pdf - 40 years in Germany

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Vierzig Jahre Gewerbeimmobilienmarkt
Deutschland
Vorwort
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Vorwort
Was verbindet Jones Lang LaSalle mit so illustren Namen wie der Bayer AG, Lamborghini, der
Immobilien Zeitung oder Harley Davidson? Ganz einfach: Das Jahr 2013 beschert uns ein rundes
Jubiläum. Im Jahr 1973 eröffnete unser erstes deutsches Büro in Frankfurt. Ein Klacks gegen
unsere insgesamt 230-jährige Firmentradition. Dennoch sind auch runde 40 Jahre allemal Grund
genug für einen Rückblick in eigener Sache.
Einen solchen Rückblick halten Sie gerade in Händen. Wir haben den renommierten Fachjournalisten und Immobilienexperten Werner Rohmert gebeten, sich als Gastautor mit einem historischen
Abriss der deutschen Gewerbeimmobilien-Geschichte von 1970 bis heute zu befassen. Bedenkt
man, dass zur Zeit unseres Markteintritts noch die sozialliberale Koalition mit Helmut Schmidt den
Bundeskanzler stellte, wird deutlich, über welche Zeitspanne wir reden. Und welche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen seither stattgefunden haben.
Jones Lang LaSalle, damals noch Jones Lang Wootton, fand 1973 in Deutschland ein Umfeld
stabiler deutscher Immobilienmärkte mit langfristiger Wertsteigerungshistorie vor. Heute zählt
Deutschland international zu den interessantesten und aussichtsreichsten Immobilienmärkten.
Hauptkriterien hierfür sind die guten konjunkturellen Aussichten, eine relativ niedrige Staatsverschuldung, große und liquide Teilmärkte, die im internationalen Vergleich hervorragenden
Refinanzierungsmöglichkeiten, lange Mietverträge, Rechtssicherheit sowie politische Stabilität.
Nach wie vor ist dies ein ideales Umfeld für ein weltweit tätiges Immobilienberatungsunternehmen
wie Jones Lang LaSalle. Und wie in den vergangenen 40 Jahren verfolgen wir bei unseren
Aktivitäten auch heute stets das Ziel, die deutsche Immobilienbranche gemeinsam mit unseren
Kunden weiter zu professionalisieren.
Ganz im Sinne unseres Unternehmensmottos „Real value in a changing world“ wünsche ich
Ihnen nun eine interessante Lektüre und freue mich auf Ihre Anregungen und Fragen.
Mit freundlichem Gruß
Dr. Frank Pörschke, CEO Germany
Vorbemerkungen
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Vorbemerkungen
Der deutsche Gewerbeimmobilienmarkt unterschied sich bis weit in die 90er Jahre in einigen
Bereichen grundlegend von angelsächsisch
geprägten Märkten. Dies trifft insbesondere auf
die Ausprägung institutioneller Kapitalanlagen
zu: Ein Kapitalanlagemarkt für gewerbliche, insbesondere Büroimmobilien, hat sich in Deutschland erst lange nach dem Krieg entwickelt.
Während sich die Industrienationen der Vorkriegsphase durch die industrielle Revolution mit
der daraus resultierenden Landflucht und der
Ausbildung industrieller Ballungsräume noch
weitgehend parallel entwickelten, gab es in den
für die Büromärkte wichtigen Dienstleistungsbereichen historisch bedingte Unterschiede. In
Deutschland bildete sich eine föderale Struktur heraus, wohingegen Großbritannien und
Frankreich im Verwaltungsbereich weitgehend
zentralistisch ausgelegt waren. London und Paris
konnten über viele Jahrhunderte auf ein extensives Bevölkerungswachstum und eine zentrale
Verwaltungshistorie zurückblicken. Dagegen
entwickelte sich Berlin erst sehr spät und erreichte auch in der Kaiserzeit nie den vergleichbaren
Status einer Weltmetropole. Dem verlorenen
Ersten Weltkrieg folgte speziell in Verbindung mit
dem Nationalsozialismus eine Zeit der Renationalisierung Berlins. Durch den Zweiten Weltkrieg
und die Teilung Deutschlands verlor Berlin weiter
an Bedeutung. Trotz der früheren Hauptstadt-
funktion beginnt die fortschreitende Internationalisierung Berlins erst mit der Jahrtausendwende.
Hamburg hingegen entwickelte sich bereits
in der Vorkriegszeit zu einer Metropole mit
höchstem internationalen Einfluss. Dennoch
wirkt sich das historisch bedingte Fehlen einer
dominanten deutschen Metropole in einem
vorherrschend föderalen Umfeld auch über den
Neuaufbau der Nachkriegsjahre bis heute aus.
Die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges
sorgten dann für deutsche Immobilienmärkte
und -entwicklungen, die sich tatsächlich fundamental von den angelsächsischen Märkten
unterschieden:
• Gleich zwei aufeinander folgende galoppierende Inflationen im Verlauf einer Generation
bewirkten einen Totalverlust aller nominalen
Anlagen bei gleichzeitigem Werterhalt von
Immobilienanlagen trotz hoher Ausgleichsbesteuerung. Sie sorgten sowohl bei privaten
Investoren als auch bei Unternehmen für
eine ausgeprägte spezifische Sachwert- und
Immobilienkultur. Diese Identität unternehmerischer Entscheidungsträger, besonders
im Mittelstand und bei WohnimmobilienPrivatinvestoren, förderte die Entwicklung der
Wohnungsmärkte und das verstärkte Eigentumsdenken in deutschen Unternehmen.
Vorbemerkungen
• Die deutschen Gewerbeimmobilienmärkte
der Aufbauzeit waren eigentümergeprägt. In
den Bilanzen der Unternehmen waren stille
Reserven aus Immobilieneigentum auch an
peripheren Standorten bis in die 80er Jahre
ein wichtiges Bonitätsmerkmal. In den großen deutschen Städten prägten Versicherungs- und Bank-„Paläste“ die Innenstädte.
Zur Vermietung gelangten regelmäßig nur
freigezogene Flächen, Vorratsflächen oder
Flächen fallierter Unternehmen. Durch hinreichend verfügbare Finanzierungsfazilitäten
auch bei geringem Eigenkapital ergab sich
nur in Ausnahmefällen eine Mietnachfrage
prominenter Großmieter.
• Gewerbliche Projektentwicklung zur späteren
Vermietung blieb bis weit in die 70er Jahre
hinein ein Nischengeschäft meist regionaler
Projektentwickler mit hoher Bankenabhängigkeit. Insgesamt war in der konjunkturell,
demografisch und immobilienwirtschaftlich
prosperierenden Nachkriegszeit der Eigenkapitalanteil deutscher Unternehmen und
Projektentwickler im internationalen Vergleich
sehr gering.
• Bis heute ist der deutsche Finanzierungsmarkt geprägt durch die übermächtige Bedeutung des Bankensektors. Durch die doppelte
Kapitalvernichtung der beiden Weltkriege
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und die folgenden galoppierenden Inflationen
war der originäre, meist historisch bedingte
Anlagebedarf deutscher Kapitalsammelstellen
im internationalen Vergleich gering. Auch das
Bankensystem hatte vergleichsweise geringe
Eigenkapitalquoten. Im angelsächsischen
Raum bildeten sich vorwiegend 40/40/20-Relationen mit ca. 40 Prozent Fremdkapital, 40
Prozent externen, nachrangigen Finanzierungen oder externem Eigenkapital und 20
Prozent unternehmerischem Eigenkapital heraus. In Deutschland hingegen blieb bis weit in
die letzte Dekade hinein eine 80/20-Relation
von Bankkrediten zu Unternehmenseigenkapital erhalten. Gerade in den frühen
Aufbaujahren waren stille Reserven und die
Verfügbarkeit von zu bebauenden oder zu
tauschenden Vorratsgrundstücken Motoren
weiterer Immobilieninvestitionen. Alternative
Finanzierungsfazilitäten nachrangiger Kredite
oder Mezzanine-Kapitals blieben Nischenprodukte ohne Marktrelevanz. Alle Versuche
zur Implementierung angelsächsischer
Finanzierungsfazilitäten blieben mangels
vorhandener Strukturen in Deutschland bis
zuletzt erfolglos. Auf einen zyklischen „Credit
Crunch“ folgte regelmäßig eine extensive
oder sogar euphorische Kreditvergabe, die
durch „Self-fulfilling-prophecy“-Aspekte bis
zum jeweiligen kommenden Wendepunkt
noch verstärkt wurde.
