Das Wunder des Atheismus - Schibri

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Selber
denken
Infomagazin
2008
Das
Magazin
der philosophischen Lebenskunst
Kann man auch ohne Religion
glücklich werden?
Das Wunder des
Atheismus
1
Selber denken 2008
www.schibri.de
Editorial
Kontakte:
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Prof. Dr. Lutz von Werder
„Atheismus“ ist das Thema unserer diesjährigen Ausgabe von und zum
Selber denken.
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Impressum
Selber denken
Das Magazin der
philosophischen Lebenskunst
Aber was versteht man eigentlich unter „Atheismus“?
Wenn man im Lexikon oder im Internet forscht, findet man keine eindeutige und allgültige Antwort. Scheinbar empfindet jede/r diesen Begriff
anders.
Aus diesem Grund möchten wir Ihnen mit diesem Heft und auch mit dem
neuen Buch von Lutz von Werder das „Wunder des Atheismus“ und damit
die unterschiedlichen Vorstellungen und Umgangsweisen verschiedener
Philosophen und Meinungen zum Atheismus und Gottesglauben vorstellen und Sie damit zum Diskutieren und Selberdenken anregen.
In dem Beitrag „Versuche zu glauben“ wird beispielsweise sehr emotional dargestellt, wie schwierig es sein kann, unbedingt an irgendetwas
glauben zu wollen.
Angelika Driesner versucht in einem „Dialog mit einem Atheisten“ der
Antwort näher zu kommen.
Und schließlich werden Philosophen aus Amerika und Frankreich vorgestellt, die eine „neue Offensive der Atheisten“ vertreten.
Selbstverständlich fehlt auch ein Auszug aus Lutz von Werders neues­tem
Buch nicht, auch die Themen und Termine seiner philosophischen Cafés
können Sie wie gewohnt auf der letzten Seite finden.
Außerdem möchten wir Sie einstimmen auf demnächst erscheinende Werke von Lutz von Werder, diesmal zur Selbstanalyse und zum Schreiben
einer eigenen Biografie und Mythologie.
Herausgeber:
Lutz von Werder
Verlag:
Schibri-Verlag
erscheint:
jährlich
Preis:
1,- Euro
Redaktion, Layout: Lutz von Werder
Andreas Brüning
Iris van Beek
Matthias Schilling
Titelgrafik:
Arite Nowak
Nutzen Sie diese Ausgabe von Selber denken für Ihre persönlichen philosophischen Gedanken, für die Diskussion in Ihrem Bekanntenkreis, in
der Schule, in der Kirche oder in philosophischen Cafés und Gesprächskreisen und schreiben Sie uns, wenn Sie Lust dazu haben, wir freuen uns
über jede Zuschrift.
Copyright:
Alle Rechte beim Verlag
Printed in Germany
Wir wünschen Ihnen wieder viel Vergnügen
beim Mitphilosophieren und Selberdenken!
Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt.
Iris van Beek
und Ihre Selber-Denken-Redaktion
ISSN 1860-272X
Selber denken 2008
2
Das Wunder des Atheismus
– Lutz von Werder –
Mit der Gotteshypothese lässt sich vieles erklären. Viele Leiden und viele Tränen werden getröstet.
Was aber bleibt, wenn auf die Gotteshypothese verzichtet wird?
Es entsteht das Wunder des Atheismus.
Sein Wunder besteht darin, dass es den Menschen und sein Schicksal aus der immanenten Welt
erklären kann. Der Mensch als Inhalt des atheistischen Humanismus kann erkennen, dass für ihn
der Mensch das Maß aller Dinge ist.
Das Wunder des Atheismus zeigt: Auf den Menschen kommt es an.
Im Zentrum des Wunders steht dabei der arme Mensch, der verdammte Mensch. Ihm ist alles genommen. Er hat alles verloren. Seine Arbeitskraft ist nichts mehr wert. Kein Mensch hilft ihm, kein
Gott rettet ihn. Aber wenn die Verdammten dieser Erde erkennen, dass sie sich nur selber helfen
können, dann entsteht das Wunder des Atheismus.
Damit diese armen Menschen ihre große Aufgabe erkennen, die Welt neu zu schaffen, müssen sie
die Schätze erkennen, die der Atheismus für sie bereit hält, indem sie sich durch ihn auf ihre eigene
Kraft besinnen. Sie müssen das Projekt Aufklärung verstehen, um zu erkennen, was die Erde für
sie bereit hält, wenn sie sich aus ihrer selbst verschuldeten Unmündigkeit befreien. Sie können die
Gefahren des pessimistischen Atheismus und des nihilistischen Staatsatheismus durchschauen und
zum optimistischen Atheismus vorstoßen.
Damit gewinnen sie ihre Zukunft.
Und wenn man es genau betrachtet, gehören alle Menschen zu den armen Menschen. Wobei die
einen am Reichtum leiden, die anderen an der Ausbeutung. Wenn beide Leiden als vom Menschen
gemachte erscheinen, tritt das Wunder des Atheismus ein.
Es gibt nur diese Erde und diese unsere Zukunft. Der Atheismus versucht, diese Tatsache nicht zu verschleiern. Darin
besteht sein Wunder.
Wer die Erde liebt und sie verteidigt,
kann auch ein glückliches Leben
ohne Religion führen.
Neugierig
geworden?
Dann entdecken
Sie das Wunder
des Atheismus
in dem aktuellen
Buch von
Lutz von Werder
(siehe auch S. 9-11 dieser Ausgabe)
Schibri-Verlag • ISBN 978-3-86863-017-6 • 228 S.•  15,-
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Selber denken 2008
Versuche zu glauben
– Lutz von Werder –
Als ich klein war, war ich Faschist.
Ich glaubte, dass mein Vater die Welt
erobert und wir gegen „Engeland“
fliegen. Mein Vater, der Oberst, war
groß und stark, jähzornig und weinerlich. Er würde die Russen schlagen.
In seinem Zimmer hingen scharfe
Messer und Pistolen. Er war immer
gut bewaffnet.
