdenken einlädt und zum besseren Verstehen der anderen beiträgt, der uns hilft, unter die Oberfläche zu blicken und bis zum Wesen unseres Seins vorzudringen. Jeder Konflikt trägt das Potenzial in sich, positive Veränderungen herbeizuführen. Voraussetzung dafür ist, dass die darin verwickelten Individuen begreifen, dass die Argumente der Gegenseite nicht unbegründet sind. Sie müssen zulassen, dass diese Argumente ihr eigenes Denken erweitern.» (...) «Musik ist etwas, das uns hilft, die Welt zu vergessen, und Musik ist etwas, wodurch wir die Welt verstehen können.» (Zitat von Daniel Barenboim) « Die Kunst, Musik zu machen, besteht darin, gleichzeitig zu spielen und zu zuhören, wobei das eine vom anderen profitiert.» Beatrice Ruckstuhl ■ Rudolf Steiner Schule Aargau 11 ZooDiak XII VON HUFTIEREN, TIERKREISBILDERN UND DER « Die Tiere sind äusserlich gebildet nach ihren Imaginationen.» Zum Thema Hans-Wilhelm Smolik, der geistreiche Zoologe und Schriftsteller, beginnt seine Beschreibung der Tapire mit folgenden Worten: «Inmitten des indischen wie des südamerikanischen Tropenwaldes lebt scheu und heimlich, zumeist weit ab von den menschlichen Ansiedlungen, der starke Tapir. Schon in grauen Vorzeiten trollte dieser urweltliche Rüsselträger, (rein äusserlich) ein Mittelding zwischen einem grossen Schwein und einem Flusspferd, auf festen Wechseln durch die dampfende, tropfende und wuchernde Wildnis». Die Tapire, namentlich der einfarbig braune Flachland-Tapir aus Südamerika (Tapirus terrestris) und der schwarz-weisse Schabracken-Tapir aus Südostasien (Tapirus indicus), wurden öfter als «Lebende Fossilien» bezeichnet, d. h. als urtümliche Huftierformen, die sich in einem vergessenen Winkel der Welt erhalten haben; abseits vom Hauptstrom der Huftier-Evolution. Während im Lauf des späteren Tertiärs (im «Neo-Gen») sowie in den Eiszeiten mit den dazwischen liegenden Warm-Zeiten sich die verschiedenen Charaktere der fortgeschrittenen Huftiere ausformten, zogen sich die Tapire in eine abgelegene ökologische Nische zurück. Eine Nische, die noch etwas dem urigen, sumpfig-saftigen Milieu des früheren Tertiärs ent- Tragzeit bis 400 Tage und nur ein einziges Junges. Das Junge ist längsgestreift und -getüpfelt «wie eine Melone». Die Längsstreifung erinnert auch etwas an die Frischlinge der Wildsau. Aber welch ein Unterschied im Fortpflanzungs-Tempo! Die Bachen der Wildschweine tragen 114 bis 140 Tage – bei Hausschweinen gilt die Faustregel: 3 Monate, 3 Wochen und 3 Tage. Dann wirft die Bache ein halbes Dutzend Frischlinge oder mehr aufs Mal. Und auch bezüglich der Wehrfähigkeit sind Tapire ganz anders als Wildsäue, denen sie sonst gestaltmässig etwas ähnlich sehen. Tapire haben keine scharfen Eckzähne. Auch können sie keine wirksamen Fusstritte austeilen wie Pferde und Giraffen. Und Hörner auf der Nase oder auf dem Kopf haben sie schon gar 12 Rudolf Steiner Schule Aargau Quelle: www.zeno.org - Zenodot Verlagsgesellschaft mbH Einleitung Mit diesem zwölften Essay wird der Zwölferkreis der Huftiere abgeschlossen und der Entwurf, diese stämmigen Tiere zusammenzuschauen mit dem uralten Menschen-Tierkreis-Schema, sowie mit den traditionell zugehörigen Planeten.Vom kosmologischen Widder beginnend und bei den «Fischen» endend wurden folgende Huftiergruppen durchgegangen: Böcke – Rinder – Antilopen – Hirsche – Elefanten – Seekühe – Kamele – Schweine und Flusspferde – Giraffen – Nashörner – Tapire – und die Pferdeartigen. spricht: Im Dschungel Südost-Asiens und in Amazonien, wo die Ströme regelmässig über die Ufer treten und den Urwald grossflächig unter Wasser setzen. Dort sind diese wasserliebenden Drei-Hufer zu hause. Während die anderen Unpaarhufer, die ebenfalls dreihufigen Nashörner und die einhufigen Pferde, Zebras und Esel sich an die trockenen Steppen und Halbwüsten gewöhnten, verblieben die Tapire im RegenwaldSumpf. Mit erstaunlicher