MANAGEMENT Produktionskosten Jedes zusätzlich abgesetzte Ferkel zählt! Im Vergleich zu Dänemark und Holland produzieren die deutschen Ferkelerzeuger zu teuer. ISNMarktreferent Andreas Beckhove analysiert die Ursachen. M ehr als 5,5 Mio. Ferkel werden Jahr für Jahr aus Holland und Dänemark nach Deutschland importiert – Tendenz steigend. Denn während in Holland und Dänemark die Betriebe weiter aufstocken, stagniert die Sauenhaltung in einigen Gebieten Deutschlands oder ist sogar rückläufig. Daher stellt sich vielen Landwirten hierzulande die Frage, wie die Dänen und Holländer das anstellen. Wie ist es möglich, dass sie trotz der deutlich höheren Transportkosten mit den Sauenhaltern vor Ort konkurrieren können? Produzieren die deutschen Ferkelerzeuger zu teuer? Und wenn ja: An welchen Kostenschrauben muss gedreht werden? Antworten darauf liefert der Produktionskosten-Vergleich der „Interpig“, eines international tätigen Netzwerkes von Verbänden und wissenschaftlichen Einrichtungen aus zehn EU-Staaten. Diese Organisation sammelt die Daten und wertet sie regelmäßig aus. Deutschland wird in diesem Gremium von der ISN-Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands und vom Fachbereich Betriebswirtschaft der FAL in Braunschweig vertreten. Bis zu 27 8 Unterschied pro Ferkel! Um die Produktionskosten für Läufer vergleichen zu können, müssen allerdings erst die in den EU-Ländern voneinander abweichenden Aufzucht-Endgewichte standardisiert werden. Denn während die Belgier ihre Läufer bereits mit 23 kg an die Mäster verkaufen, erreichen die Aufzuchtferkel in England und Irland erst S6 top agrar 10/2007 Übersicht 1: Dänemark produziert die Ferkel am günstigsten1) 80 5/Ferkel 70 60 50 40 30 A 1) B D DK F GB I IR Standardferkel 30 kg NL S Quelle: Interpig 2005 In Italien wird jedes Ferkel im Schnitt 27 W teurer produziert als in Dänemark. Aber auch Deutschland und Österreich belegen im EU-Vergleich nur hintere Plätze. Übersicht 2: Gute Leistungen, niedrige Produktionskosten 26 Verkaufte Ferkel/Sau/Jahr 25 24 23 22 21 20 19 A B D DK F GB I IR NL S Quelle: Interpig 2005 Die Länder mit den höchsten biologischen Leistungen können gleichzeitig die niedrigsten Produktionskosten für sich verbuchen. Grafiken: Orb mit 36 kg ihre endgültige Marktreife. Für den vorliegenden Vergleich wurden die Produktionskosten auf ein einheitliches Verkaufsgewicht von 30 kg korrigiert. Aufgrund von Erfahrungswerten wurde dabei unterstellt, dass jedes Kilo- gramm Zuwachs Kosten in Höhe von rund 1 E verursacht. Übersicht 1 zeigt das Ergebnis der Auswertung. Das Erstaunliche: Zwischen Dänemark, dem Land mit den niedrigsten Produktionskosten, und Italien, dem Der Schlüssel zu niedrigen Produktionskosten sind große Würfe und gute Aufzuchtleistungen. Land mit den höchsten Kosten, klafft eine Spanne von sage und schreibe 27 E! Während die Dänen mit nur 44 E Produktionskosten pro Ferkel auskommen, sind es in Italien mehr als 70 E pro Tier. Im Mittelfeld mit etwa 50 E Produktionskosten bewegen sich die Niederlande, England, Irland und Frankreich. In Österreich, Deutschland und Schweden hingegen ist die Produktion eines 30 kg-Läufers im Vergleich dazu rund 10 E teurer. Die biologischen Leistungen sind entscheidend! Doch wie kommen diese gravierenden Unterschiede zustande? Den größten Einfluss auf die Produktionskosten haben zweifellos die biologischen Leistungen. Denn die Sauenkosten steigen nicht proportional zum Ferkelaufkommen. Ledig- lich die Futter- und Medikamentenkosten und eventuell noch die Arbeitskosten erhöhen sich mit jedem verkauften Ferkel. Alle übrigen Kosten dagegen lassen sich bei höheren biologischen Leistungen auf mehr Ferkel verteilen und reduzieren dadurch die Stückkosten. Ein aktuelles Kalkulationsbeispiel der Landwirtschaftskammer Niedersachsen verdeutlicht, dass eine Leistungssteigerung um zwei zusätzlich verkaufte Ferkel pro Sau die Stückkosten um fast vier Euro verringert! Vergleicht man die biologischen Leistungen (Übersicht 2), dann wird deutlich, dass die Länder mit den niedrigsten Stückkosten in der Regel auch die höchsten Leistungen vorweisen können. Mit durchschnittlich 25 verkauften Ferkeln pro Sau