Aber aus dem Sieg im Weltkrieg wurde nichts. Ich durfte den Hitlergruß
nicht mehr ausbringen. Die Russen
kamen.
In der Schule lernten wir: Stalin ist ein
Gott. Wir hatten eine Stalin-Ecke mit
Bild. Das war unser Heiligtum. Als der
„weise Führer“ starb, weinte ich. Als
Junge war ich Stalinist, ganz klar.
Dann machten wir nach West-Berlin.
Der Kudamm war voller Licht. Die
Warenwelt nahm mich ein. Ich verlernte das Sächsische. Ich schrieb
nicht mehr „Die Arbeiterklasse wird
siegen“. Ich glaubte an das Geld und
an Jesus Christus für kurze Zeit.
Bei der Konfirmation, in der Kirche,
unter den Blicken des strengen Pfarrers, vor dem heiligen Abendmahl,
da sagte ich mir: „Ich kann gar nicht
glauben. Schon gar nicht, dass der
Selbstmord eines Menschen am Lauf
der Welt etwas ändert.“
Ich dachte, ich muss denken.
Ich dachte, ich muss nachdenken,
warum es diese Welt überhaupt gibt
und dieses Elend, von dem der Vater
nach 10 Jahren russischer Kriegsgefangenschaft immer sprach.
Ich dachte, ich muss lernen, den Willen zu leben zu überwinden, wie ich
es bei Schopenhauer las. Aber das war
nur möglich, wenn ich ganz traurig
war. Wenn ich melancholisch onanierte und wusste: die Mädchen konnten
mich nicht ernst nehmen.
So fand ich zu Sigmund Freud, den
letzten Schüler von Schopenhauer.
Der sagte: Es ist ein Wunder, dass die
Menschen sich noch nicht umgebracht
haben, aber sie werden es tun.
Mit dem Studium glaubte ich an
Martin Heidegger, an den Vorlauf
zum Tode, an dieses Ereignis des
Seins, nachdem die Götter geflohen
waren. Heidegger lasen wir immer
mittwochs, bei Tee und Kuchen. Wir
begannen zu existieren. Wir waren
entschlossen. Wir wollten die Metaphysik beenden und das begreifen,
was überall vorausgesetzt wird: dass
etwas ist und nicht Nichts ist.
Irgendwann traf ich Rudi Dutschke,
wie alle. Ein Freund sagte: „Das ist
der neue Lenin.“
Entschlossenheit verstand ich nun als
Sturz der Autoritäten. Wir hatten nicht
viel Zeit. Der Krieg in Vietnam traf
auch uns. Auch wir wurden „wie die
Vietkong“ klein gemacht von Franz
Josef Strauß. Der sagte: „Ihr seid
stinkende Vietkong-Schweine. Ihr
werdet vom Rechtsstaat zur Rechenschaft gezogen.“ Als sie dann Benno
Ohnesorg umlegten, da liebte ich die
Revolution. Ich glaubte an den Sieg
der Anarchie. Wir zogen durch die
Straßen und hatten einfach Recht.
Ich war einmal im Krankenhaus. Bei
der Operation hatte ich das Gefühl, ich
fliege durch das Weltall. Ich bin vom
Leben befreit und ich weinte vor Erschrecken. Glaubt mir, ich wollte nicht
zurück. Glaubt mir, ich musste zurück.
Wie tausende musste ich zurück in
diese Welt der Schrecken.
Meine Suche nach meiner Religion
war noch nicht zu Ende. Neben den
Höhenerfahrungen des Heiligen, das
Schweben jenseits von Gott und AntiGott, eben anti-duales Bewusstsein,
wie Ken Wilber sagte, gab es die
heiligen Tiefenerfahrungen. Diese
Erfahrungen waren die pure Angst.
Sie waren voller Schweiß, Zittern,
Schwindel, eingebildeten Krankheiten, Durchfall, Zerstörungslust und
Impulse zum Amok.
Sie waren das Gefühl: Du gehst auf
die Straße und es gibt keine Menschen
mehr.
Da wusste ich, ich musste meine eigene Religion finden. Ich muss mich
durch die Philosophie durcharbeiten.
Da wo die Philosophie ganz praktisch
ist. Da wo sie stoisch den Lauf der
Dinge ertragen lernt. Da wo Meditation ganz still macht.
Doch dann wurde die Revolution
vergessen.
Ich muss die Philosophie der Liebe
studieren.
Ich muss herausfinden, warum die
Frauen die Männer zerstören und
die Männer die Frauen, und warum
es keine Prostata-Stimulation gibt in
bürgerlichen Ehebetten, und warum
Tantra zwei Menschen zum Verschmelzen bringt und die Tür aufgeht
und Gott da ist.
Ich glaubte nun an Norbert Elias und
den langen Weg zur Zivilisation. Und
dass die 62 Theorien über Auschwitz
nichts erklären, und dass die Konterrevolution gesiegt hatte, und dass MaoTse-Tung ein Massenmörder war wie
Pol Pot und Stalin, und der Gulag die
Konsequenz war, wenn man die Welt
verändern will.
Ich muss durch Asien reisen, im
Geiste. Zu Füßen Buddhas sitzen, bei
Laotse hören, wie der Regen fällt,
Nagarjunas Superdialektik studieren,
Pantanjalis Yoga, Konfuzius‘ goldene
Regel, Mohammeds Vision des Engels
Gabriel, den Weg der Sufis gehen nach
Bagdad, durch die Wüste, um ein
Tropfen zu werden im Ozean.
Wir lasen Marx, Engels, Lenin, Lukacs, Stalin, Mao-Tse-Tung, aber auch
Otto Rühle, Max Stirner und Michael
Bakunin. Wir glaubten an die freie
Liebe, an Wilhelm Reich.
Selber denken 2008
4
Als ich im Geiste aus Asien zurück
war nach zwei Jahren, da war mir klar,
ich muss wieder mit der Aufklärung
anfangen. Mit Rousseau: der Tempel
Gottes ist Dein Herz und Gott ist ganz
Natur. Mit Kant: Beweise gibt es nicht.
