andachtenreihe 2010

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ANDACHTENREIHE 2010
zur Verwendung in der Fürbittenwoche
oder bei anderen Gelegenheiten
„Herr: es ist Zeit“
ANDACHTENREIHE 2010
zur Verwendung in der Fürbittenwoche
oder bei anderen Gelegenheiten
Materialheft für Pfarrerinnen und Pfarrer,
Prädikantinnen und Prädikanten, Lektorinnen und Lektoren
der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck,
herausgegeben im Auftrag des Landeskirchenamtes
der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck,
Kassel 2010
Satz und Druck im Evangelischen Medienzentrum Kassel,
Heinrich-Wimmer-Straße 4, 34131 Kassel
© Evangelisches Medienzentrum Kassel
(Titel: Manfred Liebrecht, Kassel)
INHALT
Seite
Einführung
Reinhold Kalden
3
Abnehmendes Licht - wachsende Schatten
Rainer Staege
5
Herbstzeit - Erntezeit - Zeit der Rechenschaft
Matthias Müller
13
Herbst - Zeit der Vergänglichkeit
Reinhold Kalden
21
Wachsendes Dunkel - kommender Morgen Zeit des Neubeginns
Hanna Hirschberger
Die Reihenfolge der Andachten ist nicht bindend
2
29
EINFÜHRUNG
„Herr: es ist Zeit …“ – Rainer Maria Rilkes Herbstgedicht hat den Anstoß
für die folgende Andachtenreihe gegeben, die sich auch gut außerhalb der
Fürbittenwoche verwenden lässt. Die Andachten beziehen sich auf einzelne Gedanken des Gedichts, die biblischen Texten gegenübergestellt und in
der bewährten Struktur weiterbedacht und entfaltet werden.
Im laufenden Text sind gelegentlich Bibelstellen angegeben – diese Angaben dienen ggf. der Vertiefung einzelner Gedanken, sind aber nicht zum
Vorlesen gedacht. Werden die Andachten in Gruppen gehalten, sollte die
Möglichkeit genutzt werden, auch unbekannte unter den vorgeschlagenen
Liedern zu singen und für die Gemeinde zu gewinnen.
Auch in diesem Jahr hat eine Arbeitsgruppe der Liturgischen Kammer die
Andachtsreihe erarbeitet: Prädikantin Hanna Hirschberger (Kassel), Pfarrer Matthias Müller (Schrecksbach), Dekan Rainer Staege (Kirchhain)
und der Unterzeichner. Manfred Liebrecht (Kassel) gestaltete das Titelblatt. Frau Erika Schneidewind und die Mitarbeitenden des Ev. Medienzentrums besorgten grafische Gestaltung und Drucklegung in Zusammenarbeit mit Pfarrer Fredy Henning (Rodenbach). Ihnen allen sei herzlich
gedankt.
Kassel, 2. Juli 2010
Propst Reinhold Kalden
Vorsitzender der Liturgischen Kammer
3
HERBSTTAG
Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.
Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
Rainer Maria Rilke
aus: Das Buch der Bilder, Suhrkamp TB 2689, 1. Aufl. 1996, S. 39-40
4
ABNEHMENDES LICHT –
WACHSENDE SCHATTEN
von Rainer Staege
VORSPRUCH
Der Friede Gottes sei mit euch allen!
Das Licht nimmt ab, die Schatten wachsen. So ist das am Abend des Tages
und in der Jahreszeit, in der die Tage kürzer werden. Unsere Lebenszeit
besteht aus Licht und Schatten, aus klarer Sicht und Wegen in der Finsternis, aus Wachen und Schlafen. Ist die Dunkelheit nur furchtbar, oder
gibt es auch dort Geborgenheit und Hoffnung, wo das Licht ausgegangen
ist? Darüber wollen wir heute in der Andacht nachdenken, zu der ich Sie
alle herzlich begrüße. Gott segne unser Hören und Reden, unser Singen
und Beten!
LIED
Hinunter ist der Sonne Schein, 467, 1 – 2
oder Des Jahres schöner Schmuck entweicht, 648, 1 – 4
PSALM (Ps. 50, 1 + 2 + 3a + 14 + 15)
Gott, der HERR, der Mächtige, redet und ruft der Welt zu
vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang.
Aus Zion bricht an der schöne Glanz Gottes.
Unser Gott kommt und schweiget nicht.
Opfere Gott Dank
und erfülle dem Höchsten deine Gelübde,
und rufe mich an in der Not,
so will ich dich erretten und du sollst mich preisen.
oder Psalm 116 (EG 746)
5
EHR SEI DEM VATER UND DEM SOHN
GEBET
Unser Abendgebet steige auf zu dir, Herr,
und es senke sich auf uns herab dein Erbarmen.
Dein ist der Tag, und dein ist die Nacht.
Lass, wenn des Tages Schein vergeht,
das Licht deiner Wahrheit uns leuchten.
Geleite uns zur Ruhe der Nacht
und vollende dein Werk an uns in Ewigkeit.
EG 853
LIED
Du Morgenstern, du Licht vom Licht, 74, 1 – 4
oder Weil Gott in tiefster Nacht erschienen, 56, 1 – 5
HINFÜHRUNG
Erst wenn es ganz dunkel ist, kann man am Himmel die Sterne erkennen.
Von einem besonderen Stern handelt die Geschichte, die wir heute
betrachten wollen.
LESUNG
Als Jesus geboren war in Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und
sprachen: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen
Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten.
Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem,
und er ließ zusammenkommen alle Hohenpriester und Schriftgelehrten
des Volkes und erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden
6
sollte. Und sie sagten ihm: In Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben durch den Propheten (Micha 5,1): »Und du, Bethlehem im jüdischen
Lande, bist keineswegs die kleinste unter den Städten in Juda; denn aus
dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll«. Da rief
Herodes die Weisen heimlich zu sich und erkundete genau von ihnen,
wann der Stern erschienen wäre, und schickte sie nach Bethlehem und
sprach: Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr's
findet, so sagt mir's wieder, dass auch ich komme und es anbete. Als sie
nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie
im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort
stand, wo das Kindlein war. Als sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut und gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner
Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und
schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe. Und Gott befahl ihnen im
Traum, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren; und sie zogen auf einem
andern Weg wieder in ihr Land.
Matthäus 2, 1 – 12
STILLE
BESINNUNG
(mit dem Bild der schlafenden drei Könige aus der Kathedrale von
Autun/Burgund, Seite 12)
Ein Licht war ihnen aufgegangen, ein ungewöhnlicher Stern am Nachthimmel. Er hatte sie nach Bethlehem geführt – zum neugeborenen Jesuskind. Es war kein einfacher Weg gewesen. Auch ein Umweg gehörte dazu.
Zuerst hatten sie gedacht, das Kind in Jerusalem finden zu können. „Wo
ist der neugeborene König der Juden?“ hatten sie gefragt und damit beim
regierenden König Herodes großes Erschrecken ausgelöst. Der hatte erst
einmal seine Schriftgelehrten fragen müssen, wo eine solche Geburt möglicherweise geschehen sein konnte. „In Bethlehem!“ hatten sie gesagt.
Und tatsächlich leuchtete auf dem Weg nach Bethlehem auch wieder der
Stern auf. Jetzt waren sie am Ziel, die Weisen aus dem Morgenland. Ihre
lange Reise war nicht umsonst.
