P R O TOK OLL Fachtag youthworkhl: Wie sicher ist sicher genug? 18. Februar 2010, 10.00 – 17.00 Uhr Jugendzentrum Anyway | Köln Themenübersicht: Begrüßung Formalia Input-Präsentation AG-Phase Austausch der Ergebnisse Feedback TeilnehmerInnen: Max Aubin | Jugendzentrum Anyway | Sozialwerk Matthias Benkert | AIDS-Hilfe Paderborn Marc Claaßen | Sozialverein für Lesben und Schwule Thorsten Driller | AIDS-Hilfe Paderborn Andreas Heumann | Jugendzentrum Anyway | Sozialwerk André Mücke | AIDS-Hilfe Dortmund Jürgen Rausch | Jugendzentrum Sunrise | SLADO Christian Sandrock | AIDS-Hilfe Oberhausen Oliver Schubert | Schwules Netzwerk NRW Organisation: Dominic Frohn | Moderation Peter Van Lemputten | Gästebetreuung Michael Wurm | Moderation Begrüßung und Einstieg Dominic Frohn und Michael Wurm begrüßen als Moderatoren die Teilnehmer zum ersten Fachtag youthworkhl. Auf die Vorstellung der Tagesordnung folgt eine Kennenlern-Runde. Die Teilnehmer waren dabei auch gebeten, ihre Erwartungen an den Fachtag einzubringen. Neben neuen Ideen und konkreten Impulsen für die Arbeit, stand bei den Erwartungen der Wunsch nach Austausch in einer guten Atmosphäre im Vordergrund. Formalia Der Fachtag youthworkhl stellt gleichzeitig das erste Meeting der LAG youthworkhl im Jahr 2010 dar. Aus diesem Grund steht auch die Wahl des LAG-Sprechers / der LAG-Sprecherin an. Die LAG beschließt zunächst einstimmig, die Wahlen des Sprechers / der Sprecherin analog zur LAG Herzenslust zu wählen: Es wird ein/e SprecherIn für eine Laufzeit von einem Jahr per Akklamation gewählt. Jürgen Rausch wird als Sprecher der LAG youthworkhl vorgeschlagen und einstimmig gewählt. Input Die einführende Präsentation zum Fachtag steht unter der Überschrift „Wie sicher ist sicher genug?“ Die Präsentation fasst die aktuellen Erkenntnisse aus der Forschung zur Übertragung von HIV im Vordergrund: Die Viruslast des seropositiven Sexpartners, die Infektion mit sexuell übertragbaren Infektionen und Verhaltensweisen wie Serosorting oder der Konsum von Rauschmitteln sind dabei die Faktoren, die die Übertragungswahrscheinlichkeit von HIV erhöhen. Die vollständige Präsentation findet sich am Ende des Protokolls. Bildung der Arbeitsgruppen Aus den vorgestellten Erkenntnissen sollen nun konkrete Projektideen für junge MSM entwickelt werden. Das Thema der ersten Arbeitsgruppe greift sexuell übertragbare Infektionen (STIs) als Risikofaktor auf. Hier sollen vor allem diese Aspekte an junge MSM vermittelt werden: STIs erhöhen das Risiko einer HIV-Übertragung. Regelmäßige STI-Check Ups sind sinnvoll, auch wenn keine Symptome vorliegen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, einen STI-Check Up zu erhalten. Manchmal ist es etwas kompliziert. „Rausch und Risiko“ ist das Thema der zweiten Arbeitsgruppe, in der folgende Aspekte im Fokus stehen: Der Konsum von Rauschmitteln steht oft in einem (indirekten) Zusammenhang mit einer HIV-Infektion. Es ist häufig schwierig, den Konsum von Rauschmitteln zu thematisieren. Für den Konsum von Rauschmittel gibt es „Safer Use“-Empfehlungen. Arbeitsphase I: Assoziationen und Botschaften In der ersten Arbeitsphase sollten die AGs Assoziationen, Überschriften und Botschaften zu den jeweiligen Themen finden. In der AG mit dem Thema STIs wurden unter anderem folgende Botschaften entwickelt: Lebe lang – Check erfolgreich Lust auf Doktorspiele? Alles fit im Schritt? Hol Dir den TÜV! Wie sag ich’s meinem Partner? Lieber Scham überwinden als Scham überwuchern! Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser! Wenn ich Pilze will, geh ich in den Supermarkt! Trocken kann er rocken! Seite 2 Die AG zum Thema „Rausch und Risiko“ entwickelte Botschaften mit dem Wortspiel „VollSein“: Fick mich voll! „Voller“ Spaß! Voll abgeschleppt! Voll verliebt! „Voll“ geil! „Voll“ schwul“ Voll gecheckt! Voll abgestürzt! Voll verarscht! Dazu kamen noch weitere Botschaften, die genannten zum „Voll-Sein“ wurden jedoch am höchsten bewertet. Welche in Relation noch als verfolgenswert bewertet wurden waren „Was machst Du in meinem Bett?“ oder „Wie kommst Du in mein Bett?“ Arbeitsphase II: Methoden In der zweiten Arbeitsphase nach der Mittagspause waren die Teilnehmer nun eingeladen, die Botschaften und Überschriften weiter einzugrenzen und passend dazu Arbeitsmethoden zu entwickeln. Leitfragen waren hierbei: 1. Wie sieht die Zielgruppe genau aus? 2. Was soll die Zielgruppe mitnehmen? 3. Wie soll die Methode aussehen, damit die Zielgruppe erreicht werden kann? Sharing der Ergebnisse Nach den Arbeitsphasen stellten die AGs ihre Ergebnisse im Plenum vor: AG 1 zum Thema STIs: Zielgruppe sind junge schwule und bisexuelle Männer zwischen 16 und 25 Jahren, die eine Party besuchen. Es wird angenommen, dass sich das Partypublikum in Feierlaune befindet, so dass vor allem Kurz Kontakte möglich sind. Die Aktion zum Thema STIs findet unter der Überschrift „Mach den TÜV!“ statt. Folgende Botschaften sollen dabei vermittelt werden: 1. Es gibt Krankheiten, die bei Sex übertragen werden. 2. Teilweise verursachen diese Krankheiten keine Symptome. 3. Auch ohne Symptome verursachen diese Krankheiten Schäden. 4. Deswegen ist einmal im Jahr ein Check Up auf sexuell übertragbare Infektionen empfohlen. 5. Bei Symptomen soll ebenfalls ein Arzt aufgesucht werden. Die Aktion soll auf einer Party umgesetzt werden. Die Räumlichkeiten werden mit Plakaten dekoriert, auf denen ein Po mit TÜV-Siegel abgebildet ist. Das Plakat trägt die Unterzeile: 1 X pro Jahr zum TÜV. Ein Infobereich wird als Boxengasse oder Auto-Werkstatt dekoriert. Die Präventionsmitarbeiter tragen Blaumann oder Politessen-Uniform. Die Mitarbeiter halten nicht nur Infoflyer bereit, sondern verteilen auch TÜV-Siegel oder spielen mit den Gästen ein STIQuartett. Darüber hinaus halten sie eine Checkliste parat. Diese Checkliste umfasst Informationen zu STI-Check Ups für Ärzte. Sie kann von den Partybesuchern mitgenommen werden und soll sie darin unterstützen, von ihrem Arzt, die Check Ups einzufordern. Darüber hinaus gibt es noch Informationen zur Hotline der „Pannenhilfe“, also der Telefonberatung der Aidshilfen. Das Feedback zu dieser Methode fällt sehr positiv aus. Die Teilnehmer diskutieren darüber, ob diese Methode nicht sogar bei einer CSD-Aktion umgesetzt werden könnte. Seite 3 AG 2 zum Thema „Rauch und Risiko“ Zielgruppe sind junge schwule und bisexuelle Männer zwischen 14 und 21 Jahren. Das