Vorbemerkungen
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Aus dieser historischen Entwicklung ergaben
sich zentrale immobilienwirtschaftliche Unterschiede: Auf der einen Seite stand ein über
Jahrhunderte geprägtes Investorenverhalten
angelsächsischer Kapitalsammelstellen mit
wachsendem Anlagedruck durch in London
verwaltete Ölgelder und einer ausgeprägten
Dienstleistungskultur durch Chartered Surveyors. Demgegenüber standen in Deutschland
„jugendliche“ Gewerbeimmobilienmärkte, die
durch das Fehlen historischen Kapitalanlagebedarfs alter Vermögen ebenso geprägt waren
wie durch die prosperierende Wirtschaft des
auslaufenden Wirtschaftswunders.
Auch Kontinentaleuropa schwächelte im
Vergleich zu Deutschland. Franc, Lira oder
Peseta waren Weichwährungen. Pfund und
Dollar verloren ab 1973 mit dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems, das nach
dem Zweiten Weltkrieg ein neu geordnetes
internationales Währungssystem mit festen
Wechselkursen geschaffen hatte, kontinuierlich an Bedeutung. Die D-Mark wurde zur
Hartwährung. Das deutsche Universalbankensystem mit eingebauter Risikostreuung und
das deutsche Bundesbanksystem zeigten ihre
Funktionsfähigkeit und wurden international
zur Messlatte.
Die wichtigsten historischen Unterschiede lagen
mithin in der föderalen Struktur Deutschlands
mit je nach Betrachtungsweise drei, fünf oder
acht vergleichbaren Investitionsstandorten, der
Eigennutzerprägung des Gewerbeimmobilienmarktes, den unterschiedlichen Finanzierungsfazilitäten und der Inflationsangstprägung.
Westdeutschland wurde zu einer der führenden Industrienationen der Welt. Skandinavien
spielte keine Rolle, der Ostblock war stabil
und bis in die 70er Jahre hinein ökonomisch
unbedeutend. Die Tigerstaaten entwickelten
sich erst in den 80ern, um mit der Asienkrise
wieder zu verschwinden. Asien bestand aus
Japan. Indien war vorwiegend für seine heiligen Kühe bekannt und China fand ökonomisch
urkundliche Erwähnung erst im laufenden
Jahrtausend.
Neben diesen grundsätzlichen Unterschieden
differierten die volkswirtschaftlichen Entwicklungen speziell im Verhältnis zu England, aber
auch zu Frankreich. London blieb eine weltweit
führende Dienstleistungsmetropole, während die
Siegermacht England industriell immer mehr an
Bedeutung verlor. Die Macht der Gewerkschaften mit ihren Lokführerstreiks war sprichwörtlich.
Damit stellte sich die immobilienwirtschaftliche
Ausgangslage neben den bereits skizzierten
Unterschieden zu angelsächsischen Strukturen
wie folgt dar:
Vorbemerkungen
• Im kriegszerstörten Deutschland waren
Immobilien ein meritorisches Gut, an dem in
allen Segmenten Bedarf bestand, und das
staatlich mit einer Vielzahl von Fördermaßnahmen gestützt wurde. Speziell die steuerlichen Maßnahmen prägten das gesamte
deutsche Kapitalanlage-Immobiliengeschehen, da zum Erhalt der steuerlichen Vorteile
regelmäßig eine personenorientierte Rechtskonstruktion oder alternativ ein Vehikel nach
Investmentrecht nötig war. Damit entfielen
Börsenvehikel und konnten bis heute trotz
geänderter staatlicher Rahmenbedingungen
keine Bedeutung erlangen.
• Die industriell geprägten Ballungsräume,
insbesondere auch das Ruhrgebiet, prosperierten ökonomisch und demografisch.
Millionen von Gastarbeitern sorgten für
eine positive Bevölkerungsentwicklung. Der
Pillenknick Ende der 60er Jahre war in seiner
Bedeutung noch nicht einzuschätzen.
• Das volkswirtschaftliche Wachstum erreichte
nach realen zweistelligen Raten der Wirtschaftswunderperiode auch in den zyklischen
Hochphasen der 60er Jahre noch vier bis
fünf Prozent und lag im Jahr 1973, dem Jahr
des Markteintritts von Jones Lang Wootton in
Deutschland, bei real 4,8 Prozent. Gleichzeitig bestand Vollbeschäftigung.
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• Die Immobilienmärkte waren in allen Segmenten durch Knappheit gekennzeichnet.
Die Ballungsräume prosperierten, die Städte
wuchsen und die Grundstückspreise stiegen.
Die Vollbeschäftigung führte zu steigenden
Löhnen. Die Reproduktionskosten für Immobilien stiegen überproportional.
Als Ausgangslage führ den Markteintritt von
Jones Lang Wootton in Deutschland ergab sich
ein Umfeld stabiler deutscher Immobilienmärkte
mit langfristiger Wertsteigerungshistorie – trotz
zyklischer Schwankungen bei gleichzeitiger Tertiärisierung der Wirtschaft. Dennoch hatte der
deutsche Immobilienmarkt zu weit über 90 Prozent nichts gemein mit dem Investmentgeschäft
der Angelsachsen und einer jahrhundertealten
Dienstleistungstradition mit Verhaltensregeln.
Die deutsche Szene der Immobilienberater war
eher sportlich transaktionsorientiert geprägt,
wobei die Unvollkommenheit der Information
und der Märkte oftmals ausgenutzt werden
konnte. Dies führte zu einem eher gestörten
Verhältnis der Bevölkerung zur professionellen
Immobilienwirtschaft. Der Platow Brief bezeichnete einmal die deutsche Immobilie als „Stein
gewordenes, inflationsgepeitschtes Steuerparadoxon“. Dieses Immobilienbild widersprach der
angelsächsischen Immobilientradition.
70er
70er Jahre
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Die 70er Jahre
Die 70er Jahre wurden geprägt durch den politischen Richtungswechsel und die politischen
Konsequenzen der sozial-liberalen Koalition,
die mit Bundeskanzler Willy Brandt die Regierung übernahm. Während die Inflationsraten
zum Ende der CDU/CSU-Regierung bis 1969
auf unter zwei Prozent gefallen waren, stiegen
sie zur Zeit der ausgabenorientierten sozial-liberalen Politik bereits 1970 von knapp zwei auf
etwa vier Prozent und erreichten zur Mitte der
Dekade fast sieben Prozent. Damals machte
das geflügelte Kanzler-Wort „lieber fünf Prozent
Inflation als fünf Prozent Arbeitslosigkeit“ die
Runde. Entsprechend hoch war das Zinsniveau.
Inflationsängste und die nach wie vor vorhandenen steuerlichen Vorteile, speziell im
Eigenheimbau, pushten die Immobilie. Die
Gewerbeimmobilie war nach wie vor durch
Eigentümer-Nutzer-Strukturen geprägt. Der
Anteil des relevanten Kapitalanlagemarktes am
gesamten Immobilienmarkt in Deutschland dürfte zunächst noch bei weit unter einem Prozent
gelegen haben. Mitte der 70er Jahre folgte die
größte Rezession der deutschen Nachkriegsgeschichte, die jedoch schnell wieder in stabiles
reales Wachstum mündete. Die volkswirtschaftliche Entwicklung schlitterte jedoch zum
Ende der Ära Helmut Schmidt in eine erneute
Rezession, die 1982 zur politischen Wende mit
dem Kanzler Helmut Kohl führte.
In der Denkstruktur im Gewerbeimmobilienbereich zeichnete sich in den 70er Jahren eine
Veränderung ab. Mit dem Nutzungsgedanken
im Vordergrund gewann Immobilien-Leasing als
alternative Finanzierungsform an Bedeutung.