Gewandtheit durchqueren sie das Dickicht des Dschungels und der tropischen Feuchtgebiete. Die dortige Pflanzenwelt stellt ihnen reichlich weiches Grünzeug und leckere Früchte zur Verfügung. Die Fortpflanzung dieser bis 300 kg schweren Urwaldbewohner ist eine überaus langsame: Von den Tapiren Mitteilungen Weihnachten 2012 ZWÖLFGLIEDRIGEN MENSCHENGESTALT nicht. Es sind vielmehr recht zurückhaltende, zurückgezogen lebende, passiv-defensive Huftiere. Die extrem langsame Vermehrung und die Zurückgezogenheit dürfte auf saturnische Einflüsse deuten – und auf Aquarius, den Wassermann – das unauffällige zurückhaltende Tierkreis-Wesen. Hiermit könnte das hypothetische TierkreisPlaneten-Elemente-Huftiere-und-MenschenSystem soweit als vollständig und abgeschlossen gelten. Zusammenfassung und Schlusswort Die menschliche Gesamtgestalt als ein wohlgeordnetes, harmonisches Kraftgebilde ist es so die uralte Anschauung – die den ganzen makrokosmischen Tierkreis zusammenfasst. Den Tierkreis als den gewaltigen Himmelsring, der auf zwölffache Weise seine Kräfte zur Erde sendet und Jahr für Jahr von der Sonne durchlaufen wird. Auch der «irdische Tiere-Kreis», der als muntere Schar von verschiedensten Tiergestalten die Erde belebt und beseelt, scheint in der Menschengestalt seine Zusammenfassung zu finden, im Ganzen und im Einzelnen. Wir hatten die Grössten und Stärksten unter den Tieren herausgegriffen, von denen viele für den Menschen von grosser, handfest-praktischer Bedeutung sind. Schon als Wildtiere erzeugen sie im Zusammenleben mit der Pflanzenwelt eine Art «natürlicher Kulturlandschaft». Diese kann dann vom Menschen weiter entwickelt und gepflegt werden, nicht zuletzt wieder mit Hilfe der gezähmten Huftiere. Zudem hat die Tierwelt vielfache spirituelle Bezüge, die von der früheren Menschheit geahnt oder gewusst wurden. Man kann sie heute noch teilweise da und dort durchschimmern finden. In der vorliegenden Folge von zwölf Essays wurde versucht solche Bezüge mit Hilfe der neueren Zoologie als ein strukturiertes Gefüge der Huftiergruppen neu aufzubauen. Dieses enthält (von unten nach oben): • Die edlen PFERDEARTIGEN mit ihren «musikalischen» Gliedmassen und eisenharten Hufen (Ju, Füsse). • Die urtümlichen TAPIRE (Saturn, Wassermann, Unterschenkel). • Die schwergewichtigen NASHÖRNER mit den gelenkigen Beinen (Saturn, Steinbock, Knie). • Die eleganten, hochaufgerichteten GIRAFFEN (Jupiter , Schütze, Oberschenkel). Mitteilungen Weihnachten 2012 • Die erd- und wassergebundenen «wollüstigen» NILPFERDE und SCHWEINE (Mars, Skorpion, Geschlechtsorgane). • Die «Wüstenschiffe», welche die Oasen miteinander verbinden. Wahre Künstler im Ertragen von Trockenheit, Hitze und Kälte: DROMEDARE, KAMELE und LAMAS (Venus, Waage, Hüften und Becken). • Die «embryonalen» SEEKÜHE, entfernte Verwandte der Elefanten (Merkur, Jungfrau, Bauch mit Uterus). • Die alles umfassenden ELEFANTEN, im menschenähnlichen Gleichgewicht aller drei Systeme (Sonne, Löwe, Herz). • Die HIRSCHE mit den aufstrebenden Geweihen, diesen geheimnisvollen «lüfteleichten Knochen-Bäumen» (Mond, Krebs, Brustkorb mit Lunge). • Die in Riesensätzen durch die Luft fliegenden ANTILOPEN und GAZELLEN (Merkur, Zwillinge, Schultergürtel). • Die RINDER als Stoffwechsel-Alchemisten (Venus, Stier, Hals mit Nacken und Kehlkopf). • Die SCHAFS-, ZIEGEN- und STEIN-BÖCKE mit den beinharten, hornverstärkten Stirnen (Mars, Widder, Stirne). Der Stellenwert einer sachgemäss betriebenen Tierkunde für die Erziehung und Selbsterziehung ist ein bedeutender. Das kommt zum Ausdruck in den folgenden Worten Rudolf Steiners: «… wenn ich da draussen die Tiere sehe: die sind abgeschlossen in ihren Formen. Ich bin keine solche Form geworden. Ich schaue nicht aus wie ein Löwe, schaue nicht aus wie ein Stier, wie der Ochse oder wie das Schwein, sondern das alles ist in einer Synthese in mir enthalten. Ich