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2ICHARD7AGNERUNDDER3CHLAF
"IOGRAPHIEn-USIKËSTHETIKn&ESTSPIELDRAMATURGIE
vorgelegt von
JOHANNA DOMBOIS
Von der Fakultät I – Geisteswissenschaften
der Technischen Universität Berlin
zur Erlangung des akademischen Grades
Dr. phil.
genehmigte Dissertation
Promotionsausschuß
Vorsitzende: Prof. Dr. Bénédicte Savoy
Erster Berichter: Prof. em. Dr. Dr. h.c. Peter Wapnewski
Zweiter Berichter: Prof. em. Dr. Norbert Miller
Dritter Berichter: Prof. Dr. Thomas Cramer
Tag der mündlichen Prüfung:
13. Juli 2006
Berlin 2007
D 83
Johanna Dombois
Die »complicirte Ruhe«
Richard Wagner und der Schlaf: Biographie – Musikästhetik – Festspieldramaturgie
<Abstract>
Das Personal der Wagnerschen Musikdramen setzt sich nicht nur aus "Tagknechten", sondern einer unüblich großen Anzahl von "Nacht-Geweihten" zusammen. Was zunächst episodisch scheint, ist ein fundamental produktiver Widerspruch: Dutzende von Schläfern und
Schlafsüchtigen, Träumern und Visionären, Somnambulen und Halluzinanten sorgen dafür,
daß eine nach vorne stürzende Handlung erst arretiert, dann umgeleitet und schließlich auf
einer verborgenen Ebene fortgeschrieben wird. Die vorliegende Arbeit legt die Voraussetzungen frei, kraft derer diese szenische Anlage realisiert wurde. Der Schlaf wird als Affekt
in Wagners Biographie, als Metapher in seiner Kunst- und Musikästhetik und als Allegorie in
der Festspieldramaturgie untersucht.
<Kap. I> zeigt, daß Wagners Faible für kostbare, fließend-weiche Schlafröcke und dämmernde
Interieurs nicht einem fetischisierten Luxusanspruch unterlag, sondern eine Aura der Stimulation erzeugte, die gleichbedeutend war mit einer autosuggestiven Bedingung des Komponierens. Für Wagner, dessen physiologische Statur ständig durch insomnische und neurasthenische Schübe erschüttert wurde, wird der Stoffbegriff in zweifacher Hinsicht bedeutsam,
zum einen als rein materiale, zum anderen als ästhetische Textur. Diesem Themenkomplex
beigeordnet ist die erste chronologische Kartierung aller notierten Wagnerschen Träume.
Dabei geht es explizit nicht um Traumdeutung, sondern systematisch um das Verfahren des
Träumens, welches als konstitutiver Teil eines Werkes erscheint, das immer wieder als
traumhaft bezeichnet worden ist.
<Kap. II> belegt, daß sich die lebenspraktische Spannung zwischen Wachen, Schlafen und
Träumen in Wagners Kunst- und Musiktheorie übersetzt hat. Die Bilder einer Gesellschaft,
deren ermüdende soziale und politische Machinationen nur mehr auf eine "Erweckung" hoffen ließen, begegnen der Vorstellung, daß der prototypische Künstler zu einem Träumenden
werden solle, der ruhen muß, um für alle zu erwachen. Der Schlaf kann demnach als
Ressource utopistischen Bildertreibens, der Traum im romantisch-naturphilosophischen Sinn
als ein der Musik äquivalentes Phänomen dechiffriert werden. Ob Wagners Werk hypnotisch
sei, stellt des weiteren eine wichtige Teileinheit der Rezeptionsgeschichte dar. Es wird
diskutiert, mit welchem Recht Schlaf und Tod, Homöopathikum und Narkotikum, Rekonvaleszenz und Dekadenz immer wieder gegeneinander hochgerechnet werden.
<Kap. III> behandelt die Traumfabrik Bayreuth als Apotheose des Schlafmotivs. Künstliche
Verdunklungen und nächtliche Illuminationen, Dämmerungssehen im Zuschauerraum, der
Halbschlaf des Publikums, aus dem "Wahrträume" freigesetzt werden sollten – Wagner hat
das Inszenieren inszeniert und die dramaturgische Spannung ins Parkett delegiert. Der Zuschauer soll zum Künstler, der Konsument zum Ko-Produzenten werden. Detailliert wird deshalb das Bild des Auges besprochen, das sich verschließen muß, um jene musischen Bilder
projizieren zu können, die das Musikdrama erst auf den Plan rufen. Die Protagonisten der
Wagnerschen Werke erscheinen als energetische Manifestationen der Träume. Schlaf, das
vergessene Motiv, wird zum Katalysator der Kunst.
»Der Stab?« – »Die Hoffnung.«
»Die Wanderbürde?« – »Das Fleisch.«
(Nach: Georg Philipp Harsdörffer, Frauenzimmer Gesprächspiele)
Paul Turß
zur Erinnerung
Inhalt
Die »complicirte Ruhe«: Einblick ............................................................................... 9
Idee und Gegenstand 9 – Motivation und Forschungssituation 16 – Vorgehen und Ziel 19
I.
»Kunststoffe (Schlafröcke)«
Der Schlaf als Motiv in Wagners Biographie ......................................................25
I.1
Oberstoffe ......................................................................................................25
Zur Stoffwahl: Leben oder Werk, Leben und Werk, Leben als Werk 25 –
Der Gewandmeister 30 – Contre la mode 35 – Wagner halbseiden? 40 –
Stoff und Stofflichkeit 42 – Innenausbau [1]: Wagners Wohnungen 46 –
Innenausbau [2]: Wagners Schlafzimmer 51 – Der »Kompositeur der Schlafröcke« 54
I.2
Unterstoffe .....................................................................................................56
Insomnie und Neurasthenie als Krankheitsbild 56 – Das pathogene Werk 59
– Similia similibus curentur 63 – Neue Schläfrigkeit 71 – Der Schlaf als Konstruktionsprinzip 73 – Teilergebnis 75
I.3
Innenstoffe .....................................................................................................79
Träume 79 – Wider die Analyse 82 – Am Rande des Schlafs: Zu einem Register der Träume Richard Wagners 86 – Ansichten von der Nachtseite 91 –
Reprise: Der Traum als Konstruktionsprinzip 93 – Stretta: Das »zweite
Leben« 95 – Coda: Traumstoffe/ Schnittmuster 99
II. Zu schlafen wissen
Der Schlaf als Motiv in Wagners Kunst- und Musikästhetik ...........................103
II.1 Verwandelte Wiederkehr [1]: Innere Biographie – Äußere Biographie –
Kunst/ Kunsttheorie.....................................................................................105
Wagner, der Träumende 105 – Wagner, der Wachende 107 – Wagner
träumt und wacht 113
II.2 Verwandelte Wiederkehr [2]: Wesen, Entwicklung und Wirkung des
Künstlers ......................................................................................................115
Der Künstler und das Unbewußte 115 – Der Künstler, ein Träumender 117
– Beethoven-Schrift und Traumbegriff 121 – Begriff des 'tiefen Traums' 124 –
Begriff des 'allegorischen Traums' 125 – Gesichtssinn 127 – Hörsinn 129 –
Begriff des 'Erwachens' 133 – Der Künstler träumt und wacht 135 – Nur der
Wachende schläft, nur der Träumende erwacht 138 – Teilergebnis 141
II.3 Natur der Musik ..........................................................................................144
Erstes unter Ranggleichen 146 – Traumdeutung [1]: Verhältnis Musik/
bildende Künste 147 – Traumdeutung [2]: Verhältnis Musik/ Dichtung 148
– Die Traumsprache 149 – Musik/ Mythos 153 – Musik/ Utopie 156 –
Künste des Übergangs 157 – Musik als Heilkunst [1] 160 – Schlaf versus
Hypnose 164 – Warum nicht Hypnose? 171 – Musik als Heilkunst [2] 174 –
Schlafmotiv und Schlafforschung 177 – Teilergebnis 184
III. Unter dem Hügel die Senke
Der Schlaf als Motiv in Wagners Festspieldramaturgie ....................................191
III.1 Nebelkammern ............................................................................................192
»Ein Traum von Festspielen« 192 – Das Flußbett des Hügels 194 – Den
Steinen das Schwere nehmend 197 – Schlaftempel und Tempelschlaf 201 –
Lichtschleuse: Das Szenario der Saalbeleuchtung 204 – Die Farben der Nacht
206 – Physik als Metaphysik? Anmerkungen zur Technifizierung der Nacht
210 – Die Nacht als Schlafenszeit: Vom Wegschauen 213
III.2 Der Tau des Schlafes ....................................................................................222
»Ideale Fernsicht«: Das Traumbild der Bühne 222 – Das Auge, das sich
wechselnd öffnet und schließt: Der Wagner-Vorhang 227
Rückblick: Zusammenfassung (Abstract) .................................................................231
Register der Träume Richard Wagners (zu Kap. I.3) .............................................235
Abbildungen ..............................................................................................................253
Abbildungsverzeichnis ...............................................................................................303
Literaturverzeichnis ...................................................................................................309
Danksagungen ...........................................................................................................335
Lebenslauf ..................................................................................................................339
Die »complicirte Ruhe«: Einblick
... an die Lebens- und Feuerluft der Studierstube gewöhnt, die
noch die einzige Schlafkammer (Dormitorium)
unserer Leidenschaften [ist]...
(Jean Paul)1
<Idee und Gegenstand>
Ein Ausflug nach Bayreuth, August 1876. Paul Lindau, dem wir einige sorgfältige Festspiel-Notizen verdanken – er selbst nannte sie Nüchterne Briefe – berichtet folgendes:
Leider gehöre ich zu den unverbesserlichen Leuten, die die Morgenröthe lieber als den Schluß
des vorangegangenen Tages, denn als den Beginn eines neuen betrachten; und um nicht früh
aufstehen zu müssen, legte ich mich gar nicht erst zu Bett. Um halb 5 Uhr Morgens verläßt der
Courierzug Dresden. Ich hoffte bis Hof fünf bis sechs Stunden schlafen zu können, um dann
mit neuen Kräften ausgerüstet, den Anstrengungen, die unser hier harren, entgegenzugehen.
Der Plan war gut, aber die Ausführung ließ zu wünschen übrig. Wer doch den Locomotiven
das verwünschte Pfeifen abgewöhnen könnte! Vier oder fünf Mal wurde ich aus dem Schlaf
gepfiffen, bis ich mich endlich daran gewöhnte. Die Station Glauchau passirte ich schon im
festen Schlaf, und schlafend kam ich in Zwickau an. Hier wurde ich durch einen Herrn, der
sehr geräuschvoll in's Coupee trat [...] aufgeweckt. [...] »Gehen Sie auch nach Bayreuth?« [...]
»Sehen Sie, Sie widersprechen nicht«, schloß der Mann seine Rede. Er hatte im Eifer des
einseitigen Gesprächs gar nicht bemerkt, daß ich geschlafen hatte. Um 1 Uhr traf ich, ohne
weiteren Schaden erlitten zu haben, in Bayreuth ein [...]. Eine halbe Stunde vor Beginn der
[General-] Probe [der Götterdämmerung] war ich an Ort und Stelle.2
Setzen wir voraus, daß dies wirklich ein nüchterner Bericht ist, so herrscht in ihm doch
zweifellos ein Stimmungsvibrato der eigenen Art. Lindau pilgerte zu einem der glamourösesten und umstrittendsten, zumindest unalltäglichsten Theaterspektakel der Epoche, aber
seine Zeit nutzte er weder für ein letztes Studium des Klavierauszugs noch für die obligatorische Textbucharbeit, er verfertigte keine Durchhalteparolen und präparierte sich nicht
mit Stoßgebeten. Immerhin ein gewisser Alban Berg soll ein paar Jahre später die Partitur
des Parsifal mit ins Bett genommen und eine nächtliche Feier für sie inszeniert haben.
Doch bei Lindau nichts dergleichen. Er scheint lediglich über Quisquilien zu schreiben,
von denen es im Grunde gar nichts zu erzählen gibt. Das einzige, was man seinen ersten
Eindrücken entnehmen kann, ist, wie kompliziert es manchmal sei zu schlafen.
Gehen wir deshalb in die nächsthöhere Instanz. Vom Zuschauer zur Aufführung.
Schauen wir auf das Werk, das diese vermeintlich unterkomplexe Amplitudenphase ausgelöst hat. In der Oper würde nun eine Kunstpause folgen. Denn was bislang weder die
1 [Jean Paul, 1960], S. 588
2 [Lindau, 1877], S. 3ff.
9
Wagner-Forschung im speziellen noch die Theater- oder Medienwissenschaften im allgemeinen bemerkt haben, ist ein spielbestimmendes Motiv: Das Wagnersche Werk ist
durchädert von Schlafsequenzen in einer Weise, die diejenigen sofort zu Dunkelmännern
deklarieren müßte, die in Ansicht des Materialstandes nur mehr von einem retardierenden
Moment sprechen wollten. Paul Lindau hat den richtigen Sensus besessen, der Schlaf und
mit ihm die zahllosen (und bis dato eben auch ungezählten) Schläfer und Schlafsüchtigen,
Träumer und Visionäre, Somnambulen und Halluzinanten, die quer durch alle Werke
Wagners vagabundieren und dort rätselhaft auf- und wieder abtauchen, verursachen eine
theatrale Stauung, hinter der sich ausbündige Sprungkraft, nie Indolenz oder gar Blutarmut
verbirgt.
Ohne Beispiele läßt sich kaum sagen, was gesagt werden soll. Da wäre zunächst die
Grammatik der Weckrufe. "Erwacht, ihr Schläfer nah und fern"3 singen die LateranChöre im Rienzi, "He, Seeleut'! Seeleut'! Wacht doch auf!"4 die Mädchen im Fliegenden
Holländer, "Erwache! Erwache!/ Erwache meinem Jammer!"5 Marke im Tristan, "Wach
auf, es nahet gen den Tag"6 das Nürnberger Volk in den Meistersingern, "Wotan! Gemahl!
erwache!"7 Fricka im Rheingold; Wotan selbst im Siegfried: "Fafner! Fafner!/ Erwache,
Wurm!"8 und wenig später "Wache! Wache!/ Wala, erwache!"9, kurz zuvor Siegfried:
"Nothung! Nothung!/ Neu und verjüngt!/ Zum Leben weckt' ich dich wieder"10, danach
Gunther in der Götterdämmerung zu Brünnhilde: "Erwache, Frau!/ Hier ist dein Gatte"11,
schließlich Hagen: "Hoiho! hoiho!/ Wacht auf! wacht auf!/ Lichte! Lichte!"12, dann noch
einmal Siegfried, der in Erinnerung an das "Erwache! erwache!/ heiliges Weib!"13 sich
selbst paraphrasiert mit dem Vers: "Brünnhilde –/ heilige Braut –/ wach auf! öffne Dein
Auge!"14 – all dies also Weckrufe, die ein Signum dafür sind, daß es – "He! Ho!"15 – auf
Schritt und Tritt in Wagners Werken "Schlafhüter mitsammen"16 gibt.
Erste Ergänzung: Diese Schlafhüter haben natürlich auch alle Schlafstätten, Amfortas
etwa ein "Siechbett"17, Tristan und Isolde je ein "Ruhebett"18, dasselbe besitzt Lucretia in
der Pantomime des Rienzi19, der Lohengrin bringt ein "reichgeschmückte[s] Brautbett"20,
3 Rienzi, 1, 4. [Wagner, o. J. c], S. 23
4 Der fliegende Holländer, 3, 1. [Wagner, 1953], S. 37
5 Tristan und Isolde, 3, 3. [Wagner, 1984b], S. 72
6 Die Meistersinger von Nürnberg, 3, 5. [Wagner, 1984a], S. 95
7 Rheingold, 2. [Wagner, 1999c], S. 26
8 Siegfried, 2, 1. [Wagner, 1998b], S. 60
9 Siegfried, 3, 1. Ebd., S. 93
10 Siegfried, 1, 3. Ebd., S. 53
11 Götterdämmerung, 2, 4. [Wagner, 1997a], S. 64
12 Götterdämmerung, 3, 3. Ebd., S. 101
13 Siegfried, 3, 3. [Wagner, 1998b], S. 111
14 Götterdämmerung, 3, 2. [Wagner, 1997a], S. 99
15 Parsifal, 1, 1. [Wagner, 1950], S. 11
16 Ebd.
17 Ebd.
18 Tristan und Isolde, 3, 1. [Wagner, 1984b], S. 54, resp. Tristan und Isolde, 1, 1. Ebd., S. 5
19 Rienzi, 2, 3. [Wagner, o. J. c], S. 34
20 Lohengrin, 3, 1. [Wagner, 1952], S. 45
10
der Tannhäuser das Venus-"Lager"21, der Ring des Nibelungen des "Schlummernden Bett"22
auf dem Grunde des Rheins sowie Siegmunds "Lager"23 auf der "Decke von Bärenfell"24
und den "niedrigen Mooshügel"25 auf dem Brünnhildenstein.
Zweite Ergänzung: Außer den Meistersingern, die, wie Peter Wapnewski es einmal ausgedrückt hat, dem Tristan wie 'der Tag auf die Nacht folgen', beginnen sämtliche Hauptwerke Wagners mit einer Schlafsequenz; ab ovo und in medias res – der Schlaf wird zu
einer jener "Portalfigur[en]"26, die einen weichen Anfang ermöglichen: Der bacchantische
Tanz im Tannhäuser hinterläßt "Gruppen [von] Schlafenden"27, Tannhäuser selbst "führt
die Hand über die Augen, als ob er ein Traumbild festzuhalten suche".28 "Schlaft ruhig,
Kapitän!"29, sagt jener wachhabende Steuermann, der im Holländer selbst "mit der Müdigkeit [kämpft] und [...] endlich ein[schläft]". 30 Lohengrin: "Träumt sie? Ist sie entrückt?"31,
das gehört zu Elsas Fabel und hier eigentlich schon zur zweiten Szene des ersten Aufzugs;
diese einzige (und auch nur halbe) Ausnahme jedoch bestätigt die Regel, insofern Elsas
Erklärung "ich sank in süßen Schlaf"32 vor die erste Szene zurückweist, um dann, in
wiederum umgekehrter Richtung, an diese anzustoßen. Tristan: Isolde schläft, "das Gesicht
in die Kissen gedrückt".33 Parsifal: Gurnemanz liegt "schlafend unter einem Baume"34,
Kundry bekennt: "Ich bin müde".35 Und last but not least des "Goldes Schlaf"36 im Ring
des Nibelungen, der nicht nur einen Anfang, sondern sogar den Allanfang inkarniert.
Dritte Ergänzung: Noch mehr ließe sich sagen. Zum Beispiel, daß allein im Ring 13
von insgesamt 22 handlungstragenden Figuren oder Figurengruppen dem Einzugsbereich
des Schlafs überantwortet sind und sich so, affekt- oder metapherngebunden, dem Kontinuum der Handlung entziehen – es geht nicht nur um Wotan, sondern auch um Nothung, nicht nur um Fafner, sondern auch um das Gold, nicht nur um Brünnhilde, sondern auch um Grane. Die numerische Gewißheit verursacht geradezu eine Schreckstarre.
Denn das inkubierende Völkchen der Schläfer stört den dramaturgischen Gleichgewichtssinn mit einer solchen Latenz, daß für Wagners Musikdramen von einem Normalfall kaum
mehr ausgegangen werden kann. "Die Schlafenden sind Tätige und Mitwirkende beim
21 Tannhäuser, 1, 1. [Wagner, 1949], S. 14
22 Rheingold, 1. [Wagner, 1999c], S. 8
23 Walküre, 1, 1. [Wagner, 1997b], S. 10
24 Ebd., S. 8
25 Walküre, 3, 3. Ebd., S. 107
26 [Klotz, 1965], S. 36
27 Tannhäuser, 1, 1. [Wagner, 1949], S. 15
28 Tannhäuser, 1, 2. Ebd., S. 18
29 Der fliegende Holländer, 1, 1. [Wagner, 1953], S. 14
30 Ebd., S. 15
31 Lohengrin, 1, 2. [Wagner, 1952], S. 15
32 Ebd.
33 Tristan und Isolde, 1, 1. [Wagner, 1984b], S. 5
34 Parsifal, 1, 1. [Wagner, 1950], S. 12
35 Ebd., S. 13
36 Rheingold, 1. [Wagner, 1999c], S. 8
11
Geschehen der Welt."37 'Sleep, gentle tyrant', ist der Schlaf mit Recht genannt worden. Er
ist klimatisch und erzeugt Druck. Er bremst. Er subordiniert. 'Pickwickian Syndrome',
Oblomowerei, Menetekel des schlafenden Barbarossa in der Höhle, Deutschmicheltum –
es scheint, als habe Wagner den Rauchzeichen des ausgehenden 19. Jahrhunderts ein neues hinzugefügt. "Ich habe Parsifal bis zur Ohnmacht gebracht", sagte er zu Cosima, "da bin
ich froh, wenn ich die Leute so untergebracht habe."38
Doch was dann? Nachdem er 'die Leute so untergebracht hatte', was geschieht eigentlich mit ihnen? Man kann die Position eines neuen Heilands, der bewußtlos ist, hin und
her deuten. Man kann das reaktionär oder revolutionär, rabulistisch oder reflektiert finden.
Aber macht dies alles überhaupt in der Praxis einen Sinn? Einmal muß man es klar sagen:
Schlafende sind nicht nur choreographisch ungefügig. Schlafende sind schlicht und
ergreifend bühnenuntauglich. Für die Zuschauer kaum von Toten zu unterscheiden,
stellen sie szenisch nichts als Hindernisse dar. Sie halten die Bühne besetzt und füllen sie
doch nicht aus. Sie sind Teil der Handlung, können ihr aber nichts beisteuern. Sie sind der
Gefrierpunkt jeder Bewegungsregie und der Hohlraum in jedem Beleuchtungskonzept.
Ein Schlafender scheint dem Musikdrama die besten Antriebsenergien zu entziehen.
Fafnergleich magnetisiert er diese, ohne selbst im Stande zu sein, sie wieder freizugeben.
Kurz, ist das nicht von negativ adstringierender Wirkung?
Nein, natürlich nicht. Sogar das Gegenteil ist der Fall. Wiewohl damit nichts von dem
aufgehoben wird, was eben gesagt wurde. Wagner hatte zweierlei begriffen. Zum einen,
daß eine vollkommen sichtbare Welt keine Überraschungen mehr bietet. Zum anderen,
daß die Nacht nicht notwendig ein verneinendes Prinzip sein muß. Sein theatraler
Instinkt, der nichts isoliert lassen konnte, suchte neues Handlungspotential und fand es auf
den Rückseiten. Schauspieltechnisch wird das Musikdrama von daher durch den Schlaf
zunächst arretiert, dann aber nicht eingepflockt, sondern musikalisch auf eine Metaebene
umgeleitet, wo es flottiert, sich weiter aufbaut und die Handlung auf einem anderen Niveau vorantreibt. Das heißt, daß die Momente der Rück- und der Vorausschau, die beide
im Schlaf möglich sind, der augenblicklichen Gegenwart eingelagert werden. Seitenkammern entstehen. Szenische Patchworks. Die Achse des nach vorne stürzenden Zeitpfeils
wird punktuell ausgestülpt, Blasen schlagen auf, diese härten aus, daraus wieder bilden sich
Höhlenformationen, die weiter nach innen wachsen wie Gesteinsdrusen – kleine Preziosen jenseits der Mittelstraße. Das Motiv des Schlafs bei Wagner steht zeichenhaft für die
Brechungen der Zeit.39 Dramaturgisch ist es ein Korrelat der musikalischen Unterschneidungen. Eine Super-Cinema-Phantasie gleichzeitiger, doch nicht in eine Richtung fließender Handlungskanäle. 'Nicht-lineare-Dramaturgie' wäre der Terminus technicus für
diese Art Matrizes heute. Was Richard Klein für den Ring des Nibelungen im ganzen
beschrieben hat, kann auch für den Schlaf im einzelnen gelten: Dieser lebt von "Theater37 [Heraklit, 1989], S. 25
38 Tagebucheintrag (im folgenden verzeichnet als TB) vom 15. 1. 1879. [Wagner, 1977], S. 291
39 Hier wie im folgenden gilt: Erwähne ich das 'Motiv des Schlafs' bzw. das 'Schlafmotiv', so bezieht sich das
grundsätzlich auf dramaturgische Ereignisse, nicht auf das musikalische Leitmotiv, das den Schlaf als Klangsymbol repräsentiert wie etwa im 3. Aufzug der Walküre. Abweichungen von der Regel werden kenntlich
gemacht.
12
präsenz und Verweisungsentzug, von Augenblickssucht und Abstraktionsexzeß, von überwältigender Gegenwart und komplizierter reflexiver Archäologie."40 Ernst Bloch hat dies
dazu veranlaßt, das Schlafmotiv bei Wagner eine "Kostbarkeit"41 zu nennen, und er hat es
in die Reihe jener Gebilde höherer Ordnung aufgenommen, die er als 'Paradoxa' bezeichnete.42 Von einer "Zauberformel"43 sprach Adorno. In anderen Worten: Der Schlaf ist die
qualifizierte Leere. Wagner selbst nannte das Phänomen die "complicirte Ruhe". 44
Soweit die Fakten. Die vorliegende Arbeit setzt nun im eigentlichen erst ein. 45 Ist die
quantitative und qualitative Textur der Schlafsequenzen im Wagnerschen Werk bislang
weder territorialisiert noch analysiert worden, die Bedingungen, unter denen sich diese
entfalten, wurden noch nicht einmal erkannt. Zwar mag das eine mit dem anderen etwas
zu tun haben. Wer den Mond verschmäht, wird am Fernrohr vorbeigehen. Doch ein Geheimnis ist es vorderhand nicht, daß sich die Physiognomie des theatralen Werks auch aus
biographischen, musikästhetischen und kunstprogrammatischen Gebärden ableitet. Nike
Wagner sagte: "Bühnengestalten kann und muß man aber von zwei Seiten anschauen –
von der subjektiven, wie sie innerhalb der Handlung sind, aber auch von der objektiven,
als Akteure Wagnerscher Intentionen und Tendenzen, als Verkörperungen und Extrapolationen gewisser geistiger und seelischer Prozesse des Komponisten."46 Für ein Thema, das
per se die Rückansichten zeigt – Schlaf verstanden als Gegenbild – schien es um so dringlicher, sich der Voraussetzungen zu versichern, unter denen die gewohnte Perspektive aufgegeben werden soll. Es geht also, wenn man so will, um die Rückseite der Rückseiten.
Die Kernfrage war, wieviel Schlaf im Schlafmotiv enthalten ist. Daß es sehr bald notwendig wurde, die geplante Ring-Analyse und mit ihr die bereits vorhandenen Manuskripte
zum Bauernopfer zu machen, um den Vorschaltungen gerecht zu werden, mag für sich
sprechen.
Aus den ersten Überlegungen hatte sich ergeben, daß Wagners 'unendliche Melodie' in
bezug auf die chthonische Dramaturgie des Schlafmotivs nicht nur horizontal, sondern
auch vertikal angelegt ist. Dieser Bewegung galt es zu folgen. Wurzelblick. Was zu sehen
war, sollte sich in dem wiederfinden lassen, was man heuer in den Händen hält: Unzählige
Kavernen, angefüllt mit unverbrauchtem Material, das so interessant und vielgestaltig war,
daß sich die vorliegende Arbeit auch als Materialsammlung versteht. Des weiteren gehörte
ein gewisser sportlicher Ehrgeiz dazu, die Flut zu bändigen. Das Wagnersche Lebensgefühl
des 'Ja, aber', das sich gerade bei der Behandlung grenzwertiger Bewußtseinszustände zu
multiplizieren scheint (vgl. Abb. 1), machte es um so erforderlicher, daß man selbst der
Welt nicht abhanden kam. Haltung galt es zu bewahren in Ansicht der Tatsache, daß dem
40 [Klein, 2001c], S. 104
41 [Bloch, 1959], S. 1254
42 Siehe: [Bloch, 1965], S. 301, resp. S. 322
43 [Adorno, 1971], S. 60
44 Brief Richard Wagners vom 23. 8. 1856 an August Röckel. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1894], S. 69
45 Und zwar im Unterschied zu den Schätzungen, die ich im November 1997 in meinem Promotionsantrag
formuliert habe. Der damalige Arbeitsplan sah noch eine Dissertation vor, die sich allein mit dem Bereich beschäftigen wollte, den ich bis hierher versucht habe zu kartieren.
46 [Wagner, 1998a], S. 151
13
Schlaf gerade bei Wagner ein Wotan-Problem inhärent ist (vgl. Abb. 2): Bathos – der
Übergang vom Hohen zum Tiefen, vom Erhabenen zum Lächerlichen, vom Glauben
zum Aberglauben. Nur die aufrechte Gangart konnte verhindern, daß man sich rechts
oder links vom Wege zu oft nach Kräutchen bückte, die substanzlos sind und darum wirkungslos blieben, wie etwa der übersteuerte Biographismus ("O Ruhe, du Gott!"47), der
Populismus ("Parsifal-Besuch [...] Gebot Nr. 1: Kein Alkohol; der macht müde. Dafür aber
am Vorabend früh zu Bett, um am nächsten Tag für die vielstündige Opern-Sitzung
ausgeschlafen zu sein".48), die Mythenbildung ("Ich besuchte alle drei [Pariser Konzerte
Wagners] und fühlte mich wie in einem seligen Traum befangen, als ich diese Klänge
vernahm, die eine andere schönere Welt, voll idealer Gestalten, voll großer, reiner,
menschlicher Empfindungen, voll erhebener Leidenschaft und tiefer, aus dem innersten
Kern des Herzens hervorbrechender Andacht vor mir aufschlossen; eine Welt, wie sie in
den heiligsten Träumen meiner Seele mir vorschwebte, aus der nur die Musik mir bisher
schöne, aber schmerzliche Grüße gebracht hatte, wie aus einer unerreichbaren Heimat, die
nie Gestalt gewinnen könne. Hier aber fühlte ich, daß sie Gestalt gewonnen hatte."49), die
Zweideutigkeiten ("Wenige Minuten später wurde auch noch das Bett heruntergebracht,
in welchem der Meister während dieser letzten Monate seines Lebens geruht hatte und das
fortan die Lagerstätte seiner Witwe bleiben wird."50), die schlechten Witze, Zoten und
Travestien ("Vegetarisches Wagner-Konservatorium. Vier Uhr früh: Die Schüler werden durch
die Trompeten des Parsifal aus ihrem leichten Schlaf geweckt. [...] Von acht bis elf Uhr
Lektüre der Partituren; danach werfen sich alle Schüler auf ihre Matratzen und werden
durch die glänzendsten Stücke des Wagner-Repertoires sanft in den Schlaf gewiegt."51).
Ein einziges Gegenbeispiel nur – der Teil fürs Ganze – um zu zeigen, wohin der Weg
der vorliegenden Arbeit statt dessen führen soll und wie sich die verschiedensten biographischen, ästhetischen und dramaturgischen Ingredienzen auch vermischen können. Im
Jahr 1839 hatte Wagner ein französisches Gesangsstück geschrieben. Es hieß Dors mon
enfant und war, wie er selbst in seiner Autobiographie berichtete, die allererste Komposition, für die er je ein Honorar erhalten hatte.52 Zeitschnitt. 30 Jahre später. Silvester
1868/69. Wagner schreibt ein kleines 'Volkslied':
47 Brief Ludwigs II. vom 22. 1. 1866 an Cosima Wagner. [<Wagner, Cosima - Briefe>, 1996], S. 128
48 Zitiert in: [Geitel, 2004], S. 10. Vgl. auch [Siemons, 2005], S. 35
49 [Meysenbug, 1927], S. 127
50 [Perl, 1883], S. 143
51 Zitiert in [Hakel, 1963], S. 280ff.
52 Siehe: Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 209. Vgl. auch mit dem Abschnitt <Musik/ Mythos> in Kap. II.3,
Anm. 387
14
Formal besteht keine Verbindung zwischen diesem und dem früheren Werk, obschon
Wagner nur wenige Wochen zuvor in sein Tagebuch eingetragen hatte: "Nun erleb' ich
denn auch das alte Pariser dors, mon enfant – Es rührt sehr!"53 Aber: Auch das neue Stück
ist ein Schlaflied. Es trägt den Titel Schlaf, Kindchen, schlafe, und es sollte zu einer der
Keimzellen jenes Werkes werden, das Wagner einmal als seine "liebste Komposition"54
bezeichnet hat. Die Rede ist vom Siegfried-Idyll. Das Wiegenlied fungiert in diesem als
Schlußsatz der Exposition wie der Reprise. "Bei Tisch fällt R. das: Dors mon enfant ein, er
lacht und sagt: »Nicht wahr, damals wußte ich [nicht], was es war, ein Kind zu haben, ungefähr so war es mit Tristan und seiner Isolde; nein, wenn die Sache da ist, fällt das Kunstwerk realistischer aus, wie: Schlafe Kindchen, schlafe im Idyll«". 55 Cosima ergänzt später
die Zufälle, die keine sind, um einen weiteren: "Die Nacht habe er zuerst das Idyll gesungen bis zum Eintritt des Themas, vom Violoncell gespielt, dann sei er eingeschlafen; darauf
wieder erwacht, habe er von der Stelle an, wo er eingeschlafen, wieder gesungen bis zum
Schlusse."56 Die Bedeutungssegmente und Verquickungen, die hier zum Vorschein kommen, sind im buchstäblichen Sinn des Wortes unerhört. Und sie generieren, demonstrieren und repräsentieren eine Dichte, die beispielhaft sein mag für ein Œuvre, das auch sonst
aus vielen Zuflüssen einen Strom machte. Wagner: "[E]inzig beim Idyll sei es ihm geglückt" über die Trivialität der Gelegenheitskomposition hinaus zu gelangen, denn "da
[sei] alles zusammengefallen". 57
Folgende Fußnote führt der Biograph Glasenapp an, sie bezieht sich auf Wagners
Geburtshaus:
53 Tagebucheintrag Richard Wagners im Braunen Buch (im folgenden verzeichnet als BB) vom 20. 9. [1867].
[Wagner, 1988b], S. 108. Das Faksimile des Notenbeispiels entstammt derselben Quelle: Ebd., S. 203
54 TB vom 10. 1. 1878. [Wagner, 1977], S. 35
55 TB vom 22. 3. 1873. [Wagner, 1976a], S. 659
56 TB vom 22. 2. 1878. [Wagner, 1977], S. 48
57 TB vom 30. 9. 1877. [Wagner, 1976a], S. 1069. Ein Hinweis zur Zitationstechnik: Wird ein Zitat wie hier
durch einen Doppelpunkt eingeleitet, so habe ich die dafür erforderliche, von der Quelle jedoch manchesmal
abweichende Majuskel des erstes Wortes durch eckige Klammern kenntlich gemacht. Das mag für das Schriftbild nicht überall die ansprechendste Lösung sein. Aber nur so konnte den grammatikalischen Richtlinien der
Zitierten und der Zitierenden gleichzeitig Rechnung getragen werden.
15
Nur ein einzelner Teil des altehrwürdigen Hauses im Brühl ist noch heute erhalten, aber nicht
mehr in Leipzig, sondern in London. Es ist 'die alte, historisch echte Tür, welche aus (Friedrich) Wagners Wohnzimmer in den Alkoven (resp. die Schlafzimmer und das Geburtszimmer
Richard Wagners) führte'. Sie wurde bei der Abtragung des Hauses durch einen Leipziger
angekauft und, mit beigefügtem Authentizitätszeugnis, als ein Geschenk eigentümlicher Art,
einem der hochherzigsten, in Wagners Sache tätigsten Londoner Freunde [...] zugesandt, der
sie einem eigens dazu konstruierten Schrank zur Aufbewahrung seiner Wagnerianischen Heiligtümer in gleicher Funktion (als Tür nämlich!) einverleibte, und bei dessen Nachkommen
diese seltsamste aller Reliquien für ferne Zeiten einer pietätvollen Hochhaltung gewiß sein
darf. 58
All das läßt sich anekdotisch, es ließe sich aber auch parabolisch lesen. Vielleicht kann dieses Requisit zum Türchen für ein Thema werden, das selbst eine Pforte ist.
<Motivation und Forschungssituation>
Was ist der Schlaf also? Offenbar ein Durchgangsstadium. Doch was ist er noch? Das sagt
sich nicht mehr so leicht. Derjenige zumindest, der schläft, kann es nicht sagen. Aber der,
der nicht schläft, kann es schon gar nicht sagen; er mag an den Schläfer, aber kann nicht an
den Schlaf heranreichen, berührt er jenen, so hat er diesen vertrieben, und in toto ist all
das – natürlich – durch antithetische Reibung längst warm geworden – hochgradig motivierend. Wie jedes Enigma ist der Schlaf ein intellektueller Schlüsselreiz. 'Sanft' aber 'fest',
'süß' aber 'hart', 'golden' aber 'tief', 'balsamisch' aber 'ewig', allein seine Epitheta rufen
Widerstand gegen solch basale Widersprüche hervor. In gewisser Weise fängt man an, den
Rücken je weiter durchzudrücken, desto weicher die Knie werden. Wie das Wagnersche
Werk, das produktiv macht, weil es unausgesetzt dazu zwingt, die eigene Position zu relativieren und im Flüssigen das Feste zu suchen, ist der Schlaf Zeichen von Verwandlungen,
Agent optischer Täuschungen. Distanz und Nähe werden durch ihn zu variablen Größen
auf einer Skala, deren Werte glissandieren. Wagner und Schlaf: Am Ende scheint es, als ob
das Dialektische eine Volte schlägt. Die Fragen, die sich daraus ergeben, sind notwendig
mehrgestaltig, und aus wissenschaftlicher Sicht kam und komme ich mir damit vor wie ein
Bewohner des Schlaraffenlandes.
Ein Motivationsschub aus anderer Richtung hat diesseitige Gründe und hängt mit der
Forschungslage zusammen. Besser noch wäre zu sagen: mit der inexistenten Forschungslage. Sowohl in bezug auf die literarische und dramaturgische Motivik des Schlafs im
allgemeinen als auch in bezug auf den Schlaf bei Wagner im speziellen steht dem schier
unüberschaubaren Materialangebot die fast lückenlose Vernachlässigung desselben gegenüber.
Was den ersten Punkt betrifft, so kursieren vereinzelte, in Quantität und Qualität starken Schwankungen unterworfene Studien etwa zum Schlaf auf der attischen und der
Shakespeareschen Bühne, in der aristotelischen Philosophie und jüdischen Anthropologie,
im Mittelalter und in der Medizin des 18. und 19. Jahrhunderts, ohne sehr viele Spuren
hinterlassen zu haben. Nicht selten sind diesen Publikationen Überlegungen zur Phäno58 [Glasenapp, 1905a], S. 491
16
menologie und Mentalitätsgeschichte des Schlafs intarsiert. Allerdings läßt sich nirgends
übersehen, daß all dies Verlegenheitsgebärden bleiben. Eine Sozial- und Kulturgeschichte
des Sujets muß bislang ebenso schmerzlich vermißt werden wie eine systematische Aufarbeitung jener Prinzipien, die den Schlaf zu einem wichtigen und großen Topos in der
Bühnenliteratur gemacht haben. 59 Eine Blütenlese, die belegt, wie es um das Forschungsfeld bestellt ist, liest sich wie folgt: "Soziale Wandlungen des Schlafens standen überaus selten im Mittelpunkt wissenschaftlicher Forschung". 60 "Allerdings ist die Geschichte des
Schlafens ein Bereich, der bisher nur sehr wenig Gegenstand der Forschung war. Dies gilt
sowohl für objektbezogene wie auch für mehr mentalitätsgeschichtlich ausgerichtete Ansätze."61 "Ein zusätzliches Problem bot die Art der angetroffenen Quellen. Es gab kaum
Arbeiten, welche sich umfassend mit der Thematik 'Schlaf' auseinandersetzten."62 "Compared to the abundant literature dealing with different aspects of Aristotle's philosophy,
modern material on the three treatises on sleep and dreams as the sole subject of research is
rather scarce". 63 "In fact, a survey of entries for 'sleep' in biblical encyclopedias and the like
suggests a certain deterioration of interest."64 "It is salutary to remember that even in our
day there is still no one theory of sleep that commands the unanimous assent of psychologists or neurologists. In this region the experts are still in the realm of conjecture". 65 "Es
muß angesichts der Vielzahl der zu Shakespeare-Dramen publizierten Monographien und
Aufsätze überraschen, daß – ganz im Gegensatz zu den vielbeachteten Traumbildern – die
Schlafbildlichkeit [...] in den Arbeiten der Shakespeare-Forschung bislang kaum eingehender untersucht worden ist."66
Das Stichwort fiel – der Traum. Im Abschnitt Vorgehen und Ziel werden wir gleich
noch einmal darauf zurückkommen. An dieser Stelle nur soviel: Den Traum als Forschungsthema in eine Arbeit wie die vorliegende aufzunehmen, scheint so viel Sinn zu
machen, wie ihn außen vor zu lassen. Keinen Traum gibt es ohne den Schlaf, den Schlaf
aber sehr wohl ohne die Träume. Das heißt, daß es aus Sicht des Traumes immer um
Zwangs-, aus Sicht des Schlafs lediglich um Wahlverwandtschaft geht. Merkwürdig, aber
bezeichnend scheint, daß sich Sigmund Freud explizit nicht mit dem Phänomen des Schlafs
59 Folgende Titel scheinen mir lohnenswert, um zu einer Übersicht zu gelangen: [Buck, 1939], [Büchsen-
schütz, 1868], [Chandler, 1955], [Coenen, 1972], [Dannenfeldt, 1986], [Dieterich, 1891], [<Duden>, 1963],
[Gleichmann, 1980], [Grimm, 1899a], [Grimm, 1899b], [Grimm, 1899c], [Grimm, 1899d], [Heidrich, 1988],
[Homann, 1992], [Kant, 1907/1917], [Kuhlen, 1983], [McAlpine, 1987], [Macnish, 1830], [<Neue Rundschau>, 2002], [Noll, 1994], [Oepke, 1938], [<Roche>, 1998], [Röhrich, 1994], [Schelenz, 1912], [Schöpf,
1987], [Thomson, 1955], [Wijsenbeek-Wijler, 1978], [Wittern, 1978], [Wittern, 1989], [Wittmer-Butsch,
1990], [Zedler, 1742]. Wertvolle Angaben zur antiken Hypnos-Figur verzeichnen vor allem: [Balz, 1969],
[Jolles, 1914], [Lochin, 1990a], [Lochin, 1990b], [Sauer, 1886/1890], [Schrader, 1926], [Winnefeld, 1886],
[Wöhrle, 1995]. Zwei Studien seien an dieser Stelle hervorgehoben: Sowohl [Radkau, 1998] wie auch [Rabinbach, 2001] beschäftigen sich mit dem 19. Jahrhundert und jener 'geistigen Ermüdung der Epoche', deren
psychologische und physiologische Auswirkungen auch für das Wagnersche Werk nicht eben unrelevant sind.
60 [Gleichmann, 1980], S. 236
61 [Heidrich, 1988], S. 5
62 [Schöpf, 1987], S. 2
63 [Wijsenbeek-Wijler, 1978], S. 170
64 [McAlpine, 1987], S. 22
65 [Thomson, 1955], S. 421
66 [Noll, 1994], S. 16
17
beschäftigt und despektierlich von diesem nur als physiologischer Voraussetzung gesprochen hat. 67 Auch er sah die Inseln ohne das Meer. Insofern gilt hier die Faustregel, daß die
Behandlung des Traums nirgends unterdrückt, aber auch nie herbeigezwungen werden
soll. Überflüssig zu erwähnen, daß keine Facette der menschlichen Träume existiert, die
nicht latent analysiert wird; die Traumforschung ist virulent, überbordend, wenn nicht sogar explosiv. Das greift die Auseinandersetzung mit kultur-, sitten- und theatergeschichtlichen Erscheinungsformen mit ein. Nur einen Fingerhut voll von all dem jedoch konnte
und mußte für die vorliegende Arbeit zu Rate gezogen werden. Untenstehend die bibliographischen Verweise auf die Publikationen, die nicht zu weit vom eigenen Pfad ablenkten.68
Zurück zu Wagner und damit zur Engführung. Wie beklagenswert die Forschungssituation in bezug auf ihn und das Motiv des Schlafs in seinem Werk ist, läßt sich ablesen
an der Tatsache, daß diese Forschungssituation überhaupt noch nicht beklagt worden ist.
Man kann es kurz fassen: Daß man im Schlaf die Augen verschließt, scheint sich unmittelbar auf die Wagner-Forschung übertragen zu haben. Zwar ist das Wagnersche Werk oft
genug als 'traumhaft' beschrieben, der Traum selbst ungezählte Male als Stilmittel besprochen worden, Wagners psychoanalytische Talente hat man geradezu beschworen. Dem
Schlaf selbst jedoch wurde keine solche Würdigung zuteil. Er, der der Katalysator der
Träume ist, wurde im Vergleich zu diesen wohl als unsensationell oder gar unrentabel
empfunden. Die einzigen, mir bekannten Überlegungen zum Thema beschränken sich auf
je eine Handvoll Seiten. 69 Prototypisch sind Bemerkungen wie die von Friedrich Kittler:
"Ich finde es seltsam, daß die Wagner-Forschung nie registriert hat, daß eine Szene bei
Wagner rekurrent immer wiederkehrt, die, soweit ich es sehe, nirgendwo anders in Opern
oder Dramen der europäischen Tradition aufgetaucht war: Die Szene besteht im wesentlichen darin, daß ein Mensch am Boden liegt und kein akustisches Signal mehr von sich
gibt."70 Abgesehen davon, daß die Schlafenden bei Wagner (egal ob Mensch oder Tier)
gewiß Zeichen von sich geben, ich erinnere nur an Fafner und dessen auskomponiertes
Gähnen, ist es standardgemäß, daß der Schlaf nicht bei seinem Namen genannt und lediglich als Steigleiter in eine These gebraucht wird, die sich von ihm wieder abwendet, kaum
daß sie bezeichnet wurde. Selbst die Pacemaker der Wagner-Forschung: Adorno, Bloch,
Dahlhaus, Mann, Mayer, Nietzsche, Wapnewski, ohne deren Fundamente die vorliegende
Arbeit irrlichtern geblieben wäre, reißen das Thema nur hier und da an wie ein kleine,
scharfe Saite, lassen deren Ton dann aber verhallen. Bloch und Adorno gehen dem Motiv
nicht weiter nach, obschon sie es wie gesagt behutsam als Kostbarkeit dechiffriert haben.
Die Wagner-Forschung scheint in bezug auf den Schlaf selbst eine 'schwankende Gestalt'
67 Vgl. mit dem Abschnitt <Träume> in Kap. I.3, im speziellen dort mit Anm. 391
68 [Bagliani/ Stabile, 1989], [Béguin, 1972], [Cox Miller, 1994], [Freud, 1942], [Grimm, 1935a], [Grimm,
1935b], [Hammerschmidt-Hummel, 1992], [Hey, 1908], [Hopfner, 1937], [Kant, 1905/1912a], [Kant,
1905/1912b], [Meier, 1975], [Price, 1986], [Probst/ Wetz, 1998]
69 [Morché, 1989/90] liefert eine nicht uninteressante, aber assoziative Auflistung jener Schlafszenen, die im
Ring des Nibelungen auftauchen, [Loos, 1952], S. 274-292 eine Besprechung des Schlafs und der Nacht aus
Sicht der romantischen Philosophie, die auf Wagner gespiegelt wird, [Heinz, 1998] den leider nicht sehr konkreten Versuch, musikästhetische und psychopathologische Deutungsmuster für Wagner geltend zu machen.
70 [Kittler, 2001], S. 567
18
zu sein – Ablenkungszwang auf der einen Seite, auf der anderen Faszination, die den
spinnwebfeinen Schlaf des Schlafs nicht stören mag.
Eine Notiz noch zu einer Spezerei der Wagner-Forschung und dem Diktum Egon
Friedells, daß derjenige ein Wagnerianer sei, der Wagners Texte losgelöst von dessen Musik betrachte. 71 Auch die vorliegende Arbeit ist zunächst das Produkt philologischer Überlegungen und Überzeugungen, beschäftigt sich explizit nicht mit Wagners Notentexten
und nicht mit der musikalischen Interpretationsgeschichte seiner Werke, obwohl der Schlaf
laut Wagner der Musik sogar in besonderer Weise verbunden ist. Die Frage also lautet:
Bin ich ein Wagnerianer? Übersetzung: Muß ich mich rechtfertigen? Das Problem, auf das
sie sich bezieht, ist nicht neu, doch veraltet ist es auch nicht. Dazu kommt, daß das
"Überhandnehmen der Germanistik als sekundär-literarisches Dienstleistungsgewerbe"72
ein ebensowenig abklingender Infekt zu sein scheint.
Zur eigenen Rettung sei mehrerlei vorgebracht. Zum einen, daß Wagner natürlich
nicht nur Musik in Noten, sondern auch Musik in Buchstaben geschrieben hat. Seine
musikästhetischen Schriften sind ein Herzstück meiner Analysen, und sie zu interpretieren
hinterläßt doch noch am ehesten den Eindruck, man habe sich mit Musik (und weniger,
man habe sich mit Literatur) beschäftigt. Für die Passagen, in denen Libretto-Texte relevant wurden, soll daran erinnert sein, daß auch bei Wagner ein "Text der Musik nicht
untergeordnet, sondern zugeordnet"73 war. Daraus leitet sich ab, daß die Arbeit mit und
am Wort nicht notwendig an Wagner vorbeiführt. Höchstens so weit, wie er uns selbst an
dem Teil seines Werkes 'vorbeiführen' wollte, das Musik ist. Seine Schriften waren beileibe nicht in Räuberlatein geschrieben. Sie waren für die Öffentlichkeit gedacht, und als
ein Mitglied dieser Community darf sich wohl auch ein Wissenschaftler betrachten. Mit
Wapnewskis Wendung von des "Philologen Recht auf Wagner"74 kann vielleicht noch
einmal ein Freispruch erzielt werden.
<Vorgehen und Ziel>
Schlummern, dösen, dämmern, träumen und sinnen, ahnen und wähnen, hellsehen und
orakeln, schlafwandeln und schlafwachen, narkotisiert und bewußtlos sein, einschläfern,
wachen, überwachen und erwachen – der Schlaf hat viele Gesichter, und für die vorliegende Arbeit galt es, neben den, wie Wagner es nannte, "reale[n]" auch die "ideale[n]"75
Bedeutungen eines Phänomens freizulegen, das sich der Betrachtung per se entzieht. Ausgehend von der bereits ausgewiesenen Dichte der Schlafsequenzen wurde recht schnell
klar, daß deren Figurenpersonal auf mehr Voraussetzungen angewiesen war als auf jene,
die sich allein aus dem Plot der Werke erschlossen. Das meint, 'vor-erste' Arbeiten wurden
notwendig. Zunächst betraf das die Bayreuther Aufführungs- und Festspieldramaturgie.
Wagners Verständnis dessen, was 'Bühne' bedeuten müsse und könne, ging von einem
71 Siehe: [Friedell, 1932], S. 371
72 [Dahlhaus/ Miller, 1988], S. 13
73 [Vaget, 1982], S. 187
74 [Wapnewski, 1980], S. 23
75 Brief Richard Wagners vom 12. 1. 1870 an Anton Pusinelli. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1909], S. 507
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erweiterten Theatralitätsbegriff aus – Bilder des Schlafs und des Traums ließen sich insofern leicht in der Konzeption der Bayreuther Festspiele wiederfinden. Diese zu untersuchen schien nur selbstverständlich. Doch das Neue zog mehr Neues nach sich. Wieder
andere Fenster gingen plötzlich nach innen auf. Die Festspielidee ist eine Apotheose,
Wagners kunstprogrammatische und – wie sich zeigen sollte – auch musikästhetische
Schriften verhalten sich zu dieser geradewegs wie der Schlaf zum Traum. Eine bei immer
genauerem Hinsehen immer bewegendere Materialfülle ließ es unmöglich erscheinen, sie
nicht auch zu behandeln. Am Ende, welches dann der Anfang werden sollte, stand jener
Teil des Wagnerschen Werks, den man sich geeinigt hat 'Biographie' zu nennen. Wagners
Philosopheme sind untrennbar verbunden gerade mit jenen Bedingungen seiner Vita, in
denen die Träume beziehungsreich wurden. Kurz, das Motiv des Schlafs ließ sich deklinieren und zeigt sich nunmehr in drei Spielarten: als Affekt in Wagners Biographie, als
Metapher in der ästhetischen Theorie, als Allegorie in der Festspieldramaturgie.
Die vorliegende Arbeit ist als Triptychon angelegt. Drei Kapitel, deren Binnenstruktur
wiederum dreigeteilt ist mit Ausnahme des letzten Kapitels, das nur zwei Einrückungen
besitzt – die offene Flanke hält den Blick auf die Bühne und somit jene Figuren frei, deren
Schlaf zu untersuchen noch einmal eine eigene Analyse wert wäre, sobald die Präzedenzien geklärt sind.
»Kunststoffe (Schlafröcke)«: Das erste Kapitel ist Wagners biographischem Szenarium
gewidmet. Dabei geht es nicht um eine nachträgliche Ästhetisierung organischer Wechselfälle, sondern um jenes Kompositum physiologischer, psychologischer und dramaturgischer Befindlich- und Notwendigkeiten, das Wagners Biographie a priori inhärent war.
Insomnische und neurasthenische Verhaltensmuster wurden, so meine These, aufgefangen
durch Bilder des 'schönen' Schlafs. Wagners renitente Vorliebe für Schlafröcke und
Diwandecken, für satinierte, weiche, fließende Stoffe und das Fluidum dämmernder Zimmer war nicht Zeichen eines übersteuerten Luxusanspruchs, sondern einer untersteuerten
körperlichen Präsenzfähigkeit, die es zu sublimieren galt. Sechsfach gesteppte Eiderdaunenschlafröcke für die guten Vormittage mit Parsifal, das war keine Grille, sondern bitterernste Hilflosigkeit auf der einen Seite, psychosomatische Stimulation auf der anderen.
Der 'Stoffbegriff' wird in doppelter Hinsicht relevant, der Topos des Schlafs zeigt, auf
welchen Umwegen die Realien Eingang in Wagners Werk gefunden haben. Notabene: Es
handelt sich hierbei nicht um Kausaldeterminismus, eher um einen Indizienbeweis, für den
die philologische Herangehensweise um Interpretationsstrategien aus der Kostümkunde
und den Bildwissenschaften ergänzt wird.
Dem ersten Kapitel (und folglich dem Schlaf) eingelagert ist eine Auseinandersetzung
mit Wagners Träumen. Dokumentiert durch zahllose Stenogramme unter anderem in den
Tagebüchern Cosima Wagners, bieten auch sie Material für die 'stoffliche' Grundlage eines
Werks, das, ihnen verwandt, tief hinab reicht und hoch hinaus zielt. Die Bühne und der
Traum – beide verfügen als Darstellungsmittel über das Bild. Insofern scheint es naheliegend, den Fokus für einen Moment aufzuziehen und auch dem Traumleben Wagners
Aufmerksamkeit zu schenken, wiewohl dies nicht das Hauptanliegen dieser Arbeit ist. Der
Träumer setzt den Schläfer voraus – die Gewichte sollen proportional zu dieser Formel
20
verteilt bleiben. Doch ähnlich wie der Schlaf unterliegt der Traum bei Wagner dramaturgischen Mustern. Der Hang zur Verdichtung, zur Einkehr und zu schwebenden Verbindungen wird bei ihm in künstlerischer Hinsicht konstitutiv. An dieser Stelle soll darum das
Verfahren und sollen nicht die Produkte des Träumens untersucht werden. Dies impliziert,
daß die Traumanalyse ausgeschlossen bleibt. Zum einen, weil sie auf Wagner bezogen
meines Erachtens nach eine 'seismic risk zone' darstellt. Zum anderen, weil einer seriösen,
wissenschaftlichen Deutung der Wagnerschen Träume bislang jede Basis fehlt. Was
bedeutet das? Es bedeutet, daß sich die Wagner-Forschung in der Vergangenheit zwar
dutzendfach an der Interpretation des Traummaterials versucht hat, daß dieses Material
jedoch nur ungeordnet und ausschnitthaft zur Verfügung stand. Das ist, wie ich meine,
mehr als ein Lapsus. Es ist ein Notfall. Ihn zu lindern, lege ich hiermit eine chronologische
Systematisierung sämtlicher Träume Wagners in Form eines Registers vor.
Zu schlafen wissen: Das zweite und umfangreichste Kapitel beschäftigt sich mit dem Motiv des Schlafs in den musikästhetischen und kunstprogrammatischen Schriften Wagners.
Es eröffnet mit dem, was ich 'Verwandelte Wiederkehr' nenne: eine Wiederholung biographischer Aspekte unter neuen Vorzeichen. Baute sich die Spannung der inneren Biographie zwischen dem Wachen, dem Schlafen und dem Träumen auf, so wurden Wagner
augenscheinlich auch von außen dieselben Attribute zugeschrieben. Überschneidungen,
gar Deckungsgleichheit mit den Werkfiguren lassen sich erkennen. Wagner ist Siegfried,
der das Deutsche Reich erweckt und Wotan, der 'das ewige Werk wie im Traum trug'.
Der Künstler wird zum Träumenden stilisiert, der 'ruhen' soll, um für alle zu erwachen.
Mehr noch, Wagner wird sinngemäß selbst zum Vorbild der eigenen Kunsttheorie.
Halbschlaf und somnambule Zwischenzustände gelten als Resonanzboden künstlerischer
Inspiration. Mit der Beethoven-Festschrift von 1870, die die über viele Werke und Jahre
verteilten Äußerungen zu allen Bedeutungsschattierungen und Funktionen des Schlafs
theoretisch zuspitzt, bestimmt Wagner den Traum zur Äquivalenzerscheinung der Musik.
Eine Definition dies, die nicht zuletzt ihren Niederschlag in der Debatte darum findet,
inwieweit Wagners Musik ein Modell hypnotischer Suggestion sei. Heilkunst oder
Krankheit, Schlaf oder Tod, Musik als Homöopathikum oder Narkotikum: Der dritte Teil
des zweiten Kapitels stellt eine Differenzierung der Positionen vor.
Unter dem Hügel die Senke: Das letzte Kapitel bringt die Auseinandersetzung mit Wagners Festspieldramaturgie. Bayreuth erscheint als neuralgischer Ort, an dem die Theorie in
die Praxis umschlägt, das Festspielhaus als 'Traumfabrik', durch dessen Machinationen sich
der makrokosmische Wechsel zwischen Tag und Nacht in den Mikrokosmos übertragen
ließ. Licht wird hier zur Beleuchtung, Dämmerung zur Abblenddramaturgie, das Parkett
zur Traumbühne. Wagners Überlegungen zur Künstlerfigur kulminieren in der Vorstellung, daß das Musikdrama ein aus dem Halbschlaf des Zuschauers emaniertes Traumbild
sei. In der medialen Nacht des Bayreuther Zuschauerraums verwandelt sich das Publikum
vom Konsumenten zum pathischen Ko-Produzenten. Zentral scheint mir dabei das Bild
des Auges zu sein, das sich schließen muß, um eine konzentrierte Form des Sehens zu erreichen, welche nach Wagners Aussagen wiederum gleichbedeutend ist mit der Eröffnung
des akustischen Raumes. Der Sehstrahl des Einzelnen, der notwendig an der Außenwelt
21
abprallt, soll nach innen dringen, die dort zirkulierenden, musischen 'Wahrträume' abrufen
und schließlich auf den Prospekt der Bühne umlenken. Man könnte sagen, daß das
Musikdrama als Projektion des Publikums leibhaftig wird. Seine Protagonisten sind energetische Manifestationen der Träume – blutwarm aber substanzlos – frühe Bilder einer
kinematographischen Phantasie. Der Bühnenvorhang, für den Wagner 1876 einen neuen
Zugmechanismus erfunden hatte, erscheint als bewegliche Leinwand, welche die Traumbilder gleichermaßen freisetzt und empfängt – ein Auge, das sich wechselnd öffnet und
schließt.
Sprung. Vom Inhalt zur Form. Zum Vorgehen gehören auch Handlungsanleitungen,
und im folgenden darum vier Hinweise in eigener Sache.
Zunächst zum bekannten Quellenproblem: Nach wie vor liegen die Schriften Wagners
nicht in einer kritischen Gesamtausgabe vor und die Unordnung, die hier herrscht, ist
nicht nur beklagenswert, sondern im Tagesgeschäft aufreizend und zermürbend zugleich.
Ein eigenes Buch wäre es wert, all die Sorgen zu schildern, die sich aus den Diskrepanzen
zwischen Erst- und Volksausgaben, zeilen- aber nicht seitenidentischen Büchern, zwischen
verschiedenen Auflagen, Ergänzungsbänden, Registern und Schreibweisenvarianten ergeben. Die vorliegende Arbeit bezieht sich von daher entschlossen auf die erste Auflage der
Leipziger Ausgabe der Gesammelten Schriften und Dichtungen von Richard Wagner (GSD) von
1871/73ff., die in 10 Bänden vorliegt. Texte, die dort nicht verzeichnet sind, zitiere ich
aus den Ergänzungsbänden 11 und 12 der 'Großen Ausgabe' der Sämtlichen Schriften und
Dichtungen (SSD), o. J. [1911], sowie dem 16. von Paul Sternfeld und Paul von Wolzogen
herausgegebenen Band der Volksausgabe der Sämtlichen Schriften und Dichtungen, o. J.
[1916]. Wagners Autobiographie Mein Leben, seine Tagebuchblätter und Annalen (Braunes
Buch) existieren in sorgfältigen Editionen von Martin Gregor-Dellin bzw. Joachim Bergfeld, und es schafft Erleichterung, wenigstens auf sie sicher zurückgreifen zu können. Was
Wagners Briefwechsel betrifft, so ist die Situation ermutigend, wenngleich nicht befriedgend. Seit 1967 gibt die Bayreuther Richard-Wagner-Stiftung sukzessive in großen
Einzelbänden heraus: Richard Wagner. Sämtliche Briefe. Der jüngste Band (Nr. 15) mit den
Briefen des Jahres 1863 erschien 2005 – womit das Problem benannt wäre. Für alle weiteren Briefe, allzumal jene, deren Adressat Wagner war, muß auf die alten und teilweise
schwer zugänglichen Einzelausgaben zurückgegriffen werden. Ein Literaturverzeichnis zu
Wagner wird sich also noch lange nicht wie ein Gedicht lesen lassen, eher ist es ein postmoderner Roman – es wird reguliert von Irregularitäten. Nachtrag: In Ermangelung einer
standardisierten Textausgabe der Schriften richten sich alle Szenenangaben zu Wagners
Musikdramen nach den leicht erreichbaren, aktuellsten Reclam-Fassungen. Das scheint
eine handliche und für den Leser faire Lösung zu sein. Ergeben sich Fragestellungen, bei
denen die Differenzen zu anderen Ausgaben oder zum Wortlaut der Partituren und
Klavierauszüge relevant werden, ziehe ich diese hinzu. Abweichungen sind einzeln vermerkt.
Zur Zitationstechnik und zum Fußnotenapparat: Sowohl das eine wie das andere hat
sich bereits von selbst vorgestellt, für Detailfragen verweise ich auf die Erläuterungen, die
das Literatur- und Abbildungsverzeichnis einleiten. In der Regel erscheinen in den
22
Fußnoten jeweils der Verfasser, das Erscheinungsjahr und die Seitenzahl einer herbeizitierten Quelle. Allein für die Schriften Wagners und auch für die Friedrich Nietzsches
sollen Kurztitel helfen, die betreffende Publikation leichter zuzuordnen. Briefe werden
durch Datum, Adressant und Adressat dechiffrierbar gehalten. Die Zählung der Fußnoten
reicht stets bis zu den Kapitelgrenzen und setzt danach je von neuem ein.
Rechtschreibung: Kein Wort zuviel mehr über den von höheren Mächten verfügten
Schwebezustand, in dem sich ein Autor gegenwärtig befindet, dem mehr als ein Haarbreit
an der Sprache gelegen ist. Wenn das 'Neue' weniger radikal ist als das, was angelegentlich
schon Richard Wagner probiert hat, dann kann es nicht falsch sein, bei dem zu bleiben,
was jetzt als 'alt' gilt. Das Exemplar meines Dudens (19., neu bearb. u. erw. Aufl., 1986)
scheint mir noch frisch zu sein, ein gutes Buch, dieses durch ein noch frischeres zu ersetzen insofern ganz überflüssig. Einzige Fürbitte: Kontinuität und womöglich Fehlerfreiheit
innerhalb eines Systems – für meinen Fall also innerhalb desjenigen, das ich hiermit bezeichnet habe.
Zur Gestaltung: Aus Gründen der Handhabbarkeit lege ich meine Arbeit bei fortlaufender Seitenzählung in zwei Bänden vor. Es dürfte sinnvoll sein, daß Haupttext und
Appendix nebeneinander gehalten werden können. Der erste Band bringt somit alle Fließtexte, der zweite alle Anhänge, letzteres greift das Traumregister, welches inhaltlich Kap.
I.3 zugehört, sowie sämtliche Abbildungen mit ein, auf die ich im Haupttext verweise.
Die den Abbildungen beigeordneten Bildunterschriften mögen helfen, daß das, was gezeigt wird, auch unabhängig vom Fließtext verständlich bleibt, allzumal einige Film-Stills
bislang unveröffentlichtes Material vorstellen. Zitate in den Bildunterschriften werden nur
dann noch einmal mit einer Quellenangabe versehen, soweit sich diese nicht aus dem
Kontext ergibt, zu dem die betreffende Abbildung gehört.
Sprung zurück. Zum Ziel. Welchem? – Aufwachen! Kleinere Etappenziele sind nachgeordnet.
Zum einen die Hoffnung, daß mit der vorliegenden eine lesbare Arbeit abgeliefert
werden kann. Ihr Thema ist neu, von daher ist sie belegpflichtig, das Quellenmaterial ist
überbordend, und das ist ein Glücksfall. Dasselbe Material jedoch zu disziplinieren und es
trotz allem in seiner ursprünglichen Form kenntlich zu halten, ist ein Dressurakt der eigenen Art. Bereits das Einpflegen von Zitaten erinnert manchesmal an eine Raubtiernummer – man denke nur an Wendungen wie "Weltwillen", "mythische Raserei" oder
"Liebesnot", die auch zu Wagner gehören. Wenn also das Implantieren fremder Texte die
Geschmeidigkeit des eigenen schon nicht befördert, verhindert werden sollte diese nun
auch nicht gerade.
Schlaf bei Wagner, das scheint insgesamt für eine Welt diffiziler, feingesponnener,
beziehungsreicher und komplizierter Zusammenhänge zu stehen, in der sich mehr als nur
der Tristan-Akkord nicht nach den klischierten Gesetzmäßigkeiten auflösen läßt. Das
Thema irisiert, es ist von daher per se in einem Gefahrenbereich angesiedelt und bietet
sich in Folge dazu an, schnell herauf- oder herabgestuft, verharmlost oder mystifiziert zu
werden. In der Dämmerung wird die Sehkraft schwächer. Insofern würde ich gern
beweisen, daß das Sujet weder in der einen noch in der anderen Richtung episodisch ist.
23
Wenn die vorliegende Arbeit der Wagner-Forschung Fragen vorlegen könnte, die weitere
Fragen erzeugen, ja, wenn der Schlaf hier als ein seriöses Forschungsfeld aufgespannt werden kann, so wäre eine Hoffnung nicht betrogen. Ist er selbst eine Schwelle genannt worden, so gälte es zu zeigen, daß über der Schwelle ein Raum existiert.
________
24
I.
»Kunststoffe (Schlafröcke)«
Der Schlaf als Motiv in Wagners Biographie
Mit seinen Nachtmützen und Schlafrockfetzen/
Stopft er die Lücken des Weltenbau's.
(Heinrich Heine)1
I.1 Oberstoffe
<Zur Stoffwahl: Leben oder Werk, Leben und Werk, Leben als Werk>
Nähern wir uns also Richard Wagner, Mann und Werk. Wohlbemerkt Mann und
Werk, denn wie viele vor uns müssen auch wir davon ausgehen, daß, wann und wo
immer vom Wagnerschen Werk die Rede gewesen ist, ebenso der Mann von sich
reden gemacht hat und daß ein Zugang zu Wagners Schöpfungen nach wie vor von
deren Schöpfer lanciert wird. Gilt einem berechtigten Gemeinplatz zufolge das Werk
Wagners nach innen hin als sphärisch, fließend, wandelbar, proteisch, promiskuös, so
scheint es nach außen hin von der Person Wagner um so fester im Griff gehalten zu
werden. Es ist symptomatisch, daß alle Wagnerschen Musikdramen von Wagner selbst,
kaum daß sie die Komponierstube verlassen hatten, in szenischen Lesungen der
Öffentlichkeit feilgeboten wurden und daß diese Lesungen kaum etwas anderes waren
als Extempores eines Alleinunterhalters, symptomatisch, daß Wagners Werke in genau
dem Moment, in dem sie aus dem Hoheitsgebiet ihres Schöpfers herauszufallen drohten, an ihn gebunden blieben. Wagner beherrschte jede einzelne seiner Werkfiguren
bis ins nebensächliche Detail, und zwar in praxi. Wo es erforderlich war, konnte er
eine Walküre ersetzen, er konnte sich emporschrauben bis hinauf zu Elsas 'fürchterlichem Schrei', und den akrobatischen Sprung Alberichs vom Felsenriff soll er noch als
alter Mann gezeigt haben. Heinrich Porges nannte dies einmal eine "dämonische
Gabe", ergänzte auch, daß Wagner tatsächlich "gleich einem Proteus wie mit einem
Zauberschlage jeden beliebigen Charakter annehmen, in jede nur denkbare Situation
sich versetzen"2 konnte. Ein "Gesammtschauspieler"3 sei er darum gewesen, eine Befähigung, die ihm laut Kniese den Scherznamen "Perpetuum probile"4 eingebracht hat.
Doch hinter dem Spaß verbirgt sich Spekulation, hinter dem Spaßmacher der Spekulant. Denn konnte Wagner sein Werk nur unter allerhöchster Spannung erzeugen, so
1 [Heine, 1975], S. 271
2 [Porges, 1896], S. 5
3 Ebd.
4 [<Kniese>, 1931], S. 7
25
scheint ihm dieselbe Spannung zum Zeitpunkt der Werkpublikation längst unentbehrlich gewesen zu sein. Was einmal errungen war, ließ er nicht mehr so schnell aus der
Hand. Zu denen, die Distanz pflegten, gehörte er nicht, Distanz war ihm in der Kunst
verdächtig, und vielleicht empfand er auch, daß Energie nicht verfallen dürfe. Lieber
folgte er dem energetischen Imperativ 'Verschwende keine Energie, verwerte sie'. Die
Spannung, unter der das "blutig schwere Werk"5, wie er es nannte, entstand, wurde
also keineswegs abgebaut. Sie wurde umgelenkt und blieb in einem elastischen Verhältnis zum Figurenpersonal der Werke erhalten. Daß er, Wagner, jede Partie und jedes Register selber singen, jeden Dialog selber vorsprechen, einen Lichtgott so glaubhaft doubeln konnte wie einen Schwarzalben, das belegt mehr, als daß er als nur eitel
war: Er ging aufs Ganze, er verlieh seinen Werken die eigene Stimme, um vor allem deren Fortbestand zu sichern. Und so ist, nach wie vor, viel Wagner in Wagner – was
tautologisch klingt, ist im Grunde nur folgerichtig. Schon Götz Friedrich hatte dies in
seiner Berliner Ring-Inszenierung in eine eigenständige Fabel übersetzt, der Drahtzieher Loge erschien bei ihm in Maske und Kostüm Richard Wagners. Ähnliches deutete
an anderer Stelle auch Christine Mielitz an, die den Wotan ihres Meininger Rings mit
Wagnerschem Barett und Backenbart ausstattete (vgl. Abb. 3) und daneben den schlafenden Fafner einer Wagner-Büste nachbilden ließ (vgl. Abb. 4). Nicht allein im Kleide von Metaphern sozusagen, sondern unter Zuhilfenahme von Theaterblut leiblich
(fast) wiederhergestellt, so blickt uns Wagner da aus seinen Figuren heraus, von der
Bühne herab entgegen (vgl. Abb. 5). Daß sein Leben selbst eine Parabel auf sein Werk
war – sieht man etwa auf die hemmungslose Parallelisierung des Werkes Siegfried mit
den Ansprüchen und Symbolen, die an das Kind Siegfried Wagner herangetragen
wurden, oder sieht man auf den sublimen Jux, daß Wagner im Familienkreis ab und an
"im blauen Gewand des Wotan"6 zu erscheinen pflegte – daß 'Auftreten' und 'Auftritt'
bei Richard Wagner Synonyme geworden sind, ist oft behauptet worden und scheint
schon deshalb zu belegen, wie sehr sich das Erscheinungsbild Wagners mit dessen
Werk vermengt hat. Die Konsequenzen allerdings liegen auf der Hand, auch für uns:
Wer sich einem Thema verschreibt, das per se in das Private hinüberspielt, der wird das
Biographische vor oder gemeinsam mit dem Werkspezifischen besprechen müssen. Eine
Rechtfertigung ergibt sich aus der Themensetzung selbst. Schlaf und Schlafmotiv
scheinen so dicht zusammenzugehören, daß es fast einer unerlaubten Auslassung gleichkäme, würde man das eine ohne das andere verhandeln wollen.
Aber: Die poetologische Diskussion, inwieweit biographisches Material generell
eine Hilfe sein kann für die Interpretation eines Kunstwerks, hat man damit natürlich
nur durch glückliche Umstände von sich abgehalten. Gerade anhand Wagners ist viel
und Fruchtbares aus Reihen derer vorgebracht worden, die ganz im Gegenteil glauben,
daß die Biographie eines Künstlers ein Stolperstein auf dem Weg zu dessen Werk und
daß das Biographische zur Werkanalyse heranzuziehen ein ungeheurer Regelverstoß
5 Brief Richard Wagners vom 15. 1. 1854 an Franz Liszt. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1988a], S. 357
6 TB vom 4. 9. 1881. [Wagner, 1977], S. 791
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sei. Lange genug existiert sie bereits, die These, daß der Künstler als Schöpferfigur
naturgeleitet funktioniere. Gerade für Wagner scheint dies öfter in der Rezeptionsgeschichte eine Conditio sine qua non gewesen zu sein. Doch schaut man genau hin,
so zeigen sich auch hier Probleme, neue Probleme. Nimmt man erst einmal hin, daß
Kunst nur genialisch und nur ohne Einfluß von außen entstehen könne, so müßte man
auch akzeptieren, daß schon der Prozeß der Werkfindung in sich durch Seitenblicke
auf biographische Faktoren gestört würde. Dann aber dürfte sich die Herstellung von
Kunst überhaupt nicht mehr um das Leben kümmern. Der Künstler wäre ein Mensch
ohne Herkunft. Doch ist das noch eine These, mit der sich arbeiten läßt? Hätte
Wagner besser nicht in Bayreuth wohnen dürfen, als er dort komponierte, klänge sein
Werk dadurch integrer? Ist der Parsifal beschädigt durch die Tatsache, daß Wagners
Frau eine Konvertitin war? Ist die Götterdämmerung weniger chromatisch, weil Wagners
Siegfried zu Hause als verträglicher Junge galt? Wer dies ohne zu zögern bejaht, der
überzieht nun auch wieder, was ausgerechnet für Wagner nicht überzogen werden
dürfte – er stigmatisiert das biographische Material und macht es zu Altlasten, derer es
sich für die Erzeugung einer fragwürdigen Form von 'Werkreinheit' zu entledigen gilt.
Eine ebenso extreme Position. Extrem vor allem deshalb, weil man damit in die Nähe
jener mormonischen Exegeten zu geraten droht, die, um die Bibel von all ihren
fleischlichen Anspielungen befreien zu können, erst systematisch nach diesen zu suchen
beginnen. Was ist denn überhaupt 'biographisch'? Was bedeutet 'Werkimmanenz'?
Wem stünde es zu, hier zu sezieren? Es scheint eine kuriose Rechtsvorstellung zu sein,
daß das eine vom anderen abtrennbar sei. Von Stund an wäre es nicht nur dem Künstler, sondern sogar dem Interpreten verboten, etwas aus dem Künstlerleben in das
Kunstwerk hineinzulesen, was zugegeben eine nicht immer zweckdienliche, dafür aber
um so lustvollere Beschäftigung ist. Aber man muß vorsichtig bleiben. Das Argument,
daß ein Kunstwerk unabhängig sein müsse von seinem Erzeuger, ist überreif. Mit ihm
etwas beweisen zu wollen, legt den Verdacht des Anachronismus nahe. Hingegen auch
mit dem Wissen darum, was Wagner wann, wie und wo gesagt, getan oder gefühlt hat,
kann man heute ein disziplinierter Forscher sein. Rund 120 Jahre sind seit Wagners
Tod vergangen, 120 Jahre haben Routine im Umgang mit dem heißen Material erzeugt. Die Auffassung, daß die Sicht auf das Werk durch biographische Einschübe behindert würde, gilt nicht mehr uneingeschränkt. Vor allem die Wagner-Forschung hat
einen Sicherheitsabstand dazu eingenommen.
Widerlegt ist die Idee des Werkpurismus' damit freilich noch nicht. Deren Befürworter haben sogar nach neuen Argumentationsnischen gesucht, sie haben sie auch gefunden und behaupten nun, daß ein Künstler genau das mit ungeahnten Kräften in die
Kunst umsetze, was ihm selber fehlt, was er ersehnt, was ihn hungrig macht. Kunst sei
die Fertigkeit, das Verdrängte, das Verlorene und Erhoffte abzubilden. Das gelebte Leben kann demnach schon rein empirisch nichts mit jenen Kunstwerken zu tun haben,
die es freisetzt. Außer, daß es "bloßer Stoff [war], der aufgezehrt wurde.7 Die biogra7 [Dahlhaus, 1988], S. 8
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phische Substanz verhält sich zum Werk wie Holz zum Feuer. Das klingt dramatisch,
dramentauglich, emphatisch, künstlerisch, zumindest mag es erregend sein für diejenigen, die schon in Nietzsches Paranoia einen Sinn sahen. Doch genaugenommen
scheint sich auch hier mehr von den Sehnsüchten derer mitzuteilen, die urteilen, weniger von demjenigen, der beurteilt werden sollte. Denn blicken wir auf Wagner – so
verwühlt war dieser nun auch wieder nicht. Es gibt genügend biographische Fakten,
die er selbst ausgespart, die er seinem Werk und dessen Interpreten vorenthalten, die er
vorsätzlich verschleiert hat – der ganze Komplex der Beziehung zu König Ludwig II.
gehört dazu und auch das Liebesverhältnis zu Cosima. Der Briefverkehr zwischen den
Eheleuten ist bezeichnenderweise bis auf wenige Dokumente vernichtet oder blieb unveröffentlicht; die Abseiten der Freundschaft zu Ludwig verbergen sich hinter der Materialfülle des Königsbriefwechsels. Wer also meint, die Kunst hätte Wagners Leben
aufgezehrt, der hat nur zum Teil recht und am Ende zu viel weggeschnitten.
Folgen wir darum eher den Tatsachen. Eine Tatsache ist es nämlich, daß man neben
dem Leben und dem Werk auch noch eine dritte Größe für Wagner in Anschlag bringen muß, Tatsache, daß es undialektisch und ganz und gar nicht im Sinne Wagners wäre, nur binär zu argumentieren. Wagner war zwar extrem, und höchstwahrscheinlich
ging es ihm um Polarisation. Doch daß er (darin) je eindeutig gewesen wäre, das trifft
nun auch wieder nicht zu. Entscheidend dürfte für ihn erst das zutiefst künstlerische
Moment der Selbstdarstellung sein. Entscheidend ist die Stelle, wo die Einflüsse sich mischen. Was heißt das? Es heißt, daß Wagner vor allem theatral war.
Wer jetzt annimmt, dies beziehe sich nur aufs Theater und damit auf Wagners
Werk, der mißt zu kurz. Dies tut es nicht. Gewiß besaß Wagner die Neigung, das Leben auch jenseits der Bühne zum Theater zu stilisieren. Die szenischen Lesungen, die
er zum Besten gab, mögen denen signalisieren, die auf solche Signale hören, daß er die
Grenzen gern nach außen verschob. Doch diese Art Vertriebslogistik impliziert nicht
automatisch, daß er dort, wo er eine Grenze überdehnte, eine andere auch eingezogen
hätte. Seine Übergriffe fanden wechselseitig statt. Das Gesetz der Theatralität hebt deshalb für ihn auf, was als Widerspruch zwischen seinem Leben und seinem Werk selbst
widersinnig bleiben muß. Denn weder läßt sich Wagners Werk vollständig als Resultat
seines Lebens noch sein Leben sich als Ursache seines Werkes beschreiben. Erst das
Theatrale überführt das eine in das andere und macht es nach außen hin spruchreif.
Man bedenke: Daß Wagner in jede nur mögliche Rolle hineinschlüpfen konnte, bedeutet auch, daß er aus jeder Rolle wieder hinausschlüpfen konnte! Vor allem darin
war er proteisch, vor allem dadurch war er 'theatral'. Er spielte das Spiel mit der Erregung von Aufmerksamkeit durch Ablenkung. Je mehr Beweisstücke man darum in seine Waagschalen hineinzuwerfen versucht, desto uneindeutiger wird die Beweislage.
Gut möglich, daß die Wahrheit für Wagners Fall in einem Unschärfebereich liegt
(beckmesserisch ließe sich dazu wohl auch 'Grauzone' sagen). Vielleicht aber muß man
gerade nicht scharf-, sondern unscharf stellen, um ihn ganz erfassen zu können. Vielleicht ist er auch in dieser Hinsicht ein Vorläufer der Impressionisten und Surrealisten.
Vielleicht muß man ihn mit einem wechselweise offenen und geschlossenen Auge be-
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trachten. Wagner unter dem Gesetz der Theatralität begutachten heißt im Grunde, nahe genug an sein Leben und Werk heranzukommen und doch gleichzeitig weit genug
von beidem entfernt bleiben zu können, um nicht in den Verdacht unprofessioneller
Liebestätigkeit zu geraten.
Wer über Wagner spricht, der kann eigentlich nicht nicht sehen, daß dieser sein Leben weder überall bewußt ein-, noch daß er es unbewußt je ausgeschlossen hat. Selbst
derjenige, der auf der alleinigen Analyse des Werks beharren wollte, könnte nicht
bestreiten, daß Wagners kompositorische Energie sich so gut wie nie der Symphonik
zum Beispiel, sondern immer wieder 'nur' der theatralen Musik geöffnet hat, und das,
obschon Wagner mehrfach in seinen späten Jahren betont hatte, er wolle nun doch
einmal in das andere Fach hinüberwechseln. Aber für die Kunst ohne Bühne blieb bezeichnenderweise keine Zeit. Oder vielmehr glaubte Wagner – seinen "symphonischen
Ehrgeiz"8 kaschierend, wie Voss es nennt – mit dem Musikdrama den Beweis erbracht
zu haben, daß die Symphonik in diesem gipfele, ja daß das Musikdrama der Symphonik erst die fehlende Artikulation verschafft habe. Dahinter verbirgt sich die Idee,
daß nur die Mitteilungen zu etwas führen, die auch dramaturgisch vorbehandelt sind,
eine Auffassung, die sich aus Wagners Leben ableitete, die sukzessive auf sein Werk
übergriff, um am Ende wieder auf das Leben rückzuwirken. Überflüssig wäre es
entscheiden zu wollen, welchem Teil hier die größere Bedeutung zukommt.
Martin Gregor-Dellin, der eine der Standardbiographien Wagners geschrieben hat,
verknappt dies auf die Faustformel: Wagner "war ein autobiographischer Mensch". 9
Ernest Newman, dem wir die umfassendste aller Wagner-Biographien verdanken, sagt:
"He was primarily a dramatist, one of whose most complex psychological creations was
himself."10 Damit ist gemeint, daß Wagners Werkentwurf nie ohne Wagners Lebensentwurf ausgekommen wäre. Es meint umgekehrt aber auch, daß das Werk seinen
Schöpfer nur deshalb tolerieren konnte, weil dessen Leben bereits werkgerecht war.
Gewiß sollte man nirgends so weit gehen wie etwa Paul Bekker, der es in einem sicher
entwaffnenden Versuch unternommen hat, das Leben Wagners allein als Resultat, als
notwendigen Ausschuß des Werkes zu interpretieren. 11 Zweifelhaft scheint aber auch,
daß "nichts [...] falscher [wäre], als in Wagners Musik das tönende Abbild der Biographie zu sehen."12 Wagner selbst gab einmal zu, daß er "förmlich immer die Stimmungen durch[mache], die er komponiere!"13, und daraus kann man ableiten, daß sein
Genie schlichtweg darin bestanden haben muß, zu tun, was er war.
Gehen wir deshalb von folgender Überlegung aus: Sofern jemand ein Gesamtkunstwerk erschafft, muß er wohl auch selbst irgendwie daran beteiligt sein. Das Gegenteil
zu behaupten hieße am Gesamtkunstwerk zweifeln. Peter Wapnewski hat die schöne
8 [Voss, 1977], S. 43
9 [Gregor-Dellin, 1980], S. 594
10 [Newman, 1960c], S. 462
11 Siehe: [Bekker, 1924]
12 [Dahlhaus, 1988], S. 8
13 TB vom 26. 10. 1878. [Wagner, 1977], S. 210
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Legende überliefert von jener Fledermaus im Schnürboden des Festspielhauses, die,
von der Musik Wagners aufgestört, regelmäßig durch den Bayreuther Bühnenraum
geflattert sein soll – wer sie damals sah, der munkelte, daß dies "des Meisters Geist"14
sein müsse. Tatsächlich ist also – nach wie vor – viel Wagner in Wagner. Ohne ihn
scheinen seine Werke nicht auskommen zu wollen, und es sollte daher kein Grund zur
Irritation sein, daß man auf dem Weg zu Wagner an eben diesem nicht vorbeikommt.
Zumindest für die vorliegende Arbeit läßt sich daraus die Legitimation ableiten, daß das
Motiv vom Schlaf nicht nur mit Wagners Werk, sondern auch mit Wagners Leben
einiges zu tun haben darf.
<Der Gewandmeister>
Schon aus Wagners Rigaer Zeit ist zum Beispiel überliefert, daß man den jungen Kapellmeister, lange bevor dieser sich als " handfester Klavierspieler"15 erwies, als eine
Person "im Schlafrock, die Pfeife im Munde, einen türkischen Fez auf dem Kopfe"16
wahrgenommen hatte. Der Impresario Angelo Neumann, der gut mit Wagner bekannt
war, berichtet aus dessen späteren Jahren:
Cosima Wagner [...] empfing mich mit den Worten: »Mein Mann schläft, ich bitte Sie,
einstweilen mit meiner Gesellschaft vorlieb nehmen zu wollen, ich möchte ihn noch nicht
wecken.« Nach ungefähr einer halben Stunde [...] erschien der Meister [...]. Er trug das
bekannte Barett, einen kurzen, dunkeln, seidenen Hausrock und graue Beinkleider. 17
Auch ein gewisser Louis Schlösser, der Wagner 1860 in Paris besucht hatte, erinnert
sich, daß dieser ihn "sogleich in den Salon hinaufbitten ließ, wo er mich im gemütli-
14 [Wapnewski, 1983], S. 140. Auch [Baumann, 1980], S. 196 erwähnt die Fledermaus, und zwar in ei-
nem Kontext, in dem es um den berüchtigten Streit zwischen Wieland Wagner und Hans Knappertsbusch
und um das Erscheinen jener Taube im Parsifal geht, ohne die Knappertsbusch partout nicht dirigieren
wollte: "Gelegentlich erschien eine 'lebendige Taube' im Scheinwerferlicht: Eine der zahlreichen Fledermäuse, die im Festspielhaus ihren Platz auf dem Dachboden und in der Beleuchterloge im Zuschauerraum
hatten. Wenn sie in Rheingold am Portalschleier auf- und niederflogen oder die Johannisnacht im zweiten
Akt Meistersinger belebten, sahen die Techniker das Erscheinen von 'Richards Geist' während der Vorstellung als gutes Zeichen an." Wapnewski ergänzt an anderer Stelle: "Übrigens: Wo ich von einer Fledermaus rede, meine ich sie als Unam pro multis. Eine Fledermaus kommt selten allein..." (Auszug aus einem
Brief vom 5. 12. 2005 an die Verf. J. D.) Notabene: Die Fledermäuse scheinen sich bis auf den heutigen
Tag in Bayreuth erhalten zu haben. Wenigstens eine von ihnen geisterte zur Festspielsaison 2003 nicht nur
durch Bühnen- und Zuschauerraum, sondern auch durch die Presse. Vgl. z. B. den Artikel Die Rache der
Fledermaus von [Luehrs-Kaiser, 2003]. Nach wie vor ist allerdings nicht bekannt, ob ein innerer Zusammenhang zwischen der Bayreuther Fledermaus und jenem Getier besteht, das nach Aussagen Erich Kästners einmal während der Salzburger Festspiele anzutreffen war: "Hermann Bahr hat diese Kirche [den Salzburger Dom] den schönsten Dom Italiens auf deutschem Boden genannt. Heute abend hatte er recht. Als
sich die Kapelle, der Chor, die Orgel und die Solosänger zu der gewaltig tönenden liturgischen Konfession
[der C-Dur-Messe op. 86] Beethovens [sic] vereinigten, lösten sich, im Schlaf gestört, kleine Fledermäuse
aus dem Kuppelgewölbe und flatterten lautlos in der klingenden Kirche hoch über unsern Köpfen hin und
her." [Kästner, o. J.], S. 49
15 [Marcuse, 1973], S. 38
16 [Glasenapp, 1905a], S. 301
17 [Neumann, 1907], S. 58f.
30
chen Hauskleide, den roten Fez mit blauer Quaste auf dem Haupte, empfing". 18 1861
schreibt Eduard Devrient in sein Tagebuch:
Wagner im Gasthofe besucht. Der arme Mann, der, wie er mir selbst sagt, in den letzten
Jahren gar nichts erworben [...] hat [...], dieser arme Mann saß im grünen Sammetschlafrock, mit violettem Atlas gefüttert, und türkischen Hosen vom selben Stoffe und
einem weiten braunen Sammetbarett, das ungeschickt aufgesetzt, seinem spitzen Advokatengesicht drollig stand. 19
Wilhelm Kienzl notiert: "In einem hohen Samtlehnstuhle saß der Meister selbst. Er
trug seine Haustracht: einen schwarzsamtnen, weiten Rock, schwarzseidene Schuhe
und Samtbarett".20 "[Ä]rgerlich" sei Wagner selbst gewesen, so schreibt Cosima einmal
an ihre Tochter Daniela, als sich eine kleine Abendgesellschaft in Wahnfried zusammengefunden, er aber schon "seinen violetten Anzug (Schlafrock)" angehabt habe und
sich nun nochmals hätte "umkleiden"21 müssen – für Wagner scheint das eine Ausnahme gewesen zu sein. Léon Leroy, 1859: "Ich sehe ihn noch vor mir, in einer Art
Hausrock von violettem Sammet, auf der mächtigen Stirn ein Barett aus dem gleichen
Stoffe".22 Lilli Lehmann: "Gelbdamastner Schlafrock, rote, oder rosa Kravatte, ein
großer schwarzer Radmantel von Samt, mit rosa Atlas gefüttert (damit kam er auf die
Proben) – so ging man nicht in Prag, ich starrte und staunte."23 Bei Paul Joukowskys
überraschendem Eintreffen in Italien kam er, Wagner, "als ihm [...] meine Ankunft [...]
bestätigt wurde, [...] sogleich, wie er ging und stand – zum Entsetzen der englischen
Gäste – in seinem Atlasschlafrock durchs ganze Hotel gelaufen"24; "meine MorgenGarderobe ist jetzt mein Stolz!"25 In der Tat, all das ist bemerkenswert. Wagner wirkt
überspannt. Zumindest ist nicht von der Hand zu weisen, daß er neben einem eigenen
Geschmack auch einen ganz eigenen Sinn für Grenzen besessen haben muß. Denn was
'öffentlich' war und was 'privat', das scheint er in einer Weise aufeinander bezogen zu
haben, die verhindern half, daß getrennt blieb, was als getrennt galt. Wer meinte, den
Komponisten Wagner treffen zu können, dem präsentierte sich Wagner als Privatperson; wer privat zu Wagner kam, fand einen Menschen vor, der sich durch Kitsch,
Pomp und Stilbrüche von seiner Umgebung abzusetzen, der sich demonstrativ in ihr
zu inszenieren suchte. "An meinem Geburtstage breitete ich mir auf dem Bett all
meine hier angeschafften Sachen aus, und konnte dem Drange nicht widerstehen, alles
auf meinen Leib zu ziehen, und mich so der erstaunten Welt zu zeigen". 26 Grotesker18 Zitiert in: [Glasenapp, 1905b], S. 478
19 [Devrient, 1964b], S. 382
20 [Kienzl, 1904], S. 267
21 Brief Cosima Wagners vom 10. 1. 1881 an Daniela von Bülow. [<Wagner, Cosima - Briefe>, 1933],
S. 110
22 Zitiert in: [Glasenapp, 1905b], S. 218
23 [Lehmann, 1913], S. 103
24 Zitiert in: [Glasenapp, 1911], S. 552
25 Brief Richard Wagners vom 16. 5. 1875 an Verena Stocker. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1909], S. 567
26 Brief Richard Wagners vom 25. 5. 1855 an Minna Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1908a], S. 200
31
weise wurde der ersehnte Abstand vor zu viel Nähe hier offenbar gerade durch Nahansichten erzeugt. Aber es ging um Perspektivverschiebungen. Wagner unterwarf das
Äußere dem Inneren und schlug buchstäblich das Innenfutter nach außen. Zwar glaubt
Joachim Köhler, daß er sich allein "aus Gründen, die nur er kannte"27 die seidenen
Schlafröcke und Schlafhauben habe schneidern lassen. Doch man stelle sich vor: Wagner im Schlafrock in der Hotellobby, Wagner im Schlafrock auf der Probe – die
'Gründe, die nur er kannte', stilisierte er immerhin zu öffentlichen Geheimnissen. Das
ist ein Verdachtsmoment. Zu auffällig ist auch, daß Wagners Sehnsucht nach Bequemlichkeit sich bald mit Beharrlichkeit verband und die Beharrlichkeit wiederum mit
einer heimlichen Begehrlichkeit. Kurz: Mögen Wagners modische Eskapaden manchem auch nicht sofort als Beweise für unser Thema hinreichen, das selbst jenseits des
Beweisbaren liegt, so scheinen sie doch mehr wert zu sein als nur eine Anekdote. Man
täte Wagner Unrecht, würde man nicht wenigstens probehalber in Betracht ziehen,
daß das Physische bei ihm a posteriori mit dem Metaphysischen zusammenhängt.
Wendelin Weißheimer berichtet, daß Wagner sich auf seine szenischen Lesungen
stets viel weniger innerlich als äußerlich vorzubereiten pflegte, und zwar indem er mit
spürbarem "Behagen [...] in einen seiner berühmten Sammetschlafröcke [schlüpfte] und
[...] ein dazu passendes Barett über den Kopf [zog], worauf die Vorlesung begann."28
Nur kurios ist dies nicht. Selbst Wagner dürfte klar gewesen sein, daß ein öffentlicher
Vortrag der falsche Moment ist um zu privatisieren, – daß er es dennoch tat, dahinter
lassen sich Absichten vermuten. Glasenapp schildert folgende Szene: Ein junger russischer Enthusiast, der bei Wagner zu Gast war, setzte der
Vorliebe für 'Andenken' [...] dadurch die Krone auf, daß er die Gutmütigkeit des Meisters
und dessen jovialen Humor durch seine Bitte dazu herausforderte, seinen schwarzseidenen
gesteppten Hausrock direkt auszuziehen, um ihm auf seinen Wunsch auch diesen nebst
seiner Kappe zu schenken. 29
Gutmütig und jovial aber, das war Wagner in diesem speziellen Punkt gar nicht, ja daß
der junge Mann am Ende nicht leer ausgegangen ist, belegt um so mehr, daß er es
nicht war. Denn die Situation beweist zweierlei. Zum einen, daß Wagners Schlaf- und
Hauskleidung schon bald zu einem wichtigen Erkennungs- und Identifikationsmerkmal
geworden zu sein scheint – zu einer Art selbstauferlegter Verlarvung, durch die sich
vermitteln ließ, was anders nur schwer vermittelt werden konnte. Selbst das Bayreuther
Wagner-Museum stellt noch heute einen Schlafrock des Meisters aus, um dessen
(vermeintlich) auratische Erscheinung dingfest machen zu können. Zum anderen zeigt
sich, daß die Wirkung, die Wagner bei seinem zeitgenössischen Publikum erlangte, in
der Tat exponentiell gestiegen sein muß im Verhältnis zu jenen Attitüden der Intimität,
die er zu Markte trug. Was seine 'berühmten' Schlafröcke betrifft, so war er mitnichten
27 [Köhler, 2001], S. 583f.
28 [Weißheimer, 1898], S. 101
29 [Glasenapp, 1911], S. 99
32
gutmütig und jovial, eher präpotent und outriert. Aus seiner ersten Luzerner Zeit
wissen wir, daß er sich während der Arbeit an seinen Kompositionen des öfteren im
Nachthemd oder im Schlafrock auf den Balkon seiner Wohnung begab, obschon dort
gewiß mit fremden Blicken zu rechnen war. Aus seinen Kommentaren dazu spricht
nicht nur Ironie, sondern auch Eitelkeit: "[D]a muß ich denn immer gehörig begafft
werden", sagt er, "und weiß noch nicht ganz, ob das meiner Berühmtheit, oder meinem schönen Schlafrock gilt". 30 Oder: "[Mein] Luzerner Publikum [hat] seinen Vorteil, [...] meinen neuen Schlafrock täglich bewundern zu können – mit wahrem Fanatismus aus[ge]beutet. Er muß doch sehr schön sein!"31 Nietzsche notierte sich: "Mit der
Kunst des Luxus kritisirte er sich selbst und durchschaute sich."32 Das ist natürlich
richtig, es ist auch weit genug gedacht. Wagners Expansionsdrang, das "neckende[...]
Possenspiel"33, wie Nietzsche es nennt, hätte ohne Wagners Introvertiertheit gar keinen Bedeutungsspielraum erlangen können. Doch zuallernächst ging es darum zu manifestieren, daß der Luxus als sublimierte Form der Kunst überhaupt eine eigene
Berechtigung habe. Und dazu waren starke Scheite nötig. Wagner wußte, daß er der
Kunst zuliebe ein ungewöhnliches Vermarktungskonzept würde in Gang setzen müssen.
Seine ersten Manifeste in dieser Richtung lassen sich finden, sobald man auf die
Reihe von Wagner-Porträts blickt, die ihn vergleichsweise selten zu idealisieren scheinen. Eher das Gegenteil ist der Fall, möchte man meinen. Genau so, wie zum Beispiel
jene Studie, die 1842 Ernst Benedikt Kietz von ihm angefertigt hatte, zeigen ihn viele
Abbildungen 'nur' informell, im Schlafrock, mit weichem Schalkragen und lockerer
Halsbinde (vgl. Abb. 6). Doch die Idealisierung hatte natürlich schon viel früher eingesetzt. Lange vor der ersten Porträtabnahme war das Bewußtsein ausgebildet worden,
daß sich ein Sinnzusammenhang auch kultivieren läßt, wenn man methodisch unterkomplex bleibt. Indem Wagner die Sehgewohnheiten seiner Zeit desavouierte (und
später auch die Hörgewohnheiten), erzeugte er den Eindruck, daß auch er einen wesentlichen Anteil an diesen haben müsse, ja daß auch er sogar ein Anrecht auf diese
besitze. Präsentiert ihn das Bild von Kietz noch im Schlafrock, so posiert er dort schon
mit napoleonischem Gestus, die eine Hand im Revers. Das mag nur einer Laune entsprungen zu sein, es mag die Darstellung als Ganzes in die Nähe einer Travestie
rücken, ein Zufall jedoch ist es nicht. Zwar bekennt Wagner 1852, 10 Jahre später, daß
er "dieses alberne Schlafrockportrait [...] gehörig auf dem Striche [habe]". 34 Wahrscheinlich war die Zeichnung auch nicht von vornherein für repräsentative Zwecke
gedacht. Aber schon der Malerfreund Friedrich Pecht fand "das Porträt [...] Wagners
(im geblümten Schlafrock) [sprechend ähnlich]"35 und nahm damit vorweg, daß es am
30 Brief Richard Wagners vom 24. 4. 1859 an Minna Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1908b], S. 77
31 Brief Richard Wagners vom 9. 5. 1859 an Mathilde Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1915],
S. 197
32 Nachgelassene Fragmente. [Nietzsche, 1988k], S. 242
33 Ebd.
34 Brief Richard Wagners vom 25. 3. 1852 an Theodor Uhlig. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1912], S. 177
35 Nach: [Glasenapp, 1905a], S. 346
33
Ende erfolgreich in Umlauf geriet. Solveig Weber, die die erste Kartierung aller
vorhandenen Wagner-Bildnisse unternommen hat, bringt die Sache auch für uns auf
den Punkt, wenn sie sagt: Das "offizielle Wagner-Porträt [...] kündigt sich [damit]
an."36
Aus dem Jahr 1862 stammt das große Ölbild von Cäsar Willich, – wieder finden wir
Wagner darauf in seiner üblichen Haustracht (vgl. Abb. 7). Erstaunlich ist es, wie wenig sich im Vergleich zu der Studie von Kietz geändert hat, selbst Wagners Backenbart
ist nach 20 Jahren noch immer derselbe. Nur: Diesmal war das Bild von Anfang an für
die Vermarktung gedacht – Wagners Urteil darüber fiel auch schon viel günstiger aus:
Willich malt: er traf mich an einem kalten Julimorgen in meinem alten venezianischen
Sammetschlafrock, und will nun, des Effektes willen, durchaus nicht aufgeben, mich in
dieser Tracht zu malen. – Möge alles gut enden!37
Es ging also um den 'Effekt', es ging um das, was nach außen dringen sollte. Und
obwohl Wagner in seinem Schlafrock damit nun eigentlich den glatten Widerspruch
riskiert – zeigt er uns doch, wie er privat aussah – so vermochte er offenbar, den Effekt
trotz allem zu zünden. Daß er sich genötigt sah, einem seiner Sänger in Bayreuth
einmal den Vertrag aufzukündigen, weil dieser "nichts Hübscheres [fand] als R.s
Haustracht in der Zeitung zu beschreiben"38, wirft nur in erster Instanz die Frage auf,
warum er hier auf der einen Seite etwas verfolgte, was er auf der anderen selbst
forcierte. In zweiter Instanz dürfte klar sein, daß er seine Effekte natürlich berechnet
und daß er sie auf einen Ertrag hin angelegt hatte. Kontraproduktiv mußte ihm alles
erscheinen, was den Anspruch hintertrieb, daß er mehr beabsichtigte, als bloße Spiegelfechtereien. Denn ihm ging es um Enthüllung, nicht um Verhüllung. Läßt sich noch
aus den Bildern, die uns etwa von Beethoven überliefert sind, die sukzessive Idealisierung von außen ablesen, so spricht aus den Wagner-Porträts ohne jeden Zweifel eine
Idealisierung von innen. Man könnte auch sagen: Die Person Beethovens wurde durch
die rücksichtslose Enttarnung einiger weniger Charakteristika verschleiert. Wagner statt
dessen wollte durch Verlarvung etwas von sich freilegen.
Auch auf den 1867er Lichtbildern aus Tribschen sehen wir ihn deshalb im Hausrock – hier übrigens das erste Mal mit dem Wagner-Barett (vgl. Abb. 8); auch diese
Abbildungen wurden erstaunlich schnell an die Öffentlichkeit gegeben, obwohl sie
ursprünglich für den Privatgebrauch gedacht waren. Über ein Porträt aus den Jahren
1871/72 berichtet Wagner sogar: "Zu allererst kam aber an mein Bett noch – Lenbach
[...,] machte sogleich nichts wie lauter Studien"39 und "[examinirte] meine schwarze
Sammetjacke".40 Cosima meinte zwar, daß das aus dieser Sitzung hervorgegangene Bild
sie insgesamt "ein wenig matt, schlaff [dünke]", sie ergänzt aber: "[I]ch weiß sehr gut
36 [Weber, 1993a], S. 98
37 Brief Richard Wagners vom 26. 7. 1862 an Otto Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1915], S. 406
38 TB vom 1. 5. 1875. [Wagner, 1976a], S. 914
39 Brief Richard Wagners vom 10. 12. 1871 an Cosima Wagner. Zitiert in: [Geck, 1970], S. 38f.
40 Brief Richard Wagners vom 11. 12. 1871 an Cosima Wagner. Zitiert in: Ebd., S. 39
34
dass Wagner so aussehen kann, und meistens für die Welt vielleicht so aussieht". 41 Eine
Studie von 1880 erläutert sie folgendermaßen: "R. sitzt ihm [Lenbach], sagt aber dabei,
er sei müde und wolle am liebsten die Augen schließen."42 Für einen Augenblick droht
Wagners produktiver Widerspruchsgeist suspendiert zu werden. Doch Martin Geck
stellt den Zusammenhang sicher, wenn er sagt, daß Wagner sich (fast) immer "als
Glanzfigur [habe] fotografieren lassen".43 Auf den zwei großen Foto-Serien von 1867
und 1871 finden wir ihn darum erneut in einem Ornat, das sich bei genauem Hinsehen
als Alltagskleidung entpuppt. Einmal trägt er einen schwarzmattierten Schlafrock mit
großem kassettengesteppten Kragen, das andere Mal eine schwarz-samtene Hausjacke
mit weicher, seidener Blende an den Aufschlägen (vgl. Abb. 9-10) – deutlicher ist
kaum darzustellen, daß es sich hier nicht um Improvisationen handelt, sondern um eine
dramaturgisch höchst geschickt aufbereitete Befindlichkeit. Wagner verband die kleine
Form mit der großen Geste. Nicht ohne Grund bemerkt er über ein Porträt aus der
Lenbach-Serie, "daß der Künstler hier alles dem einen Blick aufopferte oder vielmehr
alles übertrieb, Alter, Müdigkeit, um den einen Effekt der Entrücktheit hervorzubringen".44 Eine Befindlichkeit also, die letztlich mit Wagners Werk wie durch einen
unterirdischen Gedankenschacht in Verbindung zu stehen scheint. Thomas Mann:
"[W]er wollte verkennen, daß der Atlas auf irgendeine Weise auch in Wagners Werk
enthalten ist?"45 Doch was äußerlich war an Wagner, das wird von der WagnerRezeption bis heute als äußerlich gebranntmarkt und ist noch immer von der akademischen Forschung ausgeschlossen. Man fühlt sich düpiert, ist verschnupft, man verdrängt, was Wagner von sich preisgab. Dabei gibt es in seinem Erscheinungsbild so
viele Entsprechungen zu dem, was hier nur angerissen werden konnte, daß man sich
fragen muß, warum nicht längst eine systematische sozialhistorische Deutung des Mannes (wie auch des Werkes) aus Reihen der Kostümkunde unternommen wurde. 46 Obwohl sogar das Grimmsche Wörterbuch – als Sittenwächter sozusagen über alle deutschen Entgleisungen – statuierte, daß der Schlafrock "keine gesellschaftstracht"47 sei, ist
das Leben Wagners voll von Verstößen gegen die Kleiderordnung seiner Zeit. Oder
sagen wir besser: voll von Neuinterpretationen.
<Contre la mode>
Aus verschiedenen Quellen ist überliefert, daß Wagner über die Jahre hinweg zunächst
eine heftige Abneigung gegen den allgemeinen Kostümstil, speziell gegen die Herrenmode seines Jahrhunderts entwickelt hatte. Cosima berichtet, daß "R. [...] erneuert seinen Widerwillen gegen die jetzige Tracht kund[gibt]" und statt dessen "in neuer Samt41 Brief Cosima Wagners vom 7. 2. 1872 an Franz von Lenbach. Zitiert in: Ebd., S. 145
42 TB vom 3. 11. 1880. [Wagner, 1977], S. 617
43 [Geck, 1970], S. 36
44 TB vom 1. 6. 1878. [Wagner, 1977], S. 104f.
45 [Mann, 1974a], S. 413
46 Vgl. mit dem Abschnitt <Coda: Traumstoffe/ Schnittmuster> in Kap. I.3, im speziellen dort mit Anm. 470
47 [<Grimm>, 1899e], Sp. 307
35
Jacke und langem Gilet als »Louis XIV.«"48 oder ein anderes Mal in grünem Aufputz,
"genannt Rembrandt" erscheint "und ganz wie Figaro darin aussah". 49 Ferdinand Praeger, der Wagner bereits um 1840 in einem "talarartigen Sammtrock und [einem] Barett, eine[r] [...] in unserer Zeit immerhin ungewöhnliche[n] Kopfbedeckung"50 anzutreffen gewohnt war, überliefert dessen Äußerung: "»Ja, ja, das ist der Geist des Jahrhunderts, alles nur Flittergold, falsch wie die Modekunst«"51 und fügt hinzu, daß
Wagner "ganz besondere Ideen über Kleiderreform"52 besaß. Er sei "sehr verärgert [gewesen]", berichtet die Putzmacherin Bertha Goldwag, "in allen Salons, in denen er
Schlummerkissen und Ähnliches kaufe, habe man kein Verständnis [gehabt] für das,
was er eigentlich haben möchte". 53 Als Cosima sich einmal selbst einen Hut "erfunden"
hatte, "da ich die jetzigen Extravaganzen nicht zu tragen vermag, gefällt [dies] R."54
Freilich scheint die Behauptung, das 19. Jahrhundert sei im Vergleich mit dem Wagnerschen Kleidungsstil 'flitternd' und 'extravagant' gewesen, aus heutiger Sicht seltsam
verkantet. Doch bemerkenswert bleibt, daß Wagner sich sogar angewöhnt hatte, all
jenen Kleidungsstücken Namen zuzuordnen, die die Norm auf die eine oder andere
Art sprengten; er arbeitete analogisch, für den Inhalt beschäftigte er sich mit der Form.
