Referate Teil 4 Schicksalx

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EVANGELISCH-METHODISTISCHE KIRCHE, ZOFINGEN
Update Theologie IV: Schicksal und Freiheit
1. Einführung ins Thema
Wir setzen uns mit einem Thema auseinander, das keinesfalls leichtfertig angegangen werden
kann. Wer nach dem Schicksal fragt, wird leicht darauf kommen, auch Gott zu hinterfragen. Wieder steht die Frage im Raum, ob Gott, angesichts des Leides, gerecht ist. Das Thema „Schicksal“
knüpft darum an die Theodizeefrage an.
Auf der anderen Seite muss man sich auch fragen, was denn der Sinn des Schicksals ist. Nicht
wenige Denker und Theologen gehen davon aus, dass unser Schicksal, besonders wenn es sich
in tiefem Leid erfüllt, sinnlos oder absurd ist. Die Sinnfrage wird hier aber nur am Rande gestreift.
Beide Themen, die Theodizeefrage und die Sinnfrage, müssen dennoch mit einbezogen werden.
Was ist das Schicksal? Es gibt viele andere Begriffe, die es umschreiben: Es ist das, was einem
widerfährt, Fügung, Fatum, das persönliche Los. Schicksal ist die (Vorher-)Bestimmung, eine höhere Gewalt, Zufall. Schicksal ist oft negativ besetzt. Dann ist es eine Heimsuchung, eine Bedrängnis, ein Übel. Manch einen trifft ein Schicksalsschlag. Aufgenommen wird es als Prüfung,
als Verhängnis.
Viele Impulse im Ringen um das Schicksal finden wir in den Psalmen, z. B. in Psalm 30. Das
Schicksal erscheint hier nicht als fremde Macht neben Gott, sondern der, welcher hier betet, erfährt es direkt von Gott selber. Er erlebt aber auch, dass sein Schicksal sich wendet und wie seine
Beziehung zu Gott wieder ungetrübt ist. Ein subjektives Gebet. Aus ihm lässt sich nicht eine
„Lehre vom Schicksal“ ableiten. Wohl aber erkennen wir darin, wie einer sein Geschick zum Gebet macht und es Gott so sagt, wie er es auch erlebt. Lesung Psalm 30, 1 – 4/11 - 13
2. Annäherung an das Thema
Liedtext: Die deutsche Rockgruppe PUR hat sich in einem ihrer Lieder mit dem Schicksal auseinandergesetzt. Der Text geht unter die Haut:
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Weiherstrasse 7
4800 Zofingen
www.emk-zofingen.ch
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Verbrannte Erde, dürres Land
heisses Afrika
kaum das Licht der Welt erblickt
dem Totenbett schon nah
gegessen wird was essbar ist
Hunger heisst die Qual
Gott lenkt ab, beten hilft
sagt der Priester im Talar
Wohlstand, Frieden, Sicherheit
die väterliche Hand
garantiert das Bündnis
dem westlichen Land
alles gibt´s im Überfluss
Lebensqualität
wer sehr viel erntet hat bestimmt auch
sehr viel ausgesät
Kinder gibt´s wie Sand am Meer
die meisten gibt´s nicht lang
was fängt ein kleiner Neger
mit Wasserbauch auch an
Macht und Wissen hat man für sich
noch ist nichts verloren
als Ziel den Vorteil zu bewahren
keiner ist umsonst geboren
registriert als arme Opfer
keiner hat sie je gefragt
einfach nur am falschen Ort
auf die Welt gewagt
Kinder sehen in die Zukunft
Kinder sehen fern
solang die Welt das aushält
lachen diese Kinder gern
Pech gehabt, einfach Pech gehabt
nicht bestraft, nicht gewollt
einfach Pech gehabt
Glück gehabt, einfach Glück gehabt
nicht verdient, nicht belohnt
einfach Glück gehabt
Bildbetrachtung Tyche und Fortuna: Welche Impulse nehmen wir daraus?
Die römische Glücksgöttin ist gleichzeitig auch die Schicksalsgöttin. Das angefügte Bild zeigt
die Schicksalsgöttin auf einer Weltkugel. Die Menschen verhalten sich sehr verschieden zu ihr
und die Betrachter können sich fragen, in welcher hier ausgedrückten Haltung sie sich wiederfinden:
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3. Referat I: Deutungen und Verständnisse von „Schicksal“
Man kann versuchen, die unterschiedlichen Erfahrungen vom Schicksal in Spannungsfeldern darzustellen. Man kann nicht sagen, dass das richtiger sei als das andere. Diese Spannungsfelder
widerspiegeln Erfahrungen, wie Menschen sie machen. Gut möglich, dass sie sich mit eigenen
Erfahrungen decken. Gut möglich auch, dass die eigene Erfahrung in einem der Spannungsfelder
die beiden sich widersprechenden Pole umfasst.
