Selber denken Infomagazin 2008 Das Magazin der philosophischen Lebenskunst Kann man auch ohne Religion glücklich werden? Das Wunder des Atheismus 1 Selber denken 2008 www.schibri.de Editorial Kontakte: Liebe Leserinnen, liebe Leser, Prof. Dr. Lutz von Werder „Atheismus“ ist das Thema unserer diesjährigen Ausgabe von und zum Selber denken. Bamberger Straße 52 10777 Berlin Tel. 030 / 211 92 04 Schibri-Verlag Büro Berlin: Meininger Str. 4 10823 Berlin Tel. 030 / 781 19 34 Fax 030 / 78706050 Schibri-Verlag Firmensitz: Milow 60 17337 Uckerland Tel. 039753/22757 Fax 039753/22583 Schibri-Verlag Internet/E-Mail: http://www.schibri.de Verlag: [email protected] Redaktion: [email protected] Impressum Selber denken Das Magazin der philosophischen Lebenskunst Aber was versteht man eigentlich unter „Atheismus“? Wenn man im Lexikon oder im Internet forscht, findet man keine eindeutige und allgültige Antwort. Scheinbar empfindet jede/r diesen Begriff anders. Aus diesem Grund möchten wir Ihnen mit diesem Heft und auch mit dem neuen Buch von Lutz von Werder das „Wunder des Atheismus“ und damit die unterschiedlichen Vorstellungen und Umgangsweisen verschiedener Philosophen und Meinungen zum Atheismus und Gottesglauben vorstellen und Sie damit zum Diskutieren und Selberdenken anregen. In dem Beitrag „Versuche zu glauben“ wird beispielsweise sehr emotional dargestellt, wie schwierig es sein kann, unbedingt an irgendetwas glauben zu wollen. Angelika Driesner versucht in einem „Dialog mit einem Atheisten“ der Antwort näher zu kommen. Und schließlich werden Philosophen aus Amerika und Frankreich vorgestellt, die eine „neue Offensive der Atheisten“ vertreten. Selbstverständlich fehlt auch ein Auszug aus Lutz von Werders neues­tem Buch nicht, auch die Themen und Termine seiner philosophischen Cafés können Sie wie gewohnt auf der letzten Seite finden. Außerdem möchten wir Sie einstimmen auf demnächst erscheinende Werke von Lutz von Werder, diesmal zur Selbstanalyse und zum Schreiben einer eigenen Biografie und Mythologie. Herausgeber: Lutz von Werder Verlag: Schibri-Verlag erscheint: jährlich Preis: 1,- Euro Redaktion, Layout: Lutz von Werder Andreas Brüning Iris van Beek Matthias Schilling Titelgrafik: Arite Nowak Nutzen Sie diese Ausgabe von Selber denken für Ihre persönlichen philosophischen Gedanken, für die Diskussion in Ihrem Bekanntenkreis, in der Schule, in der Kirche oder in philosophischen Cafés und Gesprächskreisen und schreiben Sie uns, wenn Sie Lust dazu haben, wir freuen uns über jede Zuschrift. Copyright: Alle Rechte beim Verlag Printed in Germany Wir wünschen Ihnen wieder viel Vergnügen beim Mitphilosophieren und Selberdenken! Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Iris van Beek und Ihre Selber-Denken-Redaktion ISSN 1860-272X Selber denken 2008 2 Das Wunder des Atheismus – Lutz von Werder – Mit der Gotteshypothese lässt sich vieles erklären. Viele Leiden und viele Tränen werden getröstet. Was aber bleibt, wenn auf die Gotteshypothese verzichtet wird? Es entsteht das Wunder des Atheismus. Sein Wunder besteht darin, dass es den Menschen und sein Schicksal aus der immanenten Welt erklären kann. Der Mensch als Inhalt des atheistischen Humanismus kann erkennen, dass für ihn der Mensch das Maß aller Dinge ist. Das Wunder des Atheismus zeigt: Auf den Menschen kommt es an. Im Zentrum des Wunders steht dabei der arme Mensch, der verdammte Mensch. Ihm ist alles genommen. Er hat alles verloren. Seine Arbeitskraft ist nichts mehr wert. Kein Mensch hilft ihm, kein Gott rettet ihn. Aber wenn die Verdammten dieser Erde erkennen, dass sie sich nur selber helfen können, dann entsteht das Wunder des Atheismus. Damit diese armen Menschen ihre große Aufgabe erkennen, die Welt neu zu schaffen, müssen sie die Schätze erkennen, die der Atheismus für sie bereit hält, indem sie sich durch ihn auf ihre eigene Kraft besinnen. Sie müssen das Projekt Aufklärung verstehen, um zu erkennen, was die Erde für sie bereit hält, wenn sie sich aus ihrer selbst verschuldeten Unmündigkeit befreien. Sie können die Gefahren des pessimistischen Atheismus und des nihilistischen Staatsatheismus durchschauen und zum optimistischen Atheismus vorstoßen. Damit gewinnen sie ihre Zukunft. Und wenn man es genau betrachtet, gehören alle Menschen zu den armen Menschen. Wobei die einen am Reichtum leiden, die anderen an der Ausbeutung. Wenn beide Leiden als vom Menschen gemachte erscheinen, tritt das Wunder des Atheismus ein. Es gibt nur diese Erde und diese unsere Zukunft. Der Atheismus versucht, diese Tatsache nicht zu verschleiern. Darin besteht sein Wunder. Wer die Erde liebt und sie verteidigt, kann auch ein glückliches Leben ohne Religion führen. Neugierig geworden? Dann entdecken Sie das Wunder des Atheismus in dem aktuellen Buch von Lutz von Werder (siehe auch S. 9-11 dieser Ausgabe) Schibri-Verlag • ISBN 978-3-86863-017-6 • 228 S.