„Anarchie ist Gesetz und Freiheit ohne Gewalt“ Immanuel Kant (1762-1814) Als langjährige Mitarbeiter einer anarchistischen Bibliothek ist es uns sehr wohl bewusst, dass gerade in Deutschland mit seiner weit zurück greifenden autoritären politischen Tradition der Begriff „Anarchismus“ im ideologisierten öffentlichen Diskurs oftmals als Synonym für „Chaos und Gewalt“ Verwendung findet. In zahlreichen anderen Ländern, speziell den romanischen (Italien, Spanien) ist dies übrigens keineswegs in diesem Maße der Fall. Hier herrscht historisch bedingt ein aufgeklärteres und damit vorurteilsfreieres Verhältnis zu der Tradition und den Bestrebungen des herrschaftsfreien Sozialismus vor (der Begriff „An-Archie“ bedeutet ja wörtlich „ohne Herrschaft“). In der Tat ist im Selbstverständnis der libertären Sozialisten die Anarchie gerade die Mutter der Ordnung, wie beispielsweise Pierre-Joseph Proudhon (1809-1865), auf den sich bekanntlich auch Silvio Gesell immer wieder bezog, nicht müde wurde zu betonen. Dahinter steht der ebenso einfache wie historisch immer wieder belegte Gedanke, dass es in der bisherigen Gesellschaftsentwicklung gerade immer herrschaftliche Systeme mit ihren Machtansprüchen politisch-staatlicher und militaristischer Natur waren, welche Gewalt, Elend und Krieg – kurz das Chaos über die Menschheit brachten, das sie vorgeblich zu bekämpfen und prophylaktisch zu verhindern trachteten. Vor diesem Hintergrund erscheint es uns keineswegs verwunderlich, dass sich zahlreiche Freiwirte wie etwa Silvio Gesell oder Georg Blumenthal zum Anarchismus hingezogen fühlten. Dies kann auch in den Beständen unseres Archivs nachvollzogen werden, die wir als eine Einladung zur Diskussion über das Verhältnis von Freiwirtschaft und Anarchismus verstehen. AG Freiwirtschaft innerhalb der Berliner Gesellschaft zum Studium sozialer Fragen (BGSSF e.V.) im Juni 2006