Allerdings blieben die volkswirtschaftlichen
Marktanteile vernachlässigbar. Bei monatlichen
„Finanzierungsmieten“, die wie zu Beginn der
80er Jahre bei einem Prozent liegen konnten,
war der Projektentwicklungsmarkt begrenzt.
Darüber hinaus gab es Büromärkte im heutigen
Sinne nicht. Eine hochwertige Büronachfrage
internationaler Mieter bestand daher nicht. Die
Taunusanlage 11, „T11“ genannt, die später
als erste Core-Immobilie in Deutschland die
Mietschwelle von 100 DM überschritt, wurde
1972 zur Eigennutzung der Chase Manhattan
Bank gebaut. Als prominente Büroentwicklung
im heutigen Sinne entstand das bis dato einzige
zur Vermietung gebaute Hochhaus, das Frankfurter Bürocenter (FBC), in dem später auch
Jones Lang Wootton lange Jahre residierte.
Die erste große Ölkrise hinterließ jedoch nicht
nur in der Konjunktur, sondern auch in der
Immobilienwirtschaft drastische Konsequenzen. So blieb der Bau des FBC 1975 durch
die Ölkrise im Rohbau stecken. Erst durch ein
Konzept der ECE, die schon in den 70er Jahren
zum führenden Entwickler und Manager von
70er Jahre
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Shopping Centern wurde, konnte das FBC
1981 fertig gestellt werden.
in der Erstellung staatlich geförderten Wohnungsbaus statt.
Im Jahr 1964 wurde das Main-Taunus Zentrum
als erstes Center nach dem Vorbild amerikanischer, in sich geschlossener Einkaufszentren
fertig gestellt. Es folgte das Alstertal-Einkaufszentrum mit über 100 Geschäften und einer
Verkaufsfläche von 32.000 Quadratmetern als
erstes geschlossenes und vollklimatisiertes
Einkaufszentrum in Deutschland.
Perspektiven im Gewerbebereich boten sich
eher über die Weiterverwertung von Betriebsgeländen insolventer Unternehmen. Der
Mietmarkt rechtfertigte lediglich in besonderen
standortbedingten Ausnahmefällen eigene
spekulative Neubauten, deren prominentere
Fälle sich jedoch eher an einer Hand abzählen
lassen. Parallel zu den erfolgreichen Maklerhäusern mit eigenem Vermögensaufbau
entwickelten sich als alternatives Geschäftsmodell teilweise deutschlandweit agierende
Franchiseketten, die auch ohne überregionales
Vermietungs- oder Verwertungs-Know-how
als Ansprechpartner für Gewerbeimmobilien
fungierten.
Als Büromärkte in internationaler Definition
konnten in Deutschland lediglich Hamburg
mit seiner historisch bedingten hohen Internationalität und Frankfurt als prosperierende
Banken- und Finanzmetropole mit beginnender
Internationalisierung bezeichnet werden.
Düsseldorf begann sich als eher kleinerer
Dienstleistungsmarkt zu etablieren.
Eine Beraterkultur im angelsächsischen Sinne
gab es in Deutschland nicht. Die Maklerszene
war durch Regionalmakler und einige Franchise-Systeme geprägt. Die dahinter stehenden
Eigentümer betrieben oftmals Projektentwicklung und nutzten ihr regionales Know-how –
durchaus auch engagiert zum persönlichen
Vermögensaufbau. Ein großer Teil des Vermögensaufbaus privater Immobilienbesitzer fand
jedoch nach wie vor im Wohnungsbereich und
Bedeutende Marktteilnehmer mit enger Fokussierung wie Jones Lang Wootton, die sich auf
wenige Investmentprojekte und die Vermietung
in den absoluten Toplagen von Hamburg und
Frankfurt spezialisierten, gab es ansonsten
nur in Ausnahmefällen. Weite Bereiche des
klassischen deutschen Makler- und Immobiliengeschäftes entsprachen zu dieser Zeit nicht
den heute üblichen Compliance-Regeln einer
seriösen Immobilienberatung. Ausbildungsberufe gab es lediglich im Bereich der Wohnungswirtschaft. Methodisches immobilienwirtschaftli-
70er Jahre
ches Research und Marktberichte waren in den
70er Jahren unbekannt. Die volkswirtschaftliche
Gesamtrechnung befasste sich ebenso wie die
Berichterstattung – übrigens bis Ende der 80er
Jahre – ausschließlich mit der Bauwirtschaft,
eventuellen (Finanzierungs-)Skandalen und mit
Unternehmen.
Die herausragende Aufgabe der deutschen
Jones Lang Wootton-Gründungsjahre war die
Verbindung der monetären Notwendigkeiten
eines in Deutschland agierenden internationalen Immobilienberatungshauses mit einer über
200 Jahre währenden angelsächsischen Kultur
des „Chartered Surveyors“, die jedoch nicht in
einen messbaren Anteil mündete.
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80er
80er Jahre
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Die 80er Jahre – Jahre des Wandels und der Professionalisierung
in Politik, Wirtschaft, Finanzwirtschaft und Immobilienwirtschaft
Die 80er-Jahre brachten grundlegende Veränderungen. Viele der heute noch relevanten
Marktteilnehmer gehen in ihrer Gründungsphase auf die frühen 80er Jahre zurück. In der ersten Hälfte des Jahrzehnts entwickelte sich die
deutsche Immobilienwirtschaft eher kontinuierlich in der skizzierten Entwicklungslinie der 70er
Jahre. Nach wie vor dominierte die deutsche
Denkstruktur. Das Vermietungsgeschäft befand
sich eher stetig auf dem Vormarsch. Große
Kapitalanleger im Gewerbeimmobilienbereich
in Deutschland waren bis zur Mitte der Dekade
vor allem Offene Immobilienfonds sowie die eigene Kapitalanlage der großen Kapitalsammelstellen mit dem Schwerpunkt Versicherungen.
Zum Dekadenwechsel in die 80er Jahre hatte
sich in Deutschland besonders in der mittelständischen Industrie eine eher skeptische
Stimmung bemerkbar gemacht. Der „Club of
Rome“ hatte in den 70ern insgesamt den Denkprozess über Grenzen des Wachstum angeregt.
In der deutschen Immobilienwirtschaft – sowohl
bei Wohnimmobilien als auch im Gewerbebereich – war der Nachkriegsbedarf aufgeholt.
Viele Märkte wandelten sich vom Anbieter- zum
Nachfragermarkt. Zyklik dominierte nach wie
vor das Geschehen. Die Gewerbeimmobilienwirtschaft blieb durch Eigentümer geprägt.
Die Übernahme der Kanzlerschaft durch
Helmut Kohl im Rezessionsjahr 1982 sollte
die Wende einläuten. Dies führte zunächst
zu Enttäuschung. Die Erwartungshaltung der
Bevölkerung basierte auf der stark zyklischen
Entwicklung der beiden vorherigen NachkriegsRezessionen 1967 und 1975 – denn diesen
folgten eine steile Erholungsphase und fast fünf
Prozent reales Wachstum. Stattdessen blieben
die konjunkturell messbaren Ergebnisse der
„Wende“ der Kanzlerschaft Helmut Kohls bis
einschließlich 1987 mit Wachstumsraten von
durchschnittlich ca. 2,3 Prozent bzw. von 1,6
bis gerade einmal 2,8 Prozent im Höhepunkt
eher bescheiden. Die Wissenschaft diskutierte
darüber, ob die volkswirtschaftliche Zyklik in
einer aus damaliger Sicht inzwischen „reifen“
Volkswirtschaft ausgesetzt habe. Erst 1988 und
1989 konnten wieder Wachstumsraten oberhalb
von 3,5 Prozent realisiert werden.
Zum Zeitpunkt des Mauerfalls am 9. November
1989 stellte sich Deutschland wieder als eine
der prosperierendsten und stabilsten Volkswirtschaften der Welt dar. Das Hypotheken-Zinsniveau insbesondere der frühen 80er Jahre war
für die damals übliche Zehn-Jahresfestschreibung mit über zehn Prozent gestartet. Bis zur
Mitte der Dekade wurde die Grenze von neun
Prozent nur selten unterschritten, was die immobilienwirtschaftlichen Perspektiven begrenzte.