7
Drei Weise, meist als Könige dargestellt, anbetend kniend vor dem Kind
in der Krippe: so kennen wir das von vielen Weihnachtsbildern. Gold,
Weihrauch und Myrrhe schenkten sie. Sie freuten sich, dass jetzt nicht nur
der Stern am Himmel leuchtete, sondern auch vom Kind her eine geheimnisvolle Lichtquelle die Dunkelheit verwandelte. Was sie gedacht und
gesagt haben, wissen wir nicht. Vielleicht waren es ähnliche Sätze wie in
unseren schönen Weihnachtsliedern: „Ich sehe dich mit Freuden an und
kann mich nicht satt sehen!“ – „Gelobet seist du, Jesu Christ, dass du
Mensch geboren bist!“ – „Ach Herr, du Schöpfer aller Ding, wie bist du
worden so gering!“
Mit solchen Gedanken wurde es spät und immer später. Irgendwann wird
auch der Glücklichste müde und muss mit dem Staunen, Danken und
Beten aufhören. Das Bild aus einer Kathedrale in Burgund zeigt die Weisen, die sich zur Ruhe begeben haben. Da liegen sie zu dritt in einem Bett.
Mehr Platz haben sie nicht. Wie für Jesus wenig Raum in der Herberge ist,
so müssen auch sie zusammenrücken, die ihn angebetet haben. Und wenn
man so richtig müde ist wie diese drei und so viel Schönes erlebt hat, dann
mag man das wohl in Kauf nehmen, zu dritt in einem Bett zu liegen.
Ich nehme an, dass sie in dieser heiligen und außergewöhnlichen Nacht
besonders fest und tief geschlafen haben. Es ist eine Wohltat, wenn man
die müden Glieder zur Ruhe kommen lassen und die Augen schließen
darf. Das Licht ist schön, aber die bergenden Schatten der Nacht sind auch
schön. Alles hat seine Zeit: das Aufleuchten und das Erlöschen des Lichts,
das Wachen und das Schlafen. Wenn die Schatten wachsen, darf auch das
Vertrauen wachsen, dass wir dort, wo es dunkel wird, umhüllt sind vom
Mantel Gottes, der aufpasst und uns zur rechten Zeit wieder aufweckt.
Unsere Träume sind Zeichen dafür, dass auch während des Schlafes etwas
mit uns geschieht. Manche Träume tun uns gut, andere sind beunruhigend,
verwirrend, erschreckend. Von welcher Art ist der Traum, den die Weisen
aus dem Morgenland in dieser Nacht haben?
So klar ist dieser Traum, dass einer der drei davon hellwach wird und die
Augen öffnet. Gottes Engel hat seine Finger berührt. Ganz deutlich hat der
Schlafende gespürt, dass ihm und den anderen etwas gesagt werden soll,
was nicht vergessen werden darf. Gebt acht, sagt der Engel, gebt acht,
wohin ihr geht, wenn ihr wieder aufgestanden seid. Seht ihr den Stern?
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Derselbe Stern, der euch hierhergebracht hat, will euch auch wieder nach
Hause geleiten. Lasst euch den Weg zeigen. Nehmt das Licht mit, das ihr
von Jesus empfangen habt, und gebt es in eurer Heimat weiter an die Menschen, die von Jesus noch nichts wissen. Soweit die gute Nachricht.
Aber auch eine Warnung spricht der Engel aus: Geht nicht wieder zu
Herodes! Ihm sollt ihr nichts davon verraten, wo ihr das Kind gefunden
habt. Er will das Kind töten. Allen dürft ihr von dem Kind erzählen – nur
dem Herodes nicht!
Die Warnung haben die Weisen beachtet. „Und sie zogen auf einem anderen Weg wieder in ihr Land“, so heißt es am Ende der Geschichte. Eigentlich kein schöner Schluss, finde ich! Nach großem Glanz fällt auf einmal
der Schatten tödlicher Gefahr auf die Weihnachtsszene. Es ist kein angenehmer Traum, wenn man daran denken muss, dass es Menschen wie
Herodes gibt, die das Jesuskind hassen und ihm nach dem Leben trachten.
Es ist furchtbar, wenn wir im weiteren Verlauf der Geschichte davon
hören, dass Herodes viele Kinder umbringen wird, weil er den neugeborenen König der Juden nicht finden kann. Das Licht der wunderbaren
Geburt des Heilands scheint einer bösen Finsternis weichen zu müssen.
Wäre es nicht ein besserer Ausgang gewesen, wenn die Weisen ohne
Angst zu Herodes hätten gehen und ihm hätten erzählen können, was sie
erlebt hatten? Stellen wir uns doch vor, mit welcher Begeisterung sie das
hätten tun können! Vielleicht hätte das ja Eindruck auf Herodes gemacht
und er hätte aufgehört, das Kind von Bethlehem als Konkurrenten zu
fürchten, und er wäre ein überzeugter Freund und Jünger dieses Kindes
geworden?!
Gott sind doch alle Dinge möglich – warum nicht auch eine Bekehrung
des Herodes? Der Christenverfolger Saulus wurde doch auch bekehrt und
ist als Apostel Paulus einer der wichtigsten Boten des Evangeliums
geworden!
Wir wissen nicht, warum die Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland keinen besseren Schluss hat. Gott hat ihnen befohlen, Herodes
aus dem Weg zu gehen. Das Kind, das sie angebetet haben, soll gerettet
werden. Dafür werden viele andere Kinder sterben müssen. Der Schatten
des Todes fällt über das Land und erstickt unschuldiges Leben, das keine
Chance zum Wachsen bekommt.
9
Soll das für alle Zeiten so bleiben, dass immer wieder Gewalt und Tod das
letzte Wort behalten? Manchmal sieht es so aus, wenn die bösen Nachrichten uns aus Zeitung und Fernsehen ins Auge springen. Aber gerade
deshalb ist doch Jesus in die Welt gekommen, damit es nicht für immer
dabei bleiben muss! Es kommt der Tag, da wird der gerettete Jesus selber
in den Schatten des Todes treten und sein Leben hergeben. Weil er für uns
in den Tod und durch den Tod hindurchgeht, muss es für niemanden mehr
ein sinnloses, hoffnungsloses Sterben geben. Von diesem Tag haben die
Weisen aus dem Morgenland noch nichts gewusst. Sie haben nur den
kleinen Jesus kennengelernt. Wir aber wissen, was aus ihm geworden ist.
Wie gut, dass Gottes Geschichte mit Jesus und mit uns weitergegangen
ist! Amen.
LIED
O Jesu Christe, wahres Licht, 72, 1 – 6
oder Lobt den Herrn, lobt den Herrn, 573, 1 – 3
FÜRBITTENGEBET
„Herr, es ist Zeit“:
Suche uns freundlich auf
und begleite uns hilfreich durch unsere Tage.
Den Klugen unter uns gib Richtung und Ziel.
Den Schwachen unter uns gib Sammlung und Mut
und den Faulen einen kräftigen Stoß.
Die Müden ermuntere mit lebendigem Geist.
Gehe den Ausweglosen selber schrittweise voran.
Führe die Einsamen in die Nähe der Nächsten.