Schicksal im Spannungsfeld zwischen Reichtum und Armseligkeit
Wer Schicksal als Widerfahrnis versteht, kann es durchaus positiv füllen. Tyche trägt Pluto auf
dem Arm. Was mir widerfährt ist die ganze Fülle des Lebens, seine Freude, Lebenslust, Herausforderungen, Glück. Das Leben in seiner ganzen Fülle widerfährt mir, ist mir geschenkt.
Auf der anderen Seite wird Schicksal als etwas Schweres, als die Not des Lebens gedeutet.
Unser Schicksal ist die Sterblichkeit. Das Leben ist brüchig, jederzeit können das Glück und
die Lebensfülle durch einen Schicksalsschlag weggefegt werden, und wir werden dem Leid
ausgesetzt. Krankheit, Tod, Hunger, Krieg, Naturkatastrophen brechen ins Leben ein und das
Schicksal zeigt sein hässliches Gesicht.
An dieser Stelle liegt die alte Frage auf der Hand, wie das Glück optimiert werden kann und ob
sich allenfalls das Leid reduzieren lässt. Die Antworten darauf sind verschieden. Das Glück
lasse sich optimal auskosten, wenn man den Mut hat, sozusagen auf dem Vulkan zu tanzen; das Leben voll zu geniessen, ehe der Vulkan ausbricht und einen verschlingt. Sich dem Genuss hinzugeben kann ein Weg sein, aus dem Lebensglück und der Lebensfreude das Maximum herauszuholen. Falsch, sagen andere. Gerade im Einfachen, in der Zurückhaltung liegt
das wahre Glück. Massvoll soll das Leben angegangen werden, umso besser kann der Moment ausgekostet werden. Darin widerfährt mir das grösste Glück.
Es gibt auch Strategien zur Vermeidung von Unglück. Sich anständig benehmen, Frömmigkeit, Mass halten, nicht übertreiben… Man soll die Götter nicht herausfordern.
Das Schicksal annehmen oder es bekämpfen
Wie aber kann der Mensch mit dem leidvollen Schicksal umgehen? – Manche Schulen lehren,
dass es für uns Menschen das Beste ist, es anzunehmen und zu bejahen. Geduld ist gefragt.
Wer Krankheit, Armut oder Tod bekämpfen will, mache sich nur unglücklich. Der Mensch reift
am Schicksal. Es kommt unausweichlich, warum sich also dagegen auflehnen? Wer stoisch
(die Stoa hat so argumentiert) erträgt, was er sowieso durchstehen muss, kann in allem dem
Glück offen bleiben. Gleichmut, ja Verachtung gegenüber dem Schweren und der Not ist der
beste Weg im Umgang mit dem Schicksal. Das wird heute als Resignation missverstanden. Es
ist ein unmoderner Gedanke, sich in das Schicksal zu fügen. Es lohnt sich aber, an der richtigen Stelle diese Stimme auch in der heutigen Zeit zu hören.
Aushalten ist aber ganz falsch, rufen die Revolutionäre – allen voran Karl Marx. Gegen das
Leid müsse der Aufstand gewagt werden. Es lohnt sich, das Leid zu bekämpfen. Leiden und
Not sind eine Herausforderung und sie lassen sich ändern. Und hier stimmt teilweise auch
John Wesley, der Gründer der methodistischen Bewegung, mit ein. Er mochte in seiner Zeit
nicht mehr zusehen, wie Menschen in Alkoholismus, Armut, an mangelnder Hygiene, an Mangel an Bildung und vor allem auch abgeschnitten von der Hoffnung des Glaubens zu Grund
gehen. Er hat das, im Unterschied zu einer verbreiteten theologischen Meinung seiner Zeit,
nicht so stehen lassen können. Den Gedanken der doppelten Prädestination von Calvin hat er
verworfen und sich jenen zugewandt, von denen irrtümlich gesagt wurde, sie seien von Gott
verlassen. Der Aufstand gegen das Leid hat viel bewegt und wird von vielen Christen als ein
Ausdruck des kommenden Reiches Gottes verstanden.