Obwohl große Gewerbeimmobilien-Finanzierungsskandale wie etwa der DAL in die erste
Hälfte der 80er Jahre fielen, blieb die Stim-
80er Jahre
mung insgesamt positiv. Der Preisindex für
Wohnen und Gewerbe, der mit Basis 1975 von
der heutigen BulwienGesa AG erhoben wurde,
zeigte ebenso wie die gefühlte Preisentwicklung nach oben.
Zwar war im Wohnungsbereich vor dem
Hintergrund einer ruhigeren demografischen
Entwicklung eine Sättigung erkennbar. Doch die
ökonomische Prosperität und Einkommensentwicklung führten zu einer quantitativ und qualitativ erhöhten Nachfrage. Insgesamt wurde nie
bezweifelt, dass speziell vor dem Hintergrund
einer Inflationsrate, die zur Dekadenmitte erneut
von knapp drei auf über sechs Prozent gestiegen war, die Immobilie ein langfristig sicheres
und vor Inflation schützendes Anlagegut sei.
Nach der eher ruhigen immobilienwirtschaftlichen Entwicklung der ersten Dekadenhälfte mit
zum Teil deutlichen Marktverwerfungen setzte
etwa ab 1987 eine dynamische Entwicklung der
Büroimmobilienmärkte ein. Volkswirtschaftlich
führte ein verstärkter Tertiärisierungsprozess in
der zweiten Hälfte der Dekade zu einer erhöhten
Nachfrage nach Büroflächen, die weit über das
Angebot von Vorratsflächen und leer gezogenen
Flächen der Immobilieneigentümer hinausging.
Für die Großbanken wurde das Immobiliengeschäft ein interessantes Geschäftsfeld, der
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Allfinanz-Gedanke beherrschte die gesamte
Finanzwirtschaft. Neben dem Geschäft des
Finanzierungsleasings erkannten die Banken
auch im originären Gewerbeimmobiliengeschäft
neue Ertragspotenziale. Erste Überlegungen
zur Ausgliederung von Immobilienbereichen in
eigene Profitcenter fallen ebenso in das Ende
der 80er Jahre wie die Intensivierung bestehenden Maklergeschäftes der Banken bis hin zum
Erwerb großer Maklerhäuser.
Die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen
bildeten den idealen Nährboden für die Entwicklung einer professionellen deutschen Immobilienwirtschaft. Das Setzen ethischer Standards,
die Entwicklung akademischer Ausbildungswege
und die Schaffung neuen Gedankengutes,
das auf die Bedürfnisse institutioneller Anleger
ausgerichtet war, begleiteten diesen Prozess. Ab
etwa 1986 etablierten sich spekulative Entwicklungen von Büroflächen in den Metropolen.
Neben institutionellen Anlegern, insbesondere
aus London, die in ihren Heimatmärkten relativ
niedrige Renditen für Core-Objekte gewohnt
waren, investierten offene Immobilienfonds und
Versicherungen in Immobilien oder Projektentwicklungen mit hoher Vorvermietungsquote.
Die 1986 im Hause Jones Lang Wootton
begonnene Projektentwicklung des Lurgi-Geländes zum Westend Carreé in Frankfurt gehört
80er Jahre
zu den ersten prominenten Entwicklungen.
Anfang 1986 wurde das Projekt noch auf einem
eher moderaten Mietniveau unter Einhaltung
der damals in Deutschland teilweise exotisch
anmutenden Ausstattungsrichtlinien internationaler Konzerne geplant. In den Folgejahren
hingegen konnte das Projekt kontinuierlich an
wachsende Ansprüche, aber auch an deutlich
steigende Mieten, angepasst werden.
Die Gewerbemieten in den Metropolen stiegen
zwischen 1987 und 1993 rasant an. Anders
als etwa der Londoner Markt blieb der Markt
für deutsche Top-Immobilien aufgrund der
kontinuierlich stabilisierenden Nachfrage der
großen Kapitalsammelstellen relativ konstant.
Die Spitzenrenditen für 1a-Bürogebäude
schwankten seit den 80er Jahren bis zur Mitte
der letzten Dekade zwischen rund 5,6 und
fünf Prozent bzw. der 18- bis knapp 20-fachen
Nettojahresmiete.
Dies ist aus heutiger Sicht bemerkenswert, da
die Zinsentwicklung keine statistisch feststellbare Wirkung auf die Immobilienpreisbildung
hatte. Die Rendite von Gewerbekapitalanlageimmobilien und von Wohnimmobilien lag im
Deutschland der 80er Jahre regelmäßig unter
dem Hypotheken-Zinsniveau und auch unter der
Umlaufrendite öffentlicher Pfandbriefe. Anfang
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der 80er-Jahre rentierten öffentliche Pfandbriefe
in der Spitze mit deutlich über elf Prozent. Bis
1987 fielen die Umlaufrenditen bei moderater,
aber stabiler wirtschaftlicher Entwicklung auf
leicht über fünf Prozent. Im Zuge der neuen
ökonomischen Prosperität von 1988 bis 1991
stiegen die Umlaufrenditen der öffentlichen
Anleihen wieder auf deutlich über neun Prozent.
Parallel zu den steigenden Zinsen erreichten
Gewerbeimmobilien die höchsten Preissteigerungsraten der Nachkriegsgeschichte. Damit
blieben die nominalen Nettorenditen von Immobilienkapitalanlagen deutlich unter Wertpapierniveau. Während die Inflation in der ersten
Hälfte der 80er Jahre noch über sechs Prozent
lag, war sie bis 1986/87 auf annähernd Null
gefallen. Sie stieg dann zwar wieder deutlich,
erreichte aber aufgrund restriktiver, stabilitätsorientierter Geldpolitik im Maximum des Jahres
1993 knapp vier Prozent. Dies belegt, dass
wahrscheinlich Inflationsangst, die auf historischen Erfahrungen beruht, einen stärkeren
Einfluss auf die Immobilienpreisbildung hatte,
als die tatsächliche Entwicklung der Inflationsraten. Dies entspricht der heutigen Situation.
Die 80er Jahre endeten in Deutschland am
9. November 1989 mit dem Mauerfall und der
Erwartung einer historischen, weltweit noch nie
dagewesenen immobilienwirtschaftlichen Chance.
80er Jahre: Exkurs
15
Exkurs: Gründerzeit der Marktforschung
Wendy Thomas über zwei prägende Jahre bei Jones Lang Wootton in Frankfurt
Von Richard Meier
„Es gab viel Gestaltungsspielraum, aber keine
Informationsquellen“ – auf diese Formel bringt
Wendy Thomas die Herausforderungen, vor denen sie vor 25 Jahren stand. Im Jahr 1987 hatte sie bei Jones Lang Wootton in Frankfurt eine
neue Aufgabe übernommen. Damals war in
Deutschland so etwas wie Immobilienresearch
unbekannt. Für Jones Lang Wootton sollte aber
gerade dies zu einem Alleinstellungsmerkmal
werden: ein Maklerunternehmen, das unter
dem Schlagwort „thought leadership“ mit
eigener Marktforschung seine Spitzenposition
behauptet. Treibende Kraft war hierfür Honor
Chapman, die damalige Researchleiterin in der
Londoner Europa-Zentrale. In Frankfurt hatten
bei Jones Lang Wootton gerade Robert Orr und
Michael Hodges das Ruder übernommen, mit
dem Ziel, die Deutschlandtochter anschlussfähig zu machen ans internationale Geschäft. Als
langjähriger Kenner des hiesigen Markts spielte
zudem Horst Schlüter, Geschäftsführer von
Jones Lang Wootton in Hamburg, eine wichtige
Rolle in der deutschen Tochtergesellschaft.
