Das Herz sitzt in der Gondel

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PROFI ELEKTRONIKTechnik rund um das Windkraftrad (Teil 2):
Das Herz sitzt in der Gondel
H
aben Sie sich schon einmal Gedanken
gemacht, wie aus Wind Strom wird? Das
Prinzip wird sicher den meisten von Ihnen
bekannt sein. Denn auch im Alltag finden
wir kleine Generatoren wie den Fahrraddynamo oder die Lichtmaschine im Auto und
im Schlepper. Der Generator nutzt eine mechanische Drehbewegung, um Strom zu erzeugen.
Hoch oben in der Gondel ist der Generator untergebracht.
Er wandelt die mechanische Energie des sich im Wind
drehenden Rotors in elektrische Energie um.
Manche kommen dabei ohne Getriebe aus, andere nicht.
Jedoch eine Leistungsbegrenzung brauchen sie alle.
Mehr dazu erfahren Sie in diesem Beitrag.
Die meisten Windkraftanlagen erzeugen den Strom mit
einem Asynchron-Generator, bei denen zwischen
Rotorwelle und Generatorwelle ein Getriebe die
Drehzahl für den Läufer im Generator anpasst.
In Wasser-, Kohle- oder Atomkraftwerken
treiben Turbinenräder so genannte Synchron-Generatoren an. Solche großen Generatoren für Leistungen bis über 1 000 MW
baut man als Innenpolmaschinen, bei denen ein eiserner Hohlzylinder mit Drehstromwicklung als Ständer dient und ein
drehbar gelagerter Elektromagnet als Läufer innen rotiert.
Bei dieser Anwendung spielen die Größe
und das Gewicht
des Generators keine so
große Rolle.
Das ist bei
Windkraftanlagen anders. Denn
hier wird
die Windenergie
nicht erst
über diverse
Winkelgetriebe und
ein langes
Gestänge
durch den
gung. Der einfache Aufbau, die große Betriebssicherheit, der geringe Wartungsaufwand und der günstige Preis sprechen für
den Einsatz dieser Generatorbauart in
Windkrafträdern. Nachteil: Asynchron-Generatoren benötigen Blindleistung aus dem
Netz und vertragen nur begrenzt Drehzahlschwankungen.
Um Strom für die Netzeinspeisung zu
erzeugen, muss ein solcher WindkraftGenerator auf eine Drehzahl von rund 1 500
Umdrehungen pro Minute gebracht werden,
wenn er mit vier Polpaaren bestückt ist.
Ohne ein Getriebe geht das nicht. Das Windrad dreht sich nämlich selbst bei starkem
Wind mit bis zu dreißig Umdrehungen pro
Minute deutlich langsamer.
Aber auch bei Windkraftanlagen, zum Beispiel von der Firma Enercon, gibt es wie bei
Wasserkraftwerken inzwischen Konzepte,
die ohne Getriebe arbeiten. Hier ist die Rotornabe direkt an den drehenden Teil, den
Läufer, eines großen Ringgenerators angeflanscht. Der Hauptvorteil dabei ist: Es
können keine Getriebeschäden auftreten.
Außerdem haben Synchron-Generatoren einen besseren Wirkungsgrad als die üblichen
Asynchron-Generatoren.
Wie funktioniert ein
Generator?
Zeichnung: Werkbild Vestas
Legende:
1. Rotorblattsteuerung
2. Pitch-Zylinder
3. Hauptwelle
4. Luftölkühler
5. Getriebe
6. Steuerung mit Stromrichter
7. Feststellbremse
8. Servicekran
9. Transformator
10.Rotornabe
11. Rotorblattlager
12. Rotorblatt
13. Arretierung
14. Hydraulikstation
15. Hydraulik-Spannring
16. Drehkranz
17. Grundrahmen
18. Drehgetriebe
19. Asynchron-Generator
20.Generatorkühler
Turm nach unten in den
Turmfuß übertragen, sondern
die Energieumwandlung erfolgt
quasi vor Ort, nämlich oben in der
Gondel.
