GBM-Nachrichten Altana-Promotionspreisträger der GBM 2003: Von GAPs mit und ohne Arginin-Finger Michael Seewald, Max-Planck-Institut für Molekulare Physiologie, Dortmund Lebende Organismen sind mehr als die Summe ihrer chemischen Verbindungen und Reaktionen. Erst die sorgfältige Regulation der Prozesse erlaubt es, dass eine Zelle wachsen und unterschiedlichste Funktionen ausüben kann. Schlüsselmoleküle der zellulären Regulation sind Guaninnukleotid-bindende Proteine (GNBPs), die sich durch die Magnesium-abhängige Bindung von GTP bzw. dessen Hydrolyse zu GDP und Orthophosphat auszeichnen. Einige ihrer Vertreter, z.B. Ras, Rho und Ran, werden oft auch als „kleine GTPasen“ bezeichnet [1]. Die Hydrolyse ist ohne ein Helferprotein, das sog. GTPase-aktivierende Protein (GAP, ca. 105-fache Beschleunigung), nur relativ langsam. Zudem ist die GTPase nach Ablauf der Reaktion nicht in der Lage, erneut in den enzymatischen Zyklus einzutreten; erst die Bindung eines Austauschfaktors (GEF) ermöglicht die Dissoziation des Produkts. Im biochemischen Kontext sind diese Abhän- gigkeiten keine Unvollkommenheiten, sondern Schlüssel zur Regulation. Treten GAP und GEF zeitlich oder lokal beschränkt auf, können sie GTP-Hydrolyse oder -austausch gezielt steuern. Die Nukleotidhydrolyse lässt sich als Phosphoryl-Transferreaktion klassifizieren. Dieser Reaktionstyp ist in biologischen Systemen allgegenwärtig – man denke auch an Phosphatasen und Kinasen – so dass ein exaktes mechanistisches Verständnis von zentralem Interesse ist. Scheffzek et al. [2] konnten 1997 die Struktur der GTPase Ras im Komplex mit dem spezifischen GAP und AlFx, einem Analogon der Phosphoryl-Gruppe im Übergangszustand, kristallisieren. Der Komplex zeigte, dass die Phosphorylgruppe im Übergangszustand durch die positive Ladung eines Arginins von RasGAP stabilisiert wird, und deutet somit auf einen assoziativen Mechanismus (Typ SN2) hin. Die Mutation von Arginin zu Alanin zeigte, dass Ar- (A) Struktur des ternären Komplexes Ran-GDP-AlFx-RanBP1-RanGAP. (B) Positionierung des katalytischen Glutamins durch RanGAP, RasGAP und RhoGAP. Dargestellt sind Glutamin 69 und Tyrosin 39 aus Ran-Importin-β (blau) und Ran-RanBD1 (orange) sowie Glutamin 61 und Tyrosin 32 aus Ras-RasGAP (cyan) und Glutamin 63 und Tyrosin 34 aus Rho·RhoGAP (grün), überlagert mit Glutamin 69 (rot) aus der Komplexstruktur Ran·GDP·AlFx-RanBP1-RanGAP. Es wird deutlich, dass das Glutamin nur in den Komplexen mit dem GAP die katalytisch kompetente Konformation einnimmt, in der es das Wassermolekül für den nukleophilen Angriff ausrichten kann. BIOspektrum · 6/03 · 9. Jahrgang GBM-Nachrichten 65 ginin von essentieller Bedeutung für die Katalyse ist (1000-fache Reduktion von kcat/KM). Der assoziative Mechanismus wurde daher für alle Phosphoryl-Transferreaktionen vorgeschlagen und die Arginin-Seitenkette als universaler „Arginin-Finger“ der GAPs postuliert. Kristallstrukturen von Rho und Giα mit ihren GAPs bestätigten diese Hypothese zunächst. Um herauszufinden, ob auch bei der Rashomologen GTPase Ran ein Arginin-Finger notwendig ist, wurden die Proteine Ran, RanBP1 und RanGAP überexprimiert, in Gegenwart von AlFx komplexiert und kristallisiert (Abb. 1A) [3]. Das aktive Zentrum wird von Ran und RanGAP gebildet und hält eine neue Überraschung bereit: RanGAP besitzt keinen Arginin-Finger. Zwar befindet sich eine Arginin-Seitenkette in unmittelbarer Nachbarschaft, die kinetische Analyse der Alanin-Mutante zeigte jedoch klar, dass dieses Arginin keine mechanistische Rolle spielt. Stattdessen kontaktiert die phenolische OH-Gruppe von Tyrosin 32 von Ran das γ-Phosphat. Jedoch auch dieser Rest kann aufgrund der kinetischen Daten kein Ersatz des Arginins sein. Wenn es also keines Arginins für die 105-fache Beschleunigung der Hydrolyse bedarf, was ist dann der entscheidende Faktor? Eine vergleichende strukturelle Analyse des aktiven Zentrums wird dadurch ermöglicht, dass Ran bereits mit mehreren Bindepartnern kristallisiert wurde. Darunter ist auch Importin-β, ein Molekül, das die, ohnehin langsame, Hydrolyse an Ran-GTP zusätzlich inhibiert. Der Vergleich der aktiven Zentren in all diesen Protein-Komplexen lieferte nun den fehlenden Hinweis: Entscheidend ist der hoch-konservierte