Forschungsschwerpunkt A Zell- und Tumorbiologie Abteilung A070 Molekulare Biologie der Mitose Abteilung Molekulare Biologie der Mitose (A070) Leiter Prof. Dr. Herwig Ponstingl Systematische Analyse der Genexpressionsmuster in Ovarialkarzinomen Wissenschaftliche Mitarbeiter Priv.-Doz. Dr. Ralf Bischoff Dr. Simon Fernandez (BMBF) Dipl.-Ing Klaus Leibe (BMBF) Dr. Hans-Peter Zimmermann 44 H.-P. Zimmermann, K. Dellas-Kloor, H. Ponstingl Gastwissenschaftler Dr. Alexander Marmé, Universitäts-Frauenklinik Heidelberg Dr. Mikael Sjölinder, Karolinska Institutet, Stockholm, Schweden Doktoranden Katrin Dellas-Kloor Lilia Schleicher (DFG) Alexander Nesterov In Zusammenarbeit mit G.. Moldenhauer, Abt. Molekulare Immunologie, M. Schorpp-Kistner, Abt. Signaltransduktion und Wachstumsregulation, Eberhard Spiess, Abt. Modellversuche zur Invasion und Metastasierung, alle DKFZ; A. Marmé, M. Lindner, G. Bastert, Universitäts-Frauenklinik Heidelberg. Ovarialkarzinome sind die gefährlichsten unter den gynäkologischen Tumoren, da sie ohne charakteristische Frühsymptome sind und in der Regel erst in Spätstadien erkannt werden. In Zusammenarbeit mit der UniversitätsFrauenklinik Heidelberg vergleichen wir deshalb die Genexpressionsmuster von Tumorzellen und gesunden Epithelzellen jeweils derselben Patientin. Anhand wiederkehrender Merkmale werden diese Tumoren molekularbiologisch charakterisiert, mit dem Ziel, neue Kennzeichen von diagnostischer Bedeutung zu finden, die molekularen Ursachen der Tumorentwicklung zu verstehen und der Therapie neue Möglichkeiten zu eröffnen. Techniker Claudia Dallner Antje Koppe Jürgen Kretschmer Brigitte Seib (½) Sekretariat Sabine Hughes (½) Die Forschungsarbeiten der Abteilung haben zum Ziel: • Die Identifizierung neuer Tumormarker, Tumorsuppressoren und therapeutischer Zielmoleküle durch systematische Analyse von Gen-Expressionsprofilen. • Die Entwicklung hochkomplexer Peptid-Arrays zu diagnostischen Zwecken und zur Suche nach therapeutischen Wirkstoffen. • Die Aufklärung des Transports von Makromolekülen in der Zelle, um Transportwege therapeutisch zu nutzen und um zu verstehen, wie Transportdefekte zur Entwicklung von Tumoren beitragen. Das Differential Display ist das bisher empfindlichste Verfahren zur systematischen Analyse von Unterschieden in der Genexpression. Es erlaubt in der Form von cDNA-Fragmenten den Vergleich, die Identifizierung und die Isolierung von mRNAs, die in Tumorzellen erheblich stärker oder geringer repräsentiert sind als in den entsprechenden gesunden Zellen. Zellen werden aus cystisch wachsenden Tumoren und aus Normalepithel durch Abstrich aus frischem Operationsmaterial und durch lasergestützte Mikrodissektion aus Gewebeschnitten gewonnen. Dann wird die mRNA aus den Zellen isoliert und in cDNA umgeschrieben, die als Matrize für die Herstellung von cDNA-Fragmenten durch PCR dient. Um dabei Fehler auszuschließen, wird parallel jeder Versuch mehrfach durchgeführt. Die Fragmente werden der Größe nach aufgetrennt und geben einen Überblick über die Gene, die in den verglichenen Zellen exprimiert sind. Fragmente, die im Vergleich zu Normalzellen reproduzierbar mindestens eine Größenordnung über- oder unterrepräsentiert sind, werden kloniert und sequenziert. Die Ergebnisse werden durch unabhängige Kontrollversuche mit anderen, für das jeweilige Gen spezifischen Primern am gleichen Ausgangsmaterial beglaubigt. Die anfangs erhaltenen cDNA-Fragmente werden dann zu vollständigen offenen Leserastern ergänzt. Durch Northern-Blot-Analyse, Cancer Profiling Arrays mit cDNA aus Tumor- und Epithel-Gewebepaaren derselben Patientin und durch Hybridisierung an Gewebeschnitten in situ werden die Resultate nochmals unabhängig kontrolliert. Dabei erwiesen sich einige der so charakterisierten Gene nicht nur in Ovarialtumoren, sondern auch in