Die Liebenden führe glücklich zusammen.
Herr Gott, himmlischer Vater,
suche uns freundlich auf
und begleite uns hilfreich durch unsere Tage.
Agende I, Nr. 639
oder
10
Barmherziger Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus! Du hast uns
hier zusammengeführt. Bleibe bei uns, wenn wir nun wieder auseinandergehen. Lass uns nicht los, dass wir nicht versinken oder uns verlieren.
Und lass es nicht geschehen, dass wir dich vergessen und deiner nicht
gedenken. Erleuchte, tröste, stärke du auch unsere Angehörigen in der
Nähe und in der Ferne - alle, die uns fremd und auch die uns feind sind.
Vor dich bringen wir auch die uns bekannten und unbekannten Sorgen und
Nöte aller Menschen: die der christlichen Gemeinde hier und in allen
Ländern,
– die Nöte derer, die verantwortlich mitreden, beraten, regieren und
entscheiden im Osten und Westen, im Norden und Süden,
– die Nöte der Erniedrigten und Unterdrückten,
– die Nöte aller Armen, Kranken und Alten, aller Bekümmerten,
Verzagten und Verwirrten,
– die Nöte der ganzen Welt, die sich nach Recht, Freiheit und Frieden
sehnt.
Lass alle und auch uns erfahren, dass wir in deiner allmächtigen Hand
sind, die endlich und zuletzt allem Unrecht und Elend ein Ende setzen
wird, um einen neuen Himmel und eine neue Erde zu schaffen, in der
Gerechtigkeit wohnen wird! Ehre sei dir, dem Vater und dem Sohn und
dem Heiligen Geist, wie du warst im Anfang und bist und sein wirst, jetzt
und in Ewigkeit!
nach: Agende I, Nr. 638
STILLES GEBET
In der Stille lasst uns beten…
VATER UNSER
Und mit den Worten Jesu beten wir …
LIED
Mein schönste Zier, 473, 1 – 4
oder Jesus ist kommen, 66, 8 + 9
SEGEN
11
Foto: Gerhard Jost
12
HERBSTZEIT - ERNTEZEIT ZEIT DER RECHENSCHAFT
von Matthias Müller
VORSPRUCH
„Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.“
Der Herbst ist Erntezeit. Die Früchte reifen, ja sind in diesen Tagen längst
gereift. Sie sind schon gelesen. Bei allem Pflücken und Sammeln spürt
man, dass in der Ernte der Ertrag eines nun abgelaufenen Jahres eingebracht wird. Der Ertrag wird festgeschrieben. So klingt dabei ganz leicht
das Motiv der Abrechnung an, der Rechenschaft, ja sogar des Gerichts.
Erntezeit ist auch Krisenzeit. Darüber möchte diese Andacht nachdenken.
LIED
Bleib bei mir, Herr! Der Abend bricht herein, 488, 1-3
oder Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt, 154, 1-5
PSALM (Ps 60, 3-7)
Gott, der du uns verstoßen und zerstreut hast
und zornig warst, tröste uns wieder;
der du die Erde erschüttert und zerrissen hast,
heile ihre Risse; denn sie wankt.
Du ließest deinem Volk Hartes widerfahren,
du gabst uns einen Wein zu trinken, dass wir taumelten.
Du hast doch ein Zeichen gegeben denen, die dich fürchten,
damit sie fliehen können vor dem Bogen.
Dass deine Freunde errettet werden,
dazu hilf mit deiner Rechten und erhöre uns!
oder Ps 126 - EG 750
13
EHR SEI DEM VATER UND DEM SOHN
GEBET
Himmlischer Vater, du gehst mit uns in den Veränderungen unseres
Lebens. Du schenkst immer wieder einen neuen Anfang. Lass uns nicht
allein, wenn wir auf unrechte Wege geraten oder sie bewusst einschlagen.
Auch wenn du uns richtest, sind wir noch immer bei dir. Stärke uns heute und in aller Zeit, die kommt, damit weder Trübsal oder Angst, noch
Hochmut oder Ichsucht uns scheiden von deiner Liebe, die in Christus
Jesus ist, unserem Herrn.
LIED
Solang es Menschen gibt auf Erden, 427, 1-5
oder Wohl denen, die da wandeln, 295, 1-4
HINFÜHRUNG
Der Prophet Amos hat im 8. Jahrhundert vor Christus gelebt. Durch Visionen von elementarer Einfachheit befähigt ihn Gott, seinen, Gottes Willen
zu verkünden. Und so sagt Amos nicht sein eigenes Wort, sondern Gottes
Wort. Er hält seinen Zeitgenossen damals und er hält uns heute unangenehme Wahrheiten vor. Er verkündet den Menschen Gottes Willen, auch
wenn er Unheil ansagen muss.
LESUNG
Gott der HERR ließ mich schauen, und siehe, da stand ein Korb mit reifem Obst. Und er sprach: Was siehst du, Amos? Ich aber antwortete: Einen
Korb mit reifem Obst. Da sprach der HERR zu mir: Reif zum Ende ist
mein Volk Israel; ich will ihm nichts mehr übersehen. Und die Lieder im
Tempel sollen in Heulen verkehrt werden zur selben Zeit, spricht Gott der
HERR. Es werden an allen Orten viele Leichname liegen, die man heimlich hinwirft.
14
Siehe, es kommt die Zeit, spricht Gott der HERR, dass ich einen Hunger
ins Land schicken werde, nicht einen Hunger nach Brot oder Durst nach
Wasser, sondern nach dem Wort des HERRN, es zu hören; dass sie hin
und her von einem Meer zum andern, von Norden nach Osten laufen und
des HERRN Wort suchen und doch nicht finden werden.
Amos 8,1-3.11.12
STILLE
BESINNUNG
Liebe Gemeinde!
Vielleicht haben Sie einen Garten und haben auch dieses Jahr wieder Obst
geerntet. Vielleicht haben Sie auch etwas aus dem Garten geschenkt
bekommen, Pflaumen etwa, oder Äpfel. Die liegen dann im Keller auf
dem Brett oder in der Küche im Obstkorb. Die Äpfel reifen in diesen
Tagen noch ein wenig nach, die Schale bekommt schöne volle Farben,
zum Reinbeißen.
Aber welche Enttäuschung, wenn inwendig unter der Schale der Apfel
bereits eine Stelle ist, die Feuchtigkeit zieht, die sich in eine schwabbelige Masse verwandelt hat, wenn der Apfel von innen bereits faul ist. Das
ist im Grunde das Bild, das Gott den Propheten Amos sehen lässt: einen
Korb, mit reifen Obst, mit überreifem Obst. In der hebräischen Sprache
klingen die Wörter für „Obst“ und für „Ende“ ähnlich. Frei wiedergegeben: statt voll und fruchtig – verfault; statt fertig gereift – fertig zum Ende.
Als Gotteswort überliefert uns Amos: „Reif zum Ende ist mein Volk“.