• 15,- 3 Selber denken 2008 Versuche zu glauben – Lutz von Werder – Als ich klein war, war ich Faschist. Ich glaubte, dass mein Vater die Welt erobert und wir gegen „Engeland“ fliegen. Mein Vater, der Oberst, war groß und stark, jähzornig und weinerlich. Er würde die Russen schlagen. In seinem Zimmer hingen scharfe Messer und Pistolen. Er war immer gut bewaffnet. Aber aus dem Sieg im Weltkrieg wurde nichts. Ich durfte den Hitlergruß nicht mehr ausbringen. Die Russen kamen. In der Schule lernten wir: Stalin ist ein Gott. Wir hatten eine Stalin-Ecke mit Bild. Das war unser Heiligtum. Als der „weise Führer“ starb, weinte ich. Als Junge war ich Stalinist, ganz klar. Dann machten wir nach West-Berlin. Der Kudamm war voller Licht. Die Warenwelt nahm mich ein. Ich verlernte das Sächsische. Ich schrieb nicht mehr „Die Arbeiterklasse wird siegen“. Ich glaubte an das Geld und an Jesus Christus für kurze Zeit. Bei der Konfirmation, in der Kirche, unter den Blicken des strengen Pfarrers, vor dem heiligen Abendmahl, da sagte ich mir: „Ich kann gar nicht glauben. Schon gar nicht, dass der Selbstmord eines Menschen am Lauf der Welt etwas ändert.“ Ich dachte, ich muss denken. Ich dachte, ich muss nachdenken, warum es diese Welt überhaupt gibt und dieses Elend, von dem der Vater nach 10 Jahren russischer Kriegsgefangenschaft immer sprach. Ich dachte, ich muss lernen, den Willen zu leben zu überwinden, wie ich es bei Schopenhauer las. Aber das war nur möglich, wenn ich ganz traurig war. Wenn ich melancholisch onanierte und wusste: die Mädchen konnten mich nicht ernst nehmen. So fand ich zu Sigmund Freud, den letzten Schüler von Schopenhauer. Der sagte: Es ist ein Wunder, dass die Menschen sich noch nicht umgebracht haben, aber sie werden es tun. Mit dem Studium glaubte ich an Martin Heidegger, an den Vorlauf zum Tode, an dieses Ereignis des Seins, nachdem die Götter geflohen waren. Heidegger lasen wir immer mittwochs, bei Tee und Kuchen. Wir begannen zu existieren. Wir waren entschlossen. Wir wollten die Metaphysik beenden und das begreifen, was überall vorausgesetzt wird: dass etwas ist und nicht Nichts ist. Irgendwann traf ich Rudi Dutschke, wie alle. Ein Freund sagte: „Das ist der neue Lenin.“ Entschlossenheit verstand ich nun als Sturz der Autoritäten. Wir hatten nicht viel Zeit. Der Krieg in Vietnam traf auch uns. Auch wir wurden „wie die Vietkong“ klein gemacht von Franz Josef Strauß. Der sagte: „Ihr seid stinkende Vietkong-Schweine. Ihr werdet vom Rechtsstaat zur Rechenschaft gezogen.“ Als sie dann Benno Ohnesorg umlegten, da liebte ich die Revolution. Ich glaubte an den Sieg der Anarchie. Wir zogen durch die Straßen und hatten einfach Recht. Ich war einmal im Krankenhaus. Bei der Operation hatte ich das Gefühl, ich fliege durch das Weltall. Ich bin vom Leben befreit und ich weinte vor Erschrecken. Glaubt mir, ich wollte nicht zurück. Glaubt mir, ich musste zurück. Wie tausende musste ich zurück in diese Welt der Schrecken. Meine Suche nach meiner Religion war noch nicht zu Ende. Neben den Höhenerfahrungen des Heiligen, das Schweben jenseits von Gott und AntiGott, eben anti-duales Bewusstsein, wie Ken Wilber sagte, gab es die heiligen Tiefenerfahrungen. Diese Erfahrungen waren die pure Angst. Sie waren voller Schweiß, Zittern, Schwindel, eingebildeten Krankheiten, Durchfall, Zerstörungslust und Impulse zum Amok. Sie waren das Gefühl: Du gehst auf die Straße und es gibt keine Menschen mehr. Da wusste ich, ich musste meine eigene Religion finden. Ich muss mich durch die Philosophie durcharbeiten. Da wo die Philosophie ganz praktisch ist. Da wo sie stoisch den Lauf der Dinge ertragen lernt. Da wo Meditation ganz still macht. Doch dann wurde die Revolution vergessen. Ich muss die Philosophie der Liebe studieren. Ich muss herausfinden, warum die Frauen die Männer zerstören und die Männer die Frauen, und warum es keine Prostata-Stimulation gibt in bürgerlichen Ehebetten, und warum Tantra zwei Menschen zum Verschmelzen bringt und die Tür aufgeht und Gott da ist. Ich glaubte nun an Norbert Elias und den langen Weg zur Zivilisation. Und dass die 62 Theorien über Auschwitz nichts erklären, und dass die Konterrevolution gesiegt hatte, und dass MaoTse-Tung ein Massenmörder war wie Pol Pot und Stalin, und der Gulag die Konsequenz war, wenn man die Welt verändern will. Ich muss durch Asien reisen, im Geiste. Zu Füßen Buddhas sitzen, bei Laotse hören, wie der Regen fällt, Nagarjunas Superdialektik studieren, Pantanjalis Yoga, Konfuzius‘ goldene Regel, Mohammeds Vision des Engels Gabriel, den Weg der Sufis gehen nach Bagdad, durch die Wüste, um ein Tropfen zu werden im Ozean. Wir lasen Marx, Engels, Lenin, Lukacs, Stalin, Mao-Tse-Tung, aber auch Otto Rühle, Max