Neben der schon erwähnten Joppe, die er 'Rembrandt' nannte, sprach er von einem
"»Liebe[n] Gott«-Gewand"55, eine Robe Cosimas heißt der "Schwan"56, eine andere
"Parsifal"57 und wieder andere "Scheherazade"58, "Maradscha"59, "Mandarin"60,
"Schwanen-Anzug"61, "Schmelzanzug"62 oder "Jardinière". 63 Cosima berichtet von
einem "Rosalien-Kleid"64, mit dem Wagner sicher weniger seine eigene Schwester
'Rosalie', als viel eher den gleichlautenden Terminus technicus aus der Musik assoziiert
hatte, der einen kleinen und sich öfter wiederholenden Tonsatz bezeichnet. Eine
"wunderschöne, ganz unerhörte" Chaiselonguedecke wollte er allerdings doch nach
48 TB vom 12. 10. 1879. [Wagner, 1977], S. 424. 'Erneuert' heißt vermutlich 'erneut', entspricht aber dem
originalen Wortlaut Cosimas.
49 TB vom 17. 10. 1882. [Wagner, 1977], S. 1026
50 [Praeger, 1892], S. 132
51 Zitiert in: Ebd., S. 264
52 Ebd., S. 265
53 Zitiert in: [Kusche, 1967], S. 28
54 TB vom 8. 11. 1873. [Wagner, 1976a], S. 748f.
55 TB vom 25. 12. 1882. [Wagner, 1977], S. 1080
56 TB vom 12. 3. 1879. Ebd., S. 315
57 TB vom 2. 12. 1880. Ebd., S. 630
58 TB vom 1. 6. 1879. Ebd., S. 358
59 TB vom 25. 12. 1878. Ebd., S. 274. Vgl. auch TB vom 20. 3. 1880. Ebd., S. 507
60 TB vom 13. 7. 1878. Ebd., S. 137. (Im Original hervorgehoben.)
61 TB vom 25. 12. 1878. Ebd., S. 274
62 Ebd.
63 Ebd.
64 Brief Cosima Wagners vom 7. 6. 1882 an Daniela von Bülow. [<Wagner, Cosima – Briefe>, 1933], S. 277
36
Madame Gautier-Mendès "Judith"65 nennen. All das sind Zuschreibungen, die bei genauem Hinsehen auf etwas Utopisches verweisen, auf etwas Fernes, Märchenhaftes
oder Transzendentales, auf das Prinzip des 'ganz Anderen' – es geht um Musik, um
Kunst oder Religion, um Zaubergärten, Zauberwesen und ferne Länder. Es scheint nur
folgerichtig, daß Wagners Widerwillen gegen die standardisierte Tracht seiner Zeit
darin gipfelte, daß er sich schwer tat mit der täglichen Prozedur des Ankleidens. Die
Aussteifung, die mit diesem einherging, besonders der unablässige "Kampf mit dem
Knöpfen"66, wurde als unangenehme "Notwendigkeit"67 empfunden, das Um- und
Entkleiden hingegen, das einem Los- und Fallenlassen entspricht, als wohltuend: "[D]er
Meister selbst, nachdem er erst den Konzertdirigentenfrack mit dem Schlafrock vertauscht, sei wahrhaft kindisch froh und ausgelassen lustig gewesen."68
Wagner scheint demnach die formale Auflösung der üblichen Herrentracht in das
ihr gegenteilige Extrem betrieben zu haben. Sukzessive emanzipierte er sich mit seinem
Kleidungsstil von der Etikette. Gut ist die Metamorphose nachzuverfolgen, durch die
er von den festen Stoffen zu den weichen, von den Geh- zu den Schlafröcken und von
der maßgeschneiderten Couture zu einem Stil gelangt war, der die festen Konturen nur
noch umfloß. Loden, Filz und Baumwolle ersetzte er durch Samt und Seide. Den
spitz-aufgerichteten Vatermörder ersetzte er durch den sanft-fallenden Schillerkragen.
Die vertikalen Knopfleisten ersetzte er durch die den Körper horizontal umschließende
Schlafrockkordel oder Schärpe. Und den Zylinder, der geradezu ein Emblem ist für das
19. Jahrhundert, ersetzte er durch das Barett, welches uns neben den flachen Rundkappen des Mittelalters und der Jakobinermütze stilgeschichtlich einfach auch an eine
Nachthaube erinnern muß. Die Provokation, die Wagner damit zur Schau stellte, ist
nicht zu übersehen. Er verweigerte sich dem Modediktat, indem er es invertierte, und
vielleicht verweigerte er sich dem Modediktat sogar, indem er es persiflierte. Es mag
richtig sein, hinter seinen Kostümen auch eine Form gespielter Narrheit zu vermuten,
durch die er, der Narr eines Königs, der selbst als Beau galt, dichter an die Wahrheit
herankam und gleichzeitig besser vor ihr geschützt blieb. Zumindest kostümgeschichtlich scheint er eine Form gefunden zu haben, durch die sich in Rätseln sprechen ließ.
Doch seine Ironie ist auch ein Sturmzeichen seiner Kritik. Daß Wagner sich vom Geschmack seiner Zeit distanzierte, ist Ausdruck jener Verachtung, die er für diese empfand.69 Er schreibt: "[W]ir haben ein schmachvolles Jahrhundert: Man muß sich daraus
zurückziehen, zur Noth auch ohne Schlafröcke"70, aber nur 'zur Noth'. Besser ist: "Da
65 Brief Richard Wagners vom Okt./ Nov. 1877 an Judith Gautier-Mendès. [<Wagner, Richard - Briefe>,
1936a], S. 148. Vgl. auch den Brief Richard Wagners vom 27. 11. 1877 an Judith Gautier-Mendès. Ebd.,
S. 156f.
66 TB vom 9. 3. 1878. [Wagner, 1977], S. 55
67 TB vom 13. 3. 1882. Ebd., S. 910
68 [Glasenapp, 1905b], S. 73
69 Seine interpretatorische Freiheit in Fragen der Mode dürfte sogar mit seinen frühen politischen Überzeugungen zusammengehangen haben. Vgl. mit dem Abschnitt <Coda: Traumstoffe/ Schnittmuster> in
Kap. I.3
70 Brief Richard Wagners vom 19. 10. 1863 an Mathilde Maier. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1930], S. 128
37
sitz ich denn [...] und warte mein Schicksal ab, lasse mir auch schöne ThronfolgerSchlafröcke machen!"71 An Minna, an seine bevorzugte "Schlafrocklieferantin"72, ergehen oft Vorwürfe: "Warum schickst Du mir denn", fordert er, "keine Nachthemden!
Oh!"73 An anderer Stelle heißt es:
[N]un sollst Du mir auch eine [...] Sommertracht erfinden. Meine luxuriöse Phantasie geht
mit folgender Ausgeburt schwanger: eine weite, faltige Jacke [...] von Sammet oder starker
Seide, aber nicht wattirt und mit Seide gefüttert; dazu so ein paar schöne Hosen, wie ich sie
auch endlich bei Dir durchgesetzt habe, aber ebenfalls nicht wattirt, und mit Foulard gefüttert. 74
Wieder ein anderes Mal ist Minna hellsichtiger und schickt von selbst einen "neue[n]
violettseidenen Schlafrock, ein neues Sammtbarett"75 (vgl. Abb. 11). Ende des Jahres
1850 wird folgende Nachricht zirkuliert: "Meine Frau hat mir einen sehr bequemen
neuen Schlafrock gemacht"76 (an Uhlig)./ "Meine frau hat mir einen neuen schlafrock
gemacht"77 (an Kietz)./ "[S]eit zwei Tagen hat mir meine Frau einen neuen Schlafrock
gemacht, und in ihm fühle ich mich glücklich"78 (an Julie Ritter). Eine Nachricht, im
Tonfall nicht wirklich salopp, von offenbar markanter Wichtigkeit. Denn sogar auf der
Flucht vor seinen Gläubigern und just an jenem Tag, an dem die rettende Einladung
durch König Ludwig II. bei ihm eintraf, war Wagner ausgiebig mit einem "grünseidenen Schlafrock" beschäftigt, den er "in den Koffer preßte, der [aber] immer wieder
herausquoll und sich durchaus nicht einschließen lassen wollte". 79 Fast scheint es, als
hätten die vielen Schlafröcke bereits ein eigenes Leben entwickelt oder als spiegelten
und kommentierten sie genau das, was Wagners Lebensgeschichte ausmachte. Daniel
Spitzer interpretierte den Tatbestand so: "Ja, dieser Schlafrock hat eine Seele; [...] diese
Rüschen sind nicht geschoppt, es schwellt sie die Empfindung; diese Maschen atmen.
Es liegt ein zielbewußtes Streben in diesem Schlafrocke, es ist, als ob er nach vorwärts
stürmte".80
Und an mir ist auch nicht viel zu ändern: ich behalte meine kleinen Schwächen, wohne
gern angenehm, liebe Teppiche und hübsche Möbel, kleide mich zu Haus und zur Arbeit
gern in Samt und Seide81,
71 Brief Richard Wagners
72 Brief Richard Wagners
73 Brief Richard Wagners
74 Brief Richard Wagners
vom 29. 4. 1863 an Mathilde Maier. Ebd., S. 88
vom 11. 4. 1855 an Minna Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1908a], S. 163
vom 7. 11. 1851 an Minna Wagner. Ebd., S. 86
vom 17. 5. 1855 an Minna Wagner. Ebd., S. 167
75 [Praeger, 1892], S. 268
76 Brief Richard Wagners vom [10.] 12. 1850 an Theodor Uhlig. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1912], S. 75
77 Brief Richard Wagners vom 13. 12. 1850 an Ernst Benedikt Kietz. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1975],
S. 483
78 Brief Richard Wagners vom 12. 12. 1850 an Julie Ritter. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1920], S. 56
79 [Weißheimer, 1898], S. 268
80 [Spitzer, 1906], S. 47f.
81 Brief Richard Wagners vom 22. 2. 1859 an Mathilde Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1915],
S. 175
38
schreibt Wagner in einem Brief an Mathilde Wesendonk, wahrscheinlich mit dem
Hintergedanken, daß deren Gatte der Unternehmer eines großen Seidenhauses war.
"Herrn Wesendonck's schöne Seidenstoffe – die ich mir mit meinem alten Schlafrock
ersessen habe", erläutert er später Cosima, sie "zieren mein Dasein mit weicher Anmuth, und – so sitze ich da, und warte auf die Friedenstaube, die mir fernere Subsidien
bringen soll". 82 Und "[e]ines Nachts war bei mir eingebrochen worden: die goldene
Dose, welche das Moskauer Orchester mir verehrt hatte, war gestohlen. [...] Meine
Schlafröcke ließ man mir wohl in Ruhe! Ätsch!"83 Wagner scheint in seine Garderobe
investiert zu haben wie andere in kostbare Edelsteine. Die Stoffe und die Schnitte, die
Posituren und vor allem jenes Wohlgefühl, das ihm durch diese garantiert wurde,
müssen eine Vermögensanlage gewesen sein, die weit über meßbare Sachwerte hinausging. Von daher kauft er weiter an: "Schlafrock, mit schwerem schönen weißen Atlas
[...] gefüttert"84, Schlafrock aus "Rosa-Atlas. Mit Eiderdaunen gefüttert und in Carrés
abgenäht"85, "1 Rosa Schlafrock, 1 Blau dito [...,] 1 Dunkelgrün, ohne Stickerei, ohne
Rücken, ohne Schärpe, bloß mit weißen Schoppen"86, ein "Schlafrock – Rosa mit gestärkten Einsätzen [...und einen gesteppten...] in dunklerem Grün, ohne Rüsche, mit
geschoppten Einsätzen und Vordertheil am Aufschlag"87. Dazu kommen "eine Negligé-Jacke [...] von dem blauen und von dem Rosa-Atlas"88, "Spitzenhemd"89, "Schuhe
[...] wattirt"90 sowie "2 große Kissen (gestickt), ganz zu garniren"91, eine "Bettdecke [...]
weiß gefüttert – wattirt – sehr weich – kein enges Muster"92 und ansonsten "Guirlanden [...,] Blonden [...,] Sachets"93 sowie "Rosa-Band [...,] Orange-Band [...,] hellgelbes
Band".94 "Im Übrigen schöne Blumen und Spitzen". 95 Die gutgemeinte Behauptung
einer damaligen Wiener Zeitschrift, Richard Wagner lasse "sich nichts abgehen, aber
von den berühmten 74 Schlafröcken fehlen 73"96, ist demnach nicht aufrechtzuerhalten. Selbst Bertha Goldwag, die in Wagners späteren Jahren fast alle seine modischen
Vorstellungen umsetzte (und deshalb nachmals sogar mit in den Sog einer Pressekampagne gegen Wagners Extravaganzen hineingerissen wurde), gab einmal zu, daß sie
82 Brief Richard Wagners vom 21. 9. 1862 an Cosima von Bülow. [<Wagner, Richard - Briefe>, 2002],
S. 258f.
83 Brief Richard Wagners vom 8. 7. 1863 an Mathilde Maier. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1930], S. 112
84 Brief Richard Wagners vom 1. 4. 1865 an Bertha Goldwag. Zitiert in: [Kusche, 1967], S. 62
85 Brief Richard Wagners vom 1. 2. 1867 an Bertha Goldwag. Zitiert in: Ebd., S. 68
86 Handübermittelte Nachricht Richard Wagners vom Oktober 1867 an Bertha Goldwag. Zitiert in: Ebd., S. 82
87 Brief Richard Wagners vom 15. 11. 1865 an Bertha Goldwag. Zitiert in: Ebd., S. 119
88 Brief Richard Wagners vom 25. 12. 1863 an Bertha Goldwag. Zitiert in: Ebd., S. 106
89 Brief Richard Wagners vom 18. 4. 1867 an Bertha Goldwag. Zitiert in: Ebd., S. 80
90 Brief Richard Wagners vom 15. 10. 1864 an Bertha Goldwag. Zitiert in: Ebd., S. 115
91 Handübermittelte Nachricht Richard Wagners vom Oktober 1867 an Bertha Goldwag. Zitiert in: Ebd., S. 82
92 Brief Richard Wagners vom 18. 4. 1867 an Bertha Goldwag. Zitiert in: Ebd., S. 81
93 Brief Richard Wagners vom 28. 9. 1864 an Bertha Goldwag. Zitiert in: Ebd., S. 111
94 Brief Richard Wagners vom 18. 4. 1867 an Bertha Goldwag. Zitiert in: Ebd., S. 80
95 Brief Richard Wagners vom 15. 11. 1865 an Bertha Goldwag. Zitiert in: Ebd., S. 121
96 Zitiert in: [Glasenapp, 1908], S. 197
39
ihm "recht viele Anzüge und Schlafröcke"97 gemacht hatte. In seinen Erinnerungen
vermerkte Siegfried Wagner: "Mein Hauslehrer trug [...] zur Heiterkeit bei, als er sich
von »Mutti« aus dem nördlichsten Winkel Deutschlands sein Federbett kommen ließ.
Der reichliche Genuß von Marzipan, ebenfalls von »Mutti« gesandt, widerte meinen
Vater allerdings mehr an."98
<Wagner halbseiden?>
Doch Wagner selbst wurde natürlich auch beargwöhnt. Es hieße die kausalen Zusammenhänge entstellen, würde man nicht erwähnen, daß Wagners Kleidungs-Fetischismus sogar eine überaus erhitzte, bisweilen zornige Debatte über die Frage vom Zaun
gebrochen hatte, wieviel Luxus ein Komponist wie er eigentlich nötig habe. Bayreuth
nahm ihn einem bösen Wort zufolge als einen "mit allen Schneiderkünsten aufgedonnerten neuen Ehrenbürger[...]"99 wahr (vgl. Abb. 12). Gegen Ende seines Lebens sprach
man von einer unverhältnismäßig großen "Anzahl kostbarer Gewänder"100, von "echte[n] Spitzen"101, schwarze[m] Atlasflaus [...und...] große[m] Pelz"102, "wilden Wogen
aus Seide, Gaze" und einem "Talar aus Goldbrokat, mit Silberfäden durchwirkt", kurz,
man sprach von Genußsucht und Überfeinerung, von welcher der "Meister [...] selbst
Gebrauch machte, je nachdem ihm die Laune anwandelte."103 Gerade jene Schlafröcke
also, durch die Wagner sich insgeheim mit seinem Werk verbunden fühlte, scheinen
besonders nervös rezipiert worden zu sein, sie scheinen die Grundsatzdebatte um ihn
und seine kompositorischen Kompetenzen immer wieder entfacht zu haben. Lustspieldichter, politische Karikaturisten, das internationale Feuilleton nahmen sich des Sujets
schnell und dankbar an. In der Posse Die reiche Erbin etwa von Eduard von Bauernfeld
wird Wagner als verträumtes Genie "im Sammtrock, den deutschen Hut auf dem Kopfe"104 verspottet, in den Vögeln des selben Autors erscheint "Richard, in einem prachtvollen, mit goldenen Sternen gestickten Schlafrock, die Krone auf dem Haupt".105 Im
Morgenständchen eines neudeutschen Komponisten, einem klamaukhaften Dramolett, das
anonym erschienen war, gibt schon die erste Szene den Blick frei auf ein "Prachtvolles
Schlafzimmer: Samttapeten, Seidenvorhänge" und:
[D]er große Komponist, erwacht, streckt sich, aber nicht nach der Decke, [...] reißt an
einem Glockenzug [...] »Man bringe mir den Katalog meiner seidenen Schlafröcke. [...] Ich
97 Zitiert in: [Kusche, 1967], S. 31
98 [Wagner, 1923], S. 32
99 Zitiert in: [Tappert, 1967], S. 21
100 [Perl, 1883], S. 95
101 Ebd., S. 31
102 Ebd., S. 37
103 Ebd., S. 95
104 [Bauernfeld, 1876], S. 23. Übrigens tritt er dort unter dem Namen 'Richard Faust' in die Geschichte
ein, was vielleicht nicht nur auf den ganzen Problemkreis des 'deutschen Wesens' verweist, sondern auch
darauf, daß es in Goethes Faust I, V 521f. tatsächlich die Figur "Wagner im Schlafrocke und der Nachtmütze" gibt.
105 Zitiert in: [Hakel, 1963], S. 268
40
wünsche den veilchenblauen mit gelb ausgenähter Ornamentik, in welchem ich neulich
[...] für den Riesen Fafner komponiert habe«. 106
Der Journalist Daniel Spitzer, der viel (und Köstliches) zur Befeuerung der Saalschlacht
um Wagner beigetragen hatte, faßt zusammen: "Man wird einen deutschen Mann im
Schlafrock sehen"107 (vgl. Abb. 13).
Nun wird diese Debatte allerdings, so subversiv sie in sich schon sein mag, durchkreuzt von einer zweiten, die wiederum zu befestigen sucht, was die erste losgetreten
hat. Es ist die Debatte darum, inwieweit Wagners Vorliebe für kostspielige Stoffe und
Schlafröcke nicht eigentlich gesundheitliche Gründe gehabt haben müsse. Man glaubte in
Erfahrung gebracht zu haben, daß das Übel einer "Hautkrankheit [...] ihm nichts
anderes [erlaubte] als Seide auf blossem Körper zu tragen". 108 Wagner selber bekannte,
daß er "Leinwandfutter [...] selbst im Sommer nicht mehr auf dem Leibe vertragen
[könne ...] und Cattun [...] wie die Sünde [hasse]"109, denn man "»büßt für alles [...]
wenn man eine Haut hat, die gern das Weiche berührt«". 110 Die seriöse WagnerForschung hat sich deshalb auf die Seite all derer geschlagen, die davon ausgingen, daß
Wagners "Vorliebe für Schlafröcke [...] einen sehr plausiblen, nüchternen Grund [hatte]: Er fürchtete zeitlebens, die Gürtelrose, die ihm einst in den Züricher Tagen schwer
zusetzte, könnte erneut auftreten."111 Einige Allgemeinmediziner haben sich noch im
20. Jahrhundert mit Wagners Allergosen und Ekzematoiden befaßt und sind zu dem
Schluß gelangt, daß seine Schale reizbar, er selbst psychosomatisch veranlagt gewesen
sein muß und daß er zum einen an "Hautaffektionen"112, wahrscheinlich "an einer
Neuro-Dermatitis"113, zum anderen unter einer "hochgradig[...] vegetative[n] Labilität"114 gelitten hat, die interessanterweise auch Schlafstörungen verursachen kann.
Doch dazu später mehr.
Wesentlich ist der Faktor, daß Wagners Schlafröcke überhaupt ausreichend Konfliktpotential bieten konnten und bieten können, um selbst pragmatische Exegeten dazu zu bringen, für oder gegen den Komponisten Wagner beziehungsweise für oder
gegen das Werk Wagners Partei zu ergreifen. Noch immer gehört es zum guten Ton
in der Wagner-Rezeption, hier Stellung zu beziehen. Spätestens in Ansicht des Wagnerschen "Üppigkeitsteufel[s]"115 teilt sich die Bereitschaft für Wagners Werk in zwei
Lager. Von der Demarkationslinie aus betrachtet stammte die Krankheitsthese von
Anfang an aus Reihen der Wagnerianer, die Luxusthese aus Reihen der Antiwagneria106 Zitiert in: Ebd., S. 34f.
107 [Spitzer, 1906], S. 19
108 [Praeger, 1892], S. 264
109 Brief Richard Wagners vom 17. 5. 1855 an Minna Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1908a], S. 167
110 TB vom 20. 7. 1880. [Wagner, 1977], S. 574
111 [Panofsky, 1963], S. 106
112 [Ullmann, 1962], S. 1629
113 Ebd., S. 1630
114 [Franken, 1991], S. 106
115 Brief Richard Wagners vom 13. 4. 1853 an Franz Liszt. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1988a], S. 290f.
41
ner. Ausschlaggebend ist allerdings auch, und vielleicht ist dies noch ausschlaggebender,
als die Konfliktintensität nur freizulegen, daß dieses leidenschaftliche Tauziehen nach
keiner Seite hin entschieden werden kann, solange sich niemand entschlossen zeigt,
auch hinter den Spiegeln etwas zu vermuten. Tatsache ist nämlich, daß keine der beiden Parteien der tieferen Problematik ihres Gegenstandes je nahegekommen ist. Bis
heute konnte die fetischistische Disposition Wagners keine ernstzunehmenden oder zumindest keine dauerhaften Perspektiven auf sich beziehen. Zu ausschließlich hat man
sich immer wieder nur mit der Beschaffenheit der Oberfläche befaßt, wobei man der
Gefahr nicht entkam, selber dem ähnlich zu werden, was es am Streitobjekt zu entschulden oder zu beklagen gab. Immer wieder wurden bloß die Stoffe, die Materialbedingungen thematisiert, nie jedoch die Stofflichkeit, nie die Materialität. Doch genau
darum muß es gehen. Denn wir nähern uns, um mit Thomas Mann zu sprechen, dem
"Punkt, wo das Bourgeoise ins unheimlich Künstlerische" umschlägt, wir nähern uns
"dem wunderlichen Gebiete der Stimulation"116 (vgl. Abb. 14). Nicht das Einkleiden
scheint wichtig gewesen zu sein für Wagner, sondern das Einhüllen, was einen kategorialen Unterschied ausmacht. Nicht die Kostenanalyse von Samt, Satin, Köper, Kammgarn oder Chintz kann die Debatte um dessen Schlafröcke entscheiden, sondern allein
die Antwort auf die Frage, welche ideelle Substanz, ja welchen suggestiven und metaphorischen Wert diese haben. Martin Gregor-Dellin präzisiert, daß man bei Wagner
von "Einkleidungs- und Verhüllungsriten" sprechen muß sowie von der "Ritualisierung und Veräußerlichung"117 einer Befindlichkeit, die rein innerlich war. "Ich will
nichts Stilvolles", erklärt Wagner selbst, "etwas Einschmeichelndes ist mir lieber."118
Damit geht es um die "Idealität der Empfindung".119
<Stoff und Stofflichkeit>
Susanne Weinert, die viele Jahre als Gouvernante in Wagners Haushalt gearbeitet hatte,
schrieb einmal, daß sie, als sich die Gelegenheit dazu ergab,
die Stoffe anzusehen, die für Wagners Schlafröcke verwendet wurden, [...] »in den unteren
Regionen des Hauses [...] große Cartons [vorfand], aus denen Atlas in bunten Farben, in
zart rosa, himmelblau, grün hervorschimmerte«. 120
Die Situation scheint märchenhaft, und in der Tat dürfte der Keller in Wahnfried mehr
gewesen sein als nur ein gewöhnliches Textillager. Eher ging es um Animation, um
energetische Reflexe. Denn niemandem ist wohl der schnelle Verschleiß dieser Stoffmassen im täglichen Leben ernsthaft zuzutrauen, selbst nicht dem "sybaritic Wagner".121 Es ist also anzunehmen, daß es für diesen weniger die Stoffe waren als vielmehr
116 [Mann, 1974a], S. 412
117 [Gregor-Dellin, 1980], S. 25
118 Brief Richard Wagners vom 30. 11. 1877 an Judith Gautier. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1936a], S. 160
119 TB vom 10. 11. 1881. [Wagner, 1977], S. 823
120 Zitiert in: [<Wagner, Richard - Briefe>, 1953], S. 576
121 [Newman, 1960c], S. 446
42
deren Stofflichkeit, die stimulierende Funktion besaß. Ähnliche Begehrlichkeiten hatte
er entwickelt in bezug auf die Duftessenzen, die er einmal bei Judith Gautier nebst
zahllosen Stoffmustern, Schlafschuhen und seidenen Decken zur Bestellung in Auftrag
gegeben hatte und die schließlich, erhitzt in der unter seinem Arbeitsbereich gelegenen
Badkammer in Wahnfried, zu ihm hinaufsteigen sollten zum Zwecke der Inspiration.
Die Idee, daß hier pythische Kräfte mobilisiert wurden, liegt nahe, sie ist von Wagner
selbst besprochen worden – formal reicht die Metaphorik des pythischen Orakels weit
hinein in den suggestiven Bereich des Schlafs. Von daher sollten wir davon ausgehen,
daß Stofflager und Schlafröcke auratische Funktion hatten und Wagner in einen wie
Willi Schuh dies schlicht nennt "gesteigerten Gefühlszustand"122 zu versetzen mochten.
In einen "traumhaft magischen Zustand"123, wie Henriette Perl schreibt.
Zwar galten Entdeckungen dieser Art bislang als nebensächlich, doch schon Richard
Fricke hatte bemerkt, daß ein Schlafrock für Wagner nicht nur ein Zierstück war.
Vielmehr handelte es sich um eine Art Probenkostüm, mit dem und in dem sich
improvisieren ließ:
Nachmittags trat Wagner in mein Zimmer [...] Es schien ihm viel Spaß zu machen, mich
in meiner Hauskleidung zu sehen. Seit Jahren benutze ich im Sommer meinen Reiseplaid
als Schlafrock, welcher einfach umgehängt, am Hals mit einigen Nadeln festgesteckt und
um die Hüften mit einem Lederriemen festgehalten wird. [...] Wagner besah mich von
allen Seiten, wie ein Kind tut, wenn es etwas Seltsames und Neues erblickt.124
In Mein Leben berichtet Wagner, daß er während der Konzeption des Tannhäuser
eine volle Mondnacht, in das bloße Bett-Tuch gewickelt, auf den Ruinen des Schreckensteins [herumgeklettert sei], um mir so selbst zur fehlenden Gespenstererscheinung zu werden.125
Die Aura der Dunkelheit, der Nacht und des Schlafs als numinose, urstoffliche Hülle
erzeugte offenbar bei ihm, der die Musik früh als "eine Geistermahnung"126 wahrgenommen hatte, jene improvisierte Entrückung, die er zum Arbeiten nötig hatte.
Prinzipiell muß es inspirierend auf ihn gewirkt haben, weiche und fließende Textilien
zu berühren oder zu verarbeiten (vgl. Abb. 15-19). "Das Unbegreifliche, hier wird's
getan, das angenehm Weichliche zieht man gern an", meinte er zu Cosima, wenig
später konkretisierte er es: "Das sanft Bestreichelnde hat's uns getan, das angenehm
Weichliche zieht man gern an!"127 Daß sich dabei auch an die seidige Qualität seiner
Musik denken läßt, dürfte nicht abwegig sein – "ich bedarf einer schmeichelnden,
122 [<Wagner, Richard - Briefe>, 1936a], S. 10
123 [Perl, 1883], S. 92
124 [Fricke, 1906], S. 47
125 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 237
126 Ebd., S. 37
127 TB vom 20. 7. 1881. [Wagner, 1977], S. 767
43
stärkenden Pflege, um den sehr angegriffenen inneren Saiten die gewollten Töne zu
entlocken"128, sagte er. Als Kind konnte ihm
ein Theaterkostüm und selbst nur ein charakteristisches Stück desselben, als aus einer andern Welt stammend, in einem gewissen Sinne gespenstisch interessant, [...] als der Hebel
gelten, auf dem ich mich aus der gleichmütigen Realität der täglichen Gewohnheit in [ein]
reizendes Dämonium hinüberschwang. [...] die zarteren Garderobengegenstände meiner
Schwestern [...übten] einen fein erregenden Reiz auf meine Phantasie aus; das Berühren
derselben konnte mich bis zu bangem, heftigem Herzschlag aufregen. 129
Eine an Verleumdung grenzende Verkürzung ist es sicher, Wagner an dieser Stelle
Transvestismus nachweisen zu wollen, so wie Joachim Köhler dies tut, der suggeriert,
daß "Rüschen, Quasten und Röschen" grundsätzlich "eher der Damengarderobe zuzuordnen"130 seien. Denn Wagner übertrug die stoffliche Faszination (respektive die
Faszination für Stoffe) unmittelbar auf den "Zustand [...] in welchem er bei der Arbeit
sei, da mache er sich gern zu tun mit einer Schleife, einer Gardine, einer Decke". 131
Vreneli Stocker notierte in ihren "Triebschener Erinnerungen", daß sie ihn
oft, wenn er sich unbeobachtet glaubte, dabei [g]etroffen habe, wie er an irgendeinem
Vorhang, einer Gardine, »eine Falte richtete«, was [...] in dem eben erwähnten Zustande
des träumenden Schaffens, oder schaffenden Träumens [geschah, und dabei duldete er] nur
etwas Weiches, in den Formen Unbestimmtes [...] um sich [...].132
Alle "festen Linien", erklärte Wagner, machten ihm "die Arbeit unmöglich"133, während "die träumerischen Farben, das sich Brechen des Lichtes auf dem Stoff ihn angenehm zerstreut und sammelt."134 Der Widerspruch, der hier zwischen 'Zerstreuung'
und 'Sammlung' aufgebaut wird, ist derselbe Widerspruch, der aus dem Tatbestand
einen Sinn macht, daß zwischen Wagners Schlafröcken und dessen Kunst ein Kausalnexus besteht. Der 'Stoff'-Begriff wird in doppelter Bedeutung relevant. Die Schlafröcke waren nicht nur Stimulans zur Arbeit, sie waren das qualifizierte Vakuum, innerhalb dessen diese Arbeit für Wagner erst möglich wurde. "[M]eine Frau", gab er einmal
zu Bericht, "hat mir eine herrliche Hausjacke gemacht und wundervolle seidene Haussommerhosen; in denen wälze ich mich von einem Kanape zum andren und – sehne
mich nach Arbeit."135 Verständlich deshalb, wenn er auch sagt: "Wie ich nun einmal
geworden bin, brauch' ich ein sehr weiches, sanft umschließendes Element, um mich
128 Brief Richard Wagners vom 14. 4. 1859 an Minna Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1908b], S. 72
129 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 20
130 [Köhler, 2001], S. 584
131 TB vom 22. 11. 1878. [Wagner, 1977], S. 237
132 Zitiert in: [Glasenapp, 1911], S. 154
133 TB vom 15. 5. 1880. [Wagner, 1977], S. 533
134 Ebd.
135 Brief Richard Wagners vom 7. 7. 1855 an Ferdinand Praeger. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1988b],
S. 242
44
froh zur Arbeit zu fühlen"136, denn "ich bedarf einer gewissen Sättigung von außen
her, um dann durch einen schönen Gegendruck mein Inneres freudig wieder nach
außen werfen zu müssen."137 Was seinerzeit böse Zungen ihm nachtrugen, das müßte
man heute also eher affirmieren, daß er nämlich
nicht componiren oder dichten [kann], wenn er nicht das alt-deutsche Barett auf dem
Haupte fühlt, wenn nicht der Schlafrock, die Pantoffeln, das Taschentuch, die Tapeten seines Zimmers diejenige Farbe und Zeichnung tragen, welche der für sein 'Kunstwerk' erforderlichen Seelenstimmung entsprechen. 138
"Zweihundertfünfzig Ellen Atlas, vier Atlas-Schlafröcke und drei Bettdecken auf einmal sprechen deutlich genug. Ich fange an, Wagner zu begreifen – den Menschen, den
Dichter und den Künstler!"139 Ex ungue leonem! Und da auch Ludwig Kusche von
der "Torheit" spricht, "Kunststoffe (Schlafröcke) und Kunstwerke miteinander in Beziehung zu bringen, um dadurch zu einer tieferen Einsicht in das Phänomen Richard
Wagner zu gelangen"140, so geben wir zu, diese Torheit gern begehen zu wollen.
Denn ungeachtet der Platitüden, die ihnen voraus- und nacheilen, Wagners Schlafröcke verweisen auf eine typisch Wagnersche Binnenstruktur. Was Richard Klein über
die musikalische Dramaturgie Wagners gesagt hat, gilt auch für die Bedingungen, unter
denen diese geschaffen wurde: "Wagner hatte bekanntermaßen Sinn für public relations,
aber in der Substanz geht es bei ihm dann doch um etwas anderes als um einen Avantgardismus der auffälligen Einzelheiten oder Werbeeffekte."141 Es scheint, die Schlafröcke stellen geradewegs die Allegorie jenes Schlafmotivs dar, das Wagners theoretisches und praktisches Werk durchherrscht und das wir in den folgenden Kapiteln freilegen wollen. Maßgeblich ist, daß sie ein Signum intimer Sinngebung sind, ein Requisit, ohne dessen Hilfe der Komponist Wagner die Anverwandlung der äußeren in die
innere Welt gar nicht hätte durchführen können oder wollen. Maßgeblich ist, daß der
Kleider-Fetischismus Wagners Rückzugsstrategien sowohl abgebildet wie generiert hat.
Die Schlafröcke sollte man als Repräsentanten eines geistigen Innenraums verstehen,
welcher selbst den Gesetzen des Traums nachgeordnet war (was noch zu präzisieren
sein wird). Maßgeblich ist also, daß ihre Textur zum Katalysator der Autosuggestion
wurde, aus welcher Wagner die Stoffe seines Werkes evolvierte. Er selbst hatte dies genau so begriffen. Sein Habitus war und blieb sakrosankt doppeldeutig. Seine Porträts
beweisen, daß er das Innere nur nach außen schlug, um das Äußere auf das Innere
beziehen zu können. Inoffizielles und Offiziöses, innere und äußere Haltung widersprechen sich nicht, wo Herz, Blut, Atem, Puls und Mark allein deshalb veräußert wurden, weil sie latent in Not waren und auf Rettung angewiesen. "Er habe immer die
136 Brief Richard Wagners vom 4. 4. 1855 an Franz Liszt. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1988a], S. 416
137 Brief Richard Wagners vom 11. 6. 1853 an Otto Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1915], S. 46f.
138 [Puschmann, 1873], S. 51
139 [Spitzer, 1906], S. 78
140 [Kusche, 1967], S. 52
141 [Klein, 2001a], S. 169
45
mystische Bedeutung der Sachen gesucht"142, verlautbarte Wagner, womit er bereits
dem Paradoxon erlag, daß das Innere bei ihm doch nur durch Exaltation nach außen
getrieben werden konnte. Aber "glaube, das Heil und die Genesung kommt nicht von
Außen und durch keine Medizin: sie kommt nur von Innen!"143 "[N]icht von außen",
heißt es an anderer Stelle, "sondern nur von innen sollte der Lebensstrom mir zufließen."144 Wagner kultivierte seine weltabgewandte Seite, gewiß, dies aber nie unter
Ausschluß der weltzugewandten, die ihm immer Rückwand blieb zu einer Vorderansicht, die nach innen fluchtete. Methodisch verbirgt sich dahinter – natürlich – auch
schon Wotan, dessen eines Auge nur nach innen und dessen anderes nur nach außen
blicken konnte und der im Ring als eine Figur erscheint, die im Grunde genommen
nichts anderes versucht, als durch immer schnelleres Umdrehen den eigenen Rücken
zu Gesicht zu bekommen. Ähnliches habe Wagner selbst vorgehabt, könnte man sagen.
So wie er sich jeden Schlafrock und jede Stoffprobe am liebsten im Faltenwurf dachte
– Falten verstanden als die zur Innenansicht aufgesprungene Oberfläche – so arbeitete
er an einer Rhetorik der Verinnerlichung, die die Außen- mit der Innenwelt in Rapport setzte. Ein Zufall ist es nicht, daß er auf diese Weise auch die Metaphern des
Schlafmotivs präfigurierte, durch die seine biographischen Wesenszüge später zu
werkspezifischen sublimiert werden sollten.
<Innenausbau [1]: Wagners Wohnungen>
Das Prinzip der Verschalung und Wattierung staffelte er sogar mehrfach, mußte es
mehrfach staffeln, um seiner Matrix treu zu bleiben. Sind seine Schlafröcke die am
weitesten außen liegende Entsprechung seiner Innenwelt, so zeugen in nächster Instanz
seine Wohnungen davon, daß ihm nur alles daran gelegen war, nach innen hin zu
verdichten. Dem Stil seiner Zeit gemäß, nur noch ein wenig fiebriger, steppt Wagner
nach innen hin ab, ziseliert und verbrämt, betreßt und posamentiert, tapeziert und
renoviert. Das Bild des bürgerlichen Komponisten wäre intakt, hätte es sich nicht bald
durch jene Haarrisse verdächtig gemacht, die durch Überstrapazierung entstehen und
die den Firnis der nach außen hin abspiegelnden Oberfläche aufbrechen. Der
Einrichtungsgeschmack des mittleren und späten 19. Jahrhunderts war fraglos exotisch,
gemessen mit heutigem Maß. Visionär, surrogiert, surreal opulent stilisierte man das
Haus zur Höhle in einer Weise, die Flaubert sich nur folgendermaßen erklären konnte:
"[D]a wir die Sonne nicht vom Himmel holen können, müssen wir alle Fenster verstopfen und in unserem Zimmer die Lüster entzünden."145 Tatsächlich entsprach es
dem Stilgefühl der Zeit, den Tag zur Nacht und die Nacht zum Tag umzuprägen. Die
Zimmer wurden nicht nur von den vier üblichen, sonst von allen sechs Richtungen
her, oben und unten miteingeschlossen, mit so vielen Schichten von Teppichen, Täfe142 TB vom 16. 11. 1874. [Wagner, 1976a], S. 870
143 Brief Richard Wagners vom 22. 10. 1858 an Minna Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1908a],
S. 316
144 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 512
145 Zitiert in: [Ariès/ Duby, 1992], S. 327
46
lungen, Tapeten, Gardinen, Portieren und Paravents modelliert, daß Ariès/ Duby von
einer "Akkumulation [nach innen]"146 sprechen. Man schuf sich künstliche Illuminationen, fabelhafte Geheimkammern als Abbild einer verschlungenen, aber zerbrechlichen Psyche, Andachtsräume des Alltäglichen, pseudosakrale Salons als Schutzzonen
vor der Außenwelt, die diese doch gleichsam ersetzen sollten. Doch Wagner gestand
sich "Leidenschaftlichkeit in der Einrichtung"147 zu und übertrieb die Übertreibung.
Schon als Knabe entzückten ihn "Prunkgemächer"148, namentlich jene Gelasse aus
"den Zeiten Augusts des Starken", die dieser einmal für seinen "Aufenthalt in Leipzig
gemietet und eingerichtet hatte"149 und die eine Bekannte seines eigenen Onkels Adolf
Wagner verwaltete. Die "prächtig aus schweren Seidenstoffen mit reichen RokokoMöbeln"150 verzierte Einrichtung machte ihm Eindruck. "Wohl gefiel ich mir sehr in
diesen großen phantastischen Räumen"151, gesteht er in seiner Autobiographie, einen
einzigen Verdruß beschreibt er genußvoll:
Nur an einem Schmuck dieser Räume hatte ich sehr zu leiden: das waren die verschiedenen Porträts, namentlich der vornehmen Damen im Reifrock mit jugendlichen Gesichtern
und weißen (gepuderten) Haaren. Diese kamen mir durchaus als gespenstige Wesen vor,
die mir, wenn ich allein im Zimmer war, lebendig zu werden schienen und mich mit
höchster Furcht erfüllten. Das einsame Schlafen in einem solchen abgelegenen großen Gemach, in dem altertümlichen Prachtbett, in der Nähe eines solchen unheimlichen Bildes,
war mir entsetzlich; [...] nie [verging] eine Nacht, ohne daß ich in Angstschweiß gebadet
den schrecklichsten Gespenster-Visionen ausgesetzt war. 152 (Vgl. Abb. 20-24)
Der Gespensterglaube hing zusammen mit einem Nervenkitzel, ja mit einer Faszination
für überfeinerten Luxus, der sich Wagner später gar nicht mehr entziehen wollte. Das
repräsentative Prachtbett, der museale Zaubernachen, die royale Distanz, der Triumph
über das Vergängliche unter der Höhlung vieler Decken, all das kam seiner Neigung
entgegen, Introversion und Extroversion aufeinander zu beziehen. Was das Prunkbett
August des Starken anbelangt, so scheint er seine Phobie im Laufe der Jahre sogar
durch einigen Gegendruck kuriert zu haben. In Italien "ruhte [er] in einem breiten
Bett aus, in dem angeblich Papst Pius IV. geschlafen hatte; Wagner meinte, darin habe
das ganze Schisma Platz".153 "Wie man von dem seltsamen leidenschaftlichen Einrichten spricht, sagt R.: »Bei unsereinem heißen alle Exzesse doch nur, zur angenehmen
Ruhe kommen, damit der Geist frei werde.«"154 Prinzipiell gab er sich nie auf Reisen
146 [Ariès/ Duby, 1992], S. 340
147 Tagebucheintrag Richard Wagners in den Annalen (im folgenden verzeichnet als Ann.) vom 28. 4. 1857.
[Wagner, 1988a], S. 127
148 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 15
149 Ebd., S. 14f.
150 Ebd., S. 15
151 Ebd.
152 Ebd.
153 [Gregor-Dellin, 1980], S. 791
154 TB vom 25. 8. 1880. [Wagner, 1977], S. 586f.
47
mit einfachen Gasthofquartieren zufrieden. Er suchte immer nach "der schön gepflegten Umgebung [eines] stattlichen Schlosses". 155 Hans von Bülow bat er einmal:
Wärst Du so gut, in dem gemeldeten Hôtel mir ein anständiges Unterkommen zu bestellen? Ein Salon mit Schlafzimmer, oder allenfalls auch ein Salon mit Alkoven oder Bett
allein. Auf möglichstes Behagen bin ich [...] versessen. Du kannst getrost das Beste nehmen, was Du findest.156
An Mathilde Maier: "Sprich doch mit dem Wirth. Ich wünsche einen geräumigen
Salon (womöglich mit Balkon) und eine große Schlafstube daneben."157 Während der
Vorproben zum Ring nimmt er ungeheuren Anteil daran, ob die "Bettstelle" seines
Sängers Georg Unger "auch lang genug sei, sich rücksichtslos darin auszustrecken
u.s.w. [...] Die lebendige Darstellung, so gleichgiltig der Gegenstand an sich schien,
mochte dem Meister doch behagen."158
Bei den eigenen Wohnungen geht er darum wie automatisch davon aus, daß deren
Möblierung plissiert, unterfüttert und gerafft werden müsse. Die Stuben sollten nach
innen wachsen und die Stoffe, die er dafür erwarb, eine nach innen hin vergrößerte
Oberfläche schaffen – das Zimmer als Grotte, es erinnert an Ludwig II. Er statuiert:
Die "Wohligkeit der Einrichtung beginnt erst mit den Falten". 159 In weiterer Folge
hört man ihn berichten von einem "Puppenlogis", in welchem er mit einem "freche[n]
Realisationsdrang [...] die Phantasien aus 1001 Nacht [verwirklichte]"160; man hört von
"wollüstig gedämpft[em]"161 Licht, Wänden aus "blaßrosenrothem und wassergrünem
Atlas"162 und einem "bunte[n], aber harmonische[n] Chaos von Pracht und Glanz"163 –
kurzum: Man hört von einer "Makart'sche[n] Dekoration!"164 Selbst Wagners "prächtiger
Flügel" soll "in ähnlicher Weise von glitzernder Seide umhüllt und mit Rosen überstreut"165 gewesen sein – "eine lachende 'Blumenaue' in Gestalt einer schönen Klavierdecke [...], die er dann seinerseits liebevoll in die rechten Falten legte."166
Mehrlagig, kassettiert, in Form und Farbe verfließend und auseinander und ineinander überquellend, Wagners Wohnungen scheinen demselben traumartigen Qualitätsstandard zu unterliegen wie seine Garderobe, seine Schlafröcke. Selbst aus größerer
Distanz hatte man dies zu seiner Zeit schon so wahrgenommen. Wagners Reich, liest
man bei Malwida von Meysenbug, sei "ein Heim [gewesen], wie wohl wenige Men155 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 678
156 Brief Richard Wagners vom 16. 2. 1863 an Hans von Bülow. [<Wagner, Richard – Briefe>, 1916], S. 194
157 Brief Richard Wagners vom 4. 4. 1863 an Mathilde Maier. [<Wagner, Richard – Briefe>, 1930], S. 81
158 [Hey, 1901], S. 498
159 TB vom 11. 12. 1880. [Wagner, 1977], S. 636
160 Brief Richard Wagners vom 4. 4. 1852 an Julie Ritter. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1920], S. 80
161 [Perl, 1883], S. 92
162 Ebd.
163 Ebd., S. 94
164 Ebd., S. 95
165 Ebd., S. 93
166 [Glasenapp, 1911], S. 154
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schen selbst in ihren Träumen es sich haben erschaffen können". 167 Cosima gegenüber
enthüllte er, daß das "ideale Heim" für ihn eines sein müsse, in dem er sich "ganz [...]
verträumen"168 könne. Wahnfried – "Traumheim"!169 Die Art, wie er seine Neigungen in der Einrichtung auslebte, bedeutete "bei ihm Überschuß, eine Art Instinkt habe
ihn dazu getrieben."170
Es ist nicht schwer zu diagnostizieren, daß dieser Instinkt wiederum mit der Arbeit
zu tun hatte. Eine Parallele besteht zu jener Form von Innerlichkeit, die Wagner bereits mit seinen Kleidervorlieben kultiviert hatte. Durch innenarchitektonische
Übersprunghandlungen kreiert er die künstlich-künstlerische Welt, die er für das Werk
nötig hatte – "Ich spinne mich ein wie ein Seidenwurm: aber auch aus mir heraus
spinne ich".171 Und so trieb es ihn, jede Stube, in der er logierte, jedes Haus, das er
mietete, noch für die flüchtigsten Aufenthalte so für sich zu rearrangieren, daß das
Werk in situ aus dem Leben ent-faltet werden konnte – "wann ich meine Geburten im
Sinne habe, sorge ich für eine reiche und vornehme Wiege."172 Ob in Zürich oder
Venedig, ob in Paris, Luzern oder Biebrich, kaum war er in einer Stadt angekommen,
schon ließ er das Logis von grün nach rot tapezieren, Zwischentüren wurden ausgehebelt, Portièren eingesetzt. Er befahl Betten umzustellen, Fauteuils neu zu beziehen, die
Türfluchten aus Isolationsgründen mit Matratzen zu verstopfen und mit Gardinen zu
verhängen. Wie in Fragen der Mode, so demontierte und improvisierte er auch hier,
setzte neu zusammen, was er sich nur durch vormalige Dekonstruktion zu eigen machen konnte. Sein Ziel waren Zimmer, deren "ganz stattliches theatralisches Aussehen"173 ihm das Innere noch innerlicher machten. Man könnte meinen, er habe
nichts als die dämmernde Welt der Bühne als Lebensraum um sich herum ertragen
können, eine kontraktierte Wirklichkeit, eine "Theaterdekoration"174 – vielleicht weil
er zu einer Welt zu gelangen hoffte, die (seiner Meinung nach) allein durch das Theater verändert werden konnte. Mit "dem Pakete der Noten" läßt er sich denn "auch
[seine] Bettwäsche schicken"175, um schließlich zu vermelden: "Mein Arbeitszimmer ist
mit der [...] bekannten Pedanterie und eleganten Behaglichkeit hergerichtet". 176 "[D]er
Üppigkeitsteufel ist in mich gefahren, und ich habe mir mein Haus so angenehm wie
möglich hergerichtet. [...] Du sollst mich ziemlich toll auf dem Zeuge finden."177 Die
167 [Meysenbug, 1927], S. 316
168 TB vom 28. 1. 1878. [Wagner, 1977], S. 243
169 Brief Cosima Wagners vom 23. 2. 1879 an Richard Wagner. [<Wagner, Cosima - Briefe>, 1879], S. 5.
Cosima notierte übrigens auch folgendes: "Bei dem Zitat Nacht der Liebe sagt R.: Das ist Wahnfried." TB
vom 17. 6. 1874. [Wagner, 1976a], S. 829
170 TB vom 28. 5. 1879. [Wagner, 1977], S. 356
171 Brief Richard Wagners vom 17. 12. 1853 an Franz Liszt. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1988a], S. 348
172 Brief Richard Wagners vom 9. 7. 1859 an Mathilde Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1915],
S. 221
173 Ebd.
174 Brief Richard Wagners vom 30. 9. 1858 an Eliza Wille. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1915], S. 159
175 Brief Richard Wagners vom 25. 8. 1858 an Minna Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1908a], S. 301
176 Brief Richard Wagners vom 8. 5. 1857 an Franz Liszt. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1988a], S. 512
177 Brief Richard Wagners vom 13. 4. 1853 an Franz Liszt. Ebd., S. 290f.
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Wohnungen, resümierte er einmal, sind das "Gehäuse meines Arbeitsmechanismus[']".178 Abundanz wurde zum Katalysator für ein Werk, das ihn mehr kostete als
alle Umbaumaßnahmen. "Ach Gott! [...] Himmel! – für was muß mir das Spielwerk
eines angenehmen Hausschmuckes nicht Alles Ersatz leisten"179,
mit wahrer Verzweiflung nehme ich immer wieder die Kunst auf: geschieht dies, [...] muß
ich mich wieder in die Wellen der künstlerischen Phantasie stürzen, um mich in einer eingebildeten Welt zu befriedigen, so muß wenigstens meiner Phantasie auch geholfen, meine
Einbildungskraft muß unterstützt werden. Ich kann dann nicht wie ein Hund leben, ich
kann mich nicht auf Stroh betten [...]: meine stark gereizte, feine, ungeheuer begehrliche,
aber ungemein zarte und zärtliche Sinnlichkeit muß irgendwie sich geschmeichelt fühlen,
wenn meinem Geiste das blutig schwere Werk der Bildung einer unvorhandenen Welt gelingen soll. [...] – ich richtete meine Häuslichkeit neu ein, verschwendete (Gott – Verschwenden!!) an diesem und jenem Bedürfnisse des Luxus [...] Ich frug endlich nicht mehr,
ob etwas Geld koste; sondern alles was ich mir nur erdenken konnte, was mir irgendwie
einen angenehmen Eindruck, eine wohlige Stimmung bereiten möchte, eignete ich mir
zu. 180
Demnach brauchte Wagner den Überfluß nicht, um zu zelebrieren, was er bereits geleistet hatte. Er brauchte ihn, um zu stimulieren, was noch zu leisten war. Er komponierte! Und zwar in zwei verschiedene Richtungen, die am Ende in einem Punkt
zusammentrafen. Er übte sich im Gestalten, im Arrangieren, im Formatieren. Bezogen
auf eine seiner "intime[n] Etage[n]" berichtete er davon, wie "es Einer anfängt, durch
Instrumentierung zu ersetzen, was ihm an Melodie abgeht. Es ist ein wahres Kunststück."181 In abenteuerlicher Verknappung des Gedankengangs ordert er also "[s]echs
Meter [Satin...] für die guten Vormittage mit Parsifal"182 und hat tatsächlich, wie
Gregor-Dellin nachweist, in den üppigsten seiner Wohnungen auch die meisten Partiturseiten zustande gebracht.183
Bemerkenswert ist es, wenngleich nicht mehr allzu überraschend, daß auch dieser
Rückzug wieder kanonisiert wurde. Hatte Wagner bereits seinen Kleidern Eigennamen zugeordnet, so ließ er auch seinen Häusern und Möbeln Bezeichnungen zuteil
werden, die auf sehr ähnliche Art und Weise den Alltag transzendieren sollten. 'Das
Schiff' nannte er sein Münchener Haus in der Brienner Straße, den 'Gral' ein Nebengelaß des dortigen Klavierzimmers, 'Schwan' seinen Erard-Flügel. Die 'blaue Grotte'
war sein Arbeitszimmer in Venedig, der 'Schamane' das Pendant dazu in Bayreuth. In
Zürich lebte er zunächst auf dem 'grünen Hügel', und zwar im dortigen 'Asyl', das
ursprünglich 'Fafners Ruhe' heißen sollte, schießlich im 'Haus zum Abendstern'.
178 Tagebucheintrag Richard Wagners vom 3. 9. 1858 an Mathilde Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>,
1915], S. 111
179 Brief Richard Wagners vom 18. 5. 1863 an Mathilde Maier. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1930], S. 96
180 Brief Richard Wagners vom 15. 1. 1854 an Franz Liszt. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1988a], S. 356
181 Brief Richard Wagners vom 17. 12. 1864 an Mathilde Maier. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1930], S. 190
182 Brief Richard Wagners vom Okt./ Nov. 1877 an Judith Gautier. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1936a],
S. 148. Guy de Pourtalès zitiert ihn wie folgt: "»All das brauche ich für die schönen mit Parsifal zu verbringenden Morgen.«" [Pourtalès, o. J.], S. 536
183 Nach: [Gregor-Dellin, 1980], S. 372
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'Fischers Weinberg' war eine Unterkunft in Hamburg, der 'Biberbau' die in Biebrich,
'Stolzing' wurde die kleine Bibliothek in Tribschen genannt. Mit 'Wahnfried', dem
Haus "»Zum letzten Glück«"184, postulierte er in sich eine Gegenwelt. Die bloße Existenz des Wahnfriedspruchs belegt, daß es ihm um Distanznahme ging. Um eine
Distanznahme freilich, die dem entgegenwirken mußte, was er unter Entfremdung
verstand. Er schrieb, glücklich sei nur "derjenige, der eine Stätte [hat], die ihm heilig,
ein Nirwana, Nichtwahnland!"185 Den Komfort in seinen Wohnungen begriff er darum als Abdämpfung, wenn nicht sogar als produktive Ausschaltung der Tagesgeschäfte. Es war dies bereits ein Versuch, in jenen Kosmos zurückzusinken, der eher den Gesetzen des Traums nachfolgt als den Gesetzen der wachen Welt. Buchstäblich bemühte
er sich darum, all das außen vor zu lassen, was diesem Dämmerungszustand widersprach. Seine Arbeitsräume hielt er in beständigem Halbdunkel, "sechsfache Gardinen"186 sollen die Fenster in seinem letzten Domizil im Palazzo Vendramin verhüllt
haben. Im Sommer schloß er "die Vorhänge um arbeiten zu können"187, "genoß den
eigentümlichen Zauber der Verwahrung"188 sowie den "Dämmer in der Stube, der bei
ihm produktiv sei, das Eindringen des Lichtes von außen sei nicht günstig seiner
inneren Welt"189 – berühmt geworden ist das 'Parsifal-Zelt' in Neapel, welches das
mediterrane Licht für ihn abdämpfte und in eine künstliche Dämmerung verwandelte –
von "seinen Zimmereinrichtungen sagt er: Für ihn gebe es nur das Zelt."190 Warum
also die Provokationen, warum der Trotz? Um "sich innerlicher zu machen"191, wie
Thomas Mann in seiner Tristan-Novelle (und zwar dort über die Einrichtung der Villa
'Einfried') phantasierte oder, wie Ernest Newman meint, "[to] give him an agreeable
sense of temporary seclusion from the world that treated him so roughly."192
<Innenausbau [2]: Wagners Schlafzimmer>
Der Periodizität der Verinnerlichung folgend stellt die ultimative Schutzzone in den
Bürgerhäusern des 19. Jahrhunderts wohl aber erst der Schlaftrakt dar, und was hier
indiskret klingen mag, war dort generell auf Diskretion hin angelegt. Hermetisch
riegelte man die Schlafzimmer gegen die Außenwelt ab. Der Ort, an dem ein Bett
stand, wurde nicht selten zur Tabuzone erklärt. Jede natürliche Lichtquelle mußte abgedämpft werden. In der Einrichtung liebte und erzeugte man die geräuschlose Stimmung einer Unterwasserwelt, die später zu Recht als Surrogat der Träume interpretiert
wurde. Wie gesagt, "sechsfache Gardinen" waren manchmal nötig, damit "das Licht
von draußen nahezu gänzlich abgehalten wurde. Selbst der Tag sollte mit seinen
184 TB vom 28. 4. 1874. [Wagner, 1976a], S. 813
185 TB vom 28. 3. 1874. Ebd., S. 805
186 [Perl, 1883], S. 93
187 Brief Richard Wagners vom Feb. 1851 an Theodor Uhlig. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1912], S. 81
188 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 603
189 TB vom 30. 3. 1882. [Wagner, 1977], S. 920
190 TB vom 13. 3. 1880. Ebd., S. 503. Vgl. zum 'Parsifal-Zelt' auch [Glasenapp, 1911], S. 320f.
191 [Mann, 1974d], S. 250
192 [Newman, 1960b], S. 408
51
wechselnden Launen und mit seinen wechselnden Lichtwirkungen die beseeligende
Harmonie dieses künstlich geschaffenen Eden's nicht stören!"193 Es ist symptomatisch,
was man damals über das Bett des Fürsten Metternich kolportierte, es soll umringt
gewesen sein von Nixen aus Perlmutt, goldenen Echsen, Fledermäusen und Eulen mit
glühenden Augen, deren eine die Weltkugel in ihren Krallen hielt.194 Der Schlafbereich wurde kategorisch vom übrigen Wohn- und Gesellschaftsbereich abgetrennt.
Das war nicht immer so in der Geschichte der Moden, und es ließe sich behaupten,
daß dieser Bereich zum Kern einer mehrfach versiegelten Schutzschicht stilisiert werden sollte.
Nun scheint es, als habe auch Wagner dies so empfunden. Den Schlaf- und Ruheräumen seiner Wohnungen sei deshalb ebenso Beachtung geschenkt. So nachvollziehbar wie bedauerlich ist es dabei zunächst, daß nicht viel zu diesem Thema überliefert
ist, obschon sachliche Berichte hier "von hohem biographisch-historischen [...] Interesse"195 gewesen wären, wie Heinrich Habel bemerkt. Um so dankbarer liest man die
Erinnerungen Wendelin Weißheimers, der über einen Überraschungsbesuch in Biebrich folgendes mitteilt, es scheint prototypisch gewesen zu sein: "Endlich öffnete er
[Wagner], mit [...] fast verstörten Gesichtszügen. »Ich bin mitten drin«, rief er und lief
scheu davon, indem er bis ins Schlafzimmer retirierte, wo er sich solange verbarg, bis er
vollkommen ruhig war."196 Aus der Bezeichnung "mein universelles Schlafzimmer"197,
die Wagner für seine frühe Pariser Unterkunft geprägt hatte, geht bereits hervor, daß
Schlaf und Arbeit für ihn in ein und demselben Raum vonstatten gingen und auch als
zusammenhängend empfunden wurden. Mit "zwei Schritten", berichtet er, "war ich
aus dem Bett am Arbeitstisch, von welchem ich den Stuhl nun zum Speisetisch herumdrehte und nur vollständig von ihm aufstand, um mich spät wieder zu Bett zu begeben."198 Freilich geschah dies in Paris noch unter dem Zwang einer desolaten finanziellen Lage.199 Aber schon zu diesem Zeitpunkt galt, daß der Rückzug in den Schlafbereich und die damit verbundene "Entfernthaltung von allem [...] künstlerischen wie
sozialen Scheinwesen [...] eine ernstere Bewandtnis [hatte]". 200 Die Kunst und die Revolution schrieb er ebenfalls: in einem Schlafzimmer. 201 Im selben Zeitraum heißt es:
193 [Perl, 1883], S. 94
194 Nach: [Catalani, 1968], S. 28
195 [Habel, 1985], S. 530
196 [Weißheimer, 1898], S. 99f.
197 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 204
198 Ebd., S. 201
199 Der Drucker der ersten Privatpublikation von Mein Leben hatte übrigens auf Grund des schwierigen
handschriftlichen Manuskripts aus dem 'universellen' fälschlich ein 'miserables' Schlafzimmer gemacht, ein
Setzfehler, der erst sehr spät berichtigt werden konnte und der aussagekräftig ist sowohl in bezug auf
Wagner als auch in bezug auf die Arbeit seiner Exegeten. Merkwürdigerweise unterläuft sogar GregorDellin, der den Fehler bespricht, an der infragekommenden Stelle ein Lapsus: Bei ihm wird das
'universelle' zum 'universalen' Schlafzimmer. Ebd., S. 777f.
200 Ebd., S. 207
201 Laut [Gregor-Dellin, 1980], S. 288 nämlich "Ende Juli 1849 [...] in einem kleinen Schlafzimmer von
[Alexander] Müllers Wohnung im dritten Stock des Hauses Rennweg 55" in Zürich.
52
Um jeden Preis mußte ich hier [in Montmorency] mein Unterkommen suchen; es fand
sich ein merkwürdig kleines und schmales Schlafzimmer, welches ich sofort in Beschlag
nahm. [...] auf dem Tische breitete ich einige Bücher, Schreibzeug und die Partitur des
Lohengrin aus. Fast war ich im Begriffe, bei dieser höchsten Beschränkung behaglich aufzuatmen [...], fühlte ich mich hier doch in der Möglichkeit, vollständig vergessen zu werden
[...]. Der alte Kunsttrieb erwachte. [...] eine diogenische Unbesorgheit über das, was mit
mir vorgehen sollte, kam über mich. 202
Die 'Beschränkung', von der Wagner spricht, steht nur vordergründig im Widerspruch
zu seinen Luxusansprüchen. 'Fast' jede Beschränkung hätte er nämlich in Kauf genommen, um jenen anderen Luxus zu erwerben, der ihm genauso wichtig war wie eine
Galerie voller Schlafröcke – den der Ruhe und Abgeschiedenheit. Genaugenommen
war das eine nur eine Spielart des anderen, und je mehr Wagner auf den äußeren
Luxus bestand, desto deutlicher wird mit den Jahren, wie sehr er des inneren entbehrte.
Denn Regeneration war die Grundlage seiner Konzentration (vgl. Abb. 25). "The two
dearest things in the world to him are silence and sleep"203, faßt Ernest Newman
zusammen. Von daher dürfte das Schlafzimmer schon theoretisch der ideale Arbeitsplatz für Wagner gewesen sein. Daß es – geradewegs als wäre es ein Traum – lediglich
durch eine Tapetentür von der Bühne getrennt ist, ja daß das Bett zu einem Logenplatz
wird und daß
der gellende Ruf: »Das Theater fängt an!« [...] mich aus dem sanften Schlaf, in den ich versunken war [weckte]; Bässe brummen durcheinander – ein Paukenschlag – Trompetenstöße – ein klares A, von der Hoboe ausgehalten[,] 204
das ist jene durch und durch Hoffmanesque Szenerie, die Wagner selbst wie folgt
umrissen hat: "[D]urch die Lektüre Hoffmann's zum "tollsten Mystizismus aufgeregt:
am Tage, im Halbschlafe hatte ich Visionen, in denen mir Grundton, Terz und Quinte
leibhaft erschienen und mir ihre wichtige Bedeutung offenbarten". 205 Mein "allerheiligste[s] Schlafgemach"206 nannte er deshalb den Raum in jener Kuranstalt, in der er
Teile des Tristan komponiert hatte. Auch sonst achtete er sehr sorgfältig darauf, daß
Arbeits- und Schlafbereich nahe genug beieinander liegen, um jene "produktive Ruhe"207 zu gewährleisten (oder zu erzeugen), die das Komponieren ihm abverlangte. Als
"Sanctuarium"208 beschreibt Henriette Perl sein letztes Arbeitszimmer in Venedig.
Glaubt man dem Bericht, so wurde dieser Raum sogar von einem enormen Ruhelager,
einer "Riesenottomane" beherrscht, einem "wahren Schaustücke toller Pracht", dessen
202 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 453f.
203 [Newman, 1960b], S. 567
204 [Hoffmann, 1908], S. 89
205 Autobiographische Skizze. [Wagner, 1871a], S. 10
206 Brief Richard Wagners vom 26. 5. 1859 an Otto Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1915], S. 202
207 Brief Richard Wagners vom 1. 1. 1860 an Mathilde Wesendonk. Ebd., S. 278
208 [Perl, 1883], S. 91
53
"kolossale Dimensionen nahezu verblüffend wirkten". 209 Re-animation des Prunkbetts
seiner Kindheit! Doch mag die Ausführung hier auch exzeptionell gewesen sein, die
Konzeption dahinter war es nicht. Soweit sich überhaupt Zusammenhänge rekonstruieren lassen, scheint das Bett in Wagners Wohnungen öfter ein zentraler Bezugspunkt
gewesen zu sein (vgl. Abb. 26). Im 'universellen Schlafzimmer' von Paris war es immerhin der Angelpunkt für Arbeitsstuhl und Schreibtisch. In der Rigaer Wohnung
hatte im Arbeitsraum neben dem Bergmannschen Flügel nur noch ein Diwan Platz.
Robert von Hornstein erinnert sich, Wagner das allererste Mal in Seelisberg "an einem
Pult, wenige Schritte von einer Altane entfernt"210 gesehen zu haben. Glasenapp weiß,
daß sich dieser für die Arbeit am Rheingold gleich "mehrere Arbeitsstätten nebeneinander aufgeschlagen"211 hatte: Neben dem Stehpult und dem Schreibtisch benutzte er
eine Chaiselongue. In den vorderen Escherhäuser soll das "Mittelzimmer" ein "große[r]
breite[r] Divan" beherrscht haben, "auf welchem ihn seine Besucher häufig lesend
antrafen".212 Wagner selbst soll später nicht nur seinen Erard mit über die Schweizer
Alpen geschafft haben, sondern auch sein Bett. Und Cosima muß am Ende neben dem
Sterbesofa, einem Lehnstuhl und einem Papierkorb (samt verworfenen Arbeitsskizzen?)
tatsächlich keine anderen Reliquien mit zurück nach Bayreuth genommen haben als
noch das oben erwähnte venezianische Ruhelager, das nachweislich nicht identisch war
mit dem Ehebett. Von seinem "Dienstbett"213 sprach Wagner einmal, was markant
deshalb ist, weil er zum Zeitpunkt dieser Äußerung mitnichten einen Posten besaß, der
ihm ein solches beschert hätte. Mehr unbewußt als bewußt, vielleicht halbbewußt,
setzte er wohl voraus, daß die Ruhe, die er brauchte und die Arbeit, die er absolvierte,
zusammenhingen. In diesem Sinn konnte gerade auch ein Bett der Ort der Inspiration
sein. Es erinnert an König Ludwig II.: Catulle Mendès hatte diesem in dem Roman à
clé, Le Roi Vierge die nicht unwahrscheinliche Äußerung zugedacht: "Take from me my
throne if you like [...] but I will not give up my bed!"214
<Der »Kompositeur der Schlafröcke«>
Alles deutet darauf hin, daß Wagners Schwäche für den Luxus, der selbst nichts anderes
wollte als sich wieder zu vergeuden, nicht so sehr einer Grille oder gar einem Komplex
entsprungen ist, wie Gregor-Dellin dies behauptet hat. Vielmehr entsprang sie der
straffen Logik einer Konstitution, die Samt und Seide zuallererst als psychisches und
dann erst als physisches Ereignis für sich beanspruchte. Cosima hat es in ihrem Tagebuch festgehalten, daß "die Berührung weicher Seide [...] magnetisch auf ihn wirke"215
209 Ebd., S. 93
210 Zitiert in: [Glasenapp, 1905b], S. 100
211 Ebd., S. 34
212 Ebd., S. 9
213 Brief Richard Wagners vom 12. 10. 1862 an Minna Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1908b],
S. 303
214 Zitiert in: [Newman, 11960d], S. 57
215 TB vom 11. 11. 1872. [Wagner, 1976a], S. 596
54
– "tastbare[...] Andeutungen verschwenderischer Üppigkeit"216, wie Thomas Mann
den Tatbestand umschreibt. Das zeigt, daß Wagner einer Stofflichkeit bedurfte, die ihn
in psychosomatischer Hinsicht regenerierte. "[I]ch hab' die unglaublichsten Anlagen
zum Beglücktwerden: man braucht mich nur ordentlich zusammenzupacken und ein
wenig weich einwickeln". 217 Mit der Zeit wurde seine Ausstattung zu einem Antidoton gegen das "graue[...] Kleid[...] [der] Alltagsmisère"218, zu einem Buenretiro und
dadurch zu einer Quelle wenn auch nicht unmittelbar für seine Kunst, so doch für
seine Künstlerschaft. Nur "in luxuriösem Behagen kann ein künstlicher Mensch jetzt
noch gedeihen"219, gab Wagner zu, wobei das 'Künstliche' das 'Künstlerische' meint.
Man wird nicht zu weit gehen, wenn man der Einschätzung Ernest Newmans folgt, ja
wenn man diese sogar dezidiert bestätigen möchte: "His imagination dwelt as lovingly
on fabrics and shades as ever it did on the harmonies and colours of his orchestra". 220
Auch Daniel Spitzers Kommentar muß bekräftigt werden – Wagner sei "der Kompositeur [der] Schlafröcke"221, heißt es, welcher, wie Kusche ergänzt, alles mit solch "kalligraphische[r] Gewissenhaftigkeit zu Papier gebracht hatte, als handle es sich [...] um
Regieanmerkungen des Komponisten in seinen Opernpartituren"222 (vgl. Abb. 27).
Wagners Interpretation:
Ob ich dann [ohne den vermeintlichen Luxus] aber auch noch so exzentrisches Zeug, wie
meine jetzigen Partituren, Dichtungen u. Vorreden schreiben werde, das ist eine andere
Frage! Wahrscheinlich werden all diese Sachen dann auch nach baumwollenen Schlafröcken und 200 ersparten Thalern aussehen. 223
Der Kontext des Schlafs erscheint demnach als Fluidum, aus dem Wagners geistige Gespanntheit ungefähr so hervorgetreten ist, wie seine Musik aus dem mystischen Abgrund hervortreten sollte: Es ging nicht um partielle Reflexe, es ging um Metamorphose. Sicher kursieren auch genügend Aussagen, die bereits Wagner selbst der
Persiflage unterworfen hatte. Das war womöglich ein Akt der Selbstzensur. "»Nur noch
eine Weile«, witzelte er etwa, »will ich liebliche Farben und Muster haben; mit 70
Jahren richte ich mich sibirisch ein«"224, "»wenn ich mit diesem kleinen Opus [dem
Ring des Nibelungen] fertig bin, dann gedenke ich wie Falstaff mich mit zwei Hemden
zu begnügen.«"225 Doch seine Witze hatten Tiefgang und sind zuweilen schneidender
als man denkt: "Wenn mir's nächstens in dieser lumpigen Welt zu toll wird, kleide ich
mich in Sack und Asche: dann mache ich aber auch gewiß keine Musik mehr, darauf
216 [Mann, 1974a], S. 413
217 BB vom 26. 10. [1865]. [Wagner, 1988b], S. 94
218 [Perl, 1883], S. 31
219 Brief Richard Wagners vom Nov. 1852 an Theodor Uhlig. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1912], S. 246
220 [Newman, 1960c], S. 438
221 [Spitzer, 1906], S. 27
222 [Kusche, 1967], S. 20
223 Brief Richard Wagners vom 16. 6. 1863 an Mathilde Maier. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1930], S. 107f.
224 [Glasenapp, 1911], S. 154
225 TB vom 14. 9. 1871. [Wagner, 1976a], S. 439
55
könnt' ihr Euch verlassen". 226 "Vielleicht verkaufe ich dann auch meine schönen Hauskleider: Sie können sich melden, wenn Sie etwas davon für Ihr zukünftiges Kuriositätenkabinett haben wollen."227 Daß das Bayreuther Richard-Wagner-Nationalarchiv
heute einen seiner Schlafröcke im sogenannten 'Kitsch-Kabinett' untergebracht hat,
zeugt also nicht unbedingt von Feingefühl.
I.2 Unterstoffe
<Insomnie und Neurasthenie als Krankheitsbild>
Anekdoten und Legenden sind auch Parabeln für biographische Spannungen und Verwerfungen, und daß der Schwingungsbereich hier oft viel zu weit ausschlägt, mag um
so mehr auf einen tieferliegenden Movens verweisen. Kuriosa zu isolieren wäre also
falsch, zumindest wäre es ungeschickt in bezug auf unser Thema. Schaut man auf die
vermeintlich luxuriösen Eskapaden, die Wagner immer wieder zugeschrieben wurden,
so werden diese nämlich geradezu konsolidiert durch die Tatsache, daß Wagner zeitlebens an einer pathologischen Schlaflosigkeit gelitten hat. Seine Fetischismen korrelieren
bei genauem Hinsehen mit neurasthenischen Störungen.
Die Wagner-Forschung hat diese Leiden oft besprochen, auch hat man die psychologischen Fallgruben ausgelotet, die Wagner daraus entstanden sind. Jedoch ist der
Tonfall an vielen Stellen salopp geblieben, vielleicht aus Beklommenheit, vielleicht
weil man den Ernst der Lage aus Mangel an Überblick nicht abschließend beurteilen
wollte. Doch selbst mit den besten Absichten läßt sich hier wohl nicht alles nachempfinden – möglich, daß man auch spekulativ blieb, weil alles Weitere eine Anmaßung
gewesen wäre. Denn bezweifelt werden darf, daß sich überhaupt in Worte fassen läßt,
welche Nöte einem Menschen zuwachsen, der den regelmäßigen Moment des Ausgleichs nicht kennt. Erschwerend für Wagner kam hinzu, daß er als Bühnenkünstler
die widernatürliche Nacht des Theateralltags zu verkraften hatte – das Halbdunkel
mußte zur Doppelbelastung und damit zum Berufsrisiko werden. Medizinisch ist es
längst bewiesen, daß aus solch einem 'Overtraining' ähnlich wie bei Sängern, die zu
viel singen, kein gesundes Schlafverhalten, sondern das Gegenteil resultiert: erhöhte
Nervosität, weitere Schlafstörungen, ungesunde Übermüdung. Ist Schiller einmal von
Goethe 'der Heilige aller am schlaflosen Zustande leidenden Menschenkinder' genannt
worden, so ließe sich behaupten, Wagner komme in derselben Sache im mindesten
dieselbe Stufe innerhalb der symbolischen Ordnung zu. Geradewegs rätselhaft, was hier
von Kindheit an gelitten, wieviel Lebenskraft verbraucht und restlos aufgezehrt wurde
von jenen "nächtliche[n] Kalamität[en]"228, die selbst durch einen entschlossenen Eu226 Brief Richard Wagners vom 19. 5. 1855 an Minna Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1908a], S. 195
227 Brief Richard Wagners vom 9. 7. 1859 an Mathilde Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1915],
S. 221
228 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 19
56
phemismus ihre Schrecken nicht verloren. Die "Schöpfungslast nun liegt auf Schultern,
die keineswegs die eines Christophorus sind", schrieb Thomas Mann, "[k]onstipiert,
melancholisch, schlaflos, allgemein gepeinigt, ist dieser Mensch mit dreißig Jahren in
einem Zustande, daß er sich oft niedersetzt, um eine Viertelstunde lang zu weinen."229
Drei bis vier Stunden Schlaf in der Nacht, das ist das Maximum dessen, was man für
Wagner als tägliche Erholungsration annehmen muß. Kaum eine Nacht zumindest von
denen, über die Berichte vorliegen, ist ungestört geblieben. Regelmäßig kehrten allein
die Unterbrechungen wieder. Seine Schlafphasen wurden durch psychische Vagabondage oder durch physische Beschwerden oder durch beides gemeinsam blockiert, durch
drei-, vier-, fünfmaliges Aufstehen zerteilt. Die Vielzahl der Medikamente führte statt
zu einer Beruhigung nur zu immer neuen Erregungen230 – er wolle einmal "froh sein,
wenn die Mühe zu Müdigkeit wird."231 Eine "von 1 Uhr bis 8 Uhr des Morgens
durchschlafene Nacht" bezeichnete er als "ein ideales Glück"232, es muß unerreichbar
gewesen sein – "»Avant de mourir möchte ich ein Mal gut schlafen.«"233 Wenn "man
käme, ihm zu gratulieren zu seiner Energie [...], möchte er aus der Haut fahren"234,
hält Cosima einen der Verzweiflungsrufe fest, und auch sonst ist sie wahrscheinlich die
einzige gewesen (neben Minna), die Wagners allnächtlichen Drangsale, die sein unausgesetztes Bangen um Nervenruhe, ja die ein Leben, das immer an der Schwelle zur
Unbehaustheit verlief, je richtig in all seiner traurigen Dramatik nachvollziehen konnte.235 "Jede gute Nacht", sagt sie einmal, "ist die Besiegelung eines seligen Tages"236 –
"dass Du gut geschlafen, darauf will ich schliessen, denn das ist Glück, wahres schönes
goldnes Glück!"237 Bereits damit wird deutlich, wie stark der Tag aus Sicht der Nacht
beurteilt wurde und wie sehr Wagners Lebensrhythmus im eigentlichen auf die Ruhephasen fixiert war. In "bitteren Tränen der Sorge um seine Gesundheit" flehte Cosima
manchesmal "zu Gott, ihm eine gute Nacht [...] zu gewähren", konnte sich erst
entspannen, sobald vernehmlich wurde, "daß R. schlief". 238 "[I]n der Tat wie ein
229 [Mann, 1974a], S. 387
230 Das wird nachvollziehbar, sobald man etwa folgende Notiz kennt: "[...] nachts eingenommen/ Brause-
pulver/ Bullrich-Salz/ Valeriana 1/ Valeriana 2/ Karlsbader Salz/ Rizinus Öl/ Rotwein/ Opium." TB vom
24. 3. 1878. [Wagner, 1977], S. 68. Die Auflistung ließe sich sogar beliebig verlängern um Baldriana, Bismut, Brom, Chinin, Chloral, Cognac, Hoffmann's Tropfen, Laudanum, Magnesia, Metall, Pektin, Vichywasser etc., um lauter Arzneien, die neben Schwefel-, Luft-, Brunnen- oder Bäderkuren mit den Jahren
ebenfalls Wagners Schlaf und Gesamtbefinden verbessern helfen sollten und oft nur das Gegenteil bewirkten.
231 TB vom 22. 12. 1880. [Wagner, 1977], S. 644
232 Brief Richard Wagners vom 8. 2. 1861 an Otto Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1915], S. 354
233 TB vom 13. 3. 1880. [Wagner, 1977], S. 503
234 TB vom 2. 10. 1875. [Wagner, 1976a], S. 939
235 Es mag ein Zufall sein, beklemmend aber wirkt es in jedem Fall, daß sowohl Minna als auch Cosima,
also beide Ehefrauen Wagners, ebenfalls an ausgeprägten Formen der Schlaflosigkeit gelitten haben sollen.
Wagner nannte Cosima zeitweise "den Napoleon der Schläfer", eine Aussage, die vermuten läßt, daß auch
hier eine Form von Neurasthenie vorgelegen hat. TB vom 6. 1. 1881. [Wagner, 1977], S. 659
236 TB vom 9. 2. 1878. [Wagner, 1977], S. 44
237 Brief Cosima Wagners vom 23. 2. 1879 an Richard Wagner. [<Wagner, Cosima - Briefe>, 1879], S. 5
238 TB vom 23. 4. 1873. [Wagner, 1976a], S. 673
57
Wunder"239, "ein Triumph über das Leben dünkt es mich, daß R. eine gute Nacht
hatte!"240 Das mag in sich überspannt klingen, doch die gesunde Ermüdung ist Wagner
im Leben geradezu "dämonisch feindselig geworden"241, wie er selbst einmal formulierte. Fast ohne Ausnahme mündete sie in jene Insomnie, die reziprok die pathologische Ermüdung provozierte. Die Überreizungen, die sich daraus auch im Alltag Wagners ergaben, lassen sich aus einem Bericht ablesen, den Weißheimer im Jahr 1868 an
seine Frau schickte:
Als ich Bülow auf dessen Wunsch endlich meine Oper allein (ohne Wagner) vorspielen
wollte, kam gleich das Zimmermädchen mit dem Auftrag herein, wir möchten doch aufhören zu musizieren, der Meister wolle schlafen! Es war vormittags 11 Uhr! Bülow schlug den
Flügel zu und sprang erregt auf mit den Worten: »Es ist mir eine hohe Ehre, mit dem
großen Meister zusammen zu wohnen - es ist aber oft nicht zum Aushalten!!«242
Die Tagebücher Cosimas quellen deshalb über von Eintragungen, die diese nervöse
Atmosphäre einfangen. Wenn Peter Wapnewski feststellt, daß die "Wiederholungsfigur
[...] das Grundmotiv der Notate"243 ist, so gilt das in besonderem Maße auch für die
Formel 'R. hat nicht geschlafen'. Im Zeitraum von 1869 bis 1883 taucht sie an nahezu
jedem einzelnen Tag auf, oft nur gering variiert. Nicht allein die Tagebücher werden
dadurch einem ganz eigenen Rhythmus unterworfen. Das Leben Wagners selbst
scheint durch eben jenen Tatbestand, den diese Formel bezeichnet, rhythmisiert worden zu sein. 'Rhythmus' freilich bedeutete hier nichts anderes als Gegentakt zum üblichen Tag-Nacht-Wechsel. In endlosen Variationen heißt es: "R. [hat] eine schlimme
Nacht gehabt und ist sehr leidend"244 – "R. hatte auch kein Auge zugemacht"245 – "R.
hatte eine üble Nacht"246 – "er hatte eine böse Nacht"247 – "R. schläft nicht einen
Augenblick des Nachts; es gibt manche Zeiten, die kaum zu überstehen möglich scheinen!"248 – "R. hatte wiederum eine üble Nacht!"249 – "R. immer schlaflos"250 – "R.
sehr müde"251 – "R. beinahe die ganze Nacht auf!"252 – "R. hatte ein schlimme Nacht
mit schrecklichen Träumen"253 – "Wiederum keine gute Nacht; R. wanderte um-
239 TB vom 18. 11. 1879. [Wagner, 1977], S. 445
240 TB vom 21. 1. 1879. Ebd., S. 294
241 Brief Richard Wagners vom 7. 1. 1864 an Mathilde Maier. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1930], S. 136
242 [Weißheimer, 1898], S. 392f.
243 [Wapnewski, 1983], S. 125
244 TB vom 15. 3. 1869. [Wagner, 1976a], S. 72
245 TB vom 10. 5. 1870. Ebd., S. 229
246 TB vom 29. 6. 1871.
247 TB vom 24. 2. 1872.
248 TB vom 18. 2. 1873.
249 TB vom 28. 3. 1874.
250 TB vom 24. 1. 1875.
Ebd., S. 406
Ebd., S. 493
Ebd., S. 640
Ebd., S. 805
Ebd., S. 890
251 TB vom 30. 7. 1876. Ebd., S. 993
252 TB vom 17. 11. 1877. Ebd., S. 1086
253 TB vom 14. 3. 1878. [Wagner, 1977], S. 58
58
her"254 – "Sehr unruhig war die Nacht, vieles Phantasieren, am Morgen große Ermattung"255 – "Die Nacht war recht übel, und so gut wie gar kein Schlaf wollte sich einfinden!"256 – "R. ruht aus, fühlt sich aber schwer"257 – "Und beinahe die ganze Nacht
über spricht er und ist unruhig"258, und all das ist nur eine Eindampfung dessen, was in
Cosimas Tagebüchern insgesamt zu diesem Thema zu finden ist. Wir haben bloß eine
Notiz pro Jahr angegeben. Selbstverständlich gibt es dagegen auch Meldungen wie:
"Der Beginn der Nacht war unruhig, nachher aber wurde es gut"259 – "R. hatte eine
bessere Nacht"260 – "R. aber hat gut geschlafen"261, gar: "R. meldet mir, daß wir 11
Stunden lang geschlafen!"262 oder "R. hat sehr gut geschlafen und ist sehr heiter"263,
und auch dafür gibt es genügend Belege. Doch diese Erbauungsbotschaften scheinen
den Gesetzen der Wagnerschen Schlaflosigkeit nicht zu widersprechen, im Gegenteil.
Meist zeigen sie nur an, daß ein völliger Erschöpfungsschlaf sich sein natürliches Recht
verschafft hat. Cosimas Tonfall verrät, daß es nie einen Grund zur Euphorie gab. Was
sie schrieb, war immer Diagnostik. "R. hat Gott sei Dank erträglich geschlafen"264, in
Ausrufen wie diesen schwingt mit, daß das Gegenteil jederzeit seinen Tribut fordern
konnte. Die Regel bestätigte sich auch hier durch die Ausnahmen.
<Das pathogene Werk>
Die lakonische Äußerung "R. schlief gut, nur ist er müde"265 mag zeigen, daß Wagner
an einer Art Grundmüdigkeit litt, der auch durch Schlaf nicht beizukommen war. Es
war eine Müdigkeit, "welche der Verzweiflung gleicht".266 Eine Müdigkeit, die (fast)
nicht zu heilen war und die in die Erkenntnis hineingespielt haben dürfte, daß "das
Weh und das Wache verwandt sind". 267 Ein sehr ernster Ton zieht folglich in Wagners
Biographie hinein. Denn das Phänomen der Schlaflosigkeit läßt sich für ihn nicht klären, solange man es nur mit alltäglichen Diät- oder Lektürefehlern, mit Wetterfühligkeit, Kongestionen, falschem Medizinieren und/ oder mit jenen schlechten Unterkünften und Ungezieferplagen zu interpretieren sucht, die ihn auf Reisen am meisten irritiert haben sollen. Gewiß sind all das Störungen, unter denen er auch ein Leben lang
gelitten hat. Aber sie sind mehr Anlaß denn Ursache. Ein ungeschicktes Orchester hingegen, die Bosheit der Presse, der anhaltend zermürbende Verkehr mit Musikverle254 TB vom 18. 3. 1879. Ebd., S. 317
255 TB vom 9. 2. 1880. Ebd., S. 489
256 TB vom 27. 2. 1881. Ebd., S. 701
257 TB vom 5. 2. 1882. Ebd., S. 885
258 TB vom 22. 1. 1883. Ebd., S. 1097
259 TB vom 20. 3. 1879. Ebd., S. 317
260 TB vom 21. 2. 1878. Ebd., S. 48
261 TB vom 6. 7. 1871. [Wagner, 1976a], S. 410
262 TB vom 9. 2. 1883. [Wagner, 1977], S. 1109
263 TB vom 12. 5. 1881. Ebd., S. 737
264 TB vom 15. 1. 1873. [Wagner, 1976a], S. 628
265 TB vom 2. 3. 1878. [Wagner, 1977], S. 42
266 TB vom 28. 8. 1881. Ebd., S. 786
267 TB vom 9. 7. 1869. [Wagner, 1976a], S. 125
59
gern, Klavierauszüglern, Unterhändlern des Königs, mit Bewunderern, Dilettanten,
Nachbetern und halbherzigen Künstlern zwangen ihn in eine Ermattung hinein, die
ungleich folgenschwerer war. Es ging um eine Form von Abspannung, durch die die
Symptome zur Krankheit umschlugen. Schwierig ist nicht zu ermitteln, daß die Schlaflosigkeit ihm hier aus einer Erregung erwuchs, die sich aus seiner eigenen Arbeit ableitete. Eine "Erholungsfrist für meine immer noch durch geschäftliche Besorgungen
übermüdeten Nerven"268 gab es nicht. Wagners Anamnese hat Wesentliches mit Wagners Werk zu tun. "Ich kann fast mit meiner Kundry im ersten Akte sagen: ich bin
müde."269
In einer "schlaflosen Nacht hat R.", wie bezeichend, "an seinen Beruf gedacht"270,
heißt es in Cosimas Aufzeichnungen. Daraus läßt sich ablesen, daß schon von vornherein die Anforderungen, die Wagner an seine Arbeit und die die Arbeit an ihn stellte, zu
riesenhaft für seine Konstitution gewesen sein müssen. "»Jede Arbeit«", beklagte er sich
über die Tätigkeit des Musikers,
»die nicht mit der Vernunft zusammenhängt, ist Scherz dagegen; hier kann nichts erzwungen werden, ebenso wenig als man durch den Willen einen Traum wieder anspinnen kann,
man muß warten, bis es einen förmlich anfliegt.«271
Ein Künstlerproblem also, ein Problem der Inspiration. Man könnte sagen, Wagner
war genau dem ausgeliefert, dem er sich auch ausliefern wollte. Von der Kunst ließ er
sich für die Kunst hinhalten und fand, während das Werk anwuchs, selber keinen Halt,
um sich im Leben festen Boden unter den Füßen zu verschaffen. So gab es womöglich
keinen einzigen Tag, den er nicht übernächtigt verbracht hat. Doch dem Schlaf konnte
er sich darum erst recht nicht überlassen. Jeder Moment konnte ein gewinnbringender
Moment sein bezogen auf die Arbeit, und so belauschte er sich selbst so lange, bis
zwangsläufig die widernatürliche Schlaflosigkeit auf ihn übergriff. Noch schlimmer
wurde es, sobald die einmal begonnene Arbeit am Werk zu stocken drohte, sobald sie
verunglückte, erlahmte, stagnierte, weil die innere Zirkulation durch äußere Einflüsse
gestört wurde. Das bedeutete nicht nur, daß der Inspirationsfluß unterbrochen war,
nicht nur, daß man bald an genau jener magnetischen Stelle wieder von vorne würde
beginnen müssen, von der man sich soeben unter Schmerzen abgestoßen hatte. Es
bedeutete auch, daß alle verbliebenen Kräfte zerstreut und aufgebraucht wurden von
Belangen, die dem inneren Leben diametral entgegenstanden – Nöte des Alltags waren
das, Nöte, die Routine des Lebens überhaupt zu bewältigen. Alle diese Störungen haben denn auch Perioden der Schlaflosigkeit zur Folge gehabt. Wagners Restressourcen
drohten sich von selbst zu verschleißen. "Es kostet mich unglaubliche Mühe, meine
Fassungskraft wieder einem künstlerischen Interesse zuzuwenden; so müde und ausver268 Brief Richard Wagners vom 6. 9. 1876 an Lorenz von Düfflipp. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1970],
S. 827
269 [Glasenapp, 1911], S. 642
270 TB vom 15. 11. 1871. [Wagner, 1976a], S. 459
271 TB vom 4. 6. 1870. Ebd., S. 240
60
braucht bin ich von gemeinsten Lebensmühen"272, sagt er. "Meine Nächte sind meist
schlaflos – müd und elend steig' ich aus dem Bett, um einen Tag vor mir zu sehen, der
mir nicht eine Freude bringen soll!"273 An Angelo Neumann schrieb er:
In dieser Absicht habe ich zunächst mein Ausbleiben [zu den Ring-Proben] [...] zu entschuldigen: diese Entschuldigung besteht einfach in der Hinweisung auf meine große Ermüdung und auf die Scheu davor, von neuem mich in die Aufregung der szenischen wie
musikalischen Regie zu begeben.274
An Karl Klindworth über denselben Gegenstand: "Die letzten Arbeiten haben mich
sehr ermüdet". 275 Nietzsche faßt vieles zusammen mit folgender Notiz: "Wie ein Wanderer durch die Nacht geht, mit schwerer Bürde und auf das Tiefste ermüdet und doch
übernächtig erregt, so mag es ihm oft zu Muthe gewesen sein". 276 Nicht schlafen und
nicht arbeiten zu können, das läßt sich bei Wagner nicht nur sukzessiv aufeinander
beziehen, man muß hier viel mehr noch von synonymen Erscheinungen ausgehen.
Cosimas Tagebücher beweisen es – nur zu oft stenographiert sie: "R. hatte eine üble
Nacht; kann nicht arbeiten."277 Doch selbst diese Situation war offenbar noch negativ
steigerungsfähig. Denn katastrophisch wurde Wagners Zustand erst, sobald sich die
akute und zwangshaft physiologische Verbindung von Leben und Arbeit zu jenem
Teufelskreis zusammenzog, durch den sich nicht nur die Unfähigkeit zu arbeiten aus
der Unfähigkeit zu ruhen, sondern umgekehrt die Unfähigkeit zu ruhen auch aus der
Unfähigkeit zu arbeiten entwickelte. Das Problem wie um die eigene Achse zerrend,
heißt es in dem großen Bericht an König Ludwig II. aus dem Jahr 1874:
In [...] oft übermenschlichen Anstrengungen, denen ich mich für meinen Beruf oft aussetze, liegt wohl auch der Grund beständiger, mich quälender Leiden, die mir leider den
Schlaf sehr häufig rauben, und gegen welche ich eigentlich immer in einer Kur begriffen
bin. 278
Ähnliches und dies ähnlich offiziös findet man auch in anderen Jahren, an andere
Adressaten: "Meine Anstrengungen sind so groß, und die Ab- und Umwege so ermüdend"279, schrieb Wagner etwa an Hans von Bülow oder: "Was werde ich sollen, was
werde ich können? [...] Ich bin zu müde!"280 an August Röckel. Der etymologische
Zusammenhalt von 'müde sein' und 'sich mühen' scheint sich geradezu schulbuchreif
an ihm bestätigt zu haben. Das Werk, das so sein sollte, wie kein anderes Werk zuvor,
272 Brief Richard Wagners
273 Brief Richard Wagners
274 Brief Richard Wagners
275 Brief Richard Wagners
vom 14. 7. 1861 an Peter Cornelius. Zitiert in: [Glasenapp, 1905b], S. 332
vom 30. 3. 1853 an Franz Liszt. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1988a], S. 282f.
vom 23. 9. 1873 an Angelo Neumann. Zitiert in: [Neumann, 1907], S. 85
[aus dem Jahr 1873] an Karl Klindworth [undatiert]. [<Wagner, Richard – Briefe>,
1908c], S. 38
276 Richard Wagner in Bayreuth. [Nietzsche, 1988n], S. 441
277 TB vom 21. 9. 1873. [Wagner, 1976a], S. 730
278 Brief Richard Wagners vom 1. 10. 1874 an Ludwig II. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1936d], S. 46f.
279 Brief Richard Wagners vom 6. 3. 1863 an Hans von Bülow. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1916], S. 196
280 Brief Richard Wagners vom 7. 3. 1865 an August Röckel. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1894], S. 83
61
erzeugte ihm auch singuläre Qualen. Schließlich sei er des "Lebens herzlich müde"281
gewesen, bekannte er, und diese Depression, sie entbehrte nun tatsächlich jeder Theatralität. Wo es heißt: "Die Mühe, die mir alles Arbeiten macht, ist grenzenlos, und
mein Zustand nahezu unerträglich; ich bin immer wie übernächtig, schwer, träge und
wüst"282, da dürfte Wagner die Talsohle im Leben wie im Werkentstehungsprozeß
erreicht haben. "Nervenaufregung und Schlaflosigkeit [ruinieren mich] und [können
mich] für immer zur Ausübung meiner Kunst unfähig machen". 283
Daß die Mischung aus Überreizung und Übermüdung datierbare Entsprechungen
im äußeren Leben Wagners besaß, ist methodisch eine Pointe dieser Biographie.
Schaut man sich Wagners Lebenslinie an, so wird man feststellen können, daß sie keinen 'Richt- oder Mittelwert', keine Orientierung kannte und daß es statt dessen zu
allen Zeiten extreme Ausschläge gegeben hat. Insomnie und pathologische Müdigkeit
lassen sich hierbei als Amplituden lesen, die mit ungewöhnlicher Präzision jenen Momenten in Wagners Leben entsprechen, in denen die Arbeit am Werk stockte,
stagnierte, bleischwer auf ihm lastete. Immer in oder kurz vor einer Krisis schwillt
Wagners Unfähigkeit zu ruhen schubhaft an. Der Schlaf, der per se Medizin, Kühlung
und Katharsis bedeutet, flieht ihn. Die Tage und Wochen konzentrierter Schlaflosigkeit
wirken dann wie breitangelegte Zäsuren, dekompositorische Pausen, negative
Auszeiten.
Bereits 1833 – da war Wagner gerade einmal 20 Jahre alt, soeben mit seinen Feen
beschäftigt und schon entkräftet von einem Chorleiterposten in Würzburg – hieß es:
"Ich bin jetzt immer in einem so aufgeregten Zustande, - - diese Nacht habe ich
wieder nicht geschlafen; – ach, was sage ich denn, - - die Ruhe der Nächte habe ich
jetzt schon lange aufgeben müssen". 284 Fiebrig und unnatürlich unruhig war er auch
zur Zeit seiner Verlobung mit Minna 1836. In der Nacht unmittelbar vor seiner
Hochzeit verweigerte er das aufgeputzte Brautbett zugunsten eines harten Kanapees,
auf dem er statt zu schlafen dem "unendlich verhängnisvolle[n] Lebensverhältnis"285
entgegenfror. Von aufreizender Schlaflosigkeit wurde er bei jedem einzelnen seiner
schicksalhaften Paris-Aufenthalte eingeholt, die Tannhäuser-Proben 1845 in Dresden
bedeuteten für ihn physiologisch höchste Not, ebenso die von ihm verabscheuten
Gastdirigate in England, Belgien oder Frankreich. Fast zwingend wurde die allererste
öffentliche Lesung seines Nibelungen-Dramas 1848 (damals noch unter dem Titel Siegfrieds Tod) umrahmt von schlaflosen Nächten. Was der Geburt des (zu) lang hinausgezögerten musikalischen Rheingold-Entwurfs in La Spezia 1853 voranging, darf man
getrost eine Attacke von Schlaflosigkeit und Übelbefinden nennen. Weitere Zäsuren:
die einschneidend schwierige Nacht im Zürcher 'Asyl' unmittelbar nach dem Zerwürfnis mit Minna und vor der Trennung von Mathilde Wesendonk 1858, die brenzlige
281 Brief Richard Wagners vom 1. 11. 1859 an Hans von Bülow. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1916], S. 134
282 Brief Richard Wagners vom 25. 5. 1855 an Minna Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1908a], S. 198
283 Brief Richard Wagners vom 15. 12. 1858 an Minna Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1908b], S. 18
284 Brief Richard Wagners vom 11. 12. 1833 an Rosalie Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1907b], S. 9
285 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 104
62
Übermüdung, die dem Tode des Lieblingstenors Schnorr von Carolsfeld 1865 auf den
Fuß folgte, die aufzehrenden Nächte im selben Jahr, da König Ludwig ihn aus
München und seiner Schutzhoheit entlassen mußte, schließlich die atemlose Ermattung, die die erste, ungewisse Visite nach Bayreuth begleitete 1871, es war, "als hätte
der Geist von Bayreuth zugeschlagen in jener ersten Nacht, [...] eine wütende Reaktion des Organismus [...], durch den das Schicksal mit Fieberfrost dem Unwissenden
seine Bedenken signalisierte."286 Angstmomente, Schreckensbilder des Lebens, Inkubationsstörungen wurden bei Wagner von Zyklen der Schlaflosigkeit flankiert. Die Nacht
wurde als "des Menschen Feind"287 wahrgenommen, eine bemerkenswerte Äußerung
aus dem Munde des Mannes, der die Tristansche 'Nacht der Liebe' als höchstes Glück
auskomponiert hat. Das Wagnersche Werk aber setzte offenkundig die Überlastung
seines Schöpfers voraus. Es absorbierte all dessen Lebensimpulse, zwang ihn immer
wieder in die schwächstmögliche Position hinein und hielt ihn so gefangen in einer
paradoxen Situation: Manövrierunfähigkeit wurde zum Auslöser für seine Rastlosigkeit.
<Similia similibus curentur>
Doch eine Rettung mußte es geben. Mehr noch, Wagner suchte auch hier nach Erlösung. Wie im Werk sollte auch im Leben das Unmögliche möglich werden. Wollte er
das Werk tatsächlich gewinnen, so blieb ihm im Leben nichts anderes übrig, als durch
Schlaf wiedereinzuholen, was ihm durch Schlaflosigkeit latent verloren ging. Also hob
er an, den Schlaf herbeizuzwingen – es ist der Beginn seiner ästhetischen Auseinandersetzung mit dem Phänomen. "Ich glaube nicht mehr und kenne nur noch eine Hoffnung: einen Schlaf, einen Schlaf, so tief, so tief, daß alles Gefühl der Lebenspein
aufhört"288, schrieb er etwa an Liszt zu einer Zeit, als er die ersten Pläne zur Ausführung seiner Nibelungen schmiedete. "Ein voller, tiefer Schlaf [...] ist mein einziges Heilmittel!"289 heißt es an anderer Stelle oder: Er "habe sich immer so einen Siebenschläfer-Schlaf gewünscht".290 "Ich wollte, es gäbe eine Schlafkur: ich meine, so ein vierwöchentlicher tiefer Schlaf müßte mich, da meine Organe vollständig gesund sind, wie
neu erschaffen"291, gestand er Mathilde Maier. Er erhoffte sich eine Metamorphose –
Vorwegnahme des Walkürenschlafs – er wollte mehr von dem, was er zu wenig besaß!
Da schimmert bereits durch, daß es ihm nie allein um seine physische Konstitution gegangen war, so hypochondrisch war er nicht. Seine Sehnsucht nach dem Schlaf griff
die Sehnsucht nach dem Werk und auch die Sehnsucht nach den Möglichkeiten, dieses
den Lebensumständen abzutrotzen, immer mit ein:
286 [Wapnewski, 1983], S. 123
287 Brief Richard Wagners vom 26. 11. 1861 an Minna Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1908b],
S. 231
288 Brief Richard Wagners vom 15. 1. 1854 an Franz Liszt. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1988a], S. 358f.
289 Brief Richard Wagners vom 31. 7. 1860 an Cäcilie Avenarius. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1907b],
S. 235
290 TB vom 6. 12. 1879. [Wagner, 1977], S. 458
291 Brief Richard Wagners vom 7. 8. 1864 an Mathilde Maier. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1930], S. 174
63
Es hat mit diesem meinem Leben eine höchst sonderbare Bewandniß. Wer es genau
durchgeht, muß finden, daß in ihm nur ein Bedürfnis, ein Trachten sich ausspricht, nämlich: Ruhe und Ungestörtheit zu finden, allerdings mit einigem Behagen ausgestattet, wie
es dem künstlerischen Schaffen nöthig ist. Dagegen stellt sich nun der äußere Verlauf meines Lebens so dar, daß der auf Abenteuer allerversessenste Sonderling es sich nicht unruhiger und wechselvoller hätte gestalten können. Die Gründe dieser widerspruchsvollen Erscheinung stellen sich dem Aufmerksamen bald deutlich heraus: sie sind idealer und realer
Art. 292
Halb utopistisch und halb realistisch also versuchte er den Zustand seiner schlaflosen
Nächte zu bezwingen, nur um die Kräfte freizusetzen, durch die das Werk entstehen
sollte. "[I]ch [...] sehne mich sehr nach häuslicher Ruhe und Arbeitsmöglichkeit, was
bei mir immer gleichbedeutend ist"293, "ich will nichts von der Welt, als daß sie mir
Ruhe zu den Arbeiten lässt, die einst ihr gehören sollen."294 Und so rastete er nicht,
diese sublime Ruhe für sich und sein Werk zu finden, arbeitete sich aus dem Tunnel
der Schlaflosigkeit frei, um sich künstlich in die Ruhe hineinzuquälen, bekannte, ein
"Fanatiker der Ruhe" zu sein, "nichts weiter"295, verzweifelte am Widersinn des Ganzen und mußte dennoch weitermachen wie zuvor. "Ruhe, Ruhe!"296, das wird zu
einer Beschwörungsformel, einen anderen Ausweg gab es für ihn nicht mehr, Autosuggestion war seine letzte Chance, "Ruhe! Ruhe! – Eine andre Welt wird uns erstehen!"297, "Ruhe will ich, nichts als Ruhe! [...] Einzig und allein – Ruhe und –
Arbeiten!"298 "Ruhe muss und will ich haben!"299 Die Arbeit an dieser "arbeitsvolle[n]
Weltentsagung"300 wiederum war so kräftezehrend, daß sogar König Ludwig II., der
Erholung selber bitter nötig hatte, ihm beisprang. "O Ruhe, du Gott!"301, das schrieb
er nicht nur einmal. Aus Wagner wurde Wotan, eine neue Verbindung war hergestellt
zu jenem Werk, für das dies alles geschah.
Daß es hier nicht um eine beschauliche Ruhe, nicht um Freizeit, Müßiggang oder
Zerstreuung ging, sondern um einen aus dem Zustand der Ruhe evolvierenden, elaborierten Lebensstandard, sogar um ein Erkenntnisniveau, das hatte Wagner von Anfang
an klargestellt:
292 Brief Richard Wagners
293 Brief Richard Wagners
294 Brief Richard Wagners
295 Brief Richard Wagners
vom 12. 1. 1870 an Anton Pusinelli. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1909], S. 507
vom 5. 10. 1859 an Otto Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1915], S. 248
vom 20. 8. 1858 an Klara Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1904], S. XXIX
vom 22. 6. 1867 an Malwida von Meysenbug. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1896],
S. 567
296 Brief Richard Wagners vom 2. 2. 1850 an Minna Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1908a], S. 58
297 Tagebucheintrag Richard Wagners vom 1. 10. 1858 an Mathilde Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>,
1915], S. 126
298 Brief Richard Wagners vom 28. 12. 1861 an Minna Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1908b],
S. 243
299 BB vom 28. 10. [1865]. [Wagner, 1988b], S. 94
300 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 204
301 Brief Ludwigs II. vom 22. 1. 1866 an Cosima von Bülow. [<Wagner, Cosima - Briefe>, 1996], S. 128
64
[S]o renne und jage ich Thor aber, um mir Ruhe zu verschaffen, d. h. jene complicirte
Ruhe eines ungestörten, genügend behaglichen Lebens, um – nur arbeiten, nur Künstler
sein zu können. 302
Nicht eine friedliche, genügsame, naive Ruhe, sondern eine Ruhe höherer Ordnung,
eine 'complicirte Ruhe' eben war es, die erst das friedliche, genügsame und naive
Künstlerleben generieren und in Folge ein Werk auf den Plan rufen konnte, dessen
höchster Sinn darin bestand, spekulative Widersprüche kommensurabel zu machen.