Und: „Von jetzt an sehe ich nicht mehr über ihre Sünden hinweg.“
Das Volk selber war bereits – wie man so sagt – „gekippt“, war ungenießbar geworden. Warum? Teile des Volkes waren vom Schimmelpilz
des Geldes, so sehr infiziert, dass schon ein Ruhetag in der Woche, der
Sabbat, für sie eine Zumutung war. Wir kennen das: „Wann ist der Sonntag endlich vorbei, wann können wir wieder Geld verdienen, den Umsatz
steigern?“, sagen die einen. Und die anderen: „wann können wir wieder
ein Schnäppchen machen?“, sagen die anderen. Gottes großes Geschenk,
die Frucht seiner Schöpfung ist der gemeinsame freie Tag für alle Men15
schen. Für viele ungenießbar geworden, weil sie in ihrem Leben nie pfleglich mit dieser Gabe Gottes umgegangen sind oder es nie gelernt haben,
die freie Zeit zu gestalten. Und dann sind sie selber „verfault“; „reif zum
Ende ist mein Volk.“
Der Prophet Amos beschreibt dann später noch, woran diese Achtlosigkeit
- letztlich gegenüber Gott - zu erkennen ist. Da wird bewusst falsch
gemessen und abgewogen, da gibt es Mogelpackungen, da entsteht ungerechter Reichtum, weil einige sich rechtswidrig bereichern. Gleichzeitig
werden Arme, weil sie ein paar Schuhe nicht bezahlen können, völlig
unverhältnismäßig zu Sklaven gemacht. Amos hätte wahrscheinlich angeprangert, wenn unmenschlich einer bewährten Sekretärin gekündigt wird,
nur weil sie nach einer Besprechung ein Brötchen gegessen hat, das übrig
blieb.
Amos meint: Wer den Nächsten betrügt, übers Ohr haut oder auf raffinierte Art und Weise beraubt, der versündigt sich an Gott. Denn es ist ja
Gottes Volk, dem dieses Unrecht geschieht. Im Gesangbuch ist das wunderbar knapp in folgende Verse gefasst: „Wir haben einen Gott und Herrn,
/ sind eines Leibes Glieder, / drum diene deinem Nächsten gern, / denn wir
sind alle Brüder. / Gott schuf die Welt nicht bloß für mich, / mein Nächster ist sein Kind wie ich.“ (EG 412,4)
Das Verschwinden der Nächstenliebe ist ein Zeichen dafür, dass die Menschen Gott vergessen.
So ist das Bild vom reifen Obstkorb zwar ein Bild der Ernte, aber kein froher Erntedank, sondern ein Gerichtsbild. Da wird abgeschnitten, eingesammelt, da ist die Zeit des Wachstums und der offenen Möglichkeiten
endgültig vorbei. Und da entpuppen sich manche Früchte als faule
Früchte.
Die Menschen werden, so kündigt es Amos an, einen ungeheuren Hunger
verspüren nach der guten, wahren Frucht, nach Gottes Wort. Dann werden
sie hin und her laufen, durchs ganze Land, in alle Richtungen auf der
Suche nach dem Wort Gottes – und sie werden’s doch nicht finden. Wenn
kein Wort mehr von Gott her vernehmbar ist, dann hat Gott sich abgewandt. Das Schweigen, das ist das Gericht Gottes, das Ende.
16
Siehe, es kommt die Zeit, spricht Gott der HERR, dass ich einen Hunger
ins Land schicken werde, nicht einen Hunger nach Brot oder Durst nach
Wasser, sondern nach dem Wort des HERRN, es zu hören; dass sie hin und
her von einem Meer zum andern, von Norden nach Osten laufen und des
HERRN Wort suchen und doch nicht finden werden.
Amos 8, 11.12
Wie sehr die Menschen in biblischer Zeit nach dem Wort Gottes hungerten, das wird deutlich während der Belagerung Jerusalems in den Jahren
588 und 587 vor Christus. In einer Notlage lässt der König Zedekia heimlich bei Nacht den Propheten Jeremia aus dem Kerker holen und fragt ihn:
„Ist denn kein Wort vom Herrn da?“ (Jer 37,17). Es gäbe eine Möglichkeit zur Rettung und zum Leben: Gottes Wort. Aber Gott hat sich abgewendet. Der König ist reif zum Ende und auch das Volk ist reif zum Ende.
Das ist ein scharfes und drohendes Gerichtswort. Mehr hat Amos an dieser Stelle nicht zu sagen.
Gibt es keinen Ausweg? Liegt im Strafgericht nicht ganz verborgen auch
der Keim der Veränderung? Kann in der Krise nicht ein neuer Weg gezeigt
werden?
Eine Krise kann eine tiefgreifende Umgestaltung anstoßen. Oder in der
Sprache der Bibel gesagt: Sie kann Umkehr und Buße bewirken.
Wenn Menschen auf diesem Weg sind, bleiben sie nicht ohne Verheißung.
Auch die Gerichteten konnten noch einmal beginnen, ein neues Leben
anfangen. Sie machten sich auf den Weg, wie der verlorene Sohn, der
umkehrte, als er unter einem tiefen Hunger litt.
Gott kann auch hinter scheinbar verlorenen Menschen neue, andere Menschen wahrnehmen. Geb’s Gott, dass wir Andere und uns selber in der
Zeit, in der geerntet wird, so erkennen können.
LIED
Ist Gott für mich, so trete, 351, 1.4.6.7
oder Lass uns in deinem Namen, Herr, die nötigen Schritte tun, 614, 1-4
oder So jemand spricht, 412, 1.2.4.5.8
17
FÜRBITTEN
Guter Gott, wir danken dir für deine reichen Gaben, von denen wir leben,
Tag für Tag und immer wieder neu.
Wir danken dir für deine große Schöpfungsgabe, den Ruhetag.
Woche für Woche schenkst du uns Freiheit von Hast und Betriebsamkeit,
Freiheit von Lärm und Aktion.
Du schenkst uns Zeit, die wir uns nicht selber verschaffen können,
Zeit, um zu dir, Gott, zu finden,
Zeit für unseren Nächsten, Zeit für uns selber. Dafür danken wir dir.
Wir bitten dich, Gott, lass uns deine gute Gabe, den Feiertag,
nicht vergessen oder verachten,
damit wir nicht von innen verfaulen.
Lass uns die Freiheit und den Segen nicht verspielen,
die uns der Sonntag gibt.
Wir rufen zu dir:
Herr, erbarme dich.
Guter Gott, wir danken für deine reiche Gabe, für dein Wort –
Licht auf unserem Weg,
Licht für diese Welt. Und wir bitten dich:
Lass uns auf dein Wort hören, auch dann,
wenn andere Stimmen uns ablenken wollen.
Hilf uns, dass wir uns nicht von dir abwenden,
wenn Sorgen und Ängste die Überhand gewinnen.
Lass uns dein Wort mit anderen teilen
und daraus neue Kraft gewinnen für unser Zusammenleben.
Wir rufen zu dir:
Herr, erbarme dich.
Stärke alle, die sich auf dein Wort verlassen und für Gerechtigkeit kämpfen. Hilf ihnen, wenn sie frei und öffentlich die Wahrheit sagen, Missstände aufdecken und unbequem werden. Lass sie die Kraft deines Wortes erfahren und durch mutige Taten Zeugen deiner Liebe werden.
Für sie rufen wir zu dir:
Herr, erbarme dich.
