Romeo und Julia-Buhss

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William Shakespeare
DIE
GANZ AUSSERGEWÖHNLICHE
UND BEKLAGENSWERTE TRAGÖDIE VON
ROMEO
UND
JULIA
(Originaltitel: The most excellent and lamentable Tragedy of Romeo and Juliet)
Aus dem Englischen von Werner Buhss
1
© henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 2001
Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Alle Rechte am Text, auch einzelner
Abschnitte, vorbehalten, insbesondere die der Aufführung durch Berufs- und
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henschel SCHAUSPIEL
Marienburger Straße 28
10405 Berlin
Wird das Stück nicht zur Aufführung oder Sendung angenommen, so ist dieses Ansichtsexemplar unverzüglich an den Verlag zurückzusenden.
F1
2
DIE PERSONEN
ESCALUS, Fürst von Verona
MERCUTIO, ein junger Gentleman, Verwandter des Fürsten, Freund von Romeo
PARIS, ein edler junger Verwandter des Fürsten
Page von Paris
MONTAGUE, Haupt einer Veroneser Familie und Feind der Capulets
LADY MONTAGUE
ROMEO, Montagues Sohn
BENVOLIO, Montagues Neffe und Freund von Romeo und Mercutio
ABRAM, Diener der Montagues
BALTHASAR, Romeos Diener
CAPULET, Haupt einer Veroneser Familie und Feind der Montagues
LADY CAPULET
JULIA, Tochter Capulets
TYBALT, Lady Capulets Neffe
Cousin Capulets, ein alter Gentleman
AMME von Julia, Dienerin der Capulets
PETER, Diener der Capulets, besonders der Amme
SAMPSON, Diener der Capulets
GREGORY, Diener der Capulets
Bruder LAURENCE, Franziskaner
Bruder JOHN, Franziskaner
APOTHEKER
Musiker
Wachen
Bürger, Fackelträger, Pagen, Diener, Kellner
Chor
Die Szene ist Verona und Mantua
Die Übersetzung ist David Czesienski zugeeignet.
3
Erster Akt
Prolog
Chor.
Zwei Häuser, beide gleich an Rang und Macht,
Entzünden ihren alten Haß zu neuer Wut
In Alt-Verona – was die Szene ist heut nacht –
Und Bürgerhände schmiern sich voll mit Bürgerblut.
Es brachten dieser Feinde unheilvolle Lenden
Unter schlechtem Stern ein Liebespaar zur Welt,
Und das wird kläglich vor der Zeit verenden,
So daß mit seinem Tod der Streit der Eltern fällt.
Dieser todgeweihten Liebe schlimmem Wo und Wann
Und ihrer Eltern niemals unterbrochnem Streit,
Den nichts als ihrer Kinder Tod beenden kann,
Geben wir zwei Stunden lang auf dieser Bühne Zeit.
Jetzt hört gut zu und seid geduldig drauf bedacht,
Wir ändern alles, was den Abend besser macht.
Erste Szene
Sampson. Gregory.
Sampson
Gregory, ich sage dir, alles lassen wir uns nicht gefallen.
Gregory
Neenee. Wir wären ja gefallsüchtig.
Sampson
Lieber fallen wir aus der Rolle und hauen uns.
Gregory
Wer am Leben bleiben will, betrachtet seinen Kopf nicht als
Fallobst.
Sampson
Ich haue mich schnell, wenn ich gereizt werde.
Gregory
So schnell läßt du dich aber nicht reizen, daß du dich hauen
mußt.
Sampson
Schon ein Hund der Montagues reizt mich.
Gregory
Sich reizen lassen macht weiche Glieder. Mutig sein heißt
gelassen bleiben. Wenn du gereizt bist, knackst du doch immer
weg.
5
Sampson
Jeder Hund aus dieser Familie reizt mich zur Standhaftigkeit.
Mit den Montagues werd ich fertig, egal, ob Mann oder Frau.
Gregory
Das sagt nur, daß du ein Weichei bist. Du machst fertig – in
die Hose.