Wendy Thomas arbeitete vor ihrem Wechsel zu
Jones Lang Wootton bei Richard Ellis in London. Die gebürtige Waliserin und Absolventin
des Studiums der Land Economy an der Universität in Aberdeen hatte bereits einige Monate
in Deutschland verbracht. „Ich war beeindruckt
davon, wie hierzulande Dinge funktionieren“,
erklärt sie. Auch deshalb suchte sie nach
Möglichkeiten, hier für längere Zeit zu leben.
Jones Lang Wootton hatte für sie den Ruf, der
größte und beste Teilnehmer am Markt zu sein.
So sagte sie schnell zu, als sich im Gespräch
mit Michael Hodges die Möglichkeit ergab, in
Deutschland ein Researchteam aufzubauen.
„Es war eine Gründerzeit“, erinnert sich Wendy Thomas, „und es herrschte ein familiäres
Gefühl.“ Rund 80 Mitarbeiter beschäftige
Jones Lang Wootton damals in seinen deutschen Niederlassungen in Frankfurt, Hamburg
und Düsseldorf. Wendy Thomas besuchte
alle drei Büros und wurde mit großer Aufgeschlossenheit empfangen. „Die Bereitschaft
der Kollegen, mir alles zu zeigen und mir ihre
Markterfahrungen mitzuteilen, war großartig“,
schwärmt sie. Doch so auskunftsfreudig die
Mitarbeiter intern auch waren – außerhalb
empfand Wendy Thomas die Informationslage
zunächst wie eine Wüste: „In Großbritannien
erscheint seit über 150 Jahren die Estates Gazette, in der jede Woche über Angebote und
Transaktionen berichtet wird – in Deutschland
gab es keine Immobilienfachmedien, auf die
man für eine Marktforschung hätte zurückgreifen können“, betont sie. Zudem fehlte die
kulturelle Offenheit, die die Britin aus ihrer
Heimat kannte: Während die dortigen Makler
80er Jahre: Exkurs
auch über Firmengrenzen hinweg ein kollegiales Verhältnis pflegen und Informationen weiterreichen, schienen in Deutschland hierzu die
wenigsten Immobilienvermittler bereit. Ebenso
wenig erteilten Behörden marktrelevante Auskünfte, schon allein weil sie entsprechende
Daten nicht auswerteten. Abgeschottet waren
auch die regionalen Immobilienmärkte untereinander: Viel stärker als heute hatten in den
einzelnen Großstädten lokale Matadoren das
Sagen, bestimmten Netzwerke, wer bei Projekten und Käufen zum Zuge kam. Besonders
München verhielt sich wie eine Enklave, in die
man als Immobilienakteur von außen kaum
Zugang bekam. All dies hing damit zusammen,
dass in der deutschen Immobilienbranche
feste Berufsbilder mit eigenen Ausbildungsgängen kaum etabliert waren.
Wie konnte man trotzdem an Informationen
gelangen, um ein möglichst objektives Bild
von den großstädtischen Immobilienmärkten
zu zeichnen? Die erste Maßnahme war, das
Wissen der Mitarbeiter vor Ort festzuhalten
und zu systematisieren: Informationen über
getätigte Abschlüsse, aber auch Kenntnisse,
die auf dem Hörensagen am Markt beruhten,
wurden in Datenbanken erfasst. Auf dieser
Basis entstanden unter anderem Projekt- und
Transaktionslisten für die einzelnen Städte.
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Die zweite Fundgrube tat sich außerhalb auf:
„Es gibt in Deutschland zwar keine Estates
Gazette, aber dafür eine reichhaltige Lokalpresse“, erläutert Wendy Thomas. Dass deren
Informationen geradezu entscheidend für
Immobilienmärkte sein können, zeigte sich
etwa beim damals geplanten Frankfurter Messeturm. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“
hatte in ihrem Lokalteil berichtet, dass die
Deutsche Bank beim Hochhausprojekt einen
Rückzieher macht. Einen Tag später klingelt
bei Tishman Speyer in New York das Telefon:
Am anderen Ende ein Leser von der Frankfurter Citibank, der sich erkundigt, ob die Amerikaner das Projekt nicht übernehmen wollen.
Es war Michael Hodges‘ Idee, die Medienlandschaft mit Blick auf solche Informationen
für die Marktforschung fruchtbar zu machen.
Die Presseauswertung wurde zu einem festen
Bestandteil der täglichen Researcharbeit.
Die somit intern und extern gewonnenen Daten
waren die Grundlage für den ersten Bericht
zum deutschen Gewerbeimmobilienmarkt
überhaupt. Er erschien 1988. Erstmals lag
damit ein strukturierter Überblick über die
wichtigsten Standorte vor, der die Marktlage
und vor allem die Trends darstellte, die sich
aus den Daten ableiten ließen. Angereichert mit
Kennzahlentabellen und Bildern von Projekten
80er Jahre: Exkurs
setzte die Publikation auch in optischer Hinsicht
Maßstäbe. Des Weiteren entstanden maßgeschneiderte Studien für Kunden, die sich für
spezifische Fragen interessierten: etwa wie sich
die Entwicklung des Frankfurter Bankensektors
auf den Büromarkt auswirken wird, ob der vor
den Toren Münchens geplante Flughafen als
Bürostandort angenommen würde oder ob der
Frankfurter Messeturm von seiner Größe und
Lage her marktgängig sein würde.
Jones Lang Wootton hatte mit der Marktforschung ein Tor aufgestoßen: Berichte zu den
wichtigen Immobilienmärkten des Landes sind
inzwischen in der deutschen Immobilienbranche eine Selbstverständlichkeit geworden.
Überhaupt hat sich vieles seither verbessert:
Städtische Wirtschaftsförderungen haben die
Bedeutung von Marktdaten erkannt und bieten
diese an, die Ausbildung in der Branche hat
international konkurrenzfähiges Niveau erreicht,
und auch die beschriebene Abschottung der
lokalen Märkte existiert nicht mehr wie damals.
Letzteres war eine Folge der Wiedervereinigung von 1990, als westdeutsche Firmen
veranlasst wurden, ihr angestammtes Gebiet
zu verlassen und sich an andere Standorte zu
wagen. Damit wuchs in der Branche der Bedarf
an und zugleich die Offenheit für Informationen.
Insofern ist mit der Berliner Mauer auch eine
Mauer in der Immobilienwirtschaft gefallen.
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Gleich geblieben ist aber der Rhythmus,
mit dem ausländische Investoren auf den
deutschen Markt strömen. Damals wie heute
kamen sie in Wellen: Waren es Ende der
1980er Jahre Schweden, die in großer Zahl
hierzulande ihr Geld in Stein und Beton anlegen wollten, so gab es in der Mitte des vergangenen Jahrzehnts einen Nachfrageboom
opportunistischer Käufer aus dem angloamerikanischen Raum, die inzwischen wiederum
von institutionellen Core-Anlegern abgelöst
worden sind. Gerade Letztere werden auch
deshalb vom hiesigen Markt angezogen, weil
dieser transparenter geworden ist – dank
dem Immobilienresearch.
Nach Stationen bei mehreren internationalen
Immobilienberatungsunternehmen baute
Wendy Thomas in den 80er Jahren für Jones
Lang LaSalle in Deutschland ein schlagkräftiges Research-Team auf. 1989 verließ sie das
Unternehmen, um mit Thomas Daily die führende Informationsdatenbank für die deutsche
Immobilienwirtschaft ins Leben zu rufen. 2013
etabliert sie mit Cityworld.com eine internationale Plattform für die Immobilienwirtschaft, die
sich schwerpunktmäßig mit der Zukunft des
Städtebaus beschäftigt.
90er
90er Jahre
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90er Jahre im Spannungsfeld zwischen Osteuphorie, Professionalisierung,
Ernüchterung und Internetboom
Die 90er Jahre starteten immobilienwirtschaftlich mit einem Feuerwerk. In der zweiten Hälfte
der 80er Jahre waren immobilienwirtschaftliche
Kapazitäten geschaffen worden. 1990 und 1991
verzeichnete Westdeutschland noch ein reales
Wachstum von über fünf Prozent. Die Wiedervereinigung mündete 1993 in eine gesamtdeutsche Rezession. Im realen Wachstum Gesamtdeutschlands dominierte in den folgenden
Jahren reales Wachstum mit einer Eins vor der
Kommastelle. Laufende hohe Transferzahlungen belasteten den Westen. Die ökonomische
Entwicklung der neuen Bundesländer wurde
in den 90er Jahren statistisch oft noch vom
Mezzogiorno in den Schatten gestellt.