Rest Glutamin 69 (Pos. 61 in Ras). Nur in den Komplexen mit dem jeweiligen GAP nimmt diese Seitenkette die katalytisch kompetente Konformation ein (Abb. 1B). Inwiefern Ran und RanGAP eine Ausnahme der „Regel“ eines assoziativen Mechanismus‘ darstellen, werden weitere Kristallstrukturen und alternative Methoden wie z. B. die Fourier-Transform-Infrarotspektroskopie [4] zeigen. Die Kristallstruktur warf neue Fragen auf, die den weiteren Verlauf der Forschungsarbeit bestimmten, hier aber nur kurz diskutiert werden. So war beschrieben worden, dass RanBP1 ein Koaktivator der GTPHydrolyse an Ran ist. Die kinetische Analyse mittels Fluorophor-markiertem Ran zeigte jedoch, dass der ratenlimitierende Schritt der Hydrolyse nicht durch RanBP1 beeinflusst wird. Vielmehr optimiert RanBP1 die Dynamik der Interaktion zwischen Ran und RanGAP, so dass die Reaktion diffusionskontrolliert ist. Ebenfalls war postuliert worden, dass der saure C-termiBIOspektrum · 6/03 · 9. Jahrgang nale Bereich von RanGAP, der in der Kristallstruktur ungeordnet vorlag, für die Bindung an Ran und die GTP-Hydrolyse notwendig ist. Beides erschien aufgrund der Kristallstruktur unwahrscheinlich und konnte später auch durch biochemische Untersuchungen widerlegt werden [5]. Die etablierte Methodik zur kinetischen Analyse war zudem nützlich, um Diskrepanzen aufzuklären, die sich in der Literatur bzgl. der kinetischen Parameter von Homo sapiens und Schizosaccharomyces pombe RanGAP fanden. Zeitlich hochauflösende Messungen in der Stopped-Flow-Apparatur zeigten, dass das humane Enzym ebenso aktiv ist wie das aus S. pombe. Die kinetischen Parameter sind nun Teil eines Modells, das den Ran-abhängigen Kerntransport in seiner Gesamtheit beschreibt [6]. Danksagung Ich möchte mich ganz herzlich bei allen Mitarbeitern des MPI Dortmund, insbesondere der Abteilung Strukturelle Biologie, bedanken. Die vielen Diskussionen, die produktive Forschungsatmosphäre und die tatkräftige Unterstützung haben das Entstehen meiner Arbeit erst ermöglicht. Auch den Kooperationspartnern, insbesondere Dr. Katharina Ribbeck und Prof. Dr. Dirk Görlich vom Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg gilt mein herzlicher Dank. Literatur [1] Bourne, H. R., Sanders, D. A., und McCormick, F. (1990): The GTPase superfamily: a conserved switch for diverse cell functions. Nature 348: 125–132 Michael Seewald Jahrgang 1973, 1994–1999 Studium der Biochemie an der Universität Bayreuth, 1997/98 Auslandsstudium an der Indiana University Bloomington (IN, USA) als Stipendiat des Deutschen Akademischen Austausch Dienstes, 2000–2002 Promotion am MaxPlanck-Institut für Molekulare Physiologie in Dortmund unter Betreuung durch Dr. Ingrid Vetter (Abt. Prof. Dr. Alfred Wittinghofer), seit Januar 2003 Postdoc/Bioinformatiker bei Boehringer Ingelheim in Wien, Forschungsarbeit im Rahmen der österreichischen Genomforschungsinitiative GenAu (http: //gen-au.at/), Projekt: Genomweite Untersuchungen der Tumorinvasion und Metastasierung [2] Scheffzek, K., Ahmadian, M. R., Kabsch, W., Wiesmüller, L., Lautwein, A., Schmitz, F., und Wittinghofer, A. (1997): The Ras-RasGAP complex: Structural basis for GTPase activation and its loss in oncogenic Ras mutants. Science 277: 333–338 [3] Seewald, M. J., Körner, C., Wittinghofer, A., und Vetter, I. R. (2002): RanGAP mediates GTP hydrolysis without an arginine finger. Nature 415: 662–666 [4] Allin, C., Ahmadian, M. R., Wittinghofer, A., und Gerwert, K. (2001): Monitoring the GAP catalyzed H-Ras GTPase reaction at atomic resolution in real time. Proc. Natl. Acad. Sci. U. S. A. 98: 7754–7759 [5] Seewald, M. J., Kraemer, A., Farkasovsky, M., Wittinghofer, A., und Vetter, I. R. (2003): Biochemical characterization of the Ran-RanBP1-RanGAP system: are RanBP proteins and the acidic tail of RanGAP required for the Ran-RanGAP GTPase reaction? Molecular and Cellular Biology 23: 8124–8136 [6] Görlich, D., Seewald, M. J., und Ribbeck, K. (2003): Characterization of Ran-driven cargo transport and the RanGTPase system by kinetic measurements and computer simulation. EMBO Journal 22: 1088–1100 Korrespondenzadresse: Michael Seewald Boehringer Ingelheim Austria GmbH Dr. Boehringergasse 5–11 1121 Wien Österreich Email: [email protected]