trage die Anlage zu alledem in mir … Es ist nur ausgeglichen , ins leibliche Gleichgewicht gebracht durch die Sonnenwirkung … Dadurch kann ich Formen denken. Dadurch kann ich Imaginationen denken. Die Tiere sind äusserlich gebildet nach ihren Imaginationen … Die imaginative Welt ist mir ja überhaupt äusserlich ganz sichtbar, indem ich die Tierwelt überblicke … Ja, da verwächst man ganz anders mit der Welt, wenn man das entwickelt. Da wird das Wollen und das Fühlen in einer ganz anderen Weise belebt. Da fühlt man eine Verwandtschaft mit den Reichen der Natur». « Ich schaue nicht aus wie ein Löwe, schaue nicht aus wie ein Stier, wie der Ochse oder wie das Schwein, sondern das alles ist in einer Synthese in mir enthalten. Ich trage die Anlage zu alledem in mir.» Felix Bauer ■ Rudolf Steiner Schule Aargau 13 Aus dem Schulleben DIE NEUEN GESICHTER AN UNSERER SCHULE Die erste Klasse Hintere Reihe von links nach rechts: Stefan Giger, Ryan Zollinger, Johanna Wendemuth, Bouschaïb Hill, Marius Niggler, Lynn Staub Vordere Reihe von links nach rechts: Amadeo De Giuli, Chesney Graber, Ruben Schulcz Pereira, Jeremias Hermanek, Maila Schaufelbühl, Joshua Flückiger ■ 14 Rudolf Steiner Schule Aargau Mitteilungen Weihnachten 2012 Neue Lehrpersonen 2012 Francesca Chiusano Seit Anfang 2012/13. Unterrichtet Geschichte, Geographie und Kunstgeschichte in der Oberstufe, Englisch in der Unter-und Mittelstufe Stefan Giger Seit Anfang 2012/13. Klassenbetreuer erste Klasse Jasmine Gloor Seit Oktober 2012. Praktikantin in der Tagesbetreuung und Spielgruppe in der Farfallina Franziskus Heigl Seit Anfang 2012/13. Mathematik und Physik Saskia Keller Praktikantin in unserer vierten Klasse im Rahmen des Studiums an der Akademie für anthroposophische Pädagogik(AfaP). Montag bis Donnerstag Dagmar Odefey Seit Anfang 2012/13. Lehrerin für Gartenbau Kathrin Schuhknecht Seit 1. Januar 2012. Betreuerin in der Farfallina Sophie Simon Seit Anfang 2012/13. Kindergärtnerin Sibylle Müller Seit Anfang 2012/13. Leiterin der Eltern-Kind-Gruppe, (Montagmorgen) Elisabeth Wanzenried Seit Anfang 2012/13. Musikunterricht ■ Mitteilungen Weihnachten 2012 \YZL 5,<,2 Z^PS Y L W 9\W ear English Atelier Alte Spinnerei Rupperswil GmbH Die Sprachschule mit der persönlichen Note e, Englisch ist die Weltsprach sprechen Sie mit! Anfängerkurse Fortgeschrittenenkurse Konversation [î6WXQGHQ/HNWLRQSUR:RFKH 0RUJHQVQDFKPLWWDJVRGHUDEHQGV .OHLQJUXSSHQRGHU(LQ]HOXQWHUULFKW /DXIHQGH.XUVH1HXH.XUVH 9HUODQJHQ6LHXQVHUH.XUVXQG 7HUPLQXQWHUODJHQ Leah Hughes Telefon 062 891 36 88 Aarestr. 29A Mobile 078 708 78 72 5102 Rupperswil Mailto [email protected] Internet www.english-atelier.ch FRIENDS ? MOTORWAY ? POLITICS ? GREAT ? SIGHTSEEING ? CON VERSATION ? FINGER FOOD ? NEVER ? WORK ? HAPPINESS ? RIVER ? EXPRESSION ? DREAM ? CALIFORNIA ? REPETITION ? LOVE ? CADILLAC ? WHY ? LISTEN ? WHERE ? MUSIC ? FAMILY ? WHO KNOWS ? TRAVEL ? PRONUNCIATION ? FILMS ? BEAUTIFUL ? TALKING ? WHEN ? Rudolf Steiner Schule Aargau 15 Im Gespräch IM GESPRÄCH MIT JOSEPH HESS «Im Gespräch» ist eine Rubrik, ein Auszug aus einem Gespräch, das Stefanie Schär mit Menschen führte, die Wesentliches beigetragen haben zur Schulgründung oder Schulgestaltung. Die Artikel möchten dazu beitragen, dass die Anfänge unserer Schulbiografie wieder oder neu ins Bewusstsein treten und damit verbunden auch die Achtung vor den vielen Schritten zu diesem «Gewordenen». Die Artikel sollen, dürfen eine persönliche Nuancierung haben, entsprechend den Erinnerungen, Erfahrungen und Bezügen der jeweiligen Persönlichkeit. Welche Kindheitserlebnisse sind dir in starker Erinnerung? Aufgewachsen bin ich als ältestes Kind einer Bauernfamilie im Kanton Luzern mit vier Brüdern und einer Schwester. Ich hatte starke Kindheitserlebnisse. Da war viel Natur: Der Baumgarten mit Kuhweide, Erlebnisse im Wald, klettern, kaum Spielsachen, primäre Sinneserfahrungen, ein