Wohl klingt das kompliziert in sich, aber das war es auch. Die Reflexion darüber, wie
zu reflektieren sei, jene Grundmetapher, die später Wotans Größe gerade im Scheitern
beweisen sollte, ist Wagners eigentliches Thema, im Werk wie im Leben. Nur durch
die 'complicirte Ruhe' und durch den Sog dialektischer Beziehungen ließ sich jener
Gegenrhythmus, dem Wagner selbst tagtäglich unterworfen war, zu einem gangbaren
Taktmaß strecken. Es war ein bewußtes Spiel mit dem Unbewußten. Und plötzlich
verfiel [ich] in einen schönen Schlummer, anmutige Träume lagerten sich um mich her; da
ließ sich Goethes Gesang vernehmen: »Schwindet ihr dunkeln Wölbungen droben usw.«
Ich sah jene Wiesen, jene Auen, ich trank aus jenen Quellen, ich atmete jene Düfte; mein
Auge drang in den klaresten Äther [...]. Mir ward wohl und heiter [...] als ich erwachte 303,
und aus der 'complicirten' ist die "schaffende Ruhe"304 geworden – eine "»glückliche
Kur«".305 "[P]roduktive Ruhe"306 nannte Wagner dieses Phänomen an anderer Stelle,
und bezeichnenderweise setzte er es der "plastischen Ruhe"307 entgegen – Bewegung
brauchte er statt Statik, Fliehkräfte statt Bindemittel, Musik statt Bilder:
Es muß da einen unbeschreibbaren inneren Sinn geben, der ganz hell und tätig nur ist,
wenn die nach außen gewendeten Sinne etwa nur träumen. Wenn ich eigentlich nicht
mehr deutlich sehe, noch auch höre, ist dieser Sinn am tätigsten, und er zeigt sich in seiner
Funktion als produktive Ruhe: ich kann's nicht anders nennen. Ob diese Ruhe mit der
von Ihnen gemeinten plastischen Ruhe übereinstimmt, weiß ich nicht; nur weiß ich, daß
jene Ruhe von innen nach außen dringt, daß ich mit ihr im Centrum der Welt bin,
während die sogenannte plastische Ruhe mir mehr nur wie von außen bewirkte, formell
tätige Beschwichtigung der inneren Unruhe erscheint.308
Was heißt das? Nichts Geringeres, als daß Wagners Intuition auf einen traumgleichen
Zustand angewiesen, ja daß die Intuition bei ihm sogar mit diesem gleichbedeutend
302 Brief Richard Wagners vom 23. 8. 1856 an August Röckel. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1894], S. 69
303 Zitiert in: [Glasenapp, 1905a], S. 504
304 TB vom 7. 4. 1881. [Wagner, 1977], S. 723
305 Zitiert in: [Glasenapp, 1905a], S. 504. Über dasselbe Goethe-Gedicht sagte Wagner übrigens auch
einmal, daß es "förmlich den Zustand schildert beim Einschlafen"! TB vom 2. 4. 1875. [Wagner, 1976a],
S. 907
306 Brief Richard Wagners vom 1. 1. 1860 an Mathilde Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1915],
S. 278
307 Ebd.
308 Ebd.
65
war. Schlaflos wie er war, mußte dieser Mann schläfrig werden. Gerade was ihm mangelte, half den Mangel zu beseitigen. Die Ruhe, die Wagner im äußeren Leben nicht
finden konnte, stilisierte er deshalb zur ersten, inneren Antriebskraft. Gewissermaßen
handelte er nach dem Ähnlichkeitsgesetz – gefrorene Glieder bedeckte er mit Schnee –
seine neurasthenische Disposition verwandelte er in Inspiration – eine enorme psychische Übersetzungsleistung. Denn nun konnte die Aura des Schlafs genau jene Kräfte
freisetzen, die vorher durch diesen gebunden waren. " Ach, Himmel! Ich bedarf der
Ruhe, der Ruhe, – und sie kann mir nur meine Kunst geben."309 Wo aber das Werk
freigesetzt werden konnte, da drängte sich die ersehnte Ruhe (fast) wie von selbst
heran. Mit einem Mal war der Bann gebrochen: "R. hatte eine gute Nacht! [...] sagt
[...], »ich habe auch komponiert, alles habe ich getan!«"310 Oder (entsprechend
gespiegelt): "Ich fühle mich jetzt so heil und froh in meiner Arbeit, daß ich mir alles –
nicht nur das Gelingen meiner Musik selbst, sondern auch mein Gesunden – erwarten
darf."311 Die Motive 'Schlaf' und 'Arbeit' sind bei Wagner also nicht nur destruktiv,
sondern in höherer Instanz regenerativ aufeinander bezogen. In der Abhandlung Der
Künstler und die Öffentlichkeit wird Wagner einmal über den Zustand des Künstlers
folgendes schreiben, es sind dort die Schlußworte: "Träume! Das ist das Allerbeste!"312
Das Rätsel, das er sich selbst gestellt und das er am Ende auch selbst gelöst hatte, wurde
zu einem Erklärmodell für die Genese der Kunst schlechthin. In unserem 2. Kapitel
werden wir diese Ausweitung ausführlich behandeln.
Gewiß, nun könnte man auch fragen: Hat Wagner denn tatsächlich besser geschlafen, nur weil er die Komplikationen in dieser Sache zu einem Ästhetizismus überhöht
hatte? Läßt sich nachweisen, daß seinen Worten Taten nachgefolgt sind? Hatte sein
philosophisches Geschick überhaupt einen Effekt auf seine physische Konstitution?
Oder war all das doch nur Vorspiegelung? Eine beeindruckende, doch ergebnisoffene
Gedankenleistung? Ein Kunstgriff, um einen noch größeren virtuellen Abstand zu
jenem äußeren Leben herzustellen, welches das innere so sehr bedrohte? Die Antwort
kann nur sein: Ja. Und nein.
Natürlich muß man zunächst davon ausgehen, daß hier viel auf Einbildung beruhte.
Gerade Wagners Krankengeschichte belegt, daß die Vorgänge des Körpers nicht nur
Empfänger, sondern auch Erzeuger sind und daß sie oft verzögert oder undurchsichtig
reagieren auf etwas, das im bewußten Leben klar, gut und vorhersagbar erscheint. Eine
Gesundheitsgarantie gibt es also nicht, und es gab sie auch nicht für Wagner. Kein Arzt
von denen, die ihn über die Jahre hinweg behandelt hatten, war je mit dem Manne
zufrieden, auch wenn Wagners eigene Interpretationen gelegentlich anderes besagen.
Es spricht für sich, daß Krankenberichte in der Wagner-Forschung eigens rubriziert
werden. Doch auf der anderen Seite unterschätze man die Einbildung nicht! Hier und
heute sind wir viel zu weit entfernt von Wagner, um beurteilen zu können, wie er
309 Brief Richard Wagners vom 10. 5. 1863 an Mathilde Maier. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1930], S. 92
310 TB vom 21. 1. 1879. [Wagner, 1977], S. 294
311 Brief Richard Wagners vom 16. 11. 1853 an Franz Liszt. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1988a], S. 338
312 Der Künstler und die Öffentlichkeit. [Wagner, 1871c], S. 230
66
wirklich geschlafen hat. Das kann uns nicht als letztes interessieren. Wohl aber interessiert uns, daß sich an Wagner das Geheimnis der Kompensation erfüllt hat. Denn:
'Irgendwie' hat er es offenbar doch geschafft, dem Chaos seiner Nächte eine positive
Wendung zu geben – lassen wir dem 'irgendwie' hier sein Recht, es hilft den Sicherheitsabstand wahren. Was die Romantiker "Selbeinschläferkunst"313 nannten, das kann
man bezogen auf Wagner 'Selbstbeeinflussung' oder 'autogenes Training' nennen. Ein
Vorgang vorübergehender 'konzentrativer Selbstentspannung', der von außen nicht
nachvollzogen werden kann, der aber über sein Ergebnis verifizierbar wird. Es ist nicht
von der Hand zu weisen, daß neben dem schlechten Schlaf Bilder des schönen,
magisch-produktiven Schlafs in Wagners Biographie hineingezogen sind. Um sich zu
kurieren, konnte er aus dem Schlechten doch das Gute, aus dem Unmöglichen doch
das Mögliche herausschlagen. Er konnte katalytisch denken, könnte man sagen.
Adolphe Appia meinte einmal: "Die wundersamen Träume, die seinem Optimismus
entstiegen, haben ihn [...] aufrecht erhalten".314 Seiner eigenen Rastlosigkeit konnte er,
Wagner, jenes winzige Quentchen 'Mehr' abzwingen, das es brauchte, um sich über
sich selbst hinwegzusetzen und beurteilen zu können, wie gegen die Rastlosigkeit
vorzugehen sei. Und tatsächlich wirken so manche Passagen in seinem Leben seltsam
übersteuert – 'wundersame Träume'. Man merkt ihnen das Konstruierte an. Man
merkt, welcher Anstrengungen es bedurfte, um die Anstrengungen zu suspendieren.
Daß ein Schlaf etwa ein 'Siebenschläfer-Schlaf', 'vierwöchentlich' oder 'das einzige
Heilmittel' im Leben sei, das scheint nicht nur irreal, es ist irreal. 'Irrealität' aber war die
goldene Regel, kraft derer er sich der 'Realität' entziehen konnte. "Daß ich nie frei
mich fühlen soll außer in extatischen Momenten"315, das quälte Wagner nicht nur, es
half ihm auch. Schaut man genau hin, so findet man in seinem schlaflosem Leben eine
große Anzahl visionärer Schlummerzustände, somnambuler Zwischenzeiten, inspirierter Traumgesichte, Befindlichkeiten, die den qualvoll durchwachten Nächten diametral
entgegenstanden und diesen die Stirn boten. "[Q]uasi-mystic-ecstasy"316 nannte Ernest
Newman das. Bereits in den Bayreuther Blättern hatte man das dramaturgische Kalkül
dieser Überreizungen erahnt: "Diese Art von ekstatischem Halbschlaf hat ihn durch
sein ganzes Leben begleitet". 317
Der Entschluß Musiker zu werden war zum Beispiel ein solches Produkt übersteigerter Hellhörigkeit. Alle Arten von Nachtmahren und Gespenstererscheinungen
beschäftigten Wagner von Kindheit an. Bald hatte er den Eindruck, Musik sei per se
dämonisch. Die Stimmen von Instrumenten "dünkte[n]" ihm wie eine "Begrüßung aus
der Geisterwelt"318, sie wurden zum "gespenstige[n] Grundton"319 in seinem Leben. In
313 [Jean Paul, 1963], S. 241
314 [Appia, 1899], S. 136
315 TB vom 14. 7. 1880. [Wagner, 1977], S. 569
316 [Newman, 1960b], S. 388
317 [Bonnier, 1891], S. 224
318 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 36
319 Ebd., S. 43
67
der einen oder anderen Form wird man auch als echt verbuchen dürfen, was er in
seiner Novelle Pilgerfahrt zu Beethoven schrieb: Ein junger Mann verfällt dort nach der
Aufführung einer Beethovenschen Symphonie einem schweren Fieber; als er erwacht,
ist er zum Musiker geläutert. In seiner Autobiographie hat Wagner zugegeben, daß er
selbst oft und heftig von Beethoven zu träumen pflegte, nicht nur in seiner Jugend,
auch später, in mittleren Jahren. Manchesmal, so bekannte er, habe er sogar mit Beethoven gesprochen in seinen Visionen, ja daß dessen neunte Symphonie "zum mystischen Anziehungspunkt all meines phantastisch-musikalischen Sinnens und Trachtens"320 wurde, sei eine unumkehrbare Wahrheit. Das Moment der Initiation fiel für
ihn also von vornherein in den Bereich der Träume, Kunst hatte etwas mit dem Schlaf
des Bewußtseins zu tun. Weitere Engführungen sollten folgen. Als Halbwüchsiger war
er eine Zeitlang dem Glücksspiel verfallen – Zeichen allein dafür, daß er Neigung
besaß, sich ekstatisch zu steigern. Der Zeitvertreib wurde zur Zeitverschwendung, die
Zeitverschwendung zur Abhängigkeit und die Abhängigkeit schwoll schließlich zu
einer Krisis an, die sich erst entschärfen ließ, als er den drohenden Ruin durch einen
"tiefen und energischen Schlaf, aus welchem ich spät, gestärkt und wie neugeboren,
erwachte"321 mit noktambulen Kräften von sich ablenkte. Dann die wichtige Uraufführung des Rienzi in Dresden, Oktober 1842: Sowohl die Probenarbeit als auch die
Premiere hatte er bereits wie in einem "somnambulistic state"322 erlebt und – als sei es
nun selbstverständlich – dies integrierte sich in eine Phase erfrischenden Schlafes und
"stramm[er]" Ruhe – "auch hat mich die Mattigkeit verlassen". 323 Sobald sich eine
Notlage in Wohlgefallen auflöste, sobald auch nur ein einziger Grund zur Hoffnung
bestand und der Blick freigegeben war auf eine Zukunft, die die Gegenwart Lügen
strafte, immer dann scheint sich der Schlaf mühelos ergeben zu haben. Nach der
lebensgefährlichen und semilegalen Überfahrt von Riga nach England wurde ihm als
einzigem der Mannschaft bei der "Einfahrt in die Themse-Mündung [...] trotz der
lebhaften Vorwürfe Minnas hierüber" ein "lange[r] erquickende[r] Schlaf[...]"324 zuteil,
ein Schlaf, der beweisen mag, daß Rettung hier nicht nur dem Körper, sondern vor
allem dem Geist widerfahren sein mußte. Den Beginn der Dresdener Revolution
verbrachte Wagner in ungetrübtem Schlaf mitten im Auge des Sturms auf dem Turm
der Kreuzkirche. Der Gesang einer Nachtigall habe ihn sogar zu einem der "schönsten
Tage dieses Jahres"325 geweckt, wie er sich später erinnerte. Die Revolution war
immerhin der Schleusenpaß für sein Werk. 1858: Das Debakel der Wesendonk-Affäre
lag gerade hinter ihm, er selbst hatte sich nach Venedig gerettet, da wurde sein Leben
320 Ebd., S. 42
321 Ebd., S. 58
322 [Newman, 1960a], S. 341
323 Brief Richard Wagners vom 2. 6. 1843 an Minna Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1908a], S. 12.
Vielleicht hatte dieser Segen auch damit zu tun, daß Minna ihm vor der Rienzi-Premiere als Ruhmestrophäe einige Lorbeerblätter ins Bett gelegt hatte, damit er "in nächster Nacht in Wahrheit auf Lorbeeren
ruhen möchte"! Brief Ferdinand Heines vom 24. 10. 1842 an Ernst Benedikt Kietz. Zitiert in: [<Kietz>,
1905], S. 12f.
324 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 175. ('Minna' im Original hervorgehoben.)
325 Ebd., S. 412
68
plötzlich "so ruhig [...] so ausgeglättet und gereinigt, daß [...] ich [...] einen bisher fast
nie gekannten tiefen und kräftigen Schlaf gefunden habe."326 Die entscheidende Nacht
vom 3. auf den 4. Mai 1864, die zwischen dem Bergungsmanöver durch Hofrat von
Pfistermeister und seinem Antrittsbesuch bei König Ludwig II. in der Münchner Residenz lag, kommentierte er folgendermaßen: "Ja, schlafen will ich, schlafen in einem
Zug bis morgen früh und – diesmal werd ich's wohl auch können!"327 In das nicht
weniger entscheidende Jahr 1876 wollte er schon aus rein prophylaktischen Gründen
"schlafend [...] einkehren". 328 Und natürlich ist normativ, daß er auch den Anfang
seiner Rheingold-Komposition im September 1853 aus einem halluzinatorischen Halbschlaf empfangen hatte:
Am Nachmittag heimkehrend streckte ich mich todmüde auf ein hartes Ruhebett aus, um
die langersehnte Stunde des Schlafes zu erwarten. Sie erschien nicht; dafür versank ich in
eine Art von somnambulen Zustand [...] Mit der Empfindung, als ob die Wogen jetzt hoch
über mich dahinbrausten, erwachte ich in jähem Schreck aus meinem Halbschlaf. Sogleich
erkannte ich, daß das Orchester-Vorspiel zum Rheingold, wie ich es in mir herumtrug,
doch aber nicht genau hatte finden können, mir aufgegangen war [.] 329
Diese 'La Spezia'-Passage ist nachmals sehr berühmt geworden, und wir werden an
anderer Stelle noch einmal genauer auf sie eingehen. Markant ist zunächst jedoch
zweierlei: Es dürfte kein Zufall gewesen sein, daß das Werk der Werke durch die Duplizität eines Schöpfungsmythos' generiert werden mußte. Die Musik zum Rheingold,
das selber schläft in "des Schlummernde[m] Bett"330, wurde erfunden im Schlaf dessen,
der es auf den Plan rief – das ist ein Doppelfieber – Schlaf sowohl des Schöpfers wie
des Geschöpften! Wie es scheint, erforderte Wagners Opus magnum ein Urmoment,
dessen metaphorische Dichte sich nur aus dem Leben und dem Werk gleichzeitig ableiten ließ. Eine Ergänzung dazu stellt dar, daß in Wagners Inkubationsmythe ebenfalls
Krisis und Katharsis in einem einzigen Bild zusammentreffen. Offenbar konnte der
Schlaf hier allein durch jene exzessive Schlaflosigkeit erzeugt werden, die ihm, Wagner,
noch kurz vor der beschriebenen visionären Klimax alle Kräfte geraubt hatte: "[V]om
Schlafen [wurde es mir] noch so ängstlich"331, notierte er für Minna, und dabei wirkt
er ungewöhnlich beklommen. Später sollte er nachtragen, daß "es ein Dämon oder ein
Genius [ist], der uns oft in entscheidungsvollen Stunden beherrscht". 332 Die Tatsache,
daß der Schlaf doppelgesichtig ist, half ihm aus der Not eine Tugend machen. Er
326 Brief Richard Wagners vom 19. 10. 1858 an Franz Liszt. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1988a], S. 579
327 Zitiert in: [Weißheimer, 1898], S. 268
328 TB vom 31. 12. 1875. [Wagner, 1976a], S. 957
329 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 511f.
330 Rheingold, 1. [Wagner, 1999c], S. 8
331 Brief Richard Wagners vom 5. 9. 1853 an Minna Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1953], S. 427f.
Notabene: Die 'Sammlung Burrell', aus der ich hier zitiere, verzeichnet die Wendung "vom Schlafen", in
der großen Gesamtausgabe der Briefe Wagners hingegen heißt es: "[V]or Schlafen [wurde es mir] noch so
ängstlich". Vgl.: [<Wagner, Richard - Briefe>, 1993], S. 420. (Hervorhebungen von der Verf. J. D.) Es ist
nicht zu klären, welche der beiden Fassungen die verbindliche ist.
332 Brief Richard Wagners vom 17. 11. 1871 an Arrigo Boito. Zitiert in: [Glasenapp, 1905b], S. 25
69
nutzte dessen dialektische Gestaltungskriterien und spitzte sie zu einem Motiv zu. In
diesem Sinne wurde schließlich auch die Hirtenmelodie für den 3. Akt des Tristan aus
einem hellsichtigen Schlaf emaniert:
Der letzte Act wird sich wohl noch ganz famos machen. Von meiner Rigi-partie habe ich
auch Profit dafür gezogen. Früh um 4 Uhr weckte der Knecht mit dem Alphorn. Ich fuhr
auf, sah daß es regnete, und blieb liegen um weiter zu schlafen. Doch ging mir das drollige
Geblase im Kopfe herum, und daraus entstand eine sehr lustige Melodie, die jetzt der Hirt
außen bläst". 333
Die szenische Entsprechung zeigt uns Tristan "auf einem Ruhebett schlafend, wie
leblos ausgestreckt", der Hirt sagt zu Kurwenal: "Wacht er noch nicht?" Kurwenal
"schüttelt [...] mit dem Kopf". 334 Ebenso Das schöne Fest Johannistag aus den Meistersingern: Wagner hatte es
an einem heiteren Abende entworfen, als ich, im Halbschlummer es immer noch vor mir
vorüberziehen lassend, plötzlich durch ein ausgelassenes Frauengelächter im Hause über
mir vollständig geweckt wurde. Das immer tollere Lachen ging endlich in gräßliches Wimmern und furchtbares Heulen über. Entsetzt sprang ich auf [...] Als sich das Übel einigermaßen beruhigte, legte ich mich wieder zu Bett, und nun erschien von neuem der 'Johannistag' Pogners, welcher allmählich die vorher empfangenen gräßlichen Eindrücke verbannte. 335
Last not least Parzival336: Wieder ging dem ersten Entwurf eine urstofflich reinigend
"gute Nacht, mit sanftem schönen Schlummer" voraus. "Grad' ausgestreckt, wie im
Sarg, ohne mich zu wenden, lag ich und badete mich in einem heilsamen Schweiss."337
Durch ähnliche Umstände entstand die berühmte Karfreitags-Legende. Wagner:
Nun brach auch schönes Frühlingswetter herein; am Karfreitag erwachte ich zum ersten
Male in diesem Hause [dem Zürcher 'Asyl'] bei vollem Sonnenschein: [...] von dem
Karfreitags-Gedanken aus konzipierte ich schnell ein ganzes Drama, welches ich, in drei
Akte geteilt, sofort mit wenigen Zügen flüchtig skizzierte. 338
Auch wenn später bewiesen werden sollte, was schon Wagner selbst Jahre später Cosima gestanden hatte, daß hier "eigentlich alles bei den Haaren herbeigezogen [war] wie
meine Liebschaften, denn es war kein Karfreitag, nichts"339, so besaß Wagner doch
"untrüglichen Sinn für Stimmungswerte". 340 Eckart Kröplin argumentiert richtig,
wenn er schreibt:
333 Brief Richard Wagners vom 9. 7. 1859 an Minna Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1908b], S. 118
334 Tristan und Isolde, 3, 1. [Wagner, 1984b], S. 54
335 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 700f.
336 Hier noch in der alten Schreibung.
337 BB vom 14. 8. [1865]. [Wagner, 1988b], S. 33
338 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 561
339 TB vom 22. 4. 1879. [Wagner, 1977], S. 335
340 [Wapnewski, 1986], S. 331
70
Da er sich selbst korrigiert, ist ihm wohl zu glauben: aber das Wesentliche bestätigt sich –
aus dem Schlaf erwachend nimmt er eine besondere Naturstimmung auf und deutet sie
später dahin um, wohin sie seiner Empfindung nach verlangt. [...] Karfreitag ist in Wagners
Biographie motivisch mit Heimstatt, Ruhe und Rettung verbunden [...] die traumatische
Gebundenheit an diese Motive durch biographische Determinanten wird mit innerer, letzter Notwendigkeit gelöst durch die Verwandlung derselben in das musikalisch-szenische
Ereignis [.]341
Vergleichen wir das Leben mit dem Werk; Parsifal, 1. Aufzug, 1. Szene, Gurnemanz
"schlafend unter einem Baume [...] feierliche[r] Morgenweckruf der Posaunen": "He!
Ho! Waldhüter ihr,/ Schlafhüter mitsammen,/ so wacht doch mindest am Morgen!"342
Sobald es also um mehr als nur die Verwaltung von Kunst ging, ja sobald es um 'Kunst'
ging, fielen alle Anstrengungen von Wagner ab; in den Briefen an seine Künstler
existiert so gut wie keine einzige Klage, weder über seinen Gesundheits-, noch über
seinen Arbeitszustand: "Ermüdung kannten wir nicht"343, so beschrieb er selbst die
Parsifal-Proben, die er neben der Uraufführung seines Tristan zum Glücklichsten
rechnete, was ihm als Künstler im Leben widerfahren war.
Fühlte sich der Urheber aller der Mühen, die er seinen freundlichen Kunstgenossen übertragen hatte, oft von der Vorstellung einer unausbleiblich dünkenden Ermüdung beschwert, so benahm ihm schnell die mit jubelnder Laune gegebene Versicherung der heitersten Rüstigkeit Aller jede drückende Empfindung. [...] Somit konnten wir uns [...] wie
der gewohnten Welt entrückt fühlen [...] Über diesem wahrtraumhaften Abbilde die
wirkliche Welt des Truges selbst vergessen zu dürfen, dünkt dann der Lohn für die
leidenvolle Wahrhaftigkeit[.] 344
<Neue Schläfrigkeit>
Conclusio: Mehr als nur ein Symptom für Wagners Künstlerschaft ist der Schlaf eine
Chiffre für jenes traumgleiche Werk, das erst eines Katalysators bedurfte, um Wirklichkeit zu werden – jeder Traum beweist, daß vor ihm etwas existiert, durch das er
erzeugt wird. Fühlte sich Wagner auch selbst durch den schlechten Schlaf gehemmt,
inhibiert, gar gemaßregelt, so beförderte doch der gute den Entstehungsprozeß seines
Werkes, und das ist viel, viel mehr als zu erwarten stand. "Falling into that cataleptic
state", faßt Ernest Newman dies zusammen, "is the prime condition for [...] artistic
creation of the highest kind".345 Wagner hat die Metaphern des Schlafs in einer Art
und Weise für sich geltend gemacht, die an Tableaux vivants und an die Posen der
Starre dort erinnert, welche die Sprungkraft hinter den Dingen durch deren Abwesenheit zelebriert. Hier wie dort ist die Atempause künstlich. Aber erst das Künstliche setzt
341 [Kröplin, 1989], S. 101
342 Parsifal, 1. [Wagner, 1950], S. 11
343 Das Bühnenweihfestspiel in Bayreuth. [Wagner, 1883a], S. 384
344 Ebd., S. 384ff.
345 [Newman, 1960b], S. 389f.
71
die Kunst frei. Das Einfrieren der Bewegungen bedeutet nicht Energieverlust, es bedeutet Energiezuwachs und schließlich Energiegewinn. Im Schlaf hielt Wagner die Welt
an wie sie war, um sie in seinem eigenen Zwischenraum so einrichten zu können, wie
sie seiner Meinung nach sein sollte. Manchesmal kommentierte er das leger, sagte etwa:
"Ich brauche nur Ruhe, es schwärmt dann gleich um mich."346 Doch daß er tatsächlich
jener "Dämmermann"347 war, der schon in der Beziehung zu Mathilde Wesendonk
und zur Zeit der Tristan-Komposition die komplizierten Gabelungen gesucht hatte,
dürfte ihm selbst bewußt gewesen sein. Von "einem Krampf des Geschlossenseins, des
Schweigens"348 sprach er einmal und beschrieb sich als Musiker so: "»Ja, sehr oft, wenn
ein musikalischer Gedanke mich erfaßt, so schlafe ich [...] ein, es ist wie ein gewaltsames Schweigen, aus welchem dann das Tönen hervorgeht.«"349 Cosimas ganze Hoffnung richtete sich deshalb auch auf die Aussicht, "dass der Meister allmählich in die
stille Dämmerung's Stimmung sich verliert, die das Schaffen bedingt"350, insofern "»so
ein Musiker, während er komponiert, [...] einem wahnsinnigen somnambulen Zustand
[verfallen muß].«"351 Schopenhauer hatte es vorformuliert, die Romantiker hatten es
praktiziert, wir selbst werden an anderer Stelle darauf zurückkommen müssen: Die Implosion, durch die das künstlerische Handeln freigesetzt wird, kann nur unter Ausschaltung aller äußeren Reize ausgelöst werden. Wagner fand viele Wendungen, um
dies zu umschreiben. Er sagte etwa, daß es allein das "nach innen gekehrte[...] Bewußtsein" sei, "aus welchem der Musiker schafft."352 Deshalb auch "[ist] der Mystiker [...]
mein Mann, [...] derjenige, den es drängt, das innere Licht – gegenüber der Außenhelle, die ihm nichts entdeckt, sich anzuzünden". 353 Schlaf ist der höhere Wachzustand,
ein reiner Widerspruch, der sich bis in Wagners Musikästhetik und Festspieldramaturgie vorschieben und dort vieles unter dem Gesetz der Paradoxie reglementieren
wird. Jede Stichprobe würde darum dasselbe ergeben: Methodisch ging es um einen
Verinnerlichungsprozeß, der, theatral vergrößert, die Voraussetzung liefern mußte für
jenes utopische Erwachen, das am Ausgang des Schlafs eine neue Welt erstehen lassen
würde. Für Wagner gilt darum die Regel: Je tiefer sinken, desto höher fallen – ein
Prinzip, das auf sein Leben wie auf sein Werk gleichermaßen anwendbar ist. Während
all der glücklichen, sprich utopisch aussichtsreichen Produktionsphasen beginnt sein
Tagesrhythmus aus diesem Grund nicht mit dem, was man landläufig als Arbeit bezeichnen würde, sondern mit einer komprimierten Reproduktion der Nacht in Form einer
"Morgen-Siesta"354 oder aber auch mit einem "todesähnlichen Schlaf"355 nach dem
346 TB vom 11. 6. 1882. [Wagner, 1977], S. 959
347 Zitiert in: [<Wagner, Richard - Briefe>, 1904], S. VIII
348 TB vom 18. 7. 1878. [Wagner, 1977], S. 141
349 Ebd.
350 Brief Cosima Wagners vom 14. 6. 1872 an Friedrich Nietzsche. [<Wagner, Cosima - Briefe>, 1940],
S. 32f.
351 TB vom 25. 2. 1870. [Wagner, 1976a], S. 202
352 BB [zwischen dem 3. und 19. 7. 1870]. [Wagner, 1988b], S. 210
353 TB vom 16. 3. 1873. [Wagner, 1976a], S. 655
354 TB vom 7. 9. 1878. [Wagner, 1977], S. 171
72
Frühstück, aus welchen er erfrischt hervorgeht und ein für allemal wünscht, er könne
"aus dem Morgen die produktive Fortsetzung des Traumes [...] machen, das suche
er".356 Summa summarum gefällt ihm sein Leben dann "ungeheuer, ich versenke mich
immer mehr in meine Gespenster-Welt".357 "Jetzt hat mich die alte Nacht wieder –
verschlinge sie mich ganz!"358 Warum? Weil "ein Augenblick Schlaf [...] mehr wert als
Jahrhunderte der Erkenntnis [ist]"359, wie Cosima einmal statuierte, während 'R.'
schlief. – 'R. hatte eine üble Nacht, kann nicht arbeiten', diese alte Standardformel aus
ihren Tagebüchern ließ sich plötzlich durch den geringsten Zusatz in sein Gegenteil
verkehren: "R. hatte eine gute Nacht und kann arbeiten". 360
<Der Schlaf als Konstruktionsprinzip>
Zweierlei kann man daraus ablesen, Formales und Inhaltliches, welches sich freilich
kaum voneinander trennen läßt.
Auf der einen Seite dürfte erkennbar geworden sein, daß der Schlaf bei Wagner
einem biographischen Motiv gleichkommt. Die Quellenlage liefert dafür ausreichend
Beweise. Nur wenige Ereignisse hat es in Wagners Leben gegeben, die nicht in der
einen oder anderen Form auch eine Zustandsbeschreibung privater Malaisen waren.
Oft häufen sich diese Berichte und stauen sich im Umfeld biographischer Knotenpunkte. Phasen der Schlaflosigkeit wechseln sich ab mit Phasen der Schlaftrunkenheit.
Die Grundanordnung des Motivs wird durch wechselnde Rhythmen gebeugt, bleibt
aber doch immer erkennbar.
Auf der anderen Seite, die nicht der Gegensatz der einen ist, hat Wagner jene
physiologischen Wechselfälle kompensiert, die ihm bald unabwendbar erscheinen
mußten. Ob das bewußt oder unbewußt geschah und mit Hilfe welcher Machinationen, das ist nachträglich nicht zu entscheiden. Es ist hier auch nicht ausschlaggebend.
Ausschlaggebend ist lediglich, daß sich herauskristallisieren läßt, nach welchem Schema
dieser Energieaustausch vorgenommen wurde: Das 'blutig schwere Werk' bezog sich
dezidiert auf Wagners katastrophale Nächte – Wagner selbst war zerrissen zwischen
Erfahrung und Anspruch, Versehrtheit und Antrieb – Ruhe konnte er nicht finden –
der Schlaf nahm ihm, was er ihm eigentlich geben sollte – kaum ein Erwachen gab es
ohne das Wissen, nicht geruht zu haben – aber er ahnt, wessen er nicht habhaft werden
konnte – also wiegt er auf – beginnt zu verbalisieren – stilisiert – abstrahiert – macht
Kunst – und plötzlich – ersetzt der Schlaf das Schlafen – aus Insomnie ist Somnolenz
geworden. Er selbst umschrieb es einmal so:
355 TB vom 11. 11. 1878. Ebd., S. 226
356 TB vom 31. 1. 1877. [Wagner, 1976a], S. 1028f.
357 TB vom 2. 1. 1878. [Wagner, 1977], S. 33
358 Brief Richard Wagners vom 17. 1. 1854 an Franz Liszt. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1988a], S. 362
359 TB vom 27. 4. 1871. [Wagner, 1976a], S. 381f.
360 TB vom 25. 2. 1872. Ebd., S. 493
73
Ich hatte ein ganzes Leben hinter mir aufzuräumen, alles Dämmernde in ihm mir zum Bewußtsein zu bringen [...] und mich mit klarem heiterem Bewußtsein wieder in das schöne
Unbewußtsein des Kunstschaffens zu werfen.361
Es ging darum, bewußt unbewußt zu werden, und so setzte Wagner mit Macht frei,
was ihn mit Macht bezwungen hielt. Die Rettung bestand für ihn in einer Selbstschau,
die dramaturgisch aufbereitet war und die all das glättete, was zum Zwecke der Kunst
geglättet werden mußte. Es ist dasselbe Axiom, welches auch schon für die Fabrikation
seiner Porträts gegolten hatte – schauen wir diese noch einmal an: Die Rückzugsmanöver wurden einer offensiven Gestik nachgeordnet.
Der Schlaf wurde also zu einem Konstruktionsprinzip fassoniert. So wie das Leben
Wagners sich in allen Punkten aus soviel Wahrheit wie Dichtung zusammensetzte, so
wurden die Brüche und Katastrophen dieser "Spuk- und Traumkarriere"362 durch
Metaphern des Schlafs zusammengehalten – "artifizielle Versuche der Abstimmung mit
der Welt". 363 Weil der Schlaf per se Ufer verbindet, Kanten begradigt, Fluchtwege
eröffnet, schuf er die Voraussetzung dafür, daß für eine kurze Weile vergessen werden
konnte, was das Leben tagtäglich in Erinnerung rief. Schlaf als Faktor der Amortisation,
gewissermaßen. Natürlich sind all das auch Stilübungen eines Mannes, der sich
unentwegt regulieren mußte, der dem Immer-Wieder-Anfangen-Müssen und Anfangen-Wollen revolutionär verfallen war. Es sind Parabeln auf einen Künstler, der nur auf
Trümmern zu bauen wußte, dessen manisches Umsturz- und Erneuerungsbedürfnis
gerade vor der eigenen Lebensführung nicht haltmachte und der es mehr als einmal in
seinem Dasein für nötig befunden hatte, sich durch "vollständige[...] Neugeburt"364
oder "Wiedergeburt"365, ja durch einen pleonastischen "allerersten Anfang"366 selbst zu
übertreffen. Der Schlaf als Metapher aber konnte die täglichen Katastrophen in der Tat
der Gefahrenzone entziehen, konnte sie 'dichterisch', 'rhetorisch' und wirkungsvoll machen. Es ist kein Zufall, daß Ludwig Marcuse zum Beispiel in seiner Wagner-Biographie dem Geburtsjahr 1813 und jenem Schlachtruf zur "Reveille", die man sächsisch,
wie passend, zur "Rebelle"367 machte, eine Beschreibung voranstellt, die dem abendlichen Schließritual der Leipziger Stadttore, dem Einläuten der Nächte, dem Ruf des
Nachtwächters, den Schlafenszeiten vor den Aufmärschen der Völkerschlacht und der
"gnädige[n] Dunkelheit"368 theatrale Bedeutung zukommen läßt. 369 Ein "Kind des
361 Brief Richard Wagners vom 25. 11. 1850 an Franz Liszt. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1988a], S. 152
362 Mein Leben. [Wagner, 1976b], S. 772
363 Ebd.
364 Ebd., S. 273. Die 'Neugeburt' wurde hier übrigens von "tagelang[em]" Aushalten "im Bett" begleitet,
sie bezieht sich auf das erstmalige Lesen der Grimmschen Mythologie.
365 Ebd., S. 518. 'Wiedergeburt hier bezogen auf die La-Spezia-Legende und die nach fünfjähriger Unterbrechung 1853 wiederaufgenommene Komposition des Rheingold.
366 Ebd., S. 262
367 [Marcuse, 1973], S. 7
368 Ebd., S. 12
369 Die große Wagner-Biographie Gregor-Dellins beginnt übrigens genauso, das erste Kapitel dort heißt
"Die Alpträume von 1813". [Gregor-Dellin, 1980], S. 9
74
Theaters"370 wird dieser Auftakt denn auch genannt. Die "Wiege" Wagners war nicht
nur historisch "auf ein[...] Schlachtfeld"371 gestellt, sondern auch dramaturgisch. Der
betreffende Passus endet folgendermaßen: "In der Frühe des nächsten Morgens fielen
drei Schüsse. Alles sprang aus dem Bett."372 Zwischen den Antipoden Tag und Nacht
vermittelnd, wird der Schlaf zum Geburtshelfer. Es ist dieselbe Nische, die Wagner
biographisch für sich entdeckt hatte, dieselbe auch, aus der er sein eigenes Werk
methodisch gewann und die er diesem schließlich inhaltlich einarbeitete. 373
Sich in den Schlaf rettend, nutzt er dessen dialektischen Umbruch, um aus ihm das
Werk freizusetzen, das sich ihm anders zu oft versagt hätte. Hellsichtig war er, als er
einmal bekannte: "»[I]ch bin zu müde zu allem und Jedem. Vielleicht rettet mich dieser
Zustand.«"374 Ähnlich wie bei den Bettproben im Märchen ist der Schlaf für ihn zu
einer Art Arbeit geworden. Arbeit im und Arbeit am Schlaf. Am Drama seiner (Werk-)
Biographie ausgezirkelt, inszenierte er ihn als Tagwerk und als theatrales Manöver,
dessen Strategie darin bestand, das einzelne, im Schlaf sozial entkoppelte Wesen zu
vergesellschaften. Daß der Schlaf dieses Drama wiederum atmosphärisch machte, daß er
dessen Rahmenhandlung komplizieren und den Wagnerschen Arbeitsprozeß erneut bis
zur Uneindeutigkeit vernebeln half – das wache Leben ist nur der Vorbote des
geträumten – ist ihm inhärent. Wagner besaß Kalkül genug. Er wußte: Ursprüngliche
Momente müssen zur Hälfte ein Rätsel bleiben.
<Teilergebnis>
Ist der Schlaf bereits per se ein dialektisches Phänomen, so half er, der für die
Biographie Wagners zu einem zentralen Motiv wurde, dort jene Diskrepanz zu
überbrücken, die zwischen Bedürfnis und Anspruch herrschte. Durch neurasthenische
Schlaflosigkeit in stetig wiederkehrenden Phasen aus den Rhythmen seines Lebensund Arbeitsprozesses herausgerissen, setzte Wagner Wunschbilder des schönen und
heilbringenden Schlafes frei. Hat Martin Gregor-Dellin einmal den Vergleich zwischen
der Wagnerschen Autobiographie und einer Komposition aufgestellt, so läßt sich das
Bild weiter ausmalen: Jede Komposition braucht ihre Pausen – die Pausen stellen in
sich einen qualitativen Wert dar, in ihnen fließt die musikalische Energie zusammen,
die sich unentwegt verbraucht, um sich wieder neu formieren zu können. Der Schlaf
im Verhältnis zu Wagners Vita entspricht also, könnte man sagen, dem Verhältnis der
musikalischen Schweigezeichen zur Klangverdichtung. Durch den Schlaf wird die
biographische Komposition von der Abseite her zusammengehalten, mehr noch, durch
ihn wird sie sogar phrasiert. Noch anders ausgedrückt: Wagner scheint sich an einem
Fluchtpunkt orientiert zu haben, von dem aus der eigene Werdegang gleichzeitig
370 Ebd., S. 7
371 Ebd., S. 11
372 Ebd., S. 10
373 Vgl. mit dem Abschnitt <Nur der Wachende schläft, nur der Träumende erwacht> in Kap. II.2
374 Zitiert in: Brief Cosima von Bülows vom 3. 2. 1866 an Ludwig II. [<Wagner, Cosima - Briefe>, 1996],
S. 145
75
durchgebildet und unterlaufen werden konnte – das ist bereits eine Präformation der
Wotan-Figur, deren Schöpferkraft durch Machtverlust konterkariert wird. Wagner
selbst machte sich die dem Schlaf inhärente Dialektik zunutze, holte Atem in der
höchsten Krise und rettete sich in die Idee, daß Schlaf ein produktiver Pausenwert sei.
Hatte ihn dieser zuvor an die Schwelle zur Krankheit gebracht, so bedeutete er ihm
umgekehrt Rekonvaleszenz – im Schlaf berühren sich physiologische und psychologische, kreatürliche und artifizielle Bedeutungssegmente. In diesem Sinne wäre der Schlaf
als eine Keimzelle des Wagnerschen Werks zu verstehen. Augenscheinlich setzte er
schöpferische Kräfte frei.
Gewiß, dies alles heißt nun nicht, daß Wagner im Schlaf komponiert und gedichtet
hätte – das zu behaupten wäre verwegen, wissenschaftlich gesehen sicher auch aussichtslos, obschon festgehalten werden könnte, daß das Thema gerade in Wagners
neuromantisch-müdem Zeitalter lebhaft diskutiert worden war.375 Goethe, Voltaire,
Beethoven und Mozart wurden 'Verstandesleistungen im Traum' zugesprochen. Doch
Beweisverfahren sind in diesem Bereich nicht möglich. Von daher sollte der Schlaf
eher als ein Triebmittel verstanden werden, das dazu beigetragen hat, das Wagnersche
Werk zu Tage zu befördern, ohne daß nun die Ingredienzen im einzelnen bestimmt
werden müßten. Wagners Schlaflosigkeit machte einer schöpferisch-utopischen Schläfrigkeit Platz; die Müdigkeit wurde, ganz im Peter Handkeschen Sinne, zu einem Zeichen der Verwandlung, des Übergangs. 376 Schlaf behauptete sich als dialektisches
Versatzstück, und die ihm inhärente Wechselbewegung wurde nicht nur zu einem
Auslöser, sondern zu einem wichtigen Bauteil innerhalb der Wagnerschen Lebens- und
Werkdramaturgie. So ist es tatsächlich nur die halbe Wahrheit, wenn etwa Josef Rattner annimmt, das Künstlertum Wagners sei aus einem "Kranksein oder Kränkeln"377
entstanden, dessen Ursache man in Wagners Insomnie zu suchen habe. Richtiger
scheint, daß Wagners Künstlertum aus der Kompensation dieser Insomnie und folglich
aus der Umwandlung des schlechten Schlafs in den visionär guten Schlaf entstanden ist.
Nur sekundär ging es um Krankheit, primär ging es um Genesung – Heilung widerfuhr ihm, Wagner, stets an der Stelle, die ihm auch die Krankheit einbrachte. Das
berühmte Wort Thomas Manns, Wagner sei auf eine romantisch "gesunde Art [...]
krank"378 gewesen, behauptet seine Gültigkeit auch in diesem Zusammenhang. Daß
der Schlaf für Wagner ein physiologisches Problem darstellte, dies kann und soll zwar
mit nichts bestritten werden. Der Tatbestand wird aber erst voll erfaßt, sobald man
hinzufügt, daß er auch ein psychischer und darüber hinaus sogar ein intellektueller,
ästhetischer und erkenntnistheoretischer Faktor in dessen Biographie war. Noch einmal
Thomas Mann dazu, etwas ausführlicher:
375 Siehe: [Schöpf, 1987], S. 18ff., [Stone, 1993], S. 149
376 Siehe: [Handke, 1987]
377 [Rattner, 1986], S. 788
378 [Mann, 1974a], S. 403
76
Wagners gesunde Art, krank zu sein, seine morbide Art, heroisch zu sein, ist nur ein Beispiel für das Kontradiktorische und Verschränkte seiner Natur, ihre Doppel- und Mehrdeutigkeit, die sich uns schon in der Vereinigung scheinbar so widersprechender Grundlagen wie der mythischen und der psychologischen bekundete.379
Als eine Parabel auf diese theatral durchgestaltete Lebensführung erweisen sich letztlich
auch die Wagnerschen Schlafröcke. Schlagen wir den großen Bogen zu ihnen und an
unseren Kapitelanfang zurück, so wird deutlich, daß sie keineswegs nur Wagneriana
waren, sondern daß sie die komplizierte Licht- und Schattenarchitektur derjenigen
Somnolenz mitinszenieren helfen sollten, die Wagners Künstlertum bedingte und auch
bedeutete. Weniger 'Ersatzluxus' sind sie gewesen, wie oft behauptet worden ist, eher
'Ersatzkunst'. In gewisser Hinsicht waren sie Reliquien des Schlafs, kunstvolle Katalysatoren des Auratischen, waren so museal wie Reliquiare und vom darstellerischen
Standpunkt aus auch genauso in Szene gesetzt. Ihre fließende, magnetische Stofflichkeit
repräsentierte die heilsame Stofflichkeit des Schlafs. Demnach sicherte sich Wagner mit
und in seinen Schlafröcken gegenüber dem Tagesleben ab, machte sich die Schutzhülle
zur zweiten Haut, die ihm in Wirklichkeit nicht zuwachsen wollte, verbarg sich hinter
der Phänomenologie des Schlafs und behauptete so nach außen hin ein gewisses
Heimrecht, das er unter Mühen für diesen erworben zu haben glaubte. Die Nabelschau
freilich war nie so hemmungslos, wie es ihm von seinen Widersachern unterstellt worden ist. Sie legte nur nochmals das 'Geheimnis der Stimulation' offen. Wagners Schlafröcke waren nicht mehr, aber auch nicht weniger als eine ideologische Equipierung
und damit "ein Stück harmlos-unheimliche[...] Künstlerpathologie, von der nur Spießbürger sich verwirren lassen."380
Das Künstliche wurde am Ende das Künstlerische. Es geht hier um die Kunst des
Schlafens ebenso sehr wie um den Schlaf als Kunst, denn wie gesagt: "[W]er wollte
verkennen, daß der Atlas auf irgendeine Weise auch in Wagners Werk enthalten
ist?"381 Neben Thomas Mann hat wiederholt Adorno darauf hingewiesen, daß die
'stoffliche' Qualität bei Wagner sowohl biographische als auch werkspezifische Konnotationen besitzt: "The element of plush-culture [...] becomes evident [...] gradually [in
Wagner's work]". 382 Lassen wir Wagner an dieser Stelle selbst schlußfolgern, was geschlußfolgert werden muß:
Vernünftig kann ich nur leben, wenn ich [...] mich ganz aus allem Rapport mit ihr [der
Wirklichkeit] bringe. Ich kann u. muss nur in einer Art Wolke leben. Wie ich einzig
Kunstmensch bin, kann ich auch nur ein künstliches Leben führen. [...] Das muss ganz
künstlich eingerichtet werden, und dann geht es wie zu Versailles, bei Louis XIV her [...]
Unwohlsein darf mich nie mehr stören. [...] Bloss Brünnhilde, und wie all diese Personen
heissen, sollen es merken lassen, wie ernst das Alles gemeint ist. 383
379 Ebd.
380 Ebd., S. 413
381 Ebd.
382 [Adorno, 1984], S. 402
383 BB vom [18. 8. 1865]. [Wagner, 1988b], S. 42
77
Sowohl in Wagners Werk wie auch in Wagners Leben scheint der Schlaf zu einer klimatischen Bedingung geworden zu sein, zu einer Warmfront, die sich in jede Nische
eingelagert hat und von der kein Detail unberührt blieb. Äußerungen wie die folgende,
durch die einen Tag nach Abschluß der Kompositionsskizze der Walküre verlautbart
wurde: "Brünnhilde schläft! – Ich – wache leider noch!"384, machen evident, daß
Wagner bewußt eine Parallele zwischen der Genese seines Werkes und der Metaphorik
des Schlafs gezogen hatte. Das dem Schlaf inhärente Prinzip des An- und Abschwellens
wurde sogar zu einem der eklatantesten Erklär- und Selbstdeutungsmuster für die Entstehung des Opus magnum, des Nibelungen-Zyklus'. Der Wagnersche Dualismus ist
aufgespannt zwischen:
Nun ist bei mir einmal wieder Auferstehung: die Natur erwacht, und ich erwache mit ihr
aus winterlichem Mißmute [...] der vollständige Entwurf zu meinem großen Vorspiel
[Rheingold] ward in diesen Tagen fertig [...]385
und
[...] Ich lebe hier so eine Art von Hundeleben: [...] Ich bin sehr nervenkrank und habe,
nach mancherlei Versuchen zu radikalen Heilungen, auch keine Hoffnung mehr auf
Genesung: Alles, was ich thun kann, ist, mir Ruhe und möglichstes Behagen zu gewinnen,
um es noch aushalten zu können. Meine Arbeit ist Alles, was mich aufrecht hält: schon
sind aber meine Gehirnnerven so ruinirt, dass ich nie über zwei Stunden täglich zur Arbeit
verwenden kann, und auch diese gewinne ich nur dann, wenn ich nach der Arbeit mich
neue zwei ausstrecken und endlich ein wenig schlafen kann; kommt der Schlaf nicht, so
ist's für den ganzen Tag aus. So habe ich jetzt meine grosse Nibelungendichtung vollendet
[...]386
sowie
[...] Einzig suche ich mich zu erhalten, wie ich bin, meide alle Überanstrengung und gehe
– um der Erhaltung willen – auf möglichste Ruhe und Behagen aus. So ist mein ganzer
Tag ein Diätisieren um des Zweckes willen, mir zwei günstige Morgenstunden zur Arbeit
zu gewinnen: nach diesen zwei Stunden, die ich nie überschreiten darf, muß ich mich
jedesmal wiederum zwei Stunden gestreckt ausruhen und in Schlaf zu kommen suchen,
um meine außerordentlich leidenden Gehirnnerven zu beruhigen: gelingt mir dieser Schlaf
nicht, so befinde ich mich den ganzen Tag über in sehr martervollem Zustande. – Unter
solchem Gebärungsverfahren habe ich denn jetzt die vollständige Dichtung meiner Nibelungen zur Welt gebracht: diese Geburt macht mir große Freude; wie eine kranke Mutter
habe ich meine besten Säfte auf sie verwendet, und keiner wird's ihr hoffentlich anmerken,
wie sie zustande kam.387
384 Brief Richard Wagners vom 28. 12. 1854 an Franz Liszt. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1988a], S. 395
385 Brief Richard Wagners vom 4. 4. 1852 an Julie Ritter. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1920], S. 74
386 Brief Richard Wagners vom 30. 12. 1852 an Cäcilie Avenarius. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1907b],
S. 194
387 Brief Richard Wagners vom 29. 12. 1852 an Julie Ritter. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1920], S. 98
78
Aber
[d]ie echteste Kunst ist [...] Sehnsucht – Nachtigallenlied: und in ungeheuerster Steigerung
ist meine beste Kunst nichts anderes. [...] So bin ich denn wieder daran, mich zu einem
großen Kunstwerke zu rüsten: bald denke ich die Musik zu meinem großen Bühnenfestspiel: der Ring des Nibelungen, zu beginnen [.]388
I.3 Innenstoffe
<Träume>
Neben dem Schlaf gibt es nun freilich noch eine andere, ähnlich verfließende und
ebenso spezifisch Wagnersche 'Kunstform' und das sind: die Träume. Nicht nur, daß
man Wagners Œuvre immer wieder 'traumartig' genannt und ihm zu Recht Assoziationen entgegengebracht hat, die es zum ersten surrealistischen Werk der Kunstgeschichte machten. Viel konkreter noch, privater: Von keinem anderen Künstler aus
der Zeit und vom Range Wagners existiert eine vergleichbare Anzahl überlieferter
Träume, von keinem anderen sind die Träume so akribisch, ja so beseelt beschrieben
worden. Fast könnte man von 'Kultivierung' sprechen. Auch ließe sich behaupten,
Wagners insomnische Verhaltensmuster hätten regelrecht eine Inflation von Träumen
hervorgereizt, zumindest läßt sich das behaupten, wenn man der Überproduktion von
Alpdrücken und Fiebervisionen auch jene Spiellaune hinzurechnet, mittels derer
Wagner aus seinem Leben selbst einen theatralen Traum zu generieren wußte. Hatte
noch Lessing, der Aufklärer Lessing, mit unerschütterlicher Überzeugung von sich
behauptet, nie auch nur ein einziges Mal in seinem Leben geträumt zu haben, was
"ihm die moderne Psychologie kaum glauben [wird]"389, so trifft auf den Romantiker
Wagner mit Sicherheit das Gegenteil zu. Und dies wird die moderne Psychologie nun
auch unbedingt glauben wollen. Doch außerhalb der Forschung wirkt es noch immer
überraschend, in welchem Maße der Alltag Wagners durch das Traumleben reguliert
wurde. Zugegeben, es ist mit nichts zu beweisen, daß Wagner mehr als andere Menschen geträumt hat – wie auch –, nur scheint bedeutsam, daß er sich intensiver als andere an seine Träume erinnerte, daß er deren Geister immer noch "beim letzten Zipfel
ihres Rockes zu fassen"390 und dann präziser von ihnen zu erzählen wußte. Bedeutsam,
daß er mit Hilfe Cosimas, der verläßlichen Protokollantin neben sich, an einem Inventarium seiner Träume arbeitete. Das scheint der Enthüllung von Änigmen gleichzukommen. Aber die Sehnsucht nach dem Schlaf hat bei ihm offenbar nicht nur die
388 Brief Richard Wagners vom 3. 8. 1853 an Theodor Apel. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1910], S. 87f.
389 [Wapnewski, 1994], S. 240 und was ihm übrigens auch nach [Rudolphi, 1823], 5. Buch, 4. Abschnitt,
§ 336, S. 282 schon Lessings Zeitgenossen nicht geglaubt haben, ja was sogar "von solchen widerlegt worden [ist], die ihn genau gekannt hatten."
390 [Gregor-Dellin, 1980], S. 695
79
Träume und das Träumen, sondern auch den Gedanken befördert, daß sich selbst auf
die Spur zu kommen ein kreativer Vorgang sein kann. Auch das sollte also berücksichtigt sein, wenn es darum geht, die Logistik der Nacht bei Wagner zu dechiffrieren.
Natürlich mag man sich die Frage stellen, warum wir den Themenkomplex 'Traum'
gegenüber dem Schlaf bislang ausgespart, ja warum wir ihn sogar konzeptionell (sprich:
aktiv) von uns ferngehalten haben? Nun, grundsätzlich läßt sich sehr wohl trennen, was
zusammengehört. Schlaf und Traum sind nicht per se identisch, sie mögen Brüder sein,
doch eineiig waren sie nie. Zwar gibt es keinen Traum ohne den Schlaf, den Schlaf
aber gibt es selbstverständlich ohne den Traum – das eine ist die Schwelle, das andere
der Rauminhalt dahinter. Auch ein Fenster läßt sich schließlich unterscheiden von der
Aussicht, die es gewährt. "To sleep, perchance to dream", sagt Hamlet, nicht 'to sleep
and off to dream'. Oder nehmen wir das Beispiel 'Brünnhilde': Sie schläft, aber sie
träumt nicht. Von ihr ist alles abgezogen, sogar die Gegenwelt, die der Schlaf auf den
Plan rufen kann, aber nicht auf den Plan muß, und genau das ist ja auch der Sinn jener
Strafe, die Wotan über sie verhängt. Brünnhildes Schicksal ist das einer Figur, die im
Niemandsland siedeln soll. Gewiß impliziert der Schlaf Hoffnung, er ist 'gliederlösend',
wie es heißt, wäre er es nicht, so hätte sich der schwarze Sohn der Nacht den weißen
zu Untertan gemacht. Aber der Schlaf selbst könnte diese Hoffnung doch nie formulieren. Er ist die Möglichkeit, das Versprechen, der Traum hingegen eine Form der Erfüllung, wobei letzteres qualitiativ nicht mehr wert ist als ersteres. Erkenntnistheoretisch
ließe es sich so ausdrücken: Der Traum entwirft den Tag in die Nacht hinein und ist
deshalb determiniert. Schlaf jedoch ist autark, ein Freiraum der Wahrnehmung, entkoppelt von den Gewichten, die ihm doch anhängen. Von daher hieße es einen Schritt
zurückgehen (oder auch einen zu weit vor), wollte man ihn nur als eine Vorbedingung
des Traumes analysieren. Für den Schlaf muß ein eigener Raum durchmessen werden,
und möglicherweise macht es uns Postfreudianern gerade der Traum zu leicht, ihn, den
Schlaf, zu unterschätzen. Jenes Wissen, durch das wir die Welt der Träume überhaupt
zu kategorisieren gelernt haben, scheint den Zugang zu ihm zu blockieren. Freud selbst
hat sich – wie bezeichnend – nie mit dem Phänomen 'Schlaf' beschäftigt, nicht einmal
peripher. Für ihn handelte es sich dabei nur um ein "physiologisches Problem"391.
Seiner Auffassung nach bewachen die Träume den Schlaf, nicht umgekehrt. Doch
genau darum bleibt es für unseren Kontext reizvoll, sich den umgekehrten Sachverhalt
wenn auch nur einmal als Gedankenspiel vorzustellen. Eine Arbeitsthese könnte sein:
Der Schlaf hat nicht ausschließlich dienende Funktion. Einen Bereich gibt es, es mag
ein theatraler sein, in dem er sich als etwas Autonomes zeigt. Ohnehin scheint es auf
Wagner bezogen einen Bruch zwischen dem Schlafmotiv, der Diagnose 'Insomnie' und
dem Areal der Träume zu geben. Denn schon der gemeine Sachverstand insinuiert,
daß realiter gar nicht geträumt werden kann, wo nicht geschlafen wird. Der Schlaf
391 [Freud, 1942], S. 6. Der Passus entstammt Freuds Traumdeutung und lautet im Zusammenhang: "Ich
hatte wenig Anlaß, mich mit dem Problem des Schlafs zu befassen, denn dies ist ein wesentlich physiologisches Problem, wenngleich in der Charakterisitik des Schlafzustands die Veränderung der Funktionsbedingungen für den seelischen Apparat mit enthalten sein muß."
80
wäre somit weniger als ein 'Problem' zu beziffern, sondern eher als eine nicht eben
machtlose Notwendigkeit. 392
Kommen wir damit zur Durchführung. Denn notwendig, ja notwendig ist die Wahrheit doch nicht ganz so eindeutig, wie eben beschrieben. Wäre sie es, so widerspräche
sie sich selbst in bezug auf den Schlaf. Was heißt das? Es heißt, daß es zuweilen nicht
zu vermeiden ist, den Traum zu berühren, sobald man den Schlaf anfaßt. Das ist eine
empirische Erfahrung. Der Schlaf ist das eine, die Träume sind das andere, jedoch
schwingen sie zusammen wie der Außen- und der Innenstoff eines Mantels. Das eine
blickt halbseitig nach außen, ins Helle, das andere halbseitig nach innen, ins Dunkle;
verbunden werden die zwei Teile durch eine verstürzte Naht, deren Verlauf sich nicht
nachzeichnen läßt. Die Situation changiert also, selbst auf Wagner bezogen. Denn
wider den gemeinen Sachverstand gilt nun auch für diesen, daß gerade der flache Schlaf
die meisten Träume hervorbringt – der tiefe Schlaf indes ist der traumlose Schlaf – die
Schlafforschung hat das längst bewiesen. Das bedeutet: Wagners Insomnie mündete
automatisch in einem neurasthenischen Traumverhalten, und den Blick auf Wagners
Träume dürfen wir schon darum nicht mehr aussparen. Allzumal diese Träume, zu
künstlerischem Material sublimiert, in das Wagners Werk Einzug gehalten haben –
nächtliche Träume wurden zu utopisch grundierten Tagträumen – Wagner war auch
der Mann, der dem kollektiven Traum eines ermüdeten Jahrhunderts zu gültigen
Bildern verholfen hat. Zwar hat die akademische Wagner-Forschung diese beiden
Phänomene wenn überhaupt, so stets getrennt betrachtet. 393 Doch als Cauchemar so
sehr wie als Sinnbild der Kunst wurden Wagners Träume in jedem Stadium zum
392 Marcus Noll, der sich mit der Schlafbildlichkeit in den Dramen Shakespeares beschäftigt hat, kommt
zu einem ganz ähnlichen Schluß. Da sein Thema von der Systematik her dicht bei dem unsrigen liegt,
zitiere ich die relevanten Passagen seines Buches in extenso: "Allerdings gibt es neben dem kategorischen
Imperativ einer methodisch sinnvollen Reduktion auch inhaltliche Gründe, die eine grundsätzliche Trennung von Traum und Schlaf rechtfertigen. Entscheidend ist dabei, daß der Traum zwar in der Regel den
Schlaf mit seiner ausgeschalteten Bewußtseinskontrolle voraussetzt, ansonsten aber in keiner Weise darauf
verweist. In den Träumen wird eine Scheinwelt aufgebaut, die entweder durch verbale Repräsentation
oder Geistererscheinung auch dem Publikum vermittelt wird. Das bedeutet, daß ganz eindeutig durch sie
der Gedankeninhalt des Schläfers, seine Seelenwelt thematisiert wird. Die im Traum abgebildeten Ängste,
Hoffnungen, Erinnerungen oder Erwartungen sind der zentrale Gegenstand, über den Schlaf als Zustand
menschlicher Existenz wird dabei kein Wort verloren; er ist lediglich selbstverständliche Voraussetzung der
Traumsituation. Es wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit deutlich werden, welche Merkmale den Schlaf
dazu qualifizieren, diese Funktion zu übernehmen. [...] die konkreten Inhalte und formalen Merkmale der
Träume gehorchen dann jedoch Gesetzen, die zum Thema Schlaf in keiner Beziehung mehr stehen. Es ist
also zwar unbedingt notwenig, den Schlaf in seiner Funktion als Medium und Realisationsgrundlage von
Träumen und verwandten Erscheinungen zu analysieren, aber eine intensive Auseinandersetzung mit den
auf dieser Basis entwickelten Inhalten gehört dann nicht mehr zwangsläufig in den Bereich dieser Untersuchung. Kurz gesagt ist zwar der Schlaf als Voraussetzung des Traumes vollgültiger Gegenstand dieser
Untersuchung, der Traum selbst dagegen ein davon völlig losgelöster und deshalb hier auch ausgegrenzter
Bereich. Um die Hierarchie noch weiter zu verdeutlichen, kann die Maxime formuliert werden: Für eine
Untersuchung von Träumen ist eine Beschäftigung mit dem Schlaf als deren unbedingter Voraussetzung
unerläßlich – ein Anspruch, dem bislang nur wenige der diesbezüglichen Arbeiten genügen –, bei einer
Erarbeitung der Schlafbildlichkeit gibt es jedoch keinerlei Zwang zu einer Erörterung des 'Zusatzphänomens' Traum. Schlaf ist für den Traum fast immer eine conditio sine qua non, während die Träume für
den Schlaf mehr oder weniger nur eine sich aus der gegebenen Grundsituation entwickelnde Aufbauverzierung sind. Aus diesem Grund kann in der vorliegenden Arbeit auf die detaillierte Untersuchung der
Träume guten Gewissens verzichtet werden." [Noll, 1994], S. 15f.
393 Im Gegensatz zum Beispiel zu jener anderen Form von 'Forschung', die Wagner und seinem Werk
durch das Theater zugewachsen ist.
81
Zeichen einer latenten Kreativität. In einem höchst bedrängenden Lebensmoment
drückte er es selbst so aus:
Mir wurde es in diesem Augenblick wie durch eine Vision klar, daß sich mein ganzes Wesen wie in zwei übereinander fließenden Strömungen befand, welche in ganz verschiedener
Richtung mich dahinzögen: die obere, der Sonne zugewendete, riß mich wie einen
Träumenden fort, während die untere in tiefem unverständlichem Bangen meine Natur
gefesselt hielt.394
Zwei Aggregatszustände des Traums werden also bezeichnet. Kultur und Natur, wenn
man so will. Auf der einen Seite wird Wagner, der Künstler Wagner, der sich im
Widerspruch zur verwirrenden, dunklen Welt der alltäglichen Träume befindet, von
einem hellen Fixpunkt angezogen, beginnt selbst 'hell-zusehen' – das ist ein Gedanke,
den Wagner sukzessive weiterentwickeln und spätestens mit der Beethoven-Schrift 1870
theoretisch legitimieren wird. 395 Auf der anderen Seite wird die 'Natur' als eine tieferliegende Schicht der Person durch einen Zugriemen reguliert, den man aus dem
Zusammenhang heraus als das 'Unbewußte' deuten könnte. 'Tiefes unverständliches
Bangen' heißt es – und das ist vielleicht ein Vorgefühl für jene Erscheinung, die es zu
Wagners Zeiten genaugenommen noch gar nicht gegeben hat.
<Wider die Analyse>
Wagners Traumleben ist demnach keine Posse und muß zwangsläufig in ein Verhältnis
gesetzt werden zu dessen pathogenen Lebensumständen. Die täglichen Ab- und die
nächtlichen Anspannungen waren aufeinander bezogen, sollten also auch so beschrieben werden. Liest man die letzten Seiten der Tagebücher Cosimas, so stößt man
schnell auf einen Passus, den die Tochter Daniela unmittelbar nach Wagners Tod 396
dem abrupt verwaisten Protokoll nachgestellt hatte: Dort werden die letzten Träume
Wagners erwähnt, einer dieser Träume wird sogar näher geschildert. Die Relevanz
solcher Informationen scheint nicht eben unbeträchtlich gewesen zu sein. Die Situation
selbst geradezu unheimlich – die Träume eines Verstorbenen besitzen doch einen recht
eigenen Reiz. Doch Daniela katalogisierte im Grunde nur, was längst als Katalog
vorhanden war. Cosimas Tagebücher verzeichnen hunderte von Träumen, hunderte
von Stenogrammen jener Berichte, die Wagner über sein Traumleben zum besten gab,
ja diese Hundertschaften wurden sogar angereichert durch Cosimas eigene Träume,
durch die Träume der Kinder, durch wechselseitige Selbstdeutungsproben, durch Diskussionen über Spiritismus, Schopenhauerismus und Traumtheorie. Seit die Tagebuch394 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 142
395 Vgl. mit dem Abschnitt <'Beethoven'-Schrift und Traumbegriff> in Kap. II.2
396 ...den Cosima übrigens als einen schweren Erlösungsschlaf wahrgenommen hatte. Vgl.: [Perl, 1883],
S. 125: "Der Kranke schien zu schlummern, Frau Cosima, welche nicht zu sprechen wagte, um den Leidenden nicht zu wecken, machte dem Doctor blos durch ein Zeichen verständlich, daß ihr Gatte nach
dem Anfalle eingeschlafen sei. – Der Arzt gab sich jedoch dieser Täuschung keinen Augenblick hin und
hatte sofort erkannt, daß er es hier mit keinem Schlafenden zu thun habe." Die Schlußworte des Bürgermeisters von Bayreuth bei der Beerdigung Wagners in Wahnfried lauteten: "Meister, nimm unsere letzte
Liebesgabe! Schlafe wohl, schlafe bei uns wohl!" Zitiert in: [Kienzl, 1904], S. 288
82
Manuskripte 1975 geöffnet und der Forschung das erste Mal zugänglich gemacht wurden, hat dieser Tatbestand sogar einige Berühmtheit erlangt. Zu ungewöhnlich schien
es, daß von nun an eine Ansicht intra muros möglich sein würde, noch dazu von
einem so vermeintlich extrovertierten Menschen wie Wagner. Die Materiallage ist also
überreich. Und geht man noch weiter und stellt sich vor, daß auch Inhalt und Bedeutung all dieser Träume erschlossen werden könnten, so wird sie fast erdrückend, zumindest für uns.
Denn wollten wir in diesem Gebiet auch nur anfangen, die Nebel auseinanderzuschlagen, unsere Kompetenzen wären schnell überschritten. Vielleicht gerieten wir
auch in Untiefen, deren Gefahren für die vorliegende Arbeit nicht einmal notwendig
sind. Grundsätzlich stellt sich ja die Frage, wie und nach welchen Kriterien diese
ungeheuerliche Masse von Intimitäten in den Griff zu kriegen wäre. Man mag an
Freuds Traumdeutungsmodelle denken. Sie könnten hilfreich sein. Doch ob sie die
Lösung aller Probleme wären, es muß gestattet sein, dies anzuzweifeln. Zumindest auf
Wagner bezogen sollte es relativiert werden. Man müßte anmerken, daß Cosimas Tagebücher zwar Traumnotate vorlegen, diese aber sind nicht ungefiltert, im Gegenteil,
sie scheinen in sich schon wieder kunstprogrammatisch. Dann lassen sich Wagners Alpträume natürlich nirgends trennen von dessen Kunstträumen, und selbst die Psychoanalyse hat das schöpferische Geheimnis als etwas Unerforschbares anerkannt. Wagner
sagte einmal – wir werden noch darauf zurückkommen – Sinnbild und Abbild seien
nicht dasselbe, auch wenn sie unter Umständen gleich aussähen.397 Ginge man folglich
davon aus, daß Wagners eigene Träume eine unteilbare Entität aus alltagsrelevanten
Traumsubstanzen auf der einen Seite und künstlerischen auf der anderen herstellten, so
würde eine tiefenpsychologische Untersuchung hier nur so wenig erreichen wie sie
erreicht, wenn sie sich allein dem Lohengrin oder dem Holländer oder dem Ring zuwendet. Das Buch Robert Doningtons hat gezeigt, zu welch Fehlurteilen eine reduktionistische Interpretation führen kann398; jüngstes Beispiel dafür ist der psychoanalytische
Ansatz Slavoj Žižeks 399, der illustriert, daß Einseitigkeit in bezug auf Wagner am unangenehmsten auffällt. Vielleicht darf man es so sagen (und damit gleich eine nochmals
andere Facette des Problems freilegen): Für Wagner scheint der Schlüssel zum Unbewußten nicht immer passend, weil er das zu Entschlüsselnde eigentlich von der verkehrten Seite her zu erschließen sucht. Es ist oft behauptet worden, Wagner habe
Freudsche Gedanken antizipiert, und dies zu leugnen wäre falsch, nicht es zu bestätigen.
Nur verdeckt dieser Hinweis auch, und zwar immer öfter mit immer größer werdendem Zeitabstand, daß Wagner tatsächlich vor Freud gelebt und vor diesem gewirkt hat.
Das sind kreatürliche Bedingungen. Und zumindest sie müßten eine methodische Unruhe erzeugen, sobald erneut versucht werden soll, was in der Wagner-Forschung bereits dutzendfach versucht worden ist: Wagners Träume mit psychoanalytischem Maß
397 Vgl. mit dem Abschnitt <Traumdeutung [1]: Verhältnis Musik/ bildende Künste> in Kap. II.3
398 Siehe: [Donington, 1963]
399 Siehe: [Žižek, 2003]
83
zu messen.400 Wagner hat in einer Welt gelebt, in der jeder noch seinen eigenen Schlaf
schlief. Es klärt also nicht nur die vorhandenen, sondern erzeugt auch neue Fragen,
wenn man Freud rückwärtig auf Wagner bezieht oder wenn man Wagners Träume
nur deshalb als prototypisches Material auslotet, weil Freud bereits in der Nähe wartet.
Wolfgang Hildesheimer hat es für den Fall Mozart folgendermaßen ausgedrückt: "Er
lebte in einem 'vorpsychologischen' Zeitalter, in dem man sich zwar der Seele mit
zunehmender Empfindsamkeit bewußt wurde, nicht aber der Kunde von ihr, und bis
zur Lehre war es noch weit."401 Zwar waren es, was Wagner betrifft, 'bis zur Lehre'
nur noch rund 30 und nicht 130 Jahre. Aber doch scheinen auch viele seiner Äußerungen unbeeindruckt gewesen zu sein vom Wissen, gedeutet zu werden. Nicht selten
sind es theatrale Prägungen, die in ganz anderer Richtung auf Resonanz hofften.
Generell dürfte es falsch sein zu glauben, eine tiefenpsychologische Deutung wäre
schon deshalb der optimale Zugang zu Wagners Träumen, weil "der Meister regelmäßig seiner Gattin [davon] zu erzählen pflegte"402, so wie Josef Rattner dies statuiert,
der davon ausgeht, daß wir über 'originale' Mitschnitte verfügten. Doch für originale
Mitschnitte hätte Wagner natürlich uns und nicht einer Mittlerfigur erzählen müssen,
was der Inhalt seiner Träume war – das ist die technische Voraussetzung für eine
Traumanalyse. Der Sachverhalt ließe sich noch zuspitzen: Daß er, Wagner, sich Cosima zugewandt hat, das hat zwar dafür gesorgt, daß uns seine Träume überhaupt
überliefert sind. Aber durch Cosima wurden uns dieselben Träume auch gleich wieder
entzogen. Denn Cosima träumte mit, gewissermaßen – die Übertragungsarbeit, die sie
geleistet hat, muß man einen Teil der Träume nennen; eine 'Reinform' der Wagnerschen Träume kann schon deshalb nicht existieren. Ja, vielleicht "hat das Rheingold-Es
des Welturgrunds mehr mit ihm [dem Freudschen Es] zu tun, als sich unsre musikalische Schulweisheit träumen läßt"403, vielleicht aber auch nicht. Wagner beschrieb sich
selbst einmal als den "alte[n] Meister des 'es'!"404 und fragte: "Wie deute ich dieses
kleine, so oft und immer nur flüchtig eingeworfene, scheinbar so nichts sagende
'es'?"405 Aber seine Definition charakterisiert doch eher etwas Über- statt etwas Unbewußtes:
Erst wenn diess stolze Weltrauschen verstummt, in stiller Nacht, da hören wir das Rieseln
des trauten Quelles, der uns diess milde, süss-einsylbige 'es' zuflüstert, und die Seele fühlt,
dass diess so unaussprechlich gross und allumfassend ist, dass kein Wort, noch so gross und
mächtig, es aussprechen und umfassen kann. So sagte der Bramane zu seiner zu tiefster Andacht gesammelten Seele 'om', – und keine Sprache kann diese zwei Buchstaben übersetzen, kein begriff ihre Bedeutung umfassen. Durch dieses heilige 'es' sprach mein Geistes-
400 Siehe: [Gregor-Dellin, 1980], S. 694ff., [Kröplin, 1989], S. 101f., [Rattner, 1986], S. 785ff., [Reimers,
1996], passim, [Roch, 1995], passim, [Weber, 1987], passim
401 [Hildesheimer, 1977], S. 207
402 [Rattner, 1986], S. 785
403 [Gregor-Dellin, 1980], S. 391
404 Brief Richard Wagners vom 26. 1. 1867 an Ludwig II. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1936c], S. 141
405 Ebd., S. 140
84
wunsch aus weiter Ferne traut und nah zu dem schönen Helden meines Lebens, da er
erwuchs und blühte, von mir geahnt, doch nicht gekannt. 406
Es hilft nicht zu wissen, daß Wagner Freuds Schriften sicher "mit höchstem Interesse
gelesen und reflektiert"407 hätte, denn er hat sie nun einmal nicht lesen können, dies ist
das Gesetz des Zeitpfeils. Ebenso vertan wäre die Mühe, wollte man klären, ob Wagner
heute in Hollywood komponieren oder ob er die Technik eines Musical-Theaters für
sich geltend machen würde. Man müßte schon mit dem Demandtschen Vokabular der
'ungeschehenen Geschichte' vertraut sein, um hier zu einer sinnvollen Antwort zu
gelangen. Doch unsere Debatte kann das nicht sein. Kurz: Für Wagner gehen wir davon aus, daß erst die Traumanalyse das Traummaterial analytisch gemacht hat. Träume
deuten zu wollen, deren Stoffe noch wie imprägniert scheinen gegen die Möglichkeiten ihrer Decodierung, setzt einen der Gefahr der Fehlinterpretation aus, lange
bevor man zu interpretieren beginnt. Nicht das Ergebnis wäre dann diskutabel, sondern
bereits die Methode, und das scheint am Ende doch eine Rechnung mit zu vielen
Unbekannten zu sein. Als habe er sich selbst gegen exegetische Übergriffe in diesem
Bereich bewahren wollen, notierte Wagner in einem Brief an Mathilde Wesendonk:
"Weiss man viel von dem, was einem träumt, so deutet dies schon nur auf die Leerheit
unsres Daseins im wachen Zustande hin."408
Beschränken wir uns darauf zu erwähnen, daß es die Wagnerschen Träume überhaupt gab – eingedenk dessen, daß eine 'Erwähnung' nicht sofort etwas Passives bedeuten muß. Zwar wollten wir nicht definieren, sehr wohl aber wollen wir registrieren, wenn
auch nicht deuten, so doch sammeln, und auch das kann eine Erwerbsmöglichkeit sein.
Im Sinne Hegels erzeugt bereits die Zitation von Träumen eine Aussage – sogar das
Bild vom Geiste einer Epoche lasse sich bestimmen, heißt es sinngemäß in der Philosophie der Geschichte, sobald man die Träume versammeln würde, welche die Menschen
während dieser einen Epoche geträumt hätten. Gegenüber der Interpretation besitzt
also die bloße Wiedergabe sehr wohl einen Eigenwert409, der Zugriff verlagert sich
nur. Und damit können einige Probleme abgewendet werden. Doch natürlich entstehen auch neue, es sind die Probleme des Sammlers: Akquise-, Verwaltungs- und Vollständigkeitsprobleme – auch auf Wagners Träume bezogen keine kleinen Sorgen.
Denn sobald man versucht, das Wagnersche Traumleben erst einmal als Corpus zu
begreifen, wird man konfrontiert mit der Tatsache, daß es in der Wagner-Forschung
dafür noch gar keine Grundlage gibt. Wagners Träume sind repetitiv gelesen, sortiert
und gedeutet worden, aber mehr als ein Bibelstechen dürfte für keinen dieser Fälle die
Voraussetzung gewesen sein. Martin Gregor-Dellin ist der einzige, der überhaupt eine
Schätzung vorgenommen hat. Rund 400 Wagnersche Träume, meint er, seien in
406 Ebd., S. 141
407 [Kröplin, 1989], S. 101
408 Brief Richard Wagners vom 10. 4. 1860 an Mathilde Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1915],
S. 294
409 Die Traumsammlungen von Charlotte Beradt mögen dafür ein gutes Beispiel sein, und zwar mit Blick
auf Wagner nicht aus historischen Gründen (sic), sondern aus methodischen. Siehe: [Beradt, 1994]
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Cosimas Tagebüchern verzeichnet. Das ist mehr als nur eine Orientierungshilfe, doch
leider wird diese Information nicht weiter differenziert, sie deckt ohnehin nur die Tagebücher ab und bleibt damit eine zwar große, aber ungefähre Zahl; in seiner WagnerBiographie (be)nutzt Gregor-Dellin nur noch die "hundert bemerkenswertesten Träume"410, um sie zu thematischen Gruppen zu ordnen. Was aber sind 'bemerkenswerte'
Träume? Aus welchen Gründen wird den restlichen Fabrikaten dieser Zuspruch nicht
zuteil? Was berechtigt zur Blütenlese? Philippe Muller hat 1981, also rund fünf Jahre
nach Gregor-Dellin, in einer französischsprachigen Studie den Versuch unternommen,
die Träume der Tagebücher zu systematisieren.411 Eine Antwort auf vorgeordnete
Fragestellungen allerdings bleibt auch er schuldig. Übersetzungsprobleme machen die
Traumnotate bei ihm auf andere Art nebulös, und ein Panorama über das gesamte
Konvolut des Wagnerschen Traumlebens bleibt ebenfalls aus. Für eine Deutung desselben existiert nach wie vor kein Fundament.
<Am Rande des Schlafs: Zu einem Register der Träume Richard Wagners>
Diese Lücke zu schließen, scheint notwendig, und die vorliegende Arbeit hat versucht,
der Notwendigkeit zu entsprechen. Resultat der Bemühungen ist ein chronologisches
Verzeichnis der Wagnerschen Träume, das neben Cosimas Tagebüchern weitere wichtige Primärquellen der Wagner-Forschung erfaßt und sich unter genannten Vorbehalten nicht auf einen interpretativen, sondern auf einen akkumulativen Ordnungssinn beruft. Aus Gründen der Handhabbarkeit ist das Traumregister dem Anhang dieser Arbeit
eingegliedert. An dieser Stelle jedoch seien ein paar jener Hoffnungen formuliert, die
mit ihm auf den Weg geschickt werden.
Zunächst steht zu hoffen, daß die Quantifizierung einer Qualifizierung für dieses
eine Mal in nichts nachsteht. Mit Zahlen zu bramarbasieren war keine Absicht, doch
konnte auch wieder nicht gelten, daß Weniger mehr ist. Lichtenberg sagte einmal:
"Aus den Träumen der Menschen, wenn sie dieselben g[e]nau anzeigten, ließe sich
vielleicht vieles auf ihren Charakter schließen. Es gehörte aber dazu nicht etwa einer
sondern eine ziemliche Menge."412 Von daher mag eine Bestandsaufnahme wie die
vorliegende in sich eine 'sportliche' Note haben. Es mußte mit Zahlen gemessen werden. Doch nicht zwingend ist das Ergebnis deshalb schon schnelle Ware. Die Träume
besitzen zwar historische Evidenz, eine historische Materialität jedoch besitzen sie
nicht. Sie in eine Chronologie zu bringen, ist die Summe vieler Entscheidungen – ein
langsamer und nicht eben wettbewerbstauglicher Prozeß.
Von der Quantität zur Vollständigkeit: Mit insgesamt 527 eingetragenen Träumen
scheint der Pegel dessen, was bislang an Traummaterial zur Verfügung gestanden hat,
merklich gestiegen. Von 421 Träumen ging noch Philippe Muller aus, und zwar nach
einigen recht sorgfältigen Rubrizierungen (vgl. Abb. 28). Doch natürlich wird eine
Zählung je aufwendiger (und merkwürdigerweise auch je wählerischer), desto schwie410 [Gregor-Dellin, 1980], S. 694
411 Siehe: [Muller, o. J.]
412 [Lichtenberg, 1984], S. 16
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riger ihre Grundlagen zu beschaffen sind. Verläßt man erst einmal den wohlgeordneten
Innenraum der Wagnerschen Tagebücher, so wird klar, wie wichtig zeitliche und
räumliche Fixpunkte für die Kartierung von Träumen sein können. Dazu kommt, daß
Wagner Vielschreiber war, man weiß es, und es ist für einen Einzelnen nach wie vor
unmöglich, all das zu sichten, was die Primärliteratur für die Forschungsgemeinschaft
bereithält. Vieles ist generell vorhanden, vieles also auch speziell für Wagners Träume.
Das lehrt nicht nur der Umgang mit dessen Gesamtwerk, es ist folgerichtig. Briefwechsel, die Autobiographie, tagebuchähnliche Aufzeichnungen, all das sind Ressourcen,
die eine Schar von bislang unkommentierten Traumnotaten vermuten lassen. Von
daher entspricht die Situation einem produktiven Widerspruch: Etwas zu finden, bedeutet gleichzeitig Glück und Verdruß. Glück, weil sich alte Forschungslücken schließen lassen, Verdruß, weil sich für den Einzelnen nur mehr benennen läßt, wo diese
offenbleiben müssen. 413 Konkreter: Aus ökonomischen Gründen konnten hier die
meisten jener Quellen nicht berücksichtigt werden, die sich als 'Primat epigonaler
Literatur' bezeichnen ließen. Dahinter verbergen sich Nachrichten über Wagner, geschrieben von Freunden, Bekannten, Verehrern und Verächtern an Freunde, Bekannte,
Verehrer und Verächter – Briefe, Zettelbotschaften, Meinungen und Empfindungen
also, die nicht immer tiefgründig sein müssen um repräsentativ zu wirken – Erinnerungsspeicher, die wie Satelliten um ein Zentrum kreisen und darum erfahrungsgemäß
viel O-Ton, viel Wertvolles für unser Thema enthalten. Noch ergiebiger allerdings
schien es (und rechnungstechnisch am Ende auch gescheiter, sofern man in Gewinnanteilen denkt), all diejenigen Schriftwechsel durchzusehen, an denen Wagner selbst
beteiligt war. Hierarchische Gründe trugen zu dieser Entscheidung bei, die – zugegeben – nicht eben leicht fiel. Wagners Korrespondenzen 'umfangreich' zu nennen, ist
ein Euphemismus – Myriaden von Briefen und Privatnotizen stellen für die WagnerForschung längst ein eigenes Forschungsfeld dar. Doch wie sich zeigen sollte, war es
richtig, zunächst eine Sichtung der relevanten 'sekundären Primärliteratur' vorzuneh413 Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß Wagners Schriften und Briefe seit dem Jahr 2004 als
CD-ROM vorliegen (siehe: [Wagner, 2004] ), denn gerade diese Form der Publikation scheint zu verlockend zu sein für flächendeckende Kartierungsarbeiten und hilfreich somit auch für das vorliegende
Traumregister. Doch die Vorteile, die der Wagner-Forschung durch ein Digitalisat insgesamt zuwachsen,
konnten für unseren Fall nur mit Einschränkungen gelten. Warum? Zunächst ließen sich die letzten Korrekturen am Traumregister, das de facto bereits 2001 abgeschlossen war, nur im Einzelfall aus der digitalisierten Schriftensammlung ableiten. Eine umfassende Angleichung unterschiedlicher Brief- und Werkausgaben hätte mehr von jener Zeit gekostet, die eigentlich durch Volltextsuche, Schreibweisentoleranz und
Hyperlinks gespart werden sollte. Zum zweiten erfaßt die CD-ROM nicht alle Werke und nicht alle
Briefwechsel Wagners. Das mag aus Sicht der Herausgeber unausweichlich gewesen sein, ist aber um so
bedauerlicher für diejenigen, die an der Peripherie der Wagner-Forschung interessiert sind. Zum dritten,
und dies ist wohl auch der entscheidende Punkt: Nicht immer ist der schnelle Zugriff der verläßlichere.
Ein Traum ist zentrumslos, er fluktuiert, er erwächst und erhält sich nur durch den ihn umgebenden Kontext, sowohl wenn er geträumt, wie auch wenn er beschrieben wird. Methodisch hingegen ganz anders die
Digitalrecherche: Sie muß Grenzen definieren, sie muß Bedeutungen komprimieren, sie muß Losungsworte verengen, und das wiederum impliziert: Die Suchfunktion 'Traum' vermittelt uns nicht zwingend
an einen eben solchen weiter. Mit dem Aufruf eines Stichwortes ist es nicht getan. Umwege müssen
gegangen, Abkürzungen vermieden werden. Denn hier führt ausgerechnet der kurze Weg in die Irre,
nicht der lange. Will sagen: Um einem Traum nachspüren zu können, muß eine Form des Gedächtnisses
ausgebildet werden, die einer rechenbasierten Effizienz diametral entgegensteht. Ohne Zweifel ist es eine
unschätzbare Hilfe, daß Wagners Schriften nun elektronisch verfügbar sind. Doch das neue Hilfsmittel
kann nicht überall zum Stilmittel werden.
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men. Denn die meisten der bislang nicht notierten oder bekannten Träume entstammen diesen Kontingenten.414 Insofern läßt sich behaupten, daß der überwiegende Teil
der Wagnerschen Träume nunmehr erfaßt ist. In ungeprüften Quellen sind lediglich
noch einzeln verstreute Traumstenogramme zu erwarten. Unter der Prämisse, daß
'Vollständigkeit' eine Größe ist, die sich sogar philosophisch anzweifeln ließe, erheben
wir Anspruch auf 'vorläufige Vollständigkeit'. Ziel war es, daß das vorliegende Traumregister ebenso solide wie transparent ist. Wenn zukünftige Ergänzungen keine
Schwierigkeit hätten ihren Platz darin zu finden, wäre zumindest eine Hoffnung erfüllt.
Daß es im ganzen auf ähnliche Art verfänglich ist, ein Ordnungsschema für Träume
zu entwerfen, wie es verfänglich ist, Träume zu deuten, liegt auf der Hand. Einige
nicht zu leugnende Schwierigkeiten seien deshalb vorgestellt – sie sind exemplarisch für
die Darstellungsmodi der Wagnerschen Träume und ohnehin dienlich für das Verständnis des Registers.
Da ist zunächst der Entschluß zu erklären, weshalb wir die Träume überhaupt chronologisch über ihre Eigendaten und nicht, wie Muller zum Beispiel, über die Daten
derjenigen Quellen erschlossen haben, die auf sie verweisen. Die zeitliche Festlegung,
das Aufspüren eines Traums innerhalb einer historischen Biographie kostet ja einige
Mühen und kann nicht einmal immer mit Erfolg abgeschlossen werden; jeder erreichbare Literaturverweis müßte also erhalten bleiben. Einem Traum hingegen nachträglich
ein Datum zuzuschreiben, scheint konstruiert, selbst wenn dieser Vorgang quellentechnisch abgesichert ist und es sich dabei in den meisten Fällen um Rechnungen ohne
Unbekannte handelt. Jedoch: Mullers Verfahren zeigt, daß Verwerfungen entstehen, je
weiter Traum und Traumnotat zeitlich auseinanderfallen. So wird es bei ihm etwa an
all jenen Stellen unmöglich, ein chronologisches Ordnungsmuster auszusieben, an
denen innerhalb des Quelltextes einem einzigen, fixen Datum mehrere Träume subordiniert sind, die keineswegs alle auf dies Datum allein, sondern auch auf verschiedene
frühere Daten treffen. Gleichzeitig dezimiert Muller gesuchte Informationen, wo er
hinter einem einzelnen Vermerk nicht mehr als eine Dimension vermutet. Beispiel:
Cosimas Tagebücher, Mai 1879. Muller zählt für diesen Monat insgesamt 7 Träume,
16 jedoch sind erwähnt. Wie das? Am 17. Mai notiert Cosima neben einem von
Wagner selbst explizierten Nachttraum noch "mindestens 8 unruhige Träume"415, die
inhaltlich allerdings nicht weiter bestimmt werden. Muller zieht diese vermeintlichen
Imponderabilien sofort zu einem unindividuellen und 'virtuellen' Eintrag zusammen
und/ oder unterdrückt ihn dann in der Gesamtzählung. Vernünftiger jedoch scheint es,
auch die Stauung der Morgenträume verifizierbar zu halten. 416 Für Wagner sind sie
414 Sollten im Register wichtige Schriften vermißt werden, so deutet dies nicht darauf hin, daß sie nicht
geprüft wurden, sondern darauf, daß in ihnen keine Träume Wagners notiert sind! Das gilt zum Beispiel
für den Königsbriefwechsel, interessanterweise auch für die Briefwechsel Wagners mit Judith Gautier oder
Hans von Bülow.
415 TB vom 17. 5. 1879. [Wagner, 1977], S. 351
416 Selbst wenn es sich immer um denselben Traum gehandelt hätte, wäre dies wohl vernünftig gewesen.
Man könnte Nietzsche zitieren, der seinerseits Pascal zitierte: "Pascal hat Recht, wenn er behauptet, dass
wir, wenn uns jede Nacht derselbe Traum käme, davon eben so beschäftigt würden, als von den Dingen,
die wir jeden Tag sehen". Wahrheit und Lüge. [Nietzsche, 1988m], S. 887
88
charakteristisch, für den vorliegenden Fall gehen sie sogar eindeutig auf einen neurasthenischen Schub zurück, wie der Kontext ergibt. Kurz, Muller zählt die Einträge und
nicht die Träume. Gewissermaßen ist er mehr an der literarischen Ableitung interessiert
als an deren Vorlage. Doch beließe man die Traumnotate tatsächlich in den von Cosima vorarrangierten Gruppen und führte sie nicht mehr auf ihren ursprünglichen Zeitpunkt zurück, so gingen wertvolle Traumdaten verloren – Daten immerhin, die für die
Interpretation eines bestimmten biographischen Zeitraums maßgeblich sein könnten.
Wir selbst sind von daher davon ausgegangen, daß Wagners Träume als eine Art
doppelte Lebensführung erkennbar bleiben (oder werden) müssen. Quellenvermerke
sind den Traumdaten bei uns nicht über-, sondern unterordnet. Das Traumregister
versteht sich als Konkordanz zu einer Biographie, deren Dynamik sich gewiß nicht nur
aus dem Täglich, Allzutäglichen ableitete.
Eine strategische Komplikation bei einem solchen Register war, ist und wird sein,
daß Träume Inhalte ohne Form sind (wie übrigens auch die Musik, die laut Wagner
einem Traumbild ähnele, wir werden noch darauf zurückkommen417). Träume lassen
sich durch nichts fixieren, sie sind reibungsloses Material. Selbst sprachlich werden sie
im Grunde nicht nach-, sondern neugeschöpft. Die Frage also, wann der exakte Zeitpunkt eines Traumes ist, ob er zum Beispiel noch in die Zeit vor oder schon nach der
Mitternacht, ob in den Morgen oder den Nachmittag fällt, scheint fast unzumutbar
oder zumindest sinnwidrig, und wer sie beantworten muß, kann dies nie zur vollen
Zufriedenheit tun. Das ist ein Manko, und zwar in zweierlei Richtung. Für Wagner
können wir auf der einen Seite nichts mehr rekonstruieren. Was nicht geschrieben
steht, ist unweigerlich verloren, das gilt für die Träume noch mehr als für alles andere.
Außerhalb der Tagebücher Cosimas war darüber hinaus von kaum einer Quelle die
erforderliche Liebesmüh in bezug auf zeitliche Determination zu erwarten. Ja selbst
Cosima ist bei aller Genauigkeit nicht immer genau genug gewesen. Auf der anderen
Seite besteht selbst die Schlafforschung auf einer Differenzierung zwischen Tag- und
Nachtträumen – von den zeitlichen Schwankungen sind vor allem die Trauminhalte
abhängig. Das Problem spitzt sich zu, denn das theatrale Moment, das jedem Traum
durch seine Beschreibung zuwächst, schließt physiologische Präzision aus. Und wo
physiologische Präzision herrscht, ist eine Beschreibung nicht möglich. Wie konnte ein
Traumregister dennoch zu einer akzeptablen Ordnung gelangen? – Nur durch Sorgfalt,
und zwar nicht dort, wo sie unerreichbar, sondern dort, wo sie erreichbar schien. Die
Kennzeichnung der Träume erfolgt jetzt über je einen Datumsvermerk, der anzeigt, ob
man es mit einem Nacht- oder einem Tagtraum zu tun hat. Hinter dem Eintrag Nr.
411/ '7. Nov. 1880' z. B. verbirgt sich ein Morgentraum – die entsprechende Quellenangabe verweist auf Cosimas Tagebuch, in dem es unter derselben Datumsangabe
heißt: "Erst in der Früh schlummert R. ein und träumt wild, daß Fidi in's Wasser gefallen sei."418 Eine alternative Form der Notierung erfaßt für das Register einen größeren
417 Vgl. mit dem Abschnitt <'Beethoven'-Schrift und Traumbegriff> in Kap. II.2
418 TB vom 7. 11. 1880. [Wagner, 1977], S. 617
89
Zeitraum, schließt die Möglichkeit mit ein, daß ein Traum, der erst am Morgen protokolliert werden konnte, noch in der Nacht vor dem Datumwechsel aufgetreten sein
könnte. Beispiel: Cosimas Bericht vom 25. April 1870 besagt, daß "R. [...] einen
wehmütigen Traum [hatte]"419 – das Notat 'verortet' den Traum nicht, weist ihn nicht
zu – im Register wird deshalb der Zeitrahmen der gesamten Nacht einschließlich des
Morgens durch den Eintrag Nr. 76 '24./ 25. April 1870' als Interpretationsspielraum
erhalten. Hinter Doppelnennungen wie etwa im Falle der Registernummern 40 und
41, die beide auf den 21./ 22. November 1861 verweisen, verbergen sich zwei unterschiedlich explizierte Träume aus ein und derselben Nacht.
Die größten Grabensprünge waren freilich immer noch bei der Frage nötig, wann
ein Traum überhaupt ein Traum und wann 'nur' ein typisch Wagnerscher Halbschlafmoment, ein somnambuler Schlummer, ein Fieber, ein lautes nächtliches Sprechen,
eine Vision, ein Gespenst, ein schwärmerisches Versenken, ein ungebändigter Mystizismus sei. Wann bricht der Traum in eine poetische Wendung aus, wann ist er Lebensgefühl? Was bedeutet es, wenn Wagner davon spricht, daß er vom 'Ring des Nibelungen', von 'Italien', von 'Schaffensruhe' 'träume' und wenn der Kontext uns keine Verständnishilfen mitliefert? Wie wörtlich muß man diese Formulierungen verstehen?
Tatsächlich sind ja nicht nur die Grenzen zum Traum selbst uneindeutig, auch die
Grenzen zwischen den einzelnen Grenzphänomenen wiederum sind nebulös. Daß ein
Traum bei Wagner so unbewußt wie (halb-)bewußt sein kann, davon wird noch
mehrfach die Rede sein müssen, nur bleibt für das Register das Rätsel bestehen, wie
das eine einzuordnen ist, ohne das andere zu vernachlässigen. Anders gesagt: Die Problemlage kategorisch klären zu wollen, ist nicht nur bedenklich, negativ utopisch, aussichtslos, es widerspräche sogar dem Gegenstand der Betrachtung. Aus diesem Grund
haben wir uns hier bemüht, Entscheidungen immer wieder neu und von Fall zu Fall zu
treffen. 'Traumartige' Zustände werden für das Register tendenziell eher erfaßt als
unterdrückt. Das ist eine Lösung, die sich aus dem Wagnerschen Lebens- und
Weltentwurf ableiten läßt. Und hatte dies auch Einfluß auf die interne Zählung der
Träume, so wurde es doch austariert von der Tatsache, daß viele Wagnersche Meldungen 'stehende', 'immer wiederkehrende' oder 'häufige' Träume benennen, Träume also,
die nachträglich nicht mehr vereinzelbar sind und deshalb zwangsläufig als Gruppe
behandelt und unter einem (Datums-) Eintrag abgelegt werden mußten. Jede dieser
Ausnahmen allerdings wurde über die Fußnoten als Sonderfall gekennzeichnet. Daß
das Register trotz allem nicht von Fußnoten und Sonderfallregelungen dominiert wird,
scheint Beleg dafür zu sein, daß es insgesamt doch eine staunenswerte Periodizität in
Wagners Traumleben gegeben haben muß. Die rhetorische Figur der Wiederholung
behauptet sich auch hier als gestaltendes Prinzip.
419 TB vom 25. 8. 1870. [Wagner, 1976a], S. 223
90
<Ansichten von der Nachtseite>
Gibt es einen Traum der Träume? Gewiß. Es ist die Vorstellung, daß Wasser zu Wein
und Datenmaterial zu Text werden könne. Was Philippe Muller für die französische
Übersetzung der Wagnerschen Träume begonnen hat, scheint lohnend, soweit es konsequent durchgeführt wird. Jedem einzelnen unserer Registereinträge müßte die ihm je
entsprechende Quellenpassage (wieder) zugeordnet werden, so daß sich ein lesbares
Inventarium ergäbe, eine eigenständige Erzählform und Kompilation, die in sich durch
Stichwort- und Namenregister erschließbar wäre. Doch um es mit einem Papentrigkschen Vers zu sagen: 'Ihr Toren, nicht dem Schaume traut!/ Es trügt, was man im
Traume schaut.' Nicht alles erfüllt sich sofort, und die einzige Möglichkeit, dies nicht
glauben zu müssen und dem Rohbau des vorliegenden Traumregisters trotz alledem
ein wenig Fleisch beizugeben, ist, an dieser Stelle einige allgemeine Inhalte zu erläutern.
Zur Faustformel gezwungen könnte man sagen, daß Wagners Träume sich im
Grunde nicht so stark von dessen alltäglichen Affekten unterschieden haben, wie sich
das manch einer von den Träumen eines so visionären Künstlers gern vorstellen würde.
Zwar verzerren diese Träume einiges an Proportionen – der Tag sieht von der Nacht
aus gesehen anders aus. Aber daran ist zunächst nichts Ausbündiges zu finden. Das
Maßhalten hat bei Wagner auch bei der Abwicklung der Tagesgeschäfte nicht eben zu
dessen Stärken gehört. Man sollte also versuchen, moderat zu bleiben, denn zu oft
schon hat sich die Hochspannung der Exegeten auf das Produkt der Exegese übertragen. Unmittelbar nach der ersten Publikation der Tagebücher Cosimas, durch die ein
Großteil der Wagnerschen Träume auch erstmals einer breiten Leserschaft zur Ansicht
gegeben werden konnte, gab es eine eine nervöse Ergriffenheit und Schwemme von
Interpretationen, die in diesen Träumen eine neurotische Berserkerwut, eine Form von
gefühligen Monstrositäten und Egotismen zu sehen glaubte. Gregor-Dellin selbst, der
neben Dietrich Mack für die Veröffentlichung verantwortlich gezeichnet hatte, zentrifugierte das Traummaterial in große 'Komplex'-Gruppen, in denen sich Wagners
nächtliche Projektionen als eine Ansammlung von 'eitlen Träumen', 'Sühneträumen',
'Feigheits-, Angst- und Fluchtträumen', 'Schulden- und Verlustträumen' wiederfanden.420 Rattner gruppierte in "Größenkomplex"-, "Schuldkomplex"-, "Eifersuchtskomplex"- und "Angst- und Unheimlichkeitsgefühl"-Träume.421 Ebenso Kröplin, der
die Zusammenfassungen zusammenfaßte und damit bestätigte. 422 Was aber noch vor
rund 30 Jahren zu einem psychoanalytischen Strudel führte, weil das 'wahre' Charakterbild Wagners plötzlich wie hinter einem lange gepflegten Firnis sichtbar zu werden
schien, wird man heute kühler beurteilen wollen. Denn die Schematisierungen, die
vorgenommen wurden, sollten zwar den Helden in Wagner entmystifizieren, doch im
Umkehrschluß stilisierten sie diesen in einer Art und Weise zum Herrn über tausend
Nöte, daß aus den kleinen Gesten plötzlich doch wieder die große Gestik wurde. Man
420 Nach: [Gregor-Dellin, 1980], S. 694ff.
421 [Rattner, 1986], S. 786
422 Siehe: [Kröplin, 1989], S. 102
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wollte mikroskopisch sein, nahm aber den Ausschnitt fürs Ganze. Ein Verfahren, das
aus Dienstwilligkeit entsteht und in der Humorlosigkeit endet.
Für unseren Geschmack sind Wagners Träume deshalb zunächst einmal Petitessen
des Alltags in verfremdeter Wiederkehr. Es sind glaubwürdige Träume. Träume, die
jeder bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar finden dürfte, ohne sogleich dem
Deutzwang zu unterliegen. Man könnte gelten lassen, daß sie in sich bereits eine Deutung darstellen und erst einmal gar keine externe Deutung erforderten. Ein flammender
Zahn, das Bild des erblindet-vernarbten Sohnes, ein zerrissenes Wildtier, Bilder wie
diese geben in Wagners Träumen noch die symbolisch trächtigsten Parabeln ab und
hätten deshalb nicht für fundierte Erregung sorgen müssen. Nirgends gibt es ohnehin
den großangelegten Ranküneplan, nirgends explosiv surreale Gebilde, nirgends psychodelische Entgleisungen, keine Welträume, keine Weltvisionen. Alles scheint viel
eher dinglich, irden, handfest – sogar Cosima, die empfindsam war bis zu Larmoyanz,
kam zu dem Schluß, daß "R. eigentlich fast immer Zustände, nicht besondere [Geister-] Erscheinungen [träumt]".423 Sicherlich, sie waren flackrig, diese Träume, sie waren auch schweißtreibend, das aber war der Alltag Wagners auch. Von daher dürfte
man nur schwer in Wagners Träumen etwas finden, das mehr über dessen Alltag
aussagt, als der Alltag selbst. Viele Passagen gibt es in Cosimas Tagebüchern, ja selbst in
Wagners Privatnotizen, von denen nicht einmal mit letzter Gewißheit zu entscheiden
ist, ob sie eher der Wirklichkeit oder einem Traum zugerechnet werden müssen. Die
Grenze zwischen Nah- und Fernbereich ist hier fließend, denn was in jenem verschleiert wirkt, konnte in diesem kristallklar sein.
Daß neben vereinzelten Glücksvisionen und Harlekinaden auch viel Elend, viele
Schrecknisse und Störfälle, wiederholt selbst einiges Infame und Abstoßende in Wagners Träumen existiert hat, kann und darf nicht verleugnet werden. Wie auch? Träume
entbergen – sie sind das Sonnenlicht der Nachtseite – eine Sol niger. Betörter und
Betörer, Betrogener und Betrüger, Verführter und Verführer, in seinen Träumen war
Wagner all das in Personalunion, und er dürfte dort auch jenen Schaffens-, Leidensund Schuldendruck durchlitten haben, den diese Art Positionen mit sich bringen. Die
Träume sind nicht nur als Einschluß, sondern auch als Einbruch in das Tagesleben
empfunden worden. Faszination hängt mit Bedrohung, Verzauberung mit Malediktion
zusammen. Wagner fühlte sich durchaus auch vom eigenen Existentialismus bedroht.
"Wenn man sich zu Bett legt", sagte er einmal, "ist es doch, als ob man sich unterirdischen Mächten preisgebe, einem vollständigen Dämonium, das auf einen lauert." 424
Das Bett selbst wurde in dieser Hinsicht als "Ärger-Maschine"425 wahrgenommen. "[I]st
denn nicht vielleicht Alles nur ein böser Traum, – ist mein Leben ein böser Traum,
oder sind meine schönen Träume mein eigentliches Leben"426, schrieb er an Minna
schon 1836, da war er erst 23, und doch schon tief beunruhigt von der Vorstellung,
423 TB vom 29. 11. 1872. [Wagner, 1976a], S. 603
424 TB vom 27. 2. 1871. Ebd., S. 364
425 TB vom 20. 6. 1880. [Wagner, 1977], S. 574. (Im Original auch hervorgehoben!)
426 Brief Richard Wagners vom 18. 6. 1836 an Minna Planer. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1967], S. 303
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daß Rettung im Traum nicht immer möglich sein würde. Im selben Brief heißt es
weiter:
O sieh, – mein Geist ist so zerstört, daß ich Wachen u. Träumen nicht mehr unterscheiden
kann. O welch' einen wonnigen Traum hatte ich diesen Morgen; [...] Du lagst, – ja, Du
lagst an meiner Seite, ich [...] wollte Dich nicht wecken, weil Du zu schlafen schienst; – u.
doch, nein, Dein gutes, herrliches Auge war geöffnet, [...] u. [Du] machtest mir Vorwürfe,
daß ich schliefe, u. alles im Schlaf gethan hätte. Da strengte ich mich nun auch an, meine
Augen zu öffnen, um Dir zu beweisen, wie wach ich sei! – Ich blickte auf u. sah – u. sah –
Alles leer, öde, todt u. verlassen um mich her. – – Jawohl ich war wach, u. fühle auch daß
ich es noch bin: – – es war ein Traum! 427
Keineswegs war dieser Traum also nur 'wonnig', denn vom Tag aus betrachtet war er
ein negativer Sog. Wechselnden Perspektiven ausgesetzt, entlarvte Wagner die schönen
Träume öfter als Scheinwahrheit und mußte sie insofern als genauso bedrohlich empfinden wie er die bösen Träume im eigentlichen als gut empfand, weil sie sich in der
Realität nicht mehr behaupteten. Die Vermengung von Wachen und Schlafen war ein
Topos in seinem Leben wie in seinem Werk. Mehr noch: Es gab viele Träume, die
ähnlich wie der geschilderte per se um das Motiv des Schlafs kreisten. In Träumen
wurde vom Träumen geträumt, von der Übernächtigung, der Bettschwere, von Ohnmachten des Wachseins und von der Schlaflosigkeit selbst. 428 Und das mag aufschlußreich sein und ein Bild dafür, daß Wagner in die Tiefe stürzte, um in die Höh' zu gelangen. Die Verdichtung allerdings, die mit dieser motivischen Bündelung zusammenhängt, dürfte weniger eine Spielart der Klaustrophilie, denn eine der Klaustrophobie
gewesen sein – ein psychologischer Knoten.
<Reprise: Der Traum als Konstruktionsprinzip>
Jedoch: Was für den Schlaf Wagners galt, gilt am Ende auch für dessen Träume. Der
'Fall Wagner' wird aufgefangen vom 'Prinzip Hoffnung' – Abhilfe entsteht durch
Kompensation. Wie den Schlaf, so stilisierte Wagner nämlich auch seine Träume, wie
der Schlaflosigkeit, so trotzte er auch der Dämonie des Traumlebens denjenigen kreativen Moment ab, der aus seinem Leiden das theatrale Ereignis herausfilterte. Neben den
Katastrophen gab es ebenso die Parolen des Impresarios. Seine Träume waren nicht nur
schrecklähmend, sie zeigten zur gleichen Zeit, wie man mit einer Schrecklähmung
umgeht. Im Alltag suchte Wagner die Welt des Schweigens und verfiel dafür ins
Reden – in seinen Träumen kam er zu sich und tat es für die Augen eines Publikums.
Denn daß er auch hier nach Öffentlichkeit strebte, beweist schon die Tatsache, daß er
seine Träume selbst in größeren Gesellschaften zum besten gab. Die Schwelle zwischen
Stube und Salon scheint in dieser Hinsicht so niedrig gewesen zu sein wie die zwischen
Bett und Schreibtisch. Träumend nahm Wagner Rollen an und verteilte Rollen, grup427 Ebd.