18
STILLES GEBET
In der Stille bringen wir vor dich, was uns bewegt:
VATER UNSER
LIED
Herr, für dein Wort sei hoch gepreist, 196, 1.2.4.5
oder Mein schönste Zier, 473, 1-4
oder Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht, 572
SEGEN
19
HERBST – ZEIT DER VERGÄNGLICHKEIT
von Reinhold Kalden
VORSPRUCH
„Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los…
wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben…,
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.“
Der Herbst erinnert uns daran, dass wir vergänglich sind wie unsere Mitgeschöpfe. Bei aller Farbenpracht des Herbstlaubs wissen wir: es ist Zeit.
In wenigen Wochen wird alles kahl sein, werden die bunten Blätter fahl
und zusammengekehrt wie Abfall. Einmal ist es auch für uns Zeit: „Wir
alle fallen. Diese Hand da fällt.“ (Rilke). Diese letzte Krise kommt auf uns
zu. In dieser Andacht bedenken wir, wie wir uns darauf einstellen können.
LIED
Der du die Zeit in Händen hast, 64, 1–3
oder Die Herrlichkeit der Erden, 527, 1-2 + 4-6
PSALM (Ps 102, 2 +3+ 18 -28, EG 743 hat eine andere Auswahl)
HERR, höre mein Gebet und lass mein Schreien zu dir kommen!
Verbirg dein Antlitz nicht vor mir in der Not, neige deine Ohren zu mir;
wenn ich dich anrufe, so erhöre mich bald!
Er wendet sich zum Gebet der Verlassenen und verschmäht ihr Gebet nicht.
Das werde geschrieben für die Nachkommen;
und das Volk, das er schafft, wird den HERRN loben.
Denn er schaut von seiner heiligen Höhe,
der HERR sieht vom Himmel auf die Erde,
21
dass er das Seufzen der Gefangenen höre
und losmache die Kinder des Todes,
dass sie in Zion verkünden den Namen des HERRN
und sein Lob in Jerusalem,
wenn die Völker zusammenkommen und die Königreiche,
dem HERRN zu dienen.
Er demütigt auf dem Wege meine Kraft, er verkürzt meine Tage.
Ich sage: Mein Gott, nimm mich nicht weg in der Hälfte meiner Tage!
Deine Jahre währen für und für.
Du hast vorzeiten die Erde gegründet,
und die Himmel sind deiner Hände Werk.
Sie werden vergehen, du aber bleibst;
sie werden alle veralten wie ein Gewand;
wie ein Kleid wirst du sie wechseln, und sie werden verwandelt werden.
Du aber bleibst, wie du bist, und deine Jahre nehmen kein Ende.
oder Ps 103, 8 – 18 EG 742 (in Auswahl!)
EHR SEI DEM VATER UND DEM SOHN
GEBET
Herr, unser Gott,
du hast uns zum Leben im Glauben berufen. Doch unser Herz ist voll
Unruhe und unser Leben voll Angst. Wir bitten dich: Lenke unsere Blicke
auf Jesus, den Überwinder des Todes, damit wir die Zeit, die uns noch
bleibt, im Vertrauen auf deine immerwährende Gnade zubringen. Mach
uns fest in der Gewissheit, dass wir für immer mit dir verbunden bleiben.
Darum bitten wir durch Jesus Christus, der mit dir und dem Heiligen Geist
lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Agende I, Nr. 1001
LIED
Alles ist eitel, du aber bleibst, 543 (Kanon)
oder Ach wie flüchtig, ach wie nichtig, 528, 1 - 4
22
HINFÜHRUNG
„Unruhig wandern, wenn die Blätter treiben“ – so fühlen sich Menschen
nicht nur im Spätherbst. Unermüdlich suchen sie nach Raum und Möglichkeit zum Leben, besonders, wenn sie nicht freiwillig unterwegs sind.
„Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden“ lautet das Urteil für Kain.
(1. Mose 4, 12b). Nicht nur in Kriegszeiten, in Verfolgung und Vertreibung machen Menschen diese Erfahrung – bis in unsere Zeit. Viele sind
regelrecht entwurzelt, herausgerissen aus allem, was uns sonst Geborgenheit bietet. Das Schicksal von Wanderarbeitern und Hirten war auch bei
uns bis ins 20. Jahrhundert hinein wohlbekannt. Beweglichkeit und
Anpassungsfähigkeit sind auch heute gefragt. Doch wenn es Herbst wird,
wenn es ans Ende geht, brauchen wir einen Platz zum Ausruhen, auch
zum Trauern und zum Gedenken.
Die Bibel erzählt, wie Abraham ein Erbbegräbnis erwirbt:
LESUNG
Sara wurde hundertsiebenundzwanzig Jahre alt und starb in Kirjat-Arba –
das ist Hebron – im Lande Kanaan. Da kam Abraham, dass er sie beklagte und beweinte. Danach stand er auf von seiner Toten und redete mit den
Hetitern und sprach: Ich bin ein Fremdling und Beisasse bei euch; gebt
mir ein Erbbegräbnis bei euch, dass ich meine Tote hinaustrage und begrabe. Da antworteten die Hetiter Abraham und sprachen zu ihm: Höre uns,
lieber Herr! Du bist ein Fürst Gottes unter uns. Begrabe deine Tote in
einem unserer vornehmsten Gräber; kein Mensch unter uns wird dir wehren, dass du in seinem Grabe deine Tote begräbst. Da stand Abraham auf
und verneigte sich vor dem Volk des Landes, vor den Hetitern. Und er
redete mit ihnen und sprach: Gefällt es euch, dass ich meine Tote hinaustrage und begrabe, so höret mich und bittet für mich Efron, den Sohn
Zohars, dass er mir gebe seine Höhle in Machpela, die am Ende seines
Ackers liegt; er gebe sie mir um Geld, soviel sie wert ist, zum Erbbegräbnis unter euch. Efron aber saß unter den Hetitern. Da antwortete
Efron, der Hetiter, dem Abraham vor den Ohren der Hetiter, vor allen, die
beim Tor seiner Stadt versammelt waren, und sprach: Nein, mein Herr,
sondern höre mir zu! Ich schenke dir den Acker und die Höhle darin und
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übergebe dir's vor den Augen der Söhne meines Volks, um deine Tote dort
zu begraben. Da verneigte sich Abraham vor dem Volk des Landes und
redete mit Efron, sodass das Volk des Landes es hörte, und sprach: Willst
du ihn mir lassen, so bitte ich, nimm von mir das Geld für den Acker, das
ich dir gebe, so will ich meine Tote dort begraben. Efron antwortete Abraham und sprach zu ihm: Mein Herr, höre mich doch! Das Feld ist vierhundert Lot Silber wert; was ist das aber zwischen mir und dir? Begrabe
nur deine Tote! Abraham gehorchte Efron und wog ihm die Summe dar,
die er genannt hatte vor den Ohren der Hetiter, vierhundert Lot Silber
nach dem Gewicht, das im Kauf gang und gäbe war. So wurde Efrons
Acker in Machpela östlich von Mamre Abraham zum Eigentum bestätigt,
mit der Höhle darin und mit allen Bäumen auf dem Acker umher, vor den
Augen der Hetiter und aller, die beim Tor seiner Stadt versammelt waren.
Danach begrub Abraham Sara, seine Frau, in der Höhle des Ackers in
Machpela östlich von Mamre, das ist Hebron, im Lande Kanaan. So wurden Abraham der Acker und die Höhle darin zum Erbbegräbnis bestätigt
von den Hetitern.