Deshalb verwenden die Hersteller von
Windkraftanlagen am häufigsten Asynchron-Generatoren für die Stromerzeuprofi
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Ein Generator arbeitet vom Prinzip her
ähnlich wie ein Elektromotor, allerdings mit
einem entscheidenden Unterschied. Die Maschine nimmt im Motorbetrieb elektrische
Leistung aus dem Netz auf und gibt mechanische Leistung an einer Welle ab,
während sie im Generatorbetrieb eine mechanische Drehbewegung in Strom
umwandelt.
Stark vereinfacht dargestellt erzeugt
ein Generator Strom, indem eine Leiterschleife in
einem magnetischen Feld rotiert. Dabei wird
Spannung in die
Schleife induziert.
Die beiden Enden der
Leiterschleife sind jeweils mit einem Schleifring verbunden. Auf diesen Ringen schleifen feststehende Kontakte, die so genannten Bürsten, welche die Spannung abgreifen und einem Verbraucher (das heißt einem elektrischen Widerstand) zuführen.
Durch den Widerstand fließt Strom.
profi
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Was bedeutet synchron
und asynchron?
Synchron- und Asynchron-Maschinen unterscheiden sich zunächst einmal vom Aufbau
her. Beide bestehen zwar aus einem feststehendem Ständer (auch Stator genannt)
und einem rotierenden Läufer. Zwischen
den beiden Bauteilen, einem eisernen Hohlzylinder und einem eisernen Vollzylinder,
ist immer ein kleiner Luftspalt.
Bei der Asynchron-Maschine waren sowohl
der Ständer als auch der Läufer eine Drehstromwicklung, welche meist jeweils die
gleiche Polzahl hat. Bei Windkraft-Generatoren sind hier normalerweise vier Polpaare auf das Spulensystem gewickelt.
Der Ständer baut ein sich drehendes Magnetfeld auf, wenn an seine Spulen eine
Wechselspannung angelegt wird. Diesen
Blindstrom erhält der Stator normalerweise
aus dem Netz. Das Drehfeld läuft mit der
Frequenz der angelegten Spannung um und
induziert in den Spulen der Läuferwicklung
Spannungen.
Die Asynchron-Maschine arbeit an einem
Netz konstanter Spannung und Frequenz
zunächst als Motor im Leerlauf. Seine Drehzahl liegt dann knapp unterhalb der Drehfeldzahl. In den Generatorbetrieb wechselt
die Maschine, wenn die Drehzahl des Läufers über die Drehfeldzahl hinaus ansteigt.
Der Läufer dreht sich nicht synchron mit dem
Drehfeld, sondern die Drehzahl des Läufers
eilt im Generatorbetrieb immer dem Magnetdrehfeld des Stators etwas voraus. Er
dreht sich also mit einem gewissen Schlupf
asynchron zum Drehfeld.
Die übliche Anwendung der Asynchron-Maschine ist der Motorbetrieb, z.B. als Antriebsmotoren von elektrischen Schienenfahrzeugen oder als Speisewasserpumpen
in Wärmekraftwerken. Als Generator arbeiten sie nur in kleineren Wasserkraftwerken
oder in Windkrafträdern.
Bei der Synchron-Maschine trägt nur der
Ständer eine Drehstromwicklung. Der Läufer ist ein Elektromagnet, der durch Gleichstrom erregt wird. Wenn sich der Läufer im
Generatorbetrieb dreht, dann erzeugt er im
Stator Wechselstrom, dessen Spannung und
Frequenz von der Drehzahl abhängt. Das
rotierende Magnetfeld des Ständers läuft
immer phasengleich und damit synchron
mit der Drehzahl des Läufers.
Bei den in Windkraftanlagen seltener verwendeten Synchron-Generatoren erzeugt
der Generator mehr Strom, je stärker der
Wind bläst und je schneller sich der Läufer
dreht. Dies ist ein Vorteil, denn der Rotor
kann ohne Getriebe mit unterschiedlichen
PROFI ELEKTRONIKDrehzahlen arbeiten. Aber vor der Netzeinspeisung müssen Wechselrichter den erzeugten Strom auf die geforderte Frequenz
von 50 Hz bringen.
Welchen Nutzen hat der
Generator-Schlupf?
