POSITIONSPAPIER ANLÄSSLICH DER WAHL DES NATIONALRATES Standort Slowakei braucht verlässliche Rahmenbedingungen Die Investitionstätigkeit von Unternehmen trägt maßgeblich zum Wirtschaftswachstum in der Slowakei bei. Die Wirtschaftspolitik beeinflusst mit ihren Maßnahmen die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes und damit letztlich auch die Entscheidung über Investitionen von Unternehmen. Sieben bilaterale Handelskammern in der Slowakei haben die wichtigsten Handlungsfelder ermittelt, welche die Politik nach den Nationalratswahlen unverzüglich anpacken sollte. 1. Angemessene Steuer- und Abgabenbelastung Steuererhöhungen sowie häufige Kurswechsel in der Steuerpolitik gefährden den Wirtschaftsstandort Slowakei. Die Slowakei weist im Vergleich mit den anderen Visegrad-Staaten den höchsten Körperschaftssteuersatz auf. Auch die Lohnnebenkosten sind gemessen am europäischen Durchschnitt sehr hoch und stehen dem Aufbau von Beschäftigung entgegen. Notwendig sind daher eine grundsätzlich niedrigere Steuerbelastung und eine damit einhergehende Senkung der Lohnnebenkosten. 2. Flexibilität im Arbeitsrecht Ein höheres Maß an Vertragsfreiheit bei Gestaltung der Beschäftigungsverhältnisse würde es Unternehmen ermöglichen, flexibel auf sich ändernde Kundenanforderungen, Marktschwankungen und Bedürfnisse der Mitarbeiter zu reagieren. 1 Der parallele Anspruch auf Kündigungsfrist und Abfindung erhöht die Personalkosten der Arbeitgeber und vermindert Anreize zum Beschäftigungsaufbau. Bedarf besteht bei der Beschleunigung der Verfahrensdauern bei Arbeitsgerichten und der Vorhersagbarkeit der Gerichtsentscheidungen. Nur so können Arbeitnehmer und –geber effektiv zu ihren Rechten kommen. Die Generalausweitung von Tarifverträgen bedeutet einen Verstoß gegen die Tariffreiheit. 3. Praxisorientiertes Bildungssystem Es besteht ein hoher Fachkräftebedarf in allen Sektoren der Wirtschaft, der nicht vollständig über den Arbeitsmarkt gedeckt werden kann. Absolventen sind häufig unzureichend auf die Praxis vorbereitet. Es ist notwendig, dass dem Schulsystem eine zentrale Schlüsselrolle der Regierung zukommt. Eine komplette und effektive Umgestaltung des slowakischen Bildungswesens sollte mit dem Ziel gestartet werden, die Zahl der Jobangebote für Absolventen zu erhöhen und dabei die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes ideal zu bedienen. Aus diesem Grund ist es erforderlich, die duale Berufsausbildung weiter voranzutreiben. Es gilt, die Rahmenbedingungen für ausbildende Unternehmen praktikabler zu gestalten sowie stärkere Anreize für Jugendliche und Berufsschulen zu schaffen. Das Hochschulstudium erfolgt fernab der Bedürfnisse des Arbeitsmarktes. Um mehr Praxisnähe zu erreichen, bedarf es der Kooperation zwischen Hochschulen und Unternehmen. Durch die Überarbeitung des Hochschulgesetzes soll auch ein duales Universitätsstudium ermöglicht werden. 4. Ausbau der Verkehrsinfrastruktur Die schlecht ausgebaute Verkehrsinfrastruktur in der Mittel- und Ostslowakei stellt ein Hindernis für Investitionen dar. Kapazitätsengpässe treten mittlerweile im Wirtschaftsraum Bratislava und seiner Peripherie immer häufiger auf. Notwendig ist eine langfristige und bedarfsorientierte Strategie, die im Dialog mit der Wirtschaft entwickelt wird. 2 Auch in Zeiten knapper öffentlicher Kassen müssen die wichtigsten Verkehrsprojekte zügig voran getrieben werden. 5. Abbau von Bürokratie Um mehr Freiräume für unternehmerisches Handeln zu schaffen, bedarf es einer allgemeinen Reduzierung bürokratischer Hürden. Die Priorität beim Ausbau des E-Governments sollte in einem raschen Systemwechsel bei der Informatisierung der öffentlichen Verwaltung liegen, da die vorhandene Plattform die Bedürfnisse der Wirtschaft gegenwärtig nicht erfüllt. Notwendig sind eine flächendeckende Verbreitung sowie eine vereinfachte Benutzung. Das Ziel muss sein, eine stärkere Integration von öffentlichen Dienstleistungen, eine Vereinfachung von Genehmigungsverfahren sowie deren Ausrichtung nach dem One-StopShop-Prinzip zu erreichen. Um die oben genannten Ziele zu erreichen ist es wünschenswert, die Herangehensweise des Staates bezüglich einem hohen Digitalisierungsgrad der öffentlichen Verwaltungen zu verändern, um die Transparenz dabei zu gewährleisten. 6. Verantwortung der Behörden und Korruptionsbekämpfung Die Mängel bei der Rechtsdurchsetzung, insbesondere die langen Verfahrensdauern und die Unvorhersehbarkeit der Urteile, bereiten Unternehmen Probleme. Abhilfe können eine Beschleunigung der Gerichtsverfahren und eine Erhöhung der Transparenz in der Entscheidungsfindung schaffen. Die Unabhängigkeit der Gerichts-, Staatsanwalts- und Polizeiorgane ist zu stärken und frei von politischen Einflüssen zu halten. Daher ist es notwendig, objektive und unabhängige Auswahlverfahren sowie einen funktionierenden Sanktionsmechanismus einzuführen, um sich vor Amtsmissbrauch zu schützen. 3 Ein weiterer Faktor ist die stärkere Professionalisierung der öffentlichen Verwaltung, die insbesondere Fachkompetenz, Kontinuität und transparente Auswahlverfahren zu gewährleisten hat. Aufgedeckte Korruptionsfälle müssen ausnahmslos eine entsprechende Strafverfolgung nach sich ziehen. 7. Öffentliche Ausschreibungen: fair und transparent Bei öffentlichen Ausschreibungen muss ein fairer Wettbewerb herrschen, um eine Beteiligung möglichst vieler Bieter einschließlich klein und mittelständischer Unternehmen zu gewährleisten. Hierzu ist es notwendig, sämtliche Praktiken in der öffentlichen Vergabe zu beseitigen, die eine bevorzugte Behandlung bestimmter Kandidaten ermöglichen. Dies schließt maßgeschneiderte Ausschreibungstexte ein. Voraussetzung für einen sicheren Ablauf ist es, dass alle Grundprinzipien und Richtlinien der öffentlichen Beschaffung tatsächlich in der Praxis angewandt werden. Um Interessenkonflikte effektiv vorzubeugen und die Transparenz zu erhöhen, muss der Vergabeprozess öffentlicher Aufträge kontrolliert und überwacht werden. Es ist notwendig, effektive Revisionsmechanismen mit niedrigeren Gebühren und Sofortmaßnahmen durch die Justiz zu gestalten. Der Rechtsschutz für Interessenten und Bieter am elektronischen Marktplatz ist zu verbessern, da bei dessen Nutzung im sogenannten Unterschwellenbereich keine Einspruchsmöglichkeit beim Vergabeamt vorgesehen ist. Die sieben bilateralen Handelskammern (Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Österreich, Schweden und Spanien) vertreten die Interessen von über 1.000 Mitgliedsunternehmen, die in der Slowakei mehr als 180.000 Mitarbeiter beschäftigen. 4