428 Vgl. u.a. die Träume mit den Registernummern 67, 77, 84, 91, 130, 170, 210, 212, 235, 243, 244,
282, 286, 296, 320, 376, 455
93
pierte sich und andere rampentauglich, brauchte Staffage und lenkte Staffage – die
Bühnenluft darf man sicher ein Requisit seiner Traumwelt nennen. Besäße man eine
Kartei all jener Personen und Personengruppen, von denen Wagner je geträumt hat
(und wie gerne würde man eine solche Kartei besitzen, und zwar als eine weitere Rubrik im Appendix des Traumregisters!), so wäre augenfällig, daß Wagners Nächte ein
Sammelpunkt gewesen sind für eine Heerschar dramatischer Figuren aus allen Jahrhunderten, Ländern, Gesellschaften und Literaturen. Über Protagonisten, Deuteragonisten,
Tritagonisten und Antagonisten entschied er natürlich selbst auf diesem Feld. Und so
debattierte er träumend mit Shakespeare und scherzte kollegial mit Beethoven, Fidelio
war zwar nicht der rechte Umgang, Goethe dafür um so mehr, Auftritt King Lear, der,
mit dem Antlitz Hans von Bülows, bei ihm gleich wieder sterben muß, dies allerdings
ohne Hoffnung auf Erlösung – Abtritt – ein türkischer Kutscher soll über einen Graben
helfen, in den man dann doch hineinrutscht, Türen schließen sich, eine Klinke fällt ab,
Wagner souffliert, Kaiser Napoleon berät sich mit ihm, ein namenloser Jude verliert ein
Säckel – Monolog – Minna ist tot, aber nicht aus dem Leben zu verbannen, und gehörnte Tiere kommen, die Feinde zu schrecken, Rus der Hund wird zertreten, die
Königin Anna von England übt verwandtschaftliche Milde, Frauen mit bestäubten
Perücken extemporieren Verse, und – Finale – die letzte Kapriole – der Pöbel wird
ihm doch schließlich gut, und Brünnhilde stolpert durch die Alpen, und ein prachtvoll
leuchtendes Wesen schiebt die Wolken vor dem Höllentor beiseite. Wagners Gesichte
hatten tatsächlich Gesichter, sehr reale sogar. Sein Theatrum mundi war die nächtliche
Entsprechung der täglichen Überhitzungen. Eine Art Nachbereitungsprobe des Alltags,
ein fotorealistischer Theaterprospekt, der sich Nacht für Nacht zwischen die Tage
schob, um diese im Spiel wieder und wieder zu dissolvieren. Träume flossen also in
Träume über wie Szenenwechsel in Aktschlüsse und Aktschlüsse in Applausordnungen.
Nebenbei bemerkt: Kaum eine Nacht gab es, in der Wagner nicht von sich selbst geträumt hat. Doch wollte man einmal versuchen, dessen ungeheuerlichen Figurenfundus
mit jenem Index nominum zu kreuzen, der jeder gewöhnlichen Monographie über
sein Leben angehängt ist, so würde sich zeigen, daß sich die beiden Register mühelos
ineinander überführen ließen. Wagner ging am Tage so selbstverständlich mit Fiktionen um wie in der Nacht mit Realien. Es mag ein Lapsus gewesen sein, doch ein Zufall ist es kaum, daß Gregor-Dellin in den Namensregistern der Tagebücher manche
Eintragungen für reale Personen vorgenommen hat, die an der von ihm bezeichneten
Stelle nur als geträumte Figuren auftreten. Sinnfällig auch, daß es laut einer Aussage
von Bernhard Schnappauf, dem Barbier Wagners, um 1874 ein Theaterstück mit dem
Titel R[ichard] Wagner's Traum gegeben haben soll, in dem sich das gesamte Personal
der Werke Wagners um diesen herumgruppierte, um zu salutieren. 429 Auch auf diesem
429 Nach: TB vom 14., 15., 16. 2. 1874. [Wagner, 1976a], S. 792. Trotz eingehender Nachforschungen
ist es mir leider nicht gelungen, die in der Quelle angegebenen Hinweise auf dieses besonders verlockende
Stück näher zu bestimmen. Die einzige Nähe zu ihm scheint eine Zeichnung ungewisser Urheberschaft
aus dem Wagner-Nationalarchiv herzustellen. Diese zeigt Wagner, wie er am Klavier sitzt und umgeben
wird von einer Gesichterschar, aus der sich einzelne Werkfiguren erkennen lassen. Vgl.: [Weber, 1993b],
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Wege scheint sich mitzuteilen, daß die Träume in ein theatrales Grundkonzept eingebunden waren. Oder schauen wir auf das Motiv der Kostümierung, des Kleiderwechsels und Kleiderverlustes, das über viele Jahre hinweg spielbestimmend gewesen ist. Oft
träumte Wagner davon, daß er in schwere Vorhänge eingehüllt sei – Wiederaufnahme
seiner Vorstellung eines halb zeremoniellen halb intimen Wohnkomforts –, und das
wurde thematisch latent verdichtet: Eine ganze Reihe von Träumen beschäftigte sich
mit Theatergewändern, Roben und Capes, die aus Bettüberwürfen und Schlafzimmergarnituren angefertigt sein sollten. Einmal träumte "R.", so schreibt Cosima, "daß ich
eine große Gesellschaft gegeben, daß überall Leute wären, er sich nirgends von seiner
Haustracht entkleiden konnte und ich ihm immer sagte: »Du liebst es ja so«".430 Auch
hier wird noch einmal jener Widerspruch bildhaft, kraft dessen Wagner sich zu positionieren wußte – die Dramaturgie der Privatisierung folgte denselben Prinzipien wie die
Rhetorik des offiziellen Wagner-Porträts; wir erinnern an den Anfang des hier vorliegenden Kapitels. Ein Traum aus Wagners letzten Lebenstagen dürfte alle diesbezüglichen Tendenzen gut zusammenfassen: Es geht um eine Sequenz, in der er in einem
"violetten Schlafgewand, welches er eben anhat, in's Theater [...] in eine Loge [gegangen sei]; da habe man sich unschicklich gegen ihn benommen, er habe sich aber [...]
nicht zeigen wollen und doch fast gemußt". 431 Die Parabel suggeriert, daß Privates und
Öffentliches, daß der Alpdruck des Alltags und die Inkuben der Nächte tatsächlich
nicht voneinander zu trennen waren – weder am Tag noch in der Nacht. Das eine hing
mit dem anderen unverbrüchlich zusammen und wurde durch theatrale Impulse in
gegenseitiger Abhängigkeit gehalten. Wagners Selbstdarstellungsdrang dürfte insofern
nicht mehr, aber eben auch nicht weniger als eine Spielart seines "Arbeitstraumleben[s]"432 gewesen sein. Kunst und Leben seien bei ihm, so formulierte es Robert
Gutman, ein "wechselseitig sich reflektierender Traumspiegel".433 Eckhard Roch: "Wo
die Not am größten, da sind ihm Traum und Drama am nächsten."434 Psychologisches
wurde systematisch zu Dramaturgischem transformiert (Dramaturgisches hingegen
nicht unbedingt zu Psychologischem). Qua einer doppelbödigen Logik konnten die
Probleme so zu ihrer eigenen Problemlösung werden. Zwischen dem erlebten und
dem erzählten Traum spannt sich das Werk Wagners auf.
<Stretta: Das »zweite Leben«>
Die letzte Wendung des Schlafmotivs impliziert demnach, daß der Traum und das
Träumen metaphorisch überhöht wurden. Cosima kündigte es an: "Der Traum
hilft"435, Wagner selbst führte es aus: "Ich lebe jetzt grad' wie im Traum: es ist meine
S. 252. Doch darüber zu sprechen, ist vielleicht schon zu viel. Denn mit nichts läßt sich beweisen, daß
dieses Bild in irgendeiner Form auf das genannte Theaterstück Bezug nimmt.
430 TB vom 7. 5. 1874. [Wagner, 1976a], S. 815
431 TB vom 27. 1. 1883. [Wagner, 1977], S. 1101
432 Brief Richard Wagners vom 22. 9. 1865 an Mathilde Maier. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1930], S. 221
433 [Gutman, 1970], S. 333
434 [Roch, 1995], S. 532
435 Brief Cosima Wagners vom 9. 5. 1872 an Friedrich Nietzsche. [<Wagner, Cosima - Briefe>, 1940], S. 29
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einzig mögliche Cur. [...] Niemand darf mich wecken. [...] zu allem verhalte ich mich,
als ob ich träumte: und dabei kann ich allmählich arbeiten."436 "Nun bleibt mir nichts
mehr als das Träumen übrig: und damit helfe ich mir denn auch."437 Was in erster
Instanz widersinnig erscheinen muß mit Blick auf Wagners nächtliche Malaisen,
entpuppt sich in der zweiten Instanz als Gegensatz wiederum dazu: Die bedrängenden
Nachträume wurden zu befreienden Wachträumen. In der Tat heißt es: "[A]lles Erfreuliche im Leben ist wie ein guter Traum in einem bösen Schlaf". 438 Aus der Sehnsucht nach Ordnung, Orientierung und Ruhe entstehen kunstvolle Visionen vom
schönen Leben. Nicht unbedingt jenseits des Alltags, wohl aber doch abseits von ihm
legte sich Wagner zurecht, was er an kreativer Dämonie zum Überleben nötig hatte.
"Wirst Du es mir nun aber verargen", schrieb er an Röckel,
wenn ich Deinem Rathe, mich von Träumereien und egoistischen Schwärmereien abzuwenden, um mich dafür dem einzig Realen, dem wirklichen Leben und seinen Bestrebungen zuzuwenden, nur lächelnd erwidern kann, und dagegen glaube, daß ich in der vollen
Wirklichkeit mich viel bestimmter, bewußter und unmittelbarer zuwende, indem ich jede
meiner Lebensäußerungen, selbst die leidenvollsten, nur auf jenes Ziel und seine Kundmachung verwende?439
Wie der heilende Schlaf, so wird auch der heilende Traum zu einem Teil der Wagnerschen Kunstkonzeption. Jener katalytische Kunstgriff, der zuvor aus der Schlaflosigkeit
schöpferische Kräfte und aus einem Status quo einen Status nascendi freigesetzt hatte,
wird auf das Träumen übertragen. Wieder durchläuft Wagner zunächst eine konkrete
Leidens-, dann eine abstrakte Läuterungsphase. Kröplin spricht von dessen 'zweitem
Leben', welches über den Traumbegriff etabliert würde, ebenso davon, daß das
"rückwärts träumende Ausweichen[...] vor der Gegenwart [...] bei Wagner umgekehrt
[wird]: [...] der Traum wird nun zum eigentlichen Leben."440 Die überraschende
Verwandlung führt, wie im Theater, zur Katharsis – Schlaf und Traum werden zu
einer praktikablen Form der "Erlösung". 441
Und so – muss ich mir das ganze Leben zum Traum machen! Es wird gehen, und ich
werde alle meine Werke schreiben, wenn ich nie aus meinem Traume über die Welt
gerissen werde. Ich darf ihre Wirklichkeit nicht wahr sehen: ich kann nicht mehr. Aber –
436 Brief Richard Wagners vom 3. 9. 1865 an Mathilde Maier. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1930], S. 220
437 Brief Richard Wagners vom 10. 4. 1860 an Mathilde Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1915],
S. 294
438 Zitiert in: [Glasenapp, 1911], S. 372
439 Brief Richard Wagners vom 26. 1. 1854 an August Röckel. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1894], S. 32
440 [Kröplin, 1989], S. 7
441 Religion und Kunst. [Wagner, 1883d], S. 319
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im Traume nimmt sie sich erträglich aus, und der Traum Zustand selbst ist schön, eben
weil er Traum ist. 442
Der Alltag wurde also gewissermaßen mit der Aura des Traumhaften versiegelt, und
mit Kröplin ist zu sagen, daß natürlich auch allen Wagnerschen Werken "unübersehund unüberhörbar[...] [der] Stempel traumatisch-dramaturgischer Strukturen auf[geprägt ist]".443 Schon in einzelnen Abschnitten der Entstehung der Nibelungen begriff
Wagner seine Zeit als sonderbaren 'Traum', die Periode der Parsifal-Komposition war
ihm ein "heiliger Traum"444, den Tristan verfertigte er im "träumerischen"445 Venedig
in einer "lebendig gewordenen Traumwelt". 446 Alle Tristan-Proben dünkten ihm ein
"Zaubertraum [...,] das Gefühl des Traumes verließ mich nie".447 Entsprechend hatte
ihn die Verbindung zu Mathilde Wesendonk das "traumartige Vergessen aller Gegenwart gelehrt"448; bei einem späteren Besuch im Zürcher Asyl blickte er "wie aus einem
Traume in einen Traum"449 darauf zurück. Traumartig ohnehin und wie ein 'Märchentraum' schien der Lebensabschnitt mit Cosima – "»Das Leben ein Traum! Wir
träumen ein Leben [...].«"450 Wagner und Cosima kamen sich selbst oft vor "wie
abgeschiedene Geister". 451 Und eine 'Traum- und Zauberwelt' war auch Tribschen,
von 'träumerischer Heiterkeit' die frühen Bayreuther Jahre, Siegfried, der Sohn, konnte
nur ein 'schöner Traum', König Ludwig II. ein 'Göttertraum' und das Menschenschicksal am Ende kaum etwas anderes als ein 'Traumbild' sein. "Wie mir nun ist? Nach
dieser Zeit!! Gewiß, noch wie im Traum."452 Hermetisch wurde die Innenwelt
gegenüber der Außenwelt abgeschirmt und im Sinne der romantischen Programmatik
zum 'offenen' Raum stilisiert. In der Enge suchte Wagner die Weite. Alle Fluchtlinien
gingen nach innen. In seiner kleinen Erzählung Ein deutscher Musiker in Paris, die man
wohl biographisch lesen darf, heißt es an einer Stelle, daß "ich schwankenden Schrittes
das Asyl meiner Träume verließ. Auf der Schwelle des Gebäudes stürzte ich zusammen".453 Das Bild scheint symptomatisch. Denn das Scheitern erfolgt hier genau an
jenem neuralgischen Punkt, durch den der geborgene Innen- wieder mit dem bedrohlichen Außenraum in Rapport gesetzt wird. "[I]ch kann nur noch träumen und schaf-
442 BB vom 3. 9. [1865]. [Wagner, 1988b], S. 78
443 [Kröplin, 1989], S. 103
444 BB vom 26. 10. [1865]. [Wagner, 1988b], S. 92
445 Brief Richard Wagners vom 25. 3. 1859 an Mathilde Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1915],
S. 81
446 Tagebucheintrag Richard Wagners vom 12. 10. 1858 an Mathilde Wesendonk. [<Wagner, Richard Briefe>, 1915], S. 139
447 Brief Richard Wagners vom 26. 9. 1865 an Eliza Wille. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1935], S. 91
448 Tagebucheintrag Richard Wagners vom 4. 4. 1859 an Mathilde Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>,
1915], S. 155
449 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 600
450 TB vom 22. 2. 1879. [Wagner, 1977], S. 308
451 TB vom 8. 5. 1879. Ebd., S. 345
452 Brief Richard Wagners vom 18. 5. 1864 an Mathilde Maier. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1930], S. 158
453 Zitiert in: [Glasenapp, 1905a], S. 336
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fen"454, insistierte Wagner jedoch und verteidigte seinen Kernbezirk – die Verkapselung diente am Ende erneut der Kunst, ja der Künstler sollte ein autarker Träumer
werden, unbehelligt von der nervösen Dynamik jener Bedingungen, die dem einzelnen
Kunstwerk erst ihren Anlaß gaben.455 "Mein Freund, das grad ist Dichters Werk,/ daß
er sein Träumen deut' und merk' "456 – das Meisterwort des Hans Sachs ist nicht zu
Unrecht schon öfter auf Wagner gespiegelt worden. Es ging nicht darum, sich in den
Träumen zu verlieren, es ging darum, in den Träumen zu sich zu kommen und dem
ersten auch noch eine zweiten Schritt folgen zu lassen. Bereits Adorno hatte angemerkt: "[Wagner hat] lieber dem Traumdeuter als dem Träumenden sich verglichen". 457
Wagners Insomnie gebar also nicht nur schlechte Träume, auch gute, gar sonnige,
goldene Träume. Träume von einer besseren Welt. Arkadische Träume. Nach dem
Prinzip 'In Nacht und Elend per aspera ad astra', wie Wagner es auf der unorkestrierten
Fassung seines Holländer schon 1841 notiert hatte, vermittelten ihn die Träume vom
Dunkeln ans Licht – platonische Träume waren das, könnte man auch sagen, Träume
des Erkennens. Er, der nach Liszt "[kühn] träumte [...], wie Dichter träumen"458,
machte nicht bloß aus dem Leben ein Traum, sondern entbarg sukzessive aus dem
Traum die Kunst – träumend wird das Wagnersche Werk generiert –, und die Kunst
wiederum zeigte sich als ein Traum, aus welchem schließlich die gültige Welt so freigesetzt werden sollte, wie Wagner sie sich ersehnte: "»Und was ist denn die Kunst? Sie
gleicht den schönen blauen flackernden Flammen, die zuweilen über dem Herd sich
erheben, alles übrige aber ist Zerstörung, Vernichtung. Daß sie bildend leuchten soll
während einer tatenreichen Zeit, das ist freilich der Traum.«"459 Die schönen Kunstträume wurden zu Vor- und Abbildern der Wagnerschen Gesellschaftsutopie. Denn so
echt und so unwirklich wie das Utopische, ebenso scharf- und doch weichgezeichnet
wie dieses, konnten sie eine Ordnung wider aller Ordnung etablieren, eine Struktur,
die Wagner zum Katalysator für jene Realität wurde, die noch gar nicht bestand, aber
einmal bestehen sollte. Wenn die Tagebücher verzeichnen, daß er "von den »Möglichkeiten ohne Grenzen« des Traumes"460 gesprochen hat, so mag das belegen, daß ihm
die Träume tatsächlich als Vehikel in eben die bessere Welt zu taugen schienen, für die
er Künstler war. Es besitzt einen tieferen Sinn, daß er das Wort vom 'Kunstwerk der
Zukunft', das gar nicht von ihm selbst stammte, selbst kolportiert hat. Seine Träume
schlossen das Unmögliche nicht aus, viel mehr noch waren sie ein Teil jenes Unmöglichen, das möglich gemacht werden sollte. Wagners Träume bargen revolutionäres
Potential. So allerdings, wie es während des Dresdener Aufstands gewesen war, sollte es
454 Brief Richard Wagners vom 26. 9. 1865 an Eliza Wille. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1935], S. 92
455 Vgl. mit dem Abschnitt <Der Künstler, ein Träumender> in Kap. II.2
456 Die Meistersinger von Nürnberg, 3, 2. [Wagner, 1984a], S. 73
457 [Adorno, 1971], S. 144f.
458 Zitiert in: [Glasenapp, 1910], S. 443
459 TB vom 21. 12. 1870. [Wagner, 1976a], S. 328
460 TB vom 15. 7. 1880. [Wagner, 1977], S. 570
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nicht noch einmal kommen: Es heißt, Wagner sei da auf der Flucht in einem Zimmer
neben Bakunin eingeschlafen – nur für die Dauer eines Wimpernschlages – und schon
habe ihn ein unbekannter Rebell wieder aufgestört – doch damit sei die Wirklichkeit
tatsächlich in sich zusammen- und er selbst auf der Schwelle hinter dem Asyl seiner
Träume niedergestürzt: "Wagner ermunterte sich zuerst, weckte dann Bakunin und
strich sich das Haar aus der Stirn mit den Worten: »schön geträumt!«"461 Denn dieser
Traum dürfte nur Gaukelwerk gewesen sein und hatte sich ja auch historisch als ein
solches erwiesen. Wagners Schlaf hingegen sah eine profundere Traumwelt vor. Es
ging um den "Kunsttraum"462, der den Scheinwelten des Fin de siècle die Stirn bieten
sollte.
<Coda: Traumstoffe/ Schnittmuster>
Der "Pantoffelbürger"463, der 'Pantoffelmoralist', der 'Revolutionär im Schlafrock' –
vielleicht sind all das also Zuschreibungen, die auf Wagner bezogen ihren pejorativen
Sinn verlieren. Schauen wir genau hin, und zwar nicht nur auf den Zuschnitt der
Träume. Prüfen und vermessen wir auch noch einmal, was von Anekdoten, Beckmessereien und Verrissen vor allem verdeckt wird und was sich schon zu Beginn des
vorliegenden Kapitels vermuten ließ: Daß Wagners modische Improvisationen realiter
kostüm- und sozialgeschichtliche Statements waren. Nietzsche hatte recht, als er sagte:
"Wohlan! Wagner war ein Revolutionär"464, aber daß es ihm "vollkommen gleichgültig [war], ob er [Wagner] heute in andren Farben spielt, ob er sich in Scharlach kleidet
und Husaren-Uniformen anzieht"465, das ließe sich spezifizieren. Tatsächlich ist aus
Sicht der Kostümkunde die fast persiflageartige Zitation zeremonieller Faltenwürfe, die
Reanimation gebauschter Ärmel und talarähnlicher Schultermäntel, das Verwässern der
festen Formen und die Dominanz starker Farben, ja besonders die weiche, krempenlose
Kappe (auch 'Toque' genannt), die den Zylinder als Sinnbild des erstarrten Bürgertums
ins negative Extrem herabsetzte, eine unmißverständliche Wiederauflage der altdeutschen Tracht auf der einen Seite und der französischen Revolutionsmode auf der anderen. Die politische Sehnsucht nach nationaler Unabhängigkeit fand in der Mode allgemein ihren Niederschlag – in Deutschland war ein demonstrativer Gestus in dieser
Hinsicht bereits um 1820 erkennbar, vorderhand in den Studenten- und Burschenschaftstrachten. Wagner, der nie Kommilitone war und die Studenten immer bewundert hatte, muß das früh berührt haben:
Da ich zuerst als achtjähriger Knabe Studenten zu sehen bekam, hatte sich mir aus ihrem
Äußeren die altdeutsche Tracht mit dem schwarzen Samtbarette, dem am nackten Hals
umgeschlagenen Hemdkragen und dem langen Haar lebhaft eingeprägt. [...] Die Tracht der
Landsmannschafter schloß sich im ganzen der Mode, sogar mit Übertreibung an; [sie]
461 [Glasenapp, 1910], S. 380
462 [Gregor-Dellin, 1980], S. 24
463 [Panofsky, 1963], S. 23
464 Ecce homo. [Nietzsche, 1988b], S. 288
465 Ebd.
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zeichnete [...] sich durch Buntheit [...] aus. Der 'Comment' [...] hatte seine phantastische
Seite [...]. Für mich wurde derselbe zum Begriff der Emanzipation von Schul- und
Familienzwang. 466
In seiner Abhandlung Deutsche Kunst und Deutsche Politik (sic) greift er den Gedanken
1867 noch einmal auf:
Der deutsche Jüngling, welcher den Soldatenrock ablegte und, statt zum französischen
Frack, nun zum altdeutschen Rocke griff, galt bald als Jakobiner, der sich auf deutschen
Universitäten nichts Geringerem als dem Studium des universellen Königsmordes hingäbe.
[...] Deutlich spricht sich dieß in der Gründung der 'Burschenschaft' aus. 467
Ein Vergleich liegt also nahe: Der vermeintliche Luxus, den Wagner mit seiner Schlafrockmode kultiviert hatte, dürfte so viele 'incroyable' wie royale Ansprüche besessen
haben. Seine Prunksucht hatte etwas von der Schwelgerei des Stutzers, der die Kleiderordnung durch Übertreibung unterwandert. 468 Daß Wagners Barett "eine verschwiegene Erinnerung [an die Burschenschaften]"469 gewesen sei (vgl. Abb. 29-31), hatte
schon Gregor-Dellin bemerkt – es ließe sich ergänzen: Vielleicht war dies nicht einmal
eine verschwiegene, viel eher eine ostentative Gebärde. Denn Wagner hatte sogar den
'Heckerhut' getragen, der als Abzeichen der politischen Freidenker galt und in manchen Teilen Deutschlands verboten war. 470 Doch stilgeschichtlich, das ist richtig,
466 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 26f.
467 Deutsche Kunst und Deutsche Politik. [Wagner, 1873e], S. 52
468 Notabene: Die Stutzerei und die damit zusammenhängende Differenzierung der Trachten ist als
Phänomen das erste Mal im Spätmittelalter aufgetreten, zu jener Zeit demnach, auf die sich der 'altdeutsche' Kleiderkanon der Burschenschaften berief.
469 [Gregor-Dellin, 1980], S. 59
470 Stichwort 'Heckerhut': Grau, weich, breitkrempig und oft durch schwarzrotgoldene Kokarden oder
Fasanenfedern verziert, die den Filz durchstachen, geht er auf den Anführer der Badischen Revolution
Friedrich Hecker zurück, der im April 1848 von Konstanz aus eine republikanische Erhebung durchgeführt und die Revolution ausgerufen hatte. Es ist von daher nicht unwesentlich, daß berichtet wird,
Wagner habe den Heckerhut selbst noch 1855 bei seiner Ankunft in London getragen. Vgl.: [Praeger,
1892], S. 244. Auch der Brief Franz Liszts vom 12. 7. 1853 an Richard Wagner ist in dieser Hinsicht aufschlußreich: "Mit Deinem Hut war ich nahe dran polizeiliche Schwierigkeiten in Karlsruhe zu erdulden –
diese Gattung und Färbung ist speziell verdächtig und gilt für rot, obschon grau. – Ich wurde zufällig davon avisiert; nichtsdestoweniger kam ich gut weg damit bis hieher und werde stets behaupten, daß der
Hut gesinnungsvoll und tüchtig sein muß, weil Du mir ihn geschenkt hast. A propos, an Deine gänzlich unpolitische Stellung und Denkungsart wollte keine von den zwei Personen, denen ich bis jetzt davon gesprochen habe, glauben." [<Wagner, Richard - Briefe>, 1988a], S. 305. Es steht zu vermuten, daß selbst der
"ordinäre[...] Filzhut", der in einer nicht gedruckten Fassung jenes Steckbriefs erwähnt wird, kraft dessen
Wagner 1849 landesweit gesucht wurde, ein Heckerhut gewesen ist. Zitiert in: [Gregor-Dellin, 1980],
S. 860. Kurz, nicht nur im Nibelungenlied, auch beim Nibelungen-Dichter Wagner werden 'Kleiderstrophen' relevant, nehmen einen ganz eigenen Darstellungsraum ein. Daß es der Wagner-Forschung darum
zuträglich sein dürfte, wenn diese weiter ausgedeutet und differenziert würden, kann hier nur noch einmal
bekräftigt (nur leider nicht mehr eingelöst) werden. Allein der Topos des Hutes, der sich bis in das Werk,
ja sinnigerweise sogar bis in das Traumleben Wagners hineinzieht und per se das Gegenstück zum Topos
des Schlaf- oder Überrocks darstellt, mag an dieser Stelle zeigen, wie reichhaltig schon der Materialstand
ist.
Als Schutz- und Repräsentationsobjekte waren Kopfbedeckungen für Wagner von identifikatorischer Bedeutung. Ein Zufall ist es nicht, daß gerade sein Barett zum Markenzeichen wurde – übrigens schon 1876
in Bayreuth unter der Bezeichnung 'Nibelungenmütze' als Souvenirartikel vertrieben. Nietzsches Schwester, heißt es, habe Wagner das erste Mal in einem "Künstlerbarett niederländischer Malerart" gesehen,
Hakel in einem 'kleinen Hauskäppchen', Praeger im 'Samtkäppchen', Devrient in einem 'braunen Sammet-
100
bestehen eindeutigere Kongruenzen. Die weichen Kragenformen, die tulpenartigen
Ärmelaufschläge, der anachronistische, großfaltig schwingende Mantelrücken, Querbrustschärpen und Berlocken und überhaupt die Vorliebe für schwarzen Samt und Frisuren, die das Haupthaar weitgehend ungestuft ließen, all das wirkt bei Wagner wie die
privatisierte und über Jahrzehnte hinweg stilisierte Variation auf die patriotische Tracht
der Landmannschaften. Sollen die Corpsmitglieder selbst gelegentlich statt in ihren
Uniformen "im fliegenden Schlafrock"471 durch die Straßen gezogen sein, so wäre das
Kostüm auch hier wie bei Wagner als Sublimat einer Revolte zu begreifen, hinter
deren Scheitern der Glaube bestehen blieb, daß die Umkehr tradierter Formen erreicht
werden könne. 472 Das Ideal lebte weiter, es suchte sich nur andere und freilich auch
gespreizte Ausdrucksmittel. Doch eine Ideologie läßt sich hinter Wagners aggressiv
legerem Umgang mit Schlafrock und Hausmütze durchaus vermuten. 473 Die Kleider
sind dem Körper am nächsten, und eine Hülle sind sie nur insofern sie die hautnah
erlebte Geschichte jenes Menschen materialisieren, der sich durch sie zur Schau stellt.
In diesem Sinn scheint sich Wagner inmitten der angeblich verspießerten Seidenwelt
des Vasallen die Lust zum Barrikadenkampf erhalten zu haben. Auf ihn bezogen ist es
barett', Leroy im 'Barett aus violettem Sammet', Glasenapp berichtet von einem 'türkischen Fez' für die
Rigaer Zeit, Schlösser von einem 'roten Fez mit blauer Quaste' – es scheint da viele Spielarten gegeben zu
haben – selbst in der Todesstunde soll Wagner eine 'Kappe' getragen haben, wie Gregor-Dellin überliefert.
Stilistisch, aber nicht argumentativ das Gegenteil davon ist die Erwähnung jener Art von 'Hütung', die an
den Hecker-Stil erinnert und die in Siegfried, 3, 1 als "große[r] Hut mit breiter runder Krämpe" beschrieben wird: "Wie siehst du denn aus?/ Was hast du gar/ für 'nen großen Hut?/ Warum hängt der dir so ins
Gesicht?", fragt Siegfried, der 'Unbehütete'. Wotan antwortet ihm: "Das ist so Wandrers Weise,/ wenn
dem Wind entgegen er geht", und Wagner selbst kommentiert die Passage: "Betz soll viel auf den Hut
geben: dadurch bekommt der Wotan sein Charakteristisches, da sonst wenig anzubringen ist, der Hut muß
sehr originell sein: nie setzt er ihn ab, er soll gleichsam ihm wie angewachsen sein." Brief Richard Wagners
[vom Juli 1869] an Hans Richter [undatiert]. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1924], S. 32. In diesem Kontext
bekommt es auch eine ganz eigene Bedeutung, daß Wagner am Tage der ersten Verabredung mit Nietzsche im November 1868 einen "Wotanshut" getragen habe, wie [Gregor-Dellin, 1980], S. 589 referiert.
Denn hinter diesem wie auch hinter den übrigen Szenarien verbergen sich wechselnde Posen der Intround Extraversion. Selbst in Wagners Träumen, die von 'Kinderhüten', 'französischen Hüten', Hüten 'mit
Quasten', Hüten 'mit weißen Federn', 'Reisemützen' und perückenartigem 'Aufputz' handelten, drehte sich
viel um den Erwerb oder den Verlust von Kopfbedeckungen oder aber auch um Spleenigkeiten, Taktfehler, Entgleisungen und um die eigene Bildung oder Unkenntnis in bezug auf adäquate Paßformen und
normative Kleiderordnungen. Der Topos des Hutes, könnte man vorläufig definieren, war sowohl biographisch wie werkspezifisch ein Zeichen nachhaltiger Verwandlungen.
471 [Wolff, 1978], S. 61
472 Vgl. mit den im Abschnitt <Contre la mode> in Kap. I.1 geschilderten Protestgebärden.
473 Und was Adorno in seinem Versuch über Wagner über Wotan sagte, scheint dies sogar noch einmal vom
theatralen Standpunkt aus abzusichern: In Wotan "treten Rebell und Gott, Mythologie und bürgerliche
Gesellschaft als Rebus zusammen. Wahrhaft in seinem Bilde: dem des Wanderers [...] im dunkelblauen,
langen Mantel, einen Speer als Stab in der Hand, auf dem Haupte einen breiten runden Hut mit herabhängender Krempe [...]. Es ist seine Gestalt, die als bürgerliche aus Wagners Werk in die nachlebende Gesellschaft eingetreten scheint: der rüstige, ältere Mann mit Schlapphut, Wettermantel – 'Havelock' –, Vollbart und Brille als Symbol der Einäugigkeit [,...] Insignien [...] jener von Marx verhöhnten species des
deutschen Revoluzzers vom Schlage des Turnvater Jahn und der Burschenschaften [...]. Der nationalistische Bart wollte der höfischen Konvention opponieren, der Schlapphut dem Zylinder, und der Havelock
beruft sich auf die Natur, der er trotzt, weil man vorgibt, als Elementarwesen ihr selber zuzugehören. [...]
Wotan ist die Phantasmagorie der begrabenen Revolution. Er und seinesgleichen gehen als spirits um an
den Stellen, an denen die Tat mißlang, und ihr Kostüm hält zwangvoll wieder und schuldbewußt das Gedächtnis an den versäumten Augenblick in der bürgerlichen Gesellschaft fest, der sie als Fluch der verfehlten Zukunft die Urvergangenheit voragieren. [...] Sein Motiv klingt an die Schlafharmonien an, als wäre
seine archaische Leibhaftigkeit schattengleich in den Traum verwiesen [...]." [Adorno, 1971], S. 126f.
101
nicht einmal ein Widerspruch, daß sich die altdeutsche Tracht im 19. Jahrhundert sogar
nach und nach auf der Bühne und bei Maskenfesten als Inbegriff der 'Historie' behaupten sollte. Wagners Stoffe waren in der Tat fließend – das Neue lag für ihn nicht
unter allen Umständen in der Zukunft.
________
102
II. Zu schlafen wissen
Der Schlaf als Motiv in Wagners Kunst- und Musikästhetik
Geh mit der Schell herum und schlaf dabei [...].
(Aristophanes)1
"Die Kunst fängt genau da an, wo das Leben aufhört"2, so schrieb Wagner 1852 an Theodor Uhlig, dieselbe Nachricht ging rund ein Jahr später auch an Röckel: "Ja, wo das Leben
aufhört, da fängt die Kunst an"3, meinte er, und wieder ein paar Wochen später wurde an
Apel gemeldet: "[D]och mußte ich fühlen, daß einem verlornen Leben nichts andres als
die Kunst zum Ersatze dienen kann"4 – selbst der Hang zum Fatalismus ließ sich wohl auf
diese Art bewältigen. Zumindest Rigorosität ist aus den Worten herauszulesen, jene, die
entsteht, wo Ordnung durch Theoriebildung erzeugt werden soll. Vielleicht ging es darum, eine Regel herzustellen, die das Regellose sortieren und kaschieren konnte: Das Leben schien ihm, Wagner, ohne die Kunst nicht denkbar, mehr noch, das Leben ließ sich
offenbar allein durch die Kunst erhalten oder wäre ohne sie unwirksam geworden.
Nun ist Wagner in Wahrheit natürlich so rigoros doch nicht gewesen. Denn findet
zwar derselbe Gedanke auch in anderen Zusammenhängen wieder Verwendung, so dies in
anderer Form. "Aber diese Kunst hängt sehr mit dem Leben bei mir zusammen"5, heißt es
plötzlich 1859 in einem der großen Briefe an Mathilde Wesendonk, und all das klingt viel
weicher, viel verbindlicher, viel weniger schneidend. Jetzt ist umgekehrt die Kunst nicht
mehr ohne das Leben denkbar, mehr noch, die Kunst scheint sich offenbar allein durch
das Leben erhalten zu können oder würde ohne es unwirksam. Mit einem Mal waren
gewaltsame Übergänge verboten. Einen Bruch zwischen Kunst und Leben gab es nicht
mehr. Die Praxis forderte ihr Recht. Und auch das war bedeutsam, bedeutsam genug,
denn ein Meister klarer Schnitte sollte nie aus ihm werden.
Insofern aber gilt auch für uns, die wir die Biographie Wagners an dieser Stelle eigentlich hinter uns lassen wollten, um uns mit Wagners Werkverständnis zu beschäftigen, daß
überall Rücksicht zu nehmen ist auf die typisch Wagnersche Überblendungstechnik – man
muß einsehen, daß selbst ein Nachhall zum Auftakt werden kann. Wagners Biographie
läßt sich aus mehreren Richtungen betrachten. Sie kann Vorbedingung sein für das Werk
wie auch ein Teil desselben; sie ist so privat wie öffentlich. Genau deshalb aber wird unser
erstes Kapitel kaum ohne ein zweites auskommen. Beziehungsweise anders herum, selbst
1 [Aristophanes, 1976], S. 328
2 Brief Richard Wagners vom 12. 1. 1852 an Theodor Uhlig. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1912], S. 147
3 Brief Richard Wagners vom 8. 6. 1853 an August Röckel. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1894], S. 19
4 Brief Richard Wagners vom 3. 8. 1853 an Theodor Apel. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1910], S. 87
5 Brief Richard Wagners vom 29. 10. 1859 an Mathilde Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1915], S. 262
103
das zweite Kapitel sollte nicht trennen, was zusammengehört, und eine Überleitung müßte
einem Glissando gleichen, das die Unterschiede zwischen Vor- und Rückwärtsbewegungen nivelliert. Die Vielschichtigkeit der Wagnerschen Kunst- und Musikästhetik wird viel
besser zu verstehen sein, wenn man sie auf Wagners Biographie, ja wenn man sie vor
allem auf jene Teile der Biographie rückbezieht, denen schon immer ein Öffentlichkeitsanspruch inhärent war.
In der Tat ist es so, daß nicht nur Wagners private Züge im Wagnerschen Werk wiederholt, weiterverarbeitet und verdichtet worden sind. Wagners Kunstbegriff ist auch von
der Ausstrahlung Wagners abhängig gewesen, von einer Projektion gewissermaßen (oder
auch von einer Antizipation), die, ohne selbst konkret sein zu können, doch durch Andeutungen vorwegnimmt, was das Werk später einlöst. Was heißt das? Es heißt, daß es im
Umkreis des Wagnerschen Œuvres auch einen unscharfen Bereich gibt, der weniger von
dem empirisch eruierbaren Leben in Fakten bestimmt wurde, als von dem, was man schon
zu Wagners Lebzeiten den auratischen Nimbus des Künstlers Wagner genannt hat. Dabei
handelt es sich um einen Bereich, in dem sogar Ahnungen zu Alibis, Erwartungen zu
Indizien und Legenden zu Beweisen werden können, um einen Bereich, der im Unterschied zu unserem vorigen Kapitel weniger von individuellen Tatsachen denn von kollektiven Stimmungen reguliert wird und der von der Wagner-Forschung nun schon so lange
gemieden wurde, daß er längst als eigenständiges Thema hätte systematisiert werden müssen. Freilich, wissenschaftlich ist das 'gewisse Etwas' schwer markierbar. Gerade was
Außenstehende, Fans und Zeitzeugen sich merken, all das also, was die 'Genieästhetik der
Straße' freisetzt, wie Richard Klein dies einmal genannt hat, ist nicht immer vernünftig,
sondern amateurhaft, gefärbt, verliebt oder überzogen bissig. All das muß äußerlich
bleiben. Bezeichnend aber für Wagner, daß sich dahinter überhaupt ausreichend Material
verbirgt. Denn per se ist das ungesicherte Urteil nicht aufschlußreich. Aufschlußreich aber
ist schon, in welchem Maß und Umfeld sich dieses behauptet. Es könnte also sein, daß
ausgerechnet die Sehnsucht, Wagner einmal zu 'treffen' – im guten wie im schlechten
Sinn – auch eine Art dargestellt, an ihn heranzukommen. Was man 'äußerlich' nennen
mag, es ist möglicherweise weit mehr als eine 'äußere Biographie', in der aufgehoben ist,
was woanders verloren gegangen wäre. Zumindest handelt es sich um biographische
Versatzstücke, ohne die der 'Fall Wagner' heute nicht umfassend beurteilt werden dürfte.
Und siehe, Wagner als Privatmann auf der einen Seite und Wagner als öffentliche Person auf der anderen, Innen- und Außenansicht, können tatsächlich noch einmal mit neuem Gewinn aufeinander bezogen werden, sobald man den "Nachrichten glaubwürdiger
Leute" auch glaubt, die über ihn zu berichten wußten, daß "»seine ganze Person [...] einen
ernsthaften träumerischen Charakter«"6 gehabt habe. Was von Rienzi, der historischen
Figur, überliefert ist – daß diese von "fast somnambulen"7 Kräften gewesen sein soll –, es
wurde auch demjenigen zugeschrieben, der dieses Fluidum auskomponiert hat. Und dabei
bleibt es nicht. Im Gegenteil, es gibt so viele Glossen, Randbemerkungen und Bescheide
6 Zitiert in: [Glasenapp, 1908], S. 156
7 [Marcuse, 1973], S. 41
104
dieser Art, daß man hier eigentlich von statistischer Signifikanz sprechen müßte. Damit
allerdings rückt Wagners private Neigung zum Mystischen und Traumverlorenen um die
entscheidende Nuance aus dessen intimem, häuslichem Bereich und aus der Umgebung
unseres 1. Kapitels heraus. Das Innerste findet durch verwandelte Wiederkehr auch außen
seinen Niederschlag – 'Wahrheit' und 'Dichtung' werden deckungsgleich – ein Vorgang
von seltener Intensität, der Aufmerksamkeit deshalb verdient, weil jetzt nicht nur das datierbare Leben Wagners, sondern vor allem dessen atmosphärische Wirkung sich vor dem
Prospekt seiner Kunst in Bildern des Schlafs abzusetzen scheint.
II.1 V erwandelte W iederkehr [1]: Innere Biog raphie - Äußere Biographie Kunst/ Kunsttheorie
<Wagner, der Träumende>
Wagner sei, besonders als Musiker, mit der Magie eines Schlafwandlers begabt gewesen, so
liest man es immer wieder in den Aufzeichnungen zeitgenössischer Beobachter. Ein "Magier, ein Zauberer [...mit] den Rufe[n] eines Träumenden [...und dem] visionäre[n] Blick
in ein verschlossenes, fernes Paradies."8 Ein "Meister in Tönen eines schwermüthigen und
schläfrigen Glücks"9, wie Nietzsche kombiniert. Cosima betont die Kraft der "magische[n]
Direktion"10 Wagners, hebt die Tatsache hervor, daß, so viele Bilder auch von "R."
existierten, "keines [...] einen Eindruck von dem Gesicht beim Dirigieren [gäbe]"11 und
findet nicht ohne innere Verbindung sein Antlitz einmal während des Schlafs "so schön,
wie er so aussah, hat er nie ausgesehen!"12 Wie "im Traum" hätten Wagners Musiker "an
jeder Fiber seines Gesichtes"13 gehangen, ergänzt Glasenapp, was impliziert, daß dieses
Gesicht gewiß auch traumartige Situationen zu erzeugen wußte. Er konnte "das Traumbild einer schönen Wirklichkeit [...] festbannen"14, so Cosima, und damit erfaßt sie jene
träumerische und geradezu halluzinatorische Antriebskraft, die Wagner zu dem Visionsgenie gemacht haben dürfte, das er war. "Vor den Pforten 'Wahnfrieds' war mir alles wie
ein Traum: nun kannt' ich den Großen von Angesicht zu Angesicht"15, erinnert sich
Wilhelm Kienzl. Richard Fricke notierte, daß "die erste Probe [des Rings] [...] sich zu
einem denkwürdigen Ereignis [gestaltete]", insofern man dem Meister bei seinem
Eintreffen im Bühnenhaus Wotans Worte "»Vollendet das ewige Werk:/ [...] Wie im
Traum ich ihn trug,/ wie mein Wille ihn wies,/ stark und schön/ steht er zur Schau;/
8 [Huch, 1911], S. 214
9 Der Fall Wagner. [Nietzsche, 1988c], S. 29
10 TB vom 2. 3. 1876. [Wagner, 1976a], S. 973
11 TB vom 1. 1. 1879. [Wagner, 1977], S. 281
12 TB vom 17. 1. 1880. Ebd., S. 479
13 [Glasenapp, 1912], S. 47
14 TB vom 16. 11. 1880. [Wagner, 1977], S. 621
15 [Kienzl, 1904], S. 273
105
hehrer, herrlicher Bau!«"16 als Ständchen sang. Auch das gibt Auskunft darüber, daß der
Traumgehalt der Wagnerschen Kunst von der Öffentlichkeit mit der visionären Anlage
ihres Schöpfers assoziiert wurde. Selbst in der Sekundärliteratur findet man eindeutige
Zuweisungen: Ein "große[r] Träumer"17 ist Wagner für Wapnewski, ein "Träumer"18 für
Fliedner und Franken, der bereits "weltfremd gewordene Träumer"19 für Gregor-Dellin,
und natürlich bleibt auch der "hohle Träumer"20 als Schmähung nicht aus. Daß im
Zusammenhang damit die nicht immer freundliche Debatte um die hypnotischen Talente
Wagners in dessen Charakterzeichnung hineingeschleppt worden ist, mag vereinzelt
unkollegial gewesen sein, kausal allerdings scheint es richtig. Schließlich gilt die Hypnose
nicht nur physiologisch als eine Form des Schlafs (landläufig zumindest), Hypnos war ja
tatsächlich der Schlafgott. Und deshalb dehnt auch Nietzsche sein Wort über Wagner als
'Meister in Tönen eines [...] schläfrigen Glücks' einfach aus und meint, Wagner sei gleichfalls ein "Meister hypnotischer Griffe, er wirft die Stärksten noch wie Stiere um"21 (vgl.
Abb. 32). Freilich bleibt diese (durch Dialektik erzeugte) Form der Ehrenrettung die
diplomatischste aller Zuschreibungen in dieser Richtung, neben Ernest Newmans Diktum
vom "hypnotic genius".22 Einem Artikel der Zukunft zufolge stand man schon weit mißgelaunter im "Bann des großen Bayreuther Hypnotiseurs".23 Viel tendenziöser noch das
Urteil Carl von Ossietzkys: Wagner sei "ein tönendes Gespenst, [...] ein Opiat zur Vernebelung der Geister."24 Eduard Hanslick nennt die Sache wie immer beim Namen und faßt
zusammen:
Die hypnotisierende Gewalt, welche Wagner nicht bloß durch seine Musik ausübte, sondern
auch durch seine Persönlichkeit allerwärts erprobte, alles niederzwingend und seinem Willen
beugend, reicht hin, ihn zu einer der bedeutendsten Erscheinungen [...] zu stempeln.25
Ob durch Willensstärke oder körperliche Krisen hervorgerufen, bewußt oder unbewußt,
evident scheint, daß Wagner Charisma genug hatte, um die eigene Umgebung nach Art
der Schlafwandler zu regulieren: durch "intuitive[...] Sicherheit"26 und bewegte Ruhe.
Und gewiß kannte er nicht nur bei sich "jenes müde Sichschieben der Seele"27, so wie wir
es im vorigen Kapitel nachgezeichnet haben. Es wurde ihm auch von außen her attribuiert.
16 [Fricke, 1906], S. 23. Vgl. auch [Glasenapp, 1912], S. 199 und TB vom 1. 8. 1875. [Wagner, 1976a], S. 930
17 [Wapnewski, 1983], S. 135
18 [Fliedner, 1999], S. 67, [Franken, 1991], S. 61
19 [Gregor-Dellin, 1980], S. 449
20 Zitiert in: [Tappert, 1967], S. 82
21 Der Fall Wagner. [Nietzsche, 1988c], S. 23
22 [Newman, 1960a], S. 82
23 Zitiert in: [Tappert, 1967], S. 54
24 Zitiert in: [Wagner, 1995], S. 171
25 Zitiert in: Ebd., S. 151
26 [Kaden, 1979], S. 92
27 Nietzsche contra Wagner. [Nietzsche, 1988l], S. 417
106
<Wagner, der Wachende>
Wagner also die mit allen Finten der Einschläferungskunst assoziierte, träumerische Universalbegabung. Warum ist das so bemerkenswert? Es ist so bemerkenswert, weil de facto
auch das Gegenteil zutreffend ist. Das Somnolente ist bloß eine Seite des Wagnerschen
Profils.
Ganz andere Lobbys und Zusammenhänge nämlich sahen ihn, Wagner, wenn auch
nicht weniger charismatisch, so doch viel zwingender in der Rolle des Erweckers, des
Erwachenden oder Wachhabenden. Selbst Cosima hörte einmal einen Hahn vor ihrem
Fenster "ganz deutlich [...] nach dem Erwachen [...] drei Mal Richard Wagner rufen."28
Galt sein Gesicht eben noch als 'magisch', so schreibt sie jetzt, daß es beim Dirigieren wie
"eine elektrische Batterie"29 auf andere wirke, was denkbar große Gegensätze sind, sobald
man über die Lichtmetaphern nachzudenken beginnt, die da hinein- oder gerade nicht
hineinspielen. Aber auch Siegfried Wagner spricht in seinen Lebenserinnerungen über das
"Elektrisierende"30, das sein Vater besonders als Dirigent erzeugt habe, Guy de Pourtalès
nennt Wagner in derselben Funktion den "Erwecker"31 der Instrumente – gut möglich,
daß die Widersprüche zwischen metaphysischen und mechanistischen Phänomenen hier
gerade im Sinne Wagners noch der romantischen Naturphilosophie und/ oder Schopenhauer verpflichtet waren. So wenig nämlich Siegfried Wagner das Vorhandensein einer
"Seele"32 anzweifelte, so gewiß hatten auch die Romantiker den Schlaf als "magische[n]
Raum"33 empfunden. Aber sie begriffen weder Mesmers magnetische noch Galvanis oder
Ørsteds elektrische Experimente als Gegensatz dazu. Das Seelische schloß bei ihnen die
Technizismen nicht aus, Jean Paul hatte vom "zarte[n] elektrische[n] Licht der Träume"34
gesprochen. Und wem auch das eine seltsame Vorstellung scheint, der findet vielleicht
doch Wagners Tristan in der Deutung von Christoph Marthaler und Anna Viebrock plausibel, der auf "auf elektrische Art und Weise"35 und mit Hilfe von Ring-Lampen, Leuchtstoffröhren und einem Lichtkonzept erzählt wurde, das von den Elektroanlagen des Bayreuther Festspielhauses inspiriert gewesen sein soll: Die 'Nacht der Liebe' fand in einem
helleuchtenden Wartesaal statt. Wagner zumindest hätte sich nie daran gestört, daß die
Grals-Lämpchen für den Parsifal von Siemens stammten. Insofern scheint es nur 'historisch
korrekt' zu sein, wenn selbst Glasenapp von einem "Zauber" spricht, den Wagners "elektrisierender Einfluß auf alle Musiker und Sänger"36 gehabt habe.
Gottfried von Böhm berichtet schließlich, daß einer seiner Kollegen nach einem Gespräch mit Wagner so von diesem eingenommen gewesen sein soll, daß er zwei Nächte
28 TB vom 17. 10. 1881. [Wagner, 1977], S. 809
29 TB vom 1. 1. 1879. Ebd., S. 281. Die Eintragung stammt übrigens aus dem Jahr, in dem Edison die Glüh-
lampe erfunden hat.
30 [Wagner, 1923], S. 34
31 [Pourtalès, o. J.], S. 73
32 [Wagner, 1923], S. 34
33 [Loos, 1952], S. 274
34 [Jean Paul, 1963], S. 241
35 [Schreiber, 2005], S. 14
36 [Glasenapp, 1911], S. 676
107
nicht habe schlafen können. 37 Denkbar, daß hier ein ungedämmter 'Lichteindruck', vielleicht sogar eine Form von 'Strahlkraft' zu so starker Wirkung geführt hat. Sogar König
Ludwig II., der ja für sich selbst ab und zu die Rolle des Sonnenkönigs in Anspruch nahm,
nannte Wagner die "Leuchte des Lebens"38 und gestand, nur "einem Funken" gleich sein
zu wollen, der "sich sehnt in Ihrer [Wagners] Strahlensonne aufzugehen". 39 Diesem Eindruck gesellt sich das Urteil bei, Wagner sei "ein Stück Morgenröte"40, wie Koffkas Theaterzeitung es ausgab. Im Grunde sei er "der rechte Weckrufer"41, und zwar der "Weckrufer" einer "neuen Welt"42, zumindest der "Erwecker[...]"43 der deutschen Heldendichtung
oder der "Wiedererwecker germanischer Mythologien"44 gewesen. Sein "Erweckungswerk[...]"45 habe "die Welt [...] aus der nebelhaften Sage zu neuem Leben erweckt". 46
"Neu klangen seine Fanfaren, er weckte sein Zeitalter auf."47 "»Ich vertraue hierfür vor
Allem auf den Geist der deutschen Musik, weil ich weiß, wie willig und hell er in unseren
Musikern aufleuchtet, sobald der deutsche Meister ihnen denselben wachruft«"48, so
prophezeit es Wagner neben den anderen sogar sich selbst in seiner Rede zur Grundsteinlegung des Festspielhauses.
Es ist deshalb kaum zu übersehen, daß all diese Konnotationen auch hier wieder etwas
mit jener Utopie von einer neuen Welt und einer neuen Kunst zu tun haben, für die auch
Wagner sich stark machte, und noch weniger ist zu übersehen, daß man eigentlich annahm, er, Wagner, der den Schlaf- ja bereits als Revolutionsrock zu tragen verstand, könne dem müden Deutschen Michel höchstpersönlich auf die Beine helfen. Zu viele jener
Metaphern, mit denen man Wagner ideologisch festzulegen suchte, hängen mit den
politischen Hoffnungen Deutschlands vor und um 1871 zusammen.
Solange sich freilich Wagners "arkadischer Traum"49, der "Traum vom Reich"50, nicht
in der Realität manifestieren ließ, so lange mußte er noch mit dem Schlaf etwas zu tun
haben – besonders nach der gescheiterten Revolution von 1848 empfand man in Deutschland die nationalen Bestrebungen wie 'in fesselnde Bande' gelegt. Cosima erinnert sich in
einem Brief an Richard Strauss: "Ja, die lieben Deutschen! Der gute schnarchende Michel!
Er ist über Nacht um alles gebracht worden."51 Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts verdichten sich die Bilder des Schlafs regelrecht zu einem Topos. Das Deutsche Wörterbuch
37 Nach: [Böhm, 1922], S. 325
38 Brief Ludwigs II. vom [11. 12. 1864] an Richard Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1936b], S. 42
39 Ebd., S. 41
40 Zitiert in: [Glasenapp, 1910], S. 85
41 [Porges, 1896], S. 1
42 [Glasenapp, 1908], S. 74
43 [Wedel 1837], S. 191
44 [Wagner, 1998a], S. 207
45 [Glasenapp, 1908], S. 267
46 [<Doepler>, 1900], S. 459
47 [Weber, 1987], S. 58
48 Zitiert in: Das Bühnenfestspielhaus zu Bayreuth. [Wagner, 1873d], S. 390
49 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 262
50 [Wapnewski, 1983], S. 140
51 Brief Cosima Wagners vom 15. 3. 1893 an Richard Strauss. [<Wagner, Cosima - Briefe>, 1978], S. 151
108
stellt heraus, daß man den Begriff 'Traumland' vor allem mit Bezug auf Deutschland zu
verstehen habe. 52 Das Märchen vom schlafenden Schneewittchen oder das von Dornröschen oder auch die Sagenwelt um den Kaiser Barbarossa, der im Kyffhäuser schlummert,
bis daß Deutschland "zu neuer Herrlichkeit erblüht"53, all dies sind "mythische Kürzel
[und] vaterländische Symbole"54, die "den langen Schlaf [...] des Reiches [...] verbildlichen".55 "Sie [Rotbart und seine Soldaten]", schrieb Heine im Wintermärchen, "sind gerüstet von Kopf bis Fuß,/ Doch all diese Braven,/ Sie rühren sich nicht, bewegen sich
nicht,/ Sie liegen fest und schlafen". 56 Sogar Wagner hatte sich in ein paar schwachen
Momenten gefragt: "Wo ist Unser Deutschland?"57, "still und lautlos träumt[...| [es] in
sich fort, ungehört, unverstanden"58 und liegt "in eine[m] langen Winterschlaf". 59 Was
mancher gern als "edle Ruhe der Seele" bezeichnet hätte, es war nichts anderes als "deutsche Schlafmützigkeit". 60 Und kaum besser ließ sich diese Situation mitteilen als durch die
Figur des Deutschen Michel. Ein Nachfahr des Hl. Michael und Inbegriff zunächst für den
gutmütigen, aber unbeweglichen deutschen (id est deutschsprachigen) Menschen, dann für
die Zurückgebliebenheit des deutschen Bürgertums, machten ihn die Romantiker zur
Spottfigur mit der Nachtmütze. Spätestens seit 1850 galt er als Sinnbild für das schläfrige,
politisch unreife (oder unfertige) deutsche Volk und das "schlafende Vaterland"61 – süffisant nannte man ihn den "Protector Germaniae", "Schutzpatron des Deutschen Reichs"62
(vgl. Abb. 33-36). Adolf Glassbrenner hatte ihm folgende Verse zugedacht:
Fast schien es schon, er wollt' sich regen,/ Fast schien's, vorüber sei die Nacht;/ Er fing schon
an, sich zu bewegen,/ Und alles rief: Er ist erwacht! [...] Doch, ach! Verraucht ist die Ekstase,/
Und Nacht ist's wieder ringsumher;/ Man kitzelt Micheln an der Nase,/ Und er? – Er sieht
und hört nichts mehr. Und hat er nicht vor wenig Wochen/ Gesprochen noch ein ernstes
Wort?/ Ja, ja, er hat's im Schlaf gesprochen;/ Jetzt schnarcht er wieder ruhig fort! 63 (Vgl.
Abb. 37)
Eine "Nacht der Leiden"64 also. "O wie furchtbar, wie entsetzlich traurig sieht es in der
Welt jetzt aus: die Geister der Finsterniß herrschen"65, so formulierte es auch König Lud52 Nach: [<Grimm>, 1935c], Sp. 1517
53 [See, 1991], S. 46
54 [Wappenschmidt, 1991], S. 229. Notabene: Wagner selbst hatte nicht nur die mittelalterliche Dornröschen-
mär im Ring wiederaufleben lassen (Schlafsequenz der Brünnhilde). 1848 hatte er auch versucht, die Kyffhäusersage mit dem Siegfriedstoff zu kombinieren. "Wann kommst du wieder, Friedrich, herrlicher Siegfried!",
glossiert er sein Rotbart-Fragment am Schluß der ersten Fassung des Wibelungen-Aufsatzes, in welchem nachträglich versucht worden war, Kaiser Friedrich I. als Wiedergeburt des altheidnischen Siegfried in die deutsche
Geschichte einzuführen. Die Wibelungen. [Wagner, o. J. f], S. 227
55 [See, 1991], S. 46
56 [Heine, 1985], Caput XIV, S. 122
57 Brief Richard Wagners vom 18. 6. 1866 an Ludwig II. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1936c], S. 65
58 Tagebucheintrag Richard Wagners vom 25. 9. 1865 für Ludwig II. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1936e], S. 27
59 Brief Richard Wagners vom 24. 7. 1866 an Ludwig II. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1936c], S. 81
60 [Marcuse, 1973], S. 44
61 Ebd.
62 [Borchardt-Wustmann, 1925], S. 323
63 [Glassbrenner, o. J.], S. 394f.
64 [Chamberlain, 1904], S. 4
109
wig II.; doch weil er ein bißchen weiter blicken konnte als andere, so erwartete er auch
ein wenig mehr, und worum es ihm ging, sagt er in einem Nachsatz: "[D]och Muth, auch
hier wird es tagen!"66 Das bedeutete zunächst: Ausmalung der Schlafgemächer in Herrenchiemsee mit Szenen aus Wagners Götterdämmerung – 'Dämmerung' hier natürlich nur
verstanden als Übergang von der Nacht zum Tag.67 Doch schon in den Jahren zuvor hieß
es: "Deutschland, Du wirst befreit aus den Ketten der Schmach und der Noth! – Wir
wollen das Werk vollführen, mein geliebter Freund"68, so schrieb Ludwig an Wagner und
weiter sagt er:
»Wir erwecken die schlummernde Braut, die Schlaf so lange verschloß, wir bringen ihr 'ewige'
Wonne«! – Deutschland vertraue Deiner Macht, Deinem kräftigen Geist! [...] Mein Feuer wird
nie erkalten, es wirke das ewige Werk! [...] Durchschreiten Wir muthig die Lohe. 69
Freilich wußte Wagner, wie man diese Metaphorik bedient:
Mit welcher Weihe werde ich nun Brünnhilde erwecken aus ihrem langen Schlafe! Sie schlief,
während Siegfried zum Jüngling heranwuchs. Wie bedeutungsvoll muss mir diess jetzt alles
dünken! [...] Ich glaubte nie, nie an den Felsen zu gelangen. Doch, bin ich Wotan, so gelingt
es mir nun durch Siegfried: Er weckt die Jungfrau, das Theuerste der Welt. Mein Kunstwerk
wird leben, – es lebt! 70
Daraufhin wieder Ludwig: "Schaffen Sie jetzt am Siegfried?"71, "wo ist Unser Held? –
Erweckt er bald seine Braut? – Wie sehne ich mich nach den Nibelungen! – Wann kommt
wohl der wonnige Tag?"72, denn "das nagende Schlangengezücht, auf das ich ein sehr
wachsames Auge habe, wird kraftlos, wenn der Held, der nur schlummerte, lebensfroh
und kampfbereit ersteht."73 Wagner beschwichtigt und faßt zusammen:
65 Brief Ludwigs II. vom 18. 7. 1866 an Richard Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1936c], S. 73
66 Ebd.
67 Die umgekehrte Assoziation von der (Abend-)Dämmerung als 'Übergang vom Tag zur Nacht' dürfte Lud-
wig ausgeklammert haben, vielleicht gerade, weil er wußte, daß die 'Götterdämmerung' etymologisch eine seit
den 1830er Jahren kursierende falsche Lehnübersetzung der 'Götterverfinsterung' (altn. 'ragna rökkr') darstellt,
die sich überschneidet mit 'ragna rök', dem 'Götterschicksal'. In der nordischen Mythologie bezeichnet die
'Götterdämmerung' den 'Untergang der Götter' und den Weltenbrand vor dem Anbruch eines neuen Zeitalters, und Wagner selbst war darüber sehr genau unterrichtet, wie eine Notiz Cosimas belegt. Vgl.: TB vom 3.
8. 1872. [Wagner, 1976a], S. 557. Daß er, Wagner, aus Anlaß des deutsch-französischen Krieges Ludwig II.
vormals ein Gedicht hatte zukommen lassen, in dem es hieß: "[E]s strahlt der Menschheit Morgen; nun
dämm're auf, du Göttertag!" (Zitiert in: [Glasenapp, 1908], S. 330), das muß man wohl unter der Rubrik
'Werbungskosten' verbuchen. Anzunehmen ist, daß erst jene Widmung, die er dem Ehepaar Wesendonk 1875
in einen Auszug der Götterdämmerung schreiben sollte, wieder im Wissen der vollen Wahrheit samt aller pessimistischer Konnotationen aufgesetzt wurde: "Und sie dämmerte doch! R. W." Brief Richard Wagners vom 13.
5. 1875 an Mathilde und Otto Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1915], S. 457
68 Brief Ludwigs II. vom 26. 9. 1865 an Richard Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1936b], S. 188
69 Ebd., S. 188f.
70 Brief Richard Wagners vom 6. 11. 1864 an Ludwig II. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1936b], S. 31
71 Brief Ludwigs II. vom 28. 1. 1866 an Richard Wagner. Ebd., S. 291
72 Brief Ludwigs II. vom 12. 10. 1865 an Richard Wagner. Ebd., S. 198
73 Brief Ludwigs II. vom 16. 3. 1868 an Richard Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1936c], S. 216
110
So verkünde ich dem theuren Siegfried meines Lebens den Sinn der That Seiner Liebe zu mir,
Seine Macht: die Erweckung der hohen Braut durch Ihn: Deutschland – ist Ihm Brünnhilde! –
Ich singe das Lied der Erweckung dieser Braut. Es ist ein ernstes, feierliches Lied: und doch
traut und innig. Es ist das sinnige Wort vom 'deutschen Geist'.74
Ein zweites Resümee liefert Glasenapp:
Wie Wotan die Allwissende, Urweltweise [Erda], so beschwor der Künstler die uralte Stammsage des deutschen Volkes, und sie erstand seinem machtvollen Ruf aus dem träumenden
Schlummer, der sie über ein halbes Jahrtausend in seinen Fesseln gehalten. 75
Offenkundig also, um was es hier geht. Parallel zur Genese des Wagnerschen Werks werden Erweckungsphantasien inszeniert, die politisch gemeint sind. Verena Naegele formuliert es folgendermaßen:
'Brünnhilde' [...] wird zur Metapher für zwei Dinge: Einerseits bedeutet sie die schlummernde
'allgemeingültige' Kunst, die durch die Liebe eines Königs erweckt wird und ins Leben tritt.
Andererseits bedeutet sie 'Deutschland', nicht nur das Königreich Bayern allein, sondern sämtliche Königreiche und Fürstentümer im deutschsprachigen Raum, die durch Ludwig II. 'erlöst'
werden [sollen]. 76
Der Schlaf ist jetzt keine Auszeit mehr, er wird demonstrativ als Gegenzeit installiert. Die
regenerativen Kräfte, die man ihm zuspricht, werden ideologisiert und zu reformativen
Kräften stilisiert. Wie ein Kranker sich dem Anästhesisten überläßt, so überläßt man sich
dem Schlaf in der Hoffnung, gesund daraus zu erwachen. Wagner nennt das "Wiedergeburt".77
Und so scheint er nicht nur für König Ludwig II, sondern auch für viele andere seiner
Zeitgenossen der einzige Hoffnungsträger gewesen zu sein, der wirklich in die Lage
versetzt war, die politischen Hemmungen zu lockern und den Fortschritt voranzutreiben.
Mit Hilfe der Kunst, so dachte man, könne er erwecken, was nimmer mehr von selbst
erwachen würde. Das Wagnersche Werk wäre dabei so etwas wie ein Allheilmittel, möglicherweise eine Auferstehungsformel (vgl. Abb. 38), Glasenapp bezeichnet es als "Erweckungswerk". 78 Wagner als "Künstler erwacht" folglich nicht nur selber "im Vormärz"79 aus einem "dogmatischen Schlummer"80, sondern der 'rechte Wecker' ist eben der
"Prophet der völkischen Erweckung"81, der "unmittelbar als Weckrufer unter seine Deutschen trat".82 Um nichts Geringeres als um die "Wiedererweckung einer nationalen deut74 Brief Richard Wagners vom 23. 9. 1865 an Ludwig II. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1936b], S. 187
75 [Glasenapp, 1908], S. 266f.
76 [Naegele, 1995], S. 96
77 Brief Richard Wagners vom 16. 4. 1866 an Julius Fröbel. Zitiert in: [Böhm, 1922], S. 74
78 [Glasenapp, 1908], S. 267
79 [Gregor-Dellin, 1980], S. 72
80 [Wapnewski, 1996], 313
81 [Gebhardt/ Zingerle, 1998], S. V
82 [Schemann, 1902], S. 12
111
schen Kunst" ging es 83, wie in der Buchwidmung eines gewissen Friedrich Zöllner an Richard Wagner nachzulesen ist. Sogar Nietzsche kaprizierte sich zunächst noch auf das "Erwachen der deutschen Kunst"84, immerhin hatte er den Geburtsvorgang seiner Tragödie
zwischen den Zeilen mit dem "wundergleiche[n] plötzliche[n] Auf-"85 und "Wiedererwachen der Tragödie"86 durch Wagner parallelisiert – welch "Hoffnung für eine Erneuerung
und Läuterung des deutschen Geistes durch den Feuerzauber der Musik. [...] wie verändert sich plötzlich jene [...] Wildniss unserer ermüdeten Cultur"87 (vgl. Abb. 39). "[E]ines
Tages wird er [der deutsche Geist] sich wach finden, in aller Morgenfrische eines ungeheuren Schlafes: dann wird er Drachen tödten, die tückischen Zwerge vernichten und
Brünnhilde erwecken."88 Wagner fungiert jetzt als Wachmacher. Und der Gedanke ist so
trivial nicht, hängt der Vorgang des Erwachens doch sowohl mit dem Utopischen als auch
mit dem Revolutionären durch die Möglichkeit zum Neuanfangen zusammen.
Aufschlußreich ist es, daß Wagner auch in der Funktion des Erweckers wieder mit
Figuren seines Werks erklärbar gemacht worden ist. Konnten wir beobachten, wie er als
Mann der Träume noch mit seinem Wotan gleichgesetzt wurde, so attestiert man ihm
jetzt vor allem Siegfriedsche Züge. Ludwig II. hatte damit vielleicht Schule gemacht –
plötzlich heißt es aus verschiedenen Richtungen: "Richard Wagner ist der Siegfried, der
den drohenden Feuerkreis der Vorurteile furchtlos durchschritt und die im Zauberschlaf
befangene musikalische Dramatik, seine Walküre, zum Leben erweckt."89 Beim Biographen Glasenapp: "[W]ie Siegfried die schlafende Brünnhild, so erweckte er mit brünstigem
Liebeskusse die jugendliche deutsche Kunst zu lebenvollem Dasein."90 Oder in der berühmten Ansprache des Grafen Apponyi nach der Uraufführung des Rings, die einen "Orkan des jubelnden Beifalles"91 nach sich gezogen haben soll:
Brünnhilde (die neue nationale Kunst) lag schlafend auf einem von mächtigem Feuer umloderten Fels. [...] Um den Fels waren Berge von Asche und Schlacken gehäuft (die Vermischung
unserer Musik mit nichtdeutschen Elementen). Da kam ein Held sondergleichen, Richard
Wagner, der schmiedete sich eine Waffe aus den Schwertstücken seiner Väter (der klassischen
deutschen Meister) und mit dieser drang er durchs Feuer und weckte mit seinem Kuß die
schlafende Brünnhilde. Sie rief ihm zu: »Heil dir, siegendes Licht!« 92
Zur Typisierung gehört, daß auch der "Wach auf"-Chor aus den Meistersingern als Repertoirestück der Wagnerverehrung verbreitet wurde, und zwar nicht eben so ausschließlich
83 Zitiert in: [<Wagner, Richard - Briefe>, 1909], S. 584
84 Nachgelassene Fragmente. [Nietzsche, 1988j], S. 241
85 Geburt der Tragödie. [Nietzsche, 1988e], S. 132
86 Ebd., S. 111
87 Ebd., S. 131
88 Ebd., S. 153f.
89 [Pohl, 1883b], S. 264
90 [Glasenapp, 1908], S. 267
91 [Kohut, 1905], S. 189
92 Zitiert in: [Kellermann, 1932], S. 194f. Berthold Kellermann übrigens, der hier von der Rede Apponyis be-
richtet, war seines Zeichens Musiklehrer in Wahnfried und erklärte Wagner 1878 die Elektrizität! – Ansonsten
vermerkt auch Cosima das Gleichnis Apponyis. Vgl.: TB vom 18. 8. 1876. [Wagner, 1976a], S. 999
112
als Vorwegnahme des späteren "Deutschland erwache", wie Hartmut Zelinsky es mit
partiellem Recht behauptet. Hatte Wagner selbst einmal deklariert, daß der Choral für ihn
"die Quintessenz des Werkes"93 sei – "ein Evangelium", das zum "tiefe[n] Sinnen"94 Hans
Sachens hinzuträte – das "steht dem Deutschen an"95 –, so mußte er sich auch zu Lebzeiten bereits die Interrelation zwischen Werk und Mann gefallen lassen. Zur Nummer ausgekoppelt spielte man das "Wach auf" nicht bloß an Wagners 60. Geburtstag (der übrigens
der erste in Bayreuth war!), auch die Grundsteinlegung des Festspielhauses wurde so
zelebriert, und vor allem auf seinen Konzertreisen hat man Wagner immer wieder damit
begrüßt, geweckt, nominiert, eskortiert – fast könnte man sagen: behelligt. 96 Ähnlich dem
sprechenden Hahn Cosimas aber sollen ja sogar im Bayreuther Schloßgarten hinter dem
Haus Wahnfried in den frühen Morgenstunden "eine Unzahl von Vögeln [...] den Chor
aus den Meistersingern – wacht auf!"97 gesungen haben. 98
<Wagner träumt und wacht>
Blicken wir auf den Zusammenhang, so scheint sich im Ganzen zu bestätigen, was durch
die Einzelteile angedeutet werden konnte: Nicht bloß der Privatmann Wagner, sondern
auch die Art und Weise, wie man den Künstler Wagner wahr- (oder hin-) genommen hat,
ist von erheblichen Widersprüchen geprägt, – von Widersprüchen, die gerade auch in den
Bildern des Schlafs ihre Entsprechung fanden. Das mag so sein, weil hier, wie ja auch in
der Kunst Wagners, Mythenbildung am Werk gewesen ist und weil der Mythos immer
wieder mit einer Traumregion verglichen wurde. Es ist jedoch auffällig, daß die auf Wagner bezogenen Gegensätze überall sehr scharf voneinander getrennt bleiben und daß sie
sich keinesfalls in jenem Zwielicht verwischen, das durch den Prozeß der Mythologisierung und Instrumentarisierung erzeugt wurde.
93 TB vom 1. 4. 1874. [Wagner, 1976a], S. 807
94 Brief Richard Wagners vom 22. 5. 1862 an Mathilde Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1915], S. 399
95 TB vom 1. 4. 1874. [Wagner, 1976a], S. 807
96 Vgl. unter vielen ähnlichen Belegen dafür etwa TB vom 16. 11. 1872. Ebd., S. 598, TB vom 3. 3. 1876.
Ebd., S. 974 oder [Glasenapp, 1912], S. 236
97 TB vom 8. 6. 1872. [Wagner, 1976a], S. 532
98 Wie bereits aus den wenigen genannten Quellen ersichtlich, besteht eine merkwürdige und bis heute grassierende Unsicherheit darüber, ob der berühmte Choral aus den Meistersingern 3, 5 nun mit einem "Wach auf"
oder einem "Wacht auf" beginnt. Sicherlich sind diese ersten Worte des ersten Chorverses so oft zitiert und
paraphrasiert worden, daß sich der exakte Wortsinn unterdes verschliffen haben dürfte. Auffällig jedoch ist es,
daß auch die verschiedenen Libretto- und Partiturausgaben der Meistersinger hier Verschiedenes wiedergeben,
ja daß seit je, und zwar selbst schon bei Cosima, die den korrekten Wortlaut hätte wissen müssen, Nachlässigkeit waltet und daß sich all die Unsicheren bis dato kein Gesprächsforum gesucht haben. Sieht man ab von
den vielen Ungenauigkeiten, die sich zwischen die Kompositionsskizzen und die erste verbindliche Niederschrift der Meistersinger, zwischen die autographe Partitur und deren Kopien, dann zwischen die mehrmaligen
Nachträge in die Proben- und Uraufführungspartituren und den Erstdruck und wiederum dessen Kopien gedrängt haben, so verzeichnen jedenfalls die kritischen Ausgaben der Partitur und des Librettos an der fraglichen
Stelle eine singularische Form, obschon der Sinnzusammenhang eher den Plural erforderte. Kurz vor Beginn
des Choreinsatzes heißt es ja: "Stimmt an! Stimmt an!", wovon die logische Folge ein "Wacht auf" wäre, und
das widerspräche auch nicht unbedingt dem Folgevers "ich hör' singen [...]" (Hervorhebung von der Verf. J.
D.). Daß statt dessen ein "Wach auf" geschrieben steht, kann man und müßte man in mehrerlei Richtung
interpretieren. Die Sache weiterzuverfolgen wäre also eine Forschungsaufgabe wert. Allerdings gibt es dafür an
dieser Stelle weder Platz noch Anlaß.
113
So entschieden, wie Wagner auf der einen Seite als Schlafgeborener, als Träumer und
als Traumkünstler rezipiert wurde, so entschieden wurde auf der anderen Seite das Bild
des Erweckers kolportiert. Hatte sich Wagner den Dualismus 'schläfrig/ schlaflos' ehedem
selbst zurechtgelegt, sei es nun aus Sachzwängen oder aus persönlicher Not oder sei es
auch aus Gründen der Eitelkeit, die nicht ertragen konnte, wenn etwas eindeutig klang, es
ist jetzt genau dieses 'Träumend-hellwach-sein-können', das auch in Wagners äußerem
Erscheinungsbild zur Geltung kommt. Was damals innen war, es ist jetzt außen; was
widersprüchlich, dichotomisch, komplementär sein mußte, ist es noch. Das aber bedeutet,
daß das, was wir probeweise Wagners 'innere Biographie' nannten, tatsächlich in eine
'äußere Biographie' übersetzt wurde. Und gerade im Spiegel des Schlafmotivs scheint auch
die Vorstellung, daß der 'Geist des Meisters' in Form einer Fledermaus im Bayreuther
Festspielhaus weiterlebe, ganz so falsch nicht gewesen zu sein (vgl. Abb. 40). Denn die
Fledermaus, als Geschöpf der Dämmerung, gilt sogar dem ältesten Volksglauben nach sowohl als Mittel für als auch als Mittel gegen den Schlaf, als Schlafbringer, aber auch als
Ruhestörer. 99 Jedenfalls hat die Rezeptionsgeschichte Wagner Rollen zugewiesen, die
diametral jeweils dem entgegenstanden, was sich historisch und kultursoziologisch als
Tagespolitik abzeichnete: Wagner als Traumkünstler, auch als Narkotiseur wurde dem
falschen Glanz und Getriebe, Wagner als Erwecker und Agitator der "erhabene[n] Müdigkeit"100 des neunzehnten Jahrhunderts gegenübergestellt. Das Elementarische und mit diesem auch das Urdialektische seines Naturells, das sich zunächst auf privater Ebene in
Metaphern des Schlafs mitzuteilen suchte, wurde am Ende von ihm abgespalten, publikumsgerecht zu Kennmarken umfunktionalisiert und dann im Sinne seines Künstlertums
vermarktet. Offen bleibt nur, weshalb all das so systematisch klingt?
Nun, ein System muß wohl hinter der Tatsache stehen, daß – ganz genau betrachtet –
weder Wagner noch die Wagner-Rezeption allein auf sich bezogen blieben. Denn ganz
genau betrachtet deckt sich die Rezeption des Künstlers Wagner explizit mit jenen
Theorien, die er, Wagner, selber für den Status des Künstler und vor allem für den Status
des Musikers entworfen hat. Unser Glissando erreicht den ersten Zielton.
99 Schon Lukian berichtet in seinen Wahren Geschichten, daß die Insel der Träume, die über den Hafen Hyp-
nos erreichbar war, von Fledermausscharen bevölkert wurde. Die altägyptischen, später auch hellenischen
Schlafzauberer zwangen den Schlaf homöopathisch auf ihre Patienten herab, indem sie sie mit dem Schmalz
von Fledermausherzen einrieben oder magische Zeichen auf die Flügel einer lebenden Fledermaus ritzten. Dagegen soll man sich gegen Schläfrigkeit schützen können, solange man eine tote Fledermaus oder einen Fledermauskopf bei sich am Körper trage. Und natürlich wurde die Fledermaus schon immer, da sie im Zwielicht zu
jagen beginnt, mit dem Teufel assoziiert, folglich als Schlaf- und Seelenräuber wahrgenommen. – Cosima übrigens berichtet erstaunlich oft von Fledermäusen, die in den Räumen Wahnfrieds gelebt haben sollen. Nach
ihrem Geschmack allerdings ausnahmslos in letzterer Funktion. Vgl. etwa TB vom 12. 9. 1879. [Wagner,
1977], S. 408, TB vom 16. 9. 1879. Ebd., S. 409, TB vom 19. 7. 1880. Ebd., S. 572, TB vom 6. 8. 1880. Ebd.,
S. 579, TB vom 20. 9. 1881. Ebd., S. 796
100 [Gregor-Dellin, 1984], S. 34
114
II.2 V erwandelte W iederkehr [2]: W esen, Entwicklung und Wirkung des
Künstlers
<Der Künstler und das Unbewußte>
"Ein Musiker ist ein wahres Vieh"101, ein "Monstrum in excessum"102, so hebt Wagner an
und damit nimmt er weniger das Ungeschlachte der Künstlernatur ins Visier als eher das
Unbewußte. Nur "wenn er unreflektiert schaffe, stünde ihm alles zu Gebote"103, meint er
über sich selbst und abstrahiert dann: "[F]ür den Musiker gibt es [...] keine Außenwelt, er
ist ein wildes Wesen". 104 Der echte Künstler arbeite zuallernächst "auf dem dunklen Boden seines Unbewußtseins"105, heißt es in der für Wagners Theorienhaushalt so wichtigen
Beethoven-Festschrift von 1870. Aber bereits seit Oper und Drama von 1850 eigentlich ist
(gesetzt den Fall, daß man den in Wagners frühen Schriften thematisierten Status des
reinen Dichters auch als Teil des reinen Musikers und damit als Teil des prototypischen
Künstlers überhaupt deuten mag, so wie dieser in den Spätschriften inauguriert wird) der
echte Künstler "der Wissende des Unbewußten, der absichtliche Darsteller des Unwillkürlichen".106 In den Flüchtigen Aufzeichnungen zum Künstlertum der Zukunft heißt es noch
deutlicher: "Ihr irrt [...] wenn ihr die revolutionäre kraft im bewusstsein sucht".107 Denn
es "gilt [...] im Kunstwerke überhaupt [...] nicht durch Darlegung von Absichten, sondern
durch Darstellung des Unwillkürlichen zu wirken"108 – "das unbewusste ist eben das unwillkürliche, nothwendige und schöpferische"109 – "unbewußt –/ höchste Lust!"110 Dieser
Gedanke ist von den dramatischen Stellungswechseln und argumentativen Verstrickungen
in Wagners Begriffsbildung nie berührt worden. Leicht ließe sich belegen, daß Wagner in
allen Schaffensperioden vom "schöne[n] Unbewußtsein des Kunstschaffens"111 gesprochen
und dem Künstler damit generell so etwas wie das Prinzip der kreativen Desorientierung
zugeordnet hat: Der Musiker (in der Rolle schließlich des Vorzeigekünstlers) "spreche die
höchste Weisheit aus in einer Sprache, die seine Vernunft nicht verstehe"112, lautet es im
Sinne Schopenhauers in der Beethoven-Schrift. Jenen, Schopenhauer, nach- und Freud
vorbereitend, geht Wagner denn auch von einer Prädisposition im künstlerischen Menschen aus, welche den komplizierten Vorgang des Schöpfens als eine von diesem zwar
generierte, nicht aber bewußt verantwortete Handlung freisetzt. Ausgeliefert dem Schöpfungsprozeß, den er selber entfacht, latent ohnmächtig gegenüber dem Andrängen des
künstlerischen Materials und so unbegabt im Wollen wie genial im Müssen, ist der
101 TB vom 10. 12. 1869. [Wagner, 1976a], S. 177
102 TB vom 27. 11. 1879. [Wagner, 1977], S. 451
103 TB vom 13. 1. 1878. Ebd., S. 36
104 TB vom 27. 11. 1879. Ebd., S. 451
105 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 83
106 Oper und Drama. [Wagner, 1872f], S. 161
107 Entwürfe. Gedanken. Fragmente. [Wagner, 1885], S. 14
108 Brief Richard Wagners vom 25. 1. 1854 an August Röckel. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1894], S. 37
109 Entwürfe. Gedanken. Fragmente. [Wagner, 1885], S. 17
110 Tristan und Isolde, 3, 3. [Wagner, 1984b], S. 74
111 Brief Richard Wagners vom 25. 11. 1850 an Franz Liszt. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1988a], S. 152
112 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 103
115
Künstler Vermittler seiner selbst. Die "Macht des Musikers" sei deshalb überhaupt "nicht
anders, als durch die Vorstellung des Zaubers zu fassen". 113 Er lebt von "dem nach innen
gekehrten Bewusstsein. Dieses [...] ist das, aus welchem der Musiker schafft. [...] Die
innerste Kraft, aus der unsre Dichter sich unbewusst ernährten". 114
Hatte sich Wagner selbst zum Arbeiten hinter sechsfach wattierte Fenster und Türen
zurückgezogen, so unterwirft er nun auch theoretisch die künstlerische Lebensordnung
einer Verdunklungsstrategie. Von vornherein müsse die Künstlerpersönlichkeit introvertiert sein; erst in einem gewissen Unschärfebereich abseits der Tagesgeschäfte kann sie
wirksam werden. "Die Stimmung des Dichters hat [...] viel vom Nachtwandeln"115,
schrieb einmal Hebbel, und es ist eigentlich nur konsequent in bezug auf die diffizile Thematik, daß auch Wagner in identischen Analogien zu denken beginnt: Wenn "ich so eine
stumme Partitur nach der anderen vor mir hinlegte, [...] kam auch ich wohl zu Zeiten mir
wie ein Nachtwandler vor, der von seinem Thun kein Bewußtsein hätte"116, bekundet er
1871 im Epilogischen Bericht zum Ring des Nibelungen. Wie "Nachtvogelflattern"117 müsse
alles klingen. Auch in die schöne, änigmatische Äußerung, daß die "echteste Kunst [...]
nur [...] Nachtigallenlied"118 sei, fließt der Gedanke ein, daß bloß im Schutz der Nacht die
besten Gesänge entstehen können. Immerhin wird nicht ohne mehrfachen Hintersinn der
historische 'Konrad Nachtigall' gerade bei den Meistersingern seinen Auftritt zugewiesen
bekommen haben.119 Und hatte nicht ehemals auch eine Nachtigall den jungen Wagner
113 Ebd., S. 106
114 BB [zwischen dem 3. und 19. 7. 1870]. [Wagner, 1988b], S. 210
115 [Hebbel, 1967], S. 24. Übrigens ergänzt Hebbel an selber Stelle: "Sonderbar ist es, daß ich in einer solchen
Stimmung immer Melodieen höre, und das, was ich schreibe, darnach absinge". Hätte Wagner jemals von dieser Art zu arbeiten erfahren, vielleicht wäre er Hebbel, dem Nibelungendichter Hebbel, etwas milder gegenüber im Urteil gewesen.
116 Epilogischer Bericht. [Wagner, 1872b], S. 378
117 TB vom 21. 1. 1870. [Wagner, 1976a], S. 190
118 Brief Richard Wagners vom 3. 8. 1853 an Theodor Apel. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1910], S. 88
119 Neben Konrad Nachtigall taucht in den Meistersingern übrigens auch die Nachtigall als Vogel selbst auf,
und zwar gerade im "Wach auf"-Choral, welcher ja eben den Tag noch aus Sicht der Nacht besingt. Das Tier
allerdings wird dort im Unterschied zur Person in den meisten Partitur- und Librettoausgaben nur mit einem
Schlußkonsonaten, also 'Nachtigal' buchstabiert, was trotz der Korrektur durch die kritische Gesamtausgabe
der Werke Richard Wagners von Dahlhaus und Voss (Mainz 1970ff.) sein Recht haben mag – Wagner spielt
an der fraglichen Stelle mit den Originalversen des Hans Sachs und könnte sich an die im 16. Jahrhundert gebräuchliche Form 'nachtgal' (oder 'nahtegal') gehalten haben. Auch hier wäre eine Prüfung der Quellen zu leisten. Wegen bekannter Unstimmigkeiten in den Nachträgen, Abschriften und Druckversionen, vor allem wegen einer uneinheitlichen Rechtschreibnomenklatur ist aber auf eine schnelle Klärung nicht zu hoffen.
Allerdings gibt es noch eine andere im Zusammenhang hochinteressante und bislang wohl ebenso unentdeckte
Komponente dieser Wagnerschen 'Nachtigal(l)': Sowohl der Volksmund als auch die Vogelkunde beschreiben,
daß die Nachtigallen aus Gründen der Nestpflege allein bis zu Johannis (24. Juni) singen. Da die Meistersinger
an Johannis spielen und auch uraufgeführt sind (strenggenommen am 21. Juni 1868, also zwei Tage vor der
Festnacht), ja im Prinzip von der Dramaturgie her symmetrisch um die Johannisnacht (2. Aufzug) und den
darauffolgenden Johannistag herumgebaut sind, ließe sich nun vermuten, daß Wagner in seinen "Wach auf"Choral (3. Aufzug) und in die lichte Szenerie und Symbolik des Morgens eine Nuance des Klagens und Absterbens eingeschlossen haben könnte. Aus der Musik läßt sich ein klagender Ton zweifelsohne heraushören,
und da Johannis auch mit Mittsommer und zu Wagners Zeit noch für gewöhnlich mit den Feierlichkeiten zur
Sommersonnenwende zusammenfiel, entstünde daraus für den "Wach auf"-Choral eine seltsame Verschiebung
zwischen den Metaphern Tag/ Nacht und hell/ dunkel. Als schimmere da gewissermaßen schon die durch
Uneindeutigkeit brillierende Symbolik der späteren Götterdämmerung hindurch. Gezielter darauf einzugehen,
wäre also mit Sicherheit lohnend, zumal die Nachtigall auch sonst im Wagnerschen Werk nur an Stellen auftaucht, die änigmatisch verdichten, was an anderen und vermeintlich ähnlichen Stellen offenbar nicht verdich-
116
zur Dresdener Revolution geweckt120, diesen veranlassend, den "musikalischen Teil" der
Erhebung "mit der Alarmglocke"121 zu übernehmen? – "Nur so viel muß ich Dir sagen,
daß meine Kunst jetzt immer mehr das Lied der geblendeten, sehnsüchtigen Nachtigall
wird, und daß diese Kunst plötzlich allen Grund verlieren würde, wenn ich eben die
Wirklichkeit des Lebens umarmen dürfte."122 Noch im Februar 1883 träumte Wagner den
"schönen Traum" von sich, Schopenhauer und einem "Schwarm Nachtigallen", über den
"Sch." allerdings schon lange vor "R." unterrichtet gewesen sein soll. 123
<Der Künstler, ein Träumender>
Mit einem ersten Gedankenschritt hat Wagner dem Künstler also das Unbewußte und die
Metaphern der Nacht zugeordnet. Nun soll er aber, der Künstler, sich nach Wagners
Vorstellung auch wieder nicht tatenlos in diese Nische einfügen. Wagner fordert wie
immer Aktion, auch hier im Rückzug, und in einem zweiten Gedankenschritt hält er
seinen Künstler dazu an: "Träume! Das ist das Allerbeste!"124 Mit Bezug auf die Frage, wie
man überhaupt dichten und komponieren solle, beginnt er programmatisch vom "Dichtertraum[...]"125 zu sprechen und davon, daß man mehr als nur unbewußt zu sein vor allem
träumend aktiv werden müsse. Haben die künstlerischen Eingebungen ihren Sitz auch im
Unbewußten, virulent können sie doch erst im Traum werden. Denn das Unbewußte
verhält sich zum Künstlertraum ungefähr wie der Humus zur Pflanze. Folglich ziehen mit
dem Unbewußten die Bilder des Schlafs auch in die Wagnersche Kunsttheorie ein getreu
der Feststellung Nietzsches, daß der musische Künstler in seiner "Kunst das Mittel [hat],
dem reflektirenden Denken beinahe völlige Ruhe, eine Art Schlafleben zu verschaffen". 126
Zwar hatte noch Schopenhauer veranschlagt, daß das Vermögen, schlafend wach zu sein
und Traumbilder sehen zu können, eine Fertigkeit allein der Philosophen sei, Wagner jedoch modifiziert das zu einem Alleinstellungsmerkmal der Künstlerfigur. Vor dem Hinter-
tet werden konnte. Nicht zum Beispiel kennt die Nachtigall der Tristan, der ihr thematisch durchaus Ort und
Zeit bieten würde. Auch im ersten Nachtstück Wagners, dem Lohengrin, bleibt es bei Schwan und Taube.
Selbst der Ring, der in sich eine Menagerie und ornithologisch allemal attraktiv ist mit den Raben Wotans,
dem "Starenlied" Mimes und dem flatternd "junge[n] Geflügel" im Siegfriedwald, mit den fliegenden Pferden
der Walküren, den Rheintöchtern, die, als singende Fische, auch als "Wasservögel" bezeichnet werden und
einem Schlangenwurm, der nicht selten als Archäopteryx dargestellt worden ist, auch dieser Ring scheint ohne
sie auszukommen. Allerdings, es besteht Anlaß zu der Vermutung, daß das "selt'ne" Waldvöglein im Siegfried
eine Nachtigall ist – dessen viertes Waldvogelmotiv hat man öfter und dies wohl auch zu Recht mit dem
Nachtigallenruf in Verbindung gebracht. Vergessen sollte man auch nicht die Nachtigall, die den Tannhäuser
von der Venus fortlockt. Und nimmt man nun noch einmal jene Nachtigall in die Berechnungen mit auf, die
in Wagners theoretischem Werk zwischen Revolutionen und (künstlerischen) Transformationen auftaucht, so
scheint sich dies so unscheinbare wie symbolträchtige Tierchen immer dort einen Platz verschafft zu haben,
wo es um Sinn- oder Formsuche, verkürzt gesagt um jene Metamorphoseleistung geht, die für Wagner der
Inbegriff der Kunst war. Vielleicht sollte man die Nachtigall deshalb als eine Art Wappentier innerhalb der
Wagnerschen Fauna begreifen und dieser Sonderstellung auch einmal explizit nachgehen.
120 Siehe: Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 412
121 [Marcuse, 1973], S. 93
122 Brief Richard Wagners vom 8. 6. 1853 an August Röckel. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1894], S. 19
123 TB vom 4. 2. 1883. [Wagner, 1977], S. 1106
124 Der Künstler und die Öffentlichkeit. [Wagner, 1871c], S. 230
125 Über das Dichten und Komponiren. [Wagner, 1883f], S. 191
126 Nachgelassene Fragmente. [Nietzsche, 1988k], S. 450
117
grund, daß er selbst wie in einer "Traum- und Zauberwelt"127 gelebt hatte und auch
zubilligte, daß das "Leben [...] ein Schlaf [umfaßt] und [...] also ein Traum"128 sei, welcher
"Möglichkeiten ohne Grenzen"129 lieferte, wird der Künstler für ihn erst wirklich effizient
als 'nachtaktives Tier' – als "wahres Vieh"130 eben.
Schlaf und Traum gelten bereits als Quelle der Kunst – traumartig mußte dann natürlich
auch der Vorgang der künstlerischen Konzeption sein. Wagners Ausführungen dazu unterfüttern nicht nur die eigene Biographie, sie sind zahlreich und weit gestreut ebenso in seinen theoretischen Schriften und Briefen zu finden. Der "innere Drang [...] eine Möglichkeit zu verwirklichen", schreibt er etwa 1860 über sich selbst und begreift das wohl als
exemplarisch, "ist [...] immer wieder nur dadurch möglich, daß ich mein Gehirn wieder in
das Traumreich streifen lasse".131 In Über das Opern-Dichten und Komponiren im Besonderen
schildert er haargenau den Prozeß des künstlerischen Gestaltens: Der Künstler im allgemeinen und der dramatische Komponist "meiner 'Richtung' " im speziellen, sagt er,
sehe sich nun z. B. die eine Person, die ihn gerade heute am nächsten angeht, recht genau an:
[...] Er stelle sie sich in ein Dämmerlicht, da er nur den Blick ihres Auges gewahrt; spricht
dieser zu ihm, so geräth die Gestalt selbst jetzt wohl auch in eine Bewegung, die ihn vielleicht
sogar erschreckt, – was er sich aber gefallen lassen muß; endlich erbeben ihre Lippen, sie öffnet
den Mund, und eine Geisterstimme sagt ihm etwas ganz Wirkliches, durchaus Faßliches, aber
auch so Unerhörtes [...], so daß – er darüber aus dem Traume erwacht. Alles ist verschwunden;
aber im geistigen Gehöre tönt es ihm fort: er hat einen 'Einfall' gehabt [...] völlig legal von
jener merkwürdigen Gestalt in jenem wunderlichen Augenblicke der Entrücktheit ihm überliefert und zu eigen gegeben. 132
Frappant ähnelt das – ohne allerdings dessen philosophische Süffisanz zu erreichen – einem
Gedanken Nietzsches, den dieser bereits in Richard Wagner in Bayreuth formuliert hatte:
Eine Traumerscheinung, dem Bilde der Natur und ihres Freiers ähnlich-unähnlich, schwebt
heran, sie verdichtet sich zu menschlicheren Gestalten, sie breitet sich aus zur Abfolge eines
ganzen heroisch-übermüthigen Wollens, eines wonnereichen Untergehens und Nicht-mehrWollens: – so entsteht die Tragödie.133
Wagner hatte über das Phänomen der künstlerischen Gestaltung allerdings auch schon in
Oper und Drama nachgedacht, und zwar dort am Beispiel des Beethoven-Schülers Berlioz;
er berichtet von der künstlerischen "Begeisterung" als von einem
127 TB vom
128 TB vom
129 TB vom
130 TB vom
1. 5. 1872. [Wagner, 1976a], S. 515
4. 4. 1880. [Wagner, 1977], S. 517
15. 7. 1880. Ebd., S. 570
10. 12. 1869. [Wagner, 1976a], S. 177
131 Brief Richard Wagners vom 23. 12. 1860 an Mathilde Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1915],
S. 350f.
132 Über das Opern-Dichten und Komponiren im Besonderen. [Wagner, 1883g], S. 225f.
133 Richard Wagner in Bayreuth. [Nietzsche, 1988n], S. 472
118
gespenstisch erregte[n] Schwindel [...]: erwachte er [Berlioz] aus ihm, so gewahrte er, mit der
Abspannung eines durch Opium Betäubten, eine frostige Leere um sich her, die nun zu beleben er sich mühte, indem er die Erhitzung seines Traumes sich künstlich zurückrief. 134
1855 hatte sich Wagner sogar persönlich bei Berlioz "über das Geheimnis der »künstlerischen Konzeption«"135 ausgelassen – übrigens fällt das erkennbar in die Zeit seiner ersten
Schopenhauer-Lektüre. Damals war er zu dem Schluß gekommen, daß
die Lebenseindrücke auf das Gemüt [...] uns in ihrer Weise gefangenhielten, bis wir uns ihrer
durch die einzige Ausbildung der innersten Seelenformen, welche keineswegs durch jene Eindrücke hervorgerufen, sondern aus ihrem tiefsten Schlummer nur eben angeregt worden waren, gänzlich entledigten,
und zwar entledigten durch das "künstlerische Gebilde".136 Der Musiker schließlich
"spricht [zu uns]" einzig aus dem "traumartigen Zustand, [...| in welchem uns [...] jene
andere Welt aufgeht"137 (vgl. Abb. 41).
Kunstproduktion also durch Versenkung, Preisgabe des Lebensnervs ans Surreale –
"sowohl künstlerisches Schaffen als [auch] künstlerische Anschauung [können] nur aus der
Abwendung des Bewußtseins von den Erregungen des Willens hervorgehen". 138 Fast
scheint es, als solle sich der Künstler jenem inspirierten Schlaf überlassen, der zum Inventar
der frühchristlichen Erkenntnismethoden gehörte. Denn idealerweise kann er erst aktiv
werden durch einen Zustand produktiver Passivität. Wagner zögert nicht, den "religiösen
Heiligen" herbeizuzitieren, dessen "Verkehr mit der Welt nur den Zustand des aus
tiefstem Schlafe Erwachten"139 ausdrücke – zumindest der Musiker könne "mit einem
Anspruch an Heilighaltung erscheinen."140 "Ekstase"141, "Entrücktheit"142, der "Zustand
des Hellsehens"143, "Fähigkeiten zur inneren Selbstschau, jener Hellsichtigkeit des tiefsten
Welttraumes"144 sowie "Fähigkeit zur vollständigen Selbstentäußerung"145, all das sind
Hilfsmittel, durch die der echte Künstler erst zur echten Kunst gelangt. Und gewiß waren
diese Rezepturen nicht neu. Zumindest aber bewährten sie sich schon einmal, wo die
Wagnerschen "Wahrtraum-Gestalten"146 der Kunst selbst im Entstehen waren.
Sicher, es ist nicht leicht hinzunehmen, daß Wagner ja auch ein Musiker war und daß
jeder, der seine Überlegungen zum Künstlerbild liest, eine Art Selbstheiligung implizieren
134 Oper und Drama. [Wagner, 1872e], S. 348f.
135 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 534
136 Ebd.
137 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 93
138 Ebd., S. 88
139 Ebd., S. 116
140 Ebd., S. 91
141 Über das Schauspielerwesen. [Wagner, 1873c], S. 309
142 Über das Opern-Dichten und Komponiren im Besonderen. [Wagner, 1883g], S. 226
143 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 92
144 Ebd., S. 101
145 Über Schauspieler und Sänger. [Wagner, 1873i], S. 260
146 Über das Opern-Dichten und Komponiren im Besonderen. [Wagner, 1883g], S. 227
119
könnte. Man muß annehmen, Wagner habe in seinen Argumentationen (wieder einmal)
nicht von sich absehen können. Allerdings müßte man dann auch wissen, daß er für die
meiste Zeit doch zu verdrossen, zu labil, zu zynisch oder auch zu ulkig war, um den
Anspruch für sich ernst zu nehmen, daß der Musiker ein göttliches Wesen sei. Sein Alltag
wenigstens sah anders aus. Aber doch hat gerade im Falle Wagners der Verdacht der
Selbstzuweisung verhindert, daß man die Analogien zwischen den 'Wahrtraum-Gestalten'
und der 'Wahrtraum-Gestaltung' ausgeschöpft hat. Wäre man hier sensibler vorgegangen,
man hätte bemerkt, wie eng die Verwandtschaft zwischen idealem Werk und idealem
Künstler in Wagners Kunstästhetik tatsächlich ist. Vor allem hätte man bemerkt, daß
Wagners Künstlerbild natürlich immer nur ein Ideal, eine Vision, eine Abstraktion, eine
Idee beschreibt, aus heutiger Sicht vielleicht auch ein Klischee, nicht aber das, was davon
in der Wirklichkeit übrig bleiben mußte – das System der Träume wäre zwangsläufig an
seiner Realisierung zerbrochen, da wären Form und Inhalt deckungsgleich geblieben. So
aber, wie die Kunst laut Wagner eben ein Produkt der Dämmerung zu sein habe, eine
"Traumgestalt"147, wie Peter Wapnewski es nennt, so auch ihre Urheber. Die Dichter, die
Musiker, die Komponisten, die Schauspieler und Sänger, selbst die Regisseure und
Bühnenbildner, sie sollten nach Wagners Vorstellung mit allem Lebenswillen nichts als
Träumer sein und das Paradoxon aushebeln, das diesem Anspruch innewohnt.
In seiner Geburt der Tragödie, welche im selben Zeitraum wie Wagners Beethoven entstanden ist und bereits im Vorwort auf Schopenhauer, Wagner und auch den Schopenhauerschen Wagner Bezug nimmt148, entwickelt Nietzsche eine Physiognomie des
"Traum"- oder "Rauschkünstler[s]"149, wie sie in nuce von Wagner hätte stammen können.150 Auch Nietzsche spricht von "mystische[r] Selbstentäusserung"151 und meint – als
wäre er nun der Bauchredner Wagners – im Zusammenhang mit seinem Künstlerbegriff:
So gewiss von den beiden Hälften des Lebens, der wachen und der träumenden Hälfte, uns die
erstere als die ungleich bevorzugtere, [...] ja allein gelebte dünkt: so möchte ich doch, bei allem
Anscheine einer Paradoxie, für jenen geheimnissvollen Grund unseres Wesens, dessen
Erscheinung wir sind, gerade die entgegengesetzte Werthschätzung des Traumes behaupten. 152
Die aus Richard Wagner in Bayreuth stammende Äußerung:
Der Künstler, der bessere und seltenere, ist wie von einem betäubenden Traume befangen [...]
und wiederholt zögernd mit unsicherer Stimme gespenstisch schöne Worte, die er von ganz
fernen Orten her zu hören meint, aber nicht deutlich genug vernimmt; der Künstler dagegen
147 [Wapnewski, 1998/1999], S. 22
148 Nietzsche nämlich hatte (im Oktober 1870) auch Korrektur gelesen bei Wagners Beethoven. Vgl.: TB vom
14. 11. 1870. [Wagner, 1976a], S. 313
149 Geburt der Tragödie. [Nietzsche, 1988e], S. 30
150 Zum Beispiel schreibt Wagner kurz nachdem die Geburt der Tragödie erschienen war an Hofrat Düfflipp:
"[I]ch [halte] dieses Buch für das Schönste und Tiefsinnigste [...], was seit lange geschrieben worden ist". Brief
Richard Wagners vom 3. 1. 1872 an Lorenz von Düfflipp. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1970], S. 812
151 Geburt der Tragödie. [Nietzsche, 1988e], S. 31
152 Ebd., S. 38
120
von ganz modernem Schlage, kommt in voller Verachtung gegen das traumselige Tasten und
Reden seines edleren Genossen daher153,
dies taugt dann wirklich dazu, nicht nur Wagners Kunsttheorie, sondern sogar die Wagnersche Biographie auf ein einziges Theorem zusammenzuziehen, sagte doch der späte
Wagner von sich, daß er als Künstler immer nur wieder "das Traumbild auf[werfe]". 154
Ein Blick auf die Meistersinger, die man vielleicht auch lesen darf als eine in die Form der
Kunst (zurück)gegossene Traumtheorie, zeigt, wie sehr Poet und Traum, Poeterei und
Träumerei bei Wagner aufeinander abgestellt sind. Der Traum, den Stolzing träumt,
macht ihn zum Dichter. Die Dichtung aber ist laut Sachs wiederum nichts anderes als
Traumdeutung. 155 Und da nun der Traum grundsätzlich mehr über die Wirklichkeit ausgibt als die Wirklichkeit selber, hat man es mit dem für Wagner prototypisch paradoxen
"wachen Dichtertraum"156, dem 'Wahrtraum' zu tun; des "Menschen wahrster Wahn" 157
ist "eine Wahrheit, die nur im Traum gedacht und nur über die Kunst manifest gemacht
werden kann."158 Die 'Wahrtraum-Gestalten' (die erkennbar in die Meistersinger eingegangen, selbst aber dort gar nicht mehr benannt werden und eine Formulierung bleiben aus
Über das Opern-Dichten und Komponiren im Besondern) treiben die "Wahrtraumdeuterei"159
hervor, letztere umgekehrt aber auch erstere, der Austausch der frei flottierenden Kräfte ist
die Tätigkeit des Künstlers, das Ganze nichts weniger als die Kunst.
<'Beethoven'-Schrift und Traumbegriff>
Eine endgültige Differenzierung des Traumbegriffs liefert Wagner jedoch erst 1870 mit
seiner Beethoven-Schrift, die die Musikdramen musikphilosophisch abwürzt, die vor allem
die über viele Jahre und alle Werke verteilten Äußerungen zum Schlaf und zum Traum
thematisch so zuspitzt, daß wir hier von einer eigens Wagnerschen, auf die Kunst angewandten Schlaf- und Traumtheorie sprechen könnten (und uns auch wundern dürfen,
warum das bislang noch niemand getan hat). Auf Arthur Schopenhauer und dessen
"verschlafenes Hauptstück"160 Die Welt als Wille und Vorstellung Bezug nehmend, die
Theorie der Telepathie aus dem Versuch über das Geistersehen in Teilen sogar wörtlich übernehmend, übersetzt Wagner jetzt die naturphilosophische Auffassung, daß man im Wachzustand Arbeitskraft verlöre, im Schlaf jedoch gewänne, in seine Musikästhetik.