den Karzinomen anderer Epithelien als dereguliert. Abb. 1 Cancer Profiling Array für Gen 24C/G1/1. Es wurde jeweils links gesamte cDNA aus dem Normalgewebe (N)einer Patientin und rechts gleich viel gesamte cDNA aus dem Tumor (T) derselben Patientin aufgetragen. Mit einer radioaktiven genspezifischen Sonde wurde die Expression des Gens 24C/G1/1 bestimmt. Es ist in den meisten Ovar- und Lungentumoren überexprimiert. DKFZ 2004: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2002 - 2003 Forschungsschwerpunkt A Zell- und Tumorbiologie Wir haben zunächst sechs Gene für die weitere Analyse ausgewählt. Um in ihre weitgehend unbekannten Funktionen Einblick zu erhalten, schalten wir sie durch RNAi in geeigneten Zellinien aus, suchen mit 2-Hybrid-Screens nach Bindungspartnern, und prüfen rekombinant exprimierte einzelne Proteindomänen auf ihre biochemischen Eigenschaften. Um diagnostisch brauchbare Marker zu erhalten [1,2], müssen Expressionsunterschiede rasch und an möglichst vielen Patientinnen bestimmt und mit den histopathologischen Befunden und dem klinischen Verlauf der Erkrankung verknüpft werden. Dazu produzieren wir die codierten Proteine rekombinant in Bakterienzellen und gewinnen gegen sie gerichtete Antikörper, die zur immunhistologischen Färbung von Gewebeschnitten eingesetzt werden. Hochkomplexe diagnostische Peptidarrays F. R. Bischoff, S. Fernandez, K. Leibe, A. Nesterov In Zusammenarbeit mit Frank Breitling; Thomas Felgenhauer, Mario Beyer, Annemarie Poustka, Volker Stadler, Abteilung Molekulare Genomanalyse, DKFZ. Es wird ein Verfahren zur Herstellung hochkomplexer Peptidarrays entwickelt, das auf einem modifizierten Laserdrucker beruht, der statt des normalen Farbtoners Partikel druckt, in welche die aktivierten Aminosäuren für die Peptidsynthese eingebettet sind. Durch Erwärmen werden die Partikel geschmolzen, die darin eingeschlossenen Monomere freigesetzt und die Kopplungsreaktion gestartet. Durch wiederholte Merryfield-Zyklen von Koppeln, Waschen und Abspalten der Schutzgruppe kann eine große Zahl unterschiedlicher Peptide gleichzeitig auf einer Trägerfolie synthetisiert werden. Die Möglichkeit, alle Teilschritte der Synthese, auch die Verdampfung des Lösungsmittels, kontrollieren zu können, ergibt ein einfaches, robustes, schnelles, preiswertes und gegenüber dem bisherigen Stand der Technik bedeutend verbessertes Verfahren zur Herstellung komplexer Peptidarrays. Arrays dieser Art können z.B. dazu benutzt werden, den Antikörperstatus von Patienten zu bestimmen. Durch die Analyse von Peptidbibliotheken, welche die Proteome von Krankheitserregern oder das des Menschen repräsentieren, erhoffen wir Färbemuster zu erhalten, die uns Status und Verlauf von Krankheiten anzeigen. Ferner können mit den Arrays Substrate von Proteinkinasen gesucht werden, wobei etwa 100 000 Peptide 1000 menschliche Genprodukte als überlappende Peptide repräsentieren. Sobald man diese Substrate identifiziert hat, kann ein entsprechender Array von Kinase-Substraten aktive Signalwege in verschiedenen Geweben oder Zellinien nachweisen. Bisher haben wir 15 Aminosäure-„Toner“ entwickelt, die in einer Dichte von >100 000 Spots pro 20 x 20 cm auf Abb. 2: Selektive Toner-Ablagerung auf einem Chip mit Elektroden von 100 x 100 µm Abteilung A070 Molekulare Biologie der Mitose einen festen Träger aufgedruckt werden können. Zusammen mit dem modifizierten Farb-Laserdrucker, der am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung entwickelt wird, sollte die Synthese hochkomplexer Peptidarrays (>100 000 Peptide pro Blatt von 20 x 20 cm) demnächst möglich sein. Als Alternative zum Laserdrucker benutzen wir einen Chip, um Toner-Partikel selektiv auf definierte Flächen von 100 x 100 µm aufzubringen [3]. Dieses Verfahren sollte es ermöglichen, noch deutlich mehr verschiedene