Stirner und Michael Bakunin. Wir glaubten an die freie Liebe, an Wilhelm Reich. Selber denken 2008 4 Als ich im Geiste aus Asien zurück war nach zwei Jahren, da war mir klar, ich muss wieder mit der Aufklärung anfangen. Mit Rousseau: der Tempel Gottes ist Dein Herz und Gott ist ganz Natur. Mit Kant: Beweise gibt es nicht. Alle Beweise Gottes sind nichtig. Klar ist aber, dass Moral und Vernunft der Kern der eigenen Religion ist. Aber eigentlich ist meine Religion die Liebe zum Unendlichen und zur Revolution, wie sie Schleiermacher darstellt in seinen Reden, die so romantisch wie wahr, so tiefsinnig wie evident sind. Schade, dass Bischof Huber sie nie gelesen hat. Sagte Schleiermacher doch: „Ich wäre froh, wenn das Christentum unterginge, wie viele Millionen Religionen könnten sich dann frei entwickeln.“ Es gibt die Spuren der Göttin in der Bibel, es gibt die Venus-Statuetten 30.000 Jahre vor Christus. Es gibt Isis, die große Göttin von Ephesus, es gibt Bachofen, der nicht locker ließ und die matriarchalischen Spuren fand, die die tiefen Erfahrungen bereicherten. Die Vielfalt der religiösen Erfahrungen reicht heute von Träumen, vom kurzen Fliegen durch das All, vom endlosen Weinen, von Gedichten, die alles auf eine einfache Formen bringen, bis zum Schweben über den Widersprüchen. Das glaubte ich, als ich William James las. Meine Religion muss die sozialen Ketten brechen, den Auszug aus Ägypten fördern, die Elenden und Beleidigten aus den Fängen des Weltgeldes befreien. Sie muss die Freiheitskämpfer lieben, wie sie Saigon stürmten, wie sie in Havanna einmarschierten, wie sie das Winterpalais eroberten oder im Reichstag die Räterepublik ausriefen. Wichtig ist es immer, an einer anarchistischen Religion zu arbeiten, zum Beispiel wie Nietzsche. Der Gott, der tanzt, kommt als Dionysos, wenn alle anderen Götter schon geflohen sind. Dionysos, das ist eine heilige Tiefenerfahrung, ein Ur-Erlebnis, dass wir immer wieder kommen, dass wir mit unseren eigenen Leibern unsterblich sind, dass wir nicht sterben, sondern Kinder der ewigen Wiederkehr bleiben. 5 Selber denken 2008 Die anarchistische Religion wird vertieft mit Sigmund Freud. Wer ihn nicht gelesen hat, wer nicht 20 Jahre auf der Couch gelegen hat, der soll jetzt schweigen. Die Berggasse 9 in Wien hat mehr Gnade und Liebe als alle heiligen Bücher zusammen. Erst wenn Du den Vatermord begriffen hast, verstehst Du die Sohnesreligion. Erst wenn Du die Sohnesreligion verstanden hast, verstehst Du Dich in Deinen seelischen Schutthalden, in Deinen Trieben, in Deinen ozeanischen Gefühlen, Deiner unstillbaren Verschmelzung mit der Mutter, Deiner Lust, in den Uterus zurück zu kehren für alle Zeiten. Ohne Moses Auszug aus Ägypten, ohne Anarchie geht gar nichts in Sachen Befreiung, denn Befreiung von der Last der Erde, das ist die Botschaft der Kinder Israels, alles echte Anarchisten, aber mit Wüstenerfahrungen noch und noch. Sprich alle Orte der Utopie an: Esalen, Schangrila, Orplid, Utopia, das Land am Ende der Welt, die Insel der Philosophie, die Insel der Weisheit, Nova Atlantis, Mittelerde, Stonehenge, die Externsteine, die Pfade der Magier in ihren Laboren der Alchemie und trefft Tolkien, auch einer, der den Weg kannte. Die gnostischen Reden an die Toten enthalten die wichtigsten Botschaften von C. G. Jung, die alte manichäische Botschaft. Der böse Gott beherrscht die Welt und erst der Weg zum guten Gott wird Dich befreien, wenn es noch geht. Heute rüsten sich der Fascho-Islam und die Fascho-Christen und die Fundi-Juden zum letzten Gefecht, zur Endschlacht bei Armageddon. Mit Atombomben soll die Apokalypse und die Wiederkehr Christi erreicht werden, auf Leichenbergen, die bis zum Himmel stinken. Sagt: Nein!! Der Todestrieb hat sich Washingtons bemächtigt. Der 3. Weltkrieg, neben anderen Katastrophen, rast auf die Erde zu. Religion erscheint im Schatten des Terrors als Terror. Da muss, wie Gianni Vattimo sagt, Religion zur Liebe werden, nur noch zur Liebe, aber welcher Liebe und wo und wann und wie lange und warum und weshalb und wodurch? Von Hans Küng soll hier nicht die Rede sein auf dem Weg „Wie finde ich meine eigene Religion?