und Jahr hat Dänemark hier klar die Nase vorn. Auf Rang zwei folgt Holland mit 24 verkauften Ferkeln. Weit ab- Fotos: Heil geschlagen ist hingegen Italien mit nur 20 Ferkeln pro Sau und Jahr. Aber auch Deutschland, Österreich, England und Belgien finden sich hier nur im unteren Leistungsdrittel wieder. Es gibt eine ganze Reihe von Faktoren, die Einfluss auf diese Leistungsunterschiede haben. Ein wichtiger Punkt ist das Management. Wobei größere Betriebe in der Regel bessere Voraussetzungen bieten, das Management zu optimieren. Fakt ist, dass sich der Strukturwandel in Dänemark und in den Niederlanden in den letzten Jahren sehr viel schneller vollzogen hat als in Deutschland. Die Betriebe sind daher größer und spezialisierter. In Holland lag die durchschnittliche Bestandsgröße bereits vor zwei Jahren bei 248 Sauen und in Dänemark bei 231 Tieren, während sie bei uns gerade mal 75 Sauen umfasste. Wobei die Bestandsgrö- top agrar 10/2007 S7 MANAGEMENT ße in Süddeutschland sicherlich noch unter diesem Durchschnittswert liegt. Analysiert man die Leistungsdaten genauer, so zeigt sich, dass die Zahl der lebend geborenen Ferkel pro Wurf den größten Einfluss auf die Leistung hat. Dänemark liegt hier mit 13,2 Ferkeln weit über dem Durchschnitt (11,5 Ferkel) aller ausgewerteten Länder. Ähnliches gilt für Frankreich mit 12,6 und die Niederlande mit 12 lebend geborenen Ferkeln je Wurf. Deutschland erreicht mit 11,15 Ferkeln zwar knapp den Durchschnitt, liegt aber immer noch deutlich vor Schlusslicht Italien, das nur 10,6 Ferkel pro Wurf aufweist. Auch bei den Saugferkelverlusten bestehen deutliche Unterschiede zwischen den Ländern. Bei der Wurfzahl pro Sau und Jahr hingegen treten kaum Differen- Übers. 3: Höchste Futterpreise in Italien und Irland 400 5/t Sauenfutter Ferkelaufzuchtfutter Mastfutter 350 300 250 200 150 100 A B D DK Kosten im Blick behalten! Doch nicht nur die Leistung, auch der sparsame Umgang mit Betriebsmitteln ist entscheidend, wenn es um die Senkung S8 top agrar 10/2007 GB I IR NL S Quelle: Interpig 2005 Bei den Futtermittelpreisen stand Deutschland im Referenzjahr 2005 vergleichsweise gut da. In Italien und Irland war das Schweinefutter hingegen schon immer teuer. Bei den Saugferkelverlusten bestehen zwischen den EU-Ländern große Unterschiede. In puncto Wurfgröße ist neben dem Management auch die Genetik entscheidend. zen auf. Hier lässt die Biologie offensichtlich wenig Spielraum. In puncto Wurfgröße ist neben dem Management auch die Genetik entscheidend. In Dänemark, Frankreich und in den Niederlanden hatte die Anzahl der Ferkel als Zuchtziel von jeher eine besondere Bedeutung. In Deutschland dagegen wurde zusätzlich immer viel Wert auf einen hohen Muskelfleischanteil der Tiere gelegt, weil es die nachgelagerten Bereiche so wünschten. F der Produktionskosten geht. Den Löwenanteil (40 %) an den Gesamtkosten der Ferkelproduktion haben die Futterkosten. Wer sparen will, muss daher das Futter möglichst günstig einkaufen und eine gute Futterverwertung anstreben. Übersicht 3 zeigt die Futterkosten im internationalen Vergleich. Berechnungsgrundlage sind hier die Futterpreise je Tonne Futter. Denn die Futterkosten pro Ferkel hängen, wie eingangs bereits erläutert wurde, stark vom jeweiligen Aufzucht-Endgewicht ab. Die Auswertung zeigt, dass Deutschland bei den Futterkosten vergleichsweise gut dasteht. Sowohl beim Sauen- als auch beim Ferkelfutter gehört Deutschland ganz eindeutig zur Gruppe der Län- der mit den geringsten Futterkosten. Die höchsten Futterkosten hingegen mussten im Vergleichsjahr 2005 Italien und Irland für sich verbuchen. Insbesondere das Ferkelfutter scheint in Italien mit mehr als 400 E und in Irland mit 326 E pro Tonne stark überteuert. In diesen beiden Ländern haben die Schweinehalter traditionell mit überhöhten Futterpreisen zu kämpfen. Dies ist auf den hohen Futtermittel-Importbedarf zurückzuführen. Auf Rang zwei der Kostenskala folgen die Gebäudekosten, die bei den Gesamtkosten im Schnitt mit gut 20 % zu Buche schlagen. Entscheidend ist, die Ferkelproduktion von vornherein nicht mit zu hohen Baukosten zu belasten. Denn ist das Geld erst einmal investiert, hat man 20 