Alle Beweise Gottes sind nichtig. Klar
ist aber, dass Moral und Vernunft der
Kern der eigenen Religion ist. Aber
eigentlich ist meine Religion die Liebe
zum Unendlichen und zur Revolution, wie sie Schleiermacher darstellt
in seinen Reden, die so romantisch
wie wahr, so tiefsinnig wie evident
sind. Schade, dass Bischof Huber sie
nie gelesen hat. Sagte Schleiermacher doch: „Ich wäre froh, wenn das
Christentum unterginge, wie viele
Millionen Religionen könnten sich
dann frei entwickeln.“
Es gibt die Spuren der Göttin in der
Bibel, es gibt die Venus-Statuetten
30.000 Jahre vor Christus. Es gibt Isis,
die große Göttin von Ephesus, es gibt
Bachofen, der nicht locker ließ und die
matriarchalischen Spuren fand, die die
tiefen Erfahrungen bereicherten.
Die Vielfalt der religiösen Erfahrungen reicht heute von Träumen, vom
kurzen Fliegen durch das All, vom
endlosen Weinen, von Gedichten,
die alles auf eine einfache Formen
bringen, bis zum Schweben über den
Widersprüchen. Das glaubte ich, als
ich William James las.
Meine Religion muss die sozialen Ketten brechen, den Auszug aus Ägypten
fördern, die Elenden und Beleidigten
aus den Fängen des Weltgeldes befreien. Sie muss die Freiheitskämpfer
lieben, wie sie Saigon stürmten, wie
sie in Havanna einmarschierten, wie
sie das Winterpalais eroberten oder
im Reichstag die Räterepublik ausriefen.
Wichtig ist es immer, an einer anarchistischen Religion zu arbeiten, zum
Beispiel wie Nietzsche. Der Gott, der
tanzt, kommt als Dionysos, wenn alle
anderen Götter schon geflohen sind. Dionysos, das ist eine heilige Tiefenerfahrung, ein Ur-Erlebnis, dass wir immer
wieder kommen, dass wir mit unseren
eigenen Leibern unsterblich sind, dass
wir nicht sterben, sondern Kinder der
ewigen Wiederkehr bleiben.
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Selber denken 2008
Die anarchistische Religion wird
vertieft mit Sigmund Freud. Wer ihn
nicht gelesen hat, wer nicht 20 Jahre
auf der Couch gelegen hat, der soll
jetzt schweigen. Die Berggasse 9 in
Wien hat mehr Gnade und Liebe als
alle heiligen Bücher zusammen.
Erst wenn Du den Vatermord begriffen
hast, verstehst Du die Sohnesreligion.
Erst wenn Du die Sohnesreligion
verstanden hast, verstehst Du Dich
in Deinen seelischen Schutthalden,
in Deinen Trieben, in Deinen ozeanischen Gefühlen, Deiner unstillbaren
Verschmelzung mit der Mutter, Deiner
Lust, in den Uterus zurück zu kehren
für alle Zeiten.
Ohne Moses Auszug aus Ägypten,
ohne Anarchie geht gar nichts in Sachen Befreiung, denn Befreiung von
der Last der Erde, das ist die Botschaft
der Kinder Israels, alles echte Anarchisten, aber mit Wüstenerfahrungen
noch und noch.
Sprich alle Orte der Utopie an: Esalen,
Schangrila, Orplid, Utopia, das Land
am Ende der Welt, die Insel der Philosophie, die Insel der Weisheit, Nova
Atlantis, Mittelerde, Stonehenge, die
Externsteine, die Pfade der Magier
in ihren Laboren der Alchemie und
trefft Tolkien, auch einer, der den
Weg kannte.
Die gnostischen Reden an die Toten
enthalten die wichtigsten Botschaften
von C. G. Jung, die alte manichäische
Botschaft. Der böse Gott beherrscht
die Welt und erst der Weg zum guten
Gott wird Dich befreien, wenn es
noch geht.
Heute rüsten sich der Fascho-Islam
und die Fascho-Christen und die
Fundi-Juden zum letzten Gefecht,
zur Endschlacht bei Armageddon.
Mit Atombomben soll die Apokalypse
und die Wiederkehr Christi erreicht
werden, auf Leichenbergen, die bis
zum Himmel stinken. Sagt: Nein!!
Der Todestrieb hat sich Washingtons
bemächtigt. Der 3. Weltkrieg, neben
anderen Katastrophen, rast auf die
Erde zu.
Religion erscheint im Schatten des
Terrors als Terror. Da muss, wie Gianni Vattimo sagt, Religion zur Liebe
werden, nur noch zur Liebe, aber
welcher Liebe und wo und wann und
wie lange und warum und weshalb
und wodurch?
Von Hans Küng soll hier nicht die
Rede sein auf dem Weg „Wie finde ich
meine eigene Religion?“ Er macht es
sich zu leicht. Auch Habermas wird
langsam alt, älter als der heutige Papst,
finde ich.
Also: Wie finde ich meine eigene
Religion? Das ist doch die Frage. Die
Antwort ist wie immer ganz einfach.
Die Antwort ist so einfach, dass sie
keiner verstehen wird. Das macht
aber nichts.
Die Antwort lautet, und sie wird keiner
verstehen: Du musst jeden Tag eine
Stunde schweigen, still sitzen, die Minuten verstreichen lassen, die Zeiger
der Uhr sich bewegen sehen.
Die Antwort lautet, und Ihr werdet das
nicht verstehen: Du brauchst gar nicht
zu suchen, Du wirst Deine Religion
nicht finden, eher findet sie Dich.
Die Antwort lautet: Alle sind schon im
Nirwana – ein kleiner Ruck nur und
Du weißt es und schweigst.
Als ich klein war, war ich Faschist.
Heute weiß ich: Null Toleranz für die
Fascho-Religionen.
Jetzt bin ich Anarchist ohne Gott und
weiß:
Am Ende wird Licht sein, Licht über
Licht, nur Licht über Licht und Licht
über Licht und Licht über Licht, und
kein Mensch weiß, was das zu bedeuten hat.