Bei niedrigen gesamtdeutschen Wachstumsraten ergab sich ein anhaltend negativer
Zinstrend, der durch internationalen Standortwettbewerb auch in der Vorbereitung des Euro
verstärkt wurde. Die Umlaufrenditen öffentlicher
Pfandbriefe sanken von über neun Prozent im
Jahr 1990 auf unter vier Prozent Mitte 1999.
Mitte 1990 durchbrach das Zinsniveau erstmals
langfristig die Tiefstwerte der Nachkriegsjahre.
Gleichzeitig nivellierte sich von 1995 bis Ende
der 90er Jahre das stark gespreizte Zinsniveau
des späteren Euroraumes. Die Inflation, die seit
1987 auf fast vier Prozent im Jahr 1993 gestiegen war, sank gleichfalls kontinuierlich bis zum
Ende der Dekade auf etwa zwei Prozent.
Während die erste Hälfte der Dekade durch die
Euphorie der Wiedervereinigung mit steuerlich
geförderten Investitionen in den neuen Bundesländern gekennzeichnet war, wurden etwa ab
1996 die Verwerfungen der Sonder-AfA-Phase
deutlich. Die erste Annahme war, dass in drei
oder vier Jahren vielleicht das gebaut worden
sei, was in sechs oder acht Jahren gebraucht
werden würde. Diese Annahme wich jedoch
der Erkenntnis, dass der Abbau der Leerstände
in den ostdeutschen Metropolen durchaus
auch zwei Dekaden benötigen könne und eine
Reihe von Gebäuden möglicherweise niemals
eine ökonomisch spürbare Vermietung erleben
würden. Der anfänglichen volkswirtschaftlichen
Euphorie mit Wachstumserwartungen von zehn
Prozent, welche auch renommierte Ökonomen
durchaus teilten, folgte eine Ernüchterung.
Nach dem anfänglich völligen Einbruch der
ostdeutschen Ökonomie und der vollständig
fehlenden Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen Unternehmen wurden die neuen
Bundesländer für lange Zeit zu einem Transferzahlungsempfänger.
Während besonnene Stimmen bereits ab 1990
warnten, dass in den meisten Immobilienmarktsegmenten der neuen Bundesländer eine
weitreichende Überbauung zu erwarten sei,
nutzte die Immobilien- und Bauwirtschaft die
Chance, in der ersten Aufbauphase Gewinne
90er Jahre
zu erzielen. Bei verbreiteter Euphorie privater
Anleger, die durch die Sonderabschreibungen
von 50 Prozent über mehrere Jahre zu Investitionen motiviert wurden, und über entsprechende
Alimentierung des Bankensystems, finanzierten
sich die ersten Jahre der Wiedervereinigung.
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Bundesländern stabil. Insbesondere die offenen
Immobilienfonds, die von den Steuervorteilen
der Ost-Investitionen nicht profitieren konnten,
sorgten in den frühen 90er Jahren mit hohem
Anlagedruck für ein anhaltend hohes Preisniveau von Core-Immobilien in den deutschen
Großstädten.
Das immobilienwirtschaftliche Research, das
in dieser Periode einen Boom erlebte und
oft jeden C-Standort zum Untersuchungsgegenstand machte, erlag dabei einigen
Aspekten einer „Self-fulfilling prophecy“.
Bedarfsrechnungen berücksichtigten oft nicht
den Zusammenbruch der Wirtschaft, der
für Wirtschaftsexperten bereits zu erwarten
war. Der vollständige Mangel an Büroflächen
westlichen Standards führte zunächst zu sehr
hohen Knappheitsmieten. Gutachter rechneten diese Mieten für die Finanzierung von Projektentwicklungen hoch. Der Logik, dass sehr
hohen kalkulierten Mieten ein Bauboom folgen
müsse, der zu Überangebot und vollständigem
Einbruch der Mieten führen würde, folgten nur
wenige Researcher. Die renommierten Maklerhäuser folgten selbst zunächst dem Zug
der Lemminge.
Gleichzeitig verzeichnete die Gewerbeimmobilienwirtschaft weitere Fortschritte in ihrer
in den 80er Jahren eingeleiteten Professionalisierungsphase. 1990 entstand an der
EBS der erste Lehrstuhl mit Ausrichtung auf
Gewerbeimmobilien. Eine Reihe akademischer
Ausbildungswege für Mitarbeiter der Gewerbeimmobilienwirtschaft folgte bis Mitte der 90er
Jahre. Die FAZ startete Anfang der Dekade
ihre Immobilienseite mit dem Schwerpunkt der
Gewerbeimmobilien. Der Immobilienmanager
war zuvor als erstes GewerbeimmobilienMagazin erschienen. „Der Platow Brief“ folgte
kurz darauf mit einem eigenen Immobilienteil.
Später, 1993, erschien der erste Jahrgang der
Immobilien Zeitung. Das Handelsblatt verlagerte die Schwerpunkte der Bau-Seite. DIE WELT
erschien mit einer täglichen Immobilienseite.
Während viele Ressourcen der öffentlichen
Haushalte sowie privater Investoren in die
neuen Bundesländer gelangten, blieb das
Gewerbeimmobiliengeschäft in den alten
Jones Lang Wootton reüssierte in diesem Zusammenhang bis Mitte der 90er Jahre aufgrund
des beispielhaften Researchs zum MedienLiebling und wurde insbesondere auch im Zu-
90er Jahre
sammenhang mit hohen ethischen Ansprüchen
zum renommiertesten Immobilienconsultant in
Deutschland.
Blickt man aus heutiger Sicht auf die immobilienwirtschaftliche und auch volkswirtschaftliche
Statistik, wird deutlich, dass 1993/94 für einen
Folgezeitraum von 15 Jahren ein Höhepunkt
erreicht wurde, dem bei der Gewerbeimmobilie
ein deutlicher Miet- und Preiseinbruch folgte.
Es dauerte mehr als eine Dekade, bis die Erkenntnis reifte, dass auch in Westdeutschland
bei Büroimmobilien eine Niveautransformation
stattgefunden hatte, die bei realer Betrachtung
in den kommenden 20 Jahren nicht wieder
aufgeholt werden konnte. Die gewerblichen
Spitzenmieten des Jahres 1993 werden auch
2013 nur in Ausnahmefällen nominal erreicht
werden. Der immobilienwirtschaftliche Einbruch
in Folge der Rezession des Jahres 1993 wurde
lediglich als starker zyklischer Einbruch interpretiert. Mit dem Internetboom im letzten Drittel
der 90er Jahre schien der zyklische Aspekt
bestätigt. Zwar erreichten die Spitzenwerte nur
selten die Werte des früheren Booms, jedoch
konnte das leicht zyklischen Aspekten zugeschrieben werden.
Erst spät wurde erkannt, dass die deutsche
Wirtschaft nach dem ökonomischen Höhepunkt
des Jahres 1991 an breiter Front an Wettbe-
21
werbsfähigkeit und ökonomischer Dynamik
einbüßte. Die neuen Bundesländer versanken
nach Fertigstellung der Euphorie-Projekte immobilienwirtschaftlich weitgehend in Lethargie.
In den Metropolen Leipzig und Dresden ergaben sich Leerstände von durchaus 30 Prozent,
die dem verminderten Flächenumsatz von zehn
Jahren entsprachen. Auch in Berlin waren die
Erwartungen bei Weitem nicht erfüllt worden.