Methodenangebot der AG 2 richtet sich an die Besucher der schwul-lesbischen Jugendzentren. Die Jugendlichen sollen sich unter fachlicher Anleitung mit dem Thema „Rausch und Risiko“ auseinandersetzen. Das Methodenangebot erstreckt sich über mehrere Treffen der jungen Männer. In einem ersten Treffen soll die Gruppe einen Austausch beginnen zu den eigenen Erfahrungen vom Konsum von Alkohol und anderen Rauschmitteln. Dieser Austausch wird von einem Experten unterstützt, der Fachinfos bereit hält. Im zweiten Treffen werden (Foto-) Motive, Überschriften und Erklärungstexte entwickelt, die auf den Konsum von Rauschmitteln mit möglichen Auswirkungen auf das individuelle Schutzverhalten hinweisen. Als Anregung können hier die oben genannten Botschaften dienen, die als Überschriften verwendet werden können bzw. von den Jugendlichen weiter entwickelt werden. Im dritten Treffen findet die Umsetzung der selbst entwickelten Ideen in einer Fotoaktion statt. Gegebenenfalls können die Ergebnisse der Fotoaktion für die Entwicklung von Postkarten oder Flyern genutzt werden. Die Teilnehmer der LAG beurteilen die Methode positiv, auch aufgrund des klaren Zusammenhangs zwischen Rausch und Risikoverhalten. Sie empfehlen die modellhafte Umsetzung der Methode in Kooperation verschiedener schwul-lesbischer Jugendzentren. Evtl. kann für diese Umsetzung eine ZSP-Förderung beantragt werden. Dies soll Thema des nächsten Meetings der LAG youthworkhl am 15. Juli werden. Feedback und Verabschiedung Die Bewertungen der Teilnehmer für diese Veranstaltung auf einer Skala von 1 bis 10 liegen im Bereich von 8 bis 10 Punkten. Lediglich der lange Anfahrtsweg insbesondere von Paderborn nach Köln schmälert die Bewertung. Nach der Feedbackrunde bleibt es den Moderatoren, Dominic Frohn und Michael Wurm, sich bei den Teilnehmern zu bedanken und ihnen eine gute Heimreise zu wünschen. Seite 4 Wie sicher ist sicher genug? Fachtag youthworkhl 18. Februar 2010 1 HIV-Übertragung Die Bedingungen für eine HIV Übertragung sind, dass eine genügend große Menge ausreichend infektiöser Körperflüssigkeit (Konzentration) über eine Eintrittspforte in den menschlichen Körper gelangen muss. 2 HIV-Übertragung Infektiöse Flüssigkeiten Eintrittspforte Blut Haut: Wunde, Entzündung, Geschwür Wundsekret, Eiter Sperma Schleimhaut: Sekret der Darmschleimhaut Mikroverletzung, Entzündung, Geschwür, Dendritische Zellen Vaginalsekret bzw. Langerhans-Zellen insbes. Muttermilch bei STIs Freies Virus, Infizierte Zellen (CD 4) 3 1 HIV-Übertragung 4 Wahrscheinlichkeiten 0,00 % 0,04 % Rezeptiver Oralverkehr 0,04 % Insertiver Analverkehr, mit Kondom, unbek. Serostatus 0,06 % Insertiver Analverkehr, ohne Kondom, unbek. Serostatus 0,18 % Rezeptiver Analverkehr, mit Kondom, unbek. Serostatus 0,27 % Rezeptiver Analverkehr, ohne Kondom, unbek. Serostatus 0,82 % Rezeptiver Analverkehr, ohne Kondom, pos. Serostatus 5 Wahrscheinlichkeiten: Rezeptiver Analverkehr STI? EKAF? Infektion? Kondom? W‘keit Risikored.? 