“ Er macht es sich zu leicht. Auch Habermas wird langsam alt, älter als der heutige Papst, finde ich. Also: Wie finde ich meine eigene Religion? Das ist doch die Frage. Die Antwort ist wie immer ganz einfach. Die Antwort ist so einfach, dass sie keiner verstehen wird. Das macht aber nichts. Die Antwort lautet, und sie wird keiner verstehen: Du musst jeden Tag eine Stunde schweigen, still sitzen, die Minuten verstreichen lassen, die Zeiger der Uhr sich bewegen sehen. Die Antwort lautet, und Ihr werdet das nicht verstehen: Du brauchst gar nicht zu suchen, Du wirst Deine Religion nicht finden, eher findet sie Dich. Die Antwort lautet: Alle sind schon im Nirwana – ein kleiner Ruck nur und Du weißt es und schweigst. Als ich klein war, war ich Faschist. Heute weiß ich: Null Toleranz für die Fascho-Religionen. Jetzt bin ich Anarchist ohne Gott und weiß: Am Ende wird Licht sein, Licht über Licht, nur Licht über Licht und Licht über Licht und Licht über Licht, und kein Mensch weiß, was das zu bedeuten hat. Aber auch das macht nichts. Dieses Gedicht finden Sie in dem Buch: Schibri- Ver 78-3-93 lag 78 152 Seit 95-77-2 en EUR 8,– ISBN 9 Der Dialog mit dem Atheisten und Pascals Wette – Eine praktische Anleitung – – Angelika Driesner – Lutz von Werder stellt in „Verzweifle nicht – suche! Ein Buch der praktischen Philosophie zur Gottesfrage…“ eine GrundÜbung für Selber-Denkende vor: Die Dialog-Technik. Zum vorliegenden Thema lautet sie: Erfinden Sie einen Dialog mit einem Atheisten. Mit dieser Übung wurde das Schrei­ben dieses Artikels für mich zu einer persönlichen Herausforderung und gleichzeitig auch zu einem praktischen Beispiel für eine mögliche Herangehensweise an die Erforschung der Gottesfrage für ernsthaft Selber-Denkende aller Glaubenspositionen. In der praktischen Philosophie nimmt die Frage nach „Gott“ eine zentrale Stellung ein. Die Antwort auf sie ist – unabhängig davon, wie sie ausfällt – wie die Nabe eines Rades: Einer Lebensphilosophie, in der die Gottesfrage nicht erkundet wird, fehlt ein Kristallisationspunkt, in dem sich alle übrigen Lebensthemen treffen. Welche Fragen stellten sich mir? Hier sei naturgemäß nur der Gipfel eines Eisbergs aufgeführt: Die erste Frage: Was denken Menschen in meinem Umfeld über das Thema? Ich suchte zunächst den lebendigen Dialog mit Freunden und Bekannten. Kannte ich eigentlich einen Atheisten? Nur zwei fielen mir ein, beides Physiker. Einer davon, der Sohn eines Pfarrers, hatte – wie mehrere der von mir Interviewten – Probleme mit verschiedenen Dogmen wie der jungfräulichen Geburt, der Erbsünde usw. Der andere, ein Anhänger Karl Poppers, verneinte die Existenz Gottes mit dem Argument: Sie sei für die Erklärung der Welt nach der Aufklärung nicht mehr erforderlich, weil die Wissenschaft, insbesondere die Naturwissenschaften, diese Erklärungsfunktion übernommen hätten. Was noch nicht erklärt werden kann, sei eine Frage der Zeit. Das wirkte für mich wie ein philosophischer Erdrutsch: Hieße das nicht in letzter Konsequenz, dass wir als SelberDenkende alles bisher als sichere Position Gedachte – Bereich für Bereich – im Lichte wissenschaftlicher Erkenntnisse erneut in Frage stellen müssten? Es wäre z. B. vorstellbar, dass Selber-Denkende zu dem Schluss kommen: In manchen Bereichen (etwa bei der Evolutionstheorie oder einigen Ergebnissen der Hirnforschung) nehmen sie eine wissenschaftlich-atheistische Hal­tung ein, in anderen hingegen nicht. Sind die Glaubensetiketten, die wir uns – bewusst hinterfragt oder nicht hinterfragt – selbst gegeben haben, dann noch gültig? Zu beantworten wären auch die Fragen: Ist der wissenschaftliche Glaube an die Richtigkeit eines Erklärungsmodells an die Stelle des „Gottesglaubens“ getreten? Ist die Funktion, die Welt zu erklären, das Einzige, worum es bei der Auseinandersetzung mit der Gottesfrage geht? Der Dialog mit dem Atheisten im Außen oder in uns selbst wird somit zu einer lebenslangen Herausforderung für SelberDenkende aller Richtungen, einschließlich des Atheisten selbst: Letztendlich geht es darum, seine eigene Glaubensposition immer wieder zu überprüfen und ggf. neu zu definieren. Klären wir dafür die zentralen Begriffe. Selber denken 2008 6 Die zweite Frage: Was ist eigentlich „Atheismus“? Der innere Dialog mit meinem schon recht zerfledderten philosophischen Wörterbuch begann: Was ist eigentlich – so würde Sokrates seine Schüler fragen – Atheismus? Was ist der Unterschied oder die Schnittmenge zu Nihilismus und Materialismus? Was bedeuten Gegenbegriffe wie Theismus, Deismus, Pantheismus, Panentheismus? Was ist ein Agnostiker? Wo ordne ich meine „gottlose“ buddhistische Freundin ein? Wo ist die Grenze zwischen Philosophie und Religion? Und was ist eigentlich Religion, was Glauben? Ich befand mich erwartungsgemäß in einem verwirrenden Labyrinth der Begriffe und erkannte: Für einen fundierten Dialog mit einem „richtigen“ Atheisten musste ich mich noch mehr rüsten. Die dritte Frage: Was sind die „Gottes­ beweise“ in der Philosophie? Dazu gibt es umfangreiche Literatur, aber mir genügten zunächst die knappen Übersichten in dem o. g. Buch. Bei den „Gottesbeweisen“ geht es um die Frage nach der Existenz bzw. NichtExistenz Gottes. Dabei werden beide Positionen logisch schlüssig bewiesen! Für Selber-Denkende werden sie damit zu einem exemplarischen Lehrstück für sämtliche philosophischen Dialoge; Denn durch die 7 Selber denken 2008 spiegelbildliche Auseinandersetzung mit den in sich schlüssigen Argumentationsketten der jeweils möglichen Gegenpositionen ist der Selber-Denkende gezwungen, seine eigene Position ebenfalls auf Schlüssigkeit zu überprüfen. Damit gehen philosophische Dialoge weit über übliche Pro- und Contra-Diskussionen hinaus, in denen lediglich Meinungen, nicht aber logisch geprüfte Argumente gegenübergestellt werden. Die vierte Frage: Welche konkreten Auswirkungen hat die Bejahung der Existenz Gottes bzw. deren Verneinung auf mein eigenes Leben? Die Wette des Philosophen Blaise Pascal wird hier zur ergänzenden Übung: „Schätzen wir diese beiden Möglichkeiten ab: Wenn Sie gewinnen, gewinnen Sie alles, wenn Sie verlieren, verlieren Sie nichts: Wetten Sie also, ohne zu zögern, dass ER ist.