zapp-newsletter zapp Bern Effingerstrasse 25, 3008 Bern Tel. 031 332 27 23, [email protected] www.zapp-bern.ch, PC 30-458928-4 Kontakt zapp Bern Zentrum für ambulante Palliativbegleitung plus Effingerstrasse 25, 3008 Bern [email protected], www.zapp-bern.ch newsletter Erreichbarkeit Telefon 031 332 27 23 Montag bis Freitag, 9 bis 12 Uhr nummer 2, juni 2015 Multikulturelle Gesellschaft erfordert kultursensible Betreuung P.P. 3001 Berne Post CH AG Religiöse Rituale, Überzeugungen und Bräuche sind in der letzten Lebensphase oft von grosser Bedeutung. Für Betreuende kranker und sterbender Menschen ist es deshalb wichtig, den kulturellen Hintergrund ihrer Patienten zu kennen und zu respektieren. In unserer multikulturellen Gesellschaft sind Pflegende und Betreuende häufig mit Menschen aus anderen Kulturkreisen und damit mit unterschiedlichen Einstellungen, Werten und religiösen Praktiken konfrontiert. Insbesondere der Umgang mit Sterbenden verschiedener Glaubensrichtungen erfordert von den freiwilligen Betreuenden im zapp ein hohes Mass an Wissen, um Missverständnisse zu vermeiden, sowie die Bereitschaft zu Empathie und Toleranz, um Konflikten vorzubeugen. Wenn ein Patient sich zu einer Konfession bekennt, gibt das allerdings noch ­keine Auskunft darüber, ob er gläubig und praktizierend ist. Zentral ist deshalb, den Patienten auf religiöse, kulturelle, spirituel­ le und persönliche Bedürfnisse anzusprechen. Gerade das Älterwerden oder das plötzliche Eintreten einer Krankheit können dazu führen, dass die Religiosität an Bedeutung gewinnt. Vielen religiösen Patienten sind praktische Dinge wie Essgewohnheiten, Sterberiten wichtig. zapp setzt auf ambulante kultursen­ sible Betreuung und versucht, den kulturellen Alltag der Patienten zu verstehen, neutral zu bleiben und dadurch die Professionalität der Betreuung zu erhöhen. Das heisst nicht, dass man alle Religionen im Detail kennen muss, das Wissen um be- treuungsrelevante Aspekte steht im Vordergrund. Sterben und Tod – unterschiedliche religiös geprägte Rituale Christentum: Für Christen besteht eine moralische Verpflichtung, Menschen in Not und damit auch Sterbenden beizustehen. Christen aller Konfessionen glauben an ein Leben nach dem Tod. Die Auffassungen sind jedoch sehr verschieden – von der Ansicht, die Seele existiere in anderer Form in einer nächsten Welt weiter bis zur detaillieren Vorstellung von Himmel und Hölle findet sich alles. Christen betrachten den Tod als eine Zeit der Vorbereitung auf das Leben nach dem Tode. Unter Christen gibt es eine grosse Bandbreite an Überzeugungen. Der beste Weg, etwas über die Glaubensgrundsätze zu erfahren, besteht darin, den Patienten oder seine Angehörigen zu fragen. So lehnen zum Beispiel viele Christen (orthodoxe und römisch-katholische) eine Einäscherung ab, in der protestantischen Tradition ist eine Erdbestattung heute nicht mehr allzu wichtig. Judentum: Das Festhalten am Leben bringt es mit sich, dass Juden oft Schwierigkeiten im Umgang mit Sterbenden haben. Obwohl das Judentum besonders gut mit Trauernden umgehen kann, wird der Sterbende oft vernachlässigt und erfährt nur wenig Trost. In den letzten Jahren ist sich die jüdische Gemeinschaft aber dieses Mangels bewusst geworden und bemüht sich verstärkt um Sterbende und ihre Familien. Orthodoxe und auch nichtorthodoxe Juden lassen Tote nie alleine. Diese Zeit ist aber normalerweise nicht sehr lange, da die jüdischen Gesetze eine schnellstmögliche Beerdigung vorsehen. Islam: In der islamischen Kultur erlernen die Menschen den Umgang mit dem Sterben schon in ihrer Kindheit. Der Tod gilt als die letzte wichtige Erfahrung im irdischen Dasein. Er bedeutet letztendlich die Erfüllung des Lebens, weshalb man sich nicht gegen ihn auflehnen soll. Der Tod ist jedoch nicht das Ende, die Existenz geht in einer anderen Dimension weiter. Für Moslems ist es eine moralische Pflicht, Sterbende nicht alleine zu lassen. Sehr bedeutsam ist der Aspekt der Vergebung; es soll Gelegenheit gegeben werden, Konflikte beizulegen. Verstorbene muslimischen Glaubens werden einer rituellen Waschung unterzogen, die nur von Muslimen des jeweils gleichen Geschlechts oder vom Ehegatten ausgeführt werden darf. Muslime werden nie verbrannt, sondern erhalten eine Erdbestattung, die möglichst innerhalb von 24 Stunden nach Eintreten des Todes stattfinden sollte. Hinduismus: Im Hinduismus gilt die Reinkarnationslehre. Jedes Leben ist nur eine von vielen Daseinsformen, welche die Seele im Laufe einer Entfaltung realisiert. Die Qualität der nachfolgenden Existenz hängt vom Karma ab. Hindus streben während des ganzen Lebens danach, gute Taten zu