1. Mose 23
BESINNUNG
Auf Gottes Geheiß hatte er seine Heimat und seine Sippschaft verlassen
und war in ein Land gezogen, das Gott ihm zeigte. Nach der schwersten
Glaubensprüfung, die vorstellbar ist – seinen Sohn soll er opfern - stirbt
seine Frau Sara. Viele Jahre hat der „Ausländer auf Befehl“ in der Fremde gelebt: bei Sodom und Gomorrha, im Südland, in Gerar, in der Oase
Beerscheba. In Hebron, nicht weit von Bethlehem, stirbt Sara, und Abraham kommt, um die Trauerbräuche zu vollziehen und seine Frau zu begraben. Jetzt braucht er, der Jahrzehnte unterwegs war, einen festen Platz.
Heute noch sind in der Wüste im Süden Israels Begräbnisplätze der
Beduinen anzutreffen, zu denen einzelne Familien immer wieder zurückkehren. So benötigte Abraham als grundbesitzloser Fremdling einen Platz,
den er den Einheimischen abkaufen musste. Die Verhandlungen dazu
brauchen drei Gesprächsgänge, bis alles in gebührender Höflichkeit geregelt ist. Die Sprecher der Leute von Hebron spüren Abraham seine von
Gott geschenkte Würde ab, ohne dass sie etwas davon ahnen, was Gott
durch Abraham bewirken will.
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Die Einheimischen bieten Abraham an, Sara in einem ihrer Gräber zu
bestatten – doch der wollte ja gerade ein Stück eigenen Grund und Boden.
Sehr höflich wird weiterverhandelt, das garstige Wort „verkaufen“ dabei
vermieden. Abraham feilscht nicht, sondern gibt ohne weiteres die geforderte Summe, erhält den Platz und beerdigt seine Frau. Mehr erfahren wir
nicht. Betont nüchtern erzählt die Bibel von Begräbnissen, so auch hier.
„Dem hier die Welt zu enge, dem wird ein enges Grab zu weit“ heißt es
im Lied (EG 527, 3). Zu Abrahams Zeiten wusste der Glaube noch nichts
von der Auferstehung der Toten. In manchen unserer Lieder klingt das
noch nach; es scheint, als wollten sie bewusst einmal Tod und Trauer ohne
Hoffnung auf ewiges Leben und unzertrennliche Verbindung mit Christus
durchbuchstabieren. Dabei haben wir ja an unsren Gräbern keinen anderen Trost als die Verbundenheit mit Christus durch die Taufe, die wir im
Glauben immer wieder zu bezeugen und umzusetzen versuchen. Das
schließt nicht aus, dass wir gelegentlich seufzen und – laut oder im Stillen – sagen „Herr, es ist Zeit“. Oder, mit den Worten eines unserer ältesten
Lieder: „Ich wollt, dass ich daheime wär und aller Welte Trost entbehr. Ich
mein, daheim im Himmelreich, da ich Gott schaue ewiglich“ (EG 517,
1+2). So weit ist unsre Geschichte noch nicht.
Abraham, Isaak, Jakob und ihre Frauen Sara, Rebekka und Lea wurden in
der Höhle Machpela bei Hebron beerdigt, nicht weit von Bethlehem und
Jerusalem. Manchmal ist deshalb das Grab der Erzmütter und –väter als
eine Vorausahnung des von Gott versprochenen Landes verstanden worden. In eigener und nicht in fremder Erde zu ruhen – das war für das biblische Volk Israel besonders wichtig während der babylonischen Gefangenschaft. Damals lernte Israel zu glauben, dass sein Gott ihm auch in der
Fremde nahe war – durch sein Wort und seine Gebote.
So ist aus den Erfahrungen von Einsamkeit und Sterben in der Fremde
etwas Neues gewachsen: Glaube, der über den Horizont hinaussieht und
sich noch im Tod auf Gott verlässt. „In deine Hände befehle ich meinen
Geist“ – so betet schon der 31. Psalm ganz zuversichtlich. „Nichts kann
uns scheiden, auch der Tod nicht, von der Liebe Gottes, die in Christus
Jesus ist, unsrem Herrn“ – so können wir es glauben, weil wir durch unsre Taufe verbunden sind mit Christus.
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Das Kreuz Jesu wird oft dargestellt als Lebensbaum: „Holz auf Jesu
Schulter, von der Welt verflucht, ward zum Baum des Lebens und bringt
gute Frucht“ (EG 97, 1). Und wir vertrauen darauf: „Liebe lebt auf, die
längst erstorben schien“ (EG 98, 1) – so können wir dem Ende, der Ernte, getrost entgegen gehen und uns an Gottes Segen freuen. Am Ende
erwartet uns kein anderer als Christus selbst und verheißt: „Siehe, ich
mache alles neu“ (Offb 21, 5).
LIED
Nun sich das Herz von allem löste, 532
oder Herzlich tut mich erfreuen, 148, 1+2+6+7
oder Ein Tag, der sagt dem andern, 481, 5
GEBET
Bleibe bei uns, Herr, denn es will Abend werden,
und der Tag hat sich geneigt.
Bleibe bei uns und bei deiner ganzen Kirche.
Bleibe bei uns am Abend des Tages, am Abend des Lebens,
am Abend der Welt.
Bleibe bei uns mit deiner Gnade und Güte, mit deinem heiligen Wort
und Sakrament, mit deinem Trost und Segen.
Bleibe bei uns, wenn über uns kommt die Nacht der Trübsal und Angst,
die Nacht des Zweifels und der Anfechtung, die Nacht des bitteren Todes.
Bleibe bei uns und allen deinen Gläubigen in Zeit und Ewigkeit.
EG 854
oder
Herr, es ist Zeit!
Wir danken dir für dein Geleit
durch die Zeit unsres Lebens.
Du gibst Saat und Ernte,
Sommer und Winter,
Tag und Nacht.
26
Dein Wort leitet uns
auf unserem Weg durch die Zeit.
Du schenkst uns gute Kräfte zum Leben.
Darum bitten wir dich:
Hilf uns erkennen, wann es Zeit ist,
uns aufs Sterben vorzubereiten.
Um Gelassenheit und Zuversicht bitten wir dich,
damit wir loslassen können, wenn es Zeit ist.
Wir möchten nach Hause finden,
wenn es Zeit ist, heimzugehen.
In aller Unruhe gib uns einen Platz,
an dem wir ausruhen können von aller Mühe,
von der Arbeit des Lebens.
Erbarme dich über alle,
die ein plötzlicher, schneller Tod aus dem Leben reißt.
Sei gnädig allen, die ein langes Krankenlager haben.
Lass sie spüren, dass auch solche Zeit erfüllt und gesegnet sein kann.
Und sei denen nahe, die mit dem Tod kämpfen.
Gib Ärzten und Pflegenden Geduld und Einfühlungsvermögen.
Unsere Zeit steht in deinen Händen,
einmal ist unsre Zeit ganz deine Zeit.
Deine Zeit, Gott, ist die allerbeste Zeit.
Darauf vertrauen wir.