Peptide auf einer kleinen Fläche zu synthetisieren. Der Ran-Signalweg im intrazellulären Transport F.R. Bischoff, M. Sjölinder, L. Schleicher, H. Ponstingl In Zusammenarbeit mit E. Hurt, Biochemiezentrum der Universität Heidelberg; C. Granzow und M. Kopun-Granzow, Abt. Molekulare Toxikologie, DKFZ. Die kleine GTPase Ran regelt mit ihren Kontrollfaktoren und Bindungspartnern den Transport von Proteinen und RNA durch die Porenkomplexe der Kernmembran. Zahlreiche Proteine binden spezifisch die aktive Form, RanGTP. Wir haben die Hauptkomponenten des Systems und mehrere Transportfaktoren aus menschlichen Zellen und aus Hefe isoliert und die Rolle von Ran bei der Bildung von Transportkomplexen am Ausgangspunkt und ihrer Dissoziation am Ziel untersucht. Ran liegt auf der cytoplasmatischen Seite der Kernmembran vorwiegend als inaktives RanGDP vor, im Kern hingegen als aktives RanGTP. RanGAP, ein Aktivator der Nukleotidhydrolyse, ist verantwortlich für die Inaktivierung im Cytoplasma, die Aktivierung im Kern bewirkt ein Nukleotidaustauschfaktor, RCC1. Die Transportfaktoren reagieren auf die Anwesenheit oder Abwesenheit von RanGTP, indem sie mit der Fracht beladen werden oder sie durch Dissoziation der Transportkomplexe „abladen“. Importine und Exportine verhalten sich dabei gegensätzlich: Frachtproteine im Cytoplasma mit einem klassischen Kernlokalisations-Signal binden in Abwesenheit von RanGTP über einen von mehreren Importin-α-Adaptoren an Importin-β, das für den eigentlichen Import zuständig ist. Die Translokation durch die Kernpore folgt einem bisher ungeklärten Mechanismus, der offenbar ohne Nukleotidhydrolyse auskommt. Im Kern wird der Import durch Dissoziation des importierten Komplexes beendet. RanGTP bindet mit hoher Affinität an Importin-β oder einen der verwandten Importfaktoren und löst dort eine Konformationsänderung aus, die Importin-α und Substrat freisetzt. Gleichzeitig wird dadurch die Rückbildung der Import-Komplexe verhindert. Im Gegensatz zu den Importinen binden Exportine ihre Frachten im Kern unter Ausbildung eines Komplexes mit RanGTP. Dieser sehr feste Exportkomplex wird ohne Hydrolyse des gebundenen GTP ins Cytoplasma befördert. Dort sind exportierte Komplexe zunächst nicht für die Stimulation der GTP-Hydrolyse durch RanGAP1 zugänglich. Hier greifen das kleine cytoplasmatische RanBP1 und das RanBP2 der cytoplasmatischen Fasern an den Kernporen ein: Sie binden an RanGTP an einer anderen Stelle als die Transportfaktoren und ändern die Gestalt des Exportkomplexes. Nun erst wird die Hydrolyse des Ran-gebundenen GTP durch RanGAP1 stimuliert, das frei im Cytoplasma vorkommt oder über ein Peptid SUMO-1 an RanBP2 gebunden ist. Die GTPHydrolyse verhindert, daß sich der exportierte Komplex wieder zurückbildet, denn die Transportfaktoren haben nur eine sehr geringe Affinität für RanGDP. Damit sind die be- DKFZ 2004: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2002 - 2003 45 Forschungsschwerpunkt A Zell- und Tumorbiologie 46 Abteilung A070 Molekulare Biologie der Mitose teiligten Faktoren wieder für eine neue Transportrunde bereit. RanGDP wird durch einen besonderen Importfaktor NTF2 in den Kern zurückgebracht, um dort durch Nukleotidaustausch an RCC1 aktiviert zu werden. Publikationen und Patente (* = externer Koautor) Während RanBP1 und RanBP2 auf der cytoplasmatischen Seite der Kernpore aktiv sind, haben wir im Zellkern das RanBP1-ähnliche Protein RanBP3 gefunden, das die Bildung von Exportkomplexen steuert. Um die Funktion dieses Proteins im Detail zu klären, suchen wir in 2-Hybrid-Screens nach Bindungspartnern. In S. cerevisiae haben Braunwarth et al. [4] ein Protein Yrb30p gefunden, das an dieselbe Stelle von RanGTP bindet, wie RanBP1, aber die RanGAPvermittelte GTP-Hydrolyse hemmt, statt stimuliert. Es könnte sich um einen neuen, hefespezifischen Regulator des Ran-abhängigen Transports handeln. [2] Ponstingl, H., Zimmermann, H.