6 2 Herausforderungen Die Interpretation von Wahrscheinlichkeiten ist oft herausfordernd, weil… keine Laborsituation vorliegt. auf selbstberichtetes Verhalten zurückgegriffen wird. weil große Risiken kleine Risiken überlagen. weil Risikoreduktionstechniken in ihrer durchschnittlichen Anwendungshäufigkeit einfließen Kein Rückschluss auf Einzelperson möglich 7 Ausgangsfrage Wie verändert sich die Übertragungswahrscheinlichkeit pro Sexualakt unter bestimmten Bedingungen? 8 Faktor Viruslast 9 3 Faktor: Viruslast Veränderung d. Risikos Einflussfaktor + 7X + 10X bis + 100X Aidsmap: Primärinfektion (b. 10 Wochen) RKI: Primärinfektion - EKAF (HAART, keine Viruslast, keine STI) + 25X 3,6X Spätes Stadium der Infektion (15 Mon. v. Tod) 10 Viruslast Studie aus Brighton / GB (2000-2006) Kohorte in einem Behandlungszentrum mit 859 MSM mit HIV. Durch eine Analyse des Virusgenoms wurde versucht, herauszufinden, woher die Infektion stammt. Bei 41 Infektionen konnte ein Überträger entdeckt werden. Lediglich bei 2 Infektionen war der Überträger unter der Nachweisgrenze. 11 Faktor: STI Veränderung d. Risikos Einflussfaktor + 3X + 2X bis + 5X Aidsmap: Syphilis RKI: Syphilis und andere bakterielle STIs + 4,3X + 5X bis +10X Aidsmap: HSV2 bei MSM RKI: HSV2 STIs führen… zu Geschwüren und Entzündungen zu inflammatorischen Zytokinen, die die Schutzfunktion der Langerhans-Zellen schwächen zum Anstieg der Viruslast und Absinken der CD4-Zahl 12 4 Langerhans-Zellen Erreger Langerhans-Zelle 13 Langerhans-Zellen 1. Langerhans-Zellen (Schleimhäute) spalten den Erreger auf und transportieren ihn zu den Lymphknoten. 2. Langerhans-Zellen repräsentieren dann das Antigen gegenüber Lymphozyten. Problem: Die Aufspaltung des Erregers funktioniert nur bis zu einer best. Konzentration. Entzündungsfaktoren schwächen die sog. Degradation. Der Virus kann nicht nur die Zelle infizieren, sondern sich auch an ein Oberflächenmolekül binden. 14 Faktor: Verhalten Veränderung d. Risikos Einflussfaktor - 6,7 X Kondomnutzung (Praxis) - 5,8 X PEP - 2,5 X -- Beschneidung bei heterosexuellem GV Poppers bei insertivem Analverkehr + 2,4 X Poppers bei rezeptivem Analverkehr + 3,0 X bis +5X Risikoreduktionstechniken +11 Ungeschützter Analverkehr X 15 5 PEP Situation in GB: Breite Information über die PEP z.B. www.tht.org.uk Kenntnis der PEP 2003: 22,2 % Kenntnis der PEP 2005: 38,5 % Evaluation: Keine erhöhte Risikobereitschaft nach PEP (selbstberichtet) Teilweise sogar besseres Schutzverhalten (Auseinandersetzung mit HIV, Erfahrung der HAART) 16 Weitere Faktoren Es gibt weitere Faktoren, die die Anwendung von Safer Sex bzw. Risikoreduktionstechniken erschweren: Allg: Diskriminierung von MSM Indiv.: Alkohol und Rauschmittel Indiv.: Stimmungstiefs und Depression 17 Rausch und Risiko Situation GB 2006 18 6 Rausch und Risiko Studie aus den USA (2009): Der Konsum von... Poppers Aufputschenden Rauschmitteln (Amphetamine, Kokain) Potenzmitteln steht im Zusammenhang mit 63 % der Neuinfektionen. 19 Quellen: Ü‘Wahrscheinlichkeit www.rki.de Infektionskrankheiten von A – Z AIDS Empfehlungen DeutschÖsterreichische Empfehlungen zur postexpositionellen Prophylaxe nach HIVExposition www.aidsmap.com preventing HIV HIV transmission 20 Kontakt AIDS-Hilfe NRW e.V. Lindenstraße 20 – 50674 Köln Michael Wurm – Herzenslust NRW Fon: 0221 - 925996-19 Fax: 0221 – 925996-9 Mail: [email protected] www.nrw.aidshilfe.de www.herzenslust.de 21 7