tun, um gutes Karma zu sammeln und sich damit auf den Tod vorzubereiten. Denn nur dadurch ist irgendwann der Austritt aus dem Kreislauf der Wiedergeburten und damit das Einssein mit dem Göttlichen und vollkommener Friede zu erreichen. Gläubige Hindus leisten dem Sterbenden Beistand, indem sie an seinem Sterbebett sitzen und mit ihm bis zum Zeitpunkt des Todes beten. Die Riten in Bezug auf den Tod sind sehr unterschiedlich. In manchen Familien kann es beispielsweise als respektlos gelten, wenn Nicht-Hindus den Toten berühren. Angehörige des hinduis­ tischen Glaubens bevorzugen eine Feuerbestattung. Buddhismus: Auch im Buddhismus dominiert die Lehre der Wiedergeburt und das Karma-Gesetz. Die Karmaenergie (die Qualität der Gedanken und Handlungen) ist das «Baumaterial» des neuen Körpers und der neuen Existenz. Durch geistiges Bemühen, ein moralisches Leben und die Aufgabe aller irdischen Verhaftungen und Begierden löst man sich schliesslich von allen karmischen Verstrickungen, erreicht den Zustand der Erleuchtung, beendet den Kreislauf der Wiedergeburten und geht ins Nirwana ein. Das Sterben sollte positiv erlebt werden, d.h. mit möglichst klarem Bewusstsein und Verstand. Für die Pflege könnte es unter Umständen bedeuten, dass die Patienten dies mit möglichst geringer Medikation erleben möchten. In dieser Phase ist Ruhe für die Meditation wichtig. Nachdem ein Buddhist gestorben ist, findet normalerweise eine Verbrennung statt. Sie wird von einem Familienangehörigen oder einem Mitglied des buddhistischen Ordens durchgeführt. Spiritualität und Atheismus: Spiritualität im spezifisch religiösen Sinne steht meistens für die Vorstellung einer geis­ tigen Verbindung zum Jenseits oder zur ­Unendlichkeit. Folglich können auch Menschen ohne Religionszugehörigkeit an das Geistige glauben und bestimmte Rituale entwickeln, die jedoch – noch mehr als bei Angehörigen der grossen Religionen – personenabhängig sind. Atheisten glauben nicht an die Existenz Gottes, trotzdem finden sich verschiedene Rituale und Mythen. Es gibt jedoch keine gemeinsame Grundlage, da der Atheismus von vielen Seiten geprägt ist und sich ständig verändert. zapp hilft neutral und sensibel Diese Ausführungen beleuchten die in der Schweiz am häufigsten vertretenen Reli­ gionen und ihren Umgang mit Sterben und Tod. Für zapp ist die Kommunikation mit dem Patienten zentral – es stört niemanden, nach seinen Bräuchen und Überzeugungen gefragt zu werden. Die freiwilligen Betreuerinnen und Betreuer des zapp sind durch das Schweizerische Rote Kreuz Bern Mittelland in der SterbeTrauer-Thematik verschiedener Kulturen geschult. Die Tag- und Nachteinsätze finden bei den Patientinnen und Patienten zuhause, in Senioren- und Pflegeheimen oder im Krankenhaus statt. Das Einfühlungsvermögen der zapp-Begleiterinnen und -Begleiter bringt den Betroffenen und ihren Angehörigen Trost sowie Hilfe und Entlastung in einer Zeit, in der sie diese Unterstützung am nötigsten haben. Text: Barbara Belz, Fachverantwortliche zapp Weiterführende Literatur: Julia Neuberger, Sterbende unterschied­ licher Glaubensrichtungen Pflegen, Verlag Hans Huber, 2009 3 Fragen an Cristina Spagnolo, Leiterin Migration beim SRK Kanton Bern Wie wichtig ist Neutralität in Konfessionsfragen in Ihrem beruflichen Alltag? Konfessionelle Neutralität ist in der Sozialarbeit ein wichtiger Grundsatz. Dies gilt ganz speziell im Migrationskontext. Wir führen einen Sozialdienst für Flüchtlinge, da begegnen wir Menschen mit unterschiedlichen Religionen und Einstellungen – ein sensibles Umfeld. Umso wichtiger ist Neutralität. Im beruflichen Alltag und in der Beratung ist die Konfession jedoch selten ein Thema, da geht es meist um persönliche Anliegen oder administrative Belange. Gibt es Momente, in denen Sie Ihre neutrale Haltung aufgeben? Wie gesagt, eine neutrale Haltung ist bei uns im Prinzip zwingend. Wir beziehen nur dann Position, wenn es um die Verletzung der Grundrechte oder um eine Straftat geht, die im Namen der Religion geschehen ist. In der Regel ist es jedoch nicht die Religion, auf die problematisches Verhalten zurückzuführen ist, sondern vielmehr der kulturelle, sehr traditionell geprägte Hintergrund der Menschen. Glauben Sie, dass Menschen mit Migrationshintergrund die Dienstleistungen von zapp in Anspruch nehmen möchten? Ja, davon bin ich überzeugt. Familien, die ihre Angehörigen daheim pflegen wollen, sind dankbar für ein solches Angebot, egal, welchen Hintergrund sie mitbringen. Gerade in der letzten Lebensphase werden Traditionen wichtiger, dann ist besonders grosse Sensibilität gefragt. Interview: Reto Schori, Leiter Entlastung und Beratung