-P., Marmé, A. , Moldenhauer, G., *Bastert, G., Kurek, R., Wallwiener, D. DROP1, a novel marker for carcinomas. Europäische Patentanmeldung 03 007 680.6 03.04.2003 RanGTP wird nur durch chromatingebundenes RCC1 im Kern regeneriert. Auf der Suche nach einem weiteren Nukleotidaustauschfaktor identifizierten wir DelGEF, ein humanes Homologes zu RCC1. Es wird im Chromosomenabschnitt 11p14 codiert, auf dem man ein Gen für erbliche Formen von Taubheit und Retinitis pigmentosa vermutet. Trotz der ähnlichen Struktur kann es Ran nicht aktivieren. Statt dessen bindet es an das Protein Sec5 des Exocysten und reguliert die Sekretion von Proteinen aus der Zelle [5]. Einen weiteren Bindungspartner, der offenbar an demselben Vorgang beteiligt ist, haben wir in DelGIP1, einem sauren Protein von nur 82 Aminosäureresten identifiziert [6]. Es ist anscheinend in allen Eukaryonten vorhanden, seine Struktur ist hoch konserviert. RCC1 und RanGTP spielen auch in der Zellteilung beim Aufbau der Mitosespindel unabhängig vom Kerntransport eine Rolle. Die Hauptkomponenten der Mitosespindel, die Tubuline, binden Cytostatika vom Typ der klinisch verwendeten Vinca-Alkaloide und der Taxane. Erstere stören den Aufbau der Mikrotubuli und leiten den Zelltod durch Apoptose ein. Häufig entwickeln Tumoren Chemoresistenz gegen diese Substanzen, die dann von Pumpen in der Zellmembran sofort wieder ausgeschleust werden. Wir haben einen Weg gefunden, diesen Typ der Resistenz aufzuheben, indem wir einen lichtempfindlichen Abkömmling der VincaCytostatika, NAPAVIN, synthetisierten, der in den Zellen nach Belichtung mit einem Laser an den Zielmolekülen fest verankert wird und für die Membranpumpen unzugänglich bleibt. Nach einem Verfahren von C. Granzow und M. Granzow-Kopun [7-9] werden die Pumpen vor der Belichtung blockiert, sodaß nach einmaliger Behandlung für längere Zeit ein hoher intrazellulärer Spiegel des Cytostatikums erhalten bleibt. [1] Dellas-Kloor, K., Ponstingl, H., Zimmermann, H.-P., Marmé, A. DHHC1, a novel marker for epithelial tumors. Europäische Patentanmeldung 02 005 445.8 vom 08.03. 2002 [3] Breitling, F. , Breitling, F., Felgenhauer, Th., Fernandez, S., Leibe, K., Beyer, M., Stadler, V., Bischoff, F.R. & Poustka, A. (2002) Hochkomplexe Peptidarrays auf Computerchips. Transkript Laborwelt 2002/ III, p.4-6. [4] Braunwarth, A., Fromont-Racine, M., Legrain, P., Bischoff, F.R., Gerstberger, T., Hurt, E. & Künzler, M. (2003) Identification and characterization of a novel RanGTP-binding protein in the yeast Saccharomyces cerevisiae. J. Biol. Chem. 278, 1539715405. [5] Sjölinder, M., Uhlmann, J. & Ponstingl, H. (2002) DelGEF, a homologue of the Ran guanine nucleotide exchange factor RanGEF, binds to the exocyst component Sec5 and modulates secretion. FEBS L. 532, 211-215. [6] Sjölinder, M., Uhlmann, J. & Ponstingl, H. (2004) Characterisation of an evolutionary conserved protein interacting with the putative guanine nucleotide exchange factor DelGEF and modulating secretion. Exper. Cell Res. 294, 68-76. [7] Granzow, C., Ponstingl, H. Hefft, I., Kopun-Granzow, M., Gros, G., Stöhr. M. Pharmaceutical composition for eliminating membrane mediated cell resistance. US-Patent 6,376,224 erteilt am 23.04.2002. [8] Granzow, C., Ponstingl, H. Hefft, I., Kopun-Granzow, M., Gros, G., Stöhr. M. Pharmaceutical composition for eliminating membrane mediated cell resistance. Patentanmeldung Japan 10_540033 (2003). [9] Granzow, C., Ponstingl, H. Hefft, I., Kopun-Granzow, M., Gros, G., Stöhr. M. Pharmazeutische Zusammensetzung zur Aufhebung der membranvermittelten Resistenz von Zellen. Europäisches Patent 0 967 997 erteilt am 19.11.2003 DKFZ 2004: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2002 - 2003