Der Kampf gegen das Leid wird heute oft technisch verstanden. Autos lassen sich sicherer
bauen, die Medizin rüstet auf, Sicherheitsvorschriften werden kontrolliert und eingehalten,
Amtswege öffnen den Zugang zu Hilfsangeboten… Die Liste könnte verlängert werden. Wir
müssen uns eingestehen, dass wir in einer Zeit leben, in der schicksalhafte Not sehr erfolgreich bekämpft wird. So ist in den letzten Jahren die Zahl der Verkehrstoten um fast 2/3 geschrumpft. Der Tod eines Kinder – vor 100 Jahren noch eher die Regel als die Ausnahme,
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muss in der heutigen Zeit immer seltener beklagt werden. So gesehen hat der Aufstand gegen
das Schicksal sich gelohnt.
Schwierig wird es erst, wenn doch einmal etwas passiert. In der Sicht des eigenen Lebens
sind solche Schicksalsschläge kaum mehr vorgesehen. Das macht Betroffene umso hilfloser
und einsamer, wenn ein Schicksalsschlag sie trifft. Unsere Gesellschaft hat teilweise verlernt,
mit dem Schweren umzugehen. Es darf nicht mehr sein. So sehr es sich lohnt, das Schicksal
so gut es geht aufzufangen und das Leid zu bekämpfen, so sehr ist es auch wichtig, die
Stimme der Stoa in der heutigen Zeit zu hören. Es muss gleichzeitig auch gelernt werden, das
Schicksal zu akzeptieren und es im eigenen Leben zu integrieren.
Ist das Schicksal verdient oder wird es zugeteilt?
Manche Denker vermuten, dass das Geschick der Menschen mit ihrem Lebenswandel in Verbindung steht. Wer sich gegenüber den Göttern und den Menschen richtig verhält, wer das
Schicksal nicht herausfordert, der kann mit einem gnädigen Schicksal rechnen. Radikaler sieht
das die Esoterik. Das Schicksal wird mit dem Lebenswandel in früheren Leben verbunden.
Wer in den vorderen Leben ein schlechter Mensch war, muss mit einem harten Schicksal
rechnen.
In der Bibel finden sich Ansätze, die in diese Richtung gehen. Der Gerechte kann mit dem Segen Gottes rechnen. Dem Ungerechten dagegen ist ein schweres Schicksal beschieden. Doch
es kommen massive Zweifel auf. Warum, fragen die Psalmisten, leide ich, obwohl ich gerecht
bin, während die Bösewichte, Frevler und Gotteslästerer in Saus und Braus leben? Das Tun
und das Ergehen hängen eben doch nicht so eng zusammen wie das manchmal erwartet wird.
So bleibt die Frage, ob das Schicksal blind verteilt wird, ohne Ansehen der Person. Wen es
trifft, den trifft es hart. Ein eigentlicher Grund für einen Schicksalsschlag ist aber nicht auszumachen.
Muss es kommen oder ist das Schicksal auch vermeidbar?
In den griechischen Erzählungen und Mythen gibt es Texte, die auf die Unvermeidbarkeit des
Schicksals hinweisen. Der wohl bekannteste dieser Texte ist die Tragödie von Ödipus. Ihm
wird geweissagt, dass er seine Mutter heiraten und seinen Vater ermorden wird,. Er setzt alles
daran, dass ihm dieses Schicksal erspart bliebe. Aber gerade in seinem Versuchen, dieses
Verhängnis zu verhindern, führt er es herbei. Sein Schicksal ist unabwendbar, die Prophezeiung erfüllt sich.
In der Bibel kommt dieser Zugang zum Schicksal durch ein „Muss der Notwendigkeit“ zum
Ausdruck. „Musste nicht Christus dies alles erleiden?“, fragen Jesus die Emmausjünger?
Müssen diese Dinge der Apokalypse nicht zwangsläufig geschehen?
Wer davon ausgeht, dass ein festgefügtes, unabänderliches Schicksal auf einen wartet, der
fragt natürlich interessiert, was denn da kommen wird. Gerade hier haben Mantik und Astrologie ihren Ort. Die Astrologie geht ja davon aus, dass das Schicksal eines Jeden in den Sternen festgelegt ist. Und niemand kann die Sterne aus ihren Bahnen werfen.