153 Richard Wagner in Bayreuth. [Nietzsche, 1988n], S. 461
154 TB vom 13. 6. 1882. [Wagner, 1977], S. 960
155 Ja, 'Traumdeutung'. Wie gehabt müßte das Wort für Wagner umgangen werden, wäre es nicht doch so
gut auf ihn anwendbar und wäre es nicht immer wieder reizvoll, die Verbindung zu Freud herzustellen. Unter
vielen anderen tut das Nike Wagner: "Wäre Freud ein wenig Wagnerianer gewesen, hätte er gejubelt, denn es
ist, als hätte Wagner in seinen Schriften geblättert und wäre auf jene Stelle gestoßen, in der das Dichten mit
dem Tagträumen gleichgesetzt wird, mit dem träumerischen Bewußtmachen des Unbewußten und seiner tiefsten Wünsche und Bilder." [Wagner, 1998a], S. 159
156 Die Meistersinger von Nürnberg, 3, 5. [Wagner, 1984a], S. 102
157 Die Meistersinger von Nürnberg, 3, 2. Ebd., S. 73
158 [Wagner, 1998a], S. 160
159 Die Meistersinger von Nürnberg, 3, 2. [Wagner, 1984a], S. 73
160 [Wapnewski, 1981], S. 193
121
Zunächst klingt auch das paradox, und es muß nicht sofort einleuchten, wenngleich es
hier gerade die Vernunftwidrigkeit ist, die Wagners eigenem Sujet entgegenkommt. Schopenhauer aber, der sich eingehend mit der Funktion des Schlafs beschäftigt hatte, ja der
"das calderonisch-romantische Wechselwort 'Der Traum ein Leben' und 'das Leben ein
Traum' zu einem monumentalen Gedankensystem[...], zu einer philosophischen Symphonie [überhöht hat]"161 und übrigens selbst reichlich geschlafen haben soll 162, Schopenhauer
bezeichnet den Schlaf als "das wahre große Panakeion".163 Das ist eine Zuschreibung, die
er nur an einer einzigen anderen Stelle seines Œuvres wiederholt, nämlich in der Passage:
Die "Musik [ist das] Panakeion aller unserer Leiden". 164 Zweifellos hatte er damit sämtliche für diesen Themenkreis infragekommenden romantisch-naturphilosophischen Überlegungen auf einen Punkt zusammengezogen und so eben auch sämtliche Paradoxa: Schlaf
ist "der ursprüngliche[...] Zustand"165 des Menschen. Allein im Schlaf, meint er, könne sich
der Wille, das erste Lebensprinzip seiner Philosophie, am reinsten ausbilden. Besonders der
magnetische Schlaf sei Ausdruck dafür, daß die Lebenskraft erst unterirdisch mit ungeteilter Macht und "nach seiner [...] wesentlichen Natur"166 wirksam sein könne - 'magnetischer Schlaf' verstanden als ganzheitlicher Heilungsprozeß, der allein durch das Aktivieren
körpereigener Energiefelder in Gang gesetzt wurde.167 Das Phänomen 'Schlaf' ist also in
sich ein paradoxes Erklärmodell, ein "Wächter des Lebens"168, und nur auf Grund der dadurch erzeugten Bedeutungsfülle konnte sich wohl auch Wagners Kunst- von Schopenhauers Lebensanschauung ableiten. Selbstverständlich hatten schon die naturphilosophischen Wissenschaftler Wachen und Schlafen als Analoga betrachtet, welche eine Einheit
allein durch Widerspruch herstellen können. "One set of organs", hieß es zum Beispiel
bezogen auf den Wechsel zwischen dem Wachen und dem Schlafen, "is laying down
particles, and another taking them up with such exquisite nicety, that for the continual
momentary waste there is continual momentary repair."169 Die Polarisationstheorien der
Naturphilosophen gingen über in die reine Dialektik – was Wagner für sich fruchtbar
machen sollte, das nannte Kieser "Oscillation (wechselndes Ueberwiegen des einen und des
andern in der Zeit)". 170 Die Annahme, daß der menschliche Organismus vom Moment
des Erwachens an die Produktion von Ermüdungsstoffen betreibe, vom Augenblick des
161 [Loos, 1952], S. 278
162 Nach: [Kloppe, 1966], S. 120
163 [Schopenhauer, 1946b], S. 275
164 [Schopenhauer, 1949a], S. 309
165 [Schopenhauer, 1949b], S. 273
166 Ebd.
167 Wagner war den unterschiedlichen Lehrmeinungen des Magnetismus' übrigens recht zugetan. Seine eige-
nen Leiden zu kurieren, ließ er sich von einem privaten Magnetiseur behandeln. Nur meinte er mit Bezug auf
die Behandlungsmethoden (magnetisierte Blumen, Kräuter, Tiere, abgedunkelte Zimmer mit Spiegeln an den
Wänden, Zuspielung von Harmonika-Klängen): "[W]enn so etwas Ernsthaftes nicht so lächerlich wäre". TB
vom 30. 9. 1877. [Wagner, 1976a], S. 1069
168 [Kloppe, 1966], S. 120
169 [Macnish, 1830], S. 5
170 [Kieser, 1822], § 290, S. 298
122
Einschlafens jedoch nur noch an deren Beseitigung arbeite, dürfte unmittelbar Einfluß
genommen haben auf Wagners musikästhetisches Vokabular.
Hieß es bei Schopenhauer: "[D]er Schlaf ist für den ganzen Menschen was das Aufziehn für die Uhr"171, so ließe sich sogar behaupten, Wagner sei 'seinem' Philosophen in
doppelter Hinsicht verbunden gewesen. Hatte ihm das 'Erlebnis Schopenhauer' in den
Jahren der Heimatlosigkeit selbst Trost und kreative Ruhe verschafft, so projiziert er
Schopenhauers Theorie nämlich genau mit diesem Wissen zurück auf den Theoretiker,
zeigt sich von beiderlei Wirkung überzeugt und verknüpft theoretische und biographische
Gegebenheiten zu dem ihm üblichen Beziehungsgeflecht. "[N]iemand kann ihn [Schopenhauer] überhaupt denken", meint er, "indem er [ihn] nicht bereits lebte". 172 An Mathilde Wesendonk meldet er deshalb nach der Schopenhauer-Lektüre: "[K]lares Erkennen
kühlt das Leiden: die Falten glätten sich, und der Schlaf gewinnt wieder seine erquickende
Kraft".173 An Liszt: "[W]enn sie [die Stürme meines Herzens] noch jetzt oft zum Orkan
anschwellen – so habe ich [durch ihn, Schopenhauer,] dagegen doch nun ein Quietiv
gefunden, das mir endlich in wachen Nächten einzig zu Schlaf verhilft". 174 Daß die Wege
"sogar im Traum"175 zu Schopenhauer zurückführten, belegen Wagners Schriften, Briefe
und Cosimas Tagebücher hinreichend.176 Erkenntnis und Erlebnis verschmelzen demnach
zu einer Grunderfahrung. Und diese Grunderfahrung wiederum, jenes Empirem, das
besagt, "»Glückseligkeit«" sei nur dort zu finden, "»wo es kein Wo und Wann gibt«"177, wie
Wagner das noch 1880 in den Worten Schopenhauers ausführt, diese elementare
Erfahrung hat sich schließlich im Beethoven-Aufsatz abgesetzt und wird dort theoretisch
legalisiert. Es geht um nichts weniger als die Idealität des Zeit- und Raumlosen.
Wie andere programmatische Schriften Wagners auch, so ist die Beethoven-Studie nun
leider stark verklausuliert und dadurch nicht immer eindeutig. Sobald man sie aber von
ihren (weltanschaulichen) Schlacken befreit, ist erkennbar, daß Wagner im Grunde alles
aus einem einzigen Gedankengang entwickelt: Für den Schlaf des Künstlers im allgemeinen, für den des Musikers im besonderen, gibt es zwei Arten von Träumen, einmal den
tiefsten oder "innersten Wahrtraum"178, zum anderen den "allegorischen Traum".179
Im tiefsten Traum werden all jene Bilder und Zeichen produziert, die später die Kunst
instand setzen helfen; diese Signifikate sind zunächst allerdings noch völlig ungeordnet und
unvermittelbar. Die ganz "eigenen Formen der Wahrnehmung"180 konstituieren sich als
171 [Schopenhauer, 1946a], S. 472
172 Brief Richard Wagners vom 16. 12. 1854 an Franz Liszt. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1988a], S. 394. Man
kann Paul Bekker also recht geben, der über die Beethoven-Schrift sagte: "Sie ist das ergänzende Gegenstück
zur Autobiographie." [Bekker, 1924], S. 453
173 Brief Richard Wagners vom 22. 7. 1860 an Mathilde Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1915], S. 322
174 Brief Richard Wagners vom 16. 12. 1854 an Franz Liszt. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1988a], S. 394
175 [Reinhardt, 1986], S. 103
176 Ich verweise auszugsweise auf die Träume Nr. 395 und Nr. 505 meines Traumregisters, in denen
Schopenhauer in einer für Wagner typischen Form als Gesprächspartner erkennbar ist.
177 Was nützt Erkenntniß? [Wagner, 1883h], S. 334
178 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 132
179 Ebd., S. 92
180 Ebd., S. 86f.
123
das sogenannte "Traumorgan"181, welches ebenso ohne Verbindung zur Außenwelt existiert und allein von innen zur Tätigkeit angeregt werden kann. Das geschieht durch
Vorgänge, die sich "unserem wachen Bewußtsein [...] nur als dunkle Gefühle andeuten"182, durch die wir aber "der ganzen Natur unmittelbar verwandt"183 sind. Doch
strenggenommen bleibt das Traumorgan in sich unabhängig und funktional selbstreferentiell.
Nun bliebe aber durch diese wundersame Eigenständigkeit auch die Gesamtheit all der
verschlüsselten Äußerungen unverständlich, ja sie ginge sogar verloren, gäbe es nicht einen
Katalysator, der das Unbewußte mit dem Bewußten in Zusammenhang brächte. Diese
Übersetzungsarbeit übernimmt der zweite, der allegorische Traum, der die Einsichten des
tiefsten Traums als "Traumbild"184 an das Bewußtsein weitervermittelt. Als Träger der
"Traummittheilung"185 geht dieses Traumbild selbst direkt dem Wachzustand voraus und
entlädt sich in ihm. Im Moment des Erwachens entsteht damit die Musik als höchste
Kunstform, in einigen Fällen, zum Beispiel Shakespeares und Goethes, auch die Dichtung,
die laut Wagner in ihrer reinsten Äußerung allerdings der Musik nahekommt.
Läßt man das Erwachen als letzte und besondere Stufe innerhalb dieses Klassifikationsschemas noch außen vor – wir werden darauf zurückkommen –, so haben wir es demnach
mit zwei verschiedenen Schlafgebärden zu tun. In sich ist das bereits bedeutsam. Denn die
in Traumstufen gestaffelte Metaphorik des Schlafs behauptet sich als tiefgehend genug, um
den komplizierten, gar geheiligten Vorgang der Kunstproduktion nicht nur zu schildern,
sondern überhaupt dessen interne Mechanismen freizulegen. Wagner überschreibt dem
Schlaf alle ungeteilten Lebens- und Schaffenskräfte und spricht im Zusammenhang damit
nicht umsonst von einem "Wunder"186, was sich sowohl auf die Kapazitäten des Schlafs als
auch auf die Entstehung der Kunst anwenden ließe. Begriffsbildung also mit Netz und
Boden. Die Kunst aber, vor allem die Musik, sie werden reziprok durch all das zur
Abbildung, mehr noch, zur Deutung der Träume. Das musische/ musikalische Kunstwerk
beschreibt das Innerste, den Kern ohne Ummantelung. Die Musik wird zur "Kundgebung
des innersten Wesens aller Dinge"187, zu nichts geringerem als zur Wagnerschen "Offenbarung [...] vom Wesen der Welt". 188
<Begriff des 'tiefen Traums'>
Was in diesem Beziehungszauber der tiefe Traum bedeutet, dürfte klar sein, obschon er
zweifellos der geheimnisvollere von beiden ist: er entspricht dem 'wahrsten Wahn'. Er ist
die Substanz des künstlerischen Menschen. Dessen Innenwandung, der Urgrund, das Wesentliche. Zwar ist es aus Sicht der modernen Physiologie sachlich falsch, wenn Wagner
181 Ebd., S. 87
182 Ebd.
183 Ebd.
184 Ebd., S. 94
185 Ebd., S. 131
186 Ebd., S. 88
187 Ebd., S. 98
188 Ebd., S. 130
124
den tiefen Traum im Gegensatz zum leichten, dem Erwachen vorausgehenden allegorischen Traum als "Traum des tiefsten Schlafes"189 deklariert und gleichzeitig behauptet,
dies wäre die intensivere der beiden Traumphasen. Das Gegenteil ist der Fall. Der tiefe
Schlaf ist immer traumlos, der flache hingegen erst setzt die großen und bildintensiven
Träume frei. Möglich aber, daß Wagner hier mehr als nur einem Irrtum einem ganz
besonders konstruktiven Anachronismus erlegen ist, denn zu erstaunlich ist es, welch
festen Zugriff er auf die unscharfe Thematik erkennen läßt. Sein Lapsus wird geradezu
durch jene Beharrlichkeit neutralisiert, mit der er den Schlaf in mehrere Phasen unterteilt,
um aus diesem das Unterbewußte hervorzureizen. Am Ende entsteht ein 'Anachronismus
nach vorne', und zwar ein Anachronismus Richtung Freud. Und immerhin, das Unbewußte galt noch zu seiner Zeit als moralisch verdächtig, die Auseinandersetzung damit
(und mit Schopenhauer sowieso) als provokant. Und selbst wenn Wagner für sich den
"Mode-Philosophen"190 Eduard von Hartmann, der eine damals rasch weitergereichte
Philosophie des Unbewußten geschrieben hatte, ablehnte, vermutlich weil dieser den Stoff
seinem Empfinden nach entstellte, so verstörte es ihn tief, daß man Schopenhauers Lehre
nachsagte, sie führe einzig und allein "zum Selbstmord". 191 Vor allem hier witterte er
Unverständnis, hier bemühte er sich um Wiedergutmachung, und Wagners eigenen
psychoanalytischen Gehversuchen sollte man folglich einen gewissen Weitblick nicht
absprechen.
<Begriff des 'allegorischen Traums'>
Von Weitblick zeugen auch die Gedanken zum allegorischen Traum. Zur genaueren
Bezeichnung des tiefsten Traums geschaffen, übernimmt diese zweite Traumform die Vermittlung des Unbewußten.
Freilich ist auch dies wieder ein schwieriger Vorgang, in sich eine anfällige Prozedur.
Cosima schrieb einmal an Nietzsche, daß "die Philosophie, zur Deutung verflucht, der
Ur-Wahrheit gegenüber sich wohl verhalten mag, wie der allegorische Traum [...] zum
Traume des tiefen Schlafes."192 Heute würden wir sagen, daß dem vermittelnden Traum
die Last der eigentlichen 'Traumdeutung' überantwortet ist und daß es hier um ein Phänomen geht, das zu Wagners Zeit noch nicht einmal diesen Namen besaß, geschweige denn
die notwendigen wissenschaftlichen, medizinischen oder sozialen Voraussetzungen. Mit
dem Begriff der 'Allegorie' versucht Wagner deshalb, die methodischen Schwierigkeiten in
den Griff zu bekommen. Bereits in Staat und Religion hatte er 1863 behauptet, daß die
189 Ebd., S. 94
190 TB vom 26. 2. 1873. [Wagner, 1976a], S. 643
191 Ebd. (sic). Übrigens hatte Wagner Hartmanns Philosophie des Unbewußten von keinem geringeren als Nietz-
sche zu Lesen bekommen, und zwar genau im Jahr 1870. Cosima verzeichnete auch gleich, daß das Buch
"einen großen Widerwillen erregt" habe und fügt an: "Immer wieder kommt R. auf Schopenhauer's Größe
zurück." TB vom 25. 1. 1870. Ebd., S. 192. Nur zwei Tage später schreibt sie ergänzend an Nietzsche, ihr
schiene, daß das, was Hartmann "von Schopenhauer stiehlt [...] gut, und was er von sich hat schlecht ist."
[<Wagner, Cosima - Briefe>, 1938], S. 22
Dank an dieser Stelle an Elliott Eisenberg (Amsterdam), dem ich den lohnenden Hinweis auf Eduard von
Hartmann schulde.
192 Brief Cosima Wagners vom 12. 2. 1873 an Friedrich Nietzsche. [<Wagner, Cosima - Briefe>, 1940], S. 45
125
Allegorie "gewissermaßen eine Übertragung des Unaussprechlichen, nie Wahrgenommenen und aus unmittelbarer Anschauung Verständlichen"193 sei. Weiter heißt es, in der
heiligen Allegorie [werde] versucht, der weltlichen Vorstellung das Geheimniß der göttlichen
Offenbarung zuzuführen: sie kann sich zu dem vom Religiösen unmittelbar Angeschauten nur
dem ähnlich verhalten, wie sich der am Tage erzählte Traum zu dem wirklichen Traume der
Nacht verhält.194
Konzeptionell war die Idee der Allegorie demnach schon früh vorgeprägt. Man könnte
meinen, Wagner habe mit der Beethoven-Schrift bloß das noch einmal in neue Worte gefaßt, was ihn an anderer Stelle schon lange beschäftigte.
Warum aber ist der allegorische Traum nun so essentiell für die Entstehung von Kunst
und Musik? Sowohl der Traum als auch die Allegorie – beides jetzt verstanden als neutrale
begriffliche Größen – können Verwandlungen zulassen und sind imstande, Zusammenhänge entweder als Bilder zu veranschaulichen oder sie zu solchen zu verdichten. Beide
Phänomene generieren eine bildhaft belebte Darstellung und kommen dem musikalischdramatischen Kunstwerk (Wagners) auf halbem Wege entgegen. Laut Ralf Eisinger, der
sich eingehend mit dem Themenkomplex beschäftigt hat, erlaubt nicht nur der Traum,
sondern auch die Allegorie die Transformation in verschiedene Seinszustände, welche
wiederum – von der Personifikation abstrakter und symbolischer Sachverhalte ausgehend
– im musikalischen Drama in verschiedene Zeichenebenen gestischer, bildlicher, sprachlicher und musikalischer Natur umgesetzt und gegeneinander gesteigert werden. 195 Allegorie, Traum, allegorischer Traum, sie liefern ein Abbild des Unabbildbaren, und zwar ohne
dieses unsachgemäß (und ganz entgegen der Wagnerschen Theaterästhetik) zu psychologisieren. Wagner insistiert hier hartnäckig auf dem Unterschied zwischen einem reellen,
psychologischen und einem allegorischen Traum, obwohl er sonst keine Zweifel daran
läßt, daß Träume eine physiologische, "nach innen gerichtete[...] Funktion des Gehirnes"196 seien und "cerebrale Befähigung"197 haben können. Was den allegorischen Traum
aber betrifft, so will er "immer nur das Verfahren festhalten [...], mit welchem wir das
Phänomen des Traumes analogisch, nicht aber mit diesem es identifizirend, auf die Entstehung der Musik als Kunst"198 anwenden. Und das ist so verwunderlich nicht, mußte
doch der allegorische Traum ein "den gemeinen Erfahrungen des Lebens"199 verwandtes
Bild, keinesfalls aber einen mit diesen identischen Klartext liefern. Noch einmal wird
unterstrichen, daß der Prozeß der Kunstproduktion nur jenseits der Realität einsetzen und
daß er mit alltäglichen Mitteln weder beschreib- noch erklärbar sein kann.
193 Staat und Religion. [Wagner, 1873j], S. 29
194 Ebd., S. 29f.
195 Siehe: [Eisinger, 1987], S. IIff.
196 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 86
197 Ebd., S. 98
198 Ebd., S. 117
199 Ebd., S. 132
126
Die Idee des Bildes wird somit zu einem Kernstück der Wagnerschen Kunstästhetik.
Allerdings, auch das wieder scheint unlogisch, denn es soll ja um Musik gehen. Das Bild
aber, das Wagner vorschwebt, ist kein Konterfei, es ist eine personifizierte Traumerscheinung – eine traumartige, musische Verdichtung. Darin liegt die über Wagners Epoche
weit hinausreichende Erkenntnis, daß ein Traum nicht allein durch einen (in sich
bedeutungsschwachen oder bedeutungsleeren) katalytischen Reiz hervorgeholt, sondern
daß er erst durch eine eigengesetzliche, symbolische Form vermittelt werden kann. Die
vom "tief erregenden Traume übrig bleibende Vorstellung [ist] eigentlich nur eine
allegorische Übertragung". 200 Wenn man nicht davon ausgeht, daß die Träume bereits
ihre eigene Deutung sind, und davon geht Wagner nicht aus, dann wird man ihrer nur
habhaft, wenn man an ihrer Statt ein Substitut akzeptiert.
Und Wagner akzeptiert dieses Substitut, mehr noch, er widmet dem Substitut künstlerisch mehr Aufmerksamkeit als dem, was dies zu substituieren hat. Nur so aber konnte
das Wagnersche "(Traum-)Bild"201 generell zu einem Zeichen der Kunst und speziell zu
einem Zeichen des Theaterhaften werden, denn: die "Allegorie kann [...] leibhaftig im
Drama auf der Bühne erscheinen"! 202 Und sie muß doch nichts preisgeben von jenem
höheren Prinzip, das sie vertritt. Sie schließt nichts aus, so könnte man auch sagen, sondern schließt alles mit ein. Ergebnis: Korrelierte noch der tiefe Traum mit dem 'wahrsten
Wahn', so kann der allegorische Traum plötzlich mit den 'Wahrtraum-Gestalten' in
Zusammenhang gebracht werden! Ein Zufall ist es nicht, daß Wagner die Kunst in ihrer
allgemeinsten Form genau in dieser Bedeutung verstanden wissen wollte; sie müsse eine
schwerelos schwebende, symbolisch angefüllte Lichtgestalt sein, ein durch den Traum
gewonnenes, sichtbar gewordenes Bild der Musik. Tatsächlich sind es ja dann auch die
'Wahrtraum-Gestalten', die, aus dem Wissen eines 'tiefsten Künstlertraums' erschaffen, die
Bühne der Wagnerschen Musikdramen bevölkern werden – szenisch-bildliche Repräsentanten des 'wahrsten Wahns'.203
<Gesichtssinn>
Aber lag hinter der Idee des Bildes nicht doch noch ein Widerspruch? Gerade im Sinne des
Schlafmotivs, das seine Bedeutung verliert, sobald es um die sichtbare Welt geht, müssen
wir besonders aufmerksam sein. Denn das Theoriengebäude Wagners fußt nicht nur auf
der Idee vom 'Traum-Bild, jenem Bild hinter den Bildern. Wagner versetzt dieses
'Traum-Bild' sogar mit Metaphern des Auges, des Blicks und des Sehens, und er bemäntelt
hier überhaupt nichts.204
200 Staat und Religion. [Wagner, 1873j], S. 30
201 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 98
202 [Eisinger, 1987], S. VII
203 Es ist aber also bei weitem keine Arroganz und kein selbstverliebter Spieltrieb gewesen, sondern tiefe
Einsicht des Regietheaters, daß man Wagners Musikdramen als Licht-Spiele zu inszenieren begann. Wer ist
'man'? Ich nenne nur die wichtigsten Namen: Appia und Craig, Roller und Mahler, Wieland und Wolfgang
Wagner, Heiner Müller und Robert Wilson und jetzt wohl auch Marthaler und Viebrock.
204 Tatsächlich ist das Ganze ein eigener Motivkomplex, der nicht nur in der Beethoven-Schrift, sondern
immer wieder an vielen, äußerst prägnanten Stellen im Wagnerschen Œuvre auftaucht und der folglich
dringend die Zuwendung bräuchte, die man ihm bislang versagt hat.
127
Zur Grundlage: Um träumen zu können, müssen die Augen bekanntlich geschlossen sein,
im mindesten sollte der Blick unscharf werden, soweit es sich um Tagträume handelt. Die
Voraussetzung für Wagners Kunstbegriff liegt deshalb darin, daß der Künstler fähig sein
muß, seinen äußeren Gesichtssinn zu "depotenzir[en]". 205 "Alle Täuschung [...] ging eben
nur aus dem Sehen einer Welt außer uns hervor". 206 Bezeichnenderweise hatte er, Wagner, als einmal "eine Gesellschaft armer Blinder" für ihn musizierte, sich tatsächlich kaum
mehr von diesen trennen können, weil "man [so erst] die Macht der Musik [empfinden
könne]!"207 Der Schlaf kann in dieser Hinsicht als eine Art 'gesunder Blindheit' gelten.
Weil sich mit ihm das Auge schon rein mechanisch vor der Außenwelt verschließt, scheint
er genau jener Automatismus zu sein, der die Entstehung einer anderen, besseren Welt
wie von selbst in Gang setzt und die Genese der Kunst auslöst.
Nun ist für Wagner aber auch im Nietzscheschen Sinne das Träumen vor allem "die
auswählende Fortsetzung der Augenbilder"208 – in Mein Leben bringt er das eigene
Traumleben mit der "Affektion der Sehkraft"209 in Verbindung –, und so wird das
geschlossene äußere Auge plötzlich im Umkehrschluß zur Voraussetzung für das innere
Sehen. Das Erkennen der Welt und die "innere[...] Anschauung der Idee"210, sagt Wagner, kann "nur diesem nach innen gewendeten Bewußtsein ermöglicht sein [...], wenn
dieses zur Fähigkeit gelangte, nach innen [...] hell zu sehen". 211 "Der wahre Dichter soll
nun aber kommen, der mit dem hellsehenden Auge".212 Der Romantiker Wagner schreibt
damit freiweg die Theorie des "sogenannten »zweiten Gesichtes«"213, er erhebt den "Zustand des Hellsehens"214 zur Keimzelle der Kunstproduktion und den Somnambulismus
zum Idealzustand des Künstlers. Die oft erwähnte, aber auch oft angezweifelte, besonders
in der Theaterarbeit leider zu oft bagatellisierte und szenisch kupierte vegetative Nachtwache Hagens aus dem 2. Aufzug der Götterdämmerung, das ist eigentlich die Lebenshaltung,
die Wagner dem Künstler verordnen will. Nicht geht es um Traumverlorenheit, nicht ums
Zurücksinken, nicht um Dämpfung des Lebenstriebes, nicht um Wotan-Gefühle. Ziel sei es
vielmehr, mit "offenen Augen in den Zustand [zu] gerathen, welcher mit dem des
somnambulen Hellsehens eine wesentliche Ähnlichkeit hat". 215 Wagner läßt keine Zweifel
daran offen, daß sich dies sogar steigern lassen müsse zu nachtwandlerischer Hyperaktivität.
Von sich selbst weiß er, daß "so ein Musiker, während er komponiert, [...] einem wahnsinnigen somnambulen Zustand [verfällt]."216 Bereits 1859, noch auf dem Weg zur eige205 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 93
206 Ebd., S. 88
207 TB vom 7. 5. 1875. [Wagner, 1976a], S. 915f.
208 Nachgelassene Fragmente. [Nietzsche, 1988j], S. 447
209 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 642
210 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 82
211 Ebd., S. 86
212 Oper und Drama. [Wagner, 1872f], S. 175
213 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 131
214 Ebd., S. 92
215 Ebd., S. 94
216 TB vom 25. 2. 1870. [Wagner, 1976a], S. 202
128
nen Traumtheorie, heißt es: "O Himmel! ich erkenne ihn: dies ist der Weg zur Heiligkeit!
Das Leben, die Wirklichkeit immer traumartiger: die Sinne erstumpft; das Auge – weit
geöffnet – sieht nicht mehr"217 und rund ein Jahr später:
Es muß da einen unbeschreibbaren inneren Sinn geben, der ganz hell und tätig nur ist, wenn
die nach außen gewendeten Sinne etwa nur träumen. Wenn ich eigentlich nicht mehr deutlich
sehe, [...] ist dieser Sinn am tätigsten. 218
Schlafend wach zu sein, das ist gleichbedeutend mit dem "(geistige[n]) Erschauen der
Ideen".219 Die Kunst kann demnach nicht ohne Schlaf, mit diesem aber nur wieder in
paradoxem Verhältnis zu ihm erzeugt werden. Es geht jetzt darum, zu "verstehen, ohne
[...] zu sehen."220
<Hörsinn>
Zweifellos hat Wagner damit nicht nur den Gipfel seiner kunstphilosophischen Gratwanderung erreicht, erreicht hat er vor allem die tiefste Tiefe des Unbewußtseins. Und hier,
wo die Logik der Dinge aussetzen darf, leitet er jene Kehrtwende ein, mit der sich das im
Schlaf entstandene Kunstwerk nun wirklich nach außen katapultieren ließ: Dicht
verknüpft mit der Idee vom offenen Auge, das nichts mehr und dem geschlossenen, das
Alles sieht, bringt er die Erklärung von der Konzeption der Töne. Die eigene, hochdramatische und weithin berühmt gewordene Halbschlaf-Vision für das Rheingold, durch die
er selbst ehedem in La Spezia zu den ersten Klängen seines Ring-Zyklus' gelangt war, wird
nun gewissermaßen erkenntnistheoretisch fundiert. Zur Erinnerung: "Am Nachmittag
heimkehrend", so schildert er es,
streckte ich mich todmüde auf ein hartes Ruhebett aus, um die langersehnte Stunde des Schlafes zu erwarten. Sie erschien nicht; dafür versank ich in eine Art von somnambulen Zustand, in
welchem ich plötzlich die Empfindung, als ob ich in ein stark fließendes Wasser versänke,
erhielt. Das Rauschen desselben stellte sich mir bald im musikalischen Klange des Es-durAkkordes dar, welcher unaufhaltsam in figurierter Brechung dahinwogte; [...] Mit der Empfindung, als ob die Wogen jetzt hoch über mich dahinbrausten, erwachte ich in jähem Schreck
aus meinem Halbschlaf. Sogleich erkannte ich, daß das Orchester-Vorspiel zum Rheingold, wie
ich es in mir herumtrug, doch aber nicht genau hatte finden können, mir aufgegangen war;
und schnell begriff ich auch, welche Bewandtnis es durchaus mit mir habe: nicht von außen,
sondern nur von innen sollte der Lebensstrom mir zufließen. 221
Der tiefe Traum, durch besonders flachen Schlaf erzeugt, wird hier geradezu prototypisch
mit jenem gesteigerten Höreindruck in Verbindung gesetzt, der im allegorischen Traum
formal eine Entsprechung hat. Schlaf oder Halbschlaf, Versenkung im Traum und das
217 Tagebucheintrag Richard Wagners vom 4. 4. 1859 an Mathilde Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>,
1915], S. 155
218 Brief Richard Wagners vom 1. 1. 1860 an Mathilde Wesendonk. Ebd., S. 278
219 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 88
220 Ebd., S. 95
221 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 511f.
129
innere Sehen, so resümiert Wagner in der Beethoven-Schrift, reizen also in letzter Konsequenz den Hörsinn und erzeugen im Künstler den Ton – das "nach innen gewendete[...]
Auge [wird] nach außen gerichtet zum Gehör". 222 Musik wird zum "unmittelbare[n]
Traumbild".223
Natürlich ist all das schwer nachvollziehbar, selbst wenn man die Möglichkeit eines
synästhetischen Erlebens nicht von sich weist. Doch selbst die Vision von La Spezia
scheint zunächst ein wenig zu erhitzt – zu gedrängt, fast gestaucht, wirken die sinnlichen
Eindrücke. In der Tat ist es so, daß Wagner sich auch genau hier, an dieser kritischen
Stelle, abrupt von seiner Schopenhauerschen Vorlage emanzipiert hat; er zwingt die eigene Theorie der telepathischen Hör- in dessen Theorie der telepathischen Seherlebnisse
förmlich hinein. Allerdings, ganz so mutwillig wie es scheint, sind Wagners Direktiven am
Ende doch nicht. Aus der heutigen Schlafmedizin weiß man, daß Träume durchaus von
akustischen Signalen beeinflußt werden können und daß sie sich auch in diesen entladen.
Ebenso basiert die Psychoanalyse auf dem akustischen, nicht auf dem optischen Kontakt
zwischen Träumendem und Traumdeuter. Für die Physiologie ist es ohnehin kein
Novum, daß das menschliche Hörorgan selbst Töne produziert und daß es diese deshalb
nicht nur empfangen, sondern ebenso aussenden kann – ein Phänomen, das mit dem
Vorgang des 'inneren Hörens' zusammenhängt und unter dem Begriff der 'Otoemission'
untersucht wird. Wagner weist also wieder in die richtige Richtung. Daß der Verzicht auf
das herkömmliche, analytische Sehen, welches "uns kalt und theilnamslos läßt"224 und daß
das Schlafen und die innere Anschauung Bilder freisetzen, die verfließend ihre Konturen
aufgeben und deshalb eher mit der Terminologie der Musik als der der Optik beschreibbar
sind, selbst das ist eigentlich einleuchtend. Wagner kann diesen Verflüssigungsprozeß sogar
erkenntnisphilosophisch einordnen, kennt ihn also nicht nur als Komponist und schildert
ihn glaubhaft:
Ich hab' das Auge nur noch, um Tag oder Nacht, hell oder düster, zu unterscheiden. Es ist
wirklich ein Absterben gegen außen und nach außen: ich sehe nur noch innere Bilder, und die
verlangen nur nach Klang.225
Überhaupt gibt es "für den Musiker [...] kein Sehen, keine Außenwelt"226, so sagt er. Und
natürlich ist das Ohr, selbst wenn das äußere Auge schon geschlossen ist, noch immer
offen. Insofern ist es – laut Wagner – mächtiger als das Auge und taugt noch unmittelbarer
dazu, das Innerste nach außen und das Äußere nach innen weiterzuleiten. Die Bilder, die
der tiefste Traum freisetzt und der allegorische delegiert, sind zwar effiziente Katalysatoren
der Kunst, genaugenommen aber nur eine Welt, aus der eine "zweite, nur durch das Ge-
222 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 98
223 BB [zwischen 3. und 19. 7. 1870]. [Wagner, 1988b], S. 210
224 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 89
225 Brief Richard Wagners vom 21. 12. 1861 an Mathilde Wesendonk. [<Wagner, Richard – Briefe>, 1915],
S. 386
226 TB vom 27. 11. 1879. [Wagner, 1977], S. 451
130
hör wahrnehmbare, durch den Schall sich kundgebende Welt"227 evolviert. Die Schallwelt
verhält sich dabei zur Lichtwelt wie "der Traum zum Wachen". 228 Darum: Das Unbewußte des Unbewußten zu rezipieren, dazu ist allein das Gehör fähig, und zwar weil "keine Täuschung, wie im Scheine des Lichtes, [...] hier möglich [ist]"229; nur der Ton kann
"als unmittelbare Äußerung des Willens"230 zum getreuesten Abbild des 'wahrsten Wahns'
werden.
Töne und allegorische Träume haben in Wagners Musikästhetik demnach nebeneinander Bestand, bloß mit unterschiedlichem Effekt. Formulierungen wie " 'Sehkraft' [...] des
Gehöres"231 oder "Wachen [der] inneren Tonwelt"232 kommen plötzlich zu ihrem Recht
– Wagner hatte mit wechselndem Fabulierglück immer nur wieder das für die Entstehung
der Kunst nötige Spiel der Sinne und deren Steigerungskraft zu fassen versucht. Auch das
auf Wagner zielende Diktum Nietzsches: "Der dramatische Musiker muß nicht nur
Ohren, sondern auch Augen in den Ohren haben"233 kann so verständlich werden. Selbst
diejenige einigermaßen delikate Stelle in der Beethoven-Schrift, an der Wagner die eigene
Traum- und Musiktheorie auf den historischen Beethoven anzuwenden sucht, wird
ungefähr einordbar: Wo Beethovens Taubheit als Beweis für die Hellhörigkeit des
Musikers herangezogen wird, da müssen wir das wohl verstehen als Rekurs auf die innere
Sehschärfe und "Selbst-"234 bzw. "Weltschau"235 eines für die Erlebnisse des Traums privilegierten Künstlers. Es ist bezeichnend, daß Cosima ausgerechnet im Jahr 1871, also kurz
nachdem Wagner die Niederschrift seiner Beethoven-Studie fertiggestellt hatte, ernsthaft
glaubte, dessen eigenes Hörvermögen lasse nach. 236 Hier behauptet sich das Ausmaß einer
Theorie, gemäß derer die Taubheit eine auserwählte, schöpferische Krankheit sei. In der
Überlagerung von Bild und Ton, Sehen und Hören, Auge und Ohr ging es jedenfalls stets
darum, daß der "Mensch [...] ein äußerer und ein innerer [ist]. Die Sinne, denen er sich als
künstlerischer Gegenstand darstellt, sind das Auge und das Ohr: dem Auge stellt sich der
äußere, dem Ohre der innere Mensch dar."237 Und diese Überlegung wird dann lediglich
soweit zugespitzt, daß Traumbilder zu Hörerlebnissen werden können – eine Vorstellung,
die nicht nur auf die biographisch zentrale Initialvision des Rheingold zurückverweist, sondern die später zum unsichtbaren und nur hörbaren Orchester, ja die zur Abdunklung des
Zuschauerraums im Bayreuther Festspielhaus führen wird. Weiter unten werden wir das
verifizieren.
227 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 87
228 Ebd., S. 87
229 Ebd., S. 90
230 Ebd., S. 86
231 Oper und Drama. [Wagner, 1872f], S. 170
232 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 112
233 Nachgelassene Fragmente. [Nietzsche, 1988k], S. 335
234 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 101
235 Ebd., S. 110
236 Siehe: TB vom 5. 9. 1871. [Wagner, 1976a], S. 434
237 Das Kunstwerk der Zukunft. [Wagner, 1872c], S. 78
131
Nietzsche beschreibt exemplarisch, wie die Dialektik der Sinne in der Wagnerschen
Kunsttheorie zustande kommt:
[I]n Wagner will alles Sichtbare der Welt zum Hörbaren sich vertiefen und verinnerlichen und
sucht seine verlorene Seele; in Wagner will ebenso alles Hörbare der Welt auch als Erscheinung für das Auge an's Licht hinaus und hinauf, will gleichsam Leiblichkeit gewinnen. Seine
Kunst führt ihn immer den doppelten Weg, aus einer Welt als Hörspiel in eine räthselhaft
verwandte Welt als Schauspiel und umgekehrt [...].238
Sicher hatte Wagner auch begriffen, daß eine Sinneserscheinung besser als durch sich selbst
durch einen ihr gegengelagerten Sinn beschrieben werden kann. Und so konnten und
sollten sich die Sinne innerhalb des ultimativen Kunstwerks ja auch gar nicht gegenseitig
aufheben – sie sollten sich statt dessen zu gegenseitiger Steigerung ineinander vermengen.
Dem Ton freilich kommt im Entstehungsprozeß dieses dann sogenannten 'Gesamtkunstwerks' die Aufgabe zu, den Künstler das sehen zu machen, was der tiefste Traum ihm
aufwirft, ohne daß er es mit den begrenzten Mitteln seines Sehorgans entziffern müßte.
Hellsichtigkeit wird zu Hellhörigkeit. Lediglich um ein Quentchen besser als durch den
allegorischen Traum also, allerdings um das entscheidende, kann das Werk des Künstlers
als das "Gesicht[...] der hellsehend gewordenen Somnambule" über den "Kanal [...] der
Klangwelt"239 nach außen getragen werden. Wie die Töne zwar rein physiologisch im träumenden Künstler entstehen, das konnte auch Wagner nicht mehr erklären. Auch ihm
fehlten hier (noch) die Begriffe. Daß aber dem Ton im Sinnenreich des Künstlers eine
elitäre Funktion zugesprochen und damit vor allem anderen das Werk des Musikers
bezeichnet wird, das ist der latente Sinn der Beethoven-Schrift. Wobei es falsch wäre zu
behaupten, Wagner hätte den übrigen Künsten und Künstlern nur in einem Scheingefecht
dieselben sinnlichen Möglichkeiten zugesprochen. Im Gegenteil. Doch das Traumbild
wird nach Wagners Kunsttheorie nahezu automatisch musikalisiert. Je tiefer der Künstler
in sich selbst dringt, das heißt je besser er in seiner Kunst wird, je genauer er das Innerste
abgreift, desto eher werden in ihm Töne entstehen. Ein unausweichlicher Vorgang. Weil
der Ton eben nicht mimetisch ist und keine Täuschung über das Innerste zuläßt, gilt
gemäß der Beethoven-Schrift die Musik als die ultimative Kunstform und der Musiker als
der ultimative Künstler, zu welchen sich entsprechend die übrigen Künste und Künstler
ins Verhältnis setzen müssen. Daß die Kunst das 'Lied der geblendeten Nachtigall' sei, wie
Wagner es ausdrückte (und wie es übrigens Jossi Wieler in seiner Stuttgarter SiegfriedInszenierung darstellte – seine Nachtigall war blind), erklärt sich jetzt fast von selbst. Denn
wird die Nachtigall, die ja als Wesen der Dämmerung kaum je zu sehen ist und für uns
allein durch ihre akustischen Signale lebt240, wird diese Nachtigall durch Blendung zusätz-
238 Richard Wagner in Bayreuth. [Nietzsche, 1988n], S. 467
239 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 132
240 ...wie übrigens für sich die Fledermaus...
132
lich ihres Sehsinns enthoben, so singt sie noch schöner, noch genuiner. Sie ist das rein
akustische Tier – wie der Musiker. 241
Die Bedeutung des Schlafs für all diese auditiven Komponenten der Wagnerschen
Traumtheorie liegt darin, daß er den Menschen außer Kraft und Bewußtsein setzt, ohne
ihn jedoch reizunempfindlich zu machen; Schlaf stellt die optimale Vorbedingung her für
die Resonanz zwischen dem Innen und Außen. Durch das im Schlaf weit geöffnete
"Thor"242 des Gehörs können die Eindrücke der äußeren Welt direkt in das Unbewußtsein einsickern, können dort in den Wahrtraum umgewandelt frei strömen, vom Ton
aufgefangen und verfeinert zurück an die Schwelle des Bewußtseins getragen werden, wo
sie sich entladen als das unbewußteste aller Kunstwerke: das musikalische. Rechnet man
die Leistung des allegorischen Traums und der Bilder, die dieser für sich aus dem tiefsten
Traum heraufholt, wieder hinzu, so entsteht zu guter Letzt das idealtypische, das musikdramatische – das Wagnersche Kunstwerk, kurz, das 'unsichtbare Theater'. Die Träume
stellen die substanzlose Substanz der Wagnerschen Bühne dar. Der Schlaf hält deren
Szenarien wie hinter einer blinden Scheibe zurück in einem Bereich, der mit Augen nicht
zu erfassen ist.
<Begriff des 'Erwachens'>
Einen Beweis für das im Künstler zirkulierende Traum- und Tonleben erbringt als dritte
und letzte Stufe in der Wagnerschen Kunsttheorie das Erwachen. Nach der Innenschau, der
Konzentration auf das Unbewußte und dem Ausströmen der Träume dort wird das im
tiefsten Schlaf geschaute musikalische Bild erst durch den Moment des Erwachens real –
erst der Wache kann vom Traum berichten. Strukturell ähnelt dieser Vorgang sehr jener
Auseinandersetzung zwischen Erda und dem Wanderer, die den 3. Aufzug des Siegfried
einleitet: Das Geheimwissen der Träume, über das die Wala als Weltweise waltet, kann
nicht (mehr) anders als durch ihr Erwachen vermittelt und für den Lauf der Welt fruchtbar
gemacht werden. 243 Gemäß der Beethoven-Schrift entsteht also die Kunst allein dann,
241 "Gestern träumte ich von einem Vogel der nicht von meinem Schreibpulte fortwollte, und immer sich
daran klammerte." Vielleicht war es also eine Nachtigall, über die Wagner hier nachdachte. BB vom
20. 9. [1867]. [Wagner, 1988b], S. 108
242 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 91
243 Auf einem anderen Blatt müßte ergänzt werden, daß auch das Werk selbst, daß der Ring des Nibelungen mit
dem 3. Akt Siegfried (wieder-)erwacht und auf diese Art manifestiert, was lange nur ein Traum gewesen war:
Hatte Wagner die Komposition des Siegfried 1857 unterbrochen, so nahm er sie bekanntlich erst 12 Jahre später 1869 nach der Tristan- und Meistersinger-Einschaltung wieder auf, um sie zu einem Ende zu bringen. Kein
Zufall allerdings scheint es mir da zu sein, daß jene berühmte Zäsur formal an genau jener Stelle plaziert ist, die
auch inhaltlich einen Übergang vom Schlafen zum Wachen thematisiert. In einem Brief Richard Wagners vom
28. 6. 1857 an Franz Liszt heißt es: "Für diesmal habe ich mir Zwang angetan; ich habe mitten in der besten
Stimmung den Siegfried mir vom Herzen gerissen und wie einen lebendig Begrabenen unter Schloß und Riegel gelegt. Dort will ich ihn halten, und keiner soll etwas davon zu sehen bekommen, da ich ihn mir selbst
verschließen muß. Nun, vielleicht bekommt ihm der Schlaf gut; für sein Erwachen bestimme ich aber nichts,
und weder Härtels noch Euer Großherzog – selbst Regierungsrat Müller nicht – sollen ihn ohne mein bon
plaisir wieder erwecken dürfen." [<Wagner, Richard - Briefe>, 1988a], S. 526. Sehen wir auf das, was Wagner zum Zeitpunkt dieser Bemerkung möglicherweise selbst noch nicht gesehen hatte, so behauptet sich hier
die Einheit von Schöpfungsvorgang und Geschöpftem. Denn genau so, wie der Wanderer die Wala, so sollte
auch Wagner sein Werk schließlich mit Macht aus dem Schlaf reißen und die Realität des Endes quasi in dieses hineinzwingen. Die ersten Versuche dazu kommentierte Cosima folgendermaßen: "[M]it welcher Freude
sehe ich den Freund an seinem geheimnissvollen wunderreichen 'Webstuhle', wo er die mit Gewalt zu Schlaf
133
wenn das, was durch den allegorischen Traum vom jenseitigen Ufer des Bewußtseins herandrängt, ins Diesseits übersetzt wird. Von höchster Signifikanz ist dabei, daß diese
Entladung laut Wagner auch durch ein akustisches Signal geschieht, durch einen "Schrei"244
nämlich, der im Vergleich zum Traum, den er anzeigt, sogar "die allerunmittelbarste
Äußerung des Willens"245 ist. Der "[Eintritt] in die Schallwelt"246 kann sich zwar in "allen
Abschwächungen seiner Heftigkeit bis zur zarteren Klage des Verlangens"247, gar "bis zur
Übung des tröstlichen Spieles der Wohllaute"248 äußern – fast könnte man meinen, es
ginge um eine Vorform des Gesangs – Wagner aber macht klar, daß es sich unter allen
Umständen um einen sehr mächtigen Eindruck handelt. Vergleichen wir noch einmal mit
Erda: Den Schlaf als Urgrund verlassen und die Augen aufschlagen zu müssen, das ist für
sie deshalb ein solch gewaltsamer Einschnitt, weil der Tag das Ende ihrer Kunst, des
nächtlichen Wissens, und das Ende ihrer kreativen Blindheit bedeutet. Entsprechend
brachial ist nicht nur die Musik in dieser Erweckungsszene. Oft wird der Wala auch in der
szenischen Umsetzung – erscheint sie dort erst einmal mit Augenbinde, Körpermaske oder
in Tücher eingehüllt – die Schutzkleidung herabgerissen, was nicht selten einer Vergewaltigung gleichkommt. Ihren nicht vertonten Hilferuf "Friedloser,/ laß mich frei!/ Löse des
Zaubers Zwang!"249 könnte man gar als 'Schrei' deuten; immerhin steht er wörtlich in
Verbindung zum ersten ihrer Verse in dieser Szene ("Stark ruft das Lied;/ kräftig reizt der
Zauber;/ ich bin erwacht"250) und ist selbst das Letzte, was wir von ihr hören (sollten).
Der Eintritt in die Tagwelt ist qualvoll wie ein Geburts-, im Falle Erdas wie ein Sterbevorgang. Und parallel dazu also das surreale Traumleben des Künstlers: Auch dieses
erzeugt einen konstanten kreativen Überdruck, kann doch aber nur wieder durch eine
winzige Kanüle hindurch Wirklichkeit werden. Der Schrei, der uns dem Erwachen ausliefert, ist ein Schmerzenslaut. Allerdings suggeriert Wagner gelegentlich auch das umgekehrte Erklärungsmodell. Danach können uns ebenso üble Träume gefangenhalten, aus
denen wir uns so heftig nach dem Erwachen sehnen, daß wir nach diesem zu rufen begebrachten Welten wieder erweckt." Brief Cosima von Bülows vom 14. 10. 1865 an Ludwig II. [<Wagner, Cosima - Briefe>, 1996], S. 45. Wer möchte, könnte die Klammer sogar noch weiter ansetzen. Bezogen auf das
Schicksal Siegfrieds und jene Takte, mit denen Wagner diesen "unter der Linde" zurückgelassen hatte, geschieht die (Wieder-)Erweckung der Komposition konkordant zur Erweckung der Walküre, für die der junge
Siegfried ehedem ja überhaupt auf den Plan gerufen worden war. Drei Erweckungssequenzen also hintereinander – in Siegfried 2, 3 die 'Erweckung' der frühlingshaften Natur und des Knaben Siegfried zum handlungstragenden Manne, in 3, 1 die Erweckung der Wala (Muttergottheit) und in 3, 3 die Erweckung Brünnhildes
(Kindgeneration). Dramaturgisch ist das eine bemerkenswerte Ballung, vielleicht sogar eine Stauung, die psychologisch über jenen Bruch von 12 Jahren hinwegtäuschen konnte, der musikalisch gar nicht mehr zu verleugnen war. Und diese Unruhe und Wechselwirkung zwischen Produkt und Produktion, all das ist keineswegs nebensächlich, wie ich meine, greift doch die spielbestimmende Metaphorik ebenso auf andere Passagen
und Werke des Wagnerschen Œuvres über. Diese zu erläutern, ist hier allerdings kaum mehr möglich. Da ich
für die vorliegende Arbeit eine Werkanalyse aus methodischen Gründen aussparen mußte, muß ich nun auch
unterdrücken, was aus meiner Sicht dringend geleistet werden müßte: die Untersuchung der Duplizität von
formalen und inhaltlichen Gestaltungskriterien in Wagners Werk mit Bezug auf dessen Schlafbildlichkeit.
244 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 87
245 Ebd., S. 88. (Hervorhebung von der Verf. J. D.)
246 Ebd., S. 87
247 Ebd., S. 88
248 Ebd., S. 94
249 Siegfried, 3, 1. [Wagner, 1998b], S. 98
250 Ebd., S. 94
134
ginnen. An Liszt schrieb er einmal: "[D]er Ruf an Dich war mir so nötig, wie der Schrei
dem aus einem quälenden Traume nach Erwachen Ringenden."251 Vermutlich ist das der
Moment, in dem der eruptive Schrei in das 'tröstliche Spiel der Wohllaute' decrescendiert;
dies dürfte dann von jener Lieblingsidee Wagners inspiriert worden sein, gemäß derer uns
die aus Träumen freigesetzte Kunst erlöst.
Eigentlich ist das Erwachen, so dramatisch wie Wagner es in der Beethoven-Schrift beschreibt, in sich schon ein Dramolett, und zwar ein Dramolett mit allen notwendigen Ingredienzen: Exposition (Schlaf), Steigerung (Traum), Klimax (Ton) und Katharsis (Kunst).
Vielleicht ist es viel mehr noch als das, vielleicht ist es das Wagnersche Musikdrama in a
nut-shell. Was Nietzsche über Schopenhauer sagte, läßt sich auf Wagner übertragen:
"Musik – [er] erkennt ihr Wesen./ Traum, in den schon das wache Leben hineinspielt."252
Wo es enger gefaßt um das akustische Signal des Aufwachens geht, welches Wagner als
Folge und Ausdruck jenes Tons begreift, den der Künstler im Traum erzeugt, so könnte
man geradezu von einem 'Erwachen des Wagnerschen Musikdramas aus dem Geiste des
Tons' sprechen. Dem Erwachen kommt folglich eine Schlüsselfunktion zu, genaugenommen läßt sich der revolutionär-utopische Gehalt dieses Erwachens hier gar nicht mehr
wegblenden. Denn das Schrei/ Ton/ Klang/ Musik gewordene Traumbild soll uns nach
Wagners Vorstellung natürlich nicht in die bestehende, sondern in eine höhere Wirklichkeit hineinkatapultieren, ja, es ist bereits diese höhere Wirklichkeit. Erwachen ist gleichbedeutend mit dem Erwachen zum Besseren und bildet, soweit wir den Vergleich von
oben wieder aufnehmen wollen, die Blüte an der Pflanze, welche der Humus des
Unbewußten hervorgetrieben hat. Zu erwachen, das wird nach Wagners Verständnis zu
einer Chiffre für die Kunst per se, die das 'Prinzip Hoffnung' immer impliziert.
<Der Künstler träumt und wacht>
Daß diese Wellenschläge vom Tag zur Nacht, vom Schlaf zum Erwachen keiner nur turnusmäßigen Auf- und Abwärtsbewegung folgen, sondern Fortbewegung bedeuten, das
setzt uns Wagner in seiner Beethoven-Schrift dann tatsächlich an Beethoven selbst auseinander. Die gesamte Theorie des musikalischen Hellsehens wird auf einen Kompositionspassus Beethovens gespiegelt, der wiederum parallelisiert ist mit einem "ächt[en]"253
Tagesablauf des "Meisters". 254 Sicher sollte dabei nicht der empirische Alltag Beethovens,
wohl aber dessen durch das Leben gefilterte Kunstproduktion bezeichnet werden. Wagner
hofft, auf dieser Weise einen pseudo-natürlichen Beweis von der Überlegenheit des
Traumkünstlers und der Traumkunst beibringen zu können, kaum daß jene behauptet
251 Brief Richard Wagners vom Jan. 1858 an Franz Liszt. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1988a], S. 547. Vgl.
hier auch TB vom 1. 7. 1873. [Wagner, 1976a], S. 701, wo Cosima aus Anlaß eines schlechten Traums Richards dessen Äußerung festhält: Er "sei überzeugt, daß die Anschauung Schopenhauer's [richtig sei], daß man
vom Leben zum Tode erwachte wie von einem beängstigenden Traum, und daß der Todeskampf dem
Krampf gliche, mit welchem der Schlafende sich vor dem Aufwachen sperrt und seinen üblen Traum festzuhalten sucht."
252 Nachgelassene Fragmente. [Nietzsche, 1988j], S. 802
253 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 117
254 Ebd.
135
worden war255 – er hatte, wie Martin Geck richtig bemerkt, im Grunde "den Blick für die
[...] Subjekt-Objekt-Dialektik schärfen"256 wollen. Hieß es also noch im Kunstwerk der
Zukunft etwas verrätselt, Beethoven sei der "meermüde Segler"257, so meint das nicht, daß
dieser wie "Homer [...] zuweilen geschlafen"258 hat. Im Gegenteil zeigt sich vor dem Horizont der Beethoven-Schrift, daß damit geradezu die Vorbedingung beschrieben ist, kraft
derer das idealtypische Kunstwerk entstehen kann. Das "einleitende längere Adagio"259 des
Beethovenschen Cis-moll-Quartetts nämlich, sagt Wagner, "möchte ich mit dem
Erwachen am Morgen des Tages bezeichnen"260, was darauf hindeutet, daß es die Frucht
eines Traumes sein muß. Richtig erblickt daraufhin das "nach innen gewendete Auge [...]
die nur ihm erkenntliche tröstliche Erscheinung (Allegro 6/8) [...]: das innerste Traumbild
wird in einer lieblichsten Erinnerung wach."261 Es geht erkennbar um "Zauberarbeit"262,
um die "wiederbelebte Kraft dieses ihm eigenen Zaubers [...] (Andante 2/4)"263 und um
"Strahlenbrechungen des ewigen Lichtes".264 Mit dem "Presto 2/2"265 wird dann "[Alles]
ihm [Beethoven] von seinem inneren Glücke beleuchtet". 266 Das darauf folgende "Adagio
3
/4"267 ist, als "versenke er sich in den tiefen Traum seiner Seele"268, womit ein "Blick [...]
ihm wieder das Innere der Welt gezeigt [hat]: er erwacht, und streicht nun in die Saiten
[...], wie es die Welt noch nie gehört (Allegro finale) [...,] und über Allem der ungeheuere
Spielmann, [...] stolz und sicher vom Wirbel zum Strudel, zum Abgrund geleitet". 269 "So
winkt ihm die Nacht. Sein Tag ist vollbracht."270 Der Beweis scheint geliefert, die Aura
des Schlafs setzt wirklich die höchste Kunst in Stand. Oder anders herum: Das ideale
Kunstwerk ist selbst wie ein Schlaf, und kraft seiner kann man in die Schaffensgründe des
Traumreichs hinabschauen. Und so wird hier etwas von jener besseren Welt nachempfun255 Wagner weicht hier und auch im folgenden nur zu deutlich von dem ab, was er noch am Anfang seiner
Beethoven-Schrift behauptet hatte, daß er sich nämlich, um es mit einer Formulierung von Dahlhaus zu sagen,
die damit ebenfalls widerlegt wird, "gegen das gewohnte Verfahren [wandte], musikalische Werke aus biographischen Voraussetzungen abzuleiten". [Dahlhaus, 1988], S. 8. Ganz im Gegenteil mißt Wagner den biographischen Vorgaben eines Künstlers sogar so viel Wert bei, daß er in der Beethoven-Schrift nicht etwa nur das
Leben Mozarts und Haydns für seine Kunstästhetik geltend macht, er schreckt auch nicht davor zurück, die
Stärke der Hirnschale Beethovens auf dessen künstlerische Kompetenz zu beziehen. [Wagner, 1873a], S. 108ff.
Martin Geck meint mit Blick auf die Beethoven-Schrift mit vollem Recht, daß im Grunde Richard Wagner
überhaupt erst "dazu beigetragen [hat], daß im Mythos Beethoven Texturen aus Werk und Leben unentwirrbar ineinander verwoben worden sind." [Geck, 1998], S. 8f.
256 [Geck, 1998], S. 126
257 Das Kunstwerk der Zukunft. [Wagner, 1872c], S. 111
258 TB vom 23. 12. 1879. [Wagner, 1977], S. 464
259 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 118
260 Ebd.
261 Ebd.
262 Ebd.
263 Ebd.
264 Ebd.
265 Ebd.
266 Ebd.
267 Ebd.
268 Ebd.
269 Ebd., S. 118f.
270 Ebd., S. 118
136
den, für die auch Wagner Künstler war. Aus der Fülle von Grenzübertritten zwischen
Bewußt- und Unbewußtsein, zwischen Tag und Nacht, steht als Prinzip diejenige dialektische Bewegung hervor, nach welcher der Schlaf und das Erwachen des Künstlers nicht
zu jeweils ihrer Zeit die Stelle des andern ersetzen, sondern sich im Wechsel gegeneinander bis zur Freisetzung des Kunstwerks vorantreiben.
Und als müsse er sich doppelt absichern, ergänzt Wagner seine Interpretation der Beethoven-Schrift sogar um Schlüsselerlebnisse aus dem eigenen Leben. Zum Beispiel zitiert er
jenen magischen Moment aus Venedig herbei, in dem er selbst in "schlafloser Nacht"271,
doch in einem "tönende[n] Nachttraum"272 durch die Rufe der Gondolieri der Genese
der Musik teilhaftig geworden zu sein glaubte.273 Wieder geht es um den Augenblick, da
die Träume zur Kunst werden und die Utopie Realität, wieder darum, daß "uns daher
jene andere Welt aufgeht"274, die das tägliche, allzutägliche Leben zu einer gesteigerten
Wirklichkeit läutert. "Sie werden einmal einen Traum hören, den ich dort [in meinem
träumerischen Venedig] zum Klingen gebracht habe!"275 – das hatte er, Wagner, schließlich schon einmal erlebt, da ging es um den Tristan. "Schläft er, wacht er [...]?"276, fragt in
seinem Roman der Oper aber auch – interessant genug – Franz Werfel, und zwar in einer
Szene, in der Wagner noch einmal in einer Gondel über die venezianischen Kanäle geschickt wird: "Sein Haupt [...] ist nach hinten gelehnt[,] und die Augen sind geschlossen.
[...] Ist dieser Mensch der großen Übermüdung, dem Schlaf, [...] Einflüssen des Mondes
erlegen?"277 Die Wagnersche Auffassung, daß die Kunstproduktion dialektisch dem TagNacht-Wechsel unterliegen, der Künstler in diesem Sinne Dialektiker sein müsse, hat
augenscheinlich in der Wagner-Nachfolge Schule gemacht. Selbst der am strengsten ins
Detail gehende aller Wagner-Biographen, Glasenapp, scheut die Metaphernlage nicht;
gleich in einem ersten Passus seiner rund 3000 Seiten starken Lebensbeschreibung spricht
er von "den müden Vorfahren"278 Wagners und dann von dem "Phönix", der "festen
Auges den Flug zur Sonne richtet"279, um am Ende des 6. Bandes, in seinen Schlußworten, die rhetorische Frage zu stellen: "[W]ir stehen im Zeitalter einer verheißungsvollen
Morgendämmerung. Wird der helle Tag einer künstlerischen Kultur uns anbrechen?"280
Und auch Paul Bekker, der kühlere Forscher, gebraucht für seine Charakterisierung das
Bild des vorwärtsdrängenden Erwachens, einmal im Zusammenhang mit dem "schöpferische[n] Trieb[...]"281 und "Gestaltungswillen"282 Wagners, ein anderes Mal im Gegensatz
271 Ebd., S. 92
272 Ebd., S. 93
273 Vgl. dazu die Stelle in TB vom 12. 6. 1880. [Wagner, 1977], S. 544, wo Wagner dieselbe "zauberische[...]
Wirkung" aus Venedig auch beschreibt sowie die in Mein Leben, die noch ausführlicher ist und im Zusammenhang auf "Naturgesang" und "Tiergeheul" zu sprechen kommt. [Wagner, 1976c], S. 591f.
274 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 93
275 Brief Richard Wagners vom 25. 3. 1859 an Mathilde Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1915], S. 81
276 [Werfel, 1924], S. 28
277 Ebd.
278 [Glasenapp, 1905a], S. 7
279 Ebd.
280 [Glasenapp, 1911], S. 813
281 [Bekker, 1924], S. 12
137
zu dessen "schlummernde[m] Gefühlsleben".283 Man stellt fest, daß hier offenbar nur die
Künstlerpersönlichkeit, die durch die Spannung zwischen Schlafen und Wachen kreativ
werden konnte, auch zu jenen gerechnet wird, denen man ein ideales Kunstwerk zutraut.
Daß der Schlaf in all seinen Aggregatszuständen auf Wagner selbst angewandt wurde,
dadurch behauptet sich die bei uns am Anfang postulierte 'Wiederkehr des Gleichen'.
Langsam schließt sich unser erster großer Argumentationskreis.
<Nur der Wachende schläft, nur der Träumende erwacht>
Warum sich das Sendungsbewußtsein des Künstlers überhaupt den Umweg über den
Traum sucht, das hat laut Wagner damit zu tun, daß die Scheinhaftigkeit der Tagwelt nur
außerhalb dieser entlarvt werden kann. "Wo die Not am größten", so bringt Eckhard
Roch es auf den Punkt, "da sind ihm Traum und Drama am nächsten."284 Die Einkehr in
den intimen "arkadische[n]"285 Wahrtraum ist auch eine Flucht aus dem gesellschaftlichen
Alptraum – Wagner spricht oft über das "politische Leben, von dem entfernt der Dichter
endlich nur noch ein geträumtes Leben führen"286 sollte und reizt das in Folge eben nicht
selten zu der Pointe aus, daß der innerste Traum der gute Traum, der äußere der böse sei.
"Träume so fort, und Du hast die echte Wirklichkeit!"287, heißt es, aber auch: "Mit
unserer ganzen, weit umfassenden Staats- und National-Ökonomie, scheint es, sind wir in
einem bald schmeichelnden, bald beängstigenden, endlich erdrückenden Traume befangen".288 Natürlich ist das genau der Gedanke, der Wagners eigener Biographie und
unserem ganzen vorherigen Kapitel unterlegt ist. In Ansicht der Traumtheorie allerdings,
die Wagner bringt, sind die Begriffe noch dramatischer auf den Einzugsbereich des Schlafs
zusammengezogen, um in ihm dann noch weiter auseinandergegrätscht zu werden.
"Wunderträume"289 werden gegen "Höllenspuk"290 und "Truggespinst"291 gesetzt. Der
Schlaf wird zum letzten, zum inneren Exil des Künstlers geweiht, und das 1866 zum
Patent erhobene Piano-Bed, das die Qualitäten eines Pianofortes mit den Vorzügen einer
Bettstatt kombinieren konnte, ist vielleicht nicht die schlechteste Metapher aus dieser Zeit
für den Prozeß der 'Heimkehr durch Abkehr'292 (vgl. Abb. 42).
282 Ebd., S. 6
283 Ebd.
284 [Roch, 1995], S. 532
285 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 262
286 Oper und Drama. [Wagner, 1872f], S. 84
287 Brief Richard Wagners vom 18. 5. 1863 an Mathilde Maier. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1930], S. 95
288 Erkenne Dich selbst. [Wagner, 1883b], S. 349
289 Über das Schauspielerwesen. [Wagner, 1873c], S. 310
290 Ebd.
291 Erkenne Dich selbst. [Wagner, 1883b], S. 350
292 Vor allem dann nicht, wenn man es als eine Vorform des berühmten 'Componierclaviers' ansieht, das Lud-
wig II. im Folgejahr 1867 bei Bechstein als Geschenk für Wagners 54. Geburtstag in Auftrag gegeben hatte
(vgl. Abb. 43). Immerhin: 1867 wurde auf der Pariser Weltausstellung das Piano-Bed präsentiert, Wagners
Rheingold-Partitur dann 1873 auf der Weltausstellung in Wien, und es ist, obwohl die Komposition des Rheingold natürlich schon längst, nämlich 1854 fertiggestellt worden war und mit dem 'Klavierarbeitstisch' nichts
unmittelbar mehr zu tun haben kann, durchaus möglich, daß zumindest ein unaufgedeckter Zusammenhang
zwischen Piano-Bed und Wagnerklavier besteht.
138
Durch die kompakte Begriffsbildung entsteht mit der Wagnerschen Schlaf- und Traumtheorie gewiß eine diffizile Lebenssituation für den Künstler. Wagner selber "blickte so
wie aus einem Traume in einen Traum"293, schaute auch "nicht mehr in die Nacht, sondern aus der Nacht!"294 Das erinnert an die oft zitierte Hochzeitsvision, durch die ihm,
Wagner, klar geworden war
daß sich mein ganzes Wesen wie in zwei übereinander fließenden Strömungen befand, welche
in ganz verschiedener Richtung mich dahinzögen: die obere, der Sonne zugewendete, riß
mich wie einen Träumenden fort, während die untere in tiefem unverständlichem Bangen
meine Natur gefesselt hielt.295
Das dem Schlaf inhärente Prinzip der Dialektik wird im Bild des Künstlers wieder lebendig, was für diesen bedeuten mußte, daß (nur) ein altes romantisches Leiden sich
erneuerte; das in ihm kursierende Traumleben zwingt ihn fortwährend in eine paradoxe
Lage.
Gerade deshalb aber können Wesen, Entwicklung und Wirkung des Künstlers, "sein
Verfahren"296, wie Wagner sagt, am Ende immer nur binär beschrieben werden. Allein
durch das Vexierspiel zwischen Innerem und Äußerem werden Formulierungen verständlich, die widersinnig sind: Der Künstler soll schlafen, muß aber auch wachen, er soll träumen, aber auch erwecken. Was Cosima einmal als Traum Wagners aufgezeichnet hat,
kann als exemplarisch gelten für den Idealzustand des Künstlers:
R. träumte wiederum [...]; und diesmal ist es kein Traum, habe er schlafend ausgerufen, und
dieses ausrufend sei er bewußtlos geworden; und immer bewußtloser werdend sei er
aufgewacht, und diesmal sei es erst recht ein Traum gewesen!297
Der Künstler nach Wagnerschem Zuschnitt muß sich dem Strudel überlassen, der ihn
immer weiter in die Tiefe des Schlafs hinabreißt, um so dem Erwachen entgegenzustürzen. Nicht nur psychologisch, auch physiologisch müßte er wohl ausgestattet sein wie
Argus, von dessen Augen sich bekanntlich immer zwei in wechselnder Folge dem Schlaf
hingaben, um besser wachen zu können. Und so wie Wagner selber "nach Noten
[schlief]"298 und "in Tönen [träumte]"299, soll er, der ideale Künstler, im Sinne eines utopisch idealen Kunstwerks der Zukunft auf der einen Seite "für das Volk [träumen]"300, das
heißt schlafen für alle Schlaflosen und "Gequälten, die den rechten Schlaf nicht mehr finden können"301 oder, wie Nietzsche vom Genie sagte, "der 'nicht wachende und nur träu293 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 600
294 Brief Richard Wagners vom 16. 2. 1862 an Mathilde Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1915], S. 395
295 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 142
296 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 94
297 TB vom 31. 9. 1877. [Wagner, 1976a], S. 1069
298 Brief Richard Wagners vom 24. 10. 1856 an Franz Liszt. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1988a], S. 488
299 TB vom 30. 9. 1879. [Wagner, 1977], S. 417
300 TB vom 18. 6. 1878. Ebd., S. 119
301 [Loos, 1952], S. 282
139
mende' Mensch"302 sein; bezeichnend, daß Wagner schon 1849 der Göttin der Revolution die Worte in den Mund gelegt hatte: "»Ich bin der Traum, der Trost, die Hoffnung
des Leidenden!«"303
Auf der anderen Seite ist der Künstler aber auch der "Erwecker der Töne".304 Kraft
dieser subversiven Gabe müsse er das Volk erwecken. "Ich arbeite für die Erwachenden"305, hatte Wagner bekundet. Bereits in einem anonym erschienenen Artikel aus
dem Jahr 1848 hatte er aufgerufen: "»Erwacht! Die elfte Stunde hat geschlagen«"306, und
in der eben erwähnten Revolutionsschrift aus dem Folgejahr geht es um die "wieder
erweckten Herzen der zum Leben Erwachten".307 Jetzt ist der Traum und alles
Träumerische negativ belegt. Es "kommt [...] mir machmal wieder vor, als träumtet und
nachtwandelt Ihr alle toll durcheinander, und ich wäre der Einzig Wachende, der über
euch lachen müßte."308 Der Künstler wird zum seherisch begabten, zum auserkorenen
Menschen, der nur "für aus dem Traum der 'Jetztzeit' Erwachende"309 da ist: "Wer die
Beängstigungen dieses Traumes nicht stark genug fühlt, um zum Erwachen getrieben zu
werden, der träume fort!"310 Immerhin schrieb Cosima an Ludwig II., daß der "augenblickliche Lohn den der Freund darin fand leblose oder eingeschläferte Wesen zu wecken
oder zu erheben, [...] schon von unermesslichem Werth"311 sei. Nietzsche aber trifft wie
immer den neuralgischen Punkt, wenn er in Richard Wagner in Bayreuth zusammenfaßt:
Da steht er selber [der schaffende Künstler] inmitten aller der lärmenden Anrufe und Zudringlichkeiten von Tag, Lebensnoth, Gesellschaft, Staat – als was? Vielleicht als sei er gerade der
einzig Wache, einzig Wahr- und Wirklich-Gesinnte unter verworrenen und gequälten Schläfern, unter lauter Wähnenden, Leidenden; mitunter selbst fühlt er sich wohl wie von dauernder Schlaflosigkeit erfasst [sic], als müsse er nun sein so übernächtig helles und bewusstes Leben
zusammen mit Schlafwandlern und gespensterhaft ernst thuenden Wesen verbringen: so dass
eben jenes Alles, was Anderen alltäglich, ihm unheimlich erscheint [...]. 312
Vorderste Aufgabe des Künstlers ist also, das "Heil einzig in einem Erwachen des Menschen zu seiner einfach-heiligen Würde [zu] suchen"313, wie Wagner es ausdrückt. "So
sparen, pflegen und stärken wir denn unsere besten Kräfte, um dem [...] Erwachenden
eine edle Labe bieten zu können."314 Viel eher als ein Träumer hat der Künstler gemäß
302 Nachgelassene Fragmente. [Nietzsche, 1988j], S. 334
303 Die Revolution. [Wagner, o. J. b], S. 246
304 [Gregor-Dellin, 1980], S. 220
305 Entwürfe. Gedanken. Fragmente. [Wagner, 1885], S. 93
306 Zitiert in: [Gregor-Dellin, 1980], S. 250
307 Die Revolution. [Wagner, o. J. b], S. 249
308 Brief Richard Wagners aus dem Jahr 1857 an Hans von Bülow. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1916], S. 80
309 Entwürfe. Gedanken. Fragmente. [Wagner, 1885], S. 93
310 Ebd.
311 Brief Cosima von Bülows vom 18. 6. 1868 an Ludwig II. [<Wagner, Cosima - Briefe>, 1996], S. 502
312 Richard Wagner in Bayreuth. [Nietzsche, 1988n], S. 470
313 Erkenne Dich selbst. [Wagner, 1883b], S. 350
314 Ebd.
140
der Wagnerschen Definition nunmehr ein Traum- oder Zeichendeuter zu sein315, und
wenn nicht genau das, so sollte er die Müden doch im mindesten an die Schwelle des
Erwachens heranführen können unter der Maßgabe, daß die Traumdeutung immer erst
mit dem Erwachen einsetzen kann. "Ich führe euch [ruft uns der Künstler zu] in ein
Reich, das ebenfalls wirklich ist: ihr selber sollt sagen, wenn ihr aus meiner Höhle in euren
Tag zurückkommt, welches Leben wirklicher ist!"316 Dem Moment des Erwachens ist
damit natürlich soteriologische Bedeutung unterlegt. Genauso dem Aufgabenbereich des
Künstlers, der in die Nähe der antiken Philosophen rückt, in die Nähe des Sokrates etwa,
der seine Aufgabe darin sah, für die anderen zu wachen, gar in die Nähe von Propheten,
die zum Erwachen antreiben, schlichtweg weil die Zeit reif dafür ist.
Die Motive des Schlafs und des Erwachens überkreuzen sich auch hier wieder, und
Wagner legt sie bewußt ineinander und zieht sie zu einem gordischen Knoten fest. In der
Tradition des heraklitischen Hegelianismus lassen sich seine Vorstellungen auf die Sentenz
zuspitzen, daß nur der Wachende schläft und nur der Träumende erwacht. "Der Künstler
wird so gedeutet als Mensch, der für alle wacht, in seinem Wachen aber zugleich für alle
träumt".317 Die "Sehnsucht aus der Höhe in die Tiefe"318, die Nietzsche speziell für Wagner und generell für den Prototyp des Künstlers formuliert hatte, ist ebenso die Sehnsucht
aus der Tiefe in die Höhe. Ob träumend oder erwachend, ob im 'Wahrtraum' der Welt
sich seiner selbst entäußernd oder im Erwachen der Kunst zu sich kommend, mit der
Metaphorik des Schlafs insinuiert Wagner, daß der Künstler das schlechthin konzentrierte
Wesen sei. Nach Schopenhauer ist dessen individueller Wille erlöst, das Selbst aufgehoben
– letzteres allerdings etwas zu fadenscheinig, denn die Eigenart des Künstlers taucht ja
durch Sublimierung in verwandelter Form als Kunstwerk wieder auf. Aber: Dem Künstler
wachsen die Fähigkeiten eines Mediums zu. Womit nicht nur die Kunst zur Heilslehre,
sondern auch der Künstler zum Heilsbefähigten erhoben wird. Von "metaphysischer Weihe"319, die Wagner für sich, sein Werk und seine Theorie in Anspruch nehme, redet zu
Recht Robert Gutman in diesem Zusammenhang, und er komplettiert das mit dem schönen Seitenhieb: Wagner habe mal wieder für "den Augenblick [...] alles im Unklaren" 320
gelassen. Man muß das bestätigen, sofern man auch unterschreibt, daß das Unklare bei
Wagner zuweilen sehr differenziert sein kann.
<Teilergebnis>
Fassen wir zusammen: Mit der Beethoven-Festschrift von 1870, in der Wagner seine
Gedanken zu den Bereichen Schlaf und Traum auf eine auf die Kunst angewandte Schlafund Traumtheorie zuspitzt, wird der Begriff des Künstlers im Verbund mit dem künstleri-
315 Ich erinnere noch einmal an den Eindruck Adornos, nach dem Wagner selbst sich "lieber dem Traumdeu-
ter als dem Träumenden [...] verglichen" habe. [Adorno, 1971], S. 144f.
316 Nachgelassene Fragmente. [Nietzsche, 1988k], S. 269f.
317 [Loos, 1952], S. 282
318 Richard Wagner in Bayreuth. [Nietzsche, 1988n], S. 470
319 [Gutman, 1970], S. 332
320 Ebd.
141
schen Produktionsprozeß näher definiert. In einem Dreisatz werden a) das Unbewußte/
der Schlaf/ der 'tiefste Traum', b) der katalytische 'allegorische Traum' und c) der Moment
des Erwachens aufeinander bezogen und zu einer Metaphysik des kreativen Aktes bestimmt. Die Voraussetzung für Kunst und Künstlerschaft ist dabei der Schlaf, kraft dessen
der Künstler mit der sonst ihm verborgenen innersten Motorik des Ichs und der Welt in
Verbindung treten kann. Der romantischen Tradition folgend konstruiert Wagner eine
Art Kunst-Schlaf, in doppelter Bedeutung, mit dem er den prototypischen Künstler
'künstlich', was ebenso 'künstlerisch' meint, in den Zustand der Unschuld zurückversetzt.
Das entspricht einem Reinigungs- und Heilungsprozeß, der die Übel des Tageslebens,
auch die Scheinhaftigkeit der Welt vom Künstler abwäscht. Im Schlaf können die
Eindrücke des Tageslebens zu Traumbildern der Kunst raffiniert werden.
Nun sind diese Traumbilder allerdings selbstbezüglich, zentrovertiert wenn man so
will, und es bedarf eines zweiten, des allegorischen Traums, der sie an die Oberfläche bis
zur Schwelle des Bewußtseins trägt. Es wird virulent, Wagner stellt es besonders heraus,
daß die eigentliche Aufgabe des Künstlers darin bestehe, die Träume auszuleben, sie von
innen nach außen zu kehren, sie quasi zu sozialisieren – freilich stellt Wagner das auch
heraus zu dem Preis, daß das Substrat seiner Kunsttheorie plötzlich von dem weniger
überschwenglichen Teil seiner Leserschaft auf seine eigene Biographie rückbezogen und
dort mit allerlei Allmachtsphantasien assoziiert werden konnte. Doch es ging ihm,
Wagner, natürlich um Höheres, um das Höchste. Und darum hatte er immer und immer
wieder davon gesprochen, daß der Künstler 'pythisch', also gerade nicht selbstreferent,
sondern 'katalytisch' sein solle. Autark also, dies aber auf der Grundlage eines höheren
Auftrags. Was dann nicht nur für den Spezialfall des Dichters die gebundene Sprache,
sondern für die Kunst allgemein bedeutete, daß sie wie aus dem Schlaf gesprochen und
schon deshalb traumgeboren und ekstatisch sein müsse. Einfacher gesagt ging es um die
alte Traumsprache der Kunst. Wagner gab lediglich vor, diese neu systematisieren zu
wollen.
Damit das Kunstwerk der Träume aber auch faßbare Wirklichkeit werden konnte,
mußte es noch – und das ist natürlich so widersinnig wie logisch – aus der Bindung der
Träume entlassen werden. Dies geschieht gemäß der Beethoven-Schrift mit der dritten und
letzten Etappe der Kunstproduktion im Moment des Erwachens. Das Erwachen des
Künstlers setzt das in ihm komprimierte Traumbild frei; durch den kreativen Überdruck,
den der Künstler im Traum aufgebaut hat, wird es nach außen zentrifugiert zur Kunst. Im
Rahmen einer komplizierten Kontemplationstechnik werden Schlaf und Traum demnach
zu Synonymen einer nicht-rationalen Wurzel (und Wirkung) der Kunst. Den Vorgang
und auch wohl das Geheimnis der Kunstproduktion beschreibt Wagner als eine Wechselbeziehung zwischen dem Augen-verschließen (Schlaf) und dem Augen-öffnen (seherischer
Traum). Der Schlaf räumt nicht nur dem Irrationalen allen Aktionsraum ein als Gegengewicht zur 'unkreativen' Welt der Ratio. Schlaf wird für die Kunst zu einer neuen,
synästhetischen Art des Sehens, was deckungsgleich ist mit der Idee vom 'scharfsichtigen
Träumer', die Wagner für die Bedingungen der eigenen Biographie entwickelt hatte.
Blickt man damit auf die Tatsache zurück, daß Wagner zu seiner Zeit selbst einmal mit
142
den träumerischsten, ein anderes Mal mit den wachsten seiner Werkfiguren identifiziert
worden war, dann färbt die Biographie an dieser Stelle doch deutlich auf die Theorie
durch: Traumverloren wie Wotan und hellsichtig wie der weltweise und nimmermüde
Siegfried, so sah man nicht nur Wagner, so sollte im Sinne der Wagnerschen Programmatik auch der ideale Künstler gesehen werden. Und wie aus dem Zusammenspiel der
beiden Bühnenfiguren Wotan/ Siegfried die Genese einer neuen Welt immer wieder
erhofft werden kann, so entsteht laut der Beethoven-Schrift aus der Verschmelzung der
geschlossenen mit den offenen Augen genau nach diesem Muster auch eine neue Kunst.
Ähnliche Verzahnungen mit dem Bühnenwerk lassen sich erkennen, sobald man sich
auf den Moment kurz vor dem Erwachen in Wagners Theorie konzentriert: Wo es um
den Stau des Traumgehalts im allegorischen Traum geht, da entsteht nicht zufällig die
Assoziation an den 'Morgentraum' und seine 'Deutweise' aus den Meistersingern. Eingedenk
der Berichte aus der Schlafforschung, wonach die Träume, die dem Aufwachen vorausgehen, die inspiriertesten sein sollen, wird die 'Morgentraumdeut-Weise' als 'Wahrtraumdeuterei' zur Vorwegnahme dessen, was die Beethoven-Schrift thematisiert. Denn ist es nicht
zu auffällig, daß die Meistersinger, die dem Tristan wie 'der Tag auf die Nacht folgen'
(Wapnewski), sich nicht mehr mit den nächtlichen Träumen beschäftigen, sondern ganz
wesentlich mit den freundlichen und fast schon taghellen Morgenträumen? 321 Zeitlich und
inhaltlich stellt sich das Wagnersche Werk hier das erste Mal als Probe zur Werktheorie
dar, die Werktheorie anders gesagt als Zusammenfassung und Deutung der im Werk
durchexerzierten Denk- und Stilübungen. Was in dieser Hinsicht die Grundlage der
Meistersinger ist, ist auch die der Wagnerschen Traumtheorie: Die Träume werden in ihrer
komprimiertesten Beschaffenheit zur Kunst, und das beinhaltet, daß die Kunst die Träume
auch bändigt, indem sie diesen nämlich eine Form verleiht.
Im großen und ganzen zeigt sich, daß Wagner sowohl das Leben wie auch die
gesellschaftliche Position des Künstlers ungehemmt auratisiert – der Künstler "als Demiurg"322 – möglich, daß sich diese Vorstellung nicht nur auf Schopenhauer, sondern auch
auf Nietzsche bezog, die beide in ihrem Geniebegriff von einem Traumerleben ausgegangen waren. Der Künstler solle nur eremitisch arbeiten, so Wagner, um die ihm innewohnenden Schaffenskräfte zu höchster Spannung zu steigern. Aus der Fähigkeit zur Kontemplation, die ihn privilegiert, dürfe er dann aber auch den Anspruch ableiten, daß sein
künstlerischer Ertrag allgemeingültig sei. Letztlich sind die Träume des Künstlers, im
mindesten ihre Wirkung, immer extrovertiert, sie sind so wenig Privatsache wie sein
Erwachen, beides geschieht zum Wohle der Gesellschaft. Die Funktion des Künstlers, al321 "Traum der höchsten Hulden,/ himmlisch Morgenglühn!/ Deutung euch zu schulden/ selig süß Be-
mühn!" ruft Evchen zum Beispiel in 3, 4, und in Sachsens Replik geht es darum natürlich so leise nur um den
"Abendtraum:/ dran zu deuten wag ich kaum", weil – parallel zum 'Alters-Topos', den Wapnewski gelegentlich erwähnt hat – dieser Abendtraum überstrahlt wird von der gleißenden Kraft des Morgens. Damit dürften
dann eigentlich auch die Unstimmigkeiten in der textlichen Überlieferung, die diese Stelle seit je betreffen und
die als Variante zu Sachens "Abend-" noch immer hier und da den "Morgentraum" suggerieren wollen, beseitigt sein: Bindend für die Meistersinger ist nur jener Traum, der schon zum Wachen tendiert. In keinem anderen Wagnerschen Werk ist Nietzsches Urteil über Schopenhauer so präsent: "Musik – [...[ Traum, in den
schon das wache Leben hineinspielt." Nachgelassene Fragmente. [Nietzsche, 1988j], S. 802
322 [Richter, 1998], S. N6
143
len voran die des Musikers, hat politischen Effet, und so schläft, träumt und wacht er stellvertretend für alle und deren Gemeinschaft. Aufgabe müsse es deshalb sein, die Spannkraft
dieses kreativen Paradoxons zu halten. Daß dem Künstler so zusätzlich halbgöttliche
Verantwortung zugewiesen wird, dies ist zumindest innerhalb des Wagnerschen Theorems
konsequent, außerhalb desselben weniger. Aber der Schlaf setzt die künstlerische Ekstase
bei Wagner stets in der Weise frei, daß die Lehre von den letzten Dingen immer frei
assoziiert und damit bei Bedarf auch negiert werden kann. Besondere Würze erhält all das
nur durch den Umstand, daß der Traumkünstler erkennbare Züge Richard Wagners und
Wagner erkennbare Züge des Traumkünstlers trägt. Die Biographie Wagners wird durch
dessen Theorienbildung nachweislich zementiert, Paul Bekker meint sogar, daß die
Beethoven-Schrift "das ergänzende Gegenstück der Autobiographie"323 darstelle. Man
könnte also sagen, Wagner habe aus einer Not eine Theorie gemacht hat. Fast scheint es
um umgekehrte Transsubstantiation gegangen zu sein. Kunst und Leben sind ein "wechselseitig sich reflektierender Traumspiegel". 324 Es bestätigt sich, was wir schon in Kapitel I
vermutet hatten.
II.3 Natur der M usik
Aus der Natur des Künstlers – aus 'Wesen, Entwicklung und Wirkung' – ergibt sich selbstverständlich die Natur der Kunst. Wir sollten deshalb auch sie für unser Thema prüfen
und folgen darin wieder der Beethoven-Schrift, in der auch Wagner das eine durch das
andere erklärt. Präziser ergibt sich aus der Natur des Künstlers vor allem die Natur der
Musik, und zwar die Natur der Musik als höchste Form der Kunst.
Je systematischer der Künstler in sich hineinforscht, je kontemplationsfreudiger er wird
und je genauer dadurch die Anschauung seines Traumbildes, desto wahrscheinlicher ist es,
daß in ihm "Musik als Kunst"325 entsteht, wie Wagner es ausdrückt. Stichwort 'Nachtigall': Daß er, Wagner, sich selbst ausgerechnet eine Nachtigall zum Sinnbild seiner Kunst
erkoren hatte, das dürfte auch damit zu tun gehabt haben, daß diese eben nicht bloß eine
'süße Gespielin der Muse' ist, wie Aristophanes sie noch in seinen Vögeln nannte, sondern
daß sie zu Wagners Zeiten viel kategorischer als Erfinderin des Gesangs, als Erfinderin der
Melodie, ja als Erfinderin der Musik per se gilt. Keinem anderen 'Sänger' wurde so viel
Kunstsinn, so viel musikalische Empfindung beigemessen. Schon Tannhäuser hatte sich ja,
von Venus Abschied nehmend und auf halbem Wege ins Reich der Kunst, nach einer
Nachtigall gesehnt. 326 In diesem Sinn räumt Wagner der Musik das Recht ein, eine prima
arte zu sein, in diesem Sinn auch behauptet die Beethoven-Abhandlung ihre Schlüsselstel323 [Bekker, 1924], S. 453
324 [Gutman, 1970], S. 333
325 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 90
326 Siehe: Tannhäuser, 1, 1. [Wagner, 1949], S. 19. Vgl.: Anm. 119 dieses Kapitels
144
lung im schriftstellerischen Werk Wagners. In letzter Instanz versucht sie das Primat der
Musik gegenüber den anderen Künsten zu beweisen und ist damit nichts weniger ist als
eine "Philosophie der Musik". 327
Nachdem das proportionale Verhältnis der einzelnen Künste zueinander jahrelang den
lebhaftesten Wandlungen in Wagners Kunstideologie unterworfen war, wird mit der
Beethoven-Schrift das Diktum erhoben, daß die Musik von "ganz anderen ästhetischen
Gesetzen"328 bestimmt werde als alle übrigen Künste und sich zu diesen "in Wahrheit
[verhalte] wie die Religion zur Kirche."329 Die Musik besitzt eine "heilige[...] Macht"330,
meint Wagner und macht das dann auch im 'Tempel Bayreuth' architektonisch manifest
mit dem 'mystischen Abgrund', den man als eine Art Sakralbau bezeichnen könnte. Wie
das Christentum selbst ist das "Reich" der Musik überhaupt "nicht von dieser Welt". 331
Wieder scheut Wagner keine Kritik, wieder wird das Transzendentale nicht ausgespart, im
Gegenteil, verbal wird es sogar gesteigert – innerhalb der Wagnerschen Ästhetik ist dies
aber gewiß konsequent. Denn war das Medium des Künstlers der Traum, so muß die
'Musik als Kunst' jetzt im mindesten auch ein Traumprodukt und/ oder selber traumartig
sein. Sie wird deshalb genau wie die anderen Künste, nur eben noch ein wenig bemühter
als diese, mit einem weltabgewandten, träumerischen Schaffensprozeß und der Aura des
Schlafs in Zusammenhang gebracht, mit jenem Schwellenwert also, der selbst der
sterblichen Welt ein göttlich-kreatives Moment nicht vorenthält. Insofern ist es kein
überraschendes, höchstens ein signifikantes Kuriosum, daß Wagner die aus seinen Notizen
zur Beethoven-Schrift stammende Überlegung "In wiefern ist Musik schön?"332 sich selbst
folgendermaßen erwidert hat: "[I]m Bette liegend kommt es ihn an, wie schön es sei in
der Musik".333 "Der Ton stammt aus der Nacht"334, meint auch Nietzsche, und der
'sound' bezeichnet sogar im Englischen, wie sprechend, nicht nur den 'musikalischen Ton'
sondern auch den 'tiefen Schlaf'. Den Zusammenhang zwischen "Orpheus" und
"Morpheus"335 hatte Wagner einst selber expliziert, und das nun sicher nicht nur zugunsten des Gleichklangs. Wir sehen, daß es gerade zwischen der Musik und dem Einzugsbereich des Schlafs besonders ausgeprägte Verknüpfungen für Wagner gegeben hat. Waren
laut den Meistersingern Dichtung und Traum noch "Freunde"336, so stilisiert die BeethovenSchrift die Beziehung zu einer Zwillingsschaft von Musik und Traum: Die Musik ist "mit
327 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 77. Daß die Beethoven-Abhandlung auch für das zeitgenössische Lesepubli-
kum einen besonderen Stellenwert hatte, zeigt die Meldung Cosimas, daß sie als selbständige Buchausgabe in
Amerika bereits 1874 in zweiter Auflage erschienen war und dort "als eines der bedeutendsten Bücher unsrer
Zeit bezeichnet wird". TB vom 23. 1. 1874. [Wagner, 1976a], S. 785
328 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 90
329 Ebd., S. 92
330 Mittheilung an meine Freunde. [Wagner, 1872d], S. 325
331 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 144
332 BB [zwischen 3. und 19. 7. 1870]. [Wagner, 1988b], S. 210
333 TB vom 8. 2. 1882. [Wagner, 1977], S. 887
334 Nachgelassene Fragmente. [Nietzsche, 1988j], S. 70
335 TB vom 8. 9. 1878. [Wagner, 1977], S. 171
336 Die Meistersinger von Nürnberg, 3, 2. [Wagner, 1984a], S. 75
145
unmittelbarer Verständlichkeit"337 "das unmittelbare Traumbild"338, unmittelbarer noch,
als die durch die anderen Künste erzeugten oder erzeugbaren Traumbilder, insofern sie
noch unbewußter, unfaßbarer, ursprünglicher ist. "Sie ist das Herz des Menschen"339, sagt
Wagner, was sich völlig mit dessen Auffassung vom Wesen des tiefsten Traums deckt.
Umgekehrt hat deshalb auch Nietzsche recht, wenn er annimmt, der Traum sei der
"reine[...] Musikzustand".340 Das 'Wunder' der Wagnerschen Kunst entsteht in höchster
Steigerung immer erst da, wo Traum direkt in Musik und Musik direkt in Traum
überfließt. In diesem Sinne gilt es zu zeigen, was die Metaphorik des Schlafs für die Musik
als exzeptionelle Kunst und Wagnersches Philosophem alleine bedeutet und welchen
Einfluß die Affinität zwischen Musik und Schlaf auf die Wagnersche Kunsttheorie insgesamt hat.
<Erstes unter Ranggleichen>
Zunächst noch einmal Genaueres zum Verhältnis der Musik zu den übrigen Künsten.
Gemäß einer Äußerung Wagners aus dem Jahr der Beethoven-Schrift ist "die Musik [...]
eine Welt für sich, die andren Künste aber sprechen nur eine Welt aus". 341 Das ist eine so
klare wie riskante Mitteilung, philosophisch der Niederschlag seines Konfliktbewußtseins
für die Diskrepanz zwischen ästhetischer Autonomie und Heteronomie. Liest man dies
(wie auch ähnliche andere Aussagen) im Spiegel der Wagnerschen Traumtheorie, so wird
man allerdings feststellen, daß in der Tat bei Wagner das Abbild der Welt, das die Künste
gemeinhin produzieren, zugunsten des musikalischen Traumbilds ausgespielt wird, welches
im Entstehungsprozeß bereits von höherer Ordnung sei. Wie der Traum im Leben des
Künstlers, so nimmt die Musik in der Welt der Kunst laut Wagner einen Sonder-, eher
sogar noch einen Geheimbereich ein: Beide, sowohl Traum als auch Musik, forcieren den
Prozeß der Verinnerlichung im Gegensatz zu allen anderen nach außen drängenden
Momenten der Kunst und Kunstproduktion. Weniger Gegen- denn Sinnbilder, weniger
Zeichen denn Energien erzeugend, zeigen Traum und Musik das Fundamentalste unserer
Wirklichkeit, dies aber fern ab von dieser Wirklichkeit. Im Grunde setzen sie das NichtAbbildbare frei und verhelfen damit den innersten, vom Bewußtsein noch ungetrübten,
verfließenden, visionären Kräften zu Formen, die ihren ursprünglichen Inhalt weder
stören noch verfälschen. Der Traum und die Musik, so könnte man im Sinne Wagners
sagen, sind deshalb beides Medien der Vergegenwärtigung, nicht der Vergegenständlichung. Künstlerisches Ideal ist das zwar paradoxe, aber eben kreativere, "fast ebenso zeitals raumlose[...] Bild, eine durchaus geistige Offenbarung"342, womit Wagner das Wesen
des Traums und das der Musik auf den besten gemeinsamen Nenner gebracht und die
Vorrangstellung der Musik getreu seiner Schopenhauerschen Vorlage erhärtet haben dürf337 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 95
338 BB [zwischen 3. und 19. 7. 1870]. [Wagner, 1988b], S. 210
339 Das Kunstwerk der Zukunft. [Wagner, 1872c], S. 98
340 Nachgelassene Fragmente. [Nietzsche, 1988j], S. 323
341 TB vom 3. 2. 1870. [Wagner, 1976a], S. 194
342 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 99
146
te. Vor allem gegenüber den bildenden Künsten versucht er sich damit zunächst einmal zu
behaupten.
<Traumdeutung [1]: Verhältnis Musik/ bildende Künste>
Sie, die bildenden Künste, waren die der Tonmalerei assoziativ sicher am nächsten gelegene Kunstgattung. Für Wagner und seine absolute Musik waren sie aber auch eine Konkurrenzerscheinung. Von daher ist es (wieder) ein wenig verwirrend nachzuverfolgen, daß
Wagner auch seine Musiktheorie auf der Grundlage des 'Traumbildes', der "Tonweltschau"343 oder der Idee errichtet, daß die Musik "die Civilisation" nivelliere wie "das
Tageslicht den Lampenschein"344, auf Metaphern der Optik also, die zuerst mit den
bildenden Künsten assoziiert werden dürften. Wagner indes macht klar, daß die Daseinsund Anschauungsformen aller anderen Künste beiseite gedrängt werden, sobald die Musik
ins Spiel kommt, ja daß das akustische Erleben das optische schlichtweg aufhebe 345 – seine
Argumentation wird hier noch strenger im Vergleich zu jener, die sich nur mit dem
Künsterbegriff beschäftigt hatte. Das Traumbild als Bildsprache der Musik sei etwas ganz
anderes als die Bildwerke der Malerei, Graphik, Architektur oder Bildhauerei. Die Begriffe
überschneiden sich hier keinesfalls unter dem Verdacht von inhaltlichen Ähnlichkeiten.
Höchstens verweisen sie noch einmal auf die synästhetischen Fähigkeiten des Künstlers,
der das Sehen auch als Hören begreifen müsse. Es geht Wagner um eine "Umwandlung
[...] nach innen"346, eine metaphysische Umwandlung, die die Musik als Entsprechung
zum Traumbild allein und in scharfem Kontrast zu den bildenden Künsten vollführt,
welche selbst immer nur wieder die eindimensionale 'Umwandlung nach außen' erreichen
und das bloß zeit- und raumabhängige Bild erzeugen können. Fast müßte man sagen: Die
Musik habe nach Wagner das 'unplastische Bildnis' hervorzubringen. Insofern ist sie auch
laut der Beethoven-Abhandlung semantisch, physiologisch, psychologisch und selbst soziologisch nur erfaßbar als "Analogie des Traumes". 347 Wagner setzt sie also in seiner Gattungshierarchie so absolut wie er zuvor den tiefen Traum im Prozeß der Kunstproduktion
absolut gesetzt hatte. Die bildenden Künste mögen uns die Welt als solche zeigen, die
Musik jedoch vermag die "Idee der Welt"348 darzustellen. Wie der Traum ist sie deshalb in
der Hauptsache von einem heftigen Erkenntnis-, die bildenden Künste lediglich von
Erfahrungsdrang gespeist. Alle Beurteilungskriterien sogar, die von den bildenden Künsten
auf die Musik übertragen werden, bedeuten für Wagner "eine Verirrung"349, eine
"Misverständlichkeit ihres [der Musik] wahren Charakters"350, ein bloß "prismatische[s]
Spiel[...] mit dem Effekte"351, wodurch für ihn freilich musikhistorische Entwicklungen
343 Ebd., S. 103. (Hervorhebung von der Verf. J. D.)
344 Ebd., S. 145. (Hervorhebung von der Verf. J. D.)
345 Siehe: Ebd., S. 144f.
346 Ebd., S. 96
347 Ebd., S. 95
348 Ebd., S. 84
349 Ebd., S. 96
350 Ebd.
351 Ebd., S. 97
147
wie etwa die der Programmusik durch ihre methodische Affinität zu den bildenden
Künsten undenkbar bleiben müssen.352
<Traumdeutung [2]: Verhältnis Musik/ Dichtung>
Ähnlich wie mit den bildenden Künsten verhält es sich aber auch mit der Dichtkunst. Auf
Begriffe angewiesen, auf ein Medium also, das vor Abnutzung nicht einmal zu schützen ist,
kann auch die Dichtkunst sich immer nur wieder in die Umstände verstricken, anstatt
diese wie die Musik zu überwinden. Die Ideen, meint Wagner, werden noch in der
besten Dichtung immer nur aufs neue mit einem alten Begriffsverständnis veranschaulicht
und bleiben zwangsläufig affirmativ. Die Musik hingegen, die selbst eine Idee ist, trägt das
Potential zur Erneuerung in sich und könne hochfliegend, himmelstürmerisch, utopisch
sein – "eine Sprache [...], welche ganz unmittelbar von Jedem zu verstehen sei". 353 Unsere
herkömmliche Sprache dagegen ist schon längst zur Phrase erstarrt, unbrauchbar geworden. Sie vermag sich kaum mehr vom Boden der Tatsachen zu lösen und kann darum
nie, so Wagner, selbst wenn man die Mitteilungen berücksichtigt, die sie zwischen den
Zeilen bereithält, über die Wirklichkeit erhaben sein.
Nun ist es allerdings auch so, daß Wagner hier nicht ein ganz so extremes Urteil
bemüht hätte, wäre nicht schon ein Antidoton vorrätig gewesen. Im Kunstwerk der Zukunft
gebraucht er in Anlehnung an seine geradewegs naturalistische Vorstellung von den
'Sprachwurzeln' das Bild von einem Baum, dessen winterliches Geäst mit der Sprache,
dessen sommerliches Laub mit den Tönen zu vergleichen sei. Die Dichtung wäre dieser
Parabel nach das zu "dürren, lautlosen Zeichen der Schrift [verkrüppelte]"354 Skelett des
Baumes, die Musik indes dessen Zier, die Krone – eine durch Luft und (göttliche) Liebe,
wie Wagner in der Tat glaubte, ewig bewegte und bewegende Seele. Damit meinte er,
daß die Musik beredt ist, dies allerdings ohne Wörter. Und weiter meinte er wohl, daß es
mit ihr im Gegensatz zum spröden Definitionseifer der Sprache in der Kunst eigentlich
um den Moment des Sphärischen, um das Verfließen, das Verrauschen und das Überblenden gehen müßte. Es ist nicht schwer zu schlußfolgern, daß dies im Klartext heißt:
352 Es sei noch einmal angemerkt, daß sich der späte Wagner nach eigenen Aussagen sogar vom Musikdrama
distanzieren wollte, weil dieses nicht ohne Bilder auskommen kann. Sowohl sein Verdruß über die szenische
Optik in Bayreuth als auch sein 'symphonischer Ehrgeiz' sind hinreichend bekannt, allerdings genauso das
Scheitern des letzteren. Und daß es also auch ihm unmöglich geblieben war, den Visualisierungsanteil in der
theatralen Musik zu reduzieren oder diesen zumindest zu modifizieren, hat schließlich dazu geführt, daß er
umgekehrt das Musikdrama und dessen Artikulationsmöglichkeiten als Gipfelpunkt der Symphonik gedeutet
hat.
353 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 84. Es ist übrigens hochinteressant, daß es ausgerechnet zur Zeit der Wagnerschen Beethoven-Schrift überall Bestrebungen gab, sog. 'Welthilfssprachen' zu erfinden. Die Einführung des
Esperanto etwa, das übersetzt 'der Hoffende' heißt und ein Pseudonym seines Erfinders, des litauischen Augenarztes (sic) Ludwig L. Zamenhof ist, liefert ein Zeugnis davon und ließe sich gut vergleichen mit Wagners utopischem Musikkonzept. Dem Erfinder des Volapük gar, dem deutschen Geistlichen Johann Martin Schleyer,
soll die Aufgabe, eine Welthilfssprache zu entwickeln, in einem Traum erteilt worden sein. Auch hier also
eine Parallele zu Wagners Musikästhetik. Inwiefern deshalb die diversen 'Kunstsprachen' der Zeit ausgehen
von einer Kritik am Wort und dadurch Hinweise dafür liefern, wie die Metaphorik, die Richard Wagner
durch seine universale Sprache der Musik mitzuteilen hoffte, ideologisch zu verstehen ist, scheint mir erforschenswert, und ich verweise ohne den Verweisen selber nachgehen zu können auf die Langue Universelle von
Menet (1886), das Bopal von Max (1887), das Spelin von Bauer (1886), das Dil von Flieweger (1893), das Balta
von Dormoy (1893) oder das Weltparl von Arnim (1896).
354 Das Kunstwerk der Zukunft. [Wagner, 1872c], S. 126. ('Schrift' im Original hervorgehoben.)
148
Die Dichtung müßte angereichert, sie muß musikalisiert werden. Denn die Musik ist –
"Anfang und Ende der Wortsprache"355 repräsentierend – qualitativ die hochwertigere
Dichtung. Unter der Krone des Blätterdachs soll das Astgestrüpp zurechtgestutzt werden.
Vielleicht im Sinne jener Anekdote, die uns vom Dichtersänger Pindar überliefert ist,
dem, während er einmal schlief, die Bienen Honigwaben in den Mund gebaut haben sollen, in diesem Sinne müßte sich nun das Wort wieder zum Wort gesellen. Bestmöglich
verdichtet, das meint eigentlich nach den Regeln eines autarken kompositorischen
Bauprinzips zusammengefügt, würden die Wörter dann wieder süß und nahrhaft, die
Sprache noch einmal konsistent und formbar. Natürlich ist es kein Zufall, bei Pindar nicht
und auch bei Wagner nicht, daß der Dichter schlafen muß, damit sein Material ursprünglich werde. Wagner hatte genau das ja vom idealen Künstler für die Kunstproduktion
gefordert. In dem Maße, in dem er vormals dem Dichter das Träumen beizubringen
gehofft hatte, will er nun das Dichten selbst sphärisch machen und aus Dichtung Musik
gewinnen. Schlaf und Traum dienen durch ihre Affinität zur Musik hier der Musikalisierung der Dichtung; die musikalische Verflüssigung der Wörter geschieht als Entsprechung
zum Verfließen der Bilder im Künstlertraum. In nuce: Weil die Musik selber traumartig
ist, kann auch die Dichtkunst erst wieder durch Schlaf und Traum in den Zustand der
Unschuld zurückversetzt werden, beziehungsweise umgekehrt, die Dichtung "[geht] dank
der Musik in Traum [...] über."356 Debussy sollte dies einmal nennen: "Zwei Träume, die
sich vereinigen."357
<Die Traumsprache>
Die Erneuerung der Sprache wäre demnach durch deren Musikalisierung zu erreichen. Im
Grunde galt Wagner die Musik schon seit Oper und Drama nicht nur als Vor-, sondern als
Urbild der Dichtung. Kraft ihrer Fähigkeit "an archaische Ursprünge zu erinnern"358, ist
sie für ihn immer eine Ursprache gewesen und unsere Vorstellung, sie als eine Art Esperanto zu begreifen, war offenbar so falsch nicht. In diesem Sinn könnte man weiter behaupten, Wagner habe in seiner Sehnsucht danach, daß der verdörrte Ast der Sprache wieder ergrüne, die Dichtkunst nicht nur mystifizieren und mythologisieren wollen; viel eher
noch wollte er die theoretisch fundierte Affinität zwischen Musik, Schlaf und Traum dazu
benutzen, die Anknüpfung an den Mythos auch wirklich herzustellen. Allein mit der Darstellung mythischer Welterklärungsmodelle hatte er sich früh genug beschäftigt, literarisch,
philologisch, psychologisch – für den Ring mußte er selbst eine Formel für einen Schöpfungsmythos finden. Daß Schlaf und Traum, Musik und Mythos, daß all diese 'archaischen'
oder archaisierenden Mächte das Vermögen des (Welt-)Entwurfs in sich tragen und an die
produktive Einbildungskraft appellieren, auch das dürfte ihm präsent gewesen sein. Claude
Lévi-Strauss hat die Zusammenhänge mit Blick auf Wagner deshalb wie folgt erklärt: "Die
wahre Antwort liegt, wie wir glauben, in der dem Mythos und dem musikalischen Werk
355 Oper und Drama. [Wagner, 1872f], S. 114
356 [Lenk, 1990], S. 29
357 Zitiert in: [Reich, 1965], S. 203
358 [Dahlhaus, 1988], S. 10
149
gemeinsamen Eigenschaft, Sprachen zu sein, die jede auf ihre Weise die Ebene der artikulierten Sprache transzendiert".359
Beweise für diese Verquickungen liefert uns das musikdramatische Werk Wagners
selbst. Mit der Bemerkung "pythisch, [so muß] der Dichter sprechen"360 faßt Wagner alle
wesentlichen Gedanken zum Bereich Dichtung/ Musik/ Schlaf/ Traum zusammen. 361
Nach dem Vorbild des antiken Pythia-Orakels solle sich der Dichter nämlich zu einer
Sprache verpflichten, die der Inspirationsmantik entlehnt sowohl ur- oder überweltlich
gebunden, sprich ver-dichtet, die aber vor allem auch traumgleich zu sein habe. Die
Pythia sprach selbst aus einem schlafähnlichen Entrückungszustand, und 'Universalpoesie',
so nannten schon die Romantiker diese Art der Mitteilung, auch mit Rekurs auf das
delphische Orakel. Noch maßgeblicher aber dürfte sein, daß Richard Wagner als ein
Produkt seiner Forschungen zum Verhältnis von Sprache und Musik die Theorie des
Stabreims für sich hervorgebracht hatte. In Anlehnung an die Sprachbindung der pythischen Rätsel war die Grundidee dabei, der Sprache kraft der Alliteration schon im voraus
die für die Musik erforderlichen rhythmischen Akzentdispositionen und melodischen Korrespondenzen einzuarbeiten, das Versmaß als Melodie zu formulieren und Sprachliches
quasi schon auf sprachmechanistischer Ebene zu musikalisieren. Der Stabreim galt damit
tatsächlich als "Ausdruck"362 des Mythos', und tatsächlich auch "fühlte sich [Wagner], wenn
er Stäbe aneinanderreihte, dem verschütteten Ursprung der Dichtung nahe". 363 Im Ring
des Nibelungen führt er die Umsetzung der Stabreimpoetik konsequent durch. Gerade die
allererste Szene dort zeigt, auf welche Weise Sprache traumartig werden und wie sie in
Musik übergehen kann. Den Prozeß der Entstehung der Welt bildet ab das Terzett der
Rheintöchter aus dem 1. Aufzug Rheingold – für unseren Kontext läßt sich dabei der
Eindruck kaum mehr unterdrücken, daß das berühmte 'Weia! Waga! [...] Wagalaweia!/
Wallala weiala weia' eminente Ähnlichkeiten mit jener kryptischen Sprechmusik aufweist,
die Wagner mit der Figur der Pythia assoziiert hatte. 'Rasenden Mundes' soll sie, die
Pythia, gesprochen haben – urweltliches Lallen hören wir von den Rheintöchtern. Die
Sprache, oder besser gesagt die Sprechmelodie ist auf eine vorweltliche Stufe gebracht. Die
"geisterhaft erklingende Musik" wird, so Wagner, wirklich erschaffen wie die "unter dem
Sitze der Pythia dem heiligen Urschooße Gaia's entsteigenden Dämpfe[...]".364 Dazu
kommt, daß die Welt im Rheingold noch ganz am Anfang ist, noch liegt alles im Urzustand
befangen und erst allmählich wird die Alleinheit durch alliterierende Klänge geweckt.