Jahre lang mit den Folgen zu kämpfen. In Übersicht 4 wurden die durchschnittlichen Baukosten pro Sau inklusive Ferkelaufzucht gegenübergestellt. Auch hier werden die großen Differenzen innerhalb der EU deutlich, die von der unterschiedlichen Aufzuchtdauer natürlich zum Teil noch verstärkt werden. Im Schnitt betragen die Kosten rund 2 200 E je Sauenplatz inklusive Aufzucht. Die niedrigen Baukosten in Holland und Belgien resultieren zum Teil aus der dort deutlich kürzeren Aufzuchtperiode. Die mit Abstand höchsten Baukosten in Höhe von 4 000 E haben die Ferkelerzeuger in Schweden zu schultern. Auslöser sind die gesetzlichen Vorgaben für den Stallbau. In Schweden stehen jeder Sau per Gesetz 6 m2 Fläche zu. Darüber hinaus müssen sich die Sauen im Abferkelstall frei bewegen können. Am preiswertesten wird nach den vorliegenden Berechnungen in Großbritannien und Irland gebaut. In England spielen die starke Währung, die den Einkauf von Bau- und Rohstoffen verbilligt, sowie die niedrigen Lohnkosten die entscheidende Rolle. Auch in Irland ist das Lohn- Übersicht 4: Schweden hat die höchsten Baukosten 4000 5/Stallplatz1) 3500 3000 2500 2000 1500 1000 A 1) B D DK Sauenhaltung + Ferkelaufzucht F GB I IR NL S Quelle: Interpig 2005 Die hohen Haltungsauflagen und das vom Gesetzgeber vorgeschriebene großzügige Platzangebot für Schweine treiben in Schweden die Baukosten in die Höhe. niveau günstig. Zudem kann in den großen irischen Einheiten deutlich günstiger gebaut werden. Arbeitszeit effizient einsetzen! Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor sind die Lohnkosten. Wobei nicht nur die Höhe des Stundenlohns entscheidend ist, sondern auch die Effizienz der eingesetzten Arbeit. Vergleicht man den Arbeits- Wir fassen zusammen ❏✁In puncto Produktionskosten sind die deutschen Ferkelerzeuger im internationalen Vergleich leider nur Mittelmaß. Schlimmer noch: Sie verlieren zunehmend den Anschluss an ihre Nachbarn und Wettbewerber. Insbesondere die vergleichsweise niedrige Zahl lebend geborener Ferkel vermiest ihnen die Bilanz. ❏✁Problematisch ist der vergleichsweise geringe Grad der Spezialisierung. In Deutschland ist die Ferkelerzeugung oftmals nur ein Betriebszweig unter vielen. In Irland, Dänemark und Holland ist die Spezialisierung, die die Voraussetzung für gute Leistungen und gutes Management im Sauenstall darstellt, im Gegensatz dazu viel weiter vorangeschritten. ❏✁Neben unzureichenden biologischen Leistungen wird die deutsche Ferkelproduktion zusätzlich noch durch vergleichsweise hohe Bau- und Tierarztkosten belastet. aufwand pro Sau und Jahr in den einzelnen Ländern, so ergeben sich auch hier erhebliche Unterschiede, die nicht zuletzt durch die Struktur der Schweinehaltung begründet sind. Sauenhalter im kleinstrukturierten Österreich benötigen im Schnitt 26 Stunden pro Sau und Jahr, um alle anfallenden Arbeiten zu erledigen. Es folgen Italien mit 21,5 und Großbritannien mit 19,2 Stunden pro Sau und Jahr. Am schnellsten geht die Stallarbeit den Dänen von der Hand. Hier beträgt der Zeitbedarf nur 10,05 Stunden pro Sau und Jahr. In puncto Stundenlohn liegt Deutschland mit 15 E im Mittelfeld. In Dänemark und in Holland schlägt jede Arbeitsstunde dagegen mit 19 E zu Buche. Berücksichtigt man beides, Arbeitsaufwand und Stundenlohn, dann schneiden die Dänen mit Arbeitskosten in Höhe von 7,48 E pro Ferkel aber immer noch rund 4 E günstiger ab als die Ferkelerzeuger in Deutschland – obwohl hier jede Arbeitsstunde 3,82 E weniger kostet. Viele Impfungen, hohe Tierarztkosten Auch bei den Tierarztkosten steht Deutschland nicht besonders gut da. Im EU-Vergleich weisen die deutschen Ferkelerzeuger mit 85,67 E die mit Abstand höchsten Tierarztkosten pro Sau und Jahr auf. Im EU-Schnitt werden dagegen nur 51,08 E aufgewendet. Das liegt sicherlich daran, dass im Ausland deutlich weniger geimpft wird als hierzulande. Setzt man die Tierarztkosten in Bezug zur biologischen Leistung, schneidet Deutschland sogar noch schlechter ab. Denn pro abgesetztem Ferkel summieren sich hierzulande die Tierarztkosten auf 4 E. In Dänemark sind es aufgrund der guten Aufzuchtleistung 2,50 E pro Ferkel weniger. top agrar 10/2007 S9