Oder gibt es doch die Möglichkeiten, das Schicksal abzuwenden. So gibt es zahlreiche Erzählungen, in denen der Tod erfolgreich überlistet wird. Andere lassen sich auf einen Kuhhandel mit den Göttern ein. – Nicht immer mit dem gleichen Erfolg. Die Götter sind launisch und
treten auf den Handel nur zum Schein ein – im Wissen darum, dass der Mensch darin scheitern wird.
Lassen sich die Götter herausfordern oder bestrafen sie den Hochmut?
Die Antwort lautet: sie bestrafen Hochmut. Es gibt wenig Belege in den alten Texten, dass es
sich lohnt, die Götter überlisten zu wollen. Hochmut, Hybris, gefährdet das Schicksal. Als die
Männer des Odysseus die Stiere des Sonnengottes schlachten weil sie Hunger leiden, werden
sie zur Strafe auf eine Odyssee geschickt, eine Reise, die sie immer weiter von der ersehnten
Heimat wegführt. Als Prometheus den Göttern das Feuer stiehlt, wird er grausam bestraft.
In der Bibel findet sich aber ein Beispiel, in dem Abraham mit Jahwe handelt. Drei Männer/Engel haben ihm eben den kommenden Untergang von Sodom und Gomorra angesagt.
Abraham bittet Gott um Gnade für die Stadt um der Gerechten willen (Genesis 18). Er führt
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an, dass die vielen Gerechten mit den Übeltätern sterben werden. Darum soll Gott die Stadt
schonen. Er ist sich aber nicht so sicher, dass in der Stadt wirklich genug Gerechte wohnen,
um deretwillen Gott sie schonen soll. Darum handelt er deren Zahl immer tiefer herunter. Gott
lässt mit sich handeln. Wenn er nur einen einzigen Gerechten in der Stadt findet, wird die
Strafe ausbleiben. Der Hochmut des Abrahams zahlt sich aus.
Drängt das Schicksal nach Ausgleich an Leid oder bleibt es ungerecht?
Dem Krösus war ein gutes Schicksal zugedacht. Er war so reich, dass sein Name noch heute
Symbol für übermässigen Reichtum ist. Seine Pläne gelingen. Ausgleichende Gerechtigkeit ist
sein schrecklicher Tod. Es gibt zahlreiche weitere Erzählungen, welche auf eine ausgleichende Wirkung des Schicksals hinweisen. Wer also Jahrzehnte lang unter einer glücklichen
Fügung leben kann, muss damit rechnen, dass das Pendel umschlägt. Auch ihn wird es treffen. Das Geschick des Hiob wendet sich nach der langen Leidenszeit und Gott gibt ihm wieder, was ihm genommen wurde. Aus diesem Grundgefühl heraus wird auch die aktuelle Finanzkrise manchmal beurteilt.
Umgekehrt klagen die Psalmisten, dass eben genau das nicht zutrifft. Das erlittene Leid findet
keine Entschädigung, im Gegenteil, es wird nur schlimmer. Das Schicksal bleibt ungerecht.
4. Schicksal und Freiheit in der Theologie
Auf den ersten Blick erscheinen Schicksal und Freiheit als Gegensätze. Entweder Schicksal oder
Freiheit. Mein Schicksal schränkt die Freiheit ein. Wer unter Krankheit leidet, kann nicht mehr
wählen, gesund sein zu können oder Sportler zu werden. Freiheit wird als Wahlfreiheit verstanden, d.h. als Möglichkeit auszusuchen, was ich tun und leben will. Schicksalhafte Erfahrungen
dagegen schliessen viele Möglichkeiten aus, nicht ein.
Umgekehrt möchte der, welcher sich frei fühlt, über sein Schicksal verfügen. Er trifft die Entscheidungen für sein Leben selber, kann wählen. Er bestimmt sein Schicksal selber. Aber kann man
das wirklich? Lässt sich das Schicksal einfach so aussuchen?
So gesehen müssten Schicksal und Freiheit einander ausschliessen. Und im Grunde genommen
ist das immer ein Angriff auf die Freiheit, da sich im Zweifelsfall das Schicksal in den Vordergrund
drängen wird. Ich will nun einige Gedanken zusammentragen, wie Schicksal und Freiheit zusammengefügt werden könnten und was gerade aus Sicht der Theologie dazu beigetragen wird.