Aber auch das macht nichts.
Dieses
Gedicht
finden
Sie in
dem
Buch:
Schibri-
Ver
78-3-93 lag
78
152 Seit 95-77-2
en
EUR 8,–
ISBN 9
Der Dialog mit dem Atheisten
und Pascals Wette
– Eine praktische Anleitung –
– Angelika Driesner –
Lutz von Werder stellt in „Verzweifle nicht – suche! Ein Buch
der praktischen Philosophie
zur Gottesfrage…“ eine GrundÜbung für Selber-Denkende
vor: Die Dialog-Technik. Zum
vorliegenden Thema lautet sie:
Erfinden Sie einen Dialog mit
einem Atheisten.
Mit dieser Übung wurde das
Schrei­ben dieses Artikels für mich
zu einer persönlichen Herausforderung und gleichzeitig auch zu
einem praktischen Beispiel für
eine mögliche Herangehensweise
an die Erforschung der Gottesfrage für ernsthaft Selber-Denkende
aller Glaubenspositionen.
In der praktischen Philosophie
nimmt die Frage nach „Gott“ eine
zentrale Stellung ein.
Die Antwort auf sie ist – unabhängig davon, wie sie ausfällt –
wie die Nabe eines Rades: Einer
Lebensphilosophie, in der die
Gottesfrage nicht erkundet wird,
fehlt ein Kristallisationspunkt, in
dem sich alle übrigen Lebensthemen treffen.
Welche Fragen stellten
sich mir?
Hier sei naturgemäß nur der Gipfel eines Eisbergs aufgeführt:
Die erste Frage:
Was denken Menschen
in meinem Umfeld
über das Thema?
Ich suchte zunächst den lebendigen Dialog mit Freunden und
Bekannten. Kannte ich eigentlich
einen Atheisten? Nur zwei fielen
mir ein, beides Physiker.
Einer davon, der Sohn eines
Pfarrers, hatte – wie mehrere der
von mir Interviewten – Probleme
mit verschiedenen Dogmen wie
der jungfräulichen Geburt, der
Erbsünde usw.
Der andere, ein Anhänger Karl
Poppers, verneinte die Existenz
Gottes mit dem Argument: Sie sei
für die Erklärung der Welt nach
der Aufklärung nicht mehr erforderlich, weil die Wissenschaft,
insbesondere die Naturwissenschaften, diese Erklärungsfunktion übernommen hätten. Was
noch nicht erklärt werden kann,
sei eine Frage der Zeit.
Das wirkte für mich wie ein philosophischer Erdrutsch:
Hieße das nicht in letzter Konsequenz, dass wir als SelberDenkende alles bisher als sichere
Position Gedachte – Bereich
für Bereich – im Lichte wissenschaftlicher Erkenntnisse erneut
in Frage stellen müssten?
Es wäre z. B. vorstellbar, dass
Selber-Denkende zu dem Schluss
kommen: In manchen Bereichen
(etwa bei der Evolutionstheorie
oder einigen Ergebnissen der
Hirnforschung) nehmen sie eine
wissenschaftlich-atheistische
Hal­tung ein, in anderen hingegen
nicht.
Sind die Glaubensetiketten, die
wir uns – bewusst hinterfragt oder
nicht hinterfragt – selbst gegeben
haben, dann noch gültig?
Zu beantworten wären auch die
Fragen: Ist der wissenschaftliche
Glaube an die Richtigkeit eines
Erklärungsmodells an die Stelle
des „Gottesglaubens“ getreten?
Ist die Funktion, die Welt zu
erklären, das Einzige, worum es
bei der Auseinandersetzung mit
der Gottesfrage geht?
Der Dialog mit dem Atheisten
im Außen oder in uns selbst
wird somit zu einer lebenslangen
Herausforderung für SelberDenkende aller Richtungen, einschließlich des Atheisten selbst:
Letztendlich geht es darum, seine
eigene Glaubensposition immer
wieder zu überprüfen und ggf.
neu zu definieren.
Klären wir dafür die zentralen
Begriffe.
Selber denken 2008
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Die zweite Frage:
Was ist eigentlich
„Atheismus“?
Der innere Dialog mit meinem
schon recht zerfledderten philosophischen Wörterbuch begann:
Was ist eigentlich – so würde
Sokrates seine Schüler fragen –
Atheismus?
Was ist der Unterschied oder die
Schnittmenge zu Nihilismus und
Materialismus?
Was bedeuten Gegenbegriffe wie
Theismus, Deismus, Pantheismus, Panentheismus?
Was ist ein Agnostiker?
Wo ordne ich meine „gottlose“
buddhistische Freundin ein?
Wo ist die Grenze zwischen Philosophie und Religion?
Und was ist eigentlich Religion,
was Glauben?
Ich befand mich erwartungsgemäß in einem verwirrenden
Labyrinth der Begriffe und erkannte: Für einen fundierten
Dialog mit einem „richtigen“
Atheisten musste ich mich noch
mehr rüsten.
Die dritte Frage:
Was sind die „Gottes­
beweise“ in der
Philosophie?
Dazu gibt es umfangreiche Literatur, aber mir genügten zunächst
die knappen Übersichten in dem
o. g. Buch. Bei den „Gottesbeweisen“ geht es um die Frage
nach der Existenz bzw. NichtExistenz Gottes. Dabei werden
beide Positionen logisch schlüssig bewiesen!
Für Selber-Denkende werden sie
damit zu einem exemplarischen
Lehrstück für sämtliche philosophischen Dialoge; Denn durch die
7
Selber denken 2008
spiegelbildliche Auseinandersetzung mit den in sich schlüssigen
Argumentationsketten der jeweils
möglichen Gegenpositionen ist
der Selber-Denkende gezwungen,
seine eigene Position ebenfalls
auf Schlüssigkeit zu überprüfen.
Damit gehen philosophische Dialoge weit über übliche Pro- und
Contra-Diskussionen hinaus, in
denen lediglich Meinungen, nicht
aber logisch geprüfte Argumente
gegenübergestellt werden.