Bei Asynchron-Generatoren hinkt das Drehfeld des Ständers immer der Drehzahl des
Läufers hinterher. Dieser Schlupf vergrößert
sich, je stärker der Wind bläst, weil dann
zusätzliche Kräfte auf die Generatorwelle
wirken. Sie dreht schneller. Der Schlupf ist
eine nützliche Eigenschaft des AsynchronGenerators, weil dadurch das Getriebe geschont wird. Windböen können sozusagen
in den rotierenden Massen zwischengespeichert werden. Außerdem gewinnt man
Zeit für eine elektronische Regelung, z.B.
um über die Pitch-Steuerung die Rotorblätter aus dem Wind zu drehen.
Um einen möglichst hohen Wirkungsgrad
zu erreichen, soll der Schlupf normalerweise
klein sein. Der Drehzahlunterschied zwischen Leerlauf und Volllast beträgt dann
nicht mehr als ein Prozent. Damit der Generator auch stärkere Windböen abfedern
kann, sind diese oft mit einer computergesteuerten Widerstandsregelung ausgestattet, die den Schlupf um bis zu 10 Prozent
variiert.
Allerdings geht bei großem Schlupf ein Teil
der mechanischen Leistung als Wärme in
den Widerständen verloren. Für den dauernden Betrieb ist diese Methode daher
nicht geeignet. Aber kurzfristig lassen sich
damit Böen ausregeln.
Wie kommt der Strom
ins Netz?
Wenn der Generator direkt mit der Wechselspannung des Netzes verbunden ist,
spricht man von einer direkten Netzanbindung. Eine solche Kopplung ist ohne negative Auswirkungen möglich, wenn die Frequenzen und die zeitlichen Spannungsverläufe vom Netz und dem Generator übereinstimmen. Bei Asynchron-Generatoren ist
das der Fall, so dass sie sich weich an das
Netz ankoppeln lassen.
Bei den getriebelosen Synchron-Generatoren ändern sich die Frequenz und die Spannung des erzeugten Stroms, je nachdem wie
schnell oder langsam sich das Windrad ge-
Die getriebelosen SynchronGeneratoren haben einen
Durchmesser von rund fünf
Metern. Der Elektromagnet
des Läufers in der Mitte
muss mit Gleichstrom
erregt werden.
Foto: Werkbild
Wozu dient eine
Polumschaltung?
Asynchron-Generatoren brauchen eine mehr
oder weniger feste Drehzahl, auch wenn der
Generatorschlupf kleine Drehzahlschwankungen ausgleichen kann.
Die erforderliche Drehzahl hängt von der
Netzfrequenz (50 Hz) ab. Je nach Polzahl im
Stator rotiert dann das Magnetfeld mit einer bestimmten Drehzahl: z.B. bei vier Polpaaren mit 1 500 Umdrehungen pro Minute, bei sechs Polpaaren mit 1 000 Umdrehungen pro Minute.
Um auch schwache Winde zur Stromproduktion nutzen zu können, verwenden
Windkraftbetreiber zunehmend polumschaltbare Generatoren, bei denen je nach
Windstärke zwei Pole zu- oder abgeschaltet werden können. Auch Elektromotoren
besitzen häufig eine solche Polumschaltung.
Zum Beispiel waschen Waschmaschinen
mit geringer Drehzahl und schleudern mit
hoher Drehzahl.
profi
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rade dreht. Deshalb muss der Generatorstrom zur Synchronisation mit dem Netzstrom durch eine Reihe elektronischer Bauteile fließen, bevor er ins Netz eingespeist
werden kann. Unabhängig von der Art der
Netzankopplung bringt ein Transformator
den Generatorstrom von meist 690 V auf
Hochspannung (10 bis 30 kW).
Pitch-, Stall- oder
aktive Stallregelung?
Damit es bei starkem Wind nicht zu Schäden an der Windkraftanlage kommt, muss
man die Leistung begrenzen. Dabei bleibt
ein Teil der überschüssigen Windenergie
ungenutzt.