“ Selber-Denkende würden jedoch zögern und zuerst erforschen: Was würde für mich persönlich auf der Gewinn- und was auf der Verlustseite stehen? Und wie fällt dann nach reiflicher Überlegung meine eigene Wette aus? dass Atheisten sich nur deshalb als „Atheisten“ bezeichnen, weil sie gegen die Vorstellung eines anthropomorphen, also eines Menschen ähnlichen Gottesbildes opponieren, das sie seit ihrer Kindheit nicht mehr aktualisiert haben? Was passiert, wenn ich mal alle Gottesbegriffe aus dem Lexikon für mich überprüfe? Wie stelle ich mir „Gott“ vor? Damit stoße ich auf die Frage: Kann ein Mensch Gott überhaupt erkennen? Vielleicht ist „Gott“ ebenso wenig wie „Liebe“ begrifflich zu fassen? An hellen Tagen menschlichen Glücks und in den dunklen Nächten des Leids versagen Sprache und Vernunft, verstummt der Streit der Atheisten und Gläubigen – nur der schwebende Gesang der Dichter durchweht das Unsagbare... Die Bücher zum Artikel finden Sie in Ihrer Buchhandlung oder unter www.schibri.de Schibri-Ver lag ISBN 3-9288 78-58-1 • 16 8 S.• 12,8 0 Die letzten Fragen: Wer oder was ist eigentlich „Gott“? Ist er erkennbar? Auch hierzu gibt mein Lexikon unter dem Stichwort „Gottesbegriffe“ Auskunft. In meinem inneren Dialog prüfte ich die Annahme: Vielleicht ist es oft so, Sc ISBN 3-9378 hibri-Verlag 95-08-6 • 20 0 S.• 13,5 0 Als Ergänzung zum Buch bietet die Autorin für ihre LeserInnen philosophisches Couching per Email an: [email protected] Neuerscheinungen von Lutz von Werder Literarisches Analytisches Neuauflage! Gedichte Die Vergangenheit erweckt Melancholie. Die Gegenwart erzeugt Wut. Durch diese Zeiten führen die Gedichte. Sie bannen die noch verborgene, neue Zukunft. Das Kreative Schreiben hat sich bei der Besitzwahrung von Identität als wichtigste Form des Selbstmanagements erwiesen. Das Erinnern, methodische Wiederholen und literarische Durcharbeiten der eigenen Lebensgeschichte steht im Zentrum dieses Lehrbuches des autobiographischen Schreibens. Erzählungen Selbstanalyse Die Meldungen überschlagen sich. Das Klima kippt. Die Erde hat Fieber. Grippen drohen. Der 3. Weltkrieg wird vorbereitet. Atombomben können in die Hände von Terroristen fallen. Die Weltmacht Amerika wankt. Die Apokalypse scheint ins Haus zu stehen. Da ergibt sich die Frage: „Wie viel Apokalypse verträgt der Mensch?“ Lutz von Werder Übungen zur Selbstanalyse Hörbu ch Roman 1968, das war für den Ich-Erzähler ein Lernprozess. Sein Lernresultat heißt: Statt Ökokrise lieber Öko­topia. Statt Globalisierungs­ crash lieber TobinSteuer. Statt Verschwinden der Arbeit lieber Freiland. Statt materialistische De­pression lieber spirituelle Euphorie. In diesem Hörbuch wird die Psychoanalyse als kreative Methode der Erforschung des eigenen Unbewussten erfahrbar. Viele Experimente, Übungen und methodische Hilfen unterstützen Sie dabei. Psychoanalyse wird zum Lernerlebnis auf einem Weg, den Sigmund Freud und seine großen Schüler selbst gegangen sind. die eigene Mythologie Lutz von Werder Von der Romantisierung der Welt Wie schreibe ich meine persönliche Mythologie? auc h Hör als buc h Dieses Buch macht den Versuch, im Ausgang von der eigenen Lebensgeschichte die eigene Welt zu romantisieren. Dabei wird der Leser eingeführt in die verschiedenen Wege und Methoden, wie der Held seine Lebenskrise bewältigt hat. Dass dem Helden bzw. der Heldin dabei magisch-mystische und mythische Methoden zur Verfügung stehen, versteht sich von selbst. Alle Bücher finden Sie in Ihrer Buchhandlung oder im Schibri-Verlag unter: www.schibri.de Selber denken 2008 Tel.: 039753-22757 • Fax: 039753-22583 • [email protected] 8 Selber denken mit … Sam Harris, Richard Dawkins & Co. Die neue Offensive der Atheisten – Lutz von Werder – Seitdem die Wiederkehr der Religionen beschworen wird, tauchen weitere neue Atheisten auf. Seit dem 11. September 2001 enthüllt sich der friedliche Charakter der Religionen wieder als Schein. Das lange Zeit erwartete Verschwinden von Theismus und Atheismus bleibt aus. Die neuen Atheisten nehmen sich das Recht heraus, das freie Denken zur Grundlage des Lebens zu machen. Diese neuen Atheisten melden sich in Frankreich und Amerika zu Wort. Gegen den angedrohten Krieg der Gläubigen verschiedener monotheistischer Richtungen stellen sie den Frieden der Ungläubigen. Sam Harris Sam Harris hörte von den Attentaten am 11. 