natürliches Umfeld. Eine Lebenstatsache war: Es brauchte uns Kinder. Es gab sozusagen keine Ferien, sondern schulfreie Zeit. Die Herbstferien waren gefüllt mit der Rübenernte, der Apfelernte und der Kartoffelernte. Die Milch musste täglich in die Käserei gebracht werden. Wir waren tätig mit den Erwachsenen. Das waren unschätzbare Qualitäten für die Willenserziehung. Das Heu wurde auf den Wagen geladen und befestigt mit dem Bindbaumseil. Anschliessend durften wir Kinder zuoberst sitzen! Das Garbenbinden war etwas Besonderes. Aus dem geschnittenen Getreide wurden mit Seilen Garben gebunden und anschliessend «Puppen» gemacht. Die Deckgarbe kam zuoberst. Das sah wunderschön aus. Im Winter wurde das Getreide gedroschen. Da mussten wir schulfrei nehmen. Im Mai war das Maikäferfangen, später das Heuschreckenjagen. Im Juni waren die Heuferien. Steine mussten auf dem Acker aufgelesen werden. Im Winter setzten wir mit dem Vater Tännchen im Wald. Ein Jahreskreislauf an Tätigkeiten! Welches Erlebnis aus der Jugendzeit empfindest du als prägend? Mit zwölf Jahren sprach ich mit Schulkameraden über Berufswünsche. Für mich war dann ganz klar, dass ich Lehrer werden möchte. Das 16 Rudolf Steiner Schule Aargau wurde mir auch ermöglicht. Mit 15 Jahren besuchte ich das Lehrerseminar in Hitzkirch und lebte auch dort im Internat. Der Übergang war hart. Es war jetzt gefragt, sich intellektuell mit dem Schulstoff auseinanderzusetzen. Wir mussten unter Aufsicht studieren und lebten anfänglich in Sechser- und Achterzimmern. Es gab wenig Privatraum. Die fünf Jahre im Seminar wurden zu einer wichtigen, prägenden Entwicklungszeit. Welche Persönlichkeiten haben dich geprägt? Wie und warum? Prägend war die Kultur.Tore gingen auf: Theater spielen mit dem Theaterpädagogen Josef Elias, regelmässige Konzertbesuche. Kunstgeschichte bei Dr. von Moos. Ich war sein Assistent bei Ausstellungen. Ich erlebte eine humanistische Bildung, die Welt des Schönen, geistige Fragen, Menschheitsfragen, Humanpsychologie. Ich begegnete der Reformpädagogik: Montessori, Steiner. Der Seminardirektor wurde allerdings dann vom Regierungsrat entlassen. Es war die Zeit der Nachwehen der 68er Bewegung, seine jugendnahe, weltoffene Haltung war dem Regierungsrat zu lasch … Wie hast du den Zugang zur Anthroposophie gefunden? Mit 20 Jahren begegnete ich der Anthroposophie noch während der Seminarzeit. Ich besuchte in Bern den Jahreskurs für anthroposophische Pädagogik während meiner 5-jährigen Tätigkeit als Lehrer an der Staatsschule in Udligenswil. Dort konnte ich auch die Buchstaben künstlerisch mit Bildern einführen und wurde ermutigt, das auch andern Lehrern zu zeigen. Der Inspektor aber meinte in Bezug auf Anthroposophie: Bleiben Sie auf dem Boden! An einer Tagung auf der Beguttenalp erarbeiteten wir die «Philosophie der Freiheit» und die «Kernpunkte der sozialen Frage». Das wurden meine Grundsäulen. Mit 25 Jahren absolvierte ich in Bern das zweijährige Vollzeitstudium für Waldorfpädagogik, welches von Max Widmer gegründet wurde. Im Kanton Bern lebte der starke Impuls der Freien Pädagogischen Vereinigung, die Waldorfpädagogik in der Staatsschule zu integrieren. Diese Lehrerpersönlichkeiten haben mich sehr beeindruckt und geprägt. Mitteilungen Weihnachten 2012 Welcher Zusammenhang besteht zwischen dir und der Rudolf Steiner Schule Schafisheim? Während meiner Zeit in Udligenswil arbeitete ich im Initiativkreis zur Gründung einer Rudolf Steiner Schule in Luzern mit, nahm am Lesekreis und der Eurythmie teil und besuchte im Zweig Vorträge. Ich hatte die Idee, nach der Eröffnung der Schule dort als Lehrer tätig zu werden. Im Jahre 1978 wurde dann die Rudolf Steiner Schule Aargau in Lenzburg eröffnet.Vom Gründungskollegium kannte ich Anita und Franz Arnold. 1981 machte ich bei Philipp Schumacher ein dreiwöchiges Praktikum. 