Freiheit oder Schicksal? – die Zweifel an der Freiheitsfähigkeit der Menschen
Die Frage, ob der Mensch überhaupt frei sei, hat sich schon seit langer Zeit gestellt. Im Zusammenhang mit dem Schicksal wurde gar gefragt, ob Menschen nicht doch nur Marionetten
sind, deren Fäden Gott zieht. Die Freiheit der Menschen wird oft bestritten – bis heute.
o Theologie: Die Macht der Sünde zerstört die Freiheit der Menschen. Paulus bringt es in
Römer 7, 18ff auf den Punkt: „Ich weiss, dass in mir, das heisst in meinem Fleisch, nichts
Gutes wohnt; das Wollen ist bei mir vorhanden, aber ich vermag das Gute nicht zu verwirklichen. Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will.
Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, dann bin nicht mehr ich es, der so handelt, sondern die in mir wohnende Sünde. Ich stosse also auf das Gesetz, dass in mir das Böse
vorhanden ist, obwohl ich das Gute tun will. Denn in meinem Innern freue ich mich am
Gesetz Gottes, ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das mit dem Gesetz meiner Vernunft im Streit liegt und mich gefangen hält im Gesetz der Sünde, von
dem meine Glieder beherrscht werden.“
Auch Martin Luther bestreitet die Freiheit des Menschen grundsätzlich. Menschen sind
nicht frei, sie sind von der Macht der Sünde gefangen und ohne Rettung durch Jesus
Christus bleiben sie unfrei.
o Philosophie: Das Leben der Menschen ist vom Nichts bedroht. Dieses bestimmt sein
Schicksal. Schicksalhaft ist darum der Tod. Der Mensch wird ins Nichts verschlungen.
Es gibt aber eine weitere Art von Nichts. Neben diesem absoluten Nichts sprechen die
griechischen Philosophen von einem relativen Nichts. Ich stehe sehr wohl vor Wahlmög-
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lichkeiten in meinem Leben. Ich kann heiraten oder ledig bleiben. Ich kann zu Hause bleiben oder auswandern. Ich kann mich für oder gegen Kinder entscheiden. Nur: ich werde
nicht beides können. Die Wahlmöglichkeiten, die das Leben bietet, drängen uns dazu,
Entscheidungen zu treffen. Entscheidungen sind Scheidungen. Wir trennen zwischen dem
Wenigen, das zu erleben uns vergönnt ist und dem Vielen, das wir nie werden erleben
können. Das ist das relative Nichts. Heute sind viele Menschen blockiert, weil sie zwischen vielen Dingen entscheiden können. Die scheinbare Freiheit erweist sich als Unfreiheit. Keine Wahl wird getroffen, weil jede Wahl eine Entscheidung gegen viele andere
Möglichkeiten mit sich bringt.
o Psychologie: Spätestens seit Freud erfahren wir, dass unsere Freiheit sehr relativ ist. Wir
können eben gar nicht frei entscheiden. Ob wir heiraten werden oder nicht hängt mit dem
zusammen, was wir geworden sind. Von unseren Eltern haben wir Spannungen und Gefühle gelernt, die wir mitnehmen und die unser Leben und unser Schicksal bestimmen.
Die Mutter ist schuld! Das schränkt unsere Freiheit stark ein.
o Biologie: Neuerdings wird das Schicksal auch immer stärker als biologisches Ereignis
verstanden. In unseren Genen liegt es verborgen, in unserem Gehirn bewegen sich die
Säfte des Schicksals. So wurden Gene entdeckt, welche die Anfälligkeit für Sucht erhöhen, die Krankheiten fördern, welche den Alterungsprozess beschleunigen oder verlangsamen. Gene sind unser Schicksal. Es wurden Enzyme gefunden, chemische Verbindungen, die in unserem Gehirn Liebe oder Glauben ermöglichen. Es gibt eine Biochemie der
Liebe und eine Chemie des Glaubens.
All das lässt fragen, ob es überhaupt noch Freiheit gibt. Nein, sagen manche. Menschen sind
determiniert, bestimmt. Sie sind ihrem Schicksal verfallen. Dennoch, behaupten andere. Es
gibt in diesem Rahmen noch viel Freiheit. Freiheit ist mehr als Wahlfreiheit, es gilt, den Gestaltungsraum zu entdecken und zu nutzen. Freiheit, sagen Theologen, kann gerade im Glauben an Jesus Christus gewonnen werden.
Vorsehung als schöpferischer Akt Gottes (Vater I)
Zur Frage der Freiheit gehört auch, über die Vorsehung nachzudenken. Man kann Vorsehung
als etwas verstehen, wodurch das Schicksal festgelegt wird. Es ist vorherbestimmt. Der
Mensch ist unfrei, weil Gott seinen Weg und sein Geschick schon lange festgesetzt hat.