Die vierte Frage:
Welche konkreten
Auswirkungen hat
die Bejahung der
Existenz Gottes bzw.
deren Verneinung
auf mein eigenes
Leben?
Die Wette des Philosophen Blaise
Pascal wird hier zur ergänzenden
Übung: „Schätzen wir diese beiden Möglichkeiten ab: Wenn Sie
gewinnen, gewinnen Sie alles,
wenn Sie verlieren, verlieren Sie
nichts: Wetten Sie also, ohne zu
zögern, dass ER ist.“
Selber-Denkende würden jedoch
zögern und zuerst erforschen:
Was würde für mich persönlich
auf der Gewinn- und was auf der
Verlustseite stehen? Und wie fällt
dann nach reiflicher Überlegung
meine eigene Wette aus?
dass Atheisten sich nur deshalb
als „Atheisten“ bezeichnen, weil
sie gegen die Vorstellung eines
anthropomorphen, also eines
Menschen ähnlichen Gottesbildes opponieren, das sie seit ihrer
Kindheit nicht mehr aktualisiert
haben?
Was passiert, wenn ich mal alle
Gottesbegriffe aus dem Lexikon
für mich überprüfe? Wie stelle ich
mir „Gott“ vor?
Damit stoße ich auf die Frage:
Kann ein Mensch Gott überhaupt
erkennen? Vielleicht ist „Gott“
ebenso wenig wie „Liebe“ begrifflich zu fassen?
An hellen Tagen menschlichen
Glücks und in den dunklen Nächten des Leids versagen Sprache
und Vernunft, verstummt der
Streit der Atheisten und Gläubigen – nur der schwebende Gesang der Dichter durchweht das
Unsagbare...
Die
Bücher
zum Artikel
finden Sie in Ihrer
Buchhandlung
oder unter
www.schibri.de
Schibri-Ver
lag
ISBN 3-9288
78-58-1 • 16
8 S.•  12,8
0
Die letzten Fragen:
Wer oder was ist
eigentlich „Gott“?
Ist er erkennbar?
Auch hierzu gibt mein Lexikon
unter dem Stichwort „Gottesbegriffe“ Auskunft. In meinem
inneren Dialog prüfte ich die
Annahme: Vielleicht ist es oft so,
Sc
ISBN 3-9378 hibri-Verlag
95-08-6 • 20
0 S.•  13,5
0
Als Ergänzung zum Buch bietet
die Autorin für ihre LeserInnen
philosophisches Couching per
Email an:
[email protected]
Neuerscheinungen
von Lutz von Werder
Literarisches
Analytisches
Neuauflage!
Gedichte
Die Vergangenheit
erweckt Melancholie.
Die Gegenwart erzeugt
Wut. Durch diese Zeiten
führen die Gedichte. Sie
bannen die noch verborgene, neue Zukunft.
Das Kreative Schreiben
hat sich bei der Besitzwahrung von Identität
als wichtigste Form des
Selbstmanagements
erwiesen.
Das Erinnern, methodische Wiederholen und
literarische Durcharbeiten der eigenen Lebensgeschichte steht im Zentrum dieses Lehrbuches
des autobiographischen
Schreibens.
Erzählungen
Selbstanalyse
Die Meldungen überschlagen sich. Das Klima
kippt. Die Erde hat Fieber.
Grippen drohen. Der 3.
Weltkrieg wird vorbereitet.
Atombomben können in
die Hände von Terroristen
fallen. Die Weltmacht
Amerika wankt. Die Apokalypse scheint ins Haus
zu stehen. Da ergibt sich
die Frage:
„Wie viel Apokalypse
verträgt der Mensch?“
Lutz von Werder
Übungen zur
Selbstanalyse
Hörbu
ch
Roman
1968, das war für den
Ich-Erzähler ein Lernprozess.
Sein Lernresultat heißt:
Statt Ökokrise lieber
Öko­topia.
Statt Globalisierungs­
crash lieber TobinSteuer.
Statt Verschwinden der
Arbeit lieber Freiland.
Statt materialistische
De­pression lieber spirituelle Euphorie.
In diesem Hörbuch wird
die Psychoanalyse als
kreative Methode der
Erforschung des eigenen
Unbewussten erfahrbar. Viele Experimente,
Übungen und methodische Hilfen unterstützen
Sie dabei. Psychoanalyse wird zum Lernerlebnis
auf einem Weg, den
Sigmund Freud und seine großen Schüler selbst
gegangen sind.
die eigene Mythologie
Lutz von Werder
Von der
Romantisierung
der Welt
Wie schreibe ich meine
persönliche Mythologie?
auc
h
Hör als
buc
h
Dieses Buch macht den
Versuch, im Ausgang von
der eigenen Lebensgeschichte die eigene Welt
zu romantisieren. Dabei
wird der Leser eingeführt
in die verschiedenen Wege
und Methoden, wie der
Held seine Lebenskrise
bewältigt hat. Dass dem
Helden bzw. der Heldin
dabei magisch-mystische
und mythische Methoden
zur Verfügung stehen, versteht sich von selbst.
Alle Bücher finden Sie in Ihrer Buchhandlung oder im Schibri-Verlag unter: www.schibri.de
Selber denken 2008
Tel.: 039753-22757 • Fax: 039753-22583 • [email protected]
8
Selber denken mit …
Sam Harris, Richard Dawkins & Co.
Die neue Offensive der Atheisten
– Lutz von Werder –
Seitdem die Wiederkehr der Religionen beschworen wird, tauchen
weitere neue Atheisten auf. Seit dem
11. September 2001 enthüllt sich der
friedliche Charakter der Religionen
wieder als Schein. Das lange Zeit erwartete Verschwinden von Theismus
und Atheismus bleibt aus.
Die neuen Atheisten nehmen sich das
Recht heraus, das freie Denken zur
Grundlage des Lebens zu machen.
Diese neuen Atheisten melden sich
in Frankreich und Amerika zu Wort.