1982 wurde ich mit 27 Jahren in Schafisheim Klassenlehrer der damaligen ersten Klasse mit 32 Schülerinnen und Schülern. Die Schule war noch in der Pionierphase. Es gab keine Schonfrist, kein Probejahr und kein Mentorat! Im zweiten Jahr wurde ich bereits Leiter der pädagogischen und der Internen Konferenz. Welchen Aufgaben hast du dich gestellt im Schulganzen? Nachdem ich zwei Klassenzüge von der ersten bis zur achten Klasse geführt hatte, übernahm ich die Klasse von Daniel Gertsch in der sechsten Klasse und unterrichtete anschliessend bis im Frühjahr 2010 an der Mittelstufe sechsten bis achten Klasse. 2001/02 arbeitete ich in der «Task-Force» mit, welche in einer Krisensituation durch die Schulgemeinschaft ins Leben gerufen wurde. Diese Gruppe wurde ermächtigt und befugt, alle Prozesse einzuleiten und durchzuführen, die zur Überwindung der Schulkrise notwendig waren. Eine Schulleitung entstand, in der ich von 2002 bis Juli 2012 für das Ressort Pädagogik verantwortlich war. Für diese neue Aufgabe besuchte ich 2002 eine Weiterbildung in Organisations- und Personalentwicklung an der Fachhochschule für soziale Arbeit in Basel. (Trigon Entwicklungsberatung). Im Sommer 2010 übernahm ich nach 20 Jahren wiederum eine erste Klasse, mit der ich nun bereits im dritten Schuljahr bin. Nebst der eigenen Schule ist mir auch die Schulbewegung der Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz ein grosses Anliegen. Mehr als zehn Jahre arbeitete ich als Vertreter unserer Schule in der Arbeitsgemeinschaft der Rudolf Steiner Schulen mit und durfte auch einzelne Schulen beratend begleiten. Seit drei Jahren bin ich in der Kursleitung «Führen in selbstverwalteten Schulen» tätig. Die Frage nach der Führung einer selbstverwalteten Schule erachte ich als sehr Mitteilungen Weihnachten 2012 wichtig. Ebenfalls bin ich im Stiftungsrat der Altersvorsorge der Rudolf Steiner Schulen Schweiz. Was waren deine Erlebnisse in der Schulleitung? Es waren hohe Erwartungen da. Die Schulleitung hat eine klare Aufgabenstellung vom Kollegium: Es geht hauptsächlich um Prozessleitung und nicht darum, in die Pädagogik einzugreifen. Ich musste oft meine Rolle, meine Funktion klären. Es ist eine dienende, unterstützende Arbeit. Selbstverwaltete Schulen erlebe ich als Praxisorte der Dreigliederungsidee von Rudolf Steiner. Eine Ernüchterung war der Umgang mit unserem Qualitätssystem: «Wege zur Qualität». Es ist ein Schulentwicklungsinstrument, das noch zu wenig in unserem Schulalltag verankert ist. Die zwölf Gestaltungsfelder zu «Wege zur Qualität» werden aber heute immer bewusster ergriffen. Allmählich entsteht eine Rückblicks- und Rechenschaftskultur an unserer Schule. Mitten in der Schulstube, verantwortlich für die Klasse und im Organisatorischen als Ganzem zu sein, gab grosse Genugtuung und Befriedigung. Was fällt dir bei den heutigen Kindern auf? Was fordern sie? Die Kinder von heute können schnell in etwas hineingehen. Es ist eine grosse Wachheit da, auch durch die Medien. Nebst dem geführten Unterricht durch den Lehrer brauchen die Kinder schon in den ersten Schuljahren Lernumgebungen, in denen sie individuelle Lernprozesse machen können. Stimmig erlebte ich in den ersten zwei Schuljahren das bewegte Klassenzimmer und den wöchentlichen Waldtag. In der Arbeit mit den Kindern sind wir immer an der Quelle. Da ist soviel Kreativität, Phantasie und Vielfalt! Es ist wichtig, aus der Wahrnehmung der Kinder den Unterricht zu gestalten. Was wünschst du dir für die Schule? Ich wünsche mir eine gesunde Entwicklung der Schule mit ansteigenden Schülerzahlen. Wichtig ist auch ein positives Aussenbild der Schule. Die attraktiven Angebote unserer Schule müssen wahrgenommen werden. Dazu kann die ganze Schulgemeinschaft beitragen. « Ich wünsche mir eine gesunde Entwicklung der Schule mit ansteigenden Schülerzahlen.» Danke für das anregende, wertvolle Gespräch. Stefanie Schär ■ Rudolf Steiner Schule Aargau 