Erhöre uns, wenn wir miteinander beten:
VATER UNSER
LIED
Der Mensch ahnt nichts von seiner Frist, 64, 4-6
oder So nimm denn meine Hände, 376
oder Ich liege, Herr, in deiner Hut, 486, 1+6-11
oder Du gibst die Saat und auch die Ernte, 649
SEGEN
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WACHSENDES DUNKEL KOMMENDER MORGEN ZEIT DES NEUBEGINNS
von Hanna Hirschberger
VORSPRUCH
Der Friede Gottes sei mit euch.
Zur Andacht mit dem Thema „Zeit des Neubeginns“ begrüße ich Sie und
heiße Sie herzlich willkommen.
Lassen Sie uns heute über den Übergang von der Finsternis der Nacht in
das Licht des Morgens nachdenken. Die Nacht, eine Zeit der Ruhe und der
Gefahr, wird von der Morgendämmerung mit dem aufkommenden Licht
und damit einer neuen Hoffnung abgelöst.
LIED
Die güldne Sonne, 449, 1, 4, 7, 8
oder Morgenglanz der Ewigkeit, 450
PSALM (Ps 92, 2-9.13 - 16)
Das ist ein köstlich Ding, dem HERRN danken
und lobsingen deinem Namen, du Höchster,
des Morgens deine Gnade und des Nachts deine Wahrheit verkündigen
auf dem Psalter mit zehn Saiten,
mit Spielen auf der Harfe.
Denn, HERR, du lässest mich fröhlich singen von deinen Werken,
und ich rühme die Taten deiner Hände.
HERR, wie sind deine Werke so groß!
Deine Gedanken sind sehr tief.
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Ein Törichter glaubt das nicht,
und ein Narr begreift es nicht.
Die Gottlosen grünen wie das Gras,
und die Übeltäter blühen alle –
nur um vertilgt zu werden für immer!
Aber du, HERR, bist der Höchste und bleibest ewiglich.
Der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum,
er wird wachsen wie eine Zeder auf dem Libanon.
Die gepflanzt sind im Hause des HERRN,
werden in den Vorhöfen unsres Gottes grünen.
Und wenn sie auch alt werden,
werden sie dennoch blühen, fruchtbar und frisch sein,
dass sie verkündigen, wie der HERR es recht macht;
er ist mein Fels und kein Unrecht ist an ihm.
oder Psalm 4 (EG 703)
oder Psalm 130 (EG 751)
EHR SEI DEM VATER UND DEM SOHN
GEBET
Ich suche dich, Gott, jeden Morgen und sehne mich nach deinem Licht,
das mir den Tag aufschließt. Ich halte mittags nach dir Ausschau und
lerne dann, dich zu verstehen in Licht und Schatten neben mir. Und wenn
es Abend wird, dann sehn ich mich nach dir, dass du mich führst durch
Dunkelheit und Angst.
Agende I, Nr. 684
LIED
Werde munter, mein Gemüte, 475, 1.3.5-7
oder Nun schläfet man, 480, 1.3.5-7
oder Jesu, hilf siegen, 373, 1, 4, 5
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HINFÜHRUNG
Soll etwas Neues beginnen, dann muss Altes und Vertrautes zurückgelassen werden. Das kann Angst machen: Angst vor dem Neubeginn. Was
wird kommen? Der Arzt weiß, dass es bei vielen Krankheiten erst zur Krise kommen muss, bevor die Besserung einsetzt. Diese Stunde, wenn
unklar ist wohin das Pendel ausschwingt, ob zu Leben oder Tod, ist
gefürchtet. Wie gut, wenn dann einer wacht, den Schrecken der Finsternis
wehrt. Daher die drängende Frage „Wächter, wie weit ist die Nacht?“ Ist
das Morgenrot des Neubeginns, ist die Erlösung immer noch nicht sichtbar? Dieser Frage und was der Verlauf der Nacht bedeuten kann, darüber
wollen wir nachdenken.
LESUNG
Dies ist die Last für Duma: Man ruft zu mir aus Seïr: Wächter, ist die
Nacht bald hin? Wächter, ist die Nacht bald hin? Der Wächter aber sprach:
Wenn auch der Morgen kommt, so wird es doch Nacht bleiben. Wenn ihr
fragen wollt, so kommt wieder und fragt.
Jesaja 21, 10-12
STILLE
BESINNUNG
Die Nacht ist in der Bibel eine symbolträchtige Zeit: Eine Zeit zwischen
Wachen und Schlafen, den Schrecken der Finsternis und dem Hoffen auf
einen neuen Morgen; eine Zeit, in der wichtige Entscheidungen fallen,
geheime Gespräche geführt werden; eine Zeit, in der Menschen lieben
und sterben. Rilke schreibt in seinem Herbstgedicht: „Herr: es ist Zeit. ...
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben ...“ Wachen, um auf den Neubeginn zu warten: Mancher liegt
des Nachts wach, findet keinen Schlaf. Der Schlaf als Bruder des Todes,
kann Angst machen. Nirgends ist der Mensch so ausgeliefert, so wehrlos
wie im Schlaf. Darum gab es in Dorfgemeinschaften und in den Städten,
auf Schiffen und beim Militär die Nachtwachen und Wächter.
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In dem kleinen Lied des Jesaja fragen die Menschen ungeduldig: „Wächter, ist die Nacht bald hin?“ Der neue Morgen wird sehnlichst erwartet.
Die Nacht wurde damals in vier Abschnitte gegliedert.
Die erste Nachtwache vom Sonnenuntergang bis zur Schlafenszeit ist eine
Zeit des Friedens, in der die Ereignisse des Tages noch gegenwärtig sind,
während die Nacht heraufzieht. Sie ist eine Zwischenzeit, denn am Abend
kehrt Ruhe und Frieden ein, die Welt kann heil werden. Gott wandelt im
Garten, als der Tag kühl geworden war (1. Mose 3,8). Die Taube kommt
am Abend mit einem Ölblatt im Schnabel zu Noah zurück (1. Mose 8,10);
sie zeigt das Ende des Zornes Gottes an und damit die Erlösung. Die
bekannteste Abendgeschichte ist die Emmausgeschichte, wenn die beiden
noch vom Schrecken des Karfreitags gezeichneten Jünger den Fremden
einladen: „Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden und der Tag
hat sich geneiget.“ Beim Brotbrechen erkennen sie den Auferstandenen,
und der Friede Gottes breitet sich aus. (Lk 24,13ff).
In der zweiten Nachtwache, die bis Mitternacht reicht, sammelt der
Mensch im Schlaf Kraft für den neuen Tag. Hier ist der Schlaf sowohl
dem Tod als auch der Geburt ähnlich. Ein Schlafender ist wie gestorben,
weil er an den Bewegungen des Lebens nicht teilnimmt. Zugleich ist er
wie ungeboren, denn sein Körper sammelt Kräfte, die er braucht, um das
Leben neu zu beginnen. Im Gleichnis Jeus kommt der Herr wie ein Dieb,
wenn alle schlafen und ihn niemand erwartet (Mt 24,42f).
An anderer Stelle erzählt Jesus vom bittenden Freund, der um Mitternacht
keine offenen Türen mehr erwarten kann (Lk 11, 5-13).