Gegen den angedrohten Krieg der
Gläubigen verschiedener monotheistischer Richtungen stellen sie den
Frieden der Ungläubigen.
Sam Harris
Sam Harris hörte von den Attentaten am
11. 9. 2001 in New York. Er setzte sich
hin und schrieb ein Buch über das Ende
der Religion. Der 11. 9. war nicht der
Beginn einer Rückkehr zur Religion,
sondern des Vorstoßes zum Atheismus.
Sam Harris’ erstes Buch wurde ein
Bestseller. Sein zweites Buch „Letter
to a Christian Nation“ (New York
2006) stellte seinen Atheismus in noch
breiterer Form dar. Harris stellte fest,
dass die Christen sich irren. Sie sind
nicht schwach, sondern dominieren die
US-Gesellschaft. 53 % aller Amerikaner glauben den Kreationisten, die auf
Basis der Bibel das Alter der Erde auf
6000 Jahre schätzen. 44 % der Amerikaner erwarten die baldige Apokalypse
(Harris 2006, S. XI). Sie glauben, wenn
New York in Feuer aufgeht, dann ist das
gut, weil dann „Christus wiederkehrt“
(Harris 2006, S. XII).
DENKEN SIE SELBST:
Erwarten Sie auch ein Wunder von der
Apokalypse?
9
Selber denken 2008
Kein Leuchtturm der Moralität
Allerdings ist die Bibel sehr problematisch. Sie ist in Teilen extrem amoralisch,
weil sie das Ermorden der Ungläubigen
feiert. Auch Jesus ist kein Leuchtturm
der Moralität. Der Kern seiner Predigt,
die goldene Regel, kommt in allen Religionen vor (S. 11). Feindesliebe kann
man von den indischen Jains, Mahatma
Gandhi und Martin Luther King auch
lernen. Die Bibel lobt noch die Sklaverei und den Verkauf von Sklaven. „Die
Bibel ist also kein guter Führer zur Moral.“ (S. 18) Die 10 Gebote verhängen
Todesstrafen auf Polytheismus. Ihre
sozialen Regeln sind alle biologische
Notwendigkeiten und in allen Kulturen
vorhanden. Die Liebesmoral der Jians
in Indien ist erheblich konsequenter als
es Jesus je war.
Christen verhindern
Fortschritt
Die Christen verhindern den wissenschaftlichen und medizinischen
Fortschritt. Es ist ein Fehler, Stammzellenforschung zu verbieten. Bei
der Tötung einer Fliege werden mehr
Stammzellen vernichtet als bei der
wissenschaftlichen Nutzung eines drei
Tage alten Embryos.
Trotz Aids ist für katholische Christen
der Gebrauch von Kondomen verboten. Die Abtreibung wird als Mord
kriminalisiert, obwohl die Überbevölkerung ein Weltproblem ist. Die
Verhinderung einer Schwängerung
wird als Sünde gebrandmarkt. Da bei
der Schwangerschaft 50 % der Embryonen sterben und 20 % als Missgeburten geboren werden, ist Gott der
größte Abtreiber.
Wer als Atheist Gott beiseite lässt, ist
noch lange kein Teufel. Die Atheisten
machen wenigstens keine Kreuzzüge.
Atheistische Diktatoren wurden durch
ihre Machtfülle verrückt, nicht durch
den Atheismus. Auschwitz ist so die
Fortführung des mittelalterlichen
christlichen Antisemitismus und seiner Verfolgung der Andersdenkenden
(S. 41). Die Kirchen haben Hitler
unterstützt. Das Dogma der Religion
und der politischen Religionen haben
Millionen Tote zur Folge gehabt.
DENKEN SIE SELBST:
Sind Menschen in Gefahr, weil es
Dogmen gibt?
Gottesglaube hilft nichts
Die religiösen Staaten der USA haben
die größten sozialen Probleme. Der
Atheismus heilt, die Religion macht
krank. Die soziale Ungleichheit ist in
weltlichen Staaten verbreiteter als in
religiösen Staaten.
DENKEN SIE SELBST:
Sind Religionen gefährlich für den
Fortschritt?
Der Gottesglaube hilft nichts bei
Naturkatastrophen, bei Kriegen, bei
Energieengpässen, bei Rassenkonflikten. Nur die Philosophie hilft, weil sie
das offene Gespräch über alle Konflikte wach hält und dabei die Waffen
schweigen lässt. Der Atheismus ist
ein gutes Gegengewicht gegen den
Lärm und die Propaganda der Religion
(S. 51).
Gott ist nicht zu rechtfertigen. Jeder
Mord widerlegt die Existenz Gottes.
Jeder Tote in New Orleans widerlegt
Gott. Gott kann nicht allmächtig,
allgütig und allwissend sein. Gott ist
angesichts der Übel der Welt entweder
ohnmächtig oder ein Teufel (S. 55).
Die meisten Übel der Welt, sagt Har-
ris, werden von Religionen produziert,
wie Religionshass, Religionskriege,
Unfrieden, Neid und Wut.
Das Neue Testament ist voller Widersprüche und kann die Fehler des Alten
Testaments nicht ausgleichen, wie
viele Christen glauben. Die Bibel ist
veraltet. Sie sagt nichts zum Internet,
zur Krebsheilung, zur Atombombe.
Wissenschaft und Religion passen
nicht zusammen. Wissenschaft ist
gegenüber Gott neutral.
Die größten Entdeckungen, wie zum
Beispiel Darwins Evolutionstheorie
gelangen nur, weil Gott nicht mit im
Ansatz gedacht wurde. Der Mensch
wurde als Teil der Natur erkennbar.
Jeder Versuch, Gott als „Intelligent
Design“ in die Evolution wieder einzuführen, scheitert. Milliarden Jahre
war die Evolution alles andere als
intelligent, eher ein Zusammenspiel
von Versuch und Irrtum.
DENKEN SIE SELBST:
Was spricht gegen das „IntelligentDesign-Konzept“?