Die Vorsehung kann und soll aber als Teil des schöpferischen Handelns von Gott gedeutet
werden. Das lenkende Schaffen Gottes ist auf die Zukunft der Schöpfung ausgerichtet. Sie
umfasst die Hoffnung, dass die Schöpfung auf ihr Ziel zustrebt, auf ihre Erfüllung in Gott. Das
lenkende Schaffen Gottes wird gerade nicht die Freiheit einschränken, sondern sie im Gegenteil erhalten. Lenkendes Schaffen ist ein schöpferischer Prozess, mit welchem Gott Freiräume offen lässt und uns darin Menschen sein lässt.
Mit dem Schicksal geliebt – das Schicksal lieben (Vater II)
Wir haben nicht die Freiheit, unser Schicksal selber zu bestimmen. Krankheiten kann man sich
nicht aussuchen, meist noch weniger die Gesundheit. Aber Freiheit ist mehr als Wahlfreiheit.
Echte Freiheit entsteht durch die Liebe.
Vom Schicksal Geschlagene wissen sich geliebt. Vor Gott zählt nicht Erfolg. Angenommen mit
dem Geschick – auch mit schuldhaftem Geschick, schafft Freiraum, die innere Rebellion dagegen aufzugeben. Die Liebe Gottes gilt allen Menschen, unabhängig von ihrem Geschick. Ja,
sie gilt selbst dann, wenn jemand aus eigenem Verschulden sein Leben in Frage stellt.
Unsere Antwort kann werden (oder sein): lernen das eigene Geschick zu lieben. Und darin
dem Vater im Himmel zu vertrauen. Es ist eine der ganz grossen Lebensaufgaben, das eigene
Geschick zu bejahen, es anzunehmen und es zu lieben. In dem wir auch hartes, scheinbar
unerträgliches Schicksal anerkennen und annehmen, gewinnen wir Freiheit. In allem ist uns
Gott, der Vater aber zuvorgekommen. Er liebt uns zuerst mit unserem Geschick und in unserem Geschick. Glaube schafft Freiheit, weil diese Liebe von Gott zu einer Ressource wird, aus
der heraus wir unser Schicksal bejahen können.
In den Psalmen begegnen uns Gebete, in denen Menschen mit Gott ringen. In diesem Beten
finden sie aber einen neuen Frieden mit Gott und darin auch einen Frieden mit ihrem Schick-
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sal. Liebe zum eigenen Schicksal zu finden ist der Gestaltungsraum für die Freiheit. Menschen
finden sie, indem sie von der Liebe von Gott zu ihrem Schicksal erfahren und können darin
über sich herauswachsen und ihr Geschick annehmen und bejahen.
Eschatologie – Sohn
Christliche Hoffnung. Die Welt drängt auf Erfüllung, auf Erlösung hin. Wir haben ein Schicksal,
aber gegen allen Schein ist es ein freundliches, erlöstes Geschick. Aber noch machen wir
ganz andere Erfahrungen. Heute leiden viele unter einem grausamen Weg. Viele stöhnen unter einem ihnen unerträglich scheinenden Geschick. Aber das ist nicht das Letzte, was gesagt
werden kann. Nicht einmal Sterben und Tod sind der Zielpunkt des Lebens. Zielpunkt ist vielmehr die Erlösung. In Jesus Christus will uns Gott – letztlich – zur Erlösung hinführen.
Das Leid hat in der Sicht der Bibel keinen Wert an sich, sondern es soll überwunden werden.
Christen sind nicht bessere Christen, wenn sie leiden. Obwohl viele Christen freiwillig Leiden
auf sich nehmen, will Gott nicht unser Leid, sondern die Freiheit vom Leiden. Zwar ist Leiden
eine Realität in unserem Leben. Aber es ist nicht die letzte Realität, sondern es soll besiegt
werden.