Sampson
Schon wahr, die Weiber haben die aufreizendsten Hosen. Will
damit sagen, daß ich Montagues Männern die Hosen runterziehe und mir ihre Weiber ohne Hose vornehme.
Gregory
Unser Krieg ist Männersache.
Sampson
Das ist mir egal. Ich werd erbarmungslos sein. Wenn ich mit
den Kerlen fertig bin, fang ich mit den Mädels an. Ich will
ihnen ihre Haut schlitzen.
Gregory
Du willst Mädels aufschlitzen.
Sampson
Und so, daß sie für immer geschlitzt bleiben. Nimm es wie du
willst.
Gregory
Die werden es hinnehmen müssen und zwar spürbar.
Sampson
Die werden meine Standfestigkeit spüren. Es ist allgemein
bekannt, daß ich einen harten Auswuchs habe.
Gregory
Gott sei Dank bist du kein Fisch, du wärst sonst ein Stockfisch.
Hol dein Ding raus, hier kommen Montagues.
Abram. Balthasar.
Sampson
Mein nacktes Ding steht in der Luft. Du fängst an, und ich
steh dir bei.
Gregory
Das nennst du stehen. Das sieht nach Einknicken aus.
Sampson
Du mußt vor mir keine Angst haben.
Gregory
Vor dir nicht. Um dich.
Sampson
Dann laß uns im Recht bleiben. Die sollen anfangen.
Gregory
Ich werde im Vorbeigehn mißbilligend blicken. Wie sie das
aufnehmen, ist dann ihre Sache.
Sampson
Das wird von ihrer Intelligenz abhängen. Ich werde in ihrem
Angesicht popeln. Den Erfolg können sie sich dann einstecken.
6
Abram
Popeln Sie etwa in unserer Gegenwart, Sir.
Sampson
Ich pople in meiner Gegenwart, Sir.
Abram
Popeln Sie etwa unsretwegen, Sir.
Sampson
Bin ich im Recht, wenn ich ja sage.
Gregory
Nein.
Sampson
Nein, Sir, ich pople nicht Ihretwegen, sondern wegen meiner
Nase.
Gregory
Suchen Sie etwa Streit, meine Herren.
Abram
Streit, Sir. Nein, Sir.
Sampson
Wenn doch, dann bin ich Ihr Mann. Ich komme aus einem
ebenso guten Haus wie Sie.
Abram
Nicht etwa aus einem besseren.
Sampson
Ich pople, ich streite nicht.
Benvolio.
Gregory
Sag „aus einem besseren“. Da kommt einer aus der Familie.
Sampson
Doch. Sie haben recht. Aus einem besseren.
Abram
Sie lügen.
Sampson
Dann fangen Sie an, wenn Sie Kerle sind. Gregory, erinnere
dich, wie Blut riecht.
Sie kämpfen.
Benvolio
Hört auf, ihr Blödmänner. Steckt eure Messer ein. Ihr habt
keine Ahnung, was ihr da macht.
Tybalt.
Tybalt
Was. Du schlägst dich schon mit Memmen.
Sieh mich an, Benvolio, du siehst in deinen Tod.
Benvolio
Ich will nur Frieden stiften, steck dein Messer ein,
Oder brauchs, um diese Narren hier zu trennen.
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Tybalt
Mit blanker Waffe Frieden schrein. Ich hass das Wort
Wie ich die Hölle hasse, alle Montagues und dich.
Sieh dich vor, du Flasche.
Sie kämpfen.
Bürger.
Bürger
Knüppel. Stöcke. Eisenstangen. – Haut sie um. –
Nieder mit den Capulets. – Nieder mit den Montagues.
(Durcheinander.)
Capulet. Lady Capulet.
Capulet
Was ist das für ein Krach. Her mit meiner Waffe.
Lady Capulet
Du brauchst ne Krücke, was willst du mit einer Waffe.
Montague. Lady Montague.