Atheisten wissen, dass sie nicht viel
wissen, wo Religionen denken, dass
sie alles wissen. Viele heilige Schriften haben ein positives Verhältnis zur
Gewalt. Indem Religion Unterschiede
schafft, schafft sie häufig Kriegsursachen. Der weltweite Krieg der
Weltreligionen ist keine Erfindung,
sondern ein Fakt (S. 81f.). Selbstmordattentäter sind meist nicht arm,
sondern fanatisch.
Der Islam ist dabei, Europa zu überfluten und der Islam ist keine friedliche
Religion. Es gibt keinen gemeinsamen
Gott, solange es Jehova und Allah gibt,
gibt es Krieg.
Die neue Lebenskunst der
Atheisten nach Sam Harris
Aufklärung und öffentliche Diskussionen über Religionen wären ein
Akt der Befreiung. Transpersonale
Erfahrungen sollten gesucht werden,
aber ohne zu dogmatischen Fronten
zu führen. Sie sollten die Aura des
Mystischen besitzen.
Die Religion war in der Evolution
wichtig. Für die Zukunft ist es wichtig,
sich von ihr zu befreien. Die Arbeit
an einer globalen Zivilisation braucht
keine trennenden Religionen, sondern
verbindende Vernunft. Die Hoffnung
allerdings die Religion zu zähmen, zu
demokratisieren und zu privatisieren,
ist für Harris nicht groß, aber die
Hoffnung stirbt zuletzt.
Richard Dawkins
Richard Dawkins, der große amerikanische Darwinist, hat mit seinem
Buch „Der Gotteswahn“ 2006 einen
Bestseller gelandet. Er stellt sich vor
wie eine Welt ohne Gott aussieht. Es
gäbe keine Selbstmordbomber, keinen 11. September, keine Kreuzzüge,
keine Hexenjagd, keinen israelischpalästinensischen Krieg, keine Massaker in Serbien, keine Judenverfolgung
und keine Taliban, die Buddha-Statuen
sprengen (R. Dawkins: The God Delusion. London 2007, S. 24).
Modernster Atheismus
Sein Buch entwickelt in 10 Kapiteln
den modernsten Atheismus. Gott ist
für ihn nur eine mögliche Hypothese,
die man sehr skeptisch betrachten
sollte. Die Argumente für Gott lässt
Dawkins nur gelten, wenn sie witzig
sind, zum Beispiel das Argument aus
der unvollständigen Zerstörung: „Ein
Flugzeug stürzt ab. 134 Passagiere
sind tot, aber ein Kind überlebt, also
gibt es einen Gott.“ (S. 109)
Oder das Argument aus dem Unglauben: „Die Mehrheit der Menschheit
glaubt nicht an Jehova. Das weist auf
die Macht des Satans hin. Also existiert Gott.“ (S. 110)
Oder das Argument aus der Nah-TodErfahrung: „Die Person X stirbt als
Atheist. Nach dem Tod erkennt er seinen
Irrtum. Also existiert Gott.“ (S. 110)
Dawkins geht davon aus, dass der
Theismus am Bösen scheitert. Alle
theologischen Versuche, Gott als rachsüchtig, als Satan, als einen Gott, der
sich um die Welt nicht kümmert, als
Gott, der den Menschen alle Freiheiten
lässt, zu begreifen, müssen scheitern
(S. 135). Auch die Kreativen Designer, die in der Evolution einen guten
Geist am Werke sehen, müssen sich
die Frage gefallen lassen: Wer hat den
Designer designed?
Kampf ums Überleben der fittesten Religion
Den größten Teil seines Werkes
nimmt die Darstellung der neuesten
Theorien über die Religion ein. Nach
Darwin kann man in der Religion
einen Selektionsvorsprung für die
Gläubigen erkennen. Zwischen den
Religionen herrscht der Kampf um
das Überleben der fittesten Religion
(S. 147). Gott als Lückenbüßer für
die Sprünge in der Evolution zu benutzen, scheitert am Fortschritt der
Wissenschaft (S. 154). Unzweifelhaft
ist das Leben auf der Erde ein Wunder. Es wird im Kosmos sehr selten
sein. Aber das ist für Dawkins kein
Grund, die Gotteshypothese zu bemühen. Der Ursprung des Lebens hat
seine chemisch-physikalischen Ursachen, die überall im Kosmos wirken
(S. 166). Auch in einem Multiversum
oder Parallel-Universum wird intelligentes Leben existieren. Die fittesten
Universen werden im kosmischen
Selektionskrieg überleben, in Serie
oder im Kreis.
DENKEN SIE SELBST:
Glauben Sie eher an ein unendliches
serielles Universum oder an einen
kosmischen Kreislauf?
Gott ist eine Theorie für alles, aber
sie behindert nur die Wissenschaft
und ihre Freiheit (S. 179). Die beste
Theorie von allen ist aber Darwins
Evolutionstheorie.
Bei der Darstellung der neuesten Religionstheorie will Dawkins folgende
Fragen beantworten (S. 189):
• Warum gibt es überhaupt Religion?
• Macht Religion moralisch?
• Warum ist Religion so aggressiv?
• Warum hat jede Kultur Religion?
Das „Gottesmodul“
Für das Entstehen der Religion sprechen verschiedenen Evolutionsfaktoren. Religion mindert Stress
(S. 195). Religion entsteht in einem
Areal des Gehirns, das „Gottesmodul“ genannt werden kann. Religion
schafft einen großen gemeinsamen
Erregungszustand, der Staatsbildung
zulässt. Das Gehirn des Menschen
denkt dualistisch, deshalb produziert
es dauernd metaphysische Phantasien
Selber denken 2008
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(Dawkins 2007, S. 209). Die Religion
hat genetische Wurzeln, die den Menschen zwingen, etwas zu lieben. Die
wichtigsten Grundlagen der Religion
schafft erst die Erziehung. Die Religion wird von den Eltern auf das Kind
übertragen. Jede Gesellschaft steht in
Konkurrenz zu anderen, deshalb ist
jede Religion auch immer aggressiv,
weil sie den Konkurrenzkampf der Gesellschaften unterstützt. Aber je höher
die Bildung, desto geringer ist die Zahl
der Gläubigen. Die Menschheit hat
die besten Überlebenschancen, wenn
sie die Grenzen der Religion sprengt
und der Wissenschaft und Technik
alle Freiheiten gibt, die Risiken des
Atomatomzeitalters bewältigen.