9. 2001 in New York. Er setzte sich hin und schrieb ein Buch über das Ende der Religion. Der 11. 9. war nicht der Beginn einer Rückkehr zur Religion, sondern des Vorstoßes zum Atheismus. Sam Harris’ erstes Buch wurde ein Bestseller. Sein zweites Buch „Letter to a Christian Nation“ (New York 2006) stellte seinen Atheismus in noch breiterer Form dar. Harris stellte fest, dass die Christen sich irren. Sie sind nicht schwach, sondern dominieren die US-Gesellschaft. 53 % aller Amerikaner glauben den Kreationisten, die auf Basis der Bibel das Alter der Erde auf 6000 Jahre schätzen. 44 % der Amerikaner erwarten die baldige Apokalypse (Harris 2006, S. XI). Sie glauben, wenn New York in Feuer aufgeht, dann ist das gut, weil dann „Christus wiederkehrt“ (Harris 2006, S. XII). DENKEN SIE SELBST: Erwarten Sie auch ein Wunder von der Apokalypse? 9 Selber denken 2008 Kein Leuchtturm der Moralität Allerdings ist die Bibel sehr problematisch. Sie ist in Teilen extrem amoralisch, weil sie das Ermorden der Ungläubigen feiert. Auch Jesus ist kein Leuchtturm der Moralität. Der Kern seiner Predigt, die goldene Regel, kommt in allen Religionen vor (S. 11). Feindesliebe kann man von den indischen Jains, Mahatma Gandhi und Martin Luther King auch lernen. Die Bibel lobt noch die Sklaverei und den Verkauf von Sklaven. „Die Bibel ist also kein guter Führer zur Moral.“ (S. 18) Die 10 Gebote verhängen Todesstrafen auf Polytheismus. Ihre sozialen Regeln sind alle biologische Notwendigkeiten und in allen Kulturen vorhanden. Die Liebesmoral der Jians in Indien ist erheblich konsequenter als es Jesus je war. Christen verhindern Fortschritt Die Christen verhindern den wissenschaftlichen und medizinischen Fortschritt. Es ist ein Fehler, Stammzellenforschung zu verbieten. Bei der Tötung einer Fliege werden mehr Stammzellen vernichtet als bei der wissenschaftlichen Nutzung eines drei Tage alten Embryos. Trotz Aids ist für katholische Christen der Gebrauch von Kondomen verboten. Die Abtreibung wird als Mord kriminalisiert, obwohl die Überbevölkerung ein Weltproblem ist. Die Verhinderung einer Schwängerung wird als Sünde gebrandmarkt. Da bei der Schwangerschaft 50 % der Embryonen sterben und 20 % als Missgeburten geboren werden, ist Gott der größte Abtreiber. Wer als Atheist Gott beiseite lässt, ist noch lange kein Teufel. Die Atheisten machen wenigstens keine Kreuzzüge. Atheistische Diktatoren wurden durch ihre Machtfülle verrückt, nicht durch den Atheismus. Auschwitz ist so die Fortführung des mittelalterlichen christlichen Antisemitismus und seiner Verfolgung der Andersdenkenden (S. 41). Die Kirchen haben Hitler unterstützt. Das Dogma der Religion und der politischen Religionen haben Millionen Tote zur Folge gehabt. DENKEN SIE SELBST: Sind Menschen in Gefahr, weil es Dogmen gibt? Gottesglaube hilft nichts Die religiösen Staaten der USA haben die größten sozialen Probleme. Der Atheismus heilt, die Religion macht krank. Die soziale Ungleichheit ist in weltlichen Staaten verbreiteter als in religiösen Staaten. DENKEN SIE SELBST: Sind Religionen gefährlich für den Fortschritt? Der Gottesglaube hilft nichts bei Naturkatastrophen, bei Kriegen, bei Energieengpässen, bei Rassenkonflikten. Nur die Philosophie hilft, weil sie das offene Gespräch über alle Konflikte wach hält und dabei die Waffen schweigen lässt. Der Atheismus ist ein gutes Gegengewicht gegen den Lärm und die Propaganda der Religion (S. 51). Gott ist nicht zu rechtfertigen. Jeder Mord widerlegt die Existenz Gottes. Jeder Tote in New Orleans widerlegt Gott. Gott kann nicht allmächtig, allgütig und allwissend sein. Gott ist angesichts der Übel der Welt entweder ohnmächtig oder ein Teufel (S. 55). Die meisten Übel der Welt, sagt Har- ris, werden von Religionen produziert, wie Religionshass, Religionskriege, Unfrieden, Neid und Wut. Das Neue Testament ist voller Widersprüche und kann die Fehler des Alten Testaments nicht ausgleichen, wie viele Christen glauben. Die Bibel ist veraltet. Sie sagt nichts zum Internet, zur Krebsheilung, zur Atombombe. Wissenschaft und Religion passen nicht zusammen. Wissenschaft ist gegenüber Gott neutral. Die größten Entdeckungen, wie zum Beispiel Darwins Evolutionstheorie gelangen nur, weil Gott nicht mit im Ansatz gedacht wurde. Der Mensch wurde als Teil der Natur erkennbar. Jeder Versuch, Gott als „Intelligent Design“ in die Evolution wieder einzuführen, scheitert. Milliarden Jahre war die Evolution alles andere als intelligent, eher ein Zusammenspiel von Versuch und Irrtum. DENKEN SIE SELBST: Was spricht gegen das „IntelligentDesign-Konzept“? Atheisten wissen, dass sie nicht viel wissen, wo Religionen denken, dass sie alles wissen. Viele heilige Schriften haben ein positives Verhältnis zur Gewalt. Indem Religion Unterschiede schafft, schafft sie häufig Kriegsursachen. Der weltweite Krieg der Weltreligionen ist keine Erfindung, sondern ein Fakt (S. 81f.). Selbstmordattentäter sind meist nicht arm, sondern fanatisch. Der Islam ist dabei, Europa zu überfluten und der Islam ist keine friedliche Religion. Es gibt keinen gemeinsamen Gott, solange es Jehova und Allah gibt, gibt es Krieg. Die neue Lebenskunst der Atheisten nach Sam Harris Aufklärung und öffentliche Diskussionen über Religionen wären ein Akt der Befreiung. Transpersonale Erfahrungen sollten gesucht werden, aber ohne zu dogmatischen Fronten zu führen. Sie sollten die Aura des Mystischen besitzen. Die Religion war in der Evolution wichtig. Für die Zukunft ist es wichtig, sich von ihr zu befreien. Die Arbeit an einer globalen Zivilisation braucht keine trennenden Religionen, sondern verbindende Vernunft. Die Hoffnung allerdings die Religion zu zähmen, zu demokratisieren und zu privatisieren, ist für Harris nicht groß, aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Richard Dawkins Richard Dawkins, der große amerikanische Darwinist, hat mit seinem Buch „Der Gotteswahn“ 2006 einen Bestseller gelandet. Er stellt sich vor wie eine Welt ohne Gott aussieht. Es gäbe keine Selbstmordbomber, keinen 11. September, keine Kreuzzüge, keine Hexenjagd, keinen israelischpalästinensischen Krieg, keine Massaker in Serbien, keine Judenverfolgung und keine Taliban, die Buddha-Statuen sprengen (R. Dawkins: The God Delusion. London 2007, S. 24). Modernster Atheismus Sein Buch entwickelt in 10 Kapiteln den modernsten Atheismus. Gott ist für ihn nur eine mögliche Hypothese, die man sehr skeptisch betrachten sollte. Die Argumente für Gott lässt Dawkins nur gelten, wenn sie witzig sind, zum Beispiel das Argument aus der unvollständigen Zerstörung: „Ein Flugzeug stürzt ab. 134 Passagiere sind tot, aber ein Kind überlebt, also gibt es einen Gott.“ (S. 109) Oder das Argument aus dem Unglauben: „Die Mehrheit der Menschheit glaubt nicht an Jehova. Das weist auf die Macht des Satans hin. Also existiert Gott.“ (S. 110) Oder das Argument aus der Nah-TodErfahrung: „Die Person X stirbt als Atheist. Nach dem Tod erkennt er seinen Irrtum. Also existiert Gott.“ (S. 110) Dawkins geht davon aus, dass der Theismus am Bösen scheitert. Alle theologischen Versuche, Gott als rachsüchtig, als Satan, als einen Gott, der sich um die Welt nicht kümmert, als Gott, der den Menschen alle Freiheiten lässt, zu begreifen, müssen scheitern (S. 135). Auch die Kreativen Designer, die in der Evolution einen guten Geist am Werke sehen, müssen sich die Frage gefallen lassen: Wer hat den Designer designed? Kampf ums Überleben der fittesten Religion Den größten Teil seines Werkes nimmt die Darstellung der neuesten Theorien über die Religion ein. Nach Darwin kann man in der Religion einen Selektionsvorsprung für die Gläubigen erkennen. Zwischen den Religionen herrscht der Kampf um das Überleben der fittesten Religion (S. 147). Gott als Lückenbüßer für die Sprünge in der Evolution zu benutzen, scheitert am Fortschritt der Wissenschaft (S. 154). Unzweifelhaft ist das Leben auf der Erde ein Wunder. Es wird im Kosmos sehr selten sein. Aber das ist für Dawkins kein Grund, die Gotteshypothese zu bemühen. Der Ursprung des Lebens hat seine chemisch-physikalischen Ursachen, die überall im Kosmos wirken (S. 166). Auch in einem Multiversum oder Parallel-Universum wird intelligentes Leben existieren. Die fittesten Universen werden im kosmischen Selektionskrieg überleben, in Serie oder im Kreis. DENKEN SIE SELBST: Glauben Sie eher an ein unendliches serielles Universum oder an einen kosmischen Kreislauf? Gott ist eine Theorie für alles, aber sie behindert nur die Wissenschaft und ihre Freiheit (S. 179). Die beste Theorie von allen ist aber Darwins Evolutionstheorie. Bei der Darstellung der neuesten Religionstheorie will Dawkins folgende Fragen beantworten (S. 189): • Warum gibt es überhaupt Religion? • Macht Religion moralisch? • Warum ist Religion so aggressiv? • Warum hat jede Kultur Religion? Das „Gottesmodul“ Für das Entstehen der Religion sprechen verschiedenen Evolutionsfaktoren. Religion mindert Stress (S. 195). Religion entsteht in einem Areal des Gehirns, das „Gottesmodul“ genannt werden kann. Religion schafft einen großen gemeinsamen Erregungszustand, der Staatsbildung zulässt. Das Gehirn des Menschen denkt dualistisch, deshalb produziert es dauernd metaphysische Phantasien Selber denken 2008 10 (Dawkins 2007, S. 209). Die Religion hat genetische Wurzeln, die den Menschen zwingen, etwas zu lieben. Die wichtigsten Grundlagen der