Damit hatte sich die Immobilienwirtschaft
wieder den alten Bundesländern zugewandt
und im Zuge der Internet-Euphorie wiederum in
erheblichem Umfang Büroflächen-Kapazitäten
aufgebaut, die Anfang der 2000er Dekade in
den meisten deutschen Metropolen zu hohen
zweistelligen Leerständen führten. Diese
Leerstände waren auch im Westen so hoch,
dass sie nicht mehr in einem Zyklus abgebaut
werden konnten. Das musste zu einer Transformation des Marktes und der Preisbildung
führen. In den alten Bundesländern folgte in
früheren Zyklen immer eine Knappheit auf
ein vorheriges zyklisches Überangebot und
die Marktsegmente entwickelten sich soweit
parallel, dass auch schwächere Flächen in
Hochphasen erneut vermietet werden konnten.
Nach der Jahrtausendwende hingegen entwickelte sich ein anhaltender Angebotssockel.
Außerhalb der nicht beliebig reproduzierbaren
Class-A-Neubau-Erstbezugsflächen ist bis heu-
90er Jahre
te ein hoher Sockel-Leerstand geblieben. Damit
entfällt die Mietdynamik, die sich lediglich in
knappen Marktsegmenten noch abgeschwächt
entfalten kann. Selbst im Jones Lang LaSalleJubiläumsjahr 2013 erreichen die Frankfurter
Spitzenmieten gerade einmal nominal die
Mieten des Jahres 1993.
Der PC eroberte die Büros. Corporate Real
Estate Management (CREM) und der Gedanke
an ein papierloses Büro senkten die Bedarfserwartungen. Das Internet eröffnete Perspektiven
auf Home Offices und Internet-Einkauf. Immobilienplattformen bedrohten das traditionelle
Transaktionsgeschäft. Jedoch überflügelten
die Erwartungen überall die Realität.
Auch die immobilienwirtschaftliche Landkarte
veränderte sich in den 90er Jahren. Zum
Dekadenwechsel war nach Frankfurt, Hamburg
und Düsseldorf auch München in den Kreis
der Metropolen aufgerückt. Im Zuge der OstEuphorie kamen Berlin, Leipzig und Dresden
hinzu. Stuttgart spielte im Kreis der Metropolen
immer eine Sonderrolle. Gleichzeitig gewannen
die Speckgürtel der Metropolen an Bedeutung.
In der Gesamtsicht wurden in den 90er Jahren
wichtige Weichenstellungen für die professionelle Immobilienwirtschaft in Deutschland
durchgeführt. Die Medienlandschaft veränderte
22
sich. Die Immobilienwirtschaft öffnete sich verstärkt der Öffentlichkeit. Über Professionalisierung und Ausbau neuer Bildungswege wandelte
sich das Image. Die Boomphase der steuerinduzierten geschlossenen Immobilienfonds fiel in
diese Dekade. Branchenwachstum, Imageaufbau und Vertriebsorientierung der PublikumsKapitalanlagevehikel alimentierten wiederum
die Medien, die für eine breite Öffentlichkeitswirksamkeit sorgten. Nach der Schwächephase
im Gefolge der Rezession verabschiedete sich
die Dekade mit einem Immobilien- und Aktienboom infolge der überschätzten Wirkungen des
Internet.
2000er
2000er Jahre
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Die erste Dekade des neuen Jahrtausends –
Ein immobilienwirtschaftliches Wechselbad
Die Immobilienwirtschaft folgte zu Beginn der
Dekade noch der positiven Stimmung der
auslaufenden 90er Jahre. Der Jahrtausendwechsel hatte nicht zu dem befürchteten Crash
der IT geführt. Internet und PC hatten die Büros
erobert, aber nicht überflüssig gemacht. Der
befürchtete Flächenschwund pro Mitarbeiter trat
in den Metropolen nicht ein.
Während die Immobilienwirtschaft sich noch
im Boom wähnte, standen die konjunkturellen
Pfeile eher auf Beruhigung. Zum Dekadenwechsel war die Inflationsrate unter ein Prozent
gerutscht. Inflationsangst als immobilienwirtschaftliche Triebfeder verlor bis zur Finanzkrise
vollständig an Bedeutung. Die Inflationsrate
blieb mit Ausnahme der Jahre 2007 und 2008
unter zwei Prozent.
Die bereits erkennbare Beruhigung des Jahres
2001, in der der Internetboom platzte, erhielt
mit dem „9/11“ weltweiten Schub. Der Terrorismus erlangte eine neue Dimension. SARS
folgte kurz darauf. Die Reisetätigkeit brach
weltweit ein. Alan Greenspan alimentierte die
US-Wirtschaft mit Niedrigzinsen, die weltweite
Anpassungen zur Folge hatten. Das löste in
Verbindung mit politischem Willen einen Immobilienboom in den USA aus, der durch innovative Finanzinstrumente auf Verbriefungsbasis
neuen Schub erhielt. Bei steigenden FamilyHouse-Preisen in den USA geriet die traditionell
sehr strenge persönliche Bonitätsprüfung
in den Hintergrund. Nachfinanzierungen bei
steigenden Preisen stützten den Konsum. Mit
kurzfristiger Zinsbindung auf Basis von Niedrigstzinsen waren Hausfinanzierungen möglich,
die bei geringer Cash-Flow-Belastung und
steigenden Immobilienwerten eine Preisspirale
in Bewegung setzten. Dieses System brach
im Zuge steigender Zinsen und der SubprimeKrise zusammen. Dies war der Auslöser für
die weltweit größte Wirtschaftskrise seit der
Depression 80 Jahre zuvor. Anders als damals,
im Goldstandard wurde der Wirtschaft noch
Liquidität entzogen, reagierten die Regierungen
weltweit mit Kreditaufnahme, Rettungspaketen
für systemrelevante Unternehmen, Versicherungen und Banken sowie der Förderung beschäftigungsintensiver Wirtschaftszweige wie etwa in
Deutschland mit der Neuwagen-Prämie.
Im Euroland hatte die deutsche Wirtschaft
bis 2003/04 dramatisch an innereuropäischer
Wettbewerbsfähigkeit verloren. Die Senkung
des Zinsniveaus der ehemaligen Weichwährungsländer der Mittelmeerstaaten auf ein
gemeinschaftliches bzw. deutsches Niveau
und der neue große Binnenmarkt führten über
wachsende Staats- und Privatverschuldung zu
einem ökonomischen Boom der mediterranen
und anderer peripheren Staaten. Dieser ökonomische Boom mündete dort in einen Immobilienboom ohne Vorbild. Zum Start der Agenda
2010 war das deutsche Pro-Kopf-Einkommen
auf den vorletzten Platz der europäischen Liga
gesunken. Immobilienwirtschaftlich folgte der
2000er Jahre
Rezession von 2003 der „Credit Crunch“ der
Basel II-Antizipation.
Deutsche Gewerbeimmobilienpreise sanken
auf einen neuen Tiefpunkt. Wohnimmobilien
dümpelten vor sich hin und schafften nicht
einmal den Inflationsausgleich. Gleichzeitig
verdoppelten oder vervierfachten sich die
Wohnimmobilienpreise in den boomenden
Eurostaaten. Deutschland war ökonomisch,
zyklisch und preislich am Tiefpunkt.
Das machte Deutschland ab 2003 für internationale, antizyklisch agierende Investoren interessant, die zunächst sondierten und ab 2004 investierten. Dies führte 2006 und 2007 zu einem
internationalen Investitionsboom in Deutschland,
der alle historischen Vergleichswerte um ein
Mehrfaches übertraf. Professionelle deutsche
Kapitalsammelstellen wie Offene Immobilienfonds nutzten die erstmalig seit Langem auskömmliche Preissituation und hohe Nachfrage,
um ihre Portfolios strategisch zu bereinigen.
Die oft unter Zins-/Renditedifferenzaspekten
oder aus zyklischen Aspekten investierenden
internationalen Anleger, die zudem nicht selten
unter Investitionsdruck standen, erwiesen sich
als preislich schmerzfrei, solange eine positive
Zinsdifferenz bestand. Über „Non Recourse“Finanzierung war das Risiko auf das eingesetzte
Eigenkapital begrenzt. Bei Kreditausläufen von
oft über 90 Prozent, zu denen deutsche und
internationale Banken in der Folge vorheriger
Zurückhaltung die Fonds der regelmäßig sehr
25
renommierten Investmentbanken finanzierten,
bestand die Chance, über zwischenzeitliche
Ausschüttungen das Eigenkapital schnell risikofrei zu stellen. Dennoch erlitten viele Fonds der
internationalen Investmentbanken mit deutschen
Immobilien einen annähernden Totalverlust. Die
zunächst befürchteten Firesales blieben jedoch
aus. Das betroffene Bankensystem reagierte
pragmatisch, wobei über den laufenden Cash
Flow der Objekte regelmäßig nur geringer
Verwertungsdruck bestand.