Dieser Artikel kann ausführlich nachgelesen
werden in dem Buch:
Neuerscheinung
Die beste Lebenskunst muss für
Dawkins wissenschaftlich geprüft und
bewiesen sein. Aber bleibt nicht die
Chance einer Spiritualität ohne Gott?
A. Comte Sponville
Der bekannte französische Philosoph
André Comte Sponville stellt sich
in seinem Buch „Woran glauben
Atheisten?“ (Zürich 2008) der Frage
nach einer Spirituaität ohne Gott. Er
beantwortet diese Frage positiv. Eine
Spiritualität ohne Gott ist möglich.
Sie entsteht spontan und umfasst das
Glück, sich als Teil eines unfassbaren
Ganzen zu erleben. Diese Mystik ohne
Gott vermittelt die höchste Lebenskunst, ohne Angst vor dem Tod leben
zu können. Aus dem unfassbaren Ganzen kann kein Mensch herausfallen.
Das ist es.
Dieser spirituelle Atheismus könnte
auch in Zeiten der heutigen Weltwirtschaftskrise überleben…
Schibri-Verlag • ISBN 978-3-86863-017-6 • 228 S. • 15,-
„Gibt es eine Spiritualität ohne Gott?“
Der Atheismus ist ein Wunder. Gegen den erbitterten Widerstand der Religionen hat er sich im Zeitalter der Wissenschaft
und Technik eindrucksvoll entwickelt.
Aber wie sehen die atheistischen Wege zu einer Spiritualität
ohne Gott, ohne Glaubenszwänge, ohne Rituale aus?
Welchen Trost hält der Atheismus für seine Anhänger angesichts
von Tod, Schmerz, Krieg und Leiden bereit?
Das Buch stellt die wichtigsten modernen Vertreter des freien
Geistes vor. Das Buch ist keine Kampfschrift für eine Weltanschauung, sondern zeigt Wege der spirituellen Selbsterfahrung
für alle, die nicht kirchlich glauben können oder wollen.
Prof. Dr. Lutz von Werder,
*1939, Philosoph. Bis 2004 Hoch­schullehrer
für Kreativitätsforschung an der Alice-Salomon-Fachhochschule in Berlin-Hellers­­dorf.
Seit 1993 Leitung von Philosophischen Cafés
in Berlin mit 80 bis 300 Personen.
Herausgeber des Magazins „Selber denken“,
zahlreiche Publikationen zur philosophischen
Lebenskunst, praktischen Philosophie, zum
kreativen/wissenschaftlichen Schreiben sowie
literarischer Texte.
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Selber denken 2008
Das Buch zum
Artikel finden Sie
in Ihrer Buchhandlung
oder im Schibri-Verlag
[email protected]
Tel.: 039753-22757
Fax: 039753-22583
www.schibri.de
Das philosophische Café
mit Lutz von Werder
in der Urania Berlin
sonntags 10.30 bis 12.00 Uhr
Thema: Das Wunder des Atheismus
fé
2008/2009
Ca
Urania Berlin e.V.
An der Urania, 10787 Berlin
Tel.: (030) 218 90 91
Fax: (030) 211 03 98
www.urania-berlin.de
[email protected]
Gibt es ein glückliches Leben ohne Gott?
2008 5. Okt. Alles ist Materie. Basta: Baron d‘Holbach
19. Okt. Die Lösung der vier Welträtsel: E. Haeckel
2. Nov. Der Götterwahn: R. Dawkins
16. Nov. Vom Nichts zum Sein: M. Heidegger
2009 18. Jan.
25. Jan.
22. Feb.
1. März
5. April
19. April
10. Mai
17. Mai
NEU!
Das Schweigen des Seins: J. P. Sartre
Die Nachricht von der adlerhaften Materie: E. Bloch
Atheistische Glaubensbekenntnisse: Deschner, Russell, Harris
Zur Kritik religiöser Erfahrungen: J. L. Mackie
Die Verteidigung des Atheismus in den USA und Deutschland:
M. Martin, M. Schmidt-Salomon
Der Atheismus der Lüste: M. Onfray
Das glückliche Leben ohne Gott: P. Kurtz
Dionysischer Atheismus: P. Sloterdijk
im Literaturhaus Berlin
mittwochs 17.30 bis 19.00 Uhr
Thema: Weltende
oder Weltwende?
Zur Kritik des apokalyptischen Bewusstseins
Literaturhaus Berlin
(Kaminraum)
Fasanenstraße 23 • 10719 Berlin
Tel.: (030) 88 72 86-0
Fax: (030) 88 72 86-13
www.literaturhaus-berlin.de
[email protected]
2008 8. Okt. Eine kleine Theorie des Weltendes: E. M. Cioran
22. Okt. Von der Apokalypse zum Weltbürgerkrieg: H. M. Enzensberger
12. Nov. Wer stoppt die Apokalypse? R. Bahro
26. Nov. Der Kampf gegen den Atomtod: A. Einstein, A. Schweitzer, G. Anders
2009 14. Jan.
28. Jan.
11. Feb.
25. Feb.
1. April
15. April
6. Mai
20. Mai
Weltende und ewige Wiederkehr: F. Nietzsche
Weltende im Hinduismus: M. Eliade
Weltende im christlichen Denken: Papst Benedict XVI.
Weltende und Krieg der Religionen: V. u. V. Trimondi
Weltende und Apokalypse-Industrie: M. Horxx
Es gibt keine Apokalypse: B. Lomberg
Die Skepsis gegenüber der Apokalypse: O. Marquardt
Die Atombombe und die Zukunft der Menschheit: K. Jaspers
Achtung: Terminänderungen sind möglich! Bitte sicherheitshalber immer beim jeweiligen Veranstalter nachfragen
im Programm
nachschauen!!!
Selberoder
denken
2008
12
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