359 [Lévi-Strauss, 1971], S. 31. Vgl. daneben auch den kurzen, aber brillanten Radiovortrag von Lévi-Strauss
über Mythos und Musik, in dem er das Thema anhand von Richard Wagners Ring des Nibelungen beispielhaft
analysiert und davon ausgeht, daß die Analyse der Mythen nichts anderes sei, als "mit Bedeutungen [zu] komponieren". [Lévi-Strauss, 1980], S. 67
360 TB vom 27. 11. 1877. [Wagner, 1976a], S. 1089. (Hervorhebung von der Verf. J. D.)
361 Eine Bemerkung, die sogar die überraschende Bewunderung für den Musiker Johann Strauß miteingreift,
von dem es in Mein Leben heißt, dieser sei "beim Beginn eines neuen Walzers wie eine Pythia auf dem Dreifuß" erzittert. [Wagner, 1976c], S. 71. Strauß Vater übrigens, so hat es der Sohn Johann überliefert, habe neben seinem Arbeitszimmer auch vor allem das Schlafzimmer zum Komponieren und Musizieren benutzt.
362 [Dahlhaus, 1988], S. 103
363 Ebd.
364 Das Bühnenfestspielhaus zu Bayreuth. [Wagner, 1873d], S. 402
150
Noch schlummert die Sonne, schläft "des Goldes Auge"365, noch ist es nächtlich kühl und
traumgleich proteisch im Wasser, dem Wagnerschen Urelement. Noch besteht sogar,
wenn man so will, die Alleinheit von Schöpfer und Geschöpftem, denkt man zurück an
Wagners Initialvision aus La Spezia. Die Rheintöchter, sie singen auch ein Wiegenlied.
Doch erinnert das nur einmal mehr daran, daß schon die Nachrichten der delphischen
Pythia Botschaften aus der Welt des Traumreichs waren, und auch bei Wagner wird ja
schließlich die weltweise, träumende Wala auftauchen, die die Anbindung an das chthonische Pythia-Motiv bestätigt. Gewiß, die These, daß zwischen den liegenden Es-DurKlängen und dem allerersten Kommentar der ersten Rheintochter ein "Zeitsprung"366 und
auch ein Bedeutungssprung liege, so wie Richard Klein dies vermutet hat, entbehrt nicht
der Logik. Musikalisch kommt es an dieser Stelle durchaus zu einem Bruch zwischen
Instrumental- und Vokalpart. Man könnte behaupten, Woglindes abrupter Stimmeinsatz
entspräche jenem unartikulierten 'Schrei', der laut Wagners Musikästhetik das Erwachen
anzeigt. Richard Klein:
Tatsächlich erweckt die Musik hier trotz gleichbleibender klanglicher und figurativer Strukturen den Eindruck, als habe sie gleichsam geträumt und wache nun plötzlich auf, als habe sich
'dazwischen' etwas abgespielt, was nicht zu Bewußtsein gekommen sei. [...] Mit dem abrupten
Einsatz von Woglindes Stimme auf subdominantischer Klangfunktion nimmt der Höhepunkt
der Es-Dur-Steigerung des Vorspiels ein Ende, das mit dem Bild vom Zerplatzen dessen, was
vorausgegangen ist, oder von einer Art Schuß durch einen Zeittunnel, nicht ganz inadäquat
beschrieben scheint. Inmitten aller kontinuierlichen Bewegung geschieht ein fundamentaler
Riß.367
Dramaturgisch allerdings ist das nicht belegbar. Wären die Rheintöchter bereits selbst
'wach', verlöre der Traumgehalt ihrer Urwasserwelt seine ganze Bedeutung. Ihr Spiel wäre
kein Spiel mehr. Introduktion und Szene werden statt dessen wie durch einen ungeheuren
Schub durch die Fluten nach vorne gedrängt und steuern nur auf das Erwachen des
Rheingoldes, respektive die Weckreize der Sonne zu. Der Einbruch des Tageslichtes,
dieser viele Schrecken mit sich führende Einbruch der Auf-Klärung, ist da ein viel zu
starker Schnitt, als daß man diesen schon früher hätte ansetzen können. Doch mit einem
Kompromiß ließen sich die zwei verschiedenen Positionen eventuell gut vermitteln. Das
Erwachen, das Richard Klein meint, ist nicht ein Erwachen zum Tag, sondern, wie ich
meine, ein Erwachen innerhalb des Traums zu einer neuen Traumstufe. Sehr wohl geschieht hier also eine 'Aufwärtsbewegung', sie geschieht aber nur innerhalb der Traumschichten, und das entspräche auch exakt jenem Überwechseln vom tiefen Traum (hier:
Es-Dur-Vorspiel) zum vermittelnden allegorischen Traum (hier: 1. Szene), das Wagner in
der Beethoven-Schrift nachträglich versucht hatte zu belegen. Der Rheintöchtergesang liegt
nun am äußeren Rand des allegorischen Traums, und er ist auch ein Signal für das
Erwachen, nur ist er eben ein in die Länge gezogenes Signal, kompositorisch vergrößert
365 Rheingold, 1. [Wagner, 1999c], S. 21
366 [Klein, 2001a], S. 188
367 Ebd.
151
sozusagen, um die Erweckung des Goldes vorzubereiten. Klein sagt es eigentlich selbst:
Zwischen Traum und Wachen spiele sich etwas ab, 'was noch nicht zu Bewußtsein
gekommen sei'. In der Tat. Dazwischen liegt eine katalytische Unruhe. Der tiefe Traum,
den Wagner mit dem Rheingold-Vorspiel einem Erwachen entgegenführt, bleibt unbewußt,
er 'erwacht' lediglich zu einer anderen Traumgattung, die seine Mitteilungen zwar an das
Bewußtsein weiterleiten wird, ihn selbst aber davon unbehelligt läßt. Es mag sein, daß
Wagner in der Komposition dieser Passage sogar unmittelbar auf Schopenhauer und
dessen Grundlagen vom 'tiefen' und 'allegorischen' Traum zugegriffen hat; im September
1853 war er der erwähnten Vision vom "Wiegenlied der Welt"368 erlegen, bis zum September des Folgejahres saß er an der Rheingold-Partitur, und genau in diese Zeit fällt auch
seine erste Schopenhauer-Lektüre.
Kurz, für den Beginn des Rheingolds bleibt es bei einer Traumsprache. Die Motivik
verzweigt sich sogar noch und läßt sich bis in die Grundlagen der Wagnerschen Regieführung hinein verfolgen. Ist zum Beispiel von der antiken Pythia überliefert, daß diese
niemals heftigen Bewegungen erlegen, nie von einem ekstatischen Taumel erfaßt worden
sein soll, so verlangte Wagner von seinen Figuren genau dies: Das Drama sei zu begreifen
als rein innerliches Leben der 'Wahrtraum-Gestalten', als geistige Bewegung, zu dessen
Hervorbringung der körperlich-schauspielerische Bewegungskanon auf ein Mindestmaß
reduziert werden mußte. Daß die Wala etwa in der Bayreuther Uraufführung des Rings als
eine 'Dame ohne Unterleib' auftrat, wie die damalige Presse kolportierte, das war natürlich
nicht als Karikatur gedacht. Es hatte zu tun mit einer ganz neuen, minimalistischen Regie
und in diesem speziellen Fall mit der Idee der im Halbschlaf versunkenen und deshalb nur
mental agierenden Erdgottheit schlechthin. Von daher sind völlig zu Recht und auch
nicht ohne Zufall zum berühmtesten Modell dieser neuen, meditativen Ausdruckskunst
die sanft fließenden, unbewußt-vorweltlichen, symbolhaften Bewegungen der Rheintöchter geworden, für die Wagner 1876 eine für seine Zeit unvergleichlich aufwendige
Choreographie in Gang gesetzt hatte.
Der Schlaf behauptet sich als bindendes Motiv zwischen Dichtung und Musik, hilft er
doch den Verflüssigungsprozeß in Gang zu bringen, der notwendig ist, um die Dichtung
aus ihrer begrifflichen Erstarrung zu (er)lösen und der Musik entgegenzuführen. Die Kritik
deshalb, die Wagners Dichtungsbegriff bis heute ereilt, Kritik etwa in der Form, daß "die
eintönige Musik der Stabreime ermüdet"369, müßte man eigentlich nur auf eine höhere
Ebene versetzen, um den Wahrheitsgehalt dieser "peinliche[n] Ermüdung"370 für Wagner
wieder fruchtbar zu machen. Ermüdung nämlich, Schläfrigkeit gar, darf nicht als Folge der
Wagnerschen Kunst erscheinen, sondern als eine ihrer Voraussetzungen. "[U]nd abends,
wie er [R.] liest, daß die Nibelungen in Berlin manchen ermüden, ist er völlig froh, dieses
erwähnt zu sehen, weil er es richtig findet"371, diese seltsame Bemerkung Wagners sollte
man möglicherweise deuten als Ausdruck einer Müdigkeit, die sinnstiftend, nicht sinn368 TB vom 17. 7. 1869. [Wagner, 1976a], S. 129
369 [Tappert, 1967], S. 104
370 Ebd., S. 101
371 TB vom 18. 5. 1881. [Wagner, 1977], S. 739
152
entstellend wirkt. Möglich sogar, daß man so weit gehen kann zu behaupten, bei Wagner
befördere weniger nur die Musik den Schlaf (wie die Heilkundler auch zu Wagners Zeit
schon wußten), sondern umgekehrt der Schlaf die Musik. Wagners Musiktheorie hat in
der Tat einen eigenwilligen therapeutischen Anspruch. Wir werden darauf zurückkommen müssen. Was aber die Wagnersche 'Musik als Kunst' leisten will, leistet genauso der
Schlaf: Innerhalb der Wagnerschen Musikphilosophie gelten beide als Ausdruck des
Weltwillens. Gleichzeitig sind beide Ausdruck der höchsten Subjektivität, eine Umsetzung
des pythischen 'Erkenne Dich selbst', welches Wagner zum Titel seiner Ausführungen
über Religion und Kunst gemacht hatte. Ermüdung also wieder nicht als Abspannung,
sondern als eine elaborierte Form des Wachseins.
<Musik/ Mythos>
Deutlich dürfte geworden sein, daß der Musik nach Wagners Vorstellung eine transzendentale Befähigung immanent ist. Nicht nur, daß die Musik alle übrigen Künste transzendiert, sie transzendiert auch die historischen Bedingungen und kann ans Urweltliche,
Ursprachliche, Urdramatische anknüpfen. Viel mehr noch stellt sie dies Urweltliche
eigentlich dar. Im Sinne Wagners wird man sagen können, daß die Musik den Mythos
restituiert. Mit der Beethoven-Schrift wußte Wagner diese Grauzone der Kunst gut zu
unterfüttern – denn unterfüttert werden mußte sie – und zwar erneut durch die Verbindung der Musik zum Schlaf, welcher genau so an archaische Ursprünge anknüpft, wie
die Musik an archaische Ursprünge anknüpfen sollte. Immerhin wurde dem Schlaf schon
in zahlreichen Schöpfungsmythen elementare Bedeutung zugesprochen. Kosmogonisch
war er, wenn nicht der ersten Generation von Urgewalten zugehörend, eine Ableitung
der Urnacht und der Urfinsternis, die man sich selbst oft schlafend vorstellte, zum Beispiel
in den nordischen Mythen. Schlaf, Nacht und Finsternis bildeten gemeinsam auch eine
"thick night"372, deren katalytische Prozesse im Wortsinn im Dunkeln bleiben mußten,
deren Erträge hingegen gleichbedeutend waren mit der Genese der Welt. Nietzsche
umschreibt es folgendermaßen: Der Schlaf bringt den Menschen
auf einen Zustand der Unvollkommenheit zurück[...], wie es in Urzeiten der Menschheit bei
Jedermann [...] gewesen sein mag. [...] im Schlaf und Traum machen wir das Pensum früheren
Menschenthums noch einmal durch.373
'Unvollkommenheit' bedeutet hier jedoch keinen Verlust, so wenig wie die etymologischen Wurzeln des Schlafs 'schlaff' und 'matt werden'374 nur pejorativ verstanden werden
dürfen. Ohne daß ein Nachteil darin lag, wurden die Schöpfungsgötter als "Kinder der
Ohnmächtigen", als "träge" und "müde"375 bezeichnet, die Sonne als "wegemüd"376, die
372 Zitiert in: [Reimbold, 1970], S. 20
373 Menschliches, Allzumenschliches. [Nietzsche, 1988g], S. 31f.
374 Nach: [<Duden>, 1963], S. 606
375 Zitiert in: [Reimbold, 1970], S. 51
376 [Grimm, 1876], S. 617
153
täglich "to Rüste", also zur Ruhe müsse und "int Nest [kruppt]". 377 Dem mythischen
Verständnis zufolge besaßen die Nacht, der Schlaf, die Dunkelheit und deren jeweils
unzugänglicher, abgewandter, 'blickdichter' Teil das Vermögen, Strukturen aufzubewahren, die kulturell noch nicht durchgebildet waren. 'Unvollkommenheit' ist deshalb eine
paradoxe, bei Nietzsche auch ironisch gebrochene Parabel für die Rückführung in Bereiche, die sich zumindest in der Sprache nicht darstellen ließen. 'Unvollkommenheit', es
ließe sich ebenso 'Unfertigkeit' dazu sagen, ist ein Schöpfungspotential. Und der Mythos
und mit ihm der Schlaf sind Generatoren für eben jene Strukturen, die zu komplex
bleiben mußten für eine taghelle Kausalität. Für Wagner sollte darum zwingend auch die
Musik eine Ableitung des Mythos' sein. Und daraus ergibt sich schließlich ein Dreisatz, ein
Dreisatz, innerhalb dessen sich jede der drei beteiligten Größen beliebig zu jeder anderen
gesellen kann: Musik und Mythos entstammen beide dem Bereich, der "in keiner Sprache
mitzutheilen [ist]."378 Das leitet sie an den Schlaf weiter, der einerseits wie der Mythos
traum- und bildhaft mit der Nacht zusammenhängt, andererseits wie die Musik den
Abdruck einer ursprünglichen Welt liefert. Ohne selbst der Mitteilung fähig zu sein,
verfügt der Schlaf doch über Mitteilungskanäle, die den schöpferischen Nebelbereich
abbilden können – Kierkegaard hätte gesagt "die Phantasie [legt sich] hin und träumt, und
hieraus erzeugt sich das Mythische"379 – und genau diese formale Möglichkeit ist es, die
Wagner am Ende (nur noch) mit Musik gesättigt hat. Das Ergebnis ist der für die
Gegenwart wiedergewonnene Mythos –Schlaf kann mythisch, kann aber auch alltäglich
sein. Er fungiert als Wegbereiter des Wagnerschen Musikverständnisses. Wie das Schlafen für
den Künstler, so ist er für die Kunst ein Katalysator.
Von daher ist es sehr wohl, und zwar von weit mehr als anekdotischer Bedeutung, daß
Wagner die Musik (vor allem die Musik Beethovens!) schon als Kind als ein der Alltagswirklichkeit entrücktes "Dämonium, eine mystisch erhabene Ungeheuerlichkeit"380 wahrgenommen hatte, und ihr seit je mit einer Mischung aus Glaube und Aberglaube anhing.
Mit Beethovens "Sonaten ging er schlafen und mit den Quartetten stand er auf"381, erinnert sich Heinrich Dorn, Wagner selbst bekannte, daß er durch die Schriften des 'Gespenster-Hoffmann' "zum tollsten Mystizismus aufgeregt [wurde]: am Tage, im Halbschlafe
hatte ich Visionen, in denen mir Grundton, Terz und Quinte leibhaft erschienen und mir
ihre wichtige Bedeutung offenbarten".382 "[A]lles Regelhafte schien sie [die Musik] mir
durchaus zu entstellen"383, und wie "eine Geistermahnung"384 sind die Töne, so daß
377 [Stegemann, 1936/1937], Sp. 57
378 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 92
379 [Kierkegaard, 1984], S. 102
380 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 39
381 [Dorn, 1838], S. 29
382 Autobiographische Skizze. [Wagner, 1871a], S. 10
383 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 39
384 Ebd., S. 37
154
ich nun eine Musik schreiben [mußte] [...], [in der] namentlich [...] die so unterschiedlichen
Gattungen der Gespensterwelt angehörenden Geistererscheinungen durch die entsprechende
musikalische Begleitung ihr rechtes Kolorit erst erhalten [sollten].385
Schlaf und Traum als verwandte Phänomene liegen da nicht allzu weit entfernt, ja der
Gespensterglaube scheint hier so etwas wie die kindgerechte Vorform des Wagnerschen
Mythosbegriffs zu sein. Vom späten Wagner überliefert Cosima: "[I]n Deutschland [wolle
er] für die Musik leben, die allerdings dort zu Hause sei, wenn es dunkel würde, die
Lichter sich anzündeten". 386 Schön und auch ein wenig rätselhaft ist dieser Gedanke, er
offenbart doch aber noch immer dieselbe Vorliebe für die Welt als Schattentheater. Mehr
als beliebig dürfte es deshalb auch sein, daß die allererste Komposition, für die Richard
Wagner je ein Honorar erhalten hatte, nachweislich ein Schlaflied gewesen ist, nämlich
das kleine französische Gesangsstück Dors mon enfant aus dem Jahr 1839387, worüber
Glasenapp schreibt:
Wie tief diese anmutsvolle[...] Gelegenheitsdichtung[...] doch dem Innern des jungen Musikers
entströmt [ist], zeigen die mannigfachen Berührungen und Verklammerungen, durch welche
sie [...] mit späteren größeren Schöpfungen zusammenhäng[t]. 388
In der Tat. Nicht nur in Wagners Leben war, auch in Wagners Musik und Musiktheorie
ist der Schlaf augenscheinlich ein Konstruktionsprinzip. Nicht also nur Inhalt, sondern
Form. Wie Elisabeth Lenk es ausdrückt, gewährt er "den Durchbruch einer ins Absolute
befreiten Musik".389 Präziser noch gewährt der Schlaf den Durchbruch einer ins absolute
befreiten Kunst, die sich in Fortsetzung eines mythischen Ideals in verdichteter Sprache
und verdichtetem Sinn als Musik äußert. Claude Lévi-Strauss hat Wagner nicht ohne
Grund den "unabweisbaren Vater der strukturalen Analyse der Mythen" genannt, denn es
sei "in höchstem Maße aufschlußreich, daß diese Analyse zuerst in der Musik vorgenommen worden [... und daß ...] die logische Konsequenz aus der Wagnerschen Entdeckung
ist, daß die Struktur der Mythen sich mittels einer Partitur enthüllt."390 Wagner hat nicht
nur die Musik in den Bannkreis des Schlafs geholt, er hat die Musik durch das Tor des
Schlafs hindurch "selber zum Träumen gebracht"391 und dadurch in den Mythos über-
385 Ebd.
386 TB vom 3. 12. 1881. [Wagner, 1977], S. 838f.
387 Siehe: Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 209. Ebd., S. 183 ergänzt Wagner: "[E]s geriet so gut, daß, als ich
spät abends es mehrmals leise mir auf dem Klavier probierte, meine Frau aus dem Bett mir zurief, das wäre ja
ganz himmlisch zum Einschlafen." Ein Verbindung zu dem Wiegenlied Schlaf, Kindchen, schlafe, das Wagner
fast 30 Jahre später am Silvestertag 1868 schreiben sollte, besteht übrigens nicht; allerdings gilt diese Komposition wiederum als Keimzelle für das 1870 entstandene Siegfried-Idyll, das Wagner einmal als seine "liebste
Komposition" bezeichnet hat. TB vom 10. 1. 1878. [Wagner, 1977], S. 35
388 [Glasenapp, 1905a], S. 348
389 [Lenk, 1990], S. 28
390 [Lévi-Strauss, 1971], S. 30f.
391 [Lenk, 1990], S. 39
155
führt. Daß der Mythos uns reziprok in einen "träumerischen Zustand versetzt"392 stellt
sicher, daß wir in das Reich der Musik zurückgespült werden.
<Musik/ Utopie>
Wie allerdings der Mythos durch den Schlaf mit der Musik zusammenhängt, so am Ende
auch der Utopiebegriff Wagners. Vom Schlaf gelenkt suggeriert die Musik nicht nur den
Vergangenheitsbezug und das Rückfallen in eine vorweltliche Ordnung, sondern kraft
surreal-subversiver Traumbilder auch die Idee des Fortschritts und Neuanfangs. Sobald
man berücksichtigt, daß Wunscherfüllung ein traumgestaltendes Prinzip ist, sobald man
vor allem berücksichtigt, daß der Schlaf uns dadurch an die Zukunft vermittelt, quasi als
Derivat der pythischen Orakel, so ist die Musik nach Wagner und der Beethoven-Schrift
auch zu verstehen als Erlösung aus der Gegenwart. Gekoppelt an den Moment des Erwachens – dieser jetzt nicht mehr verstanden als physiologische, sondern als rein philosophische Größe – kann uns die "heraklesmässige Kraft der Musik"393 aus Scheinhaftigkeit,
Manipulation, Entfremdung und einem politisch-sozialen Zwangskorsett befreien. Musik
ist ganz und gar Ausdruck des Wagnerschen Offenbarungs- und Erlösungsglaubens, die
Musikästhetik Wagners auch eine konkrete Utopie. Schopenhauerisch dabei natürlich der
Gedanke, daß die Musik die Welt offenbart, und zwar nicht so, wie sie ist, sondern so,
wie sie sein sollte – "unser Reich ist nicht von dieser Welt". 394 Das "Wesen der Musik",
berichtet Cosima, habe Wagner ihr so erklärt,
als erschließe sich etwas in [der] Seele, was sonst immer gefangen gehalten [würde], und [als]
versinke [der] Geist in einem Traumzustande; die Realität verschwindet gänzlich, und es waltet
nur die Liebe. 395
"[T]räumereiches Atemholen der Musik"396 hat Gregor-Dellin das sehr schön genannt mit
Blick auf den Moment, da der Holländer und Senta das erste Mal allein sind. Der Traumzustand scheint das Erwachen als positive Utopie miteinzuschließen. Oder anders gesagt:
Die Wagnersche Utopie ist nichts anderes als ein Wachtraum. In Folge stehen Welten wie
die der Götterdämmerung oder die des Tristan, zwei Gefüge immerhin, die eindeutig vom
Zerfall betroffen und auch mit zahllosen Nachtsequenzen versetzt sind, ebenso eindeutig
"unter der Chiffre des Erwachens"397: Siegfried, der Exekutant der Wagner-Wotanschen
Utopie, öffnet sterbend "glanzvoll"398 die Augen und singt von Erweckung. Brünnhilde
erwacht am Schluß zum All-Wissen, und erst dieser radikale Erleuchtungsprozeß, der ja
auch reichlich mit Lichtmetaphern ausgeschmückt ist, gewährleistet, daß für sie der Schein
der Gibichungen-Welt durchschaubar und eine Zukunft bestimmbar wird. Im Moment
392 Zukunftsmusik. [Wagner, 1873k], S. 161
393 Geburt der Tragödie. [Nietzsche, 1988e], S. 73
394 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 144
395 TB vom 4. 7. 1869. [Wagner, 1976a], S. 122
396 [Gregor-Dellin, 1980], S. 163
397 [Eisinger, 1987], S. 21
398 Götterdämmerung, 3, 2. [Wagner, 1997a], S. 99
156
des Erwachens schlägt der Alptraum zu einem an jedem Aufführungsabend neu wahr
werdenden Traum des neuen Tages um. Mit Tristan verhält es sich ähnlich. Vom sterbenden Tristan heißt es "Er wacht!"399, von der sterbenden Isolde "Sie wacht!"400 Selbst
die Meistersinger, deren Weltsystem im Vergleich nur spielerisch vom Umsturz bedroht ist,
enden per aspera ad astra, im melodiösen 'Wach(t) auf', das sich jetzt ausnimmt, als sei die
Musik kraft ihres utopischen Gehalts ein Loblied auf sich selbst. Das Erwachen also
können wir bei Wagner wörtlich verstehen als ein 'Heller-werden', als Aufklarung. "Und
was ist denn die Kunst?", fragt Wagner und meint:
Sie gleicht den schönen blauen flackernden Flammen, die zuweilen über dem Herd sich erheben, alles übrige aber ist Zerstörung, Vernichtung. Daß sie bildend leuchten soll während einer
tatenreichen Zeit, das ist freilich der Traum. 401
Die utopische Kraft der Musik hatte er bereits mit dem Eindruck des "Tageslicht[s]"
verglichen, das den "Lampenschein [aufhebt]". 402 Damit werden in nochmals verwandelter
Wiederkehr die Lichtmetaphern instand gesetzt, mit denen der Musiker Wagner selbst
verglichen worden war. Darum: Der Schlaf und mit ihm die Bilder des Erwachens ermöglichen erst die Musik. Der Schlaf fungiert als Einstiegshilfe in die Utopie (oder als "versteckte Tapententhür"403, wie Novalis es so zauberhaft formulierte). Insofern ist Wagners
Frage "ist Musik schön?"404 natürlich eine rhetorische Frage. Ja, Musik ist schön, weil sie
die Zukunft in der Gegenwart etabliert. Eigentlich ginge sie noch "weit über die Schönheit hinaus"405, bemerkt Wagner während der Konzeption seiner Beethoven-Schrift, die er
auf diesem Gedanken aufbaut, denn sie macht das Unmögliche möglich. Das Sehnsüchtige
der Wagnerschen Musik, auch der Zustand des Ab- und vielleicht sogar der des "Ausgeschlossenseins"406, den die Musik mit dem Schlaf teilt, ist auch ihr glücklich-utopischer
Kern. Kein Zufall ist es, daß die Zeit der Beethoven-Niederschrift um 1870 für Wagner
biographisch eine Zeit der Einkehr (in Tribschen) und des privaten Glücks (mit Cosima)
gewesen war. Schon die Odyssee endet damit, daß ihr Held im Moment seiner Heimkehr
in den Schlaf zurücksinkt.
<Künste des Übergangs>
Nach Wagner impliziert die Musik also gleichzeitig Rückblick und Voraussicht; sie ist
nicht nur ein Vergessens-, sondern auch ein Erinnerungstrunk (vgl. Abb. 44-45) – das Leben war kein Traum, sollte aber einer werden – und der Schlaf scheint hierfür das ideale
Stilbildungsmittel zu sein, insofern er in romantischer Tradition ermöglicht, daß der
399 Tristan und Isolde, 3, 2. [Wagner, 1984b], S. 70
400 Tristan und Isolde, 3, 3. Ebd., S. 72
401 TB vom 21. 12. 1870. [Wagner, 1976a], S. 328
402 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 145
403 [Novalis, 1977], S. 252
404 BB [zwischen 3. und 19. 7. 1870]. [Wagner, 1988b], S. 210
405 TB vom 25. 7. 1870. [Wagner, 1976a], S. 261
406 [Lenk, 1990], S. 36
157
Genuß des einen die Wirkung des anderen nicht ausschließt. 407 "Der Schlaf ist das tiefe
sich Besinnen [...] in sich selbst"408, hatte der romantische Philosoph Heinrich Steffens geschrieben. Novalis wußte dies sofort zu ergänzen: "In uns, oder nirgends ist die Ewigkeit
mit ihren Welten, die Vergangenheit und Zukunft".409 Genaugenommen ist der Schlaf
eine Art Zeitmaschine, mit der man beliebig an die mythische Quelle und/ oder den 'outópos' gelangen kann. Deshalb ist er eine Überblendungstechnik und für Wagner von vornherein die Parallelerscheinung zur Musik, welche er als "Kunst des Überganges" deklariert
hatte:
Meine feinste und tiefste Kunst möchte ich jetzt die Kunst des Überganges nennen, denn mein
ganzes Kunstgewebe besteht aus solchen Übergängen: das Schroffe und Jähe ist mir zuwider
geworden. 410
So wie der Tag in die Nacht oder die Nacht in den Tag übergeht, so lebt das Wagnersche
Musikdrama vom 'Blending' der zuvor als Nummern in der Oper schematisierten Szenenund Musiksequenzen. Und so wie die Träume, so sind auch Wagners Klangfarben "proteisch".411 Das Gehör als musikalisches Organ ist entsprechend ein 'Durchgangstor'412, an das
der Begriff der Resonanz und die Idee gekoppelt ist, daß akustische Signale stufenlos zu
Widerhall werden können und Widerhall stufenlos zu akustischen Signalen. Im selben
Sinn bewunderte Wagner in der Gesangskunst nichts so sehr wie den italienischen Stil, der
auf dem Glissandieren basiert, begriff diesen denn auch für Bayreuth als Grundlage und
entwickelte parallel dazu selbst eine immer stärker werdende Abneigung gegen das Klavier
als Instrument, welches kein Gleiten zwischen den Tönen kenne. 413 Im Idealfall sollte die
melodische Struktur erscheinen als etwas, das der Dämmerung nicht unähnlich sein dürfte
– Cosima vermerkt zum Spätwerk Parsifal: "[G]leich der unmerklichen Verwandlung, dem
ungefühlten Schreiten des Parsifal, so entwickele, verwandle, schwebe diese Musik, [...]
wie die Farben-Bildungen der Wolken beim Sonnenuntergang wechselt Licht und
407 Mythos und Utopie – konkret hieß das allerdings: Man stellte sich Utopia in historischem Gewand vor.
Das ist ein Widersinn, und die Fehler, die sich später daraus kostümtechnisch für Bayreuth und die Uraufführung des Rings ergeben sollten, hätte Wagner auch bei sich selbst suchen müssen.
408 [Steffens, 1821], S. 698
409 [Novalis, 1981], S. 419
410 Brief Richard Wagners vom 29. 10. 1859 an Mathilde Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1915],
S. 261. Es dürfte übrigens kein Zufall sein, daß der Komparativ "feinste und tiefste Kunst" hier parallel geht mit
dem oben bereits angeführten Wort von "der echteste[n] Kunst", die "nur [...] Nachtigallenlied" sein könne:
"[I]n ungeheuerster Steigerung ist meine beste Kunst nicht anderes." Brief Richard Wagners vom 3. 8. 1853 an
Theodor Apel. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1910], S. 88
411 [Lenk, 1990], S. 34
412 Vgl. mit dem Abschnitt <Hörsinn> in Kap. II.2
413 Seinem Erard-Flügel allein, um den er, Wagner, sich einst inmitten einer schweren Lebenskrise so sehr
bemüht hatte, schrieb er zu: "Aber dieses wundervoll weiche, melancholisch süsse Instrument schmeichelte
mich völlig wieder zur Musik zurück [...] Das Leben webte sich wieder traumartig um mich zum Dasein".
Tagebucheintrag Richard Wagners vom 6. 10. 1858 an Mathilde Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1904],
S. 61. Erst ein Flügel von Ibach verdient dann rund 25 Jahre später eine ähnliche Erwähnung: "Der Flügel von
Ibach kommt an und freut R. durch seinen sanften Ton, er schreibt Herrn I., daß er nur noch weiche Musik
komponieren würde." TB vom 7. 11. 1882. [Wagner, 1977], S. 1041
158
Nacht".414 Über Bach hatte Wagner einmal gesagt: "Unbewußt, wie im Traum, ist vieles
von [ihm] niedergeschrieben; die 'unendliche Melodie' ist da bereits präformiert", und "das
[Präludium Nr. 8] spiele ich noch mondscheinartiger, da hört der Dämmer bei mir gar
nicht auf."415 Interpretations- und kompositionstechnisch, musiktheoretisch und musikästhetisch ging es um die Verflüssigung von Zäsuren.416 Die Bilder des Schlafs stellen dabei
eine formale Entsprechung oder auch eine Ergänzung zur Musik dar.
Insofern ist es folgerichtig, wiewohl doch sehr überraschend – bislang wurde es in der
Forschung nicht erwähnt und wahrscheinlich auch gar nicht bemerkt –, daß es keine
einzige Oper im Hauptwerk Wagners gibt, die nicht entweder durch eine Schlafszene
oder/ und eine Sequenz eröffnet wird, in der die Musik sich selbst thematisiert – Anfang
hier verstanden als prominentestes Beispiel einer Zäsur. Schon in dem frühen Dramenentwurf der Hochzeit – diesem "vollkommene[n] Nachtstück", in dem "die Verschmähung
jedes Lichtscheines [...] schwarz auf schwarz aus[geführt war]"417 – steigt ein wahnsinnig
Liebender des Nachts in das Schlafgemach der Braut seines Freundes ein und veranschlagt
damit quasi den Spielbereich aller späteren Wagner-Opern. 418 'Baron von Nachtschatten'
hieß immerhin schon eine Figur in der Farce Männerlist größer als Frauenlist, die Motive aus
Tausendundeiner Nacht aufgriff. Der Rienzi beginnt dann mit einem nächtlichen
Frauenraub, Irene wird in ihrer Schlafkammer überwältigt. Die erste Szene des Holländer
wird eingeleitet vom Gesang der Matrosen kurz vor der Nachtruhe und mündet im Lied
des Steuermanns, der sich singend den Schlaf zu vertreiben sucht, welcher ihn am Ende
doch überwältigt. Im Tannhäuser bemerken wir als allererstes "[i]m äußersten Vordergrunde links"419 ein Bett, es ist das Bett der Venus. Dann hören wir den Gesang der
Sirenen und sehen einen bacchantischen Tanz, der "Gruppen [von] Schlafenden"420
hinterläßt – Tannhäuser selbst "zuckt mit dem Haupte empor, als fahre er aus einem
Traume auf". 421 Die erste Szene Lohengrin springt in medias res, dies aber nur, um dramaturgisch jene zweite Szene vorzubereiten, die Elsa in "träumerische[m] Entrücktsein
[...]"422 heranführt und in der diese berichtet: "[I]ch sank in süßen Schlaf"423 (vgl. Abb.
414 TB vom 29. 1. 1878. [Wagner, 1977], S. 41
415 Zitiert in: [Glasenapp, 1911], S. 164
416 Allerdings brachten wohl erst die elektro-akustischen Instrumente, deren Entwicklung rund 20 Jahre nach
Wagner begann, was dieser wirklich gern gehört hätte, etwa das Sphärophon oder das Partiturophon von Jörg
Mager oder aber auch das berühmte Trautonium von Friedrich Trautwein und Oskar Sala mit seiner Kopplung
von Tasten- und Gleitvorrichtung. Äußerst reizvoll jedoch ist es zu wissen und sich vorzustellen, daß zum
Beispiel Mager bereits 1931 von Tietjen und Winifred Wagner nach Bayreuth engagiert worden war, um für
den Parsifal elektroakustische Gralsglocken herzustellen. Akustisch dürfte das weit mehr als ein Experiment
gewesen sein. Oskar Sala und sein Mixtur-Trautonium folgten Mager 1956 bzw. 1957 an den Hügel, als
Wieland Wagner und Hans Knappertsbusch die neuen, synthetischen Klänge für das Lautmaterial derselben
Glocken sowie für die Nibelungenschmiede im Rheingold einsetzten.
417 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 76
418 Zumal Wagner bekannt hat, daß er während der Konzeption der Hochzeit "wiederholt das Manuskript [...]
hinter dem Kanapee verborgen" habe... Ebd., S. 74
419 Tannhäuser, 1, 1. [Wagner, 1949], S. 14
420 Ebd., S. 15
421 Tannhäuser, 1, 2. Ebd., S. 18
422 Lohengrin, 1, 2. [Wagner, 1952], S. 15
423 Ebd.
159
46-48). Der Ring beginnt traumselig im Rhein des schlafenden Goldes, es folgen Wotans
(bleierner) und Erdas (aufgestörter) Schlaf, jene Ermüdungserscheinungen, die später als
Fanal einer Welt erkennbar werden sollen, welche nur mehr zwischen Traum und Trauma hin- und herschwankt. Tristan: Isolde lagert auf einem "Ruhebett, das Gesicht in die
Kissen gedrückt"424 (vgl. Abb. 49-52), es erklingt das Seemannslied eines jungen Matrosen. Die Meistersinger heben an mit den letzten Versen eines Kirchenchorals, womit wieder
mit den Mitteln der Musik über Musik reflektiert wird. Und last but not least Parsifal:
Dieser beginnt mit einem "Morgenweckruf"425 und mit Gurnemanz, der "schlafend unter
einem Baume"426 liegt, zwei "Schlafhüter[n]"427, die dasselbe tun, Amfortas auf dem
"Siechbett"428 und Kundry, die bekennt "Ich bin müde".429 Offenbar wird das Wagnersche Werk also wirklich vom Schlaf genährt. Denn das Schlafmotiv liefert die mythische
und/ oder utopische Antriebskraft, die es braucht, um das musikalische Drama zu initialisieren. Ähnlich wie in Wagners Biographie, in der auch die Schlafmetaphorik über die
jahrzehntelangen Anfangs- und Schöpfungskrisen hinweggeholfen hatte, behauptet sich
der Schlaf in den Musikdramen als dramaturgisches Bindemittel. Und genau so zum
Beispiel, wie es später erst durch die Techniken des Films (etwa durch Überblendungen,
Kamerafahrten oder Zooms) möglich werden sollte, konnte Wagner bereits durch den
Schlaf verschiedene Zeit- und Handlungsdimensionen im Musikdrama ohne Bruchkanten
miteinander verknüpfen – ein nicht unwichtiger Kunstgriff im Œuvre eines Künstlers,
dessen Hauptwerk allein 28 Jahre bis zur Fertigstellung bedurfte. Das Motiv vom Schlaf
hilft, über das Gewordensein des Kunstwerks hinwegzutäuschen. 430
<Musik als Heilkunst [1]>
Weil der Wagnerschen Vorstellung zufolge nun aber sowohl der Mythos als auch die Utopie als Ableitungen vom Goldenen Zeitalter zu verstehen sind, transportiert die Musik, die
wie gehabt von beidem stimuliert wird, sicher auch den Anspruch auf Besserung. Regeneration – Reformation – Revolution, das sind die Stützpfeiler der Wagnerschen Musikästhetik, und es besser haben zu wollen, ist ohne Frage ein Antriebsimpuls für den Komponisten Wagner gewesen. Gar nicht verwunderlich, daß da auch der Schlaf, nachdem er
der Musik theoretisch so sorgfältig untermischt worden war, seinen Beitrag leisten muß.
Wie die Musik vermag er zu beruhigen, zu reinigen, zu ordnen. Er bringt Trost, macht
vergessen, suggeriert kraft der Träume wie die Musik eine ganz andere Sicht der Dinge,
und erschafft, indem er dem Erwachen entgegenstürzt, die Welt jeden Tag wie neu.
Musik und Schlaf, so könnte man sagen, sind beides Künste der Kompensation. Wie die
Musik (des Musikdramas) vermögen auch die Träume die störenden Elemente im
424 Tristan und Isolde, 1, 1. [Wagner, 1984b], S. 5
425 Parsifal, 1. [Wagner, 1950], S. 11
426 Ebd.
427 Ebd.
428 Ebd.
429 Ebd., S. 13
430 Vgl.: Anm. 243 dieses Kapitels
160
menschlichen Seelenhaushalt zu brechen und in handhabbare Bilder zu sublimieren.
Schon Hans Sachs trieb Stolzing dazu an, sich seiner Träume nicht zu schämen, womit er
dessen existentielle Furcht vor der Meisterschule tatsächlich bändigte und den Meistersang
aus diesem hervorlockte. Ja selbst Wotan, im Rheingold, tröstet sich noch mit dem schönen
Schein der Träume. Und in diesem Sinn darf man wohl behaupten, daß auf der Grundlage
der Beethoven-Schrift die Musik bei Wagner ein Therapeutikum ist. 'Therapeutikum'
allerdings nicht bloß verstanden als Metapher.
Gilt der Schlaf an sich schon als Medizin, so auch die Musik. Physiologische und
psychotherapeutische Untersuchungen haben längst bewiesen, daß der Einfluß von Musik
sich günstig auf Krankheiten auswirke431, woraufhin es wenig überraschend kommt, daß
gerade auch Wagners Musik immer wieder in einen heilkundlichen Zusammenhang
gestellt worden ist. "»Musik in Hospitälern«" heißt ein Zeitungsbericht, den Cosima ihrem
Tagebuch beigelegt hatte und worin berichtet wird: "»Die schöne Idee unseres großen
Meisters Richard Wagner, die Musik auch zur Krankenpflege zu verwenden, verwirklicht
sich in England.«"432 Freilich ist Wagner damit etwas in den Mund gelegt worden, was er
so im Detail nicht gesagt, in umfassenderem Sinn aber durchaus so gemeint haben dürfte.
Der Heilsanspruch seiner Musik wird noch heute zum Beispiel in Bayreuth wörtlich
genommen, ja wahrscheinlich vor allen Dingen in Bayreuth – die Kombination von Natur
und Therapie im Rahmen des Musikbetriebes scheint manchmal fast einer Wiederauflage
der naturphilosophischen Theorien vom magnetischen Schlaf nahezukommen. Wie die
verdienstvollen Untersuchungen von Gebhardt/ Zingerle belegen, ist für einen Großteil
des Bayreuther Festspielpublikums gerade die "funktionale Leistung der von der WagnerMusik ausgelösten Gefühle [...] von Bedeutung"433: das Festspielerlebnis umfaßt neben
den als Reinigung empfundenden "Wanderungen in einer noch weitgehend unverbrauchten Natur"434 und "spezifische[n] Konzentrationsphasen vor Beginn der Vorstellungen und
auch während der einstündigen Pausen"435 vor allem eine "Art rein körperlicher Vorbereitung [...,] Ausruhen und Entspannen [...], das Einnehmen nur leichter Speisen vor Beginn
der Aufführungen"436, so daß die Vorstellung des "Sich-Lösens"437 von vielen wesentlich
mit dem "Heilende[n] der Musik"438 assoziiert wird. Gebhardt/ Zingerle stellen fest:
Das Entscheidende ist dabei, daß diese Gelegenheit [zum Abarbeiten der Lebensprobleme]
nicht außerhalb, sondern allein innerhalb der Opernaufführungen gegeben ist, mit ihnen und
durch sie [...,] was im gängigen Sprachgebrauch (Psycho)-Therapie genannt wird.439
431 Ich verweise stellvertretend für den Forschungsbereich auf: [Rauhe, 1986], [Rauhe, 1993a], [Rauhe,
1993b].
432 TB vom 11. 2. 1881. [Wagner, 1977], S. 688
433 [Gebhardt/ Zingerle, 1998], S. 174
434 Ebd., S. 108
435 Ebd., S. 125
436 Ebd.
437 Ebd., S. 176
438 Ebd.
439 Ebd., S. 175
161
Wenn "Moribunde", wie Wolfgang Hildesheimer einmal behauptet hat, "lieber Mozart
[hören] als jede andere Musik"440, so hören sie unterdes wahrscheinlich am allerliebsten
Wagner. Das "Therapiezentrum [...] Deutschland[s]"441 ist Bayreuth, selbst noch für die
vielen Kritiker der Festspiele. Sogar Christoph Schlingensief soll sich nach seiner
spektakulären Berufung an den Grünen Hügel (2003) und einem ersten Besuch dort
gefühlt haben, als komme er geradewegs 'aus der Kur'. Wagners Bayreuth und Wagners
Musikdramen wären demnach ein fundiertes Heilerlebnis. 442
Zugegeben, es ist auch so, daß man Wagner gerade die physiologische Komponente seiner Kunst zum Nachteil ausgelegt hat. Gerade der Heilanspruch der Wagnerschen Kunst
wurde immer wieder als skandalöser Übergriff verurteilt, der "Musik-Heiland Richard
Wagner"443 zum "Bayreuther Wunderdoktor"444 herabgestuft. Selbst der Bayreuthianer
Richard Strauss verlangte zu seiner Zeit, daß scharf getrennt werden müsse zwischen
"»Musik als Ausdruck« der menschlichen Psyche [...] und Musik als tönende Form, als angenehmes, nervenberuhigendes Tonspiel [...] als Heilmittel in den Händen des Arztes und
seiner Genossen"445, womit letzteres vollkommen diffamiert und als zwielichtiges Dilettantenwerk abgetan wurde. Das 'angenehm Nervenberuhigende' der Musik war blanker
Spott, und so kommt Strauss dem Vorwurf ungeheuer nahe, der Wagner allzu oft gemacht
worden ist, daß dessen Kunst nämlich überhaupt gar kein Psychotherapeutikum, sondern
eine Art infektiöse Irritation sei, folglich der Heilungsprozeß eher dem Forschungsinteresse des Arztes als dem des Heilsuchenden zugute komme. Der Anspruch zu heilen zieht
jetzt mit Macht die Idee heran, daß man sich generell im Wirkungsbereich einer Krankheit befände. Hatte man die These, daß eine Erkrankung vorliege – noch mit Bezug auf
Wagners Stoff-Fetischismen für diesen ausgelegt –, so wird sie nun mit Bezug auf dessen
Musik gegen ihn ins Spiel gebracht. Ob "Epidemia Wagneriana"446, "Wagnerfieber"447,
"Wagneritis"448 oder "Wagneropsie"449, alles gilt plötzlich als "stark grassierend"450 trotz
"Elixir tetralogique, [...] Tristanpastillen [...,] Parsivaline"451, und die feuilletonistische
Veralberung verdeckt hier weniger den schneidenden Ernst der Debatte als daß sie ihn
prononciert. Schon Nietzsche meinte diagnostizieren zu können: "Neuerdings kam sogar
noch ein drittes [zu den zwei grossen europäischen Narcotica Alkohol und Christentum]
440 [Hildesheimer, 1977], S. 44
441 [Brüggemann, 2003], S. 41
442 Und es ist seltsam, aber in der Zeit der Bayreuther Festspiele findet man jedes Jahr wieder mit wundersa-
mer Regelmäßigkeit die neuesten Wagneriana ausgerechnet in den Schaufenstern von Apotheken, Krankenkassenfilialen, Augen-, Hör- und Orthopädiefachgeschäften - experto credite.
443 Zitiert in: [Tappert, 1967], S. 124
444 Zitiert in: Ebd., S. 77
445 Brief Richard Strauss' vom 30. 9. 1895 an Cosima Wagner. [<Wagner, Cosima - Briefe>, 1978], S. 215
446 Zitiert in: [Tappert, 1967], S. 39
447 Zitiert in: Ebd., S. 40
448 Zitiert in: Ebd., S. 120
449 Zitiert in: Ebd., S. 121
450 Zitiert in: Ebd., S. 40
451 Zitiert in: Ebd., S. 121
162
hinzu, [...] die Musik, unsre verstopfte verstopfende deutsche Musik."452 Sogar Glasenapp
verzeichnete Stimmen, die wissen wollten, daß Wagners ehemalige Dresdener Wohnung
im Marcolinischen Palais in ein Krankenhaus, sein einstiges Arbeitszimmer darin in ein
Krankenzimmer (Nr. 94) umgebaut worden sei.453 Und selbst den vermeintlichen Wahnsinn des Bayernkönigs Ludwigs II. haben manche als eine Hirnschädigung interpretiert,
die durch die narkotische Musik Wagners hervorgerufen worden sei. Derjenige also, der
sein Heil eigentlich in der Wagnerschen Kunst suchte, weil er sich dort als besseres Selbst
zu finden hoffte, wäre am Ende mit und durch Wagner seiner selbst entfremdet,
zweckentfremdet gar. "Ein Herr", notiert Cosima, "[schreibt], daß er an der Musik R.'s
wahnsinnig würde, was er dagegen tun sollte!"454
Nun haben wir hier die Auseinandersetzung, inwiefern Wagners Musik schlechthin ein
Sedativum, Thymoleptikum oder Narkotikum sei und statt unbefangen mit dem Schlaf
weit mehr etwas mit psychisch oder physisch verdächtigen Ausnahmezuständen, vor allem
etwas mit dem Sonderforschungsbereich der Hypnotik zu tun habe, schon öfter angedeutet. Aus der Wagner-Rezeption ist sie wohl nicht mehr wegzudenken. Adolphe Appia
berichtete, man habe schon zu seiner Zeit von einem "»Wagner-Hypnotismus«" oder
"»Bayreuth-Hypnotismus«"455 gesprochen. Thomas Mann:
Musik [...], sie weckt [....]. Aber wie, wenn sie das Gegenteil tut? Wenn sie betäubt, einschläfert, der Aktivität und dem Fortschritt entgegenarbeitet? Auch das kann die Musik, auch auf
die Wirkung der Opiate versteht sie sich aus dem Grunde. Eine teuflische Wirkung, meine
Herren! 456
Die im Zeitalter der Romantik gegen die Romantiker selbst propagierte Denkfolge Schlaf
- Ausforschung der Seele - Psychosomatik - Krankheit hatte schließlich kein Geringerer
als Nietzsche, der frühere Wagnerianer Nietzsche, systematisch gegen Wagner ins Feld
geführt.457 Berühmt sind dessen apodiktische Urteile: "Ist Wagner überhaupt ein Mensch?
Ist er nicht eine Krankheit? [...] Wagner's Kunst ist krank". 458 Die 'neueste, deutsche
Musik', Wagners Musik, wurde mit ihrer "doppelten Eigenschaft als berauschendes und
zugleich benebelndes Narkotikum"459 beschrieben. "Wie viel verdriessliche Schwere, Lahmheit, Feuchte, Schlafrock, wie viel Bier ist in der deutschen Intelligenz!"460 Selbst Kurt
Weill und mit diesem dann auch Brecht paraphrasierten, um nur zwei der wichtigsten
Anti-Wagnerianer des 20. Jahrhunderts zu Wort kommen zu lassen, das Nietzschesche
Verdikt: "[E]inschläfernd oder berauschend", so sei die Musik Wagners, "wie Alkohol
452 Götzen-Dämmerung. [Nietzsche, 1988f], S. 104
453 Siehe: [Glasenapp, 1910], S. 219
454 TB vom 22. 2. 1873. [Wagner, 1976a], S. 642
455 [Appia, 1899], S. 163
456 [Mann, 1974e], S. 162
457 Und man fragt sich manchmal schon, ob auch Goethe dies getan hätte.
458 Der Fall Wagner. [Nietzsche, 1988c], S. 21f.
459 Geburt der Tragödie. [Nietzsche, 1988e], S. 20
460 Götzen-Dämmerung. [Nietzsche, 1988f], S. 104
163
oder andere Rauschgifte". 461 Ist deshalb die Kunst des "großen Bayreuther Hypnotiseurs"462 doch von Hause aus kein Heilmittel, sondern ein Krankmacher? Muß man "Partei nehmen gegen alles Kranke [...], eingerechnet Wagner"463, wie auch Robert Musil es
in seinem Tagebuch und einer Adaption des Nietzsche-Zitats gefordert hat? Ja wird nicht
der Zusammenhang zwischen Schlaf und Krankheit sogar schon durch die Bedingungen
der Wagnerschen Biographie hergestellt? Oder ist es in Wahrheit nicht viel zu heikel, die
Diskussion um die ästhetischen Qualitäten eines Kunstwerks auf der Ebene
physiologischer Befindlichkeiten auszutragen? Es kommt wahrscheinlich darauf an, zu
welchem Ende diese Diskussion geführt wird.
<Schlaf versus Hypnose>
Prüfen wir zum Beispiel den Begriff 'narkotisch', der heute wie gestern zum Repertoire
der Wagner-Rezeption gehört. Schaut man das Wort genauer an, so ist 'narkotisch'
eigentlich nur ein im 18. Jahrhundert in Mode gekommenes und dann im 19. Jahrhundert
in der Bedeutung von 'betäubend' zunehmend pejorativ gebrauchtes Fremdwort für das
deutsche "schlafwirkend". 464 'Schlafwirksamkeit' aber würden wir Wagners Kunst gar
nicht mehr absprechen wollen, im Gegenteil. Allein wo der Schlaf selbst als Heilwirkstoff
bezeichnet werden kann, suggeriert die Narkose den für die Heilung erzwungenen,
instrumentellen Schlaf, also einen angekränkelten Heilungsprozeß. Besonders unter dem
Eindruck der seit dem mittleren 19. Jahrhundert betriebenen systematischen Anwendung
bringt man die Narkose in Verbindung mit der Ausschaltung des Bewußtseins, der
Überlistung der Schmerzempfindung, der Manipulation der Wahrnehmungsfähigkeit, was
medizinisch betrachtet völlig korrekt und sinnvoll ist und eine Schmähung vorderhand
nicht miteingreift. Dem Heilungsprozeß aber haftet jetzt an, daß er durch Zufuhr von
Rauschmitteln erzeugt würde, dem 'Narkotiseur' schenkt man weniger Vertrauen als dem
'Anästhesisten', obschon beide dasselbe tun, und vergessen ist, daß auch ein einfaches
Schlafmittel in konzentrierter Form bereits als Narkotikum wirken kann. Man glaubt,
unter Einwirkung der Narkose einen fremden Schlaf schlafen zu müssen. Dieser würde
unabhängig von der Mündigkeit des Individuums erzeugt. Die Operationen der Heilung,
die ein anderer am eigenen Körper und Geist vornimmt, wären nur erduld-, nicht mehr
beeinflußbar. Es scheint also, daß ausgerechnet so exponierte Begriffe wie etwa 'narkotisch'
politisiert und schließlich von der Wagner-Rezeption aufgegriffen noch einmal populistisch verengt worden sind, ein Vorgehen, welches man an anderen Stellen gerade Wagner
immer wieder zu unterstellen versucht hat. 'Narkotische' Kunst ist jetzt meist gleichbedeutend mit 'gefährlicher', mit 'kranker' Kunst. Sie wird zur "Droge"465, der narkotisierende
Künstler selbst oft mehr ernst- als scherzhaft zum "Dealer"466 diskreditiert. Allerdings sind
461 [Weill, 2000], S. 69
462 Zitiert in: [Tappert, 1967], S. 54
463 [Musil, 1983], S. 30
464 [Grimm, 1899f], Sp. 314
465 [Weber, 1987], S. 58
466 [Müller, 2002/2003], S. 11
164
das Determinismen, die vom Schlafmotiv bei Wagner so nicht mehr mitgetragen werden
können.
Doch ähnlich verhält es sich auch mit dem Schlagwort von der Hypnose. Auch sie, die
mit dem Schlaf sicher einiges, doch nicht Entscheidendes zu tun hat, ist gerade in der
Wagner-Rezeption terminologisch teils unbekümmert, teils vorsätzlich verwischt worden.
Die seriöse Hypnotik-Forschung wußte es von Anfang an: "Wer sich mit dem [...]
Gebiet[...] beschäftigt, setzt sich der Gefahr aus, entweder als Betrüger gebrandmarkt oder
als Betrogener bemitleidet oder bespöttelt zu werden."467 Allerdings halfen Selbstzweifel
und Schutzvorkehrungen hier nichts. Wie die Narkosetechnik ist auch die Hypnose zu
schnell beurteilt und von grellen medizinhistorischen Ereignissen verfärbt worden (etwa
den Schausitzungen Hansens, d'Hondts oder Charcots). Sie wurde so mit Hysterie, Spiritismus, Tischerücken zusammengedacht und mit Blick auf Wagner kurzerhand kolportiert
als Erscheinung, die sich "von der Logik abwendet, im Dusel schwelgt". 468 Mit dem
Ertrag unserer bisherigen Kapitel jedoch kann man für die Hypnotik, und zwar sogar für
die neutralen Erkenntnisformen der Hypnotik sagen, daß, wer immer sie mit Wagner in
Verbindung gebracht hat, dies zumindest nicht auf der Grundlage der physiologischen oder
soziologischen Tatsachen getan haben dürfte. Zwar leitet sich unsere Vorstellung vom
Schlaf noch immer vom Gott Hypnos ab und freilich scheinen sich auch die Phänomene
'Schlaf' und 'Hypnose' nach außen hin verwandt zu sein. Eines wie das andere friert die
bewußte Tätigkeit ein, reduziert die Körperfunktionen, mildert das Schmerzempfinden.
Beides verschafft einen Zugang zum Traumreich. Beides kann in einer mentalen
Offenbarung kulmieren. Doch unter der Oberfläche bleiben die Unterschiede groß. Denn
schließt zum Beispiel die Hypnose nicht fast jede Erinnerung an die Erfahrungen aus, die
während einer Hypnotisierung gemacht worden sind? Bleibt dem Hypnotisierten nicht die
Zeit der Hypnose für sein bewußtes Leben verschlossen? Für Wagner hingegen ließe sich
behaupten, daß dessen Musik wohl kaum anderes sein wollte als eine Erinnerungshilfe, ein
Leitsystem aus musikalischen Motiven, das an die Quellen dessen führt, was längst vergessen ist, das den Traum von Mythos und Utopie als bleibenden Lebensraum erschließt
und das deshalb allein mit der Metaphorik des Schlafs in Zusammenhang gebracht werden
sollte. Oder: Wie verhält es sich etwa mit der Tatsache, daß ein unter medizinischer
Hypnose stehender Patient kraft der Fertigkeit seines Hypnotiseurs plötzlich zu reden, sich
preiszugeben, gar somnambul zu agieren beginnt? Wäre Wagner wirklich 'hypnotisch', so
würde das bedeuten, daß die Zuhörer des Musikdramas von der Wirkungsmacht der
Wagnerschen Utopie entfesselt noch vom Zuschauerraum aus die Revolution anzetteln,
Königreiche stürzen, Kapital vernichten, in Liebe entflammen müßten. Statt dessen bleibt
es still in diesem Zuschauerraum. Ja für Bayreuth ist noch stets berühmt gerade die Seelenruhe des Wagner-Publikums während der Vorstellungen (auf den 'Seelenfrieden' kam es ja
letztlich auch an), was denn doch nicht für eine Kollektivhypnose, sondern für einen
Regenerationsvorgang ohne motorische Bedeutung, also für eine Spielart des natürlichen
467 [Gessmann, 1895], S. VII
468 Zitiert in: [Tappert, 1967], S. 39
165
Schlafs sprechen würde. Selbst wenn, ja wenn Wagner den Aufstand der Massen theoretisch gebilligt haben mag, man ahnt, daß er diesen zumindest in den Räumen des Festspielhauses nicht goutiert hätte. Seine Applausverbote sprechen für sich. 469 Mark Twain
sah es so: "Absolute attention and petrified retention to the end of an act [...]. You detect
no movement in the solid mass of heads and shoulders. You seem to sit with the dead in
the glomb of a tomb."470
Nehmen wir aber die Zuweisungen so ernst wie sie auch gemeint waren. Viel grundsätzlicher muß man vermelden, daß die Hypnose auf dem Prinzip der Fremdsuggestion
beruht. Wagners Kunst als hypnotische Kunst wäre damit nur durch Vermittlung erzeugbar,
und zwar durch die Vermittlung einer hypnotisierenden Instanz, die für die Zeit der
Hypnotisierung die mentale Steuerung der Patienten übernimmt. Nun widerspricht dieses
Prinzip in der Tat in allem der theoretischen Aufgabe, die Wagner dem Schlaf zugedacht
hat, welcher selbst autosuggestiv und selbstbestimmt ist. Aber es ist natürlich gerade die
Position des Hypnotiseurs, die seit den Anfängen der Hypnosetechnik immer am meisten
beargwöhnt worden ist und so denn auch auf Wagner umgeschlagen wurde. Wer ihn,
Wagner, mit der Hypnotik in Verbindung brachte, der tat dies, wie bezeichnend, oft
genug mit Rekurs auf das Einziehen des Lichts im Bayreuther Zuschauerraum und meinte
vor allem: Wagner verdunkelt, täuscht, beschwatzt, Wagner macht willen- und widerstandslos, irritiert die Sinne, veruntreut die Position seiner Vormacht, läßt im Auftrag
handeln, erläßt gar posthypnotische Aufträge, heilt also nicht, sondern zwingt zur Heilung
oder, noch schlimmer, suggeriert nur Heilung, die eigentlich eine Ansteckungskrankheit
ist. Kurz, Wagner verführt. Dabei dürfte ein Teil der Kritiker gar nicht einmal Wagner als
Person gemeint haben. Sicher, dessen Schwatzsucht war legendär, daß er aber sein Publikum selbst beschwatzte, konnte kein tragfähiges Argument sein. Denn das tat er nicht,
nicht systematisch zumindest, nicht berufsmäßig. Wagner war kein Rhetor, redend schon
gar nicht der für die Hypnose erforderlichen leisen Töne fähig – das "übermäßige Reden"
sogar war nur eine sublimierte Form eigener "Mattigkeit". 471 Wagner war Musiker, zuerst
und zuletzt. Dies allerdings wurde dann um so mehr zu einem Argument. Als gesteigerte
Form der Geschwätzigkeit wurde in Wahrheit Wagners Musik wahrgenommen, die an
seiner Statt becircte. Bald war die 'unendliche Melodie' Wasser auf die Mühlen derer, die
solches kolportierten. Partout glaubte man, in dieser Musik Parallelen zu den physikalischen Reizungen entdecken zu können, die neben den psychologischen seit Mesmer zur
Technik der klassischen Hypnotik gehörten – Wagners Musik sei geradezu physisch,
469 Äußerungen wie die folgende bleiben realpolitisch vollkommen unglaubwürdig und sind wohl nur als
Überschuß einer literarischen Ambition zu deuten: "[S]iegreich zieht ein die Revolution in ihr [der zum
Leben Erwachten] Gehirn, in ihr Gebein, ihr Fleisch, und erfüllt sie ganz und gar. In göttlicher Verzückung
springen sie auf von der Erde, [...] stolz erhebt sich ihre Gestalt, Begeisterung strahlt von ihrem veredelten
Antlitz, ein leuchtender Glanz entströmt ihrem Auge, und mit dem himmelerschütternden Rufe: 'ich bin ein
Mensch!' stürzen sich die Millionen, die lebendige Revolution, der Mensch gewordene Gott, hinab in die Thäler und Ebenen, und verkünden der ganzen Welt das neue Evangelium des Glückes!" Die Revolution. [Wagner,
o. J. b], S. 249
470 [Twain, 1923], S. 224
471 TB vom 24. 1. 1873. [Wagner, 1976a], S. 632. Vgl. auch TB vom 29. 9. 1879, wo Cosima ergänzend festhält, daß "mir übrigens seine Redseligkeit wie ein vollständiges inneres sich Abschließen, alles von sich Abwehren, was nach innen dringen könnte" vorkommt. [Wagner, 1977], S. 417
166
meinte man jetzt, sie komme einem so nahe, daß sie einen betasten, aufladen, tatsächlich
'magnetisieren' und folglich als Energieträger mißbrauchen könne. Die hypnotische Wirkung der Wagnerschen Kunst ginge deshalb ganz von dieser selbst aus, so die AntiWagnerianer. Noten, Klänge, Melodien, all das seien hypnogene Mittel. Die Kunst der
Überredung habe in der Kunst Wagners ihre programmatische Vollendung gefunden. Also
stünde zwischen Wagner und seinem Publikum an der Position des Hypnotiseurs das
Musikdrama. Und dieses nun könne die Aufnahmebereitschaft, die ein Publikum für die
Kunst mitbringe, hypnotisch abirren. Musik, an die Technik der Hypnose angelehnt, wäre
damit wirklich fremdsuggeriert. Worin jetzt aber doch der erste gravierende Denkfehler
liegt, unserer Meinung nach. Denn immerhin gibt es zwischen der Musik als Kunst und
der seriösen Hypnose als Wissenschaft eine Wasserscheide.
Spricht man auch beidem, der Musik Wagners wie der Hypnose zu, daß es hier prinzipiell um Handlungsanleitungen, um Strategien zur Problemlösung geht, so kann man
doch nicht außer acht lassen, daß sich die Musik, selbst wenn sie pädagogisch eingesetzt
werden würde, ihren Weg über die Umleitung der Abstraktion sucht. Musik, so könnte
man sagen, als einzige Kunst, die sich nur über ihre Form manifest machen läßt, ist eine
Art Umschreibetechnik; ohne daß ihrer metaphysischen Dimension der Raum entzogen
würde, gelangen die Dinge in ihr immer durch einen Filter zur Darstellung. Im Schopenhauerschen Sinn handelt es sich um eine Methode des Entzugs von der Wirklichkeit, also
verrätselt die Musik die Rätsel eigentlich erst, um sie zur Lösung voranzutreiben. Die
medizinische Hypnose hingegen darf man mit Sicherheit einen Vorgang der Enträtselung
nennen. Abgesehen davon, daß sie nur wirksam werden kann, wenn der Hypnotisierte
auch eindeutig versteht, was der Hypnotiseur von ihm verlangt, besteht die Arbeit des
Operators darin, die Filtermechanismen seines Patienten durchlässig zu machen, übergeordnete psychische und physiologische Probleme auf der Ebene hypnotischer Handlungssuggestion durch konkrete Fallösungen zu entschärfen. Es geht hier, notwendigerweise, um die Schwächung des menschlichen Willens. In der Musik allerdings geht es seit
Schopenhauer und laut Wagner um genau das Gegenteil. In diesem Sinn liefert die
Hypnose so etwas wie eine Antwort. Von der Musik indes kann man behaupten, daß sie
eine Gegenfrage stellt, was wiederum impliziert, daß die Hypnose tatsächlich eher mit
dem Begriff der Manipulation, die Musik aber mit dem der Interpretation in Zusammenhang
gebracht werden muß. Gerade also nicht wie der hypnotische, sondern wie der natürliche
Schlaf – hier renkt sich die alte Verbindung wieder ein – liefert die Musik Erlebnisse, die
auf dem intraindividuellen Empfinden, sprich auf der freien privatimen Ausdeutung
beruhen. Wie keine andere Kunst ist ja gerade sie mehrdeutig und läßt Spielraum für
subjektive Interpretation, ist gar angewiesen auf diese. Indes der Spielraum bei der
Hypnosetechnik wörtlich vorgegeben werden muß, damit – extraindividuell – überhaupt
der Gedanke der Heilung stimuliert werden kann. Die Kluft tut sich demnach zwischen
den Begriffen 'suggestiv' und 'subjektiv' auf. Wird Wagners Musik noch immer zu gern als
Substrat suggestiven Wirkens bezeichnet, so reicht dies im Grunde doch nur hin,
Teilstück einer viel größer angelegten Subjektivierung von Kunst zu sein, gegen die zu
argumentieren nun geradezu unintelligent wäre. Wagner, der sich als Ur-Romantiker und
167
Schopenhauer-Epigone selber für übersinnliche Praktiken erwärmen, wenngleich, und das
ist sehr bezeichnend, auch nicht erhitzen konnte – schließlich kam er selbst vom Okkultismus her, wollte aber noch weiter bis zum Mythos – meinte einmal über den Spiritismus:
"[D]ahin geraten jetzt alle [...,] die keine Geduld haben, die die Linien nicht groß genug
ziehen können."472 "Das sei die jetzige realistische Weise, einer Sache näherzukommen,
welche Schopenhauer schon so schön erhellt hätte."473 Wie der Künstler braucht auch das
Wagner-Publikum am nötigsten den inneren, unangefochten eigenen Raum, um sich
überhaupt mit einem Kunstwerk vom Range des Musikdramas auseinandersetzen zu
können. Die Rezeption von Kunst muß äquivalent zu deren Konzeption einem Eigenschöpfungsprozeß verpflichtet bleiben – Wagner spricht explizit von der "selbstschöpferische[n] Freiwilligkeit"474, die er seinem Publikum nicht nur zugesteht, sondern gar abverlangt. Ging es ihm selbst auch immer um das "Dämonische[...], ohne welches die Musik
ein Greuel ihm gewesen wäre"475, so "bedarf dieses Dämonium" doch vor allem anderen
"der Bildung"476, also der Selbstbestimmung. Insofern kann Wagners Musik am Ende nur
wider guten Gewissens als 'fremdsuggeriert' bezeichnet werden. Auch die Analyse der
Träume ist schließlich kaum so, sondern stets unter dem Siegel der Selbstperzeption beschrieben worden, welche nicht auf einen Befehl, sondern lediglich auf einen Anstoß von
außen angewiesen war. Sogar Schopenhauer meinte schon, daß der menschliche Wille erst
im Schlaf wirklich frei fließe. Haltbar scheint deshalb nicht, daß Wagners Kunst
hypnotisch sei.
In der Tat wird dieses Argument noch fadenscheiniger, sobald man der resistenten
Behauptung auf den Grund geht, hypnotisch wäre Wagner speziell durch die Art und
Weise, wie er mit der Melodik umgehe. Seine Technik der Stimm- und Akzentführung
wird dabei verstanden als Monotonisierung der traditionellen Melodik und parallel gesetzt
zu dem Stimmfluß, den man aus der Hypnotik und von den Hypnotiseuren zu kennen
glaubt. "Indem der nach außen möglichst undurchbrochene melodische Verlauf dem
Gedächtnis des Zuhörers das Besitzrecht an kleinem musikalischem Eigentum verweigert,
spannt er ihn desto unerbittlicher in den Wirkungszusammenhang der Totalität ein."477
Den Umstand negierend, daß ein Hypnotiseur seinen alltäglichen Rededuktus nur deshalb
drosselt, um Aktionsbereitschaft auf höherer Ebene hervorzureizen, begreift man Wagners
Kunst als Entstellung und schließlich als Verfall der Melodie, was gleichbedeutend ist mit
einer lebensgefährlichen Senkung der Reizempfindlichkeit. Auffällig also, wie hier der
Gedanke instrumentarisiert wird, die Hypnose verschaffe im Gegenteil zum normalen
Schlaf keine körperliche Erholung. Dazu kommt, daß Wagners 'gefährliche' Melodie auch
noch 'unendlich' zu sein hatte. Beklagt wurde die ungewohnte Länge der Wagner-Opern,
wobei 'Länge' hier schon von vornherein mit 'Dehnung' verwechselt worden sein dürfte,
472 TB vom 16. 9. 1882. Ebd., S. 1002f.
473 TB vom 27. 2. 1879. Ebd., S. 309
474 Mittheilung an meine Freunde. [Wagner, 1872d], S. 302
475 TB vom 9. 9. 1882. [Wagner, 1977], S. 1043
476 Brief Cosima Wagners vom 22. 1. 1892 an Richard Strauss. [<Wagner, Cosima - Briefe>, 1978], S. 113
477 [Adorno, 1971], S. 52
168
wie Wagner selber vermutete. 478 Freilich sind die Wagnerschen Opern zunächst immer
nur so lang, weil sie Neues wollten und darum so viel zu erzählen hatten. Und man muß
eigentlich auch erst ein Adorno sein, um dem Erklärbedürfnis Wagners unterstellen zu
können, daß es etwas mit der Kunst der Überredung zu tun hat. Indes gerade die zeitliche
Ausdehnung der Musikdramen war es, die im Verbund mit der melodischen Penetration
unter den Lobbyisten der Hypnose-These immer wieder als schlichtweg abtötend empfunden wurde. "Bandwürmer im Gehirn", hieß es, "eine neue furchtbare Krankheit!"479
Manche nannten sie: die "Motivkrankheit"480
Abgesehen davon, daß hier mit öder Beharrlichkeit so lange dasselbe behauptet worden
ist, daß ein Außenstehender glauben könnte, die Wagner-Gegner seien hypnotischer als
Wagner selbst, vergaß man dabei allerdings, daß Neues nicht auf der Grundlage von Altem
zu beurteilen ist. Dabei müßte man ausgerechnet hier nur einmal Wagners eigene
Ausführungen prüfen, um belegt zu finden, wie sehr gerade ihm, Wagner, Sinn und Form
der Melodie am Herzen gelegen hat. Freilich ging es um eine neue Art von Melodie, ging
es um den "ununterbrochenen Flusse"481 in der Musik, der später als 'unendliche Melodie'
berühmt werden sollte. Daß Wagner allerdings dem oberflächlichen Verwischen akustischer Kontraste, der Reduktion sinnlicher Effekte, der hypnotischen Dressur, der kataleptischen Unempfindlichkeit musikalisch rein gar nichts abgewinnen konnte, ließe sich
schon damit beweisen, daß das Wort 'hypnotisch' an keiner Stelle seiner musiktheoretischen Schriften auftaucht, auch und vor allem nicht im Beethoven-Aufsatz. Wer auch dahinter noch den Doppelstrategen vermutet, der muß lesen, wie grundsätzlich es Wagner in
der Melodie um Verdichtung, nicht Verflachung ging. "Du bemerkst gar nicht" meinte er
zu Cosima, "wie ich meine Melodien in einem Stile halte, so daß es wie ganz gleich
aussieht und doch anders. So platsch platsch, eine Melodie neben der andren aufstellen, das
ist keine Kunst."482 Die unendliche Melodie sollte tatsächlich
die Wirkung auf seine [des Zuschauers] Stimmung ausüben, wie sie ein schöner Wald am
Sommerabend auf den einsamen Besucher hervorbringt, der soeben das Geräusch der Stadt
verlassen; das Eigenthümliche dieses Eindruckes [...] ist das Wahrnehmen des immer beredter
werdenden Schweigens. 483
Die Melodie also soll erfrischend, soll motivierend sein. Sie soll das Gefühl der Loslösung
und das der Individuation freisetzen. Sie soll den Wahrnehmungsradius vergrößern –
Romain Rolland sagte tatsächlich über das Nibelungen-Epos: Es "war wie ein Wald von
ungeheuren Tiefen, mit allen unseren Träumen bevölkert."484 Damit aber setzt sich
478 Siehe: Brief Richard Wagners vom 8. 12. 1841 an Wilhelm Fischer. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1912],
S. 263
479 Zitiert in: [Tappert, 1967], S. 22
480 Zitiert in: Ebd., S. 76
481 Zukunftsmusik. [Wagner, 1873k], S. 172
482 TB vom 4. 4. 1879. [Wagner, 1977], S. 325
483 Zukunftsmusik. [Wagner, 1873k], S. 173
484 [Rolland, 1925], S. 70
169
Wagners Art der Melodieführung profund ab gegen jede Art von Zuschreibung, die mit
der Hypnose zusammenhängt. Denn diese selbst muß ja das Bewußtsein vorsätzlich hemmen, um zu einem Ziel zu gelangen. Ohnehin erfrischt sie nicht, und der Bereich der
aktiven Wahrnehmung vermindert sich in ihr sogar. Die Anschauung wird kraft der Wagnerschen Melodie größer, wie im Schlaf, nicht kleiner wie notwendig in der Hypnose.
Demnach ist diese Melodie eine komprimierte Sprache ohne Begriffe, ähnlich darin nur
den Träumen und derem beredten Schweigen und auch sonst all dem, was Wagner
theoretisch mit dem Schlaf zu bezeichnen suchte. "Die Melodie [...] ist das hellsehende
Auge, mit dem dieses Leben aus der Tiefe seines Meeresgrundes nach dem heiteren
Sonnenlichte heraufblickt."485
Dahinter verbirgt sich der Gedanke der Wiederbelebung. Einer umfassenden Wiederbelebung sogar. Kraft derer man behaupten könnte, es sei zutreffend, daß Wagner nicht
den bewußten Zuschauer, auch nicht den bewußten Künstler wollte. Allerdings leistet das
noch lange nicht der Hypnose-These Vorschub. Denn Wagner wollte mehr als den unbewußten den überbewußten Zuschauer, den überbewußten Künstler, eine Art hellsichtige
Instanz. Und dafür mußten alle Beteiligten quasi durch die Talsenke des Schlafs hindurchgeführt werden, der äußerlich der Hypnose ähnlich sein mag, innerlich aber und auf höherer Ebene das Umschlagen in eine kreative Eigenleistung voraussetzt. Es mag von daher
auch nachvollziehbar sein, obschon es doch befremdlich wirkt, daß seitens der WagnerGegner noch immer ausgerechnet die Idee der Wiederbelebung unterschlagen wird.
Musik wird nicht als heilsamer Traum, sondern nur als Einschlafhilfe verstanden. Eingedenk der Tatsache, daß Hypnosen oft vollkommene Amnesien nach sich ziehen, habe
die Musik, der romantisch-dialektischen Anschubenergie unfähig, allein den Auftrag der
Paralyse. Doch dann müssen wir jetzt fragen: Wo bleibt in dieser Argumentation der
vielgerühmte utopische Überschuß der Wagnerschen Kunst? Wo, daß Wagner sein
Schifflein auf den Stromschnellen der Aufklärung einsetzte? Wo, daß seine Musik ein
utopisches Manifest war? Wo, daß Wagners Ernsthaftigkeit sich überhaupt legitimierte
durch "exceptional freedom from the hypnotic influence of sentimental popular movements"486, wie Shaw es formulierte? Justiert man genau, so ist doch der Gedanke, es besser
haben zu wollen, überhaupt nicht zu übersehen bei Wagner. Ablösung und Erlösung, das
waren die Ziele. Das Motiv der Hoffnung aber, in das sich das der Wiederbelebung wie
von selbst hineinknüpft, braucht notwendig eine Form, die eine Brücke zu schlagen weiß
von der Gegenwart in die Zukunft. Eine Form, die sicherstellt, daß durch sie und in ihr
etwas mit Mehrwert umschlägt. Dazu taugt, wie gehabt, die Metaphernlage des Schlafs
sehr wohl, die der Hypnose kaum. Also kann man festhalten, daß ähnlich wie der Begriff
des 'Leitmotivs', der gar nicht von Wagner selbst stammt, auch die Zuschreibung der Hypnose viel zu knapp bemißt, was eigentlich gemeint war. Im Grunde haben die Anhänger
der Hypnose-These nicht ganz ungeschickt ihren Vorteil daraus gezogen, daß die Phänomene 'Schlaf' und 'Hypnose' oberflächlich so dicht beieinander liegen. Ja sogar könnte man
485 Oper und Drama. [Wagner, 1872f], S. 283. ('Melodie' im Original hervorgehoben.)
486 [Shaw, 1932], S. 245
170
einräumen, daß die Unterstellung, Wagners Kunst sei hypnotisch, zu den scharfsinnigsten
Vorwürfen gehört, die Wagner je gemacht worden sind. Denn offenbar ist hier immer an
der Kante dessen argumentiert worden, was Wagner selbst bekräftigt hätte, allein dies
wurde dann bedeutungsverschlechternd eingesetzt. Der Umstand, daß die Grenze zwischen Kunst und Wissenschaft genau auf der Mitte verläuft zwischen dem Traum, den die
Wagnersche Musik verkörpern kann und der Hypnose, den sie nicht verkörpern will,
scheint absichtsvoll verschliffen. Der Interpretationsspielraum, den Wagner mit seiner
theoretischen Auffassung vom Schlaf geliefert hat, ist von seinen Widersachern erobert
und dann mißbräuchlich verkleinert worden. Anders ausgedrückt ist eine Schieflage daraus
entstanden, daß gerade in der Wagner-Rezeption der medizinische Sonderforschungsbereich der Hypnotik zu einer Metapher aufgebauscht wurde, was man aus heutiger Sicht als
Fehler oder schlechte Absicht deuten muß. Insofern sollten wir uns hier daran halten, daß
Wagner sowohl theoretisch als auch praktisch allemal das Bestreben hatte zu heilen oder
sagen wir zumindest zu beleben, nicht aber, daß die Schlußfolgerungen, die andere aus
diesem Bestreben gezogen haben, mit der Terminologie des Krankseins operierten.
<Warum nicht Hypnose?>
Oder andersherum: Warum stellen wir nicht einfach, um die Hypnose-These wirklich zu
entwaffnen, die Frage danach, was an der Hypnotik eigentlich so schlimm ist, wäre sie
nicht beständig herabgewürdigt worden? Die Hypnotik an sich, so wie sie 1843 von James
Braid als Form des Schlafs definiert wurde, ist immerhin dem Selbstverständnis nach ein
Verfahren zur Schmerzlinderung. Folglich ist sie von Hause aus doch eine Heilmethode,
die erst durch Simulationen und tendenziöse Politisierung ruchhaft wurde. Ist es also tatsächlich so entwürdigend, hypnotisiert zu werden? Allzumal dann, wenn Musik an Stelle
des Hypnotiseurs tritt? Was steht zu fürchten?
Immer zuerst wahrscheinlich das Gefühl, daß einem etwas zu nahe tritt. Daß abgelauscht wird, was man gern verborgen wüßte. Wohlüberlegt aber kann niemand behaupten, Wagner hätte sich für seinen Zuschauer als Privatmann, gar für dessen Privatneurosen
interessiert. Gerade Wagners Kunst wollte ja nicht am Abgrund siedeln. Sie wollte viel eher
oben auf setzen, in einem von Prädispositionen noch freien, luftigen Raum, von dem aus
dann im besten Fall die Idee des von der Kunst vorgelebten besseren Lebens nach unten
durchsickern und das Ganze durchmischen konnte. Privatheit aber, die sich mit der Kunst
vermengte, war Wagner ein Greuel, zumindest dort, wo es nicht um ihn selbst ging und
wo die Kunst unter dem Privaten zu leiden schien. Unzählige Notizen Cosimas belegen,
wie bedrängend er die Zusendungen seiner Bewunderer oder die Fragen vom Publikum
empfand oder aber auch den allzu dichten Verkehr mit seinen Bayreuther Künstlern.
Bekanntlich wollte er sogar den Applaus aus dem Zuschauerraum verbannt wissen, denn
was ist Applaus anderes als der für ein Kunstwerk äußerst kritische Moment, da der
Zuschauer privat wird? Auf die Hypnotik übertragen könnte man geradezu meinen, der
Zuschauer dränge dem Kunstwerk seine tiefsten Regungen auf, ja man könnte meinen, er
hypnotisiere das Kunstwerk, nicht umgekehrt das Kunstwerk ihn. Insofern ist das
Nahetreten in der Kunst wohl gegenseitig. Und wahrscheinlich auch notwendig. Die
171
Hypnose aber wäre dann in dieser Bedeutung nichts als eine Form einvernehmlichen
Begehrens in einem Bereich, der sich bloß dem Verstand entzieht.
In dies alles hinein spielt auch der Gedanke, daß jedermann Widerstandskräfte gegen
hypnotische Verfahren besitzt. Die Urangst, daß man unter Hypnose abreagiere und ausagiere, was einem selbst unbewußt ist, muß sich messen lassen an der Tatsache, daß keine
Hypnose der Welt ohne Einverständnis vollzogen werden kann. Sogar Brecht hatte gesagt:
"Die Massen scheinen eben eine Revolution in der Hypnose nicht so ohne weiteres
vollziehen zu können."487 Für eine willenmäßige Abhängigkeit vom Hypnotiseur muß der
Patient an die Kraft willenmäßiger Abhängigkeit glauben. Hypnotisch wäre also selbst
Wagners Kunst nur für diejenigen, die sich auch hypnotisieren lassen, und jeder Hypnotisierte könnte von vornherein die Technik der Hypnose entlasten, die nun so windig gar
nicht mehr scheint. Die "Droge ist legal und rezeptfrei"488, wie Christian Thielemann es
einmal so stringent für Wagner ausgedrückt hat.
Des weiteren: Unterschätzt man nicht, wo man den Vorwurf der Hypnose auf Wagner
überträgt, daß man sich durch Wagner noch immer im Hoheitsgebiet des Theaters
befindet? Im Theater aber wird doch nur deshalb etwas für uns in Szene gesetzt, weil die
Logik der Katharsis vorsieht, daß menschliche Schwachpunkte, unterdrückte Mängel,
hinausgezögerte Krisen viel leichter zu bewältigen sind, wenn sie stellvertretend ausagiert
werden; im Theater bleibt das Geheimnis der Privatperson dadurch gewahrt, daß es als
Geheimnis einer Bühnenfigur publik wird. Somit allerdings wäre jener Zuschauer, der
eben noch Furcht hatte, sich unter Einfluß der Hypnose öffentlich zu blamieren, gerade
durch diese von sich selbst entlastet. In der Hypnose kann man lernen, vom eigenen Ich
abzusehen. Blockaden werden aufgehoben, Verschlossenes entfaltet sich, – die Hypnotik
dürfte hier sogar helfen, den schönen Schein einzublenden, der uns auf Zeit vom Sein
entpflichtet. Daß dafür gewiß das Theaterspiel vordenken muß, was nachgelebt werden
soll, ist nicht unredlich, sondern Sinn der Sache. Hat man Wagner an dieser Stelle vorgeworfen, das Wesen des Theaters zu seinen Gunsten zweckentfremdet zu haben, so müßte
man dann aber auch glaubhaft machen können, daß jeder Erzieher ein Hypnotiseur, jede
Erziehung zu differenzierter Wahrnehmung Hypnose sei. Oder ist sogar die Mutter, die
ihr Kind in den Schlaf singt, hypnotisch? Nein, sicher nicht. Für Wagner sollte deshalb
gelten, daß er im Zusammenhang mit seiner Zuschauerdramaturgie zwar das Wort "lenken"489 gebraucht hat, keinesfalls aber das Wort 'verleiten'. Das haben andere getan.
Es fügt sich ein, daß die Hypnose im Gegensatz zum gewöhnlichen Schlaf keinen
Erholungswert hat. Denn vielleicht sollte Kunst gar nicht erholsam sein! Wie auch, da sie
ja eine konkrete Utopie zu sein hatte. Vor allem Wagners Kunst fordert viel von ihrem
Publikum, erhöhte Aufmerksamkeit, Kombinationsvermögen, Kondition, was manchem
als sinnloser Sport vorkommen muß, zu dem er in seiner Freizeit einberufen wird.
Möglicherweise aber liegt bei all denen, die Wagner der Hypnose bezichtigen und diese
487 [Brecht, 1993a], S. 173
488 [Müller, 2002/2003], S. 11
489 Zukunftsmusik. [Wagner, 1873k], S. 173
172
mit dem medizinischen Sonderfall der Lethargie verwechseln, der zweifelhafte Anspruch
verborgen, daß Kunst allein zum Ausruhen fabriziert werde. Doch Wagner hat natürlich
das Gegenteil für sich geltend gemacht. "Ein Wagner-Abend ist ein sehr, sehr anstrengender Abend, weil er emotional so fordert". 490 Die Hypnose auf Wagner übertragen wäre
demnach eher ein innerer Arbeitsprozeß, eine Konzentrations- oder gar eine Meditationsübung. Dies vor allem in Ansicht der Tatsache, daß jede Hypnose eine zeitweilige, passive
Schärfung der Sinne bewirkt. Nicht selten wachsen einem hypnotisierten Menschen
schöpferische Leistungen zu, die ihm im Wachzustand abgehen. Nietzsche: "Das wache
Leben hat nicht die Freiheit der Interpretation wie das träumende, es ist weniger
dichterisch und zügellos"! 491 Nach James Braid kann eine Hypnotisierung sogar die
Schärfung des menschlichen Hörvermögens in Gang setzen –auch das erinnert an Wagner
und dessen Maßgabe, daß der wahre Wert der Welt sich nur über Töne erschließen lasse.
Nicht zwangsläufig ist nämlich das Ohr das Organ, das sich am leichtesten überreden läßt
(Stichwort: Schlafhallen in der 'Brave New World'), es ist auch das Organ, das zu einer
starken Verfeinerung der Wahrnehmung fähig ist. Der störanfällige Rapport zwischen
Operator und Patient wird jedenfalls bei der Hypnotisierung über akustische, nicht über
optische Signale hergestellt, ähnlich wie bei der Psychoanalyse. Und in Umkehrung jener
Fama, nach der sich der hypnotisierte Mensch gegen keine Einflüsterung wehren kann,
muß man sagen, daß er gerade mit dem Hörsinn besonders sensibel auf seine Umwelt zu
reagieren fähig ist. In der Hypnose läßt sich ein komplexes Verständnis von Musik
ausbilden – daß die ersten Vereine, die für die Verbreitung des Magnetismus' eintraten,
sich selbst 'Sociétés d'harmonie', harmonische Gesellschaften, nannten, kann äußerlich ein
Zufall sein, kulturpsychologisch ist es dies nicht. Denn betont wurde immer wieder:
[S]chwache und zarte Geräusche [können in der Hypnose] viel eher und vollkommener zur
Empfindung gelangen, als intensive Töne, [...] schwache, wenn auch disharmonische Töne
[werden] starken Wohlklängen vorgezogen. 492
Das aber könnte nun wahrhaftig ein Wagnersches Credo gewesen sein. Notabene: Der
Technik der Hypnotisierung soll "sanfte, wehmüthige Musik"493 zuträglich sein. Es
scheint, als sei hier schon ein Teil dessen verarbeitet worden, was noch heute vom Vorspiel des Tristan und dessen 'Nacht der Liebe', von der Hirtenweise und vom AbendsternLied aus dem Tannhäuser oder von Sachens Fliedermonolog erwartet wird. 494
Doch zurück zum Stichwort 'Psychoanalyse'. Denn seit es sie gibt, ist Wagners Werk
als ihr Vorläufer bezeichnet worden (und zwar auch abseits des Schlaf-Traum-Thematik).
Nur ist die Psychoanalyse selbst wiederum ein Nachfahr' der Hypnotik! Freud hatte zu
490 [Müller, 2002/2003], S. 12
491 Morgenröthe. [Nietzsche, 1988i], S. 113
492 [Gessmann, 1895], S. 147
493 Ebd., S. 94
494 "Wagnerianer [darf man] Diejenigen nennen, welche ihm [Wagner] überall folgen, zum Unterschied von
Denen, welche: O Du mein holder Abendstern, Leb' wohl mein lieber Schwan, ja die Träume und das Schusterlied mögen." Brief Cosima Wagners vom 4. 4. 1881 an Daniela von Bülow. [<Wagner, Cosima - Briefe>,
1933], S. 187
173
Beginn seiner Laufbahn zahlreiche hypnotische Experimente unternommen, war ein
halbes Jahr lang Student bei Charcot gewesen, ging aus von dem Ansatz der Suggestion in
der Hypnose. Was lange bemäntelt worden ist, hat Andreas Mayer in einer äußerst
anregenden Studie neu bewiesen.495 Wer deshalb im Zusammenhang mit Wagner von
Psychoanalytik spricht, der kann die Hypnotik nicht ausklammern. Auch wenn letztere
weniger sozialisiert scheint als erstere. Möglich aber, daß wir unsere Vorstellungen von der
Hypnose revidieren müssen, denn vielleicht ist auch sie viel mehr ein Heilverfahren, als
wir uns das lange vorgestellt hatten. Oder zumindest ist sie so zweigestaltig, wie einst Gott
Hypnos, welcher, gebend und nehmend, mit der Fackel in der einen Hand und mit dem
Mohnsträußchen in der anderen, Lichtbringer und Lichtverlöscher in Personalunion war.
Was Richard Strauss als Widerspruch angelegt hatte – die Dissonanz zwischen "»Musik als
Ausdruck« der menschlichen Psyche [...] und Musik [...] als Heilmittel in den Händen des
Arztes"496 – ist am Ende gar kein Widerspruch.
<Musik als Heilkunst [2]>
Wenn auch nicht reibungslos, so läßt sich die Hypnotik also doch, sagen wir vielleicht als
Sperrgut, der Bedeutung des Schlafs unterordnen. Mit Bezug auf Wagner scheint es
sinnvoll, das Wort 'hypnotisch' so zu gebrauchen, wie Reinhard Baumgart dies getan hat:
in uneindeutigen Umgebungen stets durch Anführungszeichen entschärft.497 In jedem Fall
behauptet sich der Schlaf wieder als bindende Metapher für Wagners Musikästhetik. Und
zwar als Heilverfahren, das nicht von außen nach innen, sprich fadenscheinig oder
zwangsweise, sondern das umgekehrt von innen nach außen wirkt. 'Naiv' hätte Wagner
gesagt oder: Das "Heil und die Genesung kommt nicht von Außen und durch keine
Medizin: sie kommt nur von Innen!"498 Im Sinne der Gesellschaftsutopie, die er durch und
für sein Werk entworfen hatte, basiert sein Schlafmotiv auf der Idee vom unschuldigen,
vom guten Schlaf, ähnlich darin wieder der romantischen Auffassung, daß Schlaf regenerativ und kreativ sei. "[S]chläft sie [die Wagnersche Kunst]", so schrieb Nietzsche noch in
Richard Wagner in Bayreuth, "so »schläft sie nur neue Kraft sich an«."499 Anspruch und
Wirkung dieser Kunst sollten wir deshalb grundsätzlich begreifen als Therapeutikum. Eingedenk der naturphilosophischen Definition vom Schlaf als 'lebendigem Prinzip', die
Wagner via Schopenhauer für sich fruchtbar gemacht hatte. Der schlechte, gestörte, auferzwungene Schlaf sowie die bösen Träume sind daneben Ausdruck bedenklicher Ermüdungserscheinungen der Epoche und deren unheilstiftender Scheinhaftigkeit, die es zu
transzendieren und freilich auch darzustellen gilt. Das Werk Wagners ist übervoll nicht
nur mit Figuren, denen schlafend Heilung zuteil wird, im Gegenteil. Gerade jenes Personal, das den Schlaf nicht finden kann, das sich ihm verweigert und ihm die Stirn bietet,
trägt oft am meisten zu dramaturgischen Entwicklungen bei. Die schlafende Erda braucht
495 Siehe: [Mayer, 2002]
496 Brief Richard Strauss' vom 30. 9. 1895 an Cosima Wagner. [<Wagner, Cosima - Briefe>, 1978], S. 215
497 [Baumgart, 1987], S. 21
498 Brief Richard Wagners vom 22. 10. 1858 an Minna Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1908a], S. 316
499 Richard Wagner in Bayreuth. [Nietzsche, 1988n], S. 465
174
die Berührung mit der wachen Welt überhaupt nicht. Wotan wird durch seine Träume
immer kraftloser. Brünnhilde ist auf einen Erwecker angewiesen. Siegfried aber, der Nimmermüde, treibt die Handlung voran. Natürlich sind auch nicht alle Figuren, die schlafen
gut und nicht alle, die nicht schlafen schlecht. Wagners theatraler Instinkt hat die unterschiedlichen Bewußtseinszustände so vielgestaltig zueinander in Beziehung gesetzt, daß
man in seinem Werk jede nur denkbare Gradation zwischen Schlafen und Wachen finden
dürfte. Zusammenfassend aber muß man sagen, daß ihm doch vor allem anderen daran
lag, die ungenutzte Kraftfülle des Schlafs zu instrumentieren. Und das schließt eine grundsätzlich positive Absicht mit ein. Als Korrektiv zur linearen Libretto-Handlung wird die
Musik bei Wagner zum Ausdruck der psychischen Bilder des Menschen in einem Sinne,
den man später auch der Psychoanalyse zugeschrieben hat: Wer schläft und wer träumt,
der gesundet.
Gewiß rekrutiert sich Wagners Kunst damit noch immer aus physiologischen Grundbedingungen. Schlaf ist nicht nur ein geistiges, sondern zuvor ein körperliches Erlebnis.
Der Effekt der Körperlichkeit, der die Musik Wagners zum Leidwesen vieler ausmacht, ist
gar nicht zu leugnen. "Hinter den Tönen und Rhythmen operiert die Musik auf einem
nackten Terrain: der physiologischen Zeit des Hörers"500, auf "Erfahrungen körperlicher
Fragmentation und Zentrifugierung". 501 Wagner selbst scheute sich nicht, das Vokabular
der Physiologie für seine Musikästhetik zu gebrauchen, etwa in der Beethoven-Schrift. Er
vertrat sogar die Ansicht, daß die Wahrheit schlechthin nichts anderes sei als "eine ungeheure Erregtheit der Nerven". 502 Eduard Devrient notierte schon 1846 in seinen Tagebüchern: "Kapellmeister Wagner, mit dem es bei Tische heftigen Streit gab, vertrat die
naturalistische Ansicht, wonach der Geist nur ein Produkt der körperlichen Organisation
sein soll."503 Im Sinne Nietzsches ließe sich demnach behaupten, daß es hier im großen
Stil um eine Physiologisierung der Ästhetik ging. Allerdings sollte das nun nicht (mehr)
dazu verleiten, das Physiologische reflexartig an das Pathologische zu knüpfen. Die Kunst
Wagners mag ex uso die Kunst eines Décadents sein, ex voto war sie es nicht. Hier muß es
eine Trennlinie geben, und zwar parallel zu der Trennlinie, die es auch für die Biographie
Wagners geben sollte, in welcher der Schlaf in physiologischer Hinsicht ein Thema ist,
keinesfalls aber in "psychopathisch[er]".504 Die Tatsache, daß der Schlaf gerade in der
Biographie zum Hoffnungsträger stilisiert worden war, dürfte den entscheidenden Hinweis
dafür liefern, daß es Wagner nicht um gefährliche Schläfrigkeit ging, ja im eigenen Interesse gar nicht gehen konnte, sondern um Ausheilung, die über den Körper am Ende den
Geist erreichen sollte. Was Dieter Borchmeyer so dezidiert für die naturphilosophischen
Grundlagen der Beethoven-Schrift formuliert hat, daß nämlich der Einzugsbereich des
Schlafs für Wagner "sternenweit von einer pathologischen Stimmung entfernt"505 sei, ist
500 [Lévi-Strauss, 1971], S. 31
501 [Klein, 2001b], S. 329
502 TB vom 15. 10. 1879. [Wagner, 1977], S. 426
503 [Devrient, 1964a], S. 357
504 [Franken, 1991], S. 61
505 [Borchmeyer, 1982], S. 181
175
richtig. Anhand der Figur der Senta aus dem Fliegenden Holländer hatte Wagner selber davor gewarnt, das "träumerische Wesen" im "Sinne einer modernen, krankhaften Sentimentalität auf[zufassen]". 506 Für die Verbindung von Musik und Schlaf muß gelten, was LéviStrauss mit Blick auf Wagner für die Überlagerung von Mythos und Musik folgendermaßen formuliert hat: "[A]ußer an die psychologische Zeit wendet diese [Musik] sich auch
an die physiologische Zeit, sogar an die Zeit der Eingeweide [...,] jeder Kontrapunkt
räumt den Herz- und Atmungsrhythmen den Platz eines stummen Parts ein."507 Soweit
die Musik Wagners die Resonanz der Körper erforderlich macht, so will sie diese nicht
aufreizen, sondern besänftigen.
Insofern könnte man sagen, Wagners Kunst sei eine alternative Form der Medizin (und
man könnte ebenso sagen, sie werde deshalb auch im Unterschied zur 'Schulmedizin' noch
immer beargwöhnt). Der Schlaf, als Katalysator dieser Kunst, ist die sanfte Heilung, immerhin fördert er die Selbstheilkräfte. Man könnte sogar so weit gehen zu behaupten,
Wagners Kunst komme einem Naturheilverfahren nahe, der Homöopathie etwa. Denn
hatte er, Wagner, nicht zum Beispiel das Motiv von Psyche, die nur durch jenen Pfeil
Amors geheilt werden konnte, durch den sie auch verwundet worden war, im Tristan oder
auch im Parsifal verarbeitet – "Nur eine Waffe taugt: –/ die Wunde schließt/ der Speer
nur, der sie schlug"508? Und damit aus einer alten Quelle eine ganz neue Form der
Therapie destilliert? Es ist ungeheuer interessant, daß die Homöopathie genau zu der Zeit
wissenschaftlich fundiert wurde, als Wagners Karriere begann und daß sie Verbreitung
fand, als dieser seine Hauptwerke entwarf. Ernst Benedikt Kietz meldete 1869 aus Frankreich an Wagner, daß dessen Musik dort "gleich der Homöopathie und mancher andren
deutschen Erfindung sich Bahn breche[...]!"509 Parallel sogar entdeckte das wilhelminische
Zeitalter, welches wie kein anderes (höchstens noch unser eigenes) unter politischer und
sozialer Neurasthenie litt, den Schlaf als Gipfel therapeutischer Vorkehrungen. Joachim
Radkau hat in einer beeindruckenden Untersuchung gezeigt, daß Ruheverordnungen,
Liege- und Schlafkuren, "konsequente Bettbehandlung"510 genau so zum kulturellen
Milieu der Zeit gehörten, wie die Reizbarkeit, gegen die sie verschrieben wurden. Die
Bezeichnung "Fanatiker der Stille"511 scheint nicht übertrieben. Denn als ob sie mit Blick
auf Wagner und dessen Kunst erfunden worden wäre, trifft sie den neuralgischen Punkt:
nichts als ein "Fanatiker der Ruhe"512 sei er schließlich gewesen, sagte Wagner von sich
selbst und laborierte darum auch mit den verschiedensten Diätlehren. "Sanfte Heilmittel,
um es dennoch im Leben auszuhalten"513 übertitelte Glasenapp eine entsprechende Stelle
in seiner Wagner-Biographie. Und so hat Wagner, indem er persönlich Heilung im Ein506 Bemerkungen zum 'Fliegenden Holländer'. [Wagner, 1872a], S. 215
507 [Lévi-Strauss, 1971], S. 32
508 Parsifal, 1. [Wagner, 1950], S. 60
509 TB vom 6. 8. 1869. [Wagner, 1976a], S. 138
510 Zitiert in: [Radkau, 1998], S. 358
511 Zitiert in: Ebd., S. 359
512 Brief Richard Wagners vom 22. 6. 1867 an Malwida von Meysenbug. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1896],
S. 567
513 [Glasenapp, 1911], S. 740
176
zugsbereich des Schlafes zu finden glaubte, einen der lebendigsten Beweise dafür geliefert,
daß seine Musik eine Heilkunst gewesen ist, ja lebensnotwendig eine Heilkunst sein
mußte.
<Schlafmotiv und Schlafforschung>
Bemerkenswert ist es, daß sich gerade der Heilaspekt der Musik, den Wagner durch seine
Auseinandersetzung mit Schlaf und Schlafmetaphorik theoretisch festgeschrieben hatte,
auch in den progressiven Tendenzen der zeitgenössischen Schlafforschung wiederfinden
läßt. An sich hätten schon in der Debatte darum, inwiefern Wagners Kunst einem
Krankheitserreger gleichkomme, Parallelen bemerkt werden können, dort allerdings bloß
zum Stand der konformistischen, positivistisch-mechanistischen Auffassung vom Schlaf.
Man bezeichnete diesen als unnatürlichen Zustand, der schädlich und gegenaufklärerisch
sei. Die dem Schlaf verwandten Erscheinungen Hypnose, Telepathie, Clairvoyance oder
Somnambulismus wurden sogar den Randbereichen Delirium, Manie, Epilepsie und Schizophrenie zugeordnet. All diejenigen Interpretationsansätze indes, die den Übergang zum
20. Jahrhundert vorbereiten halfen, gingen wie Wagner selbst von ganz anderen, viel
elementareren Maximen aus. Gespeist von der Tradition der Naturphilosophie und in
scharfer Abgrenzung zum Menschenbild der Apparatemedizin gewinnt in der Schlafforschung seit Mitte des 19. Jahrhunderts allmählich wieder die Vorstellung Raum, daß
der Schlaf ein Regenerationsprozeß sei. Ein "aktive[r] Erholungsvorgang"514, wie eines der
wichtigen Medizinlexika des 20. Jahrhunderts es nennen wird. Was bei Wagner über den
Weg der Musikästhetik in die Musik hineingetragen worden war, kann als Ergebnis aller
jüngeren Forschungssparten gelten: Der Schlaf unterliegt einem vitalen Prinzip; er ist
Ausdruck einer seelischen Disposition, über die sich der Austausch zwischen Außenwelt
und Innenleben reguliert; er ist Voraussetzung für das innere Sehen, ist metaphysisch,
wenn nicht magisch, unbedingt produktiv und damit auch künstlerisch wertvoll.
Dazu gehört, daß er nun auch wieder zum Wachzustand in Beziehung gesetzt wird.
Auf der Grundlage einer ganzheitlichen Vorstellung vom Menschen begreift die alternative Schlafforschung des 19. Jahrhunderts den Wechsel zwischen Wachen und Schlafen als
notwendigen Dualismus. Die frühere, philosophisch überhöhte Konzentration auf den
Schlaf als Innenraum wurde relativiert zugunsten der Ansicht, daß ein Innenraum sich vernünftig nur über den Bezug zur Außenwelt definieren könne. Das "Codewort war Symmetrie".515 Das allerdings brachte für Wagner plötzlich ein neues Problem auf den Plan.
Denn daß der Schlaf ein binäres Prinzip sein müsse, diese Lehrmeinung kappt eigentlich
jede Verbindung zu Schopenhauer und vor allem auch zu den Romantikern, die noch der
Überzeugung gewesen waren, daß Schlaf das erste Lebensprinzip sei, alles weitere neben
ihm bedrohliche Ablenkung. Der romantisch-Schopenhauerschen Naturmedizin war es
darum gegangen, das Einschlafen vom Aufwachen loszulösen oder, in einer Steigerung des
Begriffs vom natürlichen Schlaf, den Zustand des Wachens in den des Schlafs hinein514 [<Roche>, 1998], S. 1502
515 [Catalani, 1968], S. 26. (Übersetzung aus dem Holl. von der Verf. J. D.)
177
zuholen und als Teil dessen zu kultivieren. Wagner aber wollte oder mußte sich gerade in
diesem entscheidenden Punkt von der Romantik und von Schopenhauer emanzipieren.
Natürlich galt sein Interesse unverändert jenem souveränen Akt, der die Aufmerksamkeit
vom Tag- in den Nachtbereich hineinlenkt. Doch brauchte er genauso eine Schleuse
zurück zur Außenwelt, er brauchte quasi ein theatrales Einschnappen. Er brauchte die
Kunsttat. Wie gesagt, laut Beethoven-Schrift gibt es als gleichberechtigten Teil neben dem
tiefen und dem allegorischen Traum das Erwachen in der Theorie vom inspirierten Schlaf.
Ohne das Erwachen hätten die in den Träumen gewonnenen Kunstbilder Wagners gar
nicht an die Öffentlichkeit gelangen können. Folglich könnte man meinen, Wagner sei in
seinem Drang, nicht nur schöpfen, sondern auch veröffentlichen zu wollen, im Grunde
gar kein echter Romantiker und auch kein Schopenhauerianer mehr gewesen. Möglich
aber, daß sich dadurch wenigstens eine jener Ursachen dechiffrieren läßt, die für die
Diskrepanzen zwischen der Schopenhauerschen und der Wagnerschen Musikästhetik
verantwortlich waren.
Schopenhauer, der die Prämisse ausgegeben hatte, daß es neben dem Schlaf nur noch
die Musik als "wahre[s] große[s] Panakeion"516 gebe, hielt nämlich von der Dichtung
nicht viel, von der Oper, die er generell auf ein "nicht gerade Wagnergemäßes [...] Zeitlimit von allerhöchstens zwei Stunden festgelegt wissen wollte"517, fast gar nichts. Friedell
schrieb einmal, er habe sie "in ihrem künstlerischen Wert mit der Nützlichkeitsarchitektur
verglichen".518 Wagner stand damit in der Tat vor einem schwer zu lösenden Problem,
gar vor einem "Unglück", wie Nietzsche es ausdrückte: "Das Schiff fuhr auf ein Riff;
Wagner sass fest".519 Auf der einen Seite konnte er nicht unterschlagen, daß die Musik für
ihn zumindest auf die Dichtung angewiesen war – eigentlich hätte er sagen wollen: wie
blutsverwandt mit dieser zusammenzuhängen schien – und vor allem konnte er nicht
unterschlagen, daß die Musik für ihn eigentlich in der Oper gipfelte. Auf der anderen
Seite jedoch wollte er dem nicht untreu werden, der ihn intellektuell aufgerichtet, der,
wie Wapnewski sagt, ihn aus einem "dogmatischen Schlummer"520 aufgeweckt hatte. In
der Beethoven-Schrift, die ein glatter Widerruf dessen ist, was er in seinen Schweizer
Schriften 20 Jahre zuvor proklamiert hatte, schlägt Wagner darum eine methodische
Volte, um sich und Schopenhauer gleichermaßen gerecht zu werden. Eine Volte, die mit
Hilfe der reichen (und dehnbaren) Metaphorik des Schlafs die Schwierigkeiten zugleich
bemänteln und lösen sollte.
Wie Schopenhauer räumt auch Wagner der Musik natürlich als erstes wieder das Recht
ein, die erste Kunst zu sein. Im Entstehungsprozeß an den Schlaf gekoppelt ist und bleibt
die Musik auch bei ihm eine Parallelerscheinung zu diesem. In treuer Gefolgschaft steigert
Wagner Schopenhauers These sogar, indem er die Beziehung Musik/ Schlaf auch umgekehrt zu denken beginnt und nicht nur der Musik den Moment der Entkrampfung, son516 [Schopenhauer, 1946b], S. 275. Vgl.: [Schopenhauer, 1949a], S. 309
517 [Reinhardt, 1986], S. 102
518 [Friedell, 1932], S. 368
519 Der Fall Wagner. [Nietzsche, 1988c], S. 20
520 [Wapnewski, 1996], S. 313
178
dern dem Schlaf ebenso künstlerische Qualitäten beimißt, den Träumen gar, daß sie Kunst
in einer ursprünglichen Form seien. All das aber scheint noch immer sehr Schopenhauerisch zu sein, noch umkreist der philosophische Gedanke einen inneren Fixpunkt.