17 Mittelstufe GEORGIEN Der Weg von Vergangenheit in die Zukunft Erlebte Zeit ist ja nicht so klar strukturiert wie die objektive Zeit des westlichen Menschen. Und trotzdem, oder gerade dadurch, hat der Georgier immer Zeit für seinen Mitmenschen.» Georgien, west-östlich zwischen dem Schwarzen und Kaspischen Meer und nordsüdlich zwischen dem Grossen und dem Kleinen Kaukasus, am Fuss des Grosskaukasus-Gebirges liegend, ist landschaftlich sehr mannigfaltig: Von den Gletschern und Steilhängen des Kaukasus zu der mediterranen Schwarzmeerküste im Westen bis zur Halbwüste im Osten des Landes. Flächenmässig ist Georgien grösser als die Schweiz und kleiner als Österreich mit knapp 70 000 km2 und mit einer Einwohnerzahl von etwa 5,5 Millionen. In Westgeorgien herrscht ein subtropisches Klima, Ostgeorgien hingegen neigt mehr zum Kontinentalklima. Als Grenze zwischen Westen und Osten gelten die Lichi-Berge mit dem Rikoti-Pass (997 m. ü. M.), eine Wasserscheide zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer. Der Regen im Westen des Landes löst im Osten immer starke Winde aus. Das Volkstemperament der Georgier ist cholerisch-sanguinisch mit ziemlich starken Nuancierungen, je nachdem, wo das Herkunftsgebiet geographisch liegt, mehr im Westen, Osten, Norden oder Süden des Landes. Die Westgeorgier: Megrelen, Gurier, Imeretier sind geprägt vom sanguinischen Temperament; die Ostgeorgier: Kartlier und Kachetier sind eher melancholisch; die Swanen und besonders die Ratscha-Letschchumi Bewohner im Norden sind sprichwörtlich phlegmatisch und die feurigen Menschen im Süden, früher die besten Krieger im Heere der alten georgischen Könige, sind cholerisch ausgeprägt. Generell ist der Ostgeorgier im Umgang mit Menschen oftmals direkter, ehrlicher, als der höfliche Westgeorgier. Der Ostgeorgier, z.B. der Kachetier sagt in der Regel direkt, was er will und was er nicht will, ein Imeretier als Gast hingegen will nicht ohne Weiteres zugeben, dass er z.B. Hunger hat, der Gastgeber muss es erraten und zu wiederholtem Male ihn ermutigen. Erst dann ist die Sache für ihn in Ordnung. Anthropologisch-geographisch gesehen weist Georgien die Merkmale auf, die auch in Europa zu beobachten sind, nämlich im Westen und Norden des Landes leben die Menschen, die durch die blonden Haare und die blauen Augen gekennzeichnet sind. Im Osten und Süden hingegen leben dunkelhaarige und schwarzäugige Menschen. 18 Rudolf Steiner Schule Aargau « Die Georgier lieben sehr die eigene Kultur und galten immer als landesgebunden, sie emigrierten nicht gerne. Nur die unmenschliche politische Lage und die unerträgliche wirtschaftliche Misère der letzten zwanzig Jahre zwangen über eine Million Georgier in alle Himmelsrichtungen zu flüchten. Recht gute Kenntnisse der eigenen Geschichte und die Verehrung der historischen und kulturellen Grössen des Landes macht die Georgier manchmal vergangenheitsbezogen. Man ist sehr stolz auf David den Erneuerer, Königin Tamara oder Schota Rustaveli. Aber die bewusste und menschenwürdige Gestaltung der Gegenwart und Zukunft wird generell nicht genügend in Griff genommen, obwohl die «Rosenregierung» in den letzten neun Jahren in extrem schnellem Tempo versucht hat, das Land an die westlichen Strukturen anzupassen, was oft mit der Vernachlässigung der Interessen von weiten Kreisen der Bevölkerung verbunden war. Jeder Georgier trägt die Geschichte des Landes lebendig in sich. Er ist nicht so getrennt von seiner Vergangenheit wie der Mittel- und Westeuropäer, geschweige denn der Amerikaner. Jede Kritik, sogar objektiv wissenschaftliche Analysen der beliebten Gestalten der Geschichte und Kultur, stösst oft auf massiven Widerstand beim lesenden Publikum, weil dies als nationale und persönliche Beleidigung empfinden wird. So hat heute das einst zukunftsgewandte, prometheische Volk mit den epimetheischen Resten in der eigenen Seele zu