Bei der Pitch-Regelung dreht ein Blattverstellmechanismus die einzelnen Rotorblätter aus dem Wind, wenn eine bestimmte
maximale Windgeschwindigkeit überschritten ist. Die Drehung erfolgt um die
Längsachse der Rotorblätter, aber immer
nur so viel wie gerade nötig. Der Auftrieb
verringert sich, so dass sich der Rotor nicht
schneller drehen kann. Durch diese stufenlose Regelung lässt sich auch die Leistungsabgabe des Rotors konstant auf Nennleistung halten, die meist ab einer Windgeschwindigkeit von 12 m/s erreicht wird.
Die Stall-Regelung nutzt die Geometrie der
Rotorblätter. Bei starkem Wind entstehen
Turbulenzen auf der windabgewandten Seite des Rotorblatts, bis es zum Strömungsabriss kommt. Die Auftriebskraft bricht schließlich
zusammen, wodurch der Rotor dann gebremst wird. Es
kommt zu einem Leistungsabfall. Damit der Strömungsabriss nicht zu abrupt einsetzt,
sind die Rotorblätter entlang ihrer Längsachse leicht verwunden.
Die Rotorblätter sind bei Stallgeregelten Anlagen mit einem
festen Winkel an der Nabe angeschraubt. Für die Leistungsregelung ist keine aufwändige elektronische Steuerung notwendig. Pitchgeregelte Anlagen erreichen
dafür einen höheren Wirkungsgrad, weil sich die Leistungsabgabe bei (fast)
allen Windstärken maximieren lässt.
Windkraftanlagen mit einer aktiven Stall Regelung nutzen beide Methoden der Leistungsbegrenzung. Der Anstellwinkel der Rotorblätter ist wie bei der Pitch-Regelung verstellbar. Die Rotorblätter können dadurch
immer optimal in den Wind gedreht werden, um die Anlage auch bei hohen Windgeschwindigkeiten möglicht lange auf Nennleistung zu fahren. Anders als bei Pitch-geregelten Anlagen soll es aber bei Windböen
zum Strömungsabriss kommen, indem die
Regelung die Rotorblätter nicht aus dem
Wind herausdreht, sondern den Anstellwinkel sogar noch weiter erhöht.
Wie wird die Windkraftanlage überwacht?
Ab Windgeschwindigkeiten
von etwa 3 m/s (etwa
11 km/h) laufen moderne
Windkraftanlagen automatisch an. Ihre
Nennleistung erreichen sie meist
zwischen 12 bis 15
m/s.
Eine Vielzahl von Sensoren sorgten für die
Betriebssicherheit. Zum Beispiel registriert
ein Rüttelsensor die Vibrationen an der Gondel, um die Anlage bei zu starker Belastung
über das aerodynamische oder das mechanische Bremssystem anzuhalten.
Bei stärkerem Wind ab Windgeschwindigkeiten von ungefähr 20 bis 30 m/s schaltet
sich die Windkraftanlage allerdings automatisch ab.
Durch automatisches Verdrehen der einzelnen Rotorblätter bei der Pitch-Regelung
oder durch Strömungsabriss der Stall-Regelung lässt sich die Leistung begrenzen,
um eine Überlastung der Anlage zu verhindern.
Die Datenübermittlung von den Rechnern
in der Gondel zu den Rechnern unten im
Turm erfolgt auch aus Blitzschutzgründen
über Glasfaserkabel. Die gesamte Anlage
mit Generator, Getriebe, Verstellmechanismen usw. lässt sich aus der Ferne überwachen. Die Daten werden dafür per Funk oder
Telefon an die jeweilige Zentrale übertragen.
Anja Böhrnsen
In der MärzAusgabe von
profi haben wir
uns mit den von
außen sichtbaren Bauteilen einer Windkraftanlage beschäftigt. Im
zweiten Teil ging es um
das Innenleben der
Gondel. Wenn Sie noch
weitere Fragen zum
Thema Windkraft oder
auch eigene Erfahrungen haben, dann
schreiben Sie uns
(z.B. per E-Mail an
[email protected]).
Die Windkraftanlagen der Firma
Enercon kommen ohne Getriebe
aus. Die Rotornabe ist hier direkt
am Läufer des Ringgenerators
angeflanscht.
Zeichnung: Werkbild Enercon
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