Eschatologie ist ein Fachwort, mit welchem ausgedrückt wird, wie wir uns das vorstellen sollen. Es besagt, dass „das Reich Gottes nahe herbeigekommen ist“. Wir leben wahrlich nicht im
Himmel. Und doch trägt die Hoffnung, dass im Kleinen, beispielhaft, als Zeichen für das Kommende, sich jetzt schon im Ansatz erfüllt was erst kommen wird. Beispielhaft wird das in den
Wundern Jesu sichtbar. Es ist wie ein Stück Himmel auf Erden, wenn ein Blinder wieder sehen
kann, wenn ein Lahmer gehen kann. Heute ist es zwar eine Realität, dass viele Menschen
erblinden – an den Augen und an den Herzen. Es ist eine Realität, dass viele Menschen gelähmt sind, sei es an den Beinen oder in ihrem Herzen. Christen sehen aber in den Wundern
Jesu ein Zeichen, das auf eine neue Welt hindeutet. Wenn nicht heute, so doch in der endgültigen Erlösung nach dem Tod in einem neuen Leben. Es gibt nicht nur Krieg und Zerstörung,
es gibt eben auch Frieden und Aufbau.
Wer aber zu sehr auf den Himmel schaut, der bekommt eine negative Sicht der Erde. Wir sind
dann in der Gefahr, die Welt als Jammertal zu sehen, das so rasch wie möglich überwunden
werden muss. Das ist nicht im Sinn der Bibel und des Christentums. Denn schon jetzt bricht
das Reich Gottes an. Die Zeichen, die Jesus tat, gibt es auch heute. Menschen versöhnen
sich mit ihrem Schicksal. Manche werden gesund. Neue Hoffnung entsteht aus dem Vertrauen
auf Gott. Das Reich Gottes ist noch nicht gekommen – und doch schon erfahrbar. Gerade
auch im Umgang mit seinem Geschick. Die Erlösung, auf die wir für morgen hoffen, beginnt
schon heute. Gott holt uns in unserem Schicksal ab.
Manchmal mag Gott sein Reich sogar in areligiösen Bereichen entstehen lassen. So darf es
durchaus als Zeichen des kommenden Reiches Gottes verstanden werden, wenn heute die
Medizin enorme Fortschritte macht und Menschen helfen kann, die früher noch von einer
Krankheit zerfressen worden wären.
Das Kommen des Reiches Gottes ist nicht einfach zu verstehen. Wo wir so drängend nach
Erlösung von einem schweren Schicksal rufen, wollen wir nicht lange auf das kommende Paradies warten. Aber es gilt zu akzeptieren, dass wir als Menschen sterblich sind und dass unser Leben brüchig bleibt. Jederzeit kann der Boden, auf dem wir stehen, einbrechen. Dennoch
hoffen wir auf das kommende Reich Gottes, auf Erlösung und Freiheit in unserem Schicksal.
Nur Bildworte können das erklären. Matthäus 13 ist ein Kapitel in der Bibel, in dem diese Bildworte zusammengefasst werden. Das Reich Gottes ist klein wie ein Samenkorn. Aber daraus
kann Grosses wachsen. Das Reich Gottes ist wie Weizen unter dem Unkraut. Mitten im Leid
des Lebens geht es auf. Und wenn man anfängt, das Unkraut auszureissen, wird auch der
Weizen ausgerissen. Aber: das Reich Gottes ist wie eine einzigartige Perle, für deren Erwerb
alle vorhandenen Reichtümer aufgeworfen werden – und es lohnt sich.
Gestaltung des Schicksals in Freiheit – der Geist am Werk
Der Mensch ist als geistiges Wesen in gewisser Hinsicht frei. Das wurde zwar in der Theologie
und in der Philosophie bestritten. Aber die Erfahrung lehrt uns etwas anderes: Menschen können sprechen und darum die Dinge, auch ihr Schicksal, beim Namen nennen. Das ist eine
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erste Form, um Distanz zu erhalten. Menschen können nach der Welt fragen und nach sich
selber. Sie haben die Macht zum Überlegen und zu entscheiden. In ihrer Phantasie können
sie Szenarien austesten. In der Kunst finden sich neue Ausdrucksformen, die Technik trägt
dazu bei, die Welt besser in Griff zu bekommen. Menschen können sich selber in Frage stellen. All das sind geistige Vorgänge. Sie schaffen Distanz zu unserem Schicksal. Wir sind dem
Geschick nicht blind ausgeliefert, sondern wir können es in dieser geistigen Funktion formen,
verändern, bewegen.
Auch das ist nur eine endliche Freiheit. Es ist die Freiheit, das Schicksal mit zu gestalten und
aus ihm etwas zu machen. Wir reden von Gestaltungsfreiheit, nicht aber von Wahlfreiheit.
An Pfingsten feiern Christen das Kommen des Geistes Gottes. Gott verbindet sich durch seinen Geist mit dem Menschengeist. Neue Dimensionen von Freiheit öffnen sich und tragen zur
Gestaltung des Schicksals bei. Wie wir uns das vorstellen können, zeigt die Pfingstgeschichte.