Die Finanzkrise führte zu einer Veränderung
der deutschen Immobilienmärkte. Inflationsangst im Zuge der auf die Finanzkrise folgenden Schuldenkrise brachte den Sachwertgedanken wieder in die Bevölkerung. Während
internationale Wohnungsinvestoren im Boom
nach möglichst großen Portfolios suchten, wendeten sich private Kapitalanleger jetzt wieder
der Wohnungsinvestition zu.
Im Gewerbeinvestitionsbereich entstand eine
breite Risikoaversion, die bei Büroinvestments
zu einer Core-Fixierung führte. Länderrisiken
gewannen in der Folge der Schulden- und Finanzkrise an Bedeutung. Die USA erholten sich
bis zum Dekadenwechsel nicht von der Krise.
Die ungeheure Alimentierung der Wirtschaft
reichte nicht aus, dramatische Jobverluste zu
verhindern. Lediglich der Zusammenbruch der
Wirtschaft durch das Fallieren renommierter
Konzerne wie AIG oder General Motors konnte
verhindert werden. In diesem Umfeld suchten ei-
2000er Jahre
genkapitalstarke Anleger einen „sicheren Hafen“.
Die deutsche Wirtschaft erholte sich ebenso
wie die skandinavische Wirtschaft sehr schnell
von dem dramatischen Einbruch von bis zu real
minus fünf Prozent des BIP. Am Preisgefüge des
deutschen Immobilienmarktes änderte sich auch
auf dem Höhepunkt der Krise sehr wenig. Wohnimmobilien erreichten nach dem ersten Schock
in Folge der Inflations- und Währungsangst der
Bevölkerung eine preisliche Dynamik wie zuletzt
in den 80er Jahren. Verstärkt wurde die Entwicklung durch Zuzug in den Ballungsräumen und
annähernd 15 Jahren geringer Neubautätigkeit.
Bei Gewerbeinvestoren führen die Fixierung
auf Core-Immobilien und die eingeschränkte
Verfügbarkeit an Finanzierungsfazilitäten zu
einer Knappheit an Core-Immobilien, die heute
annähernd Renditen wie zum Höhepunkt
des Booms erzielen. Die Zinsen sind auf ein
historisches Tief und nach kurzer Erholung bis
2008 im Trend der ersten Dekade gefallen.
Erstmals in der Nachkriegsgeschichte bleiben
die wenigen verbliebenen Kreditinstitute für
gewerbliche Finanzierungen größerer Volumina
oberhalb des Sparkassen- und VolksbankenSektors bei einer restriktiven Kreditvergabe.
Eigenkapitalvorschriften zwingen zu moderatem
Neugeschäft. Ertragsdruck besteht nicht, da bei
geringem Wettbewerb auskömmliche Margen
zu erzielen sind.
Obwohl im Gefolge der Finanzkrise auf Grund
fehlender wirtschaftlicher Dynamik die Geld-
26
wertstabilität gesichert blieb und die verminderte Umlaufgeschwindigkeit des Geldes die
monetäre Alimentierung der Wirtschaft und des
Bankensystems weitgehend ausglich, hatte die
Finanzkrise doch deutlich gemacht, dass Geld
anderen Einflüssen unterliegt als Sachwerte.
Die Inflationsangst kehrte weltweit zurück.
Die Risikoaversion der eigenkapitalstarken
Anleger änderte die Struktur des deutschen
Immobilienmarktes. Wohnimmobilien gewannen
an Bedeutung. Projektentwicklungsgeschäft
und die Finanzierung des immobilienwirtschaftlichen Mittelstandes, der oft die Eigenkapitalanforderungen bei Gewerbeimmobilien-Projekten
nicht erfüllen kann, führen zu einer Konzentration des gewerblichen Immobilienmarktes.
Anders als in allen früheren Zyklen ist bislang
nicht auszumachen, dass die aktuelle Fixierung
auf Core sich deutlich lockert. Die Finanzierung
von Core+ und Value Add wird nach wie vor restriktiv gehandhabt. Vor dem Hintergrund der zu
erwartenden Abschwächung der Konjunktur aus
dem Blickwinkel des Jahreswechsel 2012/13
ist eine Trendumkehr eher nicht zu erwarten.
Allerdings lässt sich feststellen, dass manche
Investoren wieder bereit sind, für bessere Renditen auch adäquate Risiken einzugehen.
Im Ergebnis des neuen Jahrtausends ist
festzuhalten, dass die Internationalisierung und
partielle Virtualisierung der Gewerbeimmobilie
ein ideales Umfeld für Immobilienberatungsunternehmen wie Jones Lang LaSalle darstellt.
Gastautor Werner Rohmert
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Gastautor
Werner Rohmert
Werner Rohmert
studierte Betriebs- und
Volkswirtschaftslehre
in Bochum und Köln
und war anschließend
Assistent am Seminar
für Bankbetriebslehre
der Universität zu
Köln. Seit mehr als 25 Jahren ist er aktiv in der
gewerblichen Immobilienwirtschaft tätig und
arbeitet heute vor allem als Publizist, Verleger
und Berater. Seine „Ausbildung“ im aktiven
Gewerbeimmobiliengeschäft absolvierte er
zunächst in der Bearbeitung und Vermarktung
notleidender Gewerbeimmobilienprojekte bei
einer großen Leasinggesellschaft und anschließend ab 1986 bei Jones Lang LaSalle, damals
noch Jones Lang Wootton. Als Prokurist und
Partner großer deutscher Beratungsgesellschaften hat Rohmert rund 40 meist mittelständische Unternehmen betriebswirtschaftlich
beraten. Dank seiner fachlichen Expertise war
er in eines der ersten großen PPP-Projekte
und in diverse volkswirtschaftlich relevante Immobilienprojekte der 90er Jahre eingebunden.
Bis heute betreut Rohmert bekannte deutsche
Immobilienunternehmer. Als Publizist erarbeitete er in den 90er Jahren im Team von „Der
Platow Brief“ volkswirtschaftliche und konjunkturelle Sachverhalte in den Platow Konjunkturbüchern. Seit über 20 Jahren schreibt er in „Der
Platow Brief“ und anderen Fachmedien über
immobilienwirtschaftliche Themen. Rohmert
ist Gründer der Research Medien AG (www.
rohmert-medien.de), die „Der Immobilienbrief“,
„Der Fondsbrief“, „Handelsimmobilien Report“
und die Zeitschrift für immobilienwirtschaftliche
Forschung und Praxis (ZfiFP ) herausgibt. Seit
2004 ist er zudem Vorsitzender des immpresseclub e.V., der Arbeitsgemeinschaft europäischer
Immobilienjournalisten. In volkswirtschaftlichen
Fragen des Anlegerschutzes war er 2004
Sachverständiger des Finanzausschusses des
Deutschen Bundestages. Rohmert ist Herausgeber der Bücher „eBusiness in der Immobilienwirtschaft“ (Gabler 2001) und „Einzelhandelsimmobilien“ (Haufe 2010).
Berlin
Berliner Freiheit 2
10785 Berlin
tel: +49 (0) 30 203980 0
fax:+49 (0) 30 203980 140
[email protected]
Hamburg
Oberbaumbrücke 1
20457 Hamburg
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fax:+49 (0) 40 34370 0
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04109 Leipzig
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fax:+49 (0) 341 22633 30
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30159 Hannover
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fax:+49 (0) 511 12370 30
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Ludwigstraße 6
80539 München
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fax:+49 (0) 89 290088 29
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60329 Frankfurt
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Stuttgart
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