Capulet
Ich sagte, meine Waffe. Da kommt auch der alte Montague,
Der hält mir lachend seine blanke Klinge vor die Nase.
Montague
Capulet, du Schurke. Laßt mich los. Ich wills ihm zeigen.
Lady Montague
Nicht einen Schritt wirst du auf deinen Feind zu machen.
Fürst Escalus.
Fürst
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Aufrührerisches Volk. Verächter allen Friedens,
Die ihr in Nachbarblut die Messer badet,
Könnt ihr nicht gehorchen. Männer ... Eher Bestien.
Die ihr das Feuer eurer ungesunden Wut in PurpurQuellen löscht aus euren eignen Venen, laßt
Euren blutverschmierten Finger von den Waffen,
Sonst droht euch die Folter, hört,
Was ein gereizter Fürst euch sagt.
Dreimal gab es auf ein schnelles Wort von euch,
Capulet und Montague, schon Bürgerkrieg,
Dreimal störtet ihr die Ruhe unserer Stadt,
So daß sogar Veronas Pensionäre ihren Weg
Zum Friedhof unterbrechen mußten, alte Waffen,
Schon verkeimt vom Frieden, nahmen sie in alte Hand,
Um eueres Hasses Krebsgeschwür zu schneiden.
Wenn ihr noch einmal unsre Straßen schleift,
Zahlt ihr mit eurem Leben diesen Friedensfrevel.
Jetzt macht euch alle fort. Sie, Capulet,
Begleiten mich, und Montague, Sie kommen
Heute nachmittag zu mir aufs Schloß, zu
Unserm öffentlichen Richtplatz, dort zu hörn,
Wie ich in dieser Sache weiter vorzugehen denke.
Nochmal, verschwindet alle jetzt, bei Todesstrafe.
Alle ab, außer Montague, Lady Montague, Benvolio.
Montague
Wer hat den alten Streit von neuem losgetreten,
Warn Sie dabei, Benvolio, als es anfing.
Benvolio
Sie waren schon zu Gange, als ich kam, die Leute
Ihres Gegners und die Unseren, ich wollt sie grade
Auseinanderbringen, als der unbeherrschte Tybalt kam,
Auf Streit aus, schnaubte er mir seine Wut ins Ohr,
Sein Messer schnitt den Wind vor meiner Nase
In kleine Stücke, doch der lachte ihn nur aus.
Während wir uns schlugen, kamen immer mehr,
Um auf beiden Seiten munter mitzumischen.
Dann kam der Fürst und trennte uns.
Lady Montague
Wo steckt bloß Romeo. Sahen Sie ihn heute.
Ich bin nur froh, daß er hier nicht dabei war.
Benvolio
Eine Stunde, Madam, ehe die verehrte Sonne
Das goldne Fenster öffnete im Osten,
Trieb eine blöde Unruhe mich vor die Stadt,
Im Schatten des Platanenwalds,
Der sich vom Stadtrand westwärts streckt,
Sah ich Ihren Sohn so früh schon auf den Beinen.
Ich mach mich hin zu ihm, doch er hat mich gesehn
Und stiehlt sich weg ins Unterholz.
Ich selber suchte auch die Einsamkeit,
Und maß an meiner Stimmung sein Verhalten,
Ich hielt mich ja schon selbst nicht aus,
Und folgte meiner Laune, ließ ihm seine.
So mied ich ihn, der mich vermied.
Montague
Er wurde manchen Morgen dort gesehn,
Wie er Tränen heulte auf den Morgentau
Und mit trübem Sinn den trüben Himmel wölkte.
Sobald die Sonne aber, die uns Leben spendet,
Im fernsten Ost beginnt, Auroras Bett zu lüften,
Gleich flieht mein finstrer Sohn das Helle
Und sperrt sich in sein Zimmer ein,
Verweigert sich dem schönen Tageslicht
Und macht sich selbstgewählte Nacht.
Schwer bedrückt und finster wird er enden,
Kann nicht guter Rat den Grund abwenden.
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