Folgende Elemente sind uns überliefert:
o Ekstase: das bedeutet: über sich hinaus stehen. Es geht bei der Ekstase nicht darum, in
Trance zu fallen. Aber es geht darum, neue und überraschende Dimensionen kennenzulernen und sie mit dem eigenen Leben zu verbinden. Der Geist Gottes führt einen weiter.
Über sich selber hinaus.
o Glaube: Menschen, die von ihrem Schicksal gezeichnet sind, können Gott vertrauen.
Trotz ihres Schicksals und in ihrem Schicksal. Neue Möglichkeiten zu dessen Bewältigung
öffnen sich.
o Liebe: eine ungeahnte Liebe zum Leben und zu Gott ergreift die Menschen. Darin entsteht ein neuer Freiraum, das Schicksal zu begreifen.
o Einheit unter den Menschen. Menschen werden zu Brüdern und Schwestern. Darum werden sie sich in ihrem Geschick beistehen. So wie Gott uns im Leiden nahe ist, so stehen
Brüder und Schwestern zusammen. Der Heilige Geist setzt Menschen dazu frei, gemeinsam das Schicksal zu bewältigen.
Die Ausgiessung des Heiligen Geistes hat die ersten Christen nachhaltig geprägt. Gottes
Geist ist bis heute eine wichtige Kraft der Hoffnung und des Vertrauens. Was er in den Menschen damals wirkte, daran lässt uns Gott heute noch teilhaben. Eine der wichtigsten Veränderungen, die das Pfingstwunder bewirkt hat, betrifft den Umgang mit dem eigenen Schicksal.
Mir scheint, dass gerade jene ersten Christen ihr eigenes Schicksal nicht mehr ganz so ernst
genommen haben. Es fällt auf, dass sie sogar bereit wurden, Leiden freiwillig zu ertragen. Der
Heilige Geist hat sie dazu frei gesetzt, dass sie das Richtige tun konnten, und nicht das Bequemere. Nicht etwa, weil ein schwieriger Weg ein besserer wäre. Mir scheint aber, dass
diese Christen durch den Heiligen Geist eine grosse Freiheit gegenüber ihrem Schicksal gewonnen haben. In einer Zeit wie heute, in der Menschen es schwer haben, ihr Schicksal anzunehmen, ist das eine überraschende und wichtige Botschaft.
Haltung der Evangelisch-methodistischen Kirche
Es gibt keine methodistische Lehre über das Schicksal. Aber eine Betonung in unserer Theologie muss hier angefügt werden. Methodisten lassen sich vom sogenannten Gnadenoptimismus leiten. Was heisst das?
Hinter diesem Wort verbirgt sich die grosse Gewissheit, dass Gott allen Menschen gnädig ist
und es mit allen Menschen gut meint. In dieser Haltung begegnen wir auch Personen, die an
einem schweren Schicksal tragen. Für manche sind sie unheimlich, weil sie sie ständig daran
erinnern, dass auch ihr Leben brüchig ist. Für andere sind sie abstossend, weniger wertvoll,
bleiben Aussenseiter.
In unserer Kirche betonen wir, dass Gott für diese Menschen einen anderen, besseren Plan
hat. Jene von uns, die sich über ein erträglicheres, leichtes Schicksal freuen dürfen, gehen
darum zu jenen Leuten hin, die es schwerer haben. Wir setzen alles daran, sie in die Gemeinschaft aufzunehmen. Die Vermutung, dass Gott solche Menschen mit einem schweren
Schicksal bestrafen will, verbietet sich für uns. Wir glauben, dass Gott allen gnädig ist. Leid
muss überwunden werden, niemand braucht es zu verklären.
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Zum Abschluss dieser Gedanken ein Gedicht von Kurt Marti, das mich immer wieder beeindruckt –
und das viel über das Schicksal sagt:
Ich wurde nicht gefragt
bei meiner zeugung
und die mich zeugten
wurden auch nicht gefragt
bei ihrer zeugung
niemand wurde gefragt
ausser dem EINEN
und der sagte
ja
Ich wurde nicht gefragt
bei meiner geburt
und die mich gebar
wurde auch nicht gefragt
bei ihrer geburt
niemand wurde gefragt
ausser dem EINEN
und der sagte
ja
Kurt Marti
Stefan Moll, 16.03.2009
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