kämpfen. – Aus dem Gesagten wird klar, dass die Zeitempfindung des Georgiers anders ist als die des westlichen Menschen. Der Georgier lebt noch nicht ganz in der Zeit, sondern weitgehend lebt die Zeit in ihm. Sein Zeiterleben ist nicht so klar strukturiert wie das des Westmenschen. Und wenn er deshalb auch oft Schwierigkeiten mit der Pünktlichkeit haben mag, so merkt man an ihm andererseits auch keine Spur des Hastens, der «Plage» des Westmenschen. Für ihn ist die Zeit noch nicht etwas «Äusseres», was man «haben» kann, sondern etwas, in das man noch seelisch eintauchen und deshalb nicht so gut einteilen kann. Erlebte Zeit ist ja nicht so klar strukturiert, bzw. strukturierbar, wie die «objektive» Zeit des westlichen Menschen. Und trotzdem oder gerade dadurch «hat» der Georgier immer Zeit für seinen Mitmenschen. Seine Gastfreundlichkeit und Hilfsbereitschaft sind sprichwörtlich. Oft hört man in Mitteilungen Weihnachten 2012 Georgien, dass «der Gast von Gott komme». Man besucht die Freunde und Bekannten auch am Spätabend oder im «Notfall», (der nicht selten ist) holt man die Schlafenden gar aus dem Bett! Und es wird von den Gastgebern nicht übel genommen, weil «es jedem passieren kann!» Die Beziehungen von Mensch zu Mensch sind eher familiär, was an sich viel menschliche Wärme und Sympathie beinhaltet, es kann manchmal aber zu Konflikten führen, die dann «heiss» ausgetragen werden, aber auch schnell wieder vergessen sind. Es divergiert erheblich von den Eigenschaften des Westmenschen, der als voll ausgebildete Persönlichkeit wie eine Burg dasteht und bewusst und unbewusst die Achtung und die rücksichtsvolle Behandlung seiner Person gebietet und dies meist auch geniesst, aber dann auf Beleidigung oder Enttäuschung mit «kalten» Konflikten reagiert, die dann latent verlaufen und langfristig sind. Auch das Raumgefühl des Georgiers ist anders als das des Westmenschen. Er ist noch nicht ganz abgegrenzt von seiner Umgebung und seinen Mitmenschen. Er ist im grösseren Masse ein Teil seiner Umgebung. Seine Naturliebe ist mehr instinktiv, aber sein Umweltbewusstsein, seine Verantwortlichkeit für die bedrohte Natur Georgiens ist nicht genügend stark, um gegen den ungeheuerlichen Raubbau, der in den letzten Jahren an der Natur verübt wurde, zu protestieren, geschweige denn, ihm Einhalt zu gebieten. Das von manchen ausländischen Schriftstellern beobachtete angeborene Schönheitsgefühl der Georgier kann man erleben in der Gestaltung der Wohnhäuser und Höfe z.B. in Westgeorgien. Was ihm persönlich gehört, gestaltet der Georgier schön, aber darüber hinaus reicht seine Gestaltungskraft nicht. Das durch die raumgestalterische Spontaneität gekennzeichnete alte Tiflis haben die Reisenden wie Alexandré Dumas oder Knut Hamsun noch bewundert. Laurens van der Post sprach sogar daMitteilungen Weihnachten 2012 von, dass die Georgier mit den Iren die einzigen Menschen seien, die jemals im vollen Umfang den schöpferischen Nutzen der ästhetischen Verantwortungslosigkeit erfasst hätten! Aber dieses planlose, chaotische Wachstum der Stadt, das von der Regierung in den letzten Jahrzehnten betrieben wurde, hat die Formen angenommen, die wohl verantwortungslos, nicht mehr aber ästhetisch genannt werden können. Georgien ist ein Land der Poesie und der Künste und es hat immer wieder faszinierend auf die Reisenden, besonders auf die Grossen Russen gewirkt. Puschkin, Lermontow, Tolstoj, Tschaikowsky, Tschechow, Gorki, Schaljapin, Belyi, Pasternak, Essenin und viele andere verdanken diesem «wunderschönen Land, das mit echter Poesie erfüllt» (Puschkin) wichtige Impulse für ihr Schaffen, sie fanden hier oft eine «zweite Heimat». Heute macht Georgien schwierige Zeiten durch. Der Alltag der Menschen ist manchmal bis zur Verzweiflung unerträglich. Der langwierige Weg der inneren und äusseren Transformation ist im Gange. Der dem Georgier eigene Humor und