In der zweiten Nachtwache wird der Mensch im Schlaf gestärkt und ist
zugleich äußerst wehrlos. Daher wird im 4. Psalm, Davids Abendgebet,
gebetet: „Erhöre mich, wenn ich rufe, Gott meiner Gerechtigkeit ... ich
liege und schlafe ganz mit Frieden, denn allein du, Herr, hilfst mir, dass
ich sicher wohne.“
Die Zeit der dritten Nachtwache bündelt schließlich alles, was die Nacht
als Zeit des Schreckens und der Finsternis kennzeichnet. Es ist die Zeit
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der Alpträume, der Geister und Dämonen sowie des Todes, nicht nur im
symbolischen, auch im biologischen Sinne. Weil die Kräfte des Menschen
in der Nacht am schwächsten sind, hat diese Zeit die höchste Sterblichkeit. Und Schuld und Versagen zeigen sich in der dritten Nachtwache. Als
ihre Aufmerksamkeit gefordert ist, versagen die Jünger und schlafen.
Judas verrät Jesus mit einem Kuss, und Petrus leugnet, Jesus zu kennen.
(Mt 26). Der Todesengel Gottes wälzt sich durch die nächtlichen Straßen
der Ägypter und schlägt alle Erstgeburt (2. Mose 12, 29f). Die Nacht fordert nicht immer den Tod, aber bringt Furcht und Schrecken. Einsam
kämpft Jakob am Jabbok bis zur Morgenröte mit einem Fremden um sein
Leben und seine Zukunft. Geschlagen, aber gesegnet geht er aus der
Nacht (1. Mose 32,23ff).
Zur vierten Nachtwache hin wird das Ende der Nacht herbeigesehnt.
„Wächter, wie weit ist’s in der Nacht, wie weit in der Nacht?“ Menschen
fragen, ob das Ende der Nacht nicht endlich herbeigekommen ist. Sieht
der Wächter nicht schon den Morgen heraufziehen, den Anbruch eines
neuen Tages? Neubeginn nach den Schrecken der Nacht? Aber der Wächter kann keine hoffnungsvolle Antwort geben. Der Morgen ist schon
gekommen, und doch ist es noch Nacht. „Wollt ihr fragen, so fragt!
Kommt noch einmal zurück.“ Ein eigentlich eingängiges Bild und doch
rätselhaft! Warum ersehnen die Fragenden den Morgen so heftig, dass sie
gleich zweimal nachfragen, ob er noch nicht angebrochen ist? Der Wächter antwortet, der Morgen komme schon, jetzt aber sei noch Nacht. Und
weil er die Ungeduld der Fragenden bremsen will, vertröstet er sie damit,
dass sie ihre Frage eben noch mal stellen müssen.
Die Ungeduld ist nur zu erklären, wenn man die Nacht als Zeit der Angst,
des Schreckens und der Not sieht. Deren Ende wird herbeigesehnt. Der
Wächter, der auch als Prophet gedeutet werden kann, kann den ungeduldig Fragenden nur den Hinweis geben, dass die Not gewiss einmal enden
wird, der Zeitpunkt aber nicht abzusehen ist. Erst wenn der Morgen angebrochen ist, beginnt die Heilszeit Gottes. So lange müssen die Fragenden
ihre Fragen wieder und wieder stellen. Der Morgen bricht in der vierten
Nachtwache an. Das Licht vertreibt die Finsternis der Nacht. Und weil mit
dem Licht das Kommen Gottes verbunden ist, kann der 130. Psalm sagen
„Meine Seele wartet auf den Herrn mehr als die Wächter auf den
Morgen...“
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Für die Erlebnisse und Erfahrungen während der vierten Nachtwache
steht vor allem der Seewandel Jesu. Was die Jünger mit dem auf dem See
wandelnden Jesu erleben, ist mystisch und von einer anderen Wirklichkeit. Im Vorgriff erfahren sie das Ostergeschehen. Diese Nachtwache wird
auch als Auferstehungszeit bezeichnet, weil das Licht des Tages über das
Dunkel der Nacht, das Leben über den Tod siegt, Gott Jesus von den Toten
auferweckt. Die Wächter dieser Wache wecken die Schlafenden, damit
man gemeinsam den neuen Tag begrüßt, der mit seinem Glanz den „Morgenglanz der Ewigkeit“ erahnen lässt.
Im Morgenglanz der Ewigkeit wird die Nacht für die Erlösten am Ende
der Zeit verschwunden sein, und damit alles, was die Nacht an Gewalt,
Angst und Gottesferne enthält. Die Tore des neuen Jerusalems bleiben für
immer offen, „denn da wird keine Nacht mehr sein“ (Offb 21,25). Das
Chaos des Urzustandes und die Nacht des Todes sind überwunden, sie
enden im Morgen eines neuen Lebens. Tag und Nacht garantierten den
Fortbestand der Erde, doch jetzt ist immer Tag. „Und es wird keine Nacht
mehr sein, und sie werden nicht bedürfen einer Leuchte oder des Lichtes
der Sonne; denn Gott wird sie erleuchten“ (Offb 22,5). Das Wachen führt
zum Anbruch des neuen Morgen und damit zu einem Neubeginn.
LIED
Weil Gott in tiefster Nacht erschienen, 56, 1-5
oder Herr, bleibe bei uns, 483 (Kanon)
FÜRBITTEN
Gott, du bist das Licht, das uns allen neues Leben eröffnet.
Mach uns zu Kindern des Lichtes, dass wir einander nicht als Feinde, sondern als Partner begegnen; dass wir einander nicht ängstigen, sondern vertrauen;
dass wir einander Leben nicht verwehren, sondern Leben erschließen.
Erleuchte uns mit deiner Wahrheit, dass wir es wagen, loszulassen, womit
wir einander beschweren, und miteinander suchen, was unser Leben trägt
und erfüllt.
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Mach unsere Fantasie fruchtbar, Grenzen, die uns trennen, zu überwinden;
Waffen, mit denen wir drohen, zu begraben; Gesetze, die aus Angst entstanden, zu verwandeln in einer Gemeinschaft, die der Liebe Gottes vertraut.
Agende I, Nr. 476
oder
Schöpfer des Alls, du hast uns berufen von der Finsternis zum Licht durch
Jesus, deinen geliebten Sohn. Du hast die Augen unseres Herzens aufgetan, dass wir dich erkennen:
Du bist der Helfer der Gefährdeten, der Retter der Verzweifelten, der
Schöpfer und Hüter alles Lebens. Wir bitten dich, Herr:
Sei unser Helfer und nimm dich unser an. Die Bedrängten unter uns errette, der Bedrückten erbarme dich, die Gefallenen richte auf, den Betenden
zeige dich, die Kranken heile, die Irrenden bringe wieder zurecht. Speise
die Hungernden,
hilf den Schwachen, tröste die Kleinmütigen.
Lass alle Völker erkennen, dass du allein Gott bist und Jesus Christus dein
Sohn und wir dein Volk und Schafe deiner Weide.
Gib Einigkeit und Frieden uns und allen, die auf Erden wohnen.
Du allein hast die Macht, dies und noch viel mehr Gutes an ihnen zu tun.
Dich preisen wir durch Jesus Christus, unseren Hohenpriester und Fürsprecher,
durch den du dich herrlich und groß erweist jetzt und von Geschlecht zu
Geschlecht und in Ewigkeit.
Agende I, Nr. 1263
VATER UNSER
LIED
Die Nacht ist kommen, 471
oder Gehe ein in deinen Frieden, 489
SEGEN
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