Allein, die Konsequenz, mit der Wagner seinen Schopenhauer hier dreht und wendet,
entwickelt eine erst unmerkliche, dann erhebliche Eigendynamik. Denn jede Kunst
braucht ihre Bühne, jede Kunst drängt auf Veräußerung. Und genau das spürte und wußte
auch Wagner. Deshalb mischt er seinem eigenen Schlafbegriff nunmehr den sehr naheliegenden Moment des Erwachens bei. Ohne sich damit, wie er glaubt, thematisch von
Schopenhauer lösen zu müssen, glaubt er ebenso, dessen Auffassung um ein Vielfaches
intensivieren zu können, indem er den Schlaf bis an seine äußerste Grenze führt. Fast
reflexartig sind die Erträge des Schlafs, die Träume, nach Wagners Meinung ans Erwachen
gekoppelt. Sie sind höchst vital, wenn nicht theatral und treiben dem Tag entgegen.
Warum sie also aufhalten? Aus Liebe zum Kunstwerk scheint Wagner an dieser Stelle
sogar sein eigenes Zutun ostentativ herabzusetzen (der Künstler sei der Empfänger, nicht
der Erzeuger von Träumen!), die Träume werden nicht mehr blockiert und entlassen sich
gewissermaßen selbst in den Tag, und so schließlich – hat sich die Genese der Kunst (fast)
automatisch vollzogen. Was jedoch aus der Entfernung klar zu erkennen ist, hoffte Wagner noch im Unschärfebereich zwischen Schlafen und Wachen verwischen zu können:
daß natürlich durch stetiges Hinlangen ein Leck in Schopenhauers Nachtwelt entstanden
war.
Wagner "bringt", wie Slavoj Žižek es einfach und für einen verwandten Kontext formuliert hat, "zusammen, was [...] Schopenhauer einander entgegensetzte."521 Ging es
Schopenhauer gerade nicht darum, die Nacht am Tag auszurichten, sondern allein um
Mittel, den Träumer immer weiter einzuschläfern, so hat Wagner der Schopenhauerschen
Philosophie den Moment des Tageseinbruchs schlichtweg untergeschoben. Ja mit dem
Moment des Tageseinbruchs auch den Moment des Lichts, der Lichtbrechung, der
Reflexion, kurz, jenen Urmoment des Dramatischen, der ihm als Theaterpraktiker längst
notwendig geworden war. Erst wenn das Licht da ist, kann das Drama beginnen. Warum
das so eklatant ist, zeigt sich, sobald man an den Punkt zurückkehrt, von dem aus Wagner
gemeinsam mit Schopenhauer aufgebrochen war. Denn was für den Schlaf gilt, gilt auf
Grund von Verwandtschaftlichkeit auch für die Musik.
Wollte oder konnte noch Schopenhauer sich den Schlaf bloß ohne Erwachen, die
Musik bloß ohne Beimengung von Dichtung und Drama denken, so überführt Wagner
nicht nur den Schlaf- in den Wachzustand, sondern auch die Musik über die theatrale
Schwelle des Erwachens hinaus ins Musikdrama. Das heißt, daß Schopenhauers Vorgaben
hier so lange liebkost worden sind – andere würden mit viel Recht sagen: strapaziert –, bis
daß sich vom Konzept der absoluten Musik das Konzept der dramatischen Musik ablösen
ließ. Das aber kommt nun tatsächlich einer Entstellung gleich. Vom musikästhetischen
Standpunkt aus ist es sogar eine Veruntreuung, und man muß zugeben, daß die Metaphorik des Schlafs hier mitgeholfen hat, die Sicht auf lange Zeit hin zu vernebeln. Wagner
521 [Žižek, 2003], S. 37
179
dürfte selbst über die Diskrepanzen zwischen seiner und der Schopenhauerschen Musikästhetik gestrauchelt sein. Im Sinne Shaws war er "not a Schopenhauerite every day in the
week".522 Vor allem aber die Wagner-Forschung hat sich in puncto Beethoven-Schrift
immer wieder mokiert über das Verhältnis Adaption – Deformation. Aber: Vielleicht sollte man nicht übersehen, daß Wagner, indem er Schopenhauer überdehnte, diesen für
seine Zeit auch erst lesbar gemacht hat. Cosima erwähnt eine Bemerkung, die von großer
Wichtigkeit ist. Von ihr befragt, ob "nach Schopenhauer viel auf philosophischem Gebiete
zu entdecken sei", antwortete Wagner: "Darzustellen viel, zu entdecken glaube ich
nicht."523 Es kam ihm also keineswegs auf Analyse an, es kam ihm an auf Interpretation.
So wie er schon die Romantik für sich fruchtbar gemacht hatte, so ging es ihm auch für
Schopenhauer um einen Umwandlungsprozeß. Er wollte nicht verklären, sondern erklären. Er wollte propagieren anstatt zu archivieren. Er wollte in der Gegenwart behaupten,
was durch den methodischen Rückzug des weltfremden, romantisierten Individuums aus
dieser zwangsläufig zu versickern drohte. Erkenntnis machte für ihn nur Sinn, wenn sie
sich auch als ästhetisches Ereignis darstellen und ausagieren ließ. Von daher ist seine eigene
Schlaf- und Traumtheorie im Vergleich zu der Schopenhauers die dynamischere und zeitgemäßere und dies sogar aus Sicht der Schlafforschung. Schopenhauer war in der Tat in
jenem Augenblick, in dem das 19. Jahrhundert ihn für sich entdeckte, in diesem speziellen
Punkt schon ein Anachronismus. Der Schlaf war nicht mehr so 'romantisch', wurde schon
lange nicht mehr als ein Magnetismus in nur eine Richtung begriffen. Ohnehin konnte
Wagner kaum noch das (ihm selbst innewohnende) Prinzip der Dialektik unterdrücken,
das die jüngere Schlafforschung bereits in den Wechsel zwischen Wachen und Schlafen
übertrug. Sind deshalb nach wie vor "Schopenhauers Musiktheorie und Wagners Synthese
[...] unvereinbar"524, so ließe sich eine frischere Ansicht der Dinge gewinnen, sobald man
gegenrechnet, daß Wagners Musiktheorie nicht nur einen Kommentar zur zeitgenössischen Schlaftheorie darstellt, sondern daß Wagner selbst die Schopenhauersche Synthese in
einen aktuellen Kontext gerückt hat. Oder ist es etwa nicht Wagner gewesen, der mitgeholfen hatte, daß das "von der Philosophie der Zeit verschlafene Hauptwerk"525 Schopenhauers überhaupt aus jenem Schlummer gehoben wurde, in dem es ein paar Jahrzehnte
lang gelegen hatte?526 Ohne Wagner wüßten wir heute weniger über Schopenhauer. Der
Preis dafür, daß wir mehr wissen, ist, daß wir nicht alles wissen.
Halten wir fest, daß Wagners Musikästhetik in sich noch vergleichsweise traditionell
ist, in den Passagen, in denen Schlaf- und Traumtheorie entwickelt werden, allerdings
deutlich weiter geht, moderner wirkt. Noch von den Naturphilosophen übernommen war
die Idee, daß der Schlaf und mit diesem auch die Musik die reine Lebenskraft sei. Schon
die Überzeugung aber, daß Schlaf verborgenes Wissen nicht nur generiert, sondern auch
522 [Shaw, 1932], S. 251
523 TB vom 28. 6. 1869. [Wagner, 1976a], S. 118
524 [Gutman, 1970], S. 330
525 [Wapnewski, 1981], S. 193
526 Übrigens als ob ihm, diesem Hauptwerk Schopenhauers, zuteil geworden wäre, was es selbst zuvor einge-
fordert hatte.
180
beschirmt, stellt die Brücke zum 20. Jahrhundert dar. Man könnte sagen, daß Wagner,
dessen Werk heute kaum mehr vom Vergleich mit der Psychoanalyse fernzuhalten ist, mit
dem Schlaf rund 30 Jahre vor Freud die notwendige Vorbedingung für Träume und
Traumdeutung ausgelotet hat. Das Konzept vom tiefen und vom allegorischen Traum
berührt selbst die Erkenntnis von der Existenz verschiedener Schlafphasen, die erst Mitte
des 20. Jahrhunderts medizinisch bewiesen werden konnte. Die Metaphorik des Wachens
und Erwachens und die vom inneren Auge, das sich im Schlaf öffnet, könnten gelten als
Vorwegnahme des vielbesprochenen REM-Schlafs (auch 'paradoxer' oder 'TieftraumSchlaf' genannt im Gegensatz zum traumlosen 'orthodoxen' Schlaf!), in dem sich nach
Aussagen der heutigen Schlafmedizin die Augen infolge starker bildhafter Träume heftig
zu bewegen beginnen. Gemeinsam mit dem Nachweis des REM-Stadiums ist sogar stichhaltig gemacht worden, daß der Schlaf die menschliche Gedächtnisbildung instand setzen
hilft, ein Umstand, den man ebenso in Wagners Leitmotivik angedeutet findet, welche
mnemotechnisch zwischen Rückblick und Vorausschau Orientierung stiften sollte.
Letztlich belegt Wagners eigenes Vokabular in der Beethoven-Abhandlung, daß der
Schlaf und damit auch die Musik für ihn nicht nur historisch oder symbolisch verklärte,
sondern moderne, wissenschaftliche, interdisziplinäre Phänomena gewesen sind, was sich
dann gewiß nicht mehr zur Deckung bringen läßt mit der noch immer verbreiteten Auffassung, Wagners Musiktheater sei bloß eine Art geschmäcklerische Gefühlssymphonik.
Viel eher ging es um "!!Deutlichkeit!!"527, um Signifikanz, um neue Formen des Wissens
und neue Formen der Spiritualität, wenn man so will. Wagner rehabilitiert sich in dieser
Hinsicht vollkommen als Romantiker, hatte doch gerade die romantische Naturphilosophie den Schlaf als 'chemischen Katalysator', als 'Regeneration der Hirnfunktionen' oder
sogar 'Wiederholung des Fötuslebens' in die Kunst eingeführt. In Wagners Schriften bilden
deshalb Wendungen wie "Funktion des Gehirnes"528, "das sympathische Gehör"529,
"cerebrale[s] Bewußtsein"530, "physiologische[...] Phänomene"531, von denen zwar einige,
aber nicht alle von Schopenhauer entlehnt sind, einen neuen Ton aus. Daß es an einer
Stelle der Beethoven-Abhandlung "zunächst nicht auf die metaphysische, sondern auf die
physiologische Erklärung"532 ankommt, beweist, daß das wissenschaftliche Zeitalter auch
bei Wagner Einzug gehalten hatte, freilich ohne sich der traditionellen Bindungen zu
entledigen, die es generierten. Keine Frage, Wagners Musikästhetik bleibt in Anlehnung
an Schopenhauer grundsätzlich eine Metaphysik der Musik und empfiehlt sich in keinem
Punkt an den Positivismus. Über die Verbindung zum Schlaf aber wird die Musik partiell
auch zu einem Phänomen physiogener Reflexe. Oder zumindest geht es nicht mehr so
ausschließlich um Seelen-, sondern neuerdings auch um Sinnesnervenleistung: "Wie man
527 Affichen im Bayreuther Festspielhaus vor den Erstaufführungen des 'Ring des Nibelungen'. [<Wagner, Richard -
Briefe>, 1908c], S. 201
528 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 86
529 Ebd., S. 93
530 Ebd., S. 94
531 Ebd., S. 132
532 Ebd., S. 131
181
[...] bei Richard Wagner sieht, waren die [...] Nerven in mancher Hinsicht besser zum
poetischen Organ geschaffen."533 Womöglich war es bei weitem nicht mehr so subversiv,
die "Nerven zu überreden"534, wie Nietzsche spotten mußte. Daß dessen "Einwände
gegen die Musik Wagner's [...] physiologische Einwände" waren – "wozu dieselben erst
noch unter ästhetische Formeln verkleiden?"535 – mag zu einem nicht unbedenklichen
Teil damit zu tun gehabt haben, daß Nietzsche zu der Zeit, als er Wagner in Bayreuth sah
und hörte, selbst schon vom eigenen Körper in Frage gestellt wurde. Immerhin kursiert
heute, im post-nietzscheanischen Zeitalter, die Auffassung, daß es eigentlich überhaupt
keine moderne Ästhetik gibt, die nicht automatisch auch "angewandte Physiologie"536 sei
– Wagners Musik hätte demnach die Enervierung in der Kunst nicht alleine zu verantworten. Am ausgewogensten erscheint, was Joachim Radkau herausgestellt hat, daß nämlich
der Nervenreiz im 19. Jahrhundert zu einem Kulturzustand geworden war. Es wäre also
ungerecht, die Debatte um Physiologie und Dekadenz in der Kunst auf Wagner zuzuspitzen. Ungerecht allemal sie zuzuspitzen, ohne nicht auch hervorzuheben, daß es ihm,
Wagner, natürlich immer auf eine Gesamtleistung ankam. Der Nervenreiz ohne die
spirituelle Erfahrung mußte ihm im Gefüge eines Gesamtkunstwerks so unsinnig erscheinen wie die spirituelle Erfahrung ohne Nervenreiz. Gerade das Grundmotiv 'Schlaf' liefert
zahllose Belege dafür, daß die Musik sowohl körperlich als auch mental wahrnehmbar sein
sollte und daß sie das Kunststück sein müsse, in dem das eine nicht ohne das andere
auskommt.
Am Ende kann man damit sogar noch ein wenig Spekulation treiben. Denn könnte
man nicht, da schon von Analysetechniken, von Körper- und Gehirnfunktionen die Rede
ist, Wagners Leitmotivmusik als eine rudimentäre Form der Elektroenzephalographie bezeichnen, die selbst die rhythmische Eigentätigkeit des menschlichen Gehirns aufzeichnet
und wesentlich der modernen Schlafforschung vorgearbeitet hat? Was sich gewagt anhören muß, ist von erstaunlicher Kontingenz. Sowohl das EEG-Notat wie auch die Leitmotivtechnik folgen einer Rhythmik des Immergleichen. Beide schreiben eine 'unendliche Melodie'. Nicht nur die Hirnströme, sondern auch die Töne lassen sich auf eine
Schwingungslehre beziehen. Wie Wagners Leitmotive, so sind auch die EEG-Kurven als
'Schicksalsfäden' apostrophiert worden (das Seil der Nornen könnte tatsächlich beides sein,
Symbol der Lebenszeit und Symbol der musikalischen Struktur!): In jedem Detail abgreifoder analysierbar, liefert das eine wie das andere eine genaue Abbildung verborgener
psychischer und/ oder physiologischer Vorgänge und gäbe sogar vom Ende her betrachtet
Auskunft über das, was zum Zeitpunkt der Aufzeichnung noch 'Zukunft' geheißen hätte
(vgl. Abb. 53-54). "Unbewußt, wie im Traum"537, so wird die 'unendliche Melodie' laut
Wagner formiert – unbeeinflußt von bewußten Lebensprozessen auch der Kurvenverlauf
der Körperfunktionen im EEG. Darüberhinaus ist die Idee der Amplitude, welche über
533 [Radkau, 1998], S. 499
534 Der Fall Wagner. [Nietzsche, 1988c], S. 29
535 Fröhliche Wissenschaft. [Nietzsche, 1988d], S. 616
536 [Herrmann, 2001], S. 576
537 Zitiert in: [Glasenapp, 1911], S. 164
182
die Zeit stetig wandelbar iteriert, nicht nur von der Romantik schon auf den Schlaf
übertragen worden – im Schlaf "zittert dieses willkürliche Bewegungsorgan [das Gehirn]
aus"538, so hieß es damals. Auch heute wird das Sinnbild der Kurve oft mit dem An- und
Abschwellen, dem Wellenförmigen der musikalischen Energie bei Wagner assoziiert, und
zwar abseits der Tatsache, daß die Idee der Welle schon durch Wagner selber zu einem
Motiv erhoben worden war. Friedrich Kittler meint, daß "Woge" bei Wagner "natürlich
die Eigenschaft der neuzeitlichen Musik [heißt], aus Frequenzen zu bestehen".539 Wodurch das Oszillogramm des EEG-Notats tatsächlich sehr nahe an Wagner heranrücken
würde. Nehmen wir hinzu, daß die ersten EEGs gar nicht visuell, sondern akustisch
aufgezeichnet wurden (nämlich auf die Tonspuren von Filmen), daß ein Mensch zum
Einschlafen gebracht werden kann, sobald man ihm seine eigene EEG-Kurve als Melodie
vorspielt ('Lullaby'-Theorie), ja daß sogar den Ausschlägen der Amplitude in der heutigen
Diagnostik Töne von unterschiedlicher Höhe zugeordnet werden, durch deren Abspielen
sich dann ein 'Konzert' ergibt (Stichwort 'Sonifikation'), so scheinen wir uns wirklich in
einem Bereich zu befinden, den auch Wagner in seiner Zeit und auf seine Weise fruchtbar
zu machen hoffte. Seine Musik wollte das Unterste nach oben bringen, das Äußere aber
auch nach innen, wollte also, wenn man so will, akustische Forschung sein, die die heimlichsten Bezirke so genau ab- wie vorbildet. Theater- und Medientheoretiker würden das
heute als 'Biofeedback' bezeichnen, und in der Tat gibt es 'Brain Operas', in denen die
Analyse der Hirnwellen zur musikalischen Performance wird. 540
Natürlich wird man die (natur)wissenschaftliche Komponente in Wagners Musikästhetik nicht überbewerten dürfen. Wagners Kunst ist immer nur so modern und progressiv
gewesen wie sie auch mythisch und restaurativ war. Allerdings muß man konstatieren, daß
das traumgleiche Wesen der Wagnerschen Musik erstaunlich nahe einer Formel kommt,
die den wissenschaftlichen Bemühungen der Zeit und vornehmlich der Arbeit des schweizerischen Psychologen Edouard Claparède entstammt, welcher damit einen richtungsweisenden Ansatz beschrieben hatte: 'Der Mensch schlafe nicht, weil er ermüdet sei, sondern
damit er nicht ermüde'. 541 Auf Wagner bezogen heißt das: Die Musik war dafür gemacht
wachzuhalten, und zwar über den Umweg der Regeneration im Schlaf, nicht aber, um
einen tumben und traumlosen Schlaf zu befördern. Diese positive Defensivfunktion, auch
die Idee, daß der Schlaf ein Schutzmechanismus sei, entstammen nun aber doch wieder
den Einsichten der Schlafwissenschaften, entstammen natürlich bereits dem 20. Jahrhundert. Darum scheint es, als ob Wagner sich für seine Kunst aus der Zukunft kurzerhand
herangeholt habe, was die eigene Gegenwart nicht bieten konnte. Als hätte er der Zeit
538 [Jean Paul, 1963], S. 240
539 [Kittler, 2001], S. 564. Und wie [Borck, 2005], S. 274 berichtet, hat auch der Entdecker der Hirnströme
Hans Berger die Metaphorik der Welle bewußt für sich eingesetzt; seine letzte Publikation überschrieb er mit
dem Gedicht Geheime Wellen von Heinrich Anacker.
540 Vgl. z.B. die berühmten Live-Aufführungen von Alvier Lucier (Music for Solo Performer, 1965), die 'Brain
Music Machine' des Komponisten David Rosenboom oder die interaktiven 'Hyperinstrumente' Tod Machovers. Weitere und gründlichere Informationen liefern [Lucier, 1995], [Rosenboom, 1976] sowie [Büscher,
2000].
541 Siehe und vgl.: [Winterstein, 1932], S. 38
183
vorgegriffen, weil diese sich partout nicht seinen Forderungen gemäß beschleunigen ließ.
Das aber ist wohl der Inbegriff utopischen Handelns – Mischung zwischen großem Plan
und detaillierter Vorahnung. Der utopische Anspruch bei Wagner sorgt deshalb am Ende
dafür, daß die wissenschaftlich-induktive Forschung durch das therapeutisch-deduktive
Moment der Musik doch um das entscheidende Quentchen übertroffen, man könnte fast
sagen, daß das Modernistische bei Wagner vom Avantgardistischen überboten wird.
Womit sogar die alte definitorische Spannung zwischen Hypnose und Schlaf für uns
aufgehoben wäre. Denn zwar taugt die Hypnose zur Wissenschaft, der Schlaf allerdings
allein zur Kunst. 542
<Teilergebnis>
Was also ist die Musik und was der Schlaf und was bedeuten sie füreinander in Wagners
Argumentation? Fassen wir zusammen.
Aus dem Wesen des Künstlers, so wie wir dieses in Kap. II.2 nachgezeichnet hatten,
ergibt sich nach Wagner notwendig das Wesen der "Musik als Kunst". 543 Ästhetische
Dichte, proteische Wandelbarkeit, Sinnfülle, Abstraktionsgrad, ja die reine Gegenwart
oder aber "geschichtslose Mitte"544 der Musik, wie Eggebrecht das einmal genannt hat,
werden deshalb wieder dargestellt unter Zuhilfenahme der Metaphorik des Schlafs, der
selbst der Musik in Gehalt und Gestalt zwillingshaft ähnlich scheint. Damit kann nun das
'Traumbild', welches der musische Künstler und durch ihn die Musik aus sich hervortreibt,
an Stelle des weit gewöhnlicheren Abbilds gesetzt werden, um das sich die bildenden und
darstellenden Künste wie auch die Dichtung gemäß der Beethoven-Schrift seit je bemühen
– Ausdruck dies, daß die Musik für Wagner die Prinzipien aller sonstigen Künste nach
innen hin steigert. Die Komprimierung von Formen, Farben, Gestalten und Zeichen im
Schlaf, auch vor allem die verfließenden Energien der Träume werden zum Rüstzeug, um
die Methodik der Musik zu veranschaulichen. Der Schlaf, als höchste Form der Subjektivität, wird zur Referenzmetapher für die Gesetze der Musik. Genauer noch: Schlaf
und Traum tragen überhaupt erst dazu bei, die Musik instand zu setzen. Mehr als Hilfsmittel sind sie für Wagner Stilmittel. Es geht um einen "Kunsttraum".545 Die Verwandtschaft zwischen der Musik und dem Schlaf erlaubt nämlich Reziprozität, und die Neudefinition des Stoffbegriffs, das Außerkraftsetzen des mimetischen Prinzips, die Aufhebung
der Schwerkraft in der Kunst hätte also gar nicht geschickter veräußert werden können als
542 Zumindest in der Welt der Oper scheint es mir tatsächlich nur eine einzige Stelle zu geben, die den engen
Bereich der Hypnotik abhandelt: Sieht man ab von Bellinis La Sonnambula, die schon wieder viel zu sehr verallgemeinert, was uns interessiert und die zusammenfällt mit all den Dramen um un- oder übernatürliche Zustände, von denen die Opernliteratur bis hin zu Hagens Nachtwache in der Götterdämmerung zum Bersten voll
ist, so fällt mir nur Mozarts Così ein, in der die als Medicus verkleidete Despina die Liebenden mit Hilfe der
Mesmerschen Methode zu heilen sucht. Freilich sollte man auch diese Szene nur als Parodie verstehen, und
zwar nicht einmal als eine besonders gelungene. Vielleicht ist in ihr auch bloß der Umstand verarbeitet, daß
Mozart persönlich mit Mesmer bekannt gewesen sein soll.
543 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 90
544 [Eggebrecht, 1994], S. 123
545 [Greogor-Dellin, 1980], S. 24
184
durch den Analogieschluß zu einem Phänomen, das so alltäglich wie transzendental, so
landläufig wie geheimnisvoll ist.
Musik geht demnach fließend in Schlaf über, Schlaf in Traum, Traum wieder in
Musik, und das eine scheint in Wagners Musikästhetik in produktiver Abhängigkeit zum
anderen zu bestehen. Genaugenommen übernimmt die Musik bei Wagner die Rolle des
Schlafs und der Schlaf die Rolle der Musik. Man muß nur einen Blick werfen auf Wotans
Auftritts-, oder auf Erdas Abtrittsszene, auf Brünnhilde, auf Fafner oder auf die 'Nacht der
Liebe' im Tristan, um eingelöst zu finden, was Wagner theoretisch vorgeschrieben hatte.
Prototypisch zeigen all diese Sequenzen den "durch Musik aufsteigenden Traum"546 oder
die in den Schlaf abfallende Musik. Ungefähr nach Art der berühmten Egmont-Szene, in
der ein Traum durch Musik sichtbar gemacht wird, was nicht nur Beethoven (sic)
auskomponiert, sondern Wagner selbst nachhaltig beschäftigt hat – "das Beste kommt
einem doch »unerbeten, unerfleht – am willigsten«; wie Egmont der Schlaf"547 – ungefähr
nach Art dieser geradezu vorbildlich glissandierenden Szene dürfte deshalb auch das Konzept der Wagnerschen Musikästhetik entwickelt worden sein. 548 Zumindest wenn man die
Beethoven-Schrift als letzte gültige Aussage darüber akzeptiert. Die Musik offenbart sich als
Vergegenwärtigung jener über- oder unterirdischen Reiche, über die der Schlaf wacht.
Dessen "Wahrtraum-Gestalten"549 wiederum werden auf Wagners Bühne zu den
"ersichtlich gewordene[n] Thaten der Musik". 550
Leicht wird man Wagners Musik deshalb als eine 'Kunst des Übergangs' bezeichnen
können. Vermittelt sie doch das Bild an die Szene, die Gestalt an die Bewegung, die Zeit
an den Raum, kurz, die Musik hebt wie der Schlaf gewohnte Grenzen auf. Nachvollziehbar ist, daß jetzt auch weiter entfernte, frühere oder spätere Territorien erreichbar werden.
Der Mythos etwa, in den die Musik kraft ihrer Traumseligkeit zurückfluten kann. Wobei
der Schlaf laut Wagner das Fallenlassen in die urweltliche Ordnung, also die Erinnerungsarbeit der Musik methodisch unterstützt, womöglich gar die Fähigkeit zur Gedächtnisbildung überhaupt erst in die Musik hineinträgt, welche man ihm, dem Schlaf, wissenschaftlich selbst schon längst zugebilligt hatte. Durch "den sagenhaften Ton [im Musikdrama]", meint Wagner,
wird der Geist sofort in denjenigen träumerischen Zustand versetzt, in welchem er bald [...]
einen neuen Zusammenhang der Phänomene der Welt gewahrt, und zwar einen solchen, den
er mit dem Auge des gewöhnlichen Wachens nicht gewahren konnte. 551
546 [Lenk, 1990], S. 29
547 Brief Richard Wagners vom 23. 5. 1859 an Mathilde Wesendonk. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1915], S. 201
548 Übrigens wurde Goethe für den Egmont-Traum heftig von Schiller getadelt, den dieser als zu 'opernhaft'
empfand. Schiller meinte hier auf ein Musterbeispiel dafür gestoßen zu sein, warum generell in keinem Drama
die Träume eine Verwendung finden dürften – sie führten ein episches, das Drama auflösendes Element in
dieses hinein. Für Wagner ließe sich daraufhin nur erwidern: Genau so aber sollte es sein, nur so sollte, konnte
und wollte sich das 'Musikdrama' legitimieren!
549 Über das Opern-Dichten und Komponiren im Besonderen. [Wagner, 1883g], S. 227
550 Über die Benennung 'Musikdrama'. [Wagner, 1873g], S. 364. (Im Original hervorgehoben.)
551 Zukunftsmusik. [Wagner, 1873k], S. 161f.
185
Schlafend und träumend wird uns eine ideale Welt zuteil. So bedeutet der große Schritt
zurück natürlich auch einen Sprung nach vorn. Gerade daß das eben angeführte Zitat aus
dem Artikel über Zukunftsmusik stammt, macht deutlich, daß Musik als Traum natürlich
auch ein utopisches Konzept bei Wagner darstellt. Die 'Kunst des Übergangs' vermittelt
auch die Idee des Fortschritts, ihre Sprache ist die der Zukunft, ihr Traum Wunscherfüllung. Es geht um ein 'Träumen nach vorwärts', wie Ernst Bloch gesagt hätte, der die
eigene Philosophie der Musik im Geist der Utopie gleichfalls mit einem Abschnitt über den
Traum beginnen läßt.
Die Musik aber in Wagners Musikästhetik, sie ist eine Art Traumorakel, durch welches
sich Gewordenes mit Werdendem verbinden ließ und verbinden läßt. Der Schlaf selber
wird zu einer Kunst des Übergangs. Genau so nämlich wie in seiner Biographie, so
stilisiert Wagner den Schlaf theoretisch zum Konstruktionsprinzip und stellt damit eine
Brücke zwischen Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft her. Es ist evident, daß es ihm
stets darum gegangen war, den Spiel- und Wirkungsbereich der Bühnenkünste zu
erweitern. Nun aber wird auch evident, daß die Bilder des Schlafs ihm nicht nur sehr
dienstbare Mittel lieferten, diesen neuen Spielbereich zu situieren, sondern daß er damit
die alten "pseudoaristotelischen 'Einheiten' durchkreuz[en]"552 konnte. Wo seine Figuren
in den Schlaf zurücksinken und wo seine Musik zu träumen beginnt, da wird der Ort
vergrößert, die Zeit gedehnt, die Handlung gestreckt. Auf dramaturgischer Ebene bedeutet das die Glättung von Bruchkanten, die Verschmelzung von Szeneneinheiten, surreales
Dahinfließen der Bedeutungsebenen. Schlaf vermittelt formal, was die Musik inhaltlich
vermitteln mußte – man könnte sagen, daß insgesamt die stoffliche Qualität des Bühnengeschehens verändert, daß dieses samtener und fließender werden sollte. Nicht nur musikalisch, sondern auch szenisch geht es um eine Überblendungstechnik. Wenngleich es
bislang in der Wagner-Forschung unbeachtet geblieben ist, es scheint doch geradezu
gesetzmäßig, daß sämtliche Hauptwerke Wagners durch Szenen eröffnet werden, in denen
entweder der Schlaf oder die Musik oder beides gemeinsam thematisiert wird. Schlaf
verbindet Entferntes, simuliert einen Anfang; in der Distanz zwischen Dasein und Absenz
spannt er einen neuen Spielraum auf, dem dann träumegleich Musik entströmt. Die Idee,
daß alle Bühnenhandlung letztlich nur noch eine Traumvision sei, daß das Theater zum
"unsichtbare[n] Theater"553 und der Gesichtssinn durch "Neutralisation des Sehens"554
gestärkt werden könne, liegt nicht mehr so fern, ist eigentlich nur konsequent. 555
Die Musik gilt bei Wagner als "Illusionsweckerin"556; konsolidiert durch die Analogie
zum Schlaf gilt sie deshalb auch als Heilmittel – ein Regenerationsvorgang, durch den die
552 [Borchmeyer, 1982], S. 130
553 TB vom 23. 9. 1878. [Wagner, 1977], S. 181
554 Das Bühnenfestspielhaus zu Bayreuth. [Wagner, 1873d], S. 400
555 Die berühmte Holländer-Inszenierung von Harry Kupfer (Bayreuther Festspiele 1978), die die gesamte
Handlung als einen Traum Sentas darzustellen suchte oder aber auch Jean-Pierre Ponelles Tristan, in dem
Isoldes Kommen im 3. Akt als Vision des sterbenden Tristan interpretiert wurde (Bayreuther Festspiele 1981),
sind deshalb nicht nur gelungene, sondern vor allem zwei mit der erforderlichen Stringenz durchgeführte
Experimente.
556 [Bekker, 1924], S. 45
186
Altlasten des täglichen Lebens in Szenarien des besseren Lebens verwandelt werden können. Wie die Träume zeigt die Musik was verdrängt wird, aber auch, was entstehen soll.
Sie legt so sicher Zeugnis ab über Schein, Verfall und Lüge, wie sie diese auch enttarnt.
Denn zwischen Einschlafen und Erwachen schlägt der gesellschaftliche Alptraum bei
Wagner in einen Wunschtraum um. Immer geht es in der Musik um den Mehrwert, der
sich aus der Differenz zwischen Schein und Sein ergibt. Wagner spricht von der "erlösenden Traum-Welt"557, die die "grauenhaft gestalteten Ungeheuer der Tiefe", den "Tag –
ach! die Geschichte der Menschheit"558 überpräge und stellt das Abgründige bemerkenswerterweise nicht mit dem Dämmerzustand der Träume, sondern mit dem vermeintlich
hellen Tag zusammen. Schlaf und Traum liefern wieder jene Folie, hinter der sich das
dialektische Prinzip auch in der Musik rechtfertigen und ausarbeiten ließ. Vielleicht ist es
nicht die schlechteste Metapher, daß Wagner Die Kunst und die Revolution in einem
Schlafzimmer verfaßt haben soll. 559
Allerdings ist es vor allem der utopische Gedanke, der immer streitbar, zumindest
interpretierbar geblieben ist; alles ließ sich da behaupten, nichts jedoch beweisen. Die
Gedankenspiele um den Schein oder das Sein, die Wagner mit der Musik darzustellen
suchte, blieben anfällig selbst dort, wo er sie ästhetisch untermauerte, und paradoxerweise
sind sie genau so in die Beurteilung dieser Musik übernommen worden. Der erlösende
Mehrwert der Kunst, den Wagner in der Beethoven-Schrift zu zementieren hoffte, wurde
ihm allerspätestens mit deren Erscheinen von seinen Widersachern abgesprochen. Die Behauptung, Musik habe einen Heilaspekt, gerade weil sie die Welt als Schein transzendieren
könne, wurde konterkariert von der Behauptung, daß Wagners Kunst selbst eine Scheinwelt sei und diese nicht nachbilde. Nahe lag der Eindruck, daß die Musik bei Wagner zu
verführerisch sei als daß sie noch seriös sein könne. Ja es ist ungeheuer sprechend, daß in
Folge der Vorwurf der Hypnose oder Narkose gegen einen Künstler erhoben wurde, der
sich nicht nur praktisch, sondern auch theoretisch, fast programmatisch, sofern man auf die
Biographie schaut, mit dem Phänomen des Schlafs auseinandergesetzt hatte. Wohl glaubte
man, die Begriffe direkt aus Wagners Œuvre entnehmen und auf ihn umschlagen zu können.
Doch so berühmt die Debatte um die Hypnotik der Wagnerschen Kunst ist, so berüchtigt müßte zunächst sie und nicht der Gegenstand ihres Interesses sein. Überprüft man
die Methodik der Hypnose mit der Methodik der freilich sehr ähnlichen, nicht aber
deckungsgleichen Erscheinung des Schlafs, so wird man feststellen können, daß die
Argumente hier verkantet worden sind. Wahrscheinlich sogar vorsätzlich. Physiologisch
wie sozialhistorisch unterscheiden sich hypnotische oder auch narkotische Zustände erheblich vom natürlichen Schlaf. Der Schlaf ist "selbstschöpferisch"560, Narkose oder Hypnose
keinesfalls. Der Schlaf vergrößert den menschlichen Wahrnehmungsradius, jede Form der
Hypnotik muß ihn notwendig verkleinern, sofern sie ihn danach vergrößern will. Wer da
557 Religion und Kunst. [Wagner, 1883d], S. 320
558 Ebd., S. 319
559 Vgl.: Anm. 201 in Kap. I.1
560 Mittheilung an meine Freunde. [Wagner, 1872d], S. 302
187
nun die Behauptung vertrat, gerade das sei ja der wunde Punkt bei Wagner, der hatte
Wagner quasi nur paraphrasiert, nicht zitiert. Das Hypnotische mag selbst in Wagners
Kunst inbegriffen sein, als Terminus technicus jedoch ist es eine falsche Zuweisung. Wagner hat sich über den engen, historisch definierten Rahmen der Hypnose hinausgearbeitet
und mit den Bildern des Schlafs seiner Kunst eine umfassendere Metaphernlage erobert.
Schließlich ließ sich das Utopische allein aus etwas Überzeitlichem, Ahistorischem gewinnen. Eine Lücke klafft seither auf zwischen der Partei, die eher der Analyse und einer
anderen, die bloß der Wirkung Wagners anhängt. Analysierend aber läßt sich zusammenfassen, daß die Musik, Wagners Musik, in der Tat nicht mit der Hypnotik, sondern mit
dem Schlaf in Zusammenhang gebracht werden muß: Es geht um freiwilliges, selbstbestimmtes Versinken. Wer anderes behauptet oder aber ähnliches metaphorisch entgleisen läßt, wird sich den Vorwurf des Populismus gefallen lassen müssen.
Daß dem Versinken mit nachvollziehbarer Konsequenz das selbstbestimmte Erwachen
folgt, um das es dem Utopisten Wagner vor allen Dingen ging, liefert den Beweis, daß
dieser sich wirklich über die definitorischen Grenzen der Hypnotik hinausbewegt hatte.
Den Schlaf (oder die Musik) als Vorgang zu begreifen, dessen regenerative Energien sich
erst im Wachzustand angemessen entfalten würden, stellt Wagner an die Seite der zeitgenössischen Schlafforschung, die auch den Dualismus zwischen Einschlafen und Aufwachen neu zu beweisen suchte. Man könnte behaupten, daß die Metaphorik des Schlafs
sogar mitgeholfen hat, Wagners Kunst in die Moderne, in die Moderne des 20. Jahrhunderts hinüberzuholen. Auch diese läßt die Diskussionen um tellurische oder somnambule
Situationen, um den magnetischen oder aber auch den hypnotischen Schlaf weit hinter
sich. Das alles hatte das 18. und frühe 19. Jahrhundert, die Naturphilosophen und Schopenhauer interessiert. Jetzt geht es nicht mehr um Resignation, sondern um Revolution.
Dem Traumleben wird eine neue Funktion zugesprochen, die später die Symbolisten oder
die Surrealisten für sich fruchtbar machen sollten. Mit der Beethoven-Schrift setzt Wagner
den Schlußstein seiner Musikästhetik an genau jener Stelle, an der der Traum der Kunst
ins wache Leben hineinspielt, – et vice versa.
Wagners Beethoven-Aufsatz könnte man deshalb, so man sich erst einmal die Interferenzen vergegenwärtigt hat, geradezu als einen Kommentar zur zeitgenössischen Schlafforschung lesen. Just die Physiologisierung der Ästhetik, die sich so besonders gut an die
Schlafbildlichkeit der Musik anlegen ließ und die Wagner darum auch so oft vorgeworfen
wurde obwohl sie eigentlich schon in der Romantik wurzelt, dürfte ihn vermittelt haben
an eine Zeit, die der seinen voraus lag. Daß das Physiologische in Wagners Musikästhetik
immer wieder zu Pathologischem degradiert, Wagner zur Gallionsfigur der Dekadenzbewegung stigmatisiert wurde, läßt sich von daher leicht der Willkür überführen, insofern
der Schlaf bereits in Wagners Biographie ein pathologisches Problem war. Mit der Kunst
aber ging es ihm um Kompensation. Möglicherweise auch der eigenen biographischen
Mängel:
188
[D]as geträumte[...], musikalische[...] [Leben ließ] über [dem] kunstvoll-phantastische[n] Spiel
des Theaters mit seiner bewegenden Dramatik und seinen überraschenden Verwandlungen ein
erlösend Anderes aufschimmern.561
Notwendig entwickelt Wagner in seiner Musikästhetik den Hang zur Utopie – jede Theorie ist ja auch die geläuterte Autobiographie ihres Theoretikers. Die Rettung geschieht für
ihn, Wagner, durchs Werk, die Heilung für alle durch die Musik. Kaum hätte er sich auch
selbst zur Dekadenz bekennen können. Ihm ging es um das Gegenteil, um Rekonvaleszenz. In seine Musikästhetik ist integriert, was später erst durch Freud bewiesen werden
sollte: Wer schläft, der gesundet.
Gesellschaftspolitisch und kulturphilosophisch, medizinisch und biographisch, poetologisch und musikästhetisch, der Schlaf greift auf vielfältige Weise in das Konzept der
Wagnerschen Musik ein. Man kann konstatieren, daß Wagner seinem Gesamtkunstwerk
damit die Anbindung an das Transzendente oder zumindest an das Ungreifbare, Unsichtbare sicherstellen wollte, dieses sogar pseudowissenschaftlich abzusichern suchte. Im
Musikdrama, in dem alles mit jedem verschmelzen sollte, mußte schließlich auch das Jenseitige diesseitig, das Ungreifbare handhab- und das Unsichtbare darstellbar werden. Das
Sphärische wurde zu einem spielbestimmenden Requisit. Und so verwandelt Wagners
Musik die Träume in Bühnenhandlungen. Umgekehrt konstituiert der Schlaf erst die
dramatische Musik. Am Ende ist es deshalb besonders von Interesse, daß selbst Wagners
methodisches Vorgehen noch von dem Prinzip gesteuert worden ist, daß – präfreudianisch
– den Theorien zwangsläufig die Wirklichkeit der Träume vorausgehen muß. Schaut man
auf die Beethoven-Schrift, so begreift man, daß darin nur das systematisiert wurde, was
bereits in den langen Jahren der Ring-Konzeption, vor allem im Tristan und in den
Meistersingern vorexerziert worden war. Ralf Eisinger geht mit Recht davon aus, daß man
den
ästhetischen Standpunkt des späten Wagner auch für seine frühen Werke verwende[n könne].
Der Begriff »allegorisches Traumbild« wird nämlich in der [...] Beethoven-Gedenkschrift abgehandelt, wohingegen die dramaturgische Konzeption, die in ihr entwickelt und dargestellt
wird, bereits im Holländer, im Tannhäuser und im Lohengrin in Ansätzen zu verfolgen ist. 562
Die Theorien mögen die Träume, die Schriften die Werke legitimiert haben, die Werke
die Schriften aber auch – die herkömmliche Abfolge von Theorie und Praxis wird bei
Wagner beiweilen vertauscht. Folglich sollte man zum einen davon sprechen, daß nicht
(nur) Wagners Kunsttheorien dessen Kunstwerke, sondern daß umgekehrt Wagners
Kunstwerke auch dessen Kunsttheorien vorgeprägt haben. Zum anderen, daß sich das
Schlafmotiv selbst, mehrgestaltig wie es erscheint, tatsächlich nach innen und nach außen
als Deutungsmuster behauptet. Keineswegs zufällig folgte Wagners Kunstträumen erst
1870/ 71, in den Jahren der Reichsbildung also, das philosophische Finale mit der
561 [Kröplin, 1989], S. 7
562 [Eisinger, 1987], S. I
189
Beethoven-Schrift und den so sorgfältig in diese hineingearbeiteten Schlaf-, Traum- und
Erweckungsphantasien nach und diesem seinerseits genauso wenig zufällig 1872 dann, als
entspräche es jetzt dem utopischen Erwachen, die Grundsteinlegung zum Festspielhaus,
die mit dem "Wach auf"-Choral konsolidiert wurde. Nicht bloß werkintern, auch extern
werden die Bilder der erst ersehnten, dann geträumten und schließlich manifest gewordenen Träume immer wieder repetiert. Die Rückkopplungen, die wir in den Kapiteln II.1
und II.2 zwischen Wagners innerer und äußerer Biographie aufgedeckt hatten, bestätigen
sich auch für Wagners Werk.
________
190
III. Unter dem Hügel die Senke
Der Schlaf als Motiv in Wagners Festspieldramaturgie
Ich sehe jetzt immer mehr, das was ich vorhabe, ist etwas, was man
machen, nicht aber worüber man reden und reden lassen muß.
(Richard Wagner)1
Bei der gestrigen Abendvorstellung [...] fing im achten Bilde,
während das Publikum in atemloser Spannung den Vorgängen
auf der Bühne folgte, ein Besucher des Parketts plötzlich zu
singen an. In der Nähe sitzende Personen erhoben sich beunruhigt von ihren Plätzen, weil sie glaubten, es mit einem
Nervenkranken zu tun zu haben. Der diensthabende Theaterarzt ging auf den vermeintlichen Kranken zu, sah daß es ein
Schlafender war, und weckte ihn auf. Das Publikum beruhigte
sich nach dieser natürlichen Erklärung des Zwischenfalles.
(Karl Kraus)2
Oktober 1879. Die ersten Bayreuther Festspiele sind vorbei, die zweiten bereits in Planung, da überliefert uns Cosima die folgende Begebenheit: Zu Ehren Wagners habe man
auf einem Rondell in der Bayreuther Innenstadt eine Statue Richards aufstellen wollen.
Doch es kam, wie es kommen mußte. Man konnte sich nicht entschließen, ob dies "nach
dem Theater oder nach der Schule zu"3 geschehen solle und habe es am Ende ganz unterlassen. – Was kurios und nur nach einer neuen Anekdote klingt, ist natürlich sprechend.
Denn mag es auch damals noch nicht nachvollziehbar gewesen sein, heute ist bekannt, daß
man mit jeder Wagner-Darstellung das Problem aufpflanzt, daß der Dargestellte ein
Proteus ist und eigentlich mehrere Gesichter besitzt, zwei im mindesten. Natürlich ist
Wagner immer Theoretiker, Pädagoge und Wissenschaftler nach der einen Seite hin gewesen, Theaterpraktiker nach der anderen. Und natürlich war er zudem Dramaturg, ging
es doch bei ihm nie allein um das Werk und nie allein um die Werktheorie, sondern vor
allem um die Öffentlichkeitsarbeit, die alles erst so recht in Szene setzt – nicht allein um
die Wagner-Statue, wenn man so will, sondern gleichermaßen um den besten Stellplatz
für sie. Das heißt, auch für unseren Kontext wären nicht bloß Wagners theoretische Vorgaben ohne seine Theaterpraxis, sondern besonders ohne jene Überleitung unvollständig,
die das eine mit dem anderen verbindet. Zwischen einem Rahmen und einem Fenster
wird das Scharnier zum Spannungspunkt. Mit dem dritten und letzten Kapitel wollen wir
deshalb den Bereich untersuchen, der von Theoretikern schon 'Praxis', von Praktikern
hingegen noch 'Theorie' genannt wird. Es soll gehen um die Organisation der Festspiele,
1 Brief Richard Wagner vom 13. 8. 1853 an Louis Schindelmeißer. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1909], S. 138
2 [Kraus, 1925], S. 25. (Im Original wiederholt Stellen hervorgehoben.)
3 TB vom 26. 10. 1879. [Wagner, 1977], S. 431
191
um die Logistik des Festspielgedankens, um die Inszenierung der Inszenierungen in Bayreuth. Wobei es auf der Hand liegt, daß zwischen dem Ring des Nibelungen und der Beethoven-Schrift, die im gleichen Zeitraum konzipiert wurde wie die Baupläne zum Festspielhaus, eine Verbindung besteht durch jene Traumbilder, aus deren 'Urstoff' Wagner beides
für sich entfaltet hatte. Die Bilder vom Schlaf sind auch, nein, sie sind gerade in den Maximen enthalten, kraft derer die Festspiele zu einem Teil des Gesamtkunstwerks stilisiert
wurden. Der Schlaf generiert die Träume! Insofern halfen die Metaphern, die ihm inhärent sind, all das zu entbergen, was Wagners Musik frei- und das Musikdrama vorgeben
sollte. Das betrifft die Festspielidee und die Festspielarchitektur, die Bühnengestaltung und
die Bühnenbeleuchtung, den Zuschauerraum und die Zuschauerdramaturgie und am Ende
sogar die Zuschauer selbst, denen Wagner zum Träumen verhelfen wollte, als könne das
Werk der Werke nur als Traum vieler Träume dinghaft werden.
III.1 N ebelkamm ern
<»Ein Traum von Festspielen«>
Bereits der Festspielgedanke war per se ein utopisches Bild – ein Traum, gespeist aus
Hoffnungen, Ahnungen, durchsichtigen Erwartungen und schnellen Perspektivwechseln,
der sich nicht hätte erfüllen können, wäre er nicht als Gegenentwurf zur Wirklichkeit auf
den Plan gerufen worden. Wagners "Verachtung des [bestehenden] Theaterwesens" war
"vollkommen"4, das "Widerwärtigste, was ich mir vorstellen konnte". 5 "Zivilisation und
Verfall waren für Wagner Synonyme seit seinen ersten Theatererfahrungen". 6 Folglich
ging es darum, das "Verwahrloste zu regenerieren, [...] die Erlösung der in schmachvollen
Banden liegenden Kunst herbeizuführen"7 – Wagner scheint sich dabei gelegentlich selbst
wie ein Siegfried gefühlt zu haben, der die Walküre aus fesselndem Schlaf zu erwecken
hatte. Traumwandlerisch und wie "ein Irrlicht über einem Sumpf"8 gingen die Vorbereitungen zu den ersten Festspielen vonstatten. "Nur der Traum hilft!"9, so hatte Wagner es
schon 1872 beschrieben, als er das erste Mal nach Bayreuth gereist war, und "daß solche
Zeiten Gefühle wecken, welche gewöhnlich in [einem] schlummerten"10, dies wird man
leicht dem Topos des Schlafs zuordnen können. Auch hier wurde der Traum wieder zum
Kompensations- und Konstruktionsprinzip.
Verwunderlich ist es von daher nicht, daß auch die Wagner-Rezeption sich der
hervorspringenden Metaphorik bedient hat, und dies nicht eben einmal zurückhaltend.
4 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 257
5 Ebd., S. 258
6 [Wagner, 1977], S. 22
7 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 259
8 TB vom 24. 6. 1875. [Wagner, 1976a], S. 925
9 TB vom 24. 1. 1872. Ebd., S. 484
10 TB vom 13. 8. 1875. Ebd., S. 930
192
Keineswegs bleibt es beim Floskelhaften. Manches scheint zunächst achtlos formuliert,
anderes nur schmückendes Beiwerk, aber gerade dahinter verbirgt sich ein irreduktibler
Gesamteindruck. Daß noch König Ludwig II. "den schönen, den kühnen Traum"11 als
Chiffre für Wagners Festspielidee gebraucht hatte, ist als weltfremd belächelt worden.
Doch auch Wolfgang Golther meinte, diese sei "ein hochsinniger Künstlertraum"12, Wilhelm Marr, sie käme einem "in's Leben tretenden Traum"13 gleich, Zdenko von Kraft:
"Darin hat sich der Traum seines Lebens am entscheidensten verwirklicht". 14 Wolzogen
spricht von der "ideale[n] Traum-Vorstellung von der Regeneration der Menschheit"15,
der stilsichere Hanslick davon, daß es hier um "den größten Erfolg [ginge], den ein Componist jemals träumen konnte"16, und Hans Mayer notiert, daß sich in Bayreuth "der exzessivste Künstlertraum einer ganzen Epoche"17 erfüllt habe. Und wahrhaftig, der "alte[...]
Traum von einem eigenen Festspielhaus"18 mündete nicht nur in dem "Traum von Festspielen"19, sondern manifestierte die "ungebrochene Kontinuität altdeutscher WagnerTräume."20 Bayreuth, "das ist der Ort, an dem ein Künstlertraum Wirklichkeit wurde"21 –
"idealer Künstlertraum als vollbrachte Wirklichkeit"22 – "Traum und Wirklichkeit, das
Theater und das Leben haben [...] endlich zusammengefunden."23 Daß selbst die kritischen
Stimmen, die die gegenwärtig etwas heikle Situation der Bayreuther Festspiele beleuchten,
dieselben Metaphern aufgreifen, macht den Schlaf bereits in der Festspiel-Glosse zu einem
Motiv: "Bayreuth döst", so beginnt zum Beispiel ein Artikel der Süddeutschen Zeitung aus
dem Jahr 1997 – er endet mit der Hoffnung auf "[v]iel, viel Stoff [...] wider den Sommerschlaf."24 Zwar berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Sommer 2004 davon, daß
zumindest das "Nickerchen zwischendurch unmöglich"25 geworden sei, doch 1998 konnte man der Zeit entnehmen, daß auf lange Sicht hin nicht viel zu erwarten sei:
Die Bayreuther Festspiele liegen im Dämmerschlaf. Nur die Wagner-Familie ist hellwach. [...]
Pssst! Die Kunst ist eingeschlafen am Grünen Hügel von Bayreuth. Tief und fest, weihevoll
umspielt von den wohlbekannten, schönen Klängen. [...] Nur noch schwach geht der Puls der
Kunst in Bayreuth. Die letzten aufrüttelnden Herzrhythmusstörungen liegen schon fünf Jahre
zurück [....] Letztes Lebenszeichen bleibt der flache Atem der liebgewonnenen Festspielrituale.
Vielleicht ist es ein Schönheitsschlaf, den wir da erleben, ein bißchen lange, aber am Ende er-
11 Brief Ludwigs II. vom 6. 12. 1866 an Richard Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1936c], S. 108
12 [Golther, o. J.], S. 41
13 [Marr, 1876], S. 568
14 [Kraft, 1969], S. 18
15 [Wolzogen, 1883], S. 23f. ('Regeneration der Menschheit' im Original hervorgehoben.)
16 [Hanslick, 1885], S. 213
17 [Mayer, 1976], S. 25
18 [Kraft, 1969], S. 12
19 [Gregor-Dellin, 1982], S. 123
20 [Bayerdörfer, 1984], S. 319
21 [Gebhardt/ Zingerle, 1998], S. 104
22 [Lindau, 1877], S. 72
23 [Wagner, 1998a], S. 253
24 [Lemke-Matwey, 1997], S. 13
25 [Bühning, 2004], S. 31
193
quickend. Vielleicht aber handelt es sich auch um ein Koma, finales Stadium. Oder ist es schon
soweit [...] Bayreuth tot, nach einem langen, ereignisreichen Leben sanft entschlummert?26
Eine Replik lieferte prompt die Berliner Morgenpost. Dort erregte man sich über die "frontale Attacke in der Zeit [...], die das traditionsreiche Festival tief im Koma sieht"27 und
bewies damit – indem man den vitaleren Teil des Bayreuther Traums implizit wieder hervorhob –, daß nicht nur Wagner selbst, sondern auch dessen Festspielidee immer wieder
die altbekannten, kontrapunktischen Debatten auszulösen vermag.
Gedacht war Bayreuth freilich als Erweckungsritual. Ein "allgemeines Bad der Seelen
soll es sein: dort erwacht der neue Genius". 28 Robert Gutman schreibt, Wagners Musiktheaterkonzept sei nichts weniger gewesen als "eine phantastische Vision der Opernbühne
als ontologische[...] Akademie"29, in welcher das erhellende Moment der Erkenntnis, so
ließe sich ergänzen, als Weckmechanismus von vornherein enthalten war. Als hätte Bayreuth eine Neuauflage werden sollen von Schillers 'Schaubühne als moralischer Anstalt',
die auch schon die reale Welt zugunsten der theatralen "[hinweg]träumen" wollte – "wir
werden uns selbst wieder gegeben, unsre Empfindung erwacht, heilsame Leidenschaften
erschüttern unsre schlummernde Natur, und treiben das Blut in frischeren Wallungen"30 –
, so mußte auch Wagner erst einen Traum situieren, um uns daraus erwecken zu können.
Es ging um jenen inspirierten Schlafzustand, den er in der Beethoven-Schrift vorformuliert
hatte und der nun ein paar Jahre später als Teil der Festspielidee konkretisiert wurde.
<Das Flußbett des Hügels>
Bereits die Maßgabe, daß das "große[...] Fest"31 abseits der großen Städte in freier Natur
"am liebsten in irgendeiner schönen Einöde"32 stattfinden sollte, hatte zu tun mit dem
'träumereichen Atemholen der Musik' und deren Vermögen, Rückbesinnung und Regeneration zu bewirken. Daß Wagners "Reich der Kunst [...] jenseits der Wirklichkeit
angesiedelt" worden sei, daraus leitet Stefan Kunze zu Recht den Begriff "Traumwelt"33
ab. Ein "Waldstück"34, so hatte Wagner selbst seinen Siegfried genannt, und hoch oben
"auf wonniger Waldeshöhe"35 sollten die Festspiele ein eben solches werden, in "schöne[r]
Waldeinsamkeit"36 ebenfalls zu Träumen und "[s]innende[m] Schweigen"37 verleitend.
26 [Spahn, 1998], S. 30
27 [Horst, 1998], S. 23
28 Nachgelassene Fragmente. [Nietzsche, 1988k], S. 247. ('Bad der Seelen' im Original hervorgehoben.)
29 [Gutman, 1970], S. 334
30 [Schiller, 1962], S. 100
31 Brief Richard Wagners vom 20. 11. 1851 an Franz Liszt. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1988a], S. 195
32 Brief Richard Wagners vom 30. 1. 1852 an Franz Liszt. Ebd., S. 206
33 [Kunze, 1983], S. 167
34 Brief Richard Wagners vom 20. 11. 1851 an Franz Liszt. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1988a], S. 199
35 Brief Ludwigs II. vom 21. 8. 1865 an Richard Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1936b], S. 161
36 Brief Richard Wagners vom 28. 6. 1857 an Franz Liszt. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1988a], S. 524
37 Siegfried, 2, 2. [Wagner, 1998b], S. 68
194
Hier wie dort ging es um eine "Natur-Traumwelt".38 Romain Rolland über das Nibelungen-Epos: Ein "Wald von ungeheuren Tiefen, mit allen unseren Träumen bevölkert". 39
Auch was Wagner über die Wirkung seiner melodischen Neuerungen gesagt hatte, war
nicht nur symbolhaft, sondern hatte einen handfesten Sinn: Die "Stimmung", "wie sie ein
schöner Wald am Sommerabend auf den einsamen Besucher hervorbringt, der soeben das
Geräusch der Stadt verlassen"40, war ebenso ausschlaggebend für die infrastrukturellen und
architektonischen Neuerungen in Bayreuth – interessant mit Bezug auf den Siegfried auch
der Nachsatz: "[D]as Eigenthümliche dieses Eindruckes [...] ist das Wahrnehmen des immer beredter werdenden Schweigens". 41 Daß 'die Lage des Festspielhauses in sich Regie'
sei, wie Wieland Wagners dies einmal formuliert hat, ist sicher mehr als zutreffend. Der
Grüne Hügel sollte die "Pflanzstätte"42 für ein neues, irdenes Paradies werden, abgeschieden von der Außenwelt und diese doch vollends verkörpernd. Zwar war dessen Gelände
zu Wagners Zeit noch gar nicht so grün – schaut man genau hin, so bestand das erträumte
Paradies lediglich aus ein paar frisch gesäten Grasflächen, ja bis "zur Mitte des Eröffnungsjahres" 1876 lag der Baugrund des Festspielhauses "brach und nur notdürftig eingeebnet"43; Fotografien zeigen sogar noch aus den ersten Jahren der Festspiele kahles Terrain
rund um die Baustelle und belegen, daß sich zunächst nur ein "schattenlose[r] Weg"44 die
Anhöhe hinaufwand. Doch gemäß der architektonischen Planungen wurde der Hügel
rasch aufgeforstet, sollte sich nach den Bauarbeiten re-integrieren in die Landschaft und lag
vor allem selbst schon, locus amoenus, inmitten anderer und höherer Hügel lieblich
eingebettet im fränkischen Umland, traumselig wie sonst nur das Rheingold in seinem
Flußbett. 45
Die Absicht ist also klar. Es ging um das Zurücksinken in den Schoß der Natur, in den
Schoß der "in Schlaf und Traum heilenden und helfenden Natur"46, wie Nietzsche es für
die Geburt der Tragödie formuliert hatte. Wagner schloß sich dem Gedanken sofort an, und
zwar indem er ihn erweiterte. Nach dem Prinzip der dialektischen Steigerung müßten die
Festspiele mit dem Erwachen der Natur zusammenfallen, so meinte er. Ungefähr "in den
38 Brief Richard Wagners vom 23./ 24. 2. 1869 an Ludwig II. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1936c], S. 257.
Und es war auch mehr als eine Laune, daß Wagner sich in genau dem Moment, da der König die Ausführung
des Festspielhauses bewilligt hatte, fühlte, als sei er selbst der zu einem neuen Leben erwachende Siegfried:
"[E]s [ist] mir, als ob mein ganzes Leben jetzt in einen solchen Waldfrühlingszauber geriethe. [...] Nun denken
Sie, Geliebtester, diesen ungemein erregten Zustand, in welchem ich hellsehend werde, wie nie! Soll diess nur
ein Traum sein?" Brief Richard Wagners vom 16. 9. 1865 an Ludwig II. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1936b],
S. 182f.
39 [Rolland, 1925], S. 70
40 Zukunftsmusik. [Wagner, 1873k], S. 173
41 Ebd.
42 [Glasenapp, 1912], S. 7
43 [Kraft, 1969], S. 24
44 Ebd., S. 22
45 Es mag also sein, daß der "Hügelname [...] einer Trotzbehauptung [gleicht]", wie Klaus Geitel es einmal
behauptet hat. [Geitel, 1999], S. 23. Allerdings ist Geitels Begründung – "Keiner war auf dem Grünen Hügel
seit eh und je dem anderen grün" – weniger einleuchtend als die Tatsache, daß ein Grüner Hügel schon zuvor
einmal in Wagners Biographie, nämlich im Wesendonk-Domizil auf dem Zürcher Rieterberg, mit Weltabgeschiedenheit, Glück und der utopischsten aller Wagner-Schöpfungen, dem Tristan, assoziiert worden war
und so dann wahrscheinlich auch rund 20 Jahre später nach Bayreuth versetzt wurde.
46 Geburt der Tragödie. [Nietzsche, 1988e], S. 27
195
ersten Frühlingsmonaten"47 sollten sie stattfinden, heißt es seinem Vorwort zur Herausgabe der Ring-Dichtung. Eine "vollständige Aufführung des vollständigen dramatischen Gedichtes" habe dann "im vollen Sommer"48 zu folgen. Der Plan, daß eine neue Kunst die
alten, obsolet gewordenen Künste ablösen müsse, war für Wagner unmißverständlich an
die Pointe gekoppelt, daß auch die Natur im Frühjahr aus ihrem Winterschlaf erwacht
und frische Blüten hervortreibt. Bereits den antiken Festspielen, auf die nicht nur Nietzsche, sondern auch er selbst sich berief, lag schließlich der jahreszeitliche Rhythmus zugrunde, und schon bei der Konzeption des Rings war er mit entsprechenden Bildern
umgegangen: "Nun ist es bei mir einmal wieder Auferstehung", schrieb er im April 1852,
"die Natur erwacht, und ich erwache mit ihr aus winterlichem Mißmute. [...] der vollständige Entwurf zu meinem großen Vorspiel [Rheingold] ward in diesen Tagen fertig."49 Die
Festspiele sollten Wiederauferstehung bedeuten und sind so, alljährlich zelebriert, noch
immer ein pantheistisches Manifest. Eine Art Naturschauspiel der Kunst, welches der
Anbindung an den Wachtraum des Mythos' nirgends enträt.
Selbst das Timing der Vorstellungen wurde in Bayreuth auf diese Art zu einem Teil des
großen Szenarios. "Die Athener saßen von Mittag bis in die Nacht vor der Aufführung ihrer Trilogien, und sie waren ganz gewiß nichts Anderes als Menschen; allerdings waren sie
aber namentlich auch im Genusse thätig"50, bemerkte Wagner schon 1850 in einem Brief
an den Regisseur Genast. Mit Rekurs auf die antike Spielplandramaturgie legte er deshalb
für Bayreuth fest, daß alle dortigen Vorstellungen "Nachmittags um 4 Uhr beginnen"51,
gewöhnlich von zwei Aktpausen unterbrochen sein und nachts gegen 10 enden sollten mit
Ausnahme der allerersten Aufführung des Rings, die er für Sonntag, den 13. August 1876,
ausnahmsweise um 7 Uhr abends angesetzt hatte, um dem Zeitplan des Kaisers von Brasilien entgegenzukommen. Jeden Abend jedoch sollte es um eine Inszenierung des Verdämmerns gehen, um den sanften Übergang zur Nacht, um ein Embarquement. Immer
wieder hob Wagner "den Sonnenuntergang vor dem letzten Akte" hervor, der dem Ganzen "eine besonders weihevolle Stimmung geben wird".52 Vor allem sprach er von der
"eintretende[n] Dämmerung", die erst die "Andacht" erzeugt, "ohne die kein wirklicher
Kunsteindruck möglich ist"53 und die im Rahmen des Festspielgedankens nichts anderes
repräsentiert, als die Voreinstellung zu jener künstlichen Nacht, die den Zuschauer
umhüllt, sobald der Vorhang in Bayreuth sich hebt. Cosima sagte es deutlich:
"Sonnenuntergang-artig strahlt mir dieser Bau entgegen; keine Morgenröte!"54 Wie
Borchmeyer zusammenfaßt, "senkt sich hier die Nacht des verdunkelten Zuschauerraums"
47 Vorwort zur Herausgabe der Dichtung 'Der Ring des Nibelungen'. [Wagner, 1872g], S. 386
48 Ebd.
49 Brief Richard Wagners vom 4. 4. 1852 an Julie Ritter. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1920], S. 74
50 Brief Richard Wagners vom 23. 9. 1850 an Eduard Genast. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1975], S. 574
51 Brief Richard Wagners vom 1. 10. 1874 an Ludwig II. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1936d], S. 41
52 Ebd., S. 42
53 Vorwort zur Herausgabe der Dichtung 'Der Ring des Nibelungen'. [Wagner, 1872g], S. 389
54 TB vom 24. 5. - 29. 5. 1876. [Wagner, 1976a], S. 988. Ein paar Monate vorher hatte Cosima übrigens
folgende, wunderbar anekdotentaugliche Situation notiert: "Brandt klagte gestern, man könne für Deutschland
nichts bekommen; er brauche rosa Glas für Sonnenaufgang, er muß es in Frankreich bestellen." TB vom 22. 2.
1876. Ebd., S. 971. Mit 'Brandt' ist Carl Brandt gemeint, Wagners erster technischer Direktor der Festspiele.
196
gewissermaßen über "die vom Sonnenlicht durchfluteten Terrassen des attischen Amphitheaters".55 Wagner spitzte die antiken Vorgaben demnach ganz auf sich zu, freilich ohne
sich um den Verschnitt zu kümmern, den er damit auch erzeugte. In Bayreuth setzte er
das in die Praxis um, was er zuvor theoretisch veranschlagt hatte: Jede äußere Lichtquelle
sollte zugunsten der inneren abgeblendet werden. Das Erwachen im Dunkeln entspricht
den ästhetischen Grundsätzen der Beethoven-Schrift und fällt in eins mit jenem träumerischen Zurücksinken, das nötig war für den Schritt nach vorn in die Zukunft. "Tag –
Nacht", lesen wir in Wagners Braunem Buch über die alten Vorbilder:
Ein schönes Gefühl von der Nachtheiligkeit hatten die Hellenen. [...] am hellen Tage: [...]
Irrthum – Verbrechen – Begehren. Nachmittag: [...] Rache – Sühne – Strafe. [...] Mit den
Eumeniden dämmert der Abend; am Schluß volle Nacht: [...] Nun gebiert die Heiligkeit des
Nachtgefühls auch die spielende Heiterkeit: [...] Die Welt entgaukelt sich ihres lastenden
Ernstes, und – Ruhe wird möglich. – Hier Schlaf – dort Tod! –/ Das war schön –:/ und beim
Frühlingsnahen spielten sie das! 56
<Den Steinen das Schwere nehmend>
Nimmt man den inszenierten Wechsel zwischen Tag und Nacht ernst für Bayreuth, so
wird man feststellen, daß dieser sogar für das Festspielgebäude nutzbar gemacht wurde.
1873 hatte Wagner beim Bürgermeister von Bayreuth durchgesetzt, daß bei einbrechender
Dunkelheit sein "Theater erleuchtet werden sollte".57 Zunächst hatte dies massive Kritik
aus den unterschiedlichsten Reihen hervorgerufen. Wagners Eingabe schien vermessen,
besonders vor dem Hintergrund, daß die Beleuchtung öffentlicher Einrichtungen bislang
nur nationalen Denkmälern zuteil geworden war. Doch pünktlich zu den ersten
Festspielen hielt man den Grünen Hügel tatsächlich "bis Mitternacht glänzend und geschmackvoll illuminirt".58 Bereits 1882 überstrahlten zwei auf dem Dach des Festspielhauses montierte elektrische Lampen die ganze Umgebung so intensiv, "»daß man noch 10
Minuten vom Theater entfernt Gedrucktes auf offener Straße lesen konnte«"59; spätestens
1889 waren einem Bericht des Bayreuther Tageblatts zufolge "[s]ämmtliche [...] Wegpartien
[...] fast bis zur Tageshelle erleuchtet."60 "Wie Wotan's Bau ragt es [das Theater] in rotem
Lichte empor"61, bemerkte Cosima – ganz offensichtlich ging es hier nicht allein um
propagandistische Nahziele, sondern ebenso um ästhetische Kernfragen. Das eine war der
Zinsschein des anderen. Gewiß, Wagner nutzte die Situation, wie sie sich ihm bot. Die
sprunghafte Entwicklung der Lichttechnik kam für ihn im richtigen historischen
55 [Borchmeyer, 1982], S. 162
56 BB vom 7. 2. [1866]. [Wagner, 1988b], S. 102f.
57 TB vom 13. 9. 1873. [Wagner, 1976a], S. 727
58 [Marr, 1876], S. 571
59 Zitiert in: [Baumann, 1980], S. 277
60 Zitiert in: Ebd. Von einiger Brisanz ist dabei, daß schon die Illuminationen, die 1876 bis in die Stadt Bay-
reuth hinuntergereicht haben sollen, ausgerechnet das Mißfallen Ludwigs II. erregten und Wagner sich hier
einem Verbot fügen mußte. Nach der Absage des Königs richtete man deshalb für das Jahr 1882 ein pyrotechnisches Spektakel ein, das nach dem 2. Akt Parsifal allerdings auch den ganzen Hügel erleuchtet haben dürfte.
61 TB vom 13. 9. 1873. [Wagner, 1976a], S. 727
197
Augenblick. Doch die Nachfrage war wohl auch durch ihn erzeugt worden, der Gedanke,
daß der Festspielbereich auszuleuchten sei, ist lediglich eine weitere, pointierte Ergänzung
jener Licht- und Schattenmetaphorik, die er in seiner Musikästhetik präfiguriert hatte. Das
Festspielhaus auf dem grünen, schattigen, dämmrigen Hügel erschien, wie es gedacht war:
als Licht am Ende des Tunnels. Notabene: Richard Fricke fand es eine Erwähnung wert,
daß noch kurz vor der Eröffnung der Festspiele in den Nächten am Auditorium gebaut
wurde62 – die Grundsteinlegung des Hauses hingegen hatte man mit dem "Wach-auf"Choral gewürdigt – konsistent wirkt hier selbst die Logizität der Bagatelle. Wagners Werk
ließ sich und läßt sich nirgends trennen von den Mitteln, durch die es instand gesetzt
wurde.
Ebensowenig waren natürlich die Tag- und Nachteffekte in Bayreuth als Gegensätze
gedacht. Die Festspieldramaturgie, die das Korrelat der Musikdramen darstellt, sollte in
sich eine Überblendungstechnik sein. Wagner gebrauchte und erzeugte scharfe Kontraste
auch hier nur, um sie zu dissolvieren. Tag und Nacht, Helles und Dunkles, Lichteinbruch
und Lichtentzug waren für ihn keine Zustände, sondern Verlaufsformen, die per se
imaginär waren. Insofern sollten die mitternächtlichen Illuminationen am Festspielhaus
keineswegs dessen Konturen betonen, sie sollten diese aufheben. Von einer "Geistererscheinung"63 sprach Cosima in dem Zusammenhang. Carl-Friedrich Baumann hat angemerkt, daß die Lichtmaschinerie in Bayreuth durch ein spezielles Verwertungsverfahren
mit der Erzeugung der Bühnendämpfe zusammenhing – Licht und Nebel konnten ineinander umgewandelt werden; es mag ein Beleg dafür sein, daß die Verschattungen sogar
technisch einer Systematik unterlagen. 64 Schwaden – Dämmerung – verschwimmende
Horizonte – schwebende Verbindungen – pastellartige Aureolen – dasselbe Bauwerk,
dessen Fundamente man tief in den Hügel hineingetrieben hatte, sollte den Steinen
gleichzeitig die Schwere nehmen. Das entspricht einem Wechsel der Aggregatszustände,
und nicht nur Wagners Musik, auch dessen architektonische Finessen wird man deshalb
eine 'Kunst des Übergangs' nennen dürfen. Schon in seinen Feen war ja eine zu Stein
verwandelte Märchenfrau durch Gesang entzaubert worden. Einen "Zauberstein"65 nannte
Wagner vielleicht auch in diesem Sinne den Grundstein des Festspielhauses. Nur konsequent ist es, das Gebäude im weiteren als "Mystifikationsarchitektur"66 zu bezeichnen.
Denn sofern in ihm die Musik 'wahrtraumhaft' erwacht und transparente Gestalten ausbildet, scheint es selbst der durch Zement gebundene Nebel zwischen Tag und Nacht zu
sein – ein "visionary project [turned] into concrete [...] reality".67 Ein Gebäude, dessen
Evidenz sich durch Transzendenz behaupten sollte.
62 Siehe: [Fricke, 1906], S. 37
63 TB vom 13. 9. 1873. [Wagner, 1976a], S. 727
64 Siehe: [Baumann, 1980], S. 276f. Eduard Hanslick schrieb zu diesem Thema übrigens folgendes: "Diese
Dämpfe, die im Rheingold sogar die Stelle des Zwischenvorhangs vertreten, bilden eine Hauptmacht in
Wagner's neuem dramatischen Arsenal. Als formlos phantastisches, sinnlich berückendes Element entspricht
der aufquellende Dampf ganz besonders dem musikalischen Principe Wagner's." [Hanslick, 1885], S. 248f.
65 Das Bühnenfestspielhaus zu Bayreuth. [Wagner, 1873d], S. 392
66 [Wagner, 1999b], S. II
67 [Shaw, 1932], S. 271
198
Und in der Tat, es war "das Ergebnis einer Distanzierung – räumlich und faktisch". 68 Das
Ergebnis einer Distanzierung vor allem deshalb, weil Wagner das Äußere des Festspielhauses nie anders denn als Provisorium verstanden hatte – nicht mehr als der "Schattenriß
einer Idee"69 sei es, schrieb er an Feustel. Der "sehr uninteressante[...] Außentheil"70 war
notwendig, aber nicht wichtig gegenüber der Bedeutung des Innenraums, hätte nach
Wagners Geschmack sogar nach Ablauf der Festspiele abgebrochen werden können. So
zumindest hieß es in den frühen Mitteilungen zum Festspielgedanken, und genaugenommen ist Bayreuth auch heute noch ein Kern ohne Schale, ein Haus ohne Entrée, ohne
Umlauf, ohne Dach und Keller soweit man die technischen Einrichtungen beiseite läßt,
die für Vorder- und Seitenbühne, Ober- und Untermaschinerie erforderlich sind. Der
"Alles spannende"71 innere Bezirk des Festspielhauses sah die Tilgung aller ursächlichen
Schwerkräfte vor, war gedacht als Luftkapsel um einen unsichtbaren Brennpunkt und
ästhetisch damit nicht nur die Entsprechung zu dem, was Wagner mit seinem 'mystischen
Abgrund' zu etablieren hoffte, sondern auch das Äquivalent zur Traumtheorie der Beethoven-Schrift: Es ging um den musikalischen, den transzendenten Raum, in dem die erdhaften Lineamente aufgehoben und die "architektonische Wirklichkeit"72 vergessen werden sollte. "Es handelt sich nicht allein um den Ort in seiner rein geographischen Bestimmung, sondern auch um den Raum [...] als Atmosphäre". 73 Der Innenraum in Bayreuth ist
folglich Musik und beherbergt sie nicht nur. Genauso wie die Träume repräsentiert und
entbirgt auch er die Töne. Das Gebäude, das diesen solitär geistigen Raum umschließt, ist
nur ein Klangkörper, eine "architektonische Hülle"74 – bezeichnend, daß der erste Münchener Entwurf des Festspielhauses in einen Glaspalast eingebaut und von durchsichtigen
Mauern umschlossen sein sollte. Im Verhältnis dazu war Bayreuth später ein nur mehr
zurückgesteckter, kaschierter Modernismus, doch wurden auch dort die Mauerwerke zu
Membranen, die nun auf ihre Art durchlässig sind und durch die die Töne frei zirkulieren
können. Das Haus erscheint als ein nach außen gewendetes Inneres. Das 'unsichtbare
Theater' ist in Wahrheit ein akustisches Phänomen. Was Cosima als 'Geistererscheinung'
wahrgenommen hatte, bezeichnete Wagner selbst, der sich zuzeiten wie ein "Zaubrer"75
vorkam, als "Märchen"76, "Spuk"77 und "Traumerscheinung". 78 Hatte er in der BeethovenSchrift niedergelegt, daß die Töne eine Parallelerscheinung zu den Träumen seien, so war
jetzt sein Theater ein eben solcher Traum, in letzter Steigerung immateriell wie die Mu-
68 [Kunze, 1983], S. 172
69 Brief Richard Wagners vom 12. 4. 1872 an Friedrich Feustel. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1907a], S. 78
70 Brief Richard Wagners vom 16. 2. 1873 an Carl Brandt. Ebd., S. 118
71 Ebd.
72 [Fliedner, 1999], S. 35
73 [Lucas, 1973], S. 38
74 [Fliedner, 1999], S. 7
75 TB vom 9. 7. 1882. [Wagner, 1977], S. 977
76 TB vom 24. 9. 1873. [Wagner, 1976a], S. 732
77 TB vom 29. 11. 1879. [Wagner, 1977], S. 454
78 Das Bühnenfestspielhaus zu Bayreuth. [Wagner, 1873d], S. 402
199
sik, für die es gebaut wurde. Da "Alles [...] nur die Idee anzeigen"79 sollte, ist es womöglich die "gewaltigste szenische Verdeutlichung [...] einer Phantasie, die das unabweisbare
Recht auf Verwirklichung besitzt."80 Das Pattern wiederholt sich: Der Traum drängt dem
Erwachen entgegen.
Daß das Träumen auch intransitiv sein, gar erlahmen kann, sobald es nicht mehr als
Aufgabe begriffen wird, belegen all die Darstellungen, die Bayreuth ohne Festspielhaus und
ohne Festspielverkehr als "liebliche[s]", aber allzu fades, "stille[s] Bayreuth"81, als "sleepy
little Bayreuth"82 und "verschlafene"83 oder "verträumte[...] Kleinstadt"84 kennzeichnen.
Ein Traum kann zum Schemen werden, und bemerkenswert ist nur, daß das Bild des
Schlafes dabei selbst signifikant bleibt – der Topos scheint sich hier trotz dialektischer
Herabstufung als Hypertext zu behaupten. Außerhalb der Festspielzeit sei das Festspielhaus
"ein leeres, im Halbdämmer schlummerndes Gehäuse"85, sagt Oswald Georg Bauer. Ohne
Wagner wäre Bayreuth "relapsed into its old-world slumber"86 – "[r]ings herum alles im
Winterschlafe".87 Wilhelm Kienzl im Jahr 1879:
Als ich vom Bahnhofe durch die Straßen in das Innere der Stadt wanderte, winkten mir von
allen Seiten Fahnen aus den Häusern entgegen. Sollte ich nur aus kurzem Schlafe erwacht sein,
und nun der ganze Zauberspuk der Festspiele seine Fortsetzung erleben? Leider noch nicht! 88
Felix Weingartner faßte die festspiellose Zeit nach 1876 folgendermaßen zusammen:
"Sechs Jahre schlummerte das 'Geheimniss', das der Grundstein des Festspielhauses verschloss".89 Ohne Wagner muß Bayreuth tatsächlich in einem bleiernen Schlaf gelegen
haben, traumlos und perspektivlos. Noch Friedelind Wagner empfand die Zeit zwischen
den Festspielen jedesmal als "Dornröschenschlaf"90. Gerade in dieser Hinsicht aber scheint
es konsistent, daß auch das Erwachen schließlich mit "der schlafenden Königstochter des
Märchens verglichen worden [ist], die auf ihren Erwecker aus dem mehr als hundertjährigen Zauberschlaf harrt!"91 Es verweist auf den Brünnhilden-Schlaf, der in der Rezeptionsgeschichte generell zu einer Chiffe für Wagners Gesamtwerk stilisiert wurde: "Lang
war mein Schlaf:/ ich bin erwacht:/ wer ist der Held,/ der mich erweckt'?"92 Bereits in
Simrocks Deutscher Mythologie, die auch Wagner studiert hatte, war das Motiv angeklun79 Brief Richard Wagners vom 17. 4. 1872 an Friedrich Feustel. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1907a], S. 84
80 [Loos, 1952], S. 430f.
81 Brief Richard Wagners vom 1. 5. 1871 an Lorenz von Düfflipp. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1970], S. 809
82 [Newman, 1960d], S. 447
83 [Marcuse, 1973], S. 216
84 [Rosendorfer, 1991], Klappentext
85 [Bauer, 1992], S. 47
86 [Newman, 1960d], S. 361
87 [Kienzl, 1904], S. 286
88 Ebd., S. 264
89 [Weingartner, 1897], S. 2. (Hervorhebung von der Verf. J. D.)
90 [Wagner, 1999a], S. 85
91 [Glasenapp, 1908], S. 348
92 Siegfried, 3, 3. [Wagner, 1998b], S. 112
200
gen: "Wenn da einst unsere alte Dichtung ihre Stätte wiederfindet, dann ist Dornröschen
aus dem Zauberschlaf erweckt [...] dann wird die Schlacht geschlagen, die auch die letzte
unserer verlornen Provinzen an Deutschland zurückbringt."93 Die Transposition ließ nicht
lange auf sich warten. Stellvertretend für die 'letzte Provinz', die Deutschland noch fehlte,
wurde die Wiedererweckung der deutschen Kunst zelebriert und "Bayrisch-Dornröschen"94 wachgeküßt.
Doch zurück zum Festspielhaus. Sowohl der Metaphernwechsel zwischen dem Schlaf
und dem Wachen wie auch die Differenz zwischen Schlaf und Traum, die dem Turnus
der Festspiele unterlegt ist, scheinen sich in diesem selbst zu verkörpern. Saisonale und
universale Gesetzmäßigkeiten sind in die architektonische Konzeption Bayreuths
integriert, und das Theater Wagners stellt damit eine geradezu traumartige Biosphäre dar.
Das Festspielhaus sollte nicht allein die beseelende, sondern vor allem die beseelte Architektur
inkarnieren. Von keinem anderen Ort oder keinem anderen Theaterraum ließe sich denn
auch so leicht behaupten, daß er 'lebendig' wäre und 'atmen' würde (was durch die unvergleichliche Resonanzfähigkeit der Baumaterialien in Bayreuth sogar technisch belegbar
wäre). Die Dämmerungsästhetik erreicht kreatürliche Präsenz. Sollte die Außenfront des
Festspielhauses die Gravitation szenisch überwinden, so war das gleichzeitig eine Parabel
dafür, daß an dessen Stelle eine Innenansicht der Dinge zu treten habe. Daß die Festspiele
wiederholt mit einer "Andachtsfeier"95 oder "Trance"96 verglichen worden sind, kommt
nicht von ungefähr, und daß nicht wenige Besucher die "weihevolle Prozession"97 von
der Stadt Bayreuth auf den Festspielhügel hinauf auch heute noch als einen Akt spiritueller
Reinigung empfinden, ebensowenig. Die Träume zeigen auf der einen Seite das Wesenhafte, auf der anderen tendieren sie zur Unschärfe.
<Schlaftempel und Tempelschlaf>
Auf dem Grünen Hügel ging es und geht es augenscheinlich immer noch um eine ganz
spezifische, nämlich esoterische Form von 'Anwesenheit'. Daß Bayreuth zweifelsohne
Werkstattcharakter besitzt, hat nichts daran geändert, daß die Weihestätte zu einer
kultischen Handlung animiert. Ein "Musikevangelium"98 ist diese Art der Verkündigung,
eine "Theaterkirche"99 diese Art der Verortung genannt worden. Udo Bermbach merkte
an, daß Bayreuth "ähnliche, vielleicht sogar identische psychische Prozesse"100 auslöse, wie
sie heute ein Gottesdienst erzeugt oder früher die mythischen Formen der Epiphanie
erzeugt hätten. Daß göttliche Offenbarungen in der Kunst zu finden seien, hatte schon
Wagner behauptet und dafür 1880 die Schrift Religion und Kunst verfertigt, um zu
beweisen, daß die Religion als Kunst praktiziert und unsere mythischen im Grunde als
93 [Simrock, 1874|, S. 5
94 [Marcuse, 1973], S. 216
95 Ebd., S. 168
96 Ebd., S. 173
97 [Gebhardt/ Zingerle, 1998], S. 4
98 Zitiert in: [Tappert, 1967], S. 103
99 [Berkéwicz, 1999], S. 12
100 [Bermbach, 1996], S. 110
201
künstlerische Symbole dargestellt werden müßten. Früh hatte Cosima notiert, daß "R. [...]
die Sprache des Priesters" sprechen und daß "das Theater seines Gedankens [...] ein Tempel"101 sein müsse. Richard Strauss:
Als ich in Olympia stand, auf der Stätte reinsten Gottesfriedens, einem Platz so ausgesucht 'heilig', ganz ringsum von sanften, grün und braun gefärbten Hügeln umgeben, zwischen zwei
Flüssen der heilige Tempelbezirk [...], wie gedachte ich da Bayreuths. Hier in Olympia schafft
ein Volk aus sich heraus [...] Volk, Kunst, Natur, Religion vereinigen sich [...]. 102
Auch die Festspiele also ein kollektives Pilgerritual, Bayreuth der "Schwerpunkt der
Authentizität"103, an dem sich tatsächlich die Götter zeigten: "Auf wolkigen Höhn/ wohnen die Götter:/ Walhall heißt ihr Saal./ Lichtalben sind sie;/ Licht-Alberich,/ Wotan
waltet der Schar."104 Diejenigen dürften nicht ganz falsch gelegen haben, die das Programm des Kunsttempels mit einem Kultus verglichen und das Festspielhaus als Replik der
antiken Tempel bezeichnet haben. Die Wiederauflage dramaturgischer Gebrauchswerte ist
nicht von der Hand zu weisen. Nur: Wagners Bayreuth lag am Ende nicht in Delphi,
Wagner war kein Kopist, sondern Interpret. Allein daß der offene Theaterraum der griechischen Arena in Bayreuth unter dem Dach eines geschlossenen Theatergebäudes eingefangen, der Tag in eine neo-mythische Nacht verwandelt und der Himmel buchstäblich
zu einem bühnentechnischen Versatzteil rearrangiert werden mußten, zeigt, daß Würdigung und Widerspruch hier nie klar voneinander zu trennen waren. Um so mehr sollte es
darum gehen, beides gelten zu lassen, wo der Versuch unternommen wird, Wagners
Theaterprinzipien historisch zu verorten. Im folgenden ein Probelauf:
Die großen Tempelbezirke der Antike waren keine Einsiedelei, das ist bekannt; sie
stellten eine Agglomeration der unterschiedlichsten Institutionen mit je unterschiedlichen
Aufgaben und Angeboten dar – weites Gelände, gestreute Interessen, professionierte Geschäftigkeit, eine Art Messeschau zur Zeit der Theaterturniere. In Bayreuth dagegen scheinen sich diverse 'Tempelmodule' architektonisch und ideologisch, real und mental zu
überlagern. Ein einziges Gebäude sollte alle vorhandenen Energien auf einen Fleck zusammenziehen. Lebte die extravertierte, antike Festivalidee auch in der Wagnerschen weiter,
so forciert letztere doch viel eher die Introspektion. Der Schwerpunkt ist verlagert, konzeptionell ging es von Anfang an um eine andere Art der Zentrumsvorstellung. Die
Geschäftigkeit der "Bayreuth-Pilger"105 unterlag keinem Selbstzweck, sondern war immer
ein Mittel, um die Ausschaltung der äußeren Reize einzuleiten. Als "kühne[r] Traum"106
wurden Wagners 'Bühnenweihfestspiele' marktgängig gemacht; Wagners Musik als
'Traumgeburt' zu bezeichnen ist mit Blick auf dessen musikästhetische Ausführungen
keine metaphorische Verlegenheit; nicht nur der Künstler, auch der einzelne Festspiel101 TB vom 4. 10. 1869. [Wagner, 1976a], S. 157
102 Brief Richard Strauss' vom 9. 12. 1892 an Cosima Wagner. [<Wagner, Cosima - Briefe>, 1978], S. 141f.
103 [Wapnewski, 1983], S. 163
104 Siegfried, 1, 2. [Wagner, 1998b], S. 30
105 [Metken, 1998], S. 44
106 Brief Ludwigs II. vom 6. 12. 1866 an Richard Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1936c], S. 108
202
besucher kann erst durch den Zustand des Wahrträumens bildungsfähig werden. Kontemplation war demnach Wagners Devise – und vom theatralen Standpunkt aus scheint das
geradezu die Umkehrfunktion jener (vermeintlichen) Aushäusigkeit zu sein, durch die sich
die antiken Theaterbotschaften mitzuteilen suchten.
Doch wie gesagt: 'vermeintliche' Aushäusigkeit. Denn den antiken Theaterstätten
waren auch – wenngleich dies von den Theaterwissenschaften nicht immer ausreichend
hervorgehoben worden ist – geschlossene Tempelgebäude beigeordnet. In unmittelbarer
Nachbarschaft der Arenen fanden sich oft jene berühmten Asklepieien, deren Semiotik
sich in Bayreuth fortzuschreiben scheint. Es ging um Heilrituale. An geweihten Quellen
oder Hügeln konnte man sich gegen Entgelt dem Tempelschlaf, der sogenannten 'Inkubation' hingeben, die des Nachts im innersten Raum des Heiligtums abgehalten wurde, um
den Kontakt zu den Göttern herzustellen und spezifische Therapie- und Zukunftsorakel
freizusetzen.107 Man könnte sagen, daß das Träumen hier nicht nur kultiviert, sondern sogar institutionalisiert wurde – manches Asklepieion soll eine solchen Zustrom von Besuchern gehabt haben, daß in den Tempelvorhallen lange Säle mit Schlafkabinen angelegt
werden mußten. Epidauros, eine der bedeutendsten Heilstätten der antiken Welt, ist wiederholt mit einem Sanatorium, gar mit einem "Kurhotel"108 verglichen worden, dessen
nächtliches Mysterium auf eine umfassende Cura animae abzielte. Es heißt, "der Seele
[wurde] viel mehr angeboten, als was wir heute an irgendeiner Heilstätte, sei es eine Universitätsklinik oder Lourdes, finden".109 Und Bayreuth? – Widerspruch scheint angebracht.
Wohlbemerkt, bislang ist nicht nachgewiesen, ob Wagner sich im Sinne des 'Festspieltheaters der Zukunft' systematisch mit diversen antiken Tempelformen beschäftigt hat.
Allerdings ist dies auch nie überprüft worden, so weit sich die Forschungslage überschauen
läßt, und was in dieser Arbeit nur ein Fingerzeig bleiben kann, müßte an anderer Stelle
dringend fundiert werden. Denn die Kongruenzen wirken mindestens so auffällig wie
unalltäglich. Auch in Bayreuth sollten Epiphanie und Schauspiel, Illusionismus und Pragmatismus, Mythisches und Utopisches aufeinander bezogen werden. Wie in den Tempelhallen der Asklepieien geht es für die Bayreuth-Pilger um das Mixtum compositum von
Körper und Geist. Schlaf ist ein homöopathisches Therapeutikum – der Traum und seine
visionäre Gestaltenbildung bedeuten Rekonvaleszenz – der kollektive Dämmerzustand
wird zum physiatrischen Modell. Das Festspielhaus zeigt sich als Manifestation eines
Künstlers, der auch sonst das Entfernteste miteinander in Kontakt zu bringen suchte: als
Konglomerat, das die Verbindung zwischen der weitgespannten Cavea der antiken
Theater und der umfriedeten, überdachten Sonderform der Schlaftempel herstellt.
Inkubationsmantik demnach am Festspielhügel? Musiktheater als surrealistische Erkenntnisorganisation? Möglicherweise. Denn Wagners Festspieldramaturgie wollte jene Träume
107 Übersichtliche Angaben zum oft beschriebenen antiken Inkubationsorakel verzeichnen vor allem:
[Büchsenschütz, 1868], [Hey, 1908], [Hopfner, 1937], [Kerényi, 1948], [Meier, 1949], [Price, 1986],
[Weinreich, 1909].
108 [Meier, 1975], S. 106
109 Ebd., S. 109
203
instand setzen, die uns zu einer gesteigerten Wachheit verhelfen. Der Vorgang der Inkubation führt die Inkubierenden durch die Pforte des Schlafs hindurch in einen Innenraum,
in dem sich das Numinose zu erkennen gibt.
<Lichtschleuse: Das Szenario der Saalbeleuchtung>
Die Strategie für Bayreuth sah also einen 'Energieaustausch' vor, im übertragenen Sinn in
Form einer Kontraktion, durch die die Außenwelt durch die Innenwelt ersetzt werden
konnte – Bayreuths Besucher wurden "mit Geschick immer mehr entmaterialisirt"110, bemerkte Wilhelm Marr einmal, dies zwar nur im Scherz, doch bewies er damit genau jene
Instinktsicherheit, die erforderlich war, um Wagners Transzendentalästhetik überhaupt
durchdringen zu können. Im gegenständlichen Sinn ging es um eine Staffelung der Lichtdramaturgie. Die Dialektik, die sich zwischen Nacht und Tag, Schlafen und Wachen
aufspannt, wurde übersetzt in ein Beleuchtungskonzept, dessen Kulminationspunkt das
Zwielicht war. Den Weg zum Festspielhügel hinauf und in das Festspielhaus hinein
könnte man darum eine Lichtschleuse nennen, durch die dem Tag stufenweise Licht
entzogen werden sollte, um dieses rückwärtig der Nacht zuzuführen. Paul Lindau sprach
hier von einer "Entleuchtung"111, und der Begriff scheint außerordentlich treffend,
insofern er den Vorgang der Verdunklung bezeichnet, ohne von diesem doch die Qualität
des Lichts abzuziehen.
Was heißt das konkret? Festspielbeginn – Sonnenuntergang – illuminierte Dämmerung;
die nächste Station auf diesem Weg ist nun: der "unendlich kostbare Hauptinhalt"112 des
Hauses, der Bayreuther Zuschauerraum, den Cosima gleich beim ersten Mal als "traumhaft"113 empfunden hatte. Kaum daß man ihn betritt, umgibt einen dort "geheimnisvolle[s] Halbdunkel". 114 Gedämpfte Atmosphäre, wattierte Geräusche, nestwarme Umfriedung, "man fühlt sich [...] wie der Kurzsichtige im Winter, der von der kalten Straße in
ein heißes Zimmer tritt, und dessen Brillengläser beschlagen". 115 Die äußere Sehkraft geht
in actu verloren oder wird zumindest beeinträchtigt. Der Effekt zielt auf die Vorbereitung
jener traumreichen (und pseudonatürlichen) Nacht, aus der heraus die Kunstproduktion
laut Wagner überhaupt erst in Gang gesetzt werden konnte. Wohlbemerkt: Vorbereitung
der Nacht. Denn an dieser Stelle geht es noch nicht um die Machinationen jener Verdunklung, durch die dieser Zuschauerraum später so berühmt wurde. Der Einzug der
Gäste sollte in sich eine Zeremonie darstellen und repräsentiert eine von mehreren Dämmerungsstufen.
Bezeichnend ist es natürlich, daß Wagners inszenatorisches Geschick die Verdunklung
seines Zuschauerraums durch eine ganz neue Art der Beleuchtung vorzubereiten wußte.
In seinen theoretischen Schriften hatte er es durchgespielt: Licht sollte der Dunkelheit als
110 [Marr, 1876], S. 585
111 [Lindau, 1877], S. 13
112 [Habel, 1970], S. 314
113 TB vom 24. 5. - 29. 5. 1876. [Wagner, 1976a], S. 988
114 [Glasenapp, 1912], S. 268
115 [Lindau, 1877], S. 13f.
204
Folie dienen, was impliziert, daß das eine nicht unter allen Umständen das Gegenteil des
anderen sein mußte. Insofern entspricht auch das Saallicht in Bayreuth seiner doppelten
Optik, stellt nicht nur die Rückseite der Dunkelheit dar, auf die es zu verweisen hatte,
sondern trägt den Gedanken der Verdunklung bereits in sich. Am Ende sollte es wieder
um Mischlicht gehen – "Götterdämmerungs-Nordlicht". 116 Die subkutanen Neuerungen
für die Saalbeleuchtung in Bayreuth bestanden darin, Licht durch Schatten zu erzeugen. In
praxi bedeutete das: Verzicht auf den obligaten zentralen Kronleuchter im Zuschauerraum, Verzicht auf Effekt- und statt dessen der Einsatz von gleichmäßiger Kranzbeleuchtung, wenig Dekor und dunkle, einfache Wandfarben, somit kaum Streulicht auf den
Raumflanken, "in Summa [nur] 157 Flammen" im Zuschauerraum gegen "3246 Flammen"117 auf der Bühne, all das ist eine Verkehrung dessen, was im Theaterbau bis dato als
bekannt vorausgesetzt wurde und spricht eine Sprache für sich. Bewußt sah man in
Bayreuth von brillanter Beleuchtung ab, wie sie an anderen Opernhäusern der Zeit üblich
war – die Pariser Oper soll über 2254 Gasbrenner im Zuschauerbereich verfügt haben118 –
und verbarg das Neue in der Dämpfung. Was von den Zeitgenossen zunächst als
Notbeleuchtung wahrgenommen wurde, war Absicht. Paul Lindau, dessen Bericht auch
hier um Objektivität bemüht scheint, sprach von "matt[er]"119 Beleuchtung. Wagner
wollte genau dies: graues Licht als traumartige, gar neo-mythische Urmaterie. Wie die
Musik die Emanation des Traums war, so sollte das Licht die Spitze der Dämmerung sein.
Verzicht also auch hier auf die grellen Effekte, die man Wagner so oft unterstellt hat.
Statt dessen Rückzug, mattiertes Licht, Abschattierung. Warum? – Eine Beobachtung
Nietzsches am Tag der Grundsteinlegung des Festspielhauses hilft weiter: Wagner habe da,
so heißt es in Richard Wagner in Bayreuth, einen Moment geschwiegen und
sah dabei mit einem Blick lange in sich hinein, der mit einem Worte nicht zu bezeichnen wäre. [...] und erst von diesem Wagnerischen Blick aus werden wir seine grosse That selber
verstehen können. 120
Der visionäre, nach innen gerichtete Blick ist in der Tat symptomatisch für Bayreuth geworden. "[H]ier ist mein Reich"121, schrieb Wagner genau zu jenem Zeitpunkt, als seine
Gegenentwürfe zur Wirklichkeit in Form seines Theaters manifest zu werden versprachen.
Errichtet als Argument gegen den äußerlichen Leerlauf des Fin de siècle entspricht das
Festspielhaus einer Zementierung der Innenwelt, und dessen Innenraum wiederum blieb
die für Wagner auch einzig gültige seiner architektonischen Schöpfungen. Dahinter verbirgt sich der Gedanke des Gehäuses, so wie dieses in der Beethoven-Schrift exemplifiziert
und wie es für die Herstellung von Kunst für notwendig befunden worden war, der
116 TB vom 4. 2. 1872. [Wagner, 1976a], S. 486
117 Zitiert in: [Petzet/ Petzet, 1970], S. 236
118 Siehe: [Baumann, 1980], S. 256
119 [Lindau, 1877], S. 14
120 Richard Wagner in Bayreuth. [Nietzsche, 1988n], S. 434
121 Brief Richard Wagners vom 12. 4. 1872 an Friedrich Feustel. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1907a], S. 78
205
Gedanke der "schützende[n] mentale[n] Gehäusung"122, der bis in das biographische Material hineinreicht. Wir entsinnen uns: "Studierzimmer", die einem "nicht entgegenfunkelte[n], sondern dunkelte[n]"123 – Topos des berüchtigten 'Parsifal-Zeltes' in Wahnfried –
sechsfache Draperien zwischen den Türen und vor den Fenstern – Dämmerungssehen.
Schon hier spielte der Lichteinzug die Rolle, die er auch in Bayreuth spielen sollte. Der
blinde Blick (der Blick Erdas!) geht zusammen mit der Vorstellung, daß das Theater zum
Innenraum der Welt oder der Innenraum zur Welt des Theaters werden könne. "Wir
bauen unsere Theater fensterlos wie die Brauer ihre Lagerkeller, aber nur, um desto vollkommener den Tag und die Nacht ins Licht zu rücken."124 Das schrieb Bertolt Brecht im
Messingkauf, 1939. 1876: Die sanft ausblutende Beleuchtung des Bayreuther Zuschauerraums war ebensowenig nur ein Hilfs-, sondern ein Stilmittel, um die Atmosphäre jener
Träume zu erzeugen, die Wagner auf seiner Bühne für uns visualisieren wollte – das
Szenario einer Transformation.
<Die Farben der Nacht>
Dann aber schraubte er doch "ganz radical [...] das Licht aus."125 Vollständiges Dunkel.
Tiefschlaf. Nietzsche, der zu den Götterdämmerungs-Proben 1876 kam, sah fast gar nichts
mehr, wie er später notierte. Lag eben noch eine Dämmerung über dem Zuschauerraum,
plötzlich war es Nacht. Kein Seiten- und kein Rücklicht mehr, kein Oberlicht, kein
Umgangs- und selbst kein Arbeitslicht, nur objektlose, okkulte, obskure Nacht, eine
Revolution für das damalige Theaterwesen, zweifelsohne. Eine Revolution in doppelter
Hinsicht, da das Revolutionäre hier in der Reduktion und nicht in der Abundanz der
Effekte lag. Fast erinnert Wagners Entschlossenheit in diesem Punkt an die mythische
Vorstellung, daß Nyx, die Urgöttin der Nacht, nicht nur ihr Antlitz hinter schwarzen
Schleiern verbergen, sondern außerdem eine unterirdische Höhle bewohnen mußte; die
Nacht ließ sich am besten durch etwas Dunkles bezeichnen und versiegeln. Panikartige
Reaktionen soll es darum nach Aussagen der zeitgenössischen Presse zur Uraufführung des
Rheingold gegeben haben, Verunsicherung und Verärgerung bis zum Verdruß, die
Bedeutungsdichte wurde als klaustrophobische Bedrohung wahrgenommen. Es gilt zwar
unterdes als sicher, daß die undurchlässige Finsternis an diesem frühen Abend des 13.
August 1876 die Folge einer technischen Panne gewesen ist. Wagner erklärte im nachhinein, daß die "genaue Abmessung der verschiedenen Brennapparate" nicht mehr rechtzeitig "hatte vorgenommen" und "der richtige Grad für die Einziehung der Beleuchtung
nicht [hatte] [....] eingehalten" werden können, ein "Übelstand"126, der bei den späteren
122 Das Bühnenfestspielhaus zu Bayreuth. [Wagner, 1873d], S. 390
123 Brief Peter Cornelius' vom 5. 5. 1862 an Joseph Standhartner. Zitiert in: [<Wagner, Richard - Briefe>, 1905],
S. VII
124 [Brecht, 1993b], S. 703
125 [Lindau, 1877], S. 14
126 Rückblick auf die Bühnenfestspiele 1876. [Wagner, 1883e], S. 150. Stichwort 'Übelstand': Cosima registrierte
im Oktober 1876 sogar folgenden Traum: "R. [...] hatte [...] geträumt, daß Siegfried aufgeführt würde und
daß etwas Unrichtiges auf der Bühne [geschehen sei], »Brandt, die Beleuchtung geht ein«, mit diesen Worten
sei er aufgewacht!" TB vom 21. 10. 1876. [Wagner, 1976a], S. 1009
206
Wiederholungen der Festspiele behoben worden sei. Doch die "starke Dämpfung des
Lichtes"127 war natürlich Programm, und durchaus ging es dabei um eine "exzentrische
Übertreibung"128, auch wenn Wagner dies später selbst gern abgemildert wissen wollte
und man es vom heutigen Standpunkt aus als negative Dialektik durchgehen lassen könnte.129 Der "magisch[e] Moment"130 des Lichteinzugs war gedacht als Bannzone. Das äußere Licht sollte neutralisiert werden, dafür brauchte es starke Absorptionskräfte. Daß das
technische Manöver dem Phänomen 'Musikdrama' an sich immanent war, zeigt sich daran,
daß es mindestens so viele Nachahmer wie Kritiker gefunden hat. Schon 1878, heißt es,
konnte man sich in München (sic) eine Wagner-Aufführung im Königlichen Hoftheater
nicht mehr ohne Verdunklung vorstellen.
Die rhetorischen Unruhen scheinen sich also rasch geglättet zu haben, nur: wie steht es
mit den ästhetischen? Oft genug ist der Verdunklungseffekt in Bayreuth ein Politikum genannt und als solches interpretiert worden, man hat Wagner des Obskurantismus' verdächtigt, ihm eine Reihe tendenziöser Philosopheme unterstellt. Doch welche Pigmentierung
hatte denn nun eigentlich die Nacht in Bayreuth? Wie dunkel war es konkret im Sommer
des Jahres 1876 in Wagners Biosphäre? Wie dunkel sollte es werden? Wieviel Lichtmasse
mußte nivelliert werden, damit die Qualität des "echtesten Bayreuther Dunkel"131, wie
man die Mattierung des Saallichts in Bühne und Welt bald nannte, erreicht werden konnte?
Seit der Romantik gehört es zum Common sense anzunehmen, daß die Nacht farbliche
Nuancen besitzt und daß hier zu differenzieren poetologische Aussagen freilegen kann.
Doch mit Hinsicht auf Wagners Kunstanspruch sind Fragen in dieser Richtung bislang
weder geklärt noch je gestellt worden. Ein seltsames Manko, wenn man bedenkt, wie oft
der Beginn des Rheingolds und jener Uranfang besprochen wurde, der auf die ultimative
Dunkelheit angewiesen ist. Seltsam auch, insofern schon Cosima den Hinweis überliefert
hat, daß etwa für den Parsifal eine Regulierung des Saallichts geplant war, um die Wirkung des Bühnengeschehens szenisch zu untermauern. 132
Das Argument, daß Farbeindrücke per se zu subjektiv seien, um zugewiesen und überliefert werden zu können, ist dabei nicht besonders zugkräftig. In der Wagner-Rezeption
hat man sich noch nie gescheut, einzelne Werke Wagners farblich festzulegen. Dazu sind
nicht einmal synästhetische Fähigkeiten nötig. Schon das Vorspiel des Lohengrin habe
generell einen "irisierende[n], silberblaue[n] Glanz"133 meint Gregor-Dellin. Nietzsche hat
"von der »blauen Musik« des Lohengrin [gesprochen] und Thomas Mann dies zu einer
127 Rückblick auf die Bühnenfestspiele 1876. [Wagner, 1883e], S. 150
128 Ebd.
129 Unhaltbar allerdings ist, was Bernd Künzig proklamiert: Wagner sei von dem technischen Fehler des Pre-
mierenabends so beeindruckt gewesen, "daß er beschloß, ihn für die folgenden Aufführungen beizubehalten.
Bis heute ist dies so geblieben." [Künzig, 1990], S. 21. Die These ist mit nichts zu belegen und widerspricht
Wagners eigenen Aussagen.
130 [Metken, 1998], S. 44
131 Zitiert in: [Baumann, 1988], S. 219
132 Siehe: TB vom 22. 12. 1881. [Wagner, 1977], S. 855. Vgl. auch [Baumann, 1980], S. 260f., der die dazugehörigen Eintragungen von Julius Kniese anführt, die dieser nach Wagners Angaben im Klavierauszug des
Parsifal vorgenommen hatte.