der unbeugsame Lebenswille können ihm aber eine Stütze werden auf diesen Weg. Die Stärke des heutigen Georgiens ist die weltoffene, lernfreudige Jugend. Schafft sie einen Durchbruch zur bürgerlichen Gesellschaft, welche die menschenunwürdige Behandlung seitens der Machthaber nicht einfach hinnimmt, sondern selbst mutig die Verantwortung für die Zukunft übernimmt? Die letzten Parlamentswahlen, die vor einigen Wochen stattgefunden haben, haben deutlich gezeigt, dass die Jugend bereit ist diese Verantwortung zu übernehmen. Auch für die neugebildete Regierung bleibt die Frage aktuell: Bewältigt das Land die vielen ungelösten Probleme in absehbarer Zukunft? Jeder Georgier trägt im Stillen diese Frage in sich und hofft, dass dies gelingen wird. Nodar Belkania ■ Rudolf Steiner Schule Aargau « Das Volkstemperament der Georgier ist cholerischsanguinisch mit ziemlich starken Nuancierungen, je nachdem, wo das Herkunftsgebiet geographisch liegt.» Nodar Belkania Full Professor für Psychologie an der Fakultät für Sozial- und Politikwissenschaften der Staatlichen I. Javakhishvili Universität Tbilissi und Vorsitzender der Anthroposophischen Gesellschaft in Georgien. Verheiratet mit Lela Prangulaschwili, Vater von drei Kindern. Der jüngste Sohn Sandro besucht zurzeit die zehnte Klasse unserer Schule. 19 Adventsbasar 2012 IMPRESSIONEN Eine sonnenbeleuchtete Tücherreihe erinnert an frische Frühlingsfarben. Die Jungs jonglieren im lichten Hemd, als wär's ein Sommertag. Eine wärmende Herbstsonne lädt zum Pizzaessen im Freien ein. Und nur der Marroniverkäufer erinnert vage an kühlerere Wintertage. Doch alle wissen es, am letzten Wochenende vor dem ersten Advent ist Basar und wir gehen hin, kaufen ein für Weihnachten, freuen uns über Begegnungen und geniessen gemeinsam das alljährlich wiederkehrende Ereignis. Salome Hermanek Bilder: Sven Germann ■ 20 Rudolf Steiner Schule Aargau Mitteilungen Weihnachten 2012 Mitteilungen Weihnachten 2012 Rudolf Steiner Schule Aargau 21 22 Rudolf Steiner Schule Aargau Mitteilungen Weihnachten 2012 Ankündigungen DATEN UND TERMINE Mi, 16. Januar Do, 17. Januar 0800 bis 16.00 Uhr 0800 bis 16.00 Uhr Öffentliche Besuchstage mit Kaffeebar ab 08.00 Uhr, gemeinsames Mittagessen Fr, 19.30 Uhr Orchesterkonzert Saal, Kollekte 25. Januar Fr, 1. Februar 18.00 Uhr Variété und Ball Saal So, 3. März 17.00 Uhr Chorkonzert Requiem in d-Moll (KV 626) von W. A. Mozart Kath. Kirche Suhr Eintritt: CHF 30.– / 15.– (erm.) / 70.– (Familien) Sa, So, Fr, Sa, So, 9. März 10. März 15. März 16. März 17. März 19.30 Uhr 17.00 Uhr 19.30 Uhr 19.30 Uhr 17.00 Uhr «Die Dreigroschenoper» Eine Aufführung der Freien Bühne Schafisheim. Regie: Cornelis Rutgers. Kollekte Sa, 23. März 11.30 bis 16 Uhr 10.00 Uhr Frühlingsfest Quartalsfeier Markt mit öffentlicher Quartalsfeier Di, 9. April 20.00 Uhr Pädagogischer Abend Vortrag von Christiane Kutik «Klare Eltern – starke Kinder» Saal Fr, 3. Mai 19.30 Uhr Infoabend Ein informativer Anlass über die Pädagogik Rudolf Steiners Treffpunkt im Foyer Fr, 31. Mai Sa, 1. Juni So, 2. Juni 19.30 Uhr 19.30 Uhr 17 Uhr «Was ihr wollt» 8.-Klass-Spiel Komödie von William Shakespeare Kollekte Sa, 22. Juni 16.30 Uhr 19.30 Uhr 22.00 Uhr Einweihung Neubau Beginn Schülerdarbietungen Johannifeuer So, 23. Juni 16.00 Uhr 18.00 Uhr Sommerspiel Quartalsfeier Puppenspiele Für Kinder ab 4 Jahren und Erwachsene. Im Kindergarten von Susanne Zimmer Beginn 15.00 Uhr, CHF 5.– (Kinder), CHF 10.– (Erwachsene) «Das Schneemädchen» Mittwoch, 16. Januar 2013 «Frau Holle» Mittwoch, 20. Februar 2013 «Iwanuschka» Mittwoch, 13. März 2013 «Vom Häschen, das rote Flügel haben wollte» Mittwoch, 3. April 2013 «Die Bienenkönigin» Mittwoch, 8. Mai 2013 «Das Johannikind» Mittwoch, 19. Juni 2013 Änderungen vorbehalten. Aktuelle Infos unter: www.steinerschule-aargau.ch/veranstaltungen Mitteilungen Weihnachten 2012 Rudolf Steiner Schule Aargau 23