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Alle Nomen waren entweder männlich, weiblich oder sächlich, und es gab endlos viele und komplizierte Endungen der Verben und Adjektive. Im Vergleich zum Englischen war das alles nicht leicht zu behalten, aber ich hatte das Gefühl, dass Deutsch eine ganz genaue Sprache wäre. Ich war davon überzeugt, dass diese Genauigkeit das Besondere an der deutschen Sprache war, denn Deutschland war ja auch als das Land der Philosophie, Wissenschaft und Literatur bekannt. Darum machte ich mich mit Freude und Eifer an das Erlernen dieser Sprache. Das Lernen einer Fremdsprache bedeutet immer, dass man mit dem jeweiligen Land vertrauter wird. Bald schon fühlte ich mich stark zu Deutschland hingezogen und dorthin zu reisen oder gar dort zu studieren, wurde mein Traum. Diesen Traum nährte ich, indem ich in ungeschicktem Tonfall für mich das Gedicht Herbsttag von Rainer Maria Rilke „Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß…“ rezitierte oder das Schubert-Lied vom Lindenbaum „Am Brunnen vor dem Tore da steht ein Lindenbaum“ sang. Leider aber musste ich meine Deutschstudien mit dem Ende meines Studiums, den ____________________________________________________________________________________________________________ Copyright © Goethe-Institut 1 Alle Rechte vorbehalten www.goethe.de/seoul ÓÔÕ Ö×Ø ÙÚÛ ÜÝÛ Þßà áâãÛ äåæç Ö×à èÓéê ëåìç íîï ðñ òóô ðï õö ÷øùà úã ûüý õþÿ òó ëåÿ ä Ö× ï ! "#Û #$ å%é& '(ô òó )*ý + ,Ú -.ï /01 é2Õ Ö×ï 3éê ê Ø # 4éã 56 789à :ê ;ÿ Ö×<Ø =>à ð? 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Im Rückblick war diese Zeit vom Juni 1978 bis September 1979 ein traumhaftes Erlebnis. Nach meiner Rückkehr nahm ich meine Richtertätigkeit mit Eifer wieder auf und hatte nur selten Gelegenheit Deutsch zu sprechen. Aber gelegentlich, bei der Lektüre juristischer Texte, kam ich wieder mit dem Deutschen in Berührung. Oft sagen die Leute, Deutsch sei eine harte Sprache, vor allem die Gesetzessprache. Mir aber scheint gerade diese wie ein gut sitzendes Kleidungsstück. Durch ihren eindeutigen Sinn und ihre Klarheit vermittelt sie Wohlbehagen. Ihr wohnt Kraft und Würde inne. Ein typisches Beispiel ist Artikel 1 des Grundgesetzes. Darum lese ich den Text von Zeit zu Zeit laut: (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und schätzen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. Der Text klingt wie die Strophe eines wunderbaren Gedichts, eines Meisterwerks voller Pathos. Ein ähnlicher Inhalt findet sich auch in den Verfassungen manch anderer Länder weltweit, aber keine von ihnen erweckt in mir dasselbe starke Gefühl. Woran mag das liegen? An meiner Liebe zu Deutschland? Das allein ist es aber nicht. Vielmehr liegt es daran, dass dieser Artikel 1 des Grundgesetzes, Ausdruck des deutschen Geistes und dem Geist der Welt ein Vorbild, in so vollkommener Weise die charakteristischen Merkmale der deutschen Sprache zur Geltung bringt. ____________________________________________________________________________________________________________ Copyright © Goethe-Institut 2 Alle Rechte vorbehalten www.goethe.de/seoul