Religion schafft erst die Erziehung. Die Religion wird von den Eltern auf das Kind übertragen. Jede Gesellschaft steht in Konkurrenz zu anderen, deshalb ist jede Religion auch immer aggressiv, weil sie den Konkurrenzkampf der Gesellschaften unterstützt. Aber je höher die Bildung, desto geringer ist die Zahl der Gläubigen. Die Menschheit hat die besten Überlebenschancen, wenn sie die Grenzen der Religion sprengt und der Wissenschaft und Technik alle Freiheiten gibt, die Risiken des Atomatomzeitalters bewältigen. Dieser Artikel kann ausführlich nachgelesen werden in dem Buch: Neuerscheinung Die beste Lebenskunst muss für Dawkins wissenschaftlich geprüft und bewiesen sein. Aber bleibt nicht die Chance einer Spiritualität ohne Gott? A. Comte Sponville Der bekannte französische Philosoph André Comte Sponville stellt sich in seinem Buch „Woran glauben Atheisten?“ (Zürich 2008) der Frage nach einer Spirituaität ohne Gott. Er beantwortet diese Frage positiv. Eine Spiritualität ohne Gott ist möglich. Sie entsteht spontan und umfasst das Glück, sich als Teil eines unfassbaren Ganzen zu erleben. Diese Mystik ohne Gott vermittelt die höchste Lebenskunst, ohne Angst vor dem Tod leben zu können. Aus dem unfassbaren Ganzen kann kein Mensch herausfallen. Das ist es. Dieser spirituelle Atheismus könnte auch in Zeiten der heutigen Weltwirtschaftskrise überleben… Schibri-Verlag • ISBN 978-3-86863-017-6 • 228 S. • 15,- „Gibt es eine Spiritualität ohne Gott?“ Der Atheismus ist ein Wunder. Gegen den erbitterten Widerstand der Religionen hat er sich im Zeitalter der Wissenschaft und Technik eindrucksvoll entwickelt. Aber wie sehen die atheistischen Wege zu einer Spiritualität ohne Gott, ohne Glaubenszwänge, ohne Rituale aus? Welchen Trost hält der Atheismus für seine Anhänger angesichts von Tod, Schmerz, Krieg und Leiden bereit? Das Buch stellt die wichtigsten modernen Vertreter des freien Geistes vor. Das Buch ist keine Kampfschrift für eine Weltanschauung, sondern zeigt Wege der spirituellen Selbsterfahrung für alle, die nicht kirchlich glauben können oder wollen. Prof. Dr. Lutz von Werder, *1939, Philosoph. Bis 2004 Hoch­schullehrer für Kreativitätsforschung an der Alice-Salomon-Fachhochschule in Berlin-Hellers­­dorf. Seit 1993 Leitung von Philosophischen Cafés in Berlin mit 80 bis 300 Personen. Herausgeber des Magazins „Selber denken“, zahlreiche Publikationen zur philosophischen Lebenskunst, praktischen Philosophie, zum kreativen/wissenschaftlichen Schreiben sowie literarischer Texte. 11 Selber denken 2008 Das Buch zum Artikel finden Sie in Ihrer Buchhandlung oder im Schibri-Verlag [email protected] Tel.: 039753-22757 Fax: 039753-22583 www.schibri.de Das philosophische Café mit Lutz von Werder in der Urania Berlin sonntags 10.30 bis 12.00 Uhr Thema: Das Wunder des Atheismus fé 2008/2009 Ca Urania Berlin e.V. An der Urania, 10787 Berlin Tel.: (030) 218 90 91 Fax: (030) 211 03 98 www.urania-berlin.de [email protected] Gibt es ein glückliches Leben ohne Gott? 2008 5. Okt. Alles ist Materie. Basta: Baron d‘Holbach 19. Okt. Die Lösung der vier Welträtsel: E. Haeckel 2. Nov. Der Götterwahn: R. Dawkins 16. Nov. Vom Nichts zum Sein: M. Heidegger 2009 18. Jan. 25. Jan. 22. Feb. 1. März 5. April 19. April 10. Mai 17. Mai NEU! Das Schweigen des Seins: J. P. Sartre Die Nachricht von der adlerhaften Materie: E. Bloch Atheistische Glaubensbekenntnisse: Deschner, Russell, Harris Zur Kritik religiöser Erfahrungen: J. L. Mackie Die Verteidigung des Atheismus in den USA und Deutschland: M. Martin, M. Schmidt-Salomon Der Atheismus der Lüste: M. Onfray Das glückliche Leben ohne Gott: P. Kurtz Dionysischer Atheismus: P. Sloterdijk im Literaturhaus Berlin mittwochs 17.30 bis 19.00 Uhr Thema: Weltende oder Weltwende? Zur Kritik des apokalyptischen Bewusstseins Literaturhaus Berlin (Kaminraum) Fasanenstraße 23 • 10719 Berlin Tel.: (030) 88 72 86-0 Fax: (030) 88 72 86-13 www.literaturhaus-berlin.de [email protected] 2008 8. Okt. Eine kleine Theorie des Weltendes: E. M. Cioran 22. Okt. Von der Apokalypse zum Weltbürgerkrieg: H. M. Enzensberger 12. Nov. Wer stoppt die Apokalypse? R. Bahro 26. Nov. Der Kampf gegen den Atomtod: A. Einstein, A. Schweitzer, G. Anders 2009 14. Jan. 28. Jan. 11. Feb. 25. Feb. 1. April 15. April 6. Mai 20. Mai Weltende und ewige Wiederkehr: F. Nietzsche Weltende im Hinduismus: M. Eliade Weltende im christlichen Denken: Papst Benedict XVI. Weltende und Krieg der Religionen: V. u. V. Trimondi Weltende und Apokalypse-Industrie: M. Horxx Es gibt keine Apokalypse: B. Lomberg Die Skepsis gegenüber der Apokalypse: O. Marquardt Die Atombombe und die Zukunft der Menschheit: K. Jaspers Achtung: Terminänderungen sind möglich! Bitte sicherheitshalber immer beim jeweiligen Veranstalter nachfragen im Programm nachschauen!!! Selberoder denken 2008 12