133 [Gregor-Dellin, 1980], S. 230
207
»blau-silbernen«"134 variiert, referiert Nike Wagner. Baumgart optiert für "silbrig". 135 Eine
"traumhafte Bläue lockt die Phantasie"136, so Marcuse über den Tannhäuser. Liszt schrieb
über die Ouvertüre desselben, der Tempel der Pilger dort erscheine "zunächst als Widerschein in blauer Woge oder erzeugt von regenbogenfarbigen Wolken".137 Den Tristan
wiederum müsse man 'lila' spielen, soll Hans von Bülow auf einer Orchesterprobe in
München gesagt haben. Cosima: "Abends sang R. etwas aus Tristan und sagte: Eine eigentümliche Farbe hat dieser Tristan, es ist alles wie violett, lila."138 Daß Wagners Musiktheater also koloristische Aspekte besitzt, ist nicht von der Hand zu weisen, kein Versuch,
diese zu illustrieren, galt bislang als illegitim. Warum soll das nicht auch für jenes Fluidum
gelten, aus dem die Musik emportaucht und das nur Pamphletisten als Blackout-Schaltung
versachlichen?139
Konstruktive Unschärferelationen lassen sich bereits aus den Berichten ablesen, die
noch um meßbare Angaben bemüht waren. Neben Wagner selbst, der seine Saalbeleuchtung "notwendig soweit vermindert" wissen wollte, "daß während des Aktes das Textbuch
unmöglich nachzulesen sein kann"140, verzeichnete etwa das Deutsche Theaterlexikon
1889: "Während des Spiels wird im Zuschauerraum das Gas immer auf 3/ 4 gedreht"141, ein
"Gläubiger" meinte hingegen 1896, "vor der Aufführung [sei es] drei Viertel dunkel", während der Aufführung "stockdunkel". 142 Dem Eindruck "völlige[r] Dunkelheit"143 scheint
recht bald der des "Halbdunkel[s]"144, den Gefühlen der Erregung die der Besänftigung
gegenüber gestanden zu haben. Während Mark Twain sich von einem "solemn gloom"145
umschlossen fühlte, fand Fontane es "stockduster". 146 Manfred Semper litt an der "absolute[n] Verfinsterung"147, Golther ließ sich vom "schwache[n] Dämmerlicht"148 inspirieren,
Lindau glaubte sich zunächst in einem "Kellerraum"149 verirrt zu haben, meinte jedoch
später, daß der "helle Schimmer der Bühne" so in den Zuschauerraum hineingespiegelt
hätte, als sei die dortige Nacht vom "Licht[...] des Mondes"150 erhellt gewesen. Im Bereich
134 [Wagner, 1998a], S. 65. Von Nietzsche stammt übrigens auch folgende Assoziation, die sich, das ergibt ihr
Kontext, mittelbar auf Wagner beziehen dürfte: "Nachtwach, schlafsehnsüchtig – hell röthlich braun." Nachgelassene Fragmente. [Nietzsche, 1988k], S. 580
135 [Baumgart, 1982], S. 58
136 [Marcuse, 1973], S. 142
137 Zitiert in: [Baudelaire, 1979], S. 113
138 TB vom 3. 6. 1878. [Wagner, 1977], S. 106
139 Die Überlagerung von funktionaler und emotionaler Tiefenschärfe hat Richard Klein einmal in folgende
schöne Wendung übersetzt: "Ein Wahlspruch von ihm [Wagner] könnte geradezu lauten: 'Die blaue Blume,
das machen wir, das nehmen wir in Produktion'." [Klein, 1999], S. 209
140 Über den Gebrauch des Textbuches. [Wagner, o. J. e], S. 160
141 Zitiert in: [Baumann, 1988], S. 131
142 Zitiert in: [Baumann, 1980], S. 260. (Hervorhebung von der Verf. J. D.)
143 Zitiert in: [Baumann, 1988], S. 310
144 Zitiert in: [Baumann, 1980], S. 259
145 [Twain, 1923], S. 212
146 Zitiert in: [Baumann, 1980], S. 259
147 Zitiert in: [Baumann, 1988], S. 222
148 [Golther, o. J.], S. 72
149 [Lindau, 1877], S. 14
150 Ebd., S. 15
208
der Grautöne beginnt das Licht plötzlich zu verfließen, benachbarte Farbfrequenzen verschieben sich und werden zu Widersprüchen, und das 'Bayreuther Dunkel' erscheint als
ein kreatürliches Lichtspektrum, innerhalb dessen "vollständig verfinstert"151 um einiges
dunkler wirken kann als "fast vollständig verfinstert"152, weil eben auch den emotionalen
Rezeptoren einmal ihr Evaluationsrecht eingeräumt wird. Daß man wegen des Lichteinzugs weder das Textbuch noch "factisch [...] die Hand vor den Augen sehen"153 konnte,
läßt auf eine Dunkelheit schließen, die heller gewesen sein dürfte als die, die durch Frenzel
überliefert ist: Man habe nicht einmal genau erkennen können, sagt dieser, "wie viele
Kronleuchter im Saal vorhanden waren"154, und das ist bemerkenswert. Denn bekanntlich
gab es ja in Bayreuth gar keine Kronleuchter.
Doch zu beckmessern scheint so überflüssig wie unergiebig. Um was geht es hier im
eigentlichen? Um die Nacht als Auftrittsplattform des Individuums! Ist der Lichteinzug in
Bayreuth oft als Repressalie und Fanal eines Entmündigungsprozesses kolportiert worden,
so ließe sich leichterdings behaupten, daß das Gegenteil zutreffender ist. Mit dem Einbruch der Nacht in den Zuschauerraum wurden nicht nur schlagartig alle äußerlichen
Standesunterschiede egalisiert, die absolutistische Lichtquelle demontiert. Reziprok wurde
ein neuer Freiraum deklariert. Verlieren festgefügte Bindungen, Hemmungen und Sanktionen in der Dunkelheit ihren Zwang, so konnte die Nacht auch in Bayreuth zum
Katalysator der Ichsuche werden. Wir werden gleich noch einmal darauf zurückkommen
nur soviel an dieser Stelle: Wagner hatte in seinen theoretischen Schriften die Subjektivierung der Kunstproduktion angekündigt; in seinem Publikum sah er mitnichten die
anonymisierte Masse, sondern eine mündige Gemeinschaft, innerhalb derer in letzter
Konsequenz jedem Einzelnen ein Erkenntnisauftrag zukam. Die Dunkelheit ist bei ihm
der Umschlagplatz, an dem die individuelle Traumfähigkeit des namenlosen Subjekts in
Anschlag gebracht werden konnte. 155 Mehr noch, erst die Verdunklung trieb jene Atmosphäre hervor, durch die sich das Musikdrama als Traumprodukt vieler Träumer realisieren
ließ. "Das Erlebnis 'Wagner' [...] wirkt nicht rein als Kunst, es wirkt persönlich"156, im
Grunde meint das: Das Erlebnis 'Wagner' wirkt persönlich, und erst deshalb kann das
Kunstwerk entstehen.
Mag der Subjektivismus in bezug auf den Verdunklungseffekt in Bayreuth also auch
gelegentlich unergiebig oder sogar zügellos (gewesen) sein, man sollte ihm nicht spotten.
In Anlehnung an Wagners ästhetische Grundsätze entfremdet nämlich nur das objektive
und von außen kommende Urteil den Rezipienten von jenem Kunsttraum, dessen
Koproduzent er bei genauem Hinsehen sein durfte. Es geht um das, was Wagner in Oper
und Drama das "Gefühlsverständnis"157 genannt hat. Das "verhängnißvolle Warum?"158
151 [Hanslick, 1885], S. 228
152 [Pohl, 1883b], S. 268
153 [Lindau, 1877], S. 9
154 [Baumann, 1988], S. 129
155 Es sei hier auf Phänomen und Terminus der 'Bürgerlichen Dämmerung' verwiesen, die die Meteorologie
als jenen Tagesabschnitt bezeichnet, in dem das Lesen der Zeitung im Freien noch möglich ist!
156 [Huch, 1911], S. 214f.
157 Oper und Drama. [Wagner, 1872f], S. 276
209
sollte aufgegeben, die 'Erkenntnis durch Wissen' weiterentwickelt werden zu einer 'Erkenntnis durch Glauben'.
Insofern dürfte die Tatsache, daß das 'Bayreuther Dunkel' von Anfang an als variables
Licht wahrgenommen und diskutiert worden ist, ein Zeugnis der traumgleichen, "mitwirksame[n] Einbildungskraft"159 und "imaginative[n] Beweglichkeit"160 sein, die nötig
war, um sich überhaupt auf den Traum von der Kunst einzulassen. Wagner ist nachweislich nicht der Erfinder des regulierbaren Saallichts gewesen – dies soll bereits im 17. Jahrhundert in der italienischen Oper existiert haben. Doch daß es bei ihm einer theatergeschichtlichen Zäsur gleichkam, mag belegen, daß die Dunkelheit hier das erste Mal
dramaturgisch eingebunden und die Zuschauer mit sich selbst konfrontiert waren. Selbst
deren Irritationen könnte man bereits ein Signum der Imagination nennen. Und je intensiver die Bayreuther Nacht schließlich erlebt und je buchstäblicher ihr Farbwert bestimmt
wurde, desto klarer läßt sich die Bereitschaft zum Traumbild erkennen, welches gemäß
der Beethoven-Schrift als Katalysator der Kunst fungiert. Ob 'mondhell' oder 'stockdunkel',
es war und es ist geradewegs immer so dunkel in Bayreuth, wie die "selbstschöpferische[...]
Freiwilligkeit"161 des einzelnen Träumers es erfordert. Notabene: Diejenigen sahen am
wenigsten, die Wagner Willkür vorwarfen; die jedoch, die sich eher zu Wagners Bewunderern zählten oder die zumindest den Freiheitsanspruch der Kunst billigen konnten, gingen von einer transparenten Nacht aus. Daß ein Routinier wie Glasenapp eine seiner frühen Bemerkungen über "die Dunkelheit" des Zuschauerraums ersetzte durch das Postulat,
in Bayreuth habe es sich doch um ein "Halbdunkel"162 gehandelt, und daß auch Lindau
die "völlige Dunkelheit" zugunsten eines "graulichen [das meint: aschgrauen] Zwielicht[s]"163 korrigiert wissen wollte, mag darauf hinweisen, daß der Wandel in der Wahrnehmung der Lichtwerte zusammenfällt mit einer Genese der Imaginationsbereitschaft. 164
<Physik als Metaphysik? Anmerkungen zur Technifizierung der Nacht>
Eine Gegenfrage noch, es fiel das Wort 'Freiwilligkeit': Wie freiwillig aber kann ein Immersionsprozeß sein, der durch Simulation erzeugt wird? Die Nacht, nicht den Tag, nennt
man die Mutter der Träume – im Sonnenlicht eines Hochsommermittages hätte weder die
Fackelverlöschung des Tristan noch die Regenbogenbrücke des Rheingold noch der im
'rosig dichten Duft' liegende Venusberg Tannhäusers noch Wotans Abschied auf den Plan
158 Zukunftsmusik. [Wagner, 1873k], S. 152
159 Über Schauspieler und Sänger. [Wagner, 1873i], S. 234
160 [Borchmeyer, 1982], S. 52
161 Mittheilung an meine Freunde. [Wagner, 1872d], S. 302
162 Zitiert in: [Baumann, 1980], S. 18
163 [Lindau, 1877], S. 28
164 Es ist in der Forschung gelegentlich zu kurz gekommen, aber bereits für den Parsifal hatte Wagner daran
gedacht, mehrere Abstufungen des Sallichtes parallel zur Handlung einstellen zu lassen (sic)! Cosima hat festgehalten, "welche Erfindung er gemacht hätte, nach dem Erglühen des Blutes würde er den Vorhang schließen, dunkel im Zuschauerraum werden lassen und die Musik also bis zum Schluß spielen." TB vom 22. 12.
1881. [Wagner, 1977], S. 855. Der Gedanke wurde später auf den ersten und zweiten Auszug ausgedehnt,
Einzelheiten dazu sind in Julius Knieses Klavierauszug zu finden, es geht um Zwischenwerte wie "Dämmer",
"ganz allmälig dunkler", "Hell Tag", "Volle Nacht im Zuschauerraum" und dergleichen mehr. Zitiert in:
[Baumann, 1980], S. 261
210
gerufen werden können. Selbst Brünnhildes Erweckung wäre strukturell entstellt, würde
sie nicht als Transsubstantiation gezeigt, durch die das Licht aus der Nacht emaniert. Sollte
Bayreuth also wirklich zur Projektionsfläche von 'Wahrtraum-Gestalten' werden, so war
die Dunkelheit für Wagners Programm eine Conditio sine qua non, ohne die die Heranbildung der Träume gar nicht kultivierbar gewesen wäre. Dramaturgie war gerade hier unerläßlich. Und doch: Gerade hier ist sie Wagner vorgeworfen worden. Die Idee des gestaltenden Lichts erschien vielen doppelbödig. Was unterstellte man ihm? Man unterstellte
ihm Maschinenästhetik.
Eine Nacht, durch Gaszähler hervorgebracht, so hieß es, könne keineswegs echt sein,
schon gar nicht mythisch. Das Effektmaterial, das eine Beleuchterloge produziere, habe
nichts und wieder nichts mit dem Sternenzelt zu tun. Wer sich physikalischer Schaltkreise
bedienen müsse, um Metaphysisches freizusetzen, dessen Utopien wären ab ovo verdächtig. Vor allem setze die Erregung der Träume den Zwang zum Schlaf voraus, und das
erinnere nun einmal – man vergleiche es nur mit Brünnhildes Schicksal – eher an eine
Strafe als an eine Erlösung: "Hierher auf den Berg/ banne ich dich;/ in wehrlosen Schlaf/
schließe ich dich". 165 Ohne den Widersinn zu problematisieren, der sich auch schon hinter dem Vorwurf der Hypnose und der Auffassung verborgen hatte, daß physische und
psychische Ruhestellungen ohne Einwilligung der Probanden insinuierbar seien, erzeugte
das künstliche 'Bayreuther Dunkel' Beklemmungen. 166 Man fürchtete sich vor der eigenen
Duldungsstarre. Wagners Dramaturgie sei am Ende Propaganda, propagierte man, die das
Individuelle nur totalitär gestatte. Die Beleuchtungstechnik im Festspielhaus wurde zum
Kristallisationspunkt für all jene Protestgebärden, die einen Widerspruch dahinter
vermuteten, daß sich die Aufklärung bei Wagner im Dunkeln vollzog.
Gewiß, es ist verbürgt, daß die Grals-Lämpchen für die Uraufführung des Parsifal von
Siemens geliefert wurden. Das Sinnliche und das Sachliche scheinen hier in einer Weise
aufeinanderzutreffen, daß man nicht mehr nur von Kalkül, Kostenplan und Hybridbildung
sprechen möchte, sondern von einer Monstrosität. Die Diskrepanz zwischen Sein und
Schein, Schlummer und Schaltbrett wird sich für Wagners Festspieldramaturgie nicht ausräumen lassen, ebensowenig wie sie sich für die blaue Grotte von Capri, die König
Ludwig II. im Garten von Linderhof re-installiert hatte, ausräumen läßt. Doch nun zur
Gegenfrage der Gegenfrage: Muß sie das überhaupt? Ist die Einheit von Ideologie und
Maschinerie in sich schon verwerflich?
Für Ludwig mag es noch eine Ersatzhandlung gewesen sein, für Wagner war es Abbild
und Urbild in einem – das Theater. Denn nur hier konnte er enthüllen, daß sich die
Wahrheit allein im Schein kenntlich hält. Die Traumbilder, die sich aus dem 'Bayreuther
Dunkel' ableiten sollten, sind folglich kein Grenzfall dessen, was glaubwürdig ist, sondern
ein Musterfall dessen, was die Bühne als Institution nach Wagner überhaupt (noch)
vermochte. Kultur hat Natur nötig. Natur aber auch Kultur. Die romantische Brechung
ist eine geistesgeschichtliche Zäsur, die zu kaschieren oder gar aufzuheben unmöglich
165 Walküre, 3, 2. [Wagner, 1997b], S. 94
166 Vgl. mit dem Abschnitt <Schlaf versus Hypnose> in Kap. II.3
211
ist.167 "Man entgeht nicht der Technik, indem man die Physik verlernt"168, schrieb Max
Bense. Insofern ist gerade das 'Festspielhaus der Zukunft' der Ort, an dem sich zeigt, daß
theatrale Bildideen und technomorphe Bildfindungen sich gar nicht ohne einander denken
lassen. Vom "»mystischen Abgrund«"169 hatte Wagner in bezug auf seinen Bayreuther
Orchestergraben gesprochen, dasselbe Objekt bezeichnete er im selben Aufsatz aber auch
als "technischen Herd".170 Das sind Synonymbildungen, wiewohl das eine zunächst rein
theatral, das andere rein fabrikatorisch erscheint. Doch das Technische und das Theatrale
changieren und irisieren. Um es mit dem Vokabular der Beleuchtungstechnik zu sagen:
Die Farben sind hier höchstens so klar auseinanderzuhalten wie die Kolorite in einer
Perlmuttmuschel. Und doch würde niemand bestreiten wollen, daß der farbliche Reiz
einer solchen Muschel eben gerade in ihrer Uneindeutigkeit liegt. 171
'Theater' und 'Technik' mögen also zwei ungleiche Schwestern sein, aber Verwandte
bleiben sie doch. Ist die Geschichte der Bühnentechnik im Zusammenhang mit der Bayreuther Inszenierungsgeschichte bislang auch kaum erforscht, so müßte gerade Wagners
Licht- und Effekttechnik als Bestandteil der Werkaussage interpretiert werden:
Richard Wagners Verhältnis zur Technik im allgemeinen und zu jener Bühnentechnik, die seinen Intentionen von einem Gesamtkunstwerk erst zum Leben verhelfen konnte, ergab künstlerische, dramaturgische und bühnenpraktische Differenzierungen. 172
Friedrich Kittler hat darauf hingewiesen, daß selbst die 'unendliche Melodie' und das mit
ihr zusammenhängende "Auf- und Abblenden szenischer Halluzinationen" bloß deshalb
ausagiert werden konnte, weil Bayreuth schon "eine neue, technische Sonne"173 zur Verfügung gestanden habe. Eduard Hanslick: "Vor Erfindung des elektrischen Lichts konnten
Wagner's Nibelungen ebensowenig componirt werden, als ohne die Harfe oder Baßtuba."174 Erwin Falkenberg faßt den Sachverhalt folgendermaßen zusammen:
Jede werktreue Bühnendarstellung [...] hat bei Wagner [...] die metaphysisch-ästhetische
Eingangsidee des Lichtes in die szenische zu übersetzen, wo sie uns gefaßt als das, was wir
Beleuchtung nennen, entgegentritt.175
Wer demnach die Dunkelheit von der Verdunklung trennen möchte, der fordert, daß die
Realität des Theaters ohne Realisierung auskommen müsse. Wagner hingegen meinte:
"»Die Motte fliegt in das Licht, weil die Natur unvorhersichtig ist; nun käme es für die
167 Es sei erinnert an die Formulierung Nietzsches: Wagner "ist" Romantik. Zitiert in: [Nietzsche-Förster,
1915], S. 180
168 [Bense, 1946], S. 48
169 Das Bühnenfestspielhaus zu Bayreuth. [Wagner, 1873d], S. 402
170 Ebd., S. 401
171 Die Gedanken zu dem Themenkomplex 'Theater und Technik' habe ich kürzlich ausgeführt in [Dombois,
2006], und zwar auch dort anhand einiger Wagner-Passagen.
172 [Baumann, 1980], S. 8
173 [Kittler, 1989], S. 1
174 [Hanslick, 1885], S. 249
175 [Falkenberg, 1939], S. 7
212
Menschheit darauf an, dieses künstliche Licht auszulöschen«". 176 Der Einzug des Saallichts
im Bayreuther Zuschauerraum war der Deus ex machina, durch den das Moment der
Katharsis gleich an den Anfang des Dramas gerückt werden konnte, um dieses zu generieren. Das 'Bayreuther Dunkel' sollte die Kluft zwischen Glauben und Wissen überbrücken.
Hebbel hätte es so gesagt: "Im Schlaf: Identität zwischen Vorstellen und Sein."177 Wagners
dramaturgische Maximen sahen für die Zuschauer nicht den traumlosen Fafner-, sondern
den traumlösenden Erda-Schlaf vor.
<Die Nacht als Schlafenszeit: Vom Wegschauen>
"Mein Schlaf ist Träumen,/ mein Träumen Sinnen,/ mein Sinnen Walten des Wissens."178 Genau wie Erda sollte das Publikum im Dunkeln hellsehen, das Imaginäre freisetzen, inmitten einer medialen Tektonik nagelfeste Gewißheiten zirkulieren können – in
Bayreuth ist selbst "der Zuschauer anschauenswerth, es ist kein Zweifel."179 Schauen wir
also hin, und zwar genau! Der Auftritt dieses Publikums ist zu Recht ein "Grundschema
des Wagnerschen Denkens"180 genannt worden, tatsächlich scheint sich Wagners Hang
zur Verdichtung und wohl auch zum Rebus hier am deutlichsten zu zeigen und am
schwierigsten auflösen zu lassen. "[W]enn wir über die von Wagner angestrebte Haltung
seines Publikums ins Reine zu kommen suchen", sagte Joachim Herz einmal, so gibt es
"heute Nüsse zu knacken". 181 Das Problem liegt nicht in Wagners dialektischem Strukturgesetz, sondern in der Konsequenz, mit der er Gegensätzliches auf einen Punkt zu verengen
suchte.
Die Nacht gilt als Schlafenszeit. Nimmt man das 'Bayreuther Dunkel' als Repräsentanten dieser Nacht wie auch die "intime Theilnahme"182 des Einzelnen daran ernst, so wäre
es nur rabulistisch, würde man nicht einräumen, daß der Schlaf Mittel und Zweck in
einem ist. Hatte noch Mozart die Vorstellung, daß die Oper eine Kunstform sei, 'dabey
man nicht schlafen dürfe und sollte man die ganze Nacht durch nichts geschlafen haben',
so erwartete Wagner "väterlich"183 (also mit einem Anteil Unnachgiebigkeit) die umgekehrte Leistungsbereitschaft. Nicht nur die Kunstproduktion, sondern vor allem die
Kunstrezeption müsse am Ende einem "Traumlebe[n]"184 gleichen. Erst wenn die "selige"185, "ideale"186, "erlösende[...] Traum-Welt reinster Erkenntniß"187, die "Weihe der
Weltentrückung"188, die "Sphäre der Wunderträume"189, die "Wahrträume[...] des nie
176 Zitiert in: [Glasenapp, 1911], S. 358
177 [Hebbel, 1966], S. 445
178 Siegfried, 3, 1. [Wagner, 1998b], S. 95
179 Richard Wagner in Bayreuth. [Nietzsche, 1988n], S. 432
180 [Kunze, 1983], S. 133
181 [Fricke, 1906], S. I (des Reprogr. Nachdrucks)
182 Zukunftsmusik. [Wagner, 1873k], S. 151
183 Zitiert in: [Baumann, 1980], S. 259
184 Einblick in das Opernwesen. [Wagner, 1873f], S. 340
185 Über die Bestimmung der Oper. [Wagner, 1873h], S. 168
186 Das Bühnenfestspielhaus zu Bayreuth. [Wagner, 1873d], S. 389
187 Religion und Kunst. [Wagner, 1883d], S. 320
188 Das Bühnenweihfestspiel in Bayreuth. [Wagner, 1883], S. 395
213
Erlebten"190 erreicht wären, ja wenn "alle Erscheinungsformen der Welt uns wie im
ahnungsvollen Traum zerfließen"191 und "ein dämmerndes Wähnen"192 unsere Wirklichkeitserfahrung bestimme, entstünde ein legitimer Kunstanspruch. Retardation also – Einholen des Atems – osmotischer Druck nach Innen. Der Appell scheint eindeutig, wenn
auch nicht unbedingt logisch in bezug auf die Umstände. Doch Wagner ging es nicht um
Logizität, schon gar nicht um Naturalismus. Realiter schien ihm "der Geist der Somnolenz"
jedes "künstlerische[...] Wahrgefühl"193 zu beleidigen. "Schläfrigkeit"194 und ein "ermüdete[s] Hirn" machten nichts als "zerstreuungssüchtig"195 und seien in keinem Fall das Rechte für einen Festspielzuschauer. Nichts schien ihm demoralisierender als ein "gähnende[s]
Publikum".196 Der Applaus dürfe nicht die einzige "Schicklichkeitsbezeichnung der Uneingeschlafenheit"197 sein, hatte er bei Gelegenheit notiert, und die "Einschläferung [des]
Volksgeistes"198 galt ihm schon längst als eine für das Theaterwesen hochgefährliche Stimmung. Er meinte natürlich das Gegenteil der "Lethargie"199 – Aktionismus, Bildertreiben,
"höchste Anregung"200, im Schlafen nur das Wache: Die "Theilname des Publikums [...]
muß eine thätige, energische, – nicht schlaffe [...] sein".201 Er wollte das Gegenteil des
Gegenteils. Der "Zustand von Entrücktheit"202 ging für ihn nahtlos über in den "Zustand
von Ekstase"203, wiewohl dies vorderhand nicht dasselbe ist. Borchmeyer hat sich gerettet,
indem er dafür die Wendung "andersartige[...] Wahrnehmungsgesetze"204 erfand. Wagner
selbst konnte es am Ende bloß wie folgt beschreiben: "Das Wesen der dramatischen Kunst
zeigt sich [...] als ein völlig irrationales; es ist nicht zu fassen, als vermöge einer völligen
Umwendung der Natur des Betrachters"205 (vgl. Abb. 55). Allein durch vernunftbegabte
Vernunftlosigkeit könne dem Publikum noch zum "wohlthätigen Gefühle [...] eines bisher
ungekannten Auffassungsvermögens"206 verholfen werden. "Rettung ins Ungenaue"207, so
nannte Ulrich Schreiber dies Vorgehen vor kurzem. Nike Wagner: "[E]in 'klarer Fall'
189 Über das Schauspielerwesen. [Wagner, 1873c], S. 310
190 Einblick in das Opernwesen. [Wagner, 1873f], S. 339
191 Religion und Kunst. [Wagner, 1883d], S. 319
192 Einblick in das Opernwesen. [Wagner, 1873f], S. 339
193 Ebd., S. 332
194 Ebd., S. 331
195 Vorwort zur Herausgabe der Dichtung 'Der Ring des Nibelungen'. [Wagner, 1872g], S. 389
196 Organisation eines deutschen National-Theaters. [Wagner, 1871b], S. 345
197 Einblick in das Opernwesen. [Wagner, 1873f], S. 331. Übrigens macht [Glasenapp, 1912], S. 37 aus der
"Schicklichkeitsbezeichnung" eine "Schicklichkeitsbezeigung" – es ist ein gutes Beispiel für die zahllosen
Verschlimmbesserungen, die er in seiner Wagner-Biographie vorgenommen hat und die leider bis heute
kursieren.
198 Deutsche Kunst und Deutsche Politik. [Wagner, 1873e], S. 68
199 Über das Dichten und Komponiren. [Wagner, 1883f], S. 198
200 Zukunftsmusik. [Wagner, 1873k], S. 152
201 Organisation eines deutschen National-Theaters. [Wagner, 1871b], S. 328
202 Über Schauspieler und Sänger. [Wagner, 1873i], S. 197
203 Zukunftsmusik. [Wagner, 1873k], S. 152
204 [Borchmeyer, 1982], S. 108
205 Über die Bestimmung der Oper. [Wagner, 1873h], S. 172
206 Vorwort zur Herausgabe der Dichtung 'Der Ring des Nibelungen'. [Wagner, 1872g], S. 389
207 [Schreiber, 2002], S. 513
214
[wäre] künstlerisch unergiebig"208 gewesen. Doch daß es hier nicht um Spiegelfechtereien,
sondern um seriöse Komplikationen ging, mittels derer eine elaborierte Daseinsform in
Kraft gesetzt werden sollte, mag sich daran zeigen, daß Wagner nicht ausschließlich für
seine Künstler, sondern auch für seine Zuschauer eine Erziehungsanstalt geplant hatte.209
Geplant, aber nicht eröffnet. Das Projekt kam nicht zustande, und das hatte nicht nur
etwas mit einer allzu schwerfälligen Organisation zu tun. Wagners Ansprüche dürften in
sich unvermittelbar gewesen sein, insofern sie ja auf der Idee des Selbststudiums fußten. 210
Ohnehin ist jede theoretische Maßgabe ein Freibrief, und Freibriefe lassen sich vor
Schwarmgeisterei oder Trivialisierung nicht bewahren. Selbst Wilhelm Marr, der nachweislich zu Wagners Adepten gehörte, gestand nach Ablauf der ersten Festspiele: "Hand
auf's Herz! – hatten wir Alle in Bayreuth die nothwendige Sammlung, Muße und Stimmung, um wirklich zu prüfen? - Nein."211 Zu kompakt war Wagners Verhaltenskodex, zu
enigmatisch die Novitäten, die mit Strapazen verwechselt wurden. Paul Lindau:
Alles [...] ist in der Theorie gewiß sehr geistvoll und berechtigt und in der pedantischen
Durchführung zum Mindesten ein interessanter Versuch. [...] Einstweilen aber wirken diese
Neuerungen noch befremdend und zerstreuend, und die von Wagner beabsichtigte Wirkung:
den Theilnehmern an dem Bühnenfestspiel schon jetzt die Wohlthaten dieser Reform zu gönnen, wird voraussichtlich nicht ganz erzielt werden.212
Die Theorie wurde demnach porös, mußte vielleicht auch porös werden, sobald sie sich
an der Realität abrieb (vgl. Abb. 56).
Doch Wagners "Wille[...] zur zauberischen Illusion"213 blieb – natürlich – ungebrochen. Zu fragen wäre deshalb nur, auf welche Art und Weise seinen Direktiven doch
noch auf die Spur zu kommen ist, wenn weder das Studium seiner theoretischen Schriften
noch das der zeitgenössischen Berichte zu verbindlichen Aussagen führt. Nun, vielleicht ist
von allen 'anschauenswerthen' Zuschauern Wagner selbst der anschauenswerteste! Viel ist
bislang über das Bayreuther Publikum spekuliert und publiziert worden, zu wenig jedoch
darüber, daß auch Wagner ein Konsument seiner Opern war und nicht nur deren
Produzent. Dabei schaute er mit aller Sicherheit so, wie zu schauen nötig war. Er war sich
selbst ein Intimus, in bezug auf sein Werk so schmiegsam wie sein Werk in bezug auf ihn.
Der Mann, der die Träume entwarf, träumte sie auch. Zwar spottete er, "dann und wann
208 [Wagner, 1998a], S. 28
209 Siehe: Bericht über eine deutsche Musikschule. [Wagner, 1873b], S. 193f.
210 Ein Erzieher war Wagner auch kompositionstechnisch nicht. Es ist bemerkenswert, aber weder hat er
selbst eine Schule begründet noch Schüler ausgebildet, sieht man ab von der Handvoll Dirigenten und den
Gefolgsleuten seiner 'Nibelungen-Kanzlei', die sich seinem Werk zu seinen Lebenszeiten verschrieben hatten.
Man muß es wohl so sagen: Der einflußreichste Komponist des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts ist eine
singuläre Erscheinung geblieben.
211 [Marr, 1876], S. 622
212 [Lindau, 1877], S. 9f.
213 [Friedell, 1932], S. 370
215
[sei auch er] in ein kleines Theater [gegangen], um guten Schlaf zu gewinnen". 214 Doch
der "clairvoyante[...] Zustand"215 war und blieb für ihn identifikatorisch:
Sehen Sie, [...] genau so geht mir's! Meine inneren Lebensträume kann ich auch nur in der
Sprache unserer Kunst – wie gleichnisweise – mitteilen; gerade aber wie der Somnambule zu
seinen Aussagen verhalte ich mich zur Kunst: [...] Ganz bestimmt fühle ich [...], daß meine
Kunst-Aussagen nicht der eigentliche Inhalt meines Lebenstraumes waren, wenn mir von
außen mit rechter Zuversicht diese Kunst als das Wirkliche und Reale meines Wesens gewissermaßen aufgedrungen wird. Wenn dies endlich so weit geht, daß ganz und gar nur noch die
formellen Eigenschaften meiner Kunst mir als jenes Wesentliche gegenübergehalten werden, so
sehe ich endlich bis zur vollsten Evidenz die Grimasse des tollen Mißverständisses ein [...]. 216
Der Blick nach innen, den Nietzsche am Tag der Grundsteinlegung des Festspielhauses an
ihm beobachtet hatte, war keine rhetorische Finte. Dieser Blick war selbst tief innerlich
und entspricht einem methodischen Zug des Wagnerschen Werks, das Räume eröffnet,
damit sie mit Visus gefüllt werden.217 Schauen wir also, was Wagner sah, als er sich selbst
zuschaute.
Erstes Fallbeispiel, Dresden, 20. Oktober 1842, Uraufführung Rienzi:
Ich befand mich mit Minna, meiner Schwester Klara und der Familie Heine in einer Parterreloge, und wenn ich mir meinen Zustand während dieses Abends zurückrufen will, kann ich
mir ihn nicht anders als mit allen Eigenschaften eines Traumes behaftet vergegenwärtigen.
Eigentliche Freude oder Ergriffenheit empfand ich gar nicht; meinem Werke fühlte ich mich
ganz fremd gegenüber; wogegen die dichtgefüllten Zuschauerräume mich wahrhaft ängstigten,
so daß ich nicht einen Blick auf die Masse des Publikums zu werfen vermochte und die Nähe
desselben nur wie ein elementarisches Ereignis – ungefähr wie einen anhaltenden Gewitterregen – empfand, gegen welches ich mich im verborgensten Winkel meiner Loge wie unter
einem Wetterdach schützte. Den Applaus bemerkte ich nie [...].218
Ein 'Zustand', dem des 'Traumes' vergleichbar, sagt Wagner, sei das Zuschauen – das
scheint zunächst weder neu noch sonderlich präzise. Doch interessanterweise beginnt er
hier auch von 'Eigenschaften' zu sprechen, vielleicht spürte er, welches Niveau an Klarheit
überhaupt erforderlich war, um die hermetische Unklarheit des Traumes erklärbar machen
zu können: Vereinzelung, somatische Apathie, Dispens vom eigenen Ich sowie eine
gewisse emotionale Aussteifung, das sind für ihn die Bedingungen, unter denen er
(immerhin) einen seiner größten Premieren-Erfolge erlebt hatte.
Zweites Fallbeispiel, München, Frühling 1865, Tristan-Proben, Hoftheater:
214 Brief Richard Wagners vom 21. 12. 1861 an Minna Wagner. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1908b], S. 240f.
Seltsamerweise schreibt Wagner in einem weiteren Brief an Minna eine Woche später genau dasselbe noch
einmal: "Manchmal bin ich auch in die kleinen Theater gegangen, um mir guten Schlaf zu verschaffen." Brief
Richard Wagners vom 28. 12. 1861 an Minna Wagner. Ebd., S. 244
215 Brief Richard Wagners vom Dez. 1857 an Marie von Sayn-Wittgenstein. [<Wagner, Richard - Briefe>, 2000],
S. 95
216 Ebd., S. 94f.
217 Friedrich Kittler hat ähnliches für das Motiv des Hineinhorchens untersucht und nannte das Phänomen
"akustische[...] Halluzination". [Kittler, 1987], S. 99
218 Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 244. ('Minna', 'Klara' und 'Heine' im Original hervorgehoben.)
216
Nachdem ich während [...] des ersten und zweiten Aktes stets wie mit dem Ohr, so mit dem
Auge auf das Gespannte an meinen Darstellern gehaftet hatte, wendete ich mit dem Beginne
des dritten Aktes [...] mich unwillkürlich gänzlich ab, um auf meinem Stuhle mit halbgeschlossenen Augen bewegungslos mich in mich zu versenken. In der ersten Theaterprobe
schien Schnorr [von Carolsfeld] die ungewohnte Andauer meiner scheinbaren vollständigen
Theilnahmslosigkeit, da ich mich im Verlauf der ganzen ungeheuren Scene, selbst bei den
heftigsten Accenten des Sängers nie nach ihm wendete, ja nur überhaupt mich regte, innerlich
befangen gemacht zu haben, denn als ich endlich [...] mich erhob [...], da [...] sprachen wir
über diesen dritten Akt [nie] mehr ein ernstes Wort. 219
Wieder dieselbe Entrückung, wieder die Indolenz gegenüber äußeren Einflüssen, dazu ein
beredtes Schweigen. Phänomenologisch gleicht diese Art der 'Versenkung' der auratischen
Gestimmheit, durch die Wagner schon öfter zuvor hindurchgegangen war (La Spezia!),
um ein Werk zu erzeugen, das reziprok auf dieselbe Gestimmheit angewiesen ist, um real
werden zu können. Doch mehr noch, seine Beschreibung ist hier erfrischend konkret:
Jene Anteilnahme, die erst durch 'Theilnahmslosigkeit' hervorgebracht werden kann, vermittelte sich zum einen über 'halbgeschlossene Augen', zum anderen über eine physische
Erstarrung, und die Doppeleinheit dieser Topoi ist nun wieder programmatisch für
Bayreuth und führt ins Zentrum dessen zurück, um was es uns geht. Es ist ein Traum,
aber kein tiefer. Es ist ein Wachen, aber kein vernehmliches. Es ist ein Halbschlafmoment
– und als solches möglicherweise "der einzige Weg zur Kundgebung dieser Empfängniß
an den Laien".220
Planvolle Erblindung auf der einen Seite, die 'fesselnden Bande' des Schlafs auf der
anderen: Konnte Wagner den gordischen Knoten, den er selbst geknüpft hatte, letztlich
auch nicht lösen, die 'Wahrträume' des einzelnen Zuschauers nicht selber träumen, so
scheint es, als habe er für Bayreuth doch zwei Handlungsrequisiten vorgesehen, die die
Erzeugung seiner Gegenwelt generieren halfen. Die Motive sind mächtig, für die Festspieldramaturgie sind sie zentral, im folgenden darum eine Materialzusammenstellung.
Zur Augenmetaphorik: Das "unsichtbare Theater"221 war in der Tat weder eine Aporie
noch eine Schildbürgerei. Wagners Überlegungen in diesem Punkt verbanden Sinnbildliches und Affekthaftes. Apophantisch hatte er die "Neutralisation des Sehens"222, die "Depotenzirung des nur für die reale Erscheinung geübten Sehvermögens"223 sowie die
"gänzliche Ablenkung des Gesichtes von der Wahrnehmung jeder [...] Realität"224 gefordert. Der Lichteinzug im Zuschauerraum fabrizierte und sekundierte seine ästhetischen
Absichten, deren Scheitelpunkt stellte der Gedanke dar, daß derjenige, der wirklich
träumen will, auch die Augen verschließen muß. Ein Zufall dürfte es von daher nicht
gewesen sein, daß sogar die Lampen im Bayreuther Zuschauerraum einmal als "schläferige
219 BB vom 3. 5. [1868]. [Wagner, 1988b], S. 166
220 Staat und Religion. [Wagner, 1873j], S. 30
221 TB vom 23. 9. 1878. [Wagner, 1977], S. 181
222 Das Bühnenfestspielhaus zu Bayreuth. [Wagner, 1873d], S. 400
223 Über das Dichten und Komponiren. [Wagner, 1883f], S. 192
224 Das Bühnenfestspielhaus zu Bayreuth. [Wagner, 1873d], S. 400
217
Augen"225 bezeichnet worden sind, wie Baumann überliefert. In der Beethoven-Schrift hatte Wagner es theoretisch angekündigt: "[V]erstehen, ohne [...] zu sehen"226 sei die einzig
gültige Form des Erkennens. Als Nietzsche dann zum Tristan nach Bayreuth kommen
wollte, riet er diesem sofort, die Brille abzunehmen und sich auf nichts zu verlassen, was
man nur sehen könne. Der Tristan bietet dem Auge "fast gar nichts".227 Zu Malwida von
Meysenbug soll er 1876 gesagt haben (und zwar indem er ihr die Hände vor das Opernglas
legte): "»Sehen Sie nicht zu viel hin! Hören Sie zu!«"228 Selbst das wachsame Auge
Bernard Shaws fand das "listen without looking"229 in Bayreuth adäquater. Romain
Rolland: "[D]ie beste Art einer Wagner-Vorstellung zu folgen ist, sie mit geschlossenen
Augen zu hören"230 Nietzsche: "[W]o einmal die dionysische Gewalt der Musik in den
Zuhörer einschlägt, umflort sich das Auge". 231 Freilich, an dieser Stelle ist auch ein Anteil
Spott unüberhörbar, auf jeden Fall der Spott Nietzsches, vielleicht auch der Shaws. Dahinter mag sich der Gassenhauer verbergen, daß Bayreuth allein deshalb dazu nötigte wegzuschauen, weil die optische Umsetzung der Musikdramen nachhaltig mißlungen war.
Ernstzunehmende Anlässe, die "Augen zuzumachen"232 muß es tatsächlich einige gegeben
haben, Wagner selbst hat daran keine Zweifel gelassen ("Wenn ich nur so einen Kerl mit
geflügeltem Helm sehe, wird mir übel."233) Doch im Grunde ist das nur eine Verlängerung jener 'Realität', die es ihm zufolge ohnehin hinter sich zu lassen galt: "[B]ei mir
[würde] am Ende doch noch zu wenig zu sehen sein".234 Denn "wem die Götter nicht
den Schein, sondern das Wesen der Welt sehen lassen wollten, dem schlossen sie die
Augen".235 Nur der "amüsementbedürftige Journal-Cavalier sitzt da; seine Sehkraft bleibt
eine ganz reale: er gewahrt nichts, gar nichts, während uns die Zeit der Entrücktheit aus
allem Dem, was Jener einzig sieht, zu kurz, zu flüchtig war."236
"So sehr aber Wagner großartiger Visionär sei, [...] so wenig sei er doch eigentlicher
Augenmensch"237 gewesen, hat Emil Preetorius resümiert; er scheint die Bestandteile des
bekannten, urromantischen Widerspruchs damit für Wagner sehr schön voneinander sondiert zu haben, ohne sie doch auseinanderzureißen. Doch wie steht es dann mit folgender
Aussage? Sie transportiert auch etwas Prototypisches, stammt von Hans von Wolzogen
und dessen Zeitzeugenschaft sollte man ebensowenig unterschätzen: "Und wie war doch
gerade bei Wagner Alles Auge, Alles Sehen, Alles-Schau! [...] »Habt ihr Augen! Habt ihr
Augen?« [...] ruft er fragend und klagend noch in seinem letzten Aufsatze vom 31. Januar
225 Zitiert in: [Baumann, 1980], S. 261
226 Beethoven. [Wagner, 1873a], S. 95
227 Über die Benennung 'Musikdrama'. [Wagner, 1873g], S. 365
228 Zitiert in: [Rolland, 1925], S. 87
229 [Shaw, 1932], S. 155
230 [Rolland, 1925], S. 87
231 Nachgelassene Fragmente. [Nietzsche, 1988j], S. 188
232 [Gebhardt/ Zingerle, 1998], S. 171
233 TB vom 6. 9. 1880. [Wagner, 1977], S. 594
234 Über die Benennung 'Musikdrama'. [Wagner, 1873g], S. 364
235 Über das Dichten und Komponiren. [Wagner, 1883f], S. 189
236 Ebd., S. 195
237 [Preetorius, 1933], S. 347
218
[1883]".238 – Es ist natürlich eine Wiederholungsfigur. Und zwar die Wiederholungsfigur
jener flottierenden Idee des 'Gegenteils vom Gegenteil', die für Wagner struktur- und
persönlichkeitsbildend war. Nein, es ist keine "Naturwidrigkeit", daß das Theater Wagners
sich "ausschließlich an den inneren Menschen" wendet, sich aber gleichwohl an "dem
leiblichen Auge sichtbar abarbeiten"239 mußte. Denn: "Wir reden zu viel, – selbst auch
hören zu viel, und – sehen zu wenig"240, das bezieht sich selbstverständlich nicht mehr auf
die sichtbare Welt. Auf "Sehkraft" beruft sich zwar der "menschliche[...] Lebensblick"241,
auf "Sichtbarkeit" die "ersichtlich gewordene[n] Thaten der Musik".242 Aber das Sehen
meint bei Wagner in letzter Instanz immer das Wegsehen. Sehen im Schlaf oder Sehen im
Traum. Sehen als Wiedererkennen des Unsichtbaren, eine Parallele zur "Übertragung des
Unaussprechlichen". 243 Nietzsche trifft es am besten, wenn er in der Geburt der Tragödie
schreibt, daß die "Sehkraft [...] nicht nur eine Flächenkraft sei".244 Die Erregung des
Gesichtssinns liegt bei Wagner nicht in der Möglichkeit, die Welt zu erkennen, sondern
darin, diese zu durchschauen. So sehr das Äußere den Blick auch anziehen mag, dieser
selbst stößt sich am Widerstand der sichtbaren Welt ab, um – aus dem Inneren kommend
– ins Innere zurückzukehren. Das ist der "hellsehend machende[...] Zauber"245 Bayreuths.
Das dramaturgische Fundament des Bayreuther Zuschauerraums ist oft geschmäht worden,
kaum seltener wurde Wagner der Suggestion verdächtigt, weil dieser Raum "für nichts
Anderes berechnet ist, als darin zu schauen". 246 Vielleicht konnte dies nur geschehen, weil
die Ergänzung: "zu schauen, und zwar dort hin, wohin seine [des Zuschauers] Stelle ihn
weist"247 für gewöhnlich unterschlagen wird.
Stichwort 'seine Stelle': Kommen wir zum zweiten Topos, dem der Erstarrung, der das
lokal begrenzte Prinzip der 'Erblindung' auf eine größere Zirkumferenz überträgt. Regungslosigkeit, Aussteifung, Gestenarmut, motorische Insuffizienz (Applausverbot!) – man
könnte sagen, Wagners Dramaturgie habe für den Zuschauer in Bayreuth eine Art äußere
Gelatinierung vorgesehen, die zum Impuls innerer Dynamik werden sollte. "[B]ewegungslos", so hatte er es formuliert, habe er selbst im Münchener Theater auf seinem "Stuhle"
gesessen, um sich in sich "zu versenken". 248 Es ging um eine Form konzentrierter Hingabe, die Körperlichkeit nicht als Supremat von Leidenschaften begriff. "Nach einer Aufführung des König Lear durch Ludwig Devrient", erinnerte er sich in seiner Schrift Über
Schauspieler und Sänger, sei
238 [Wolzogen, 1883], S. 5
239 [Kipke, 1889], S. 332
240 Entwürfe. Gedanken. Fragmente. [Wagner, 1885], S. 110
241 Mittheilung an meine Freunde. [Wagner, 1872d], S. 325
242 Über die Benennung 'Musikdrama'. [Wagner, 1873g], S. 364. (Im Original hervorgehoben.)
243 Staat und Religion. [Wagner, 1873j], S. 29
244 Geburt der Tragödie. [Nietzsche, 1988e], S. 140
245 Zukunftsmusik. [Wagner, 1873k], S. 162
246 Das Bühnenfestspielhaus zu Bayreuth. [Wagner, 1873d], S. 401
247 Ebd., S. 401f. (Hervorhebung von der Verf. J. D.)
248 BB vom 3. 5. [1868]. [Wagner, 1988b], S. 166
219
das Berliner Publikum nach dem Schlusse des letzten Aktes noch eine Zeit lang auf seine Plätze
festgebannt versammelt [geblieben], [...] kaum flüsternd, schweigend, fast regungslos, ungefähr
wie durch einen Zauber gebunden [...]. 249
Das kam für ihn einem ekstatischen Ereignis gleich, welches sich – als "höchste[s] Stadium
der Wirkung des Erhabenen"250 – nur mehr paradoxal vermitteln ließ: größtmögliche
Geistesgegenwart in der kleinstmöglichen Manege. Bayreuth verstand sich demzufolge als
Ort, der einen engen Rahmen nur deshalb vorgab, damit dieser gesprengt werden könne.
Romain Rolland beschrieb die dortige Situation so: "[M]an verfiel in einen Zustand
schmerzlicher und köstlicher Erstarrung". 251 Mark Twain:
This audience reminds me of nothing I have ever seen and of nothing I have read about except
the city in the aravian tale where all the inhabitants have been turned to brass and the traveler
finds them after centuries mute, motionless, and still retaining the attitudes which they last
knew in life. 252
Twain allerdings mag hier die Wirkung ohne ihre Ursache beurteilt haben. Im selben
Zusammenhang könnte man ebensogut an das Schicksal Brünnhildes denken. Auch sie ist
erstarrt, das Kontinuum ihres Lebens für Jahre unterbrochen (ihre Strafe dauert bekanntlich genau so lange, wie jener Knabe Lebensalter zählt, durch den sie erweckt wird). Auch
sie fällt mit dem Erwachen zunächst in die Vergangenheit zurück. Aber doch ist ihr Schlaf
das Signum einer Metamorphose. Erstarrung gilt in Wagners Koordinatensystem als Auslöser hochdynamischer Prozesse. Er, Wagner selbst, schilderte einmal den HalbschlafZustand, "da ist es, als ob ich von Glas wäre, nämlich ich habe das Bewußtsein von allen
Funktionen, welche in meinem Leibe vorgehen, welche sonst doch unbewußt geschehen
sollen."253 In einem ganz ähnlichen Sinn mußte auch sein Publikum zur Membran
werden, jeder einzelne Zuschauer von sich absehen, damit er träumend zu sich kommen
konnte. Man muß steinern sein, um gläsern werden zu können.
Und selbst diesem Hilfsmittel war schließlich noch einmal ein Hilfsmittel beigeordnet.
Ein Korrelat der asketischen Erstarrung in Bayreuth ist die Saalbestuhlung des Festspielhauses. Jene spartanischen, "unbequemen, harten Holzstühle"254, die nicht nur aus akustischen oder soziopolitischen Gründen bislang noch jede Renovierung des Bayreuther
Zuschauerraums überstanden haben255, gehören zu Wagners Festspieldramaturgie, wie
andernorts ein Königssessel zur Inthronisation gehört. Sicher, auf den ersten Blick wäre
eine Parketteinrichtung, die der Lounge ähnelt, wieder mehr dazu angetan, dem
249 Über Schauspieler und Sänger. [Wagner, 1873i], S. 194
250 Ebd.
251 [Rolland, 1925], S. 67
252 [Twain, 1923], S. 225. (Das Wort 'aravian' ist kein Setzfehler, sondern eine Transliteration des arabischen
Wortes für 'arabian'.)
253 TB vom 4. 2. 1879. [Wagner, 1977], S. 303
254 [Gebhardt/ Zingerle, 1998], S. 129
255 Um die "kultisch-ernste Atmosphäre auch in ihren äußeren Bedingungen aufrechtzuerhalten [...,] verzichtet [die Festspielleitung] auf eine Verbesserung des Komforts im Zuschauerraum des Festspielhauses ebenso wie
auf dessen modische Ausgestaltung." Ebd., S. 130
220
Publikum zur Somnolenz zu verhelfen als Stuhlbänke, die den Schlummer fast verhindern.
Aber es ging nicht um Verzärtelung und geht nicht um Abendfrieden, selbst die Pythia soll
auf einem einfachen Holzschemel gesessen haben. Wenn Bayreuth eine Werkstatt ist,
dann vor allen Dingen auch in bezug auf seine Zuschauer. Wie die Wala sollte jeder einzelne ein Sitzschläfer sein – träumend, sinnend, wissend; der (Halb-)Schlaf ist die Zeit der
Gewissenskontrolle. Oder ein Sitzschläfer wie Hagen: "Schläfst du, Hagen, mein
Sohn?"256 Ja, er schläft. Aber trotzdem sitzt er "zur Wacht". 257 Nicht der tiefe, erst der flache Schlaf, der dem Erwachen am nächsten ist, gibt die Träume frei. Insofern sah Wagners
Logistik für Bayreuth ein Bestuhlungssystem vor, das architektonisch sowohl als Voraussetzung wie auch als Entsprechung der 'Wahrträume' fungieren konnte. "Seine Weisheit
heisst: wachen, um gut zu schlafen."258
Was ist also das 'Anschauenswerthe' am anschauenswerten Zuschauer? Daß er wegschaut. Wohin? In sich hinein. Die Schleier reißen auf. "So wird denn das wirkliche Drama durch Nichts von Außen her mehr beeinflußt"259 In Bayreuth ist das Szenario des
Halbschlafs zu einer neuen Form des Sehens geworden, die Nacht zum Erkenntnisraum,
in dem die Chiffren des Alltags transzendiert, die Umstellung der Panoramen vollzogen,
die Zeichen der Verwandlung decodiert werden können. Über den Traum sagte Wagner,
er liefere "Möglichkeiten ohne Grenzen"260 – das heißt, der Traum ist kreativ. Sein
Bilderangebot definiert das Bildhafte neu, seine Kantenlosigkeit zersetzt die Vorstellung
des Räumlichen, seine schaumartige Dichte hintertreibt die getriebene Zeit. Das aber ist
natürlich gleichbedeutend mit der Subversion des herkömmlichen Theatergedankens.
Wagners gesammelte theoretische und dramaturgische Bemühungen sahen ihr Ziel darin,
die Imaginationskraft des Zuschauers so weit zu stimulieren, daß sich dessen 'Wahrträume'
wie von selbst vor jene Linse setzen konnten, die ihm die eigene Realität noch als etwas
Verbindliches zeigte. Es ist die Emanation der Kunst aus dem Vakuum des Traums. Wagner: Der "erwartungsvolle Wille der Zuhörer ist nun das erste ermöglichende Moment für
das Kunstwerk".261 Der Zuschauer ist nicht mehr nur der Empfänger des Bühnengeschehens, sondern dessen Produzent. Anders ausgedrückt: In Bayreuth wird der Zuschauer
zum Erwecker des Musikdramas. Und ist diese Anverwandlung auch oft beschrieben worden – ähnliche Faszination hat sonst wohl nur das antike und das Shakespearsche Publikum hervorgerufen –, im Spiegel des Schlafmotivs scheint sich dessen Bedeutung noch
einmal zusammenzuziehen. Der Zuschauer und das von ihm Geschaute agieren bei Wagner gewissermaßen unter demselben Metapherndruck. Es wurde schon erwähnt, aber ein
Zufall dürfte es keinesfalls sein, daß die Erweckung der Walküre zu einem Sinnbild des
256 Götterdämmerung, 2, 1. [Wagner, 1997a], S. 49
257 Götterdämmerung 1, 2. Ebd., S. 35. Notabene: "R. hat Hagen's Arie komponiert; er sagt: »Du bist mir dabei
in deinem Schlafe eingefallen; ich wußte nicht, sollt ich ihn lautlos sprechen lassen oder nicht, da fiel mir dein
Traumreden ein, und ich wußte, daß ich Hagen leidenschaftlich sich ausdrücken lassen konnte, was viel besser
ist.«" TB vom 27. 6. 1871. [Wagner, 1976a], S. 406
258 Zarathustra. [Nietzsche, 1988a], S. 34
259 Oper und Drama. [Wagner, 1872f], S. 254
260 TB vom 15. 7. 1880. [Wagner, 1977], S. 570
261 Oper und Drama. [Wagner, 1872f], S. 242
221
Wagnerschen Werks stilisiert wurde und daß auch laut der Statistik von Gebhardt/
Zingerle noch heute die meisten Festspielbesucher auf die Szene rekurrieren, "in der
Siegfried Brünnhilde [weckt]."262
Im Klartext: Hatte Wagner in seinen musikästhetischen Schriften den Künstler als denjenigen beschrieben, der mittels der Träume erwacht und erweckt, so verzahnt sich hier
nun die Theorie blickdicht mit der Festspieldramaturgie. Nietzsche hatte es so formuliert:
"In der einen Hälfte unseres Daseins sind wir Künstler – als Träumende."263 Als Produzent
des Kunstwerks wird der Zuschauer bei Wagner in erster Instanz selbst zum Künstler –
"entweder, Publikum und Künstler passen zusammen, oder sie passen gar nicht zu
einander."264 In zweiter Instanz übernimmt er die Rolle dessen, der träumt, um für alle zu
erwachen.265 Der Träumer wird am Ende durch seinen eigenen Schlaf erweckt.
III.2 Der Tau des Schlafes
<»Ideale Fernsicht«: Das Traumbild der Bühne>
Romain Rolland schrieb in seinem Bayreuth-Bericht, den Werken Wagners habe er
"Tempel als Rahmen, den unbegrenzten Horizont unseres Geists als Dekoration und
unsere Träume als Sänger"266 gewünscht – es scheint, Wagner hat sich, uns und seinen
Werken diesen Wunsch selbst erfüllt, und zwar lange bevor er geäußert wurde. Wäre man
zu einer Faustformel gezwungen, so ließe sich behaupten, daß er in Bayreuth nichts
weniger zu visualisieren gesucht hat als die Manifestation des Imaginären, eingerechnet des
Widerspruchs, daß das Imaginäre per definitionem nicht manifestierbar ist. Möglichkeitsund Wirklichkeitssinn schließen sich vorderhand aus. Um was geht es?
Es geht um den Schluß- und Kronenstein des Festspielprogramms, um die Aufführung
der Musikdramen und den Niederschlag jenes 'Wahrträumens', das die Zuschauer erst in
den Stand von Koproduzenten versetzt hatte. Wagner nannte deren Produkt das "erschaute[...] Traumbild"267, an anderer Stelle die "im Schweben erhaltene [...] Traumerscheinung"268 – es ist das äußerlich erscheinende Anschauungsvermögen des Publikums oder
das "in die Wirklichkeit hinausgesetzte Bild unserer eigenen inneren Einbildungskraft"269,
wie Heinrich Porges dies in Anlehnung an Wagners Festspielidee für das Shakespearsche
Theater bezeichnete. Die Atmosphäre ist fest und gleichermaßen gasförmig. 'Wirklichkeit'
262 [Gebhardt/ Zingerle, 1998], S. 174
263 Nachgelassene Fragmente. [Nietzsche, 1988j], S. 213
264 Publikum in Zeit und Raum. [Wagner, 1883c], S. 125
265 Vgl. mit dem Abschnitt <Nur der Wachende schläft, nur der Träumende erwacht> in Kap. II.2
266 [Rolland, 1925], S. 67
267 Aphorismen. [Wagner, o. J. a], S. 279. Der Begriff 'Traumbild' taucht natürlich (sic) auch auf in: Beethoven.
[Wagner, 1873a], S. 94, S. 118 sowie in Wagners 'Braunem Buch', vgl.: BB [zwischen 3. und 19. 7. 1870].
[Wagner, 1988b], S. 210
268 Das Bühnenfestspielhaus zu Bayreuth. [Wagner, 1873d], S. 402
269 [Porges, 1877], S. 8
222
auf der einen Seite, 'Einbildungskaft' auf der anderen, Produktionsdramaturgie und Theatertheorie, Fabrikation und Vision. Wagner brachte auch hier wieder jene unvergleichliche
Melange, die zwischen der Kreatürlichkeit des Bühnenspektakels und der Marklosigkeit
der Träume keine Niveauveränderung implizierte. Der Traum verfügt in sich als Darstellungsmittel über das Bild, das Theater ebenfalls, sehr wohl existierte demnach eine gemeinsame Naht. Beziehungsweise ging Wagner für alle Belange, die im Einzugsgebiet des
Schlafs lagen, ohnehin von einem erweiterten Materialbegriff aus. Der ästhetische Impetus,
der dem Schicksal Sentas im Fliegenden Holländer unterlegt ist, mag dafür eine Parabel sein.
"An der Wand im Hintergrunde das Bild eines bleichen Mannes"270, heißt es dort
gleich zu Beginn des 2. Aktes, "im träumerischen Anschauen"271 dieses Bildes finden wir
Senta in sich versunken ("Willst du dein ganzes junges Leben verträumen vor dem
Konterfei?"272). In Anschauung eines Bildes also, in sich versunken – das sind genaugenommen diametrale Bewegungsrichtungen, und natürlich ist hier die Crux, daß das
Mädchen das infragekommende Porträt gar nicht genau anschaut, geschweige denn inspiziert. Sie hängt ihm nur nach, sie sieht in es hinein. Und träumt dann die Traumerzählung
Eriks "wie in magnetischem Schlaf"273, um so am Ende den Holländer herbeizuzwingen
wie sonst bloß noch Hagen den Siegfried in die Gibichungen-Halle herbeizuzwingen
versteht. Das reale Bild in seinem realen Rahmen ist dabei lediglich das Sprungbrett jener
Visionskraft, die das Antlitz des Dargestellten in der Ferne sucht und erkennt, um dieses
durchschauen zu können, wenn es als fleischgewordener Traum in den Nahbereich
eintritt. "Da sieht man, was ein Bild doch kann!"274 Wagner erklärte Cosima, als Künstler
werfe er selbst immer nur wieder "das Traumbild auf". 275 Nichts anderes tut Senta. Und
nicht mehr, aber auch nicht weniger ist in Bayreuth für den zu sehen, der sehen will:
Habe ich in meiner Schrift über Beethoven den Grund davon erklären können, aus welchem
uns schließlich, durch die Gewalt der Umstimmung des ganzen Sensitoriums bei hinreißenden
Aufführungen idealer Musikwerke, der gerügte Übelstand, wie durch Neutralisation des
Sehens, unmerklich gemacht werden kann, so handelt es sich dagegen bei einer dramatischen
Darstellung eben darum, das Sehen selbst zur genauen Wahrnehmung eines Bildes zu bestimmen, welches nur durch die gänzliche Ablenkung des Gesichtes von der Wahrnehmung
jeder dazwischenliegenden Realität, wie sie dem technischen Apparate zur Hervorbringung des
Bildes eigen ist, geschehen kann.276
Der beste Begriff für dieses 'Sehen des Gesehenen' ist wahrscheinlich immer noch der der
'Projektion'. Die Zentralperspektive reicht in Bayreuth zunächst nach innen, wo als
Echolot der 'Wahrträume' ein Sehstrahl erzeugt wird. Dieser Sehstrahl drängt unablässig
vom Dunkeln ins Helle, und zwar dem Fluchtpunkt der Bühne zu. Dort trifft er auf den
270 Der fliegende Holländer, 2, 1. [Wagner, 1953], S. 22
271 Ebd.
272 Ebd., S. 23
273 Ebd., S. 29
274 Ebd., S. 23
275 TB vom 13. 6. 1882. [Wagner, 1977], S. 960
276 Das Bühnenfestspielhaus zu Bayreuth. [Wagner, 1873d], S. 400
223
Prospekt auf, hilft somit das Musikdrama zu konstituieren und wird schließlich, von diesem angereichert, an seine Quelle zurückgespiegelt. Durch den Visionsradius des Zuschauers und dessen Auge, das schöpferisch ist "wie das Auge des Träumenden, [das] nichts
erblickt, was ohne Bedeutung wäre"277, kann das Schauen deckungsgleich werden mit
dem Erschauten. Im
vollendeten Drama [werden] die vollen Gestalten des erschauten Traumbildes, die andre Welt,
wie durch die Laterna magica vor uns hin projizirt, leibhaftig, wie beim Geistersehen die Gestalten aller Zeiten und Räume deutlich vor uns. Musik ist das Licht dieser Laterne. 278
Einen "Traum der Träume"279 hat Hofmannsthal die moderne Bühne und deren Möglichkeiten genannt, eine Architektur aus Licht, welche durch Blicke modelliert wird. In
diesem Sinn sollten auch aus der nachtdunklen Umhüllung Bayreuths bunte, leuchtende,
fließende Bilder auftauchen, von einem Rahmen gehalten, aber in sich schwebend, der
Musik gleichbedeutend. "Musik [müßte] das Sehen so begeistern können, daß es die
Musik in Gestalten sähe"280 – gemeint sind damit die "Wahrtraum-Gestalten".281
George Bernard Shaw hat diese rudimentäre Form der Projektionstechnologie als
"pictorial visions"282 identifiziert und von einer "pictorial stage"283 gesprochen. Schon
Eduard Hanslick hatte während der Bayreuther Aufführungen den Eindruck, daß manche
"Scenen [...] fast wie Transparentbilder [wirkten]".284 Wagners Traumfabrikation also die
Umsetzung einer kinematographischen Phantasie zu nennen, das scheint heute geradezu
ein Gemeinplatz zu sein. Und doch, prüft man die Forschungslage, so ist es unbegreiflich,
aber wahr, daß das Thema noch immer auf eine sorgfältige Darstellung wartet. Längst wird
Wagners Werk in Beziehung gesetzt zu den Neuen Medien, zu Biofeedback-Methoden
und dem visionären Raum-, Farb- und Zeitkalkül des Data-Space. Aber weder ist seine
musikalische Organisation systematisch mit den Schnittechniken des Films noch seine
Theaterästhetik mit der Bildtheorie des Kinos verglichen worden. 285 Selbst Adornos
Aussagen bleiben in diesem Punkt global gesehen verschwommen, wiewohl sie lokal
ungemein scharfsinnig waren (im "Kunstwerk der Zukunft [...] ereignet sich die Geburt
des Films aus dem Geiste der Musik"286). Friedrich Kittlers Resümee, daß Wagners
Amerika-Pläne eine Verbindung zu Hollywood ergäben, ist unterhaltsam, führt aber in
der Tat viel zu weit weg. Dabei liegt manches vor der Haustür.
277 [Hofmannsthal, 1979], S. 490
278 Aphorismen. [Wagner, o. J. a], S. 279
279 [Hofmannsthal, 1979], S. 490
280 Aphorismen. [Wagner, o. J. a], S. 279
281 Über das Opern-Dichten und Komponiren im Besonderen. [Wagner, 1883g], S. 227
282 [Shaw, 1932], S. 155
283 Ebd., 154
284 [Hanslick, 1885], S. 228
285 Einzig Richard Klein scheint sich bislang dieses Mangels bewußt zu sein und hat denn auch mit der
musikdramaturgischen Analyse des Walkürenritts in Francis Ford Coppolas Apocalypse Now einen ersten Anlauf
unternommen, diesen zu beheben. Siehe: [Klein, 2001d]
286 [Adorno, 1971], S. 102
224
Ein Topos wäre zum Beispiel das 'flache Bild', das Wagner in Bayreuth durch architektonische und dekorationstechnische Machinationen herstellen wollte. Hatte er spekuliert,
daß schon die Helden des antiken Theaters "sich auf der Bühne wirklich nur in der Fläche
zu erkennen geben, während der von der Orchestra ausgehende und geleitete Zauber alle
nur erdenklichen Richtungen"287 ausfülle, so galt es, die "ätherische Fläche"288 zu erzeugen, die das eine mit dem anderen verbindet. Praktisch bedeutete das für Bayreuth: keine
plastischen Aufbauten, sondern illusionistisch bemalte Prospekte, Verzicht auf Gassen,
durch die sich nur der Eindruck gestaffelter und/ oder zerschnittener Bilder ergeben hätte,
ein Bühnenfall von immerhin 3 Grad289, der die Sänger von der Hinterbühne latent an die
Rampe herandrückte. Aus umgekehrter Richtung sollte der Schalldeckel über dem
Orchestergraben die Schwelle zwischen Parkett und Bühne so weit nivellieren, daß der
Blick des Publikums ohne ab- oder umgelenkt zu werden sofort auf die vierte Wand
auftreffen und diese dann 'ausmalen' konnte. Die Fläche, die den Bühnenrahmen ausfüllt,
wird damit zum planen Darstellungsraum – eine Petitesse ist es offenbar nicht zu
erwähnen, daß dieser Widerspruch den Kriterien einer Leinwand nahekommt.
Ähnlich filmisch sind auch die Effekte, die sich aus dem berühmten doppelten Proszenium ergaben, das architektonisch eine Ergänzung des Schalldeckels in Richtung des
Zuschauerraums darstellt und bereits für den ersten Münchener Entwurf des Festspielhauses von Semper erfunden worden war. In nuce handelt es sich hierbei um die Etablierung der vierten Wand. Zunächst scheint auch das eine für Wagners Metaphernhaushalt
überraschende Wendung. Gerade die nachgiebige, flüssige Qualität der Träume, durch die
sich verschiedene Realitätsstufen ineinanderblenden ließen, müßte doch eher spielbestimmend sein für eine Umgebung, die auf Interaktion ausgelegt war. Aber bereits das
Verdeck über dem 'mystischen Abgrund' sollte laut Wagners Maßgaben "die Realität von
der Idealität"290 abtrennen. Das Traumbild konnte nur in mäßiger Entfernung zur Wirklichkeit virulent werden, denn natürlich mußte es vor allem ein Gegenbild etablieren. Wagner inokulierte von daher die Ferne in die Nähe. Das Hinschauen und das Wegschauen –
beides im Motiv der Entrückung enthalten – wurden nun auch bühnentechnisch relevant.
Konkret handelte es sich um eine Verdopplung des gewöhnlichen Bühnenrahmens,
wodurch eine optische Verjüngung erreicht und der Blick des Zuschauers auf die Bühne
noch besser kanalisiert werden konnte:
Die Dekoration dieses vorderen Bühnenprosceniums ist in den Motiven, Ordonnanzen und
Verhältnissen derjenigen des hinteren Bühnenprosceniums vollkommen gleich, aber in den
wirklichen Größenverhältnissen davon verschieden, woraus eine perspektivische Täuschung
entsteht, weil das Auge die thatsächlichen Größenverschiedenheiten nicht von den perspektivischen zu unterscheiden vermag. Eine Illusion, die nach Befinden und nach Umständen durch
alle erdenklichen Beleuchtungskünste noch gehoben und modifiziert werden kann. So wird
die beabsichtigte Vernichtung des Maßstabes der Entfernungen und somit die Trennung der
287 Über Schauspieler und Sänger. [Wagner, 1873i], S. 235f.
288 Das Kunstwerk der Zukunft. [Wagner, 1872c], S. 186
289 Die Neigung entspricht 0,5 m pro 1 m Bühnentiefe.
290 Das Bühnenfestspielhaus zu Bayreuth. [Wagner, 1873d], S. 401
225
idealen Bühnenwelt von der Realität der Zuschauerwelt vervollständigt. Hierzu kommt noch
der wichtige Vortheil, daß die darstellenden Künstler, wenn sie an den Bühnenrand hervortreten, das irdische Maß der Größe scheinbar überschreiten, weil das Auge die Größe nicht nach dem
wahren, sondern nach dem verjüngten Maßstabe des kleineren inneren Prosceniums zu messen
geneigt ist. Man erreicht damit ähnliches wie dasjenige, wonach die griechischen Tragiker
strebten, indem sie die Personen, denen sie ihre heroischen Rollen anvertrauten, durch
Masken, Kothurne und andere Mittel über das menschliche Maß hinaus vergrößerten. 291
In Wagners eigenen Worten:
[Der mystische Abgrund] schloß [...] nach vorn durch ein erweitertes zweites Proscenium ab,
aus dessen Wirkung [sich] in seinem Verhältnisse zu dem dahinter liegenden engeren Proscenium [...] alsbald die wundervolle Täuschung eines scheinbaren Fernerrückens der eigentlichen
Scene [ergab], welche darin besteht, daß der Zuschauer den scenischen Vorgang sich weit
entrückt wähnt, ihn nun aber doch mit der Deutlichkeit der wirklichen Nähe wahrnimmt;
woraus dann die fernere Täuschung erfolgt, daß ihm die auf der Szene auftretenden Personen
in vergrößerter, übermenschlicher Gestalt erscheinen. 292
Das szenische Geheimnis des Traumbildes wurde gerade durch dessen Hervorhebung gewahrt. Ähnlich wie bei der Technik des Close-Ups im Film konnte hier eine Intimität
erreicht werden, die trotz allem 'unwirklich' blieb. Die Traumfiguren treten auf und treten
ab und sind doch gleichzeitig immateriell. Der Tau des Schlafes ist zum Greifen nahe, aber
bei der ersten Berührung muß er zerrinnen. Heinrich Habel hat angemerkt, daß im
Festspielhaus sogar noch eine dritte und vierte motivische Wiederholung des Proszeniums
existiert, durch die dieser Effekt noch weiter verstärkt werden konnte. Zum einen wurde
das Auditorium durch das "Einziehen paralleler Scherwände mit Säulen am inneren Ende
und Gebälken [...] zur Keilform reduziert". 293 Zum anderen hatte man das "vorderste
Scherwandpaar [...] als einziges über dem Gebälk bis zur Decke hin fortgesetzt und nach
Art der Proszenien durch einen Querbalken unter der Decke nebst vermittelnden
Zwickelvoluten miteinander verbunden". 294 Das Ergebnis war und ist die maximale
Integration des Zuschauers; Wagner sagte, daß sich "das Publikum, auf jedem von ihm
eingenommenem Platze, in die proscenische Perspektive selbst einfügte[...]."295 Die
Bühnentäuschung wird zur Wahrheit, weil sie als Illusion in den Traum des Zuschauers
eingesetzt wird. Jeder einzelne ist nun in seinen eigenen Träumen enthalten. Dazu noch
einmal Wagner:
Zwischen ihm [dem Zuschauer] und dem zu erschauenden Bilde befindet sich nichts deutlich
Wahrnehmbares, sondern nur eine, zwischen den beiden Proscenien durch architektonische
Vermittelung gleichsam im Schweben erhaltene Entfernung, welche das durch sie ihm entrückte Bild in der Unnahbarkeit einer Traumerscheinung zeigt, während die aus dem 'mystischen Abgrunde' geisterhaft erklingende Musik, gleich den, unter dem Sitze der Pythia dem
291 [Semper, 1906], S. 109f.
292 Das Bühnenfestspielhaus zu Bayreuth. [Wagner, 1873d], S. 401
293 [Habel, 1970], S. 314f.
294 [Habel, 1985], S. 401
295 Das Bühnenfestspielhaus zu Bayreuth. [Wagner, 1873d], S. 403
226
heiligen Urschooße Gaia's entsteigenden Dämpfen, ihn in jenen begeisterten Zustand des Hellsehens versetzt, in welchem das scenische Bild ihm jetzt zum wahrhaftigsten Abbilde des Lebens selbst wird. 296
Die "richtige"297, "wundervolle"298, "sinnvollste"299, "ideale"300, "erhabene Täuschung"301, von der Wagner überall sprach und die er auch als "ideale Fernsicht"302 titulierte, was ist das also? – Der Traum. Was aber ist der Traum? Der Traum ist die Musik.303
<Das Auge, das sich wechselnd öffnet und schließt: Der Wagner-Vorhang>
Kommen wir zum Schluß, der auch ein Anfang sein könnte: Kommen wir zum Theatervorhang, jenem Utensil, das theatergeschichtlich weder als Requisit noch als Dekoration,
weder als Maschinenwerk noch als Akteur definierbar ist und das der Inbegriff von allem
zu sein scheint, was dazwischen liegt – auch in Bayreuth das einzige, das sich aus Sicht der
Bühne knapp vor der vierten Wand und aus Sicht des Zuschauerraums knapp hinter der
Rampe befindet und das doch weder der einen noch der anderen Welt ganz angehört.
Was würde ein Vorhang sagen, der selbst einmal in einem Theaterstück einen Auftritt
bekäme? Er würde sagen: "Warum schrieb noch keiner von ihnen über mich, über das
ewige alte Lied des Vorhangfallens und Aufgehens?"304 Vor allem würde er sagen:
Ich verlange: Aenderung, Besserung, Fortschritt! [...] In Bayreuth hat man einen Versuch gemacht Dich anders einzurichten. Dein College dort war in der Mitte auseinander geschnitten,
und die beiden Theile rauschten nun beim Beginn des Actes von der Mitte her, wo sie
ineinanderflossen, wie eine Doppel-Portière, nach beiden Seiten zu weg und legten so die
Bühne frei. Ebenso wurde beim Actschluß die Bühne wieder gedeckt. [...] Richard Wagner,
der es in Bayreuth mit diesem Vorhang versuchte, fühlte eben auch nur, daß es mit dem alten
nicht mehr ginge [...]. 305
Lassen wir daneben auch die Fakten sprechen. In der Tat hat Wagner für Bayreuth nicht
nur mit unterschiedlichen Portalschleiern, Zwischenvorhängen und dem berühmten
"steam curtain"306, wie Shaw es nannte, experimentiert. Für den großen Spielvorhang hat
er einen ganz neuen Zugmechanismus erfunden. Dieser ist unter dem Namen 'WagnerVorhang' in die Geschichte der Bühnentechnik eingegangen, unterliegt technisch heute
der DIN-Normung307, und es ist mehr als eine Randnotiz wert, daß dies bislang der
296 Ebd., S. 402
297 Brief Richard Wagners vom 27. 12. 1868 an Hans von Bülow. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1916], S. 271
298 Das Bühnenfestspielhaus zu Bayreuth. [Wagner, 1873d], S. 401
299 Ebd., S. 339
300 Einblick in das Opernwesen. [Wagner, 1873f], S. 339
301 Über Schauspieler und Sänger. [Wagner, 1873i], S. 265
302 Ebd., S. 233
303 Vgl. mit dem Abschnitt <'Beethoven'-Schrift und Traumbegriff> in Kap. II.2
304 [Hoxar, 1882], S. 195
305 Ebd., S. 203f.
306 [Shaw, 1932], S. 155. Vgl. auch Hanslicks Bemerkung zum Einsatz der Bühnendämpfe in Bayreuth in
Anm. 64 dieses Kapitels.
307 Siehe: [<Deutsches Institut für Normung>, 1970]
227
einzige Fall ist, wie Urs Mehlin bemerkt hat, bei dem der Name eines Komponisten für
die Bezeichnung eines Bühnenhilfsmittels gebraucht wurde. 308 Konkret bestand die Neuerung in der Art und Weise, wie der Vorhang gerafft wird. Wagner hatte den Vorhangschal
in der Mitte teilen lassen; die 'Doppel-Portière' hing nun zu beiden Seiten des Bühnenrahmens in langen Seilen und konnte während der Öffnung seitlich so gehoben werden,
daß sie das ganze Portalfenster freigab (vgl. Abb. 57). Im wesentlichen sind das zwei sich
überlagernde Bewegungen, die proportional aufeinander abgestimmt waren – aus bühnenpraktischer Sicht schon deshalb spektakulär, wenn man an die Belastung der Winden
denkt, die durch die Gewichtszunahme der Stoffe bei der Auffahrt entstehen mußte. Genauer und stilistisch betrachtet brachte Wagner damit auf der einen Seite die Kombination
des sogenannten 'Deutschen' und des 'Französischen Zuges' (der eine ein lediglich auf- und
abbeweglicher, der andere ein teil- und hebbarer Vorhang, der ausschließlich nach der
Öffnung auch hochziehbar war). Auf der anderen Seite perfektionierte er den 'Italienischen Zug', der zwar in der Anlage der Rafftechnik des Wagner-Vorhangs entsprach,
der sich aber nicht wie dieser ganz hinter dem Portal verbergen ließ. Es war 'so alt und
war doch so neu': Wagner hat sich offenbar auch hier über das Bestehende hinweggesetzt,
indem er es der eigenen Illusionswirkung subordinierte. Wer das als einen biographischen
oder gar musikhistorischen Kommentar lesen mag, liegt womöglich nicht ganz falsch.
Doch weiter. Das eigentliche Ereignis lag in der ästhetischen Neubestimmung. Wagner
ist der erste gewesen, der nicht nur die Anlage des Theatergebäudes, den Verdunklungsmechanismus, die Bühnendämpfe oder die Applausordnung dramaturgisch eingesetzt und
rubriziert hatte. Die Vorhangregie wurde bei ihm selbst zu einem Teil des Musikdramas.
Zum vor-ersten Teil des "vor-erste[n] Spiel[s]"309, um präzise zu sein. Zu jenem Teil
nämlich, welcher der Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik sowohl zeitlich wie
auch räumlich vorgeordnet war. Sollte das Bühnengeschehen dem Traumbild gleichen,
das auf der vierten Wand figürlich wurde, so mußte der Vorhang für diese Projektion
notwendig zum Katalysator werden, der das Bildertreiben freigeben und auch wieder in sich
verschließen konnte. Sieht man also genau hin, so ist in Bayreuth als erstes und als letztes
der Vorhang 'anschauenswerth': In Wagners Zugmechanismus erkennt man den Automatismus eines Auges.
Der Vorhang ist "ein ganz eigen Ding", hat Emil Pirchan gesagt, wie "ein Schleier, der
vom Traume trennt". 310 Ja, dieser Schleier, der vom Traume trennt, er ist das Augenlid,
das sich in der vertikalen Raffung des Wagner-Vorhangs auf und ab bewegt. Die Bühnenöffnung wird "wie von einer halben Irisblende freigegeben"311, schrieb Baumann. GregorDellin nannte die Einrichtung "Bayreuther Linse".312 Metaphern der Optik, um das Sehen
und die "organische Angliederung"313 zu beschreiben. Denn sollte die Anschauung des
308 Siehe: [Mehlin, 1969], S. 36
309 [Mann, 1974b], S. 518
310 [Pirchan, 1938], S. 258
311 [Baumann, 1980], S. 151
312 [Gregor-Dellin, 1980], S. 718
313 [Appia, 1902], S. 203
228
Publikums in Bayreuth bereits schöpferisch sein, so galt dies auch für das Traumbild der
Bühne: Verlöschung des Saallichts – Einsetzen der Musik – Vorhangzug – Beginn des
Wahrtraums – das Musikdrama schaut zurück. Nietzsche:
Der Blick, mit welchem uns das geheimnissvolle Auge der Tragödie anschaut, ist kein erschlaffender und gliederbindender Zauber. Obschon sie Ruhe verlangt, so lange sie uns ansieht; –
denn die Kunst ist nicht für den Kampf selber da, sondern für die Ruhepausen vorher und
inmitten desselben, für jene Minuten, da man zurückblickend und vorahnend das Symbolische
versteht, da mit dem Gefühl einer leisen Müdigkeit ein erquickender Traum uns naht. 314
Vielleicht ist es auch hier wieder ein Zeichen jener individuellen Genese, die schon bei
der Beurteilung des 'Bayreuther Dunkels' zu Divergenzen und in toto auch zu Märchenbildung geführt hatte, über das Aussehen des originalen Bayreuther Vorhangs von 1876 ist
jedenfalls lange Zeit spekuliert worden. Besonders die Farbe war strittig, 'Augenfarbe'
möchte man fast sagen. Die Irisblende mag tatsächlich irisiert haben, ein kleines, schimmerndes, durchwässertes Medaillon. Mündlichen Überlieferungen zufolge war der Vorhang horizontal gestreift oder aber von hellgelblichem Ton mit vertikalen, pompejanischen roten Streifen und hohem, rot-goldenen Brokat-Sockel. Wilhelm Mohr hingegen
will einen uni-farbenden, "rothe[n]"315 Vorhang erkannt haben. Adolphe Jullien: "[P]as de
rideau rouge; un velum grisâtre".316 Otto Brückwald berichtete von einem "wirklich
bemalten Stoff in Falten hängend". 317 Überlassen wir Adolphe Appia das letzte Wort in
der Sache, von ihm stammt die behutsamste und zuverlässigste Darstellung:
Als Wagner sein Festspielhaus errichtete, öffnete sich der Vorhang unserer sämtlichen Theater
in senkrechter Richtung. Heute dünkt uns der nach beiden Seiten sich teilende Bayreuther
Vorhang eine von selbst verständliche Einrichtung; doch mußte diese Vorrichtung erst ersonnen und praktisch durchgeführt werden. In unseren gewöhnlichen Theatersälen ist überall
umher so viel Stoff zu sehen, daß der Vorhang nur ein Stück Stoff mehr ist, weiter nichts. In
Bayreuth verhält es sich anders. [...] Mit sicherem Instinkte hat [...] Wagner einen sehr steifen
Stoff gewählt und hat den mächtigen Faltenlinien noch größeren Schwung verliehen, indem er
den unteren Rand noch steifer ausführen ließ. Dann ließ er den Vorhang in einem weichen,
dunklen Farbentone malen, der demjenigen der Saalwände etwa entspricht. Wiederum ist der
harmonische Eindruck vollkommen, und das Auge bleibt vollauf befriedigt. Nicht so aber der
große Meister. Ihm fehlte noch etwas. Ihm fehlte noch ein verbindende Linie zwischen den
Zuschauern und dem Schaustück. In dem Augenblicke, da der Vorhang sich teilt, durfte
ersterer keinen plötzlichen Ruck empfinden; sanft sollte sein Auge hinaus gleiten in die Welt
des Traumes. Was ersann sich also Wagner? Eine wa[a]gerechte Linie zog er unten, quer über
den Vorhang - eine Art hoher Borte; diese Linie ruft beim Zuschauer den Eindruck hervor, als
bezeichne sie die Manneshöhe auf der Bühne. Unterstützt wird ihre Wirkung durch die Linie,
welche den Sockel der beiden Seiten des Bühnenrahmens andeutet. Während des Orchestervorspiels hat der Zuschauer diese Linie vor Augen; unbewußt gewöhnt er sich an den von ihr
angedeuteten Maßstab. Jetzt teilt sich der Vorhang; und da nun die Darsteller bedeutend
zurück bleiben gegen die Höhe dieses durch die Horizontallinie gegebenen Maßstabes, so
314 Richard Wagner in Bayreuth. [Nietzsche, 1988n], S. 451
315 [Mohr, 1876], S. 31
316 [Jullien, 1886], S. 219
317 [Brückwald, 1877], S. 68
229
findet ganz unwillkürlich ein Fernrücken des Bildes statt, durch welches der Eindruck eines
Traumbildes sich nur verstärkt. So dient denn der Vorhang dazu, die gesuchte Verbindung
herzustellen. 318
Eine Kunst der Schwelle. Der Vorhang wird zu einer beweglichen Leinwand, er entbirgt,
was wir ohne ihn überhaupt nicht sehen würden.
Im Halbschlaf war ehedem in La Spezia der Anfang des Opus magnum imaginiert worden, in Bayreuth, viele Jahre später, wurde das Bild manifest: "Grünliche Dämmerung",
"nächtliche[r] Grund"319, tiefliegende Klänge in Es-Dur, schlafend das Gold auf dem
Grunde des Rheins – es ist die Einheit von Schöpfer und Geschöpftem. Dann: "Volles
Wogen der Wassertiefe"320, plötzlich zieht der Vorhang auf, das Lid schlägt hoch, das
Publikum erwacht zum Träumen: "Lugt, Schwestern!/ Die Weckerin lacht in den Grund.
[...] Durch den grünen Schwall/ den wonnigen Schläfer sie grüßt. [...] Jetzt küßt sie sein
Auge, daß er es öffne;/ schaut, es lächelt/ in lichtem Schein."321 – dies ist die Einheit von
Schauendem und Geschautem (vgl. Abb. 58). Und in der Mitte der Regenbogenhaut
werden im Spiegelreflex jene theatralen Püppchen erkennbar, die winzig als Spitze unseres
Sehstrahls und überlebensgroß als Widerschein unserer Träume wirken und die von Stund
an auf der Pupille der Wagnerschen Bühne ausagieren werden, was immer wir in ihnen zu
sehen glauben. Ihr Geschick weiter zu verfolgen, wäre vielleicht noch einen Gedanken
wert.
________
318 [Appia, 1902], S. 201
319 Rheingold, 1. [Wagner, 1999c], S. 7
320 Ebd.
321 Rheingold, 1. [Wagner, 1999c], S. 19
230
Rückblick: Zusammenfassung (Abstract)
Zuletzt sind und bleiben wir der Musik gut, wie wir dem Mondlicht gut bleiben. Beide wollen ja nicht die Sonne verdrängen, –
sie wollen nur, so gut sie es können, unsere Nächte erhellen. Aber
nichtwahr? scherzen und lachen dürfen wird trotzdem über sie?
Ein Wenig wenigstens? Und von Zeit zu Zeit? Ueber den Mann
im Monde!
(Friedrich Nietzsche)1
Setzt man sich mit den Musikdramen Richard Wagners auseinander, so wird bei genauerem Hinsehen klar, daß diese im mindesten so viele 'Nacht-Geweihte' wie 'Tagknechte'
engagiert halten: Schläfer und Schlafsüchtige, Träumer und Visionäre, Somnambule und
Halluzinanten jeder Couleur und Bestimmung, die die nach vorne stürzende Handlung
arretieren und umleiten, um diese auf einer Metaebene fortzusetzen. Was zunächst episodisch erscheint, ist ein fundamental produktiver Widerspruch. Davon ausgehend, möchte
die vorliegende Arbeit die vielfältigen dramaturgischen und ästhetischen Bedingungen
freilegen, die Wagners szenischer Konzeption voranstanden. Sowohl die Materialfülle wie
auch die Tatsache, daß dem dramaturgischen Schlafmotiv in Wagners Werk bislang keinerlei Würdigung zuteil wurde, ließen eine dreifache Argumentation sinnvoll erscheinen:
Der Schlaf wird untersucht als Affekt in Wagners Biographie, als Metapher in Wagners
Kunst- und Musikästhetik und als Allegorie in Wagners Festspieldramaturgie.
Das erste Kapitel beschäftigt sich mit dem biographischen Szenarium. Hierbei gilt es
zuerst, mit einem landläufigen Mißverständnis aufzuräumen. Wagners renitente Vorliebe
für Schlafröcke und Diwandecken, für Hausjacken aus Eiderdaunen, für weiche, fließende
Stoffe, dämmernde Zimmer und zeltartige Interieurs wurde bisher als Form eines unkontrollierten Luxusanspruchs begriffen. Es kann jedoch gezeigt werden, daß die Requisiten
des Schlafs viel eher eine Aura der Künstlichkeit generierten, die Wagners Verständnis
zufolge gleichbedeutend war mit einer Vorstufe seiner Kunstproduktion. Eingedenk dessen, daß Wagners physiologische Konstitution latent durch insomnische und neurasthenische Schübe erschüttert wurde, ging es nicht um Fetischismus, sondern um Stimulation.
Der 'Stoffbegriff' wird in zweifacher Hinsicht bedeutsam. Die Textur der Kleidung muß
als Auslöser jener Autosuggestion verstanden werden, aus der Wagner die Stoffe seines
Werkes evolvierte.
Dem ersten Kapitel beigeordnet ist eine Auseinandersetzung mit Wagners Träumen.
Dabei geht es nicht um Traumdeutung. Diese ist zwar in der Wagner-Forschung kultiviert
worden. Ein tragfähiges Fundament aber ist dafür genaugenommen nicht vorhanden; das
Wagnersche Traummaterial stand bislang nur unsortiert und ausschnitthaft zur Verfügung.
1 Menschliches, Allzumenschliches. [Nietzsche, 1988h], S. 623
231
Aus diesem Grund wird hiermit das erste Mal eine vollständige Kartierung der Wagnerschen Träume unternommen. Ein Register wird vorgelegt, das alle erreich- bzw. erkennbaren Träume Wagners aus den Quellen herausfiltert und chronologisch systematisiert.
Ganz in diesem Sinne wird auch in weiterer Folge nur das Verfahren des Träumens bei
Wagner untersucht, welches als ein Teil des Schlafmotivs erscheint. Zwischen diesem und
jenem sind dramaturgische Interferenzmuster erkennbar, die konstitutiv werden für ein
Werk, das zu Recht immer wieder als 'traumhaft' bezeichnet worden ist.
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit den ästhetischen Schriften Wagners. Die biographische Spannung zwischen dem Wachen, dem Schlafen und dem Träumen übersetzt
sich in dessen Kunst- und Musiktheorie. Die Bilder einer Gesellschaft, deren ermüdende
soziale und politische Machinationen nur mehr auf eine 'Erweckung' hoffen ließen, begegneten, wie belegt werden kann, der Vorstellung, daß der prototypische Künstler zu
einem Träumenden werden solle, der 'ruhen' muß, um für alle zu erwachen. Schlaf und
Traum können hier also dechiffriert werden als Ressourcen utopistischen Bildertreibens.
In einer ausführlichen Analyse insbesondere der Beethoven-Festschrift von 1870, mit der
Wagner den Traum im Schopenhauerschen Sinn als ein der Musik äquivalentes Phänomen vorstellt, wird gezeigt, daß Halbschlafmomente und somnambule Zwischenzustände
als Antrieb eines höheren Erwachens begriffen wurden. In der Rezeptionsgeschichte freilich hat man gerade diese Wagnersche These zu Ungunsten ihres Urhebers überdehnt. Die
andauernde Debatte darum, inwieweit Wagners Musik hypnotisch sei, schlägt sich los von
der Annahme, daß Musik eine Heilkunst sein könne. Homöopathikum oder Narkotikum,
Schlaf oder Tod, Rekonvaleszenz oder Dekadenz: Die Positionen werden vorgestellt,
diskutiert und eingeordnet.
Das dritte und letzte Kapitel ist der Festspieldramaturgie gewidmet, mit der Wagner
seine Theorien selbst in die Praxis überführt hat. Bayreuth, die Apotheose, wurde zur
ersten Traumfabrik. Künstliche Verdunklungen und nächtliche Illuminationen, Dämmerungssehen im Zuschauerraum, der Halbschlaf des Publikums, aus dem die 'Wahrträume'
freigesetzt werden sollten – Wagner inszeniert das Inszenieren und delegiert die dramaturgische Spannung ins Parkett. Der Zuschauer soll dabei zum Künstler, der Konsument zum
Ko-Produzenten werden. Detailliert wird deshalb an dieser Stelle das Bild des Auges
besprochen, das sich verschließen muß, um jene 'musischen' Bilder projizieren zu können,
die das Musikdrama erst auf den Plan rufen. Die Protagonisten der Wagnerschen Werke
erscheinen als energetische Manifestationen der Träume. Schlaf, das vergessene Motiv,
wird zum Katalysator der Kunst.
________
232
Register der Träume Richard Wagners
Anhang zu Kap. I.3
...man sollte immer seine Träume gleich notieren.
(Richard Wagner)1
Das vorliegende Register verzeichnet alle in der Primärliteratur erwähnten bzw. erkennbaren Träume Richard Wagners 2 und stellt den Versuch dar, diese chronologisch zu erfassen. Da es sich bei Träumen jedoch um poetologisches Material handelt, dessen man nie
wirklich habhaft werden kann, zumindest nicht mit wissenschaftlichen Mitteln – die
Spannkraft zwischen subjektiver Erfahrung und objektiver Erkenntnis droht an jeder Stelle
in den Widerspruch umzuschlagen -, unterliegt die Beweisführung hier einigen Sonderregeln. Zur Orientierung darum vorab folgende Bemerkungen:
Sämtliche Einträge im Traumregister unterliegen der Ordnung 'Nummer', 'Datum',
'Quelle' des Traums, wobei sich die Zahlen in den Quellenangaben auf die entsprechenden Seitenzahlen ihrer Publikationen beziehen.
In all den Fällen, in denen ein Traum in mehreren Quellen gleichzeitig Erwähnung gefunden hat, habe ich dies unter einer Inventarnummer als Mehrfachnennung verzeichnet
(z. B. bei den Registernummern 5, 24, 25, 314). Einträge hingegen, die für mehrere aufeinander folgende Traumnummern dieselbe Quellenangabe aufweisen, machen deutlich,
daß einer Nacht bzw. auch einem Tag unterschiedliche Träume zugehören – beispielsweise
bleiben die Angaben für die Nummern 335-342 dieses Registers konstant, Cosima jedoch
berichtet, daß Wagner am 17. Mai 1879 "mindestens 8 unruhige Träume" auf einmal
gehabt habe. 8 Träume also, die sich zwar nicht näher bestimmen lassen, die aber dennoch
so unterschiedlich gewesen sein dürften, daß es sich per se verbietet, sie innerhalb einer
Generalzählung zu standardisieren und/ oder sie allein unter dem Datum ihrer Erwähnung
zu einem Eintrag zusammenzuziehen.
Einen weiteren Sonderstatus beanspruchen jene Träume, die Cosima als "regelmäßig
wiederkehrend[...]", "beständig" oder "stehend[...]" beschreibt (vgl. etwa die Registernummern 102, 123, 517, 518, 521): Obschon sie in manchen Fällen viele Monate, wenn
nicht sogar Jahre betreffen, können diese Träume hier nur einmal genannt und beziffert
werden, da eine spezifische Datierung nicht einmal Wagner selbst möglich gewesen ist.
Träume, die im Rahmen der vorliegenden Zählung zeitlich überhaupt nicht zu fixieren waren, stehen am Ende des Registers; keineswegs soll das aber suggerieren, daß sie sich
nicht auch auf sehr frühe Jahre beziehen könnten.
1 TB vom 24. 3. 1872. [Wagner, 1976a], S. 504
2 Die Bedingungen, unter denen ich hier von 'Vollständigkeit' ausgehe, habe ich im Abschnitt <Am Rande des
Schlafs: Zu einem Register der Träume Richard Wagners> in Kap. I.3 expliziert.
235
Wagners traumartige Zustände habe ich, trotz augenscheinlicher Definitionsprobleme und
auf Grund jener Entscheidungen, die ich schon im Haupttext erläutert habe, als selbständige Träume begriffen und auch genau so dem Register eingeordnet. Es schien wichtig,
gerade hier keine Trennung vorzunehmen in einem Bereich, in dem selbst Wagner nichts
hätte trennen wollen oder können. Dennoch sollte die Sonderstellung übersinnlicher
Eindrücke und Einflüsse natürlich erhalten bleiben – ich habe sie über Fußnoteneinträge
kenntlich gemacht.
Die Abkürzungen der benutzten Literaturquellen schlüsseln sich auf wie folgt, deren
vollständige Angaben erschließen sich über das Literaturverzeichnis:
Ann. I, II
I: Richard Wagner: Annalen 1846-1867. [Wagner, 1988a],
II: Richard Wagner: Annalen 1864-1868. [Wagner, 1976b]
BB
Richard Wagner: Das Braune Buch. [Wagner, 1988b]
Br. CW/ Lud.
Briefwechsel Cosima Wagner/ Ludwig II. [<Wagner, Cosima Briefe>, 1996]
Br. RW/ FL
Briefwechsel Richard Wagner/ Franz Liszt. [<Wagner, Richard Briefe>, 1988a]
Bur.
Die Sammlung Burrell. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1953]
CW an DvB
Briefe Cosima Wagners an Daniela von Bülow. [<Wagner, Cosima Briefe>, 1933]
EW
Briefe Richard Wagners an und Erinnerungen von Eliza Wille.
[<Wagner, Richard - Briefe>, 1935]
FamBr.
Familienbriefe Richard Wagners. [<Wagner, Richard - Briefe>,
1907b]
Gla. I, II, V, VI
I: Biographie Richard Wagners von Carl Friedrich Glasenapp
[Glasenapp, 1905a],
II: Biographie Richard Wagners von Carl Friedrich Glasenapp
[Glasenapp, 1910],
V: Biographie Richard Wagners von Carl Friedrich Glasenapp
[Glasenapp, 1912],
VI: Biographie Richard Wagners von Carl Friedrich Glasenapp
[Glasenapp, 1911]
236
Bd. 1.
Bd. 2.
Bd. 5.
Bd. 6.
ML
Richard Wagner: Mein Leben. [Wagner, 1976c]
RW an MM
Briefe Richard Wagners an Mathilde Maier. [<Wagner, Richard Briefe>, 1930]
RW an MW/ OW
Briefe Richard Wagners an Mathilde und Otto Wesendonk. [<Wagner,
Richard - Briefe>, 1915]
RW an MiW I, II
I: Briefe Richard Wagners an Minna Wagner. Bd. 1. [<Wagner,
Richard - Briefe>, 1908a],
II: Briefe Richard Wagners an Minna Wagner. Bd. 2. [<Wagner,
Richard - Briefe>, 1908b]
RW an TA
Briefe Richard Wagners an Theodor Apel. [<Wagner, Richard Briefe>, 1910]
RW an Uh./ Fi./ Hei. Briefe Richard Wagners an Theodor Uhlig, Wilhelm Fischer, Ferdinand
Heine. [<Wagner, Richard - Briefe>, 1912]
SB VII
VII: Richard Wagner: Sämtliche Briefe Bd. 7. März 1855-März 1856.
[<Wagner, Richard - Briefe>, 1988b]
TB I, II
I: Cosima Wagner: Die Tagebücher 1. 1869-1877. [Wagner, 1976a],
II: Cosima Wagner: Die Tagebücher 2. 1878-1883. [Wagner, 1977]
237
Nr.
Datum des Traums ........................ Quelle des Traums
1.
2.
3.
4.
'In den Kinderjahren'..................... TB I: 392
Vermutl. um Okt. 1821................. TB II: 2483
Vermutl. Sommer 1822 ................. ML: 15
'Bis in die spätesten Knabenjahre' ............................................. ML: 19
'In den ersten Jünglingsjahren'/
Um 1827 ...................................... EW: 84, TB II: 683, ML: 37
Spätsommer 1832 .......................... ML: 69f.4
Um Nov. 1832 ............................. RW an TA: 4
10./ 11. Dez. 1833 ........................ FamBr: 9
Frühsommer 1835 ......................... Bur.: 46
Mai 1836 ...................................... Bur.: 70
Juni 1836 ...................................... Bur.: 85
18. Juni 1836 ................................ Bur.: 95
24. Nov. 1836............................... ML: 1425
Um 1838 ...................................... Gla. I: 504
7./ 8. Jan. 1839 ............................. Gla. II: 51f.
20. Okt. 1842 ............................... ML: 244f.6
Sept. 1847 ..................................... RW an MiW I: 36
Sept. 1847 ..................................... RW an MiW I: 36
Zw. 31. Mai u. 2. Juni 1849 .......... ML: 4307
Hochsommer 1849........................ ML: 4398
Zw. 1850 u. 1872 ......................... TB I: 902
Feb. 1851...................................... Br. RW/ FL: 163
Juli 1853 ....................................... RW an MiW I: 93f.
5. Sept. 1853 ................................. ML: 511f.9, Ann. I: 122
Zw. 13. u. 15. März 1855 ............. RW an MiW I: 148, SB VII:5210
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
3 Die Zeitangabe lautet hier im Wortlaut Wagners: "[I]n Eisleben einen Traum gehabt (als Knabe von 7 Jah-
ren)". Halten wir uns an die Information 'Eisleben' dann hat aber entweder Wagner selbst oder Cosima in
ihren Aufzeichnungen geirrt: In seiner Eislebener Zeit war Richard Wagner bereits 8 Jahre alt. Auch [Muller,
o. J.], S. 146 übernimmt den Fehler kommentarlos.
4 "ein tückischer Dämon"
5 "eine Vision"
6 "[...] meinen Zustand während dieses Abends [...] kann ich mir [...] nicht anders als mit allen Eigenschaften
eines Traumes behaftet vergegenwärtigen."
7 "im halbwachen Zustande"
8 "Träumerei"
9 "eine Art von somnambulem Zustand"
238
26.
27.
28.
29.
30.
31.
32.
33.
34.
35.
36.
37.
38.
39.
40.
41.
42.
43.
44.
45.
46.
47.
48.
49.
50.
51.
52.
53.
54.
55.
56.
57.
58.
Um 1856 ...................................... RW an Uh./Fi./Hei.: 337
Juni 1856 ...................................... RW an MiW I: 230
24./ 25. Juni 1856 ......................... RW an MiW I: 233f.
24./ 25. Juni 1856 ......................... RW an MiW I: 234f.
Feb. 1857...................................... Br. RW/ FL: 507
6./ 7. April 1858 ........................... Bur.: 490
16./ 17. Aug. 1858........................ RW an MW/OW: 107
22./ 23. Aug. 1858........................ RW an MW/OW: 109
Nov. 1858 .................................... RW an MiW II: 6
Um Anfang 1859 .......................... ML: 595
März 1859..................................... RW an MW/OW: 81
April 1860..................................... RW an MW/OW: 294
Nov. 1860 .................................... ML: 64111
Aug. 1861 ..................................... RW an MiW II: 194
21./ 22. Nov. 1861 ....................... RW an MiW II: 231
21./ 22. Nov. 1861 ....................... RW an MiW II: 231
Juni 1862 ...................................... ML: 70012
Juni 1862 ...................................... RW an MM: 14
20. Juni 1862 ................................ RW an MM: 15
Hochsommer 1862........................ ML: 70113
20./ 21. Dez. 1862 ........................ RW an MW/OW: 408f.
Vermutl. um April 1864 ................ EW: 68
4./ 5. April 1864 ........................... RW an MM: 149
Vermutl. 31. Dez. 1864/
1. Jan. 1865 ................................... Ann. II: 760
Jan. 1865....................................... Ann. II: 760
Um 16. Aug. 1865 ........................ BB: 35
Um 20. Aug. 1865 ........................ BB: 45
Um 25. Aug. 1865 ........................ BB: 51
Um 28. Okt. 1865 ........................ BB: 95
Zw. 2. u. 6. Dez. 1865 .................. Ann. II: 762
22./ 23. Mai 1866 ......................... Ann. II: 762
24./ 25. März 1867 ....................... Ann. II: 764
14./ 15. Mai 1867 ......................... Br. CW/ Lud.: 363
10 In der Leipziger Gesamtausgabe der Briefe Wagners wird dieser Traum unter dem Datum "15. III. 1855"
nachgewiesen, vgl.: [<Wagner, Richard - Briefe>, 1988b], S. 50, Wagner selbst scheint sich unsicher gewesen
zu sein und notierte den "(14?) März 1855", vgl.: [<Wagner, Richard - Briefe>, 1908a], S. 146
11 "Fieberparoxismen", "eine Ausgeburt meiner Fieberphantasien"
12 "im Halbschlummer"
13 "eine[...] ekstatische[....] Entrücktheit"
239
59.
60.
61.
62.
63.
64.
65.
66.
67.
68.
69.
70.
71.
72.
73.
74.
75.
76.
77.
78.
79.
80.
81.
82.
83.
84.
85.
86.
87.
88.
89.
90.
91.
92.
93.
94.
95.
96.
97.
19. Sept. 1867 ............................... BB: 108
26./ 27. Sept. 1867........................ BB 108
6./ 7. Jan. 1869 ............................. TB I: 26f.
21./ 22. Feb. 1869 ........................ TB I: 61
23./ 24. Feb. 1869 ........................ TB I: 62
24./ 25. Feb. 1869 ........................ TB I: 63
3./ 4. März 1869 ........................... TB I: 66
19./ 20. April 1869 ....................... TB I: 87
5./ 6. Mai 1869............................. TB I: 93
26./ 27. Juni 1869 ......................... TB I: 117
11./ 12. Juli 1869 .......................... TB I: 126
18./ 19. Sept. 1869........................ TB I: 152f.
10./ 11. Nov. 1869 ....................... TB I: 168
4./ 5. Dez. 1869............................ TB I: 176
18./ 19. Jan. 1870 ......................... TB I: 189
5./ 6. Feb. 1870 ............................ TB I: 196
14./ 15. Feb. 1870 ........................ TB I: 198
24./ 25. April 1870 ....................... TB I: 223
1./ 2. Aug. 1870 ........................... TB I: 263f.
23./ 24. Sept. 1870........................ TB I: 290
24./ 25. Sept. 1870........................ TB I: 289f.
4./ 5. Okt. 1870............................ TB I: 295
17./ 18. Okt. 1870 ........................ TB I: 301
19./ 20. Okt. 1870 ........................ TB I: 301
24./ 25. Okt. 1870 ........................ TB I: 303f.
29./ 30. Nov. 1870 ....................... TB I: 317f.
2./ 3. Jan. 1871 ............................. TB I: 336
9./ 10. Feb. 1871 .......................... TB I: 354
4./ 5. März 1871 ........................... TB I: 367
12./ 13. März 1871 ....................... TB I: 369
15./ 16. März 1871 ....................... TB I: 370
17./ 18. März 1871 ....................... TB I: 371
April 1871..................................... TB I: 468
10./ 11. Juli 1871 .......................... TB I: 412f.
Um 15. Juli 1871 .......................... TB I: 418
20./ 21. Juli 1871 .......................... TB I: 418
21./ 22. Juli 1871 .......................... TB I: 419
21./ 22. Juli 1871 .......................... TB I: 419
24./ 25. Juli 1871 .......................... TB I: 420
240
98.
99.
100.
101.
102.
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130.
131.
132.
133.
134.
135.
10./ 11. Aug. 1871........................ TB I: 426
25./ 26. Aug. 1871........................ TB I: 430
13./ 14. Sept. 1871........................ TB I: 438f.
13./ 14. Sept. 1871........................ TB I: 439
Nov. 1871 .................................... TB I: 462
Nov. 1871 .................................... TB I: 463
19./ 20. Dez. 1871 ........................ TB I: 469
19./ 20. Jan. 1872 ......................... TB I: 482
25./ 26. Jan. 1872 ......................... TB I: 489
25./ 26. Feb. 1872 ........................ TB I: 494
27./ 28. Feb. 1872 ........................ TB I: 495
29. Feb./ 1. März 1872 ................. TB I: 495
23./ 24. März 1872 ....................... TB I: 504
10./ 11. April 1872 ....................... TB I: 509
14./ 15. April 1872 ....................... TB I: 511
15./ 16. April 1872 ....................... TB I: 511
21./ 22. Mai 1872 ......................... TB I: 522
22./ 23. Mai 1872 ......................... TB I: 523
13./ 14. Juni 1872 ......................... TB I: 534
29./ 30. Juni 1872 ......................... TB I: 541
17./ 18. Juli 1872 .......................... TB I: 549
8./ 9. Aug. 1872 ........................... TB I: 559
12./ 13. Aug. 1872........................ TB I: 560
25./ 26. Sept. 1872........................ TB I: 576f.
25./ 26. Sept. 1872........................ TB I: 577
25./ 26. Sept. 1872........................ TB I: 577
19./ 20. Nov. 1872 ....................... TB I: 599
28./ 29. Nov. 1872 ....................... TB I: 603
9./ 10. Dez. 1872.......................... TB I: 61014
20./ 21. Dez. 1872 ........................ TB I: 614
21./ 22. Dez. 1872 ........................ TB I: 614
Dez. 1872 ..................................... TB I: 617
26./ 27. Dez. 1872 ........................ TB I: 618
5./ 6. Jan. 1873 ............................. TB I: 624
28./ 29. Jan. 1873 ......................... TB I: 634
Vermutl. 24./ 25. März 1873......... TB I: 660
27./ 28. März 1873 ....................... TB I: 662
29./ 30. März 1873 ....................... TB I: 664
14 "Cauchemars"
241
136.
137.
138.
139.
140.
141.
142.
143.
144.
145.
146.
147.
148.
149.
150.
151.
152.
153.
154.
155.
156.
157.
158.
159.
160.
161.
162.
163.
164.
165.
166.
167.
168.
169.
170.
171.
172.
173.
4./ 5. April 1873 ........................... TB I: 667
7./ 8. April 1873 ........................... TB I: 668
10./ 11. Mai 1873 ......................... TB I: 681
10./ 11. Mai 1873 ......................... TB I: 681
14./ 15. Mai 1873 ......................... TB I: 683
14./ 15. Mai 1873 ......................... TB I: 683
21./ 22. Mai 1873 ......................... TB I: 687
22./ 23. Mai 1873 ......................... TB I: 687
30. Juni/ 1. Juli 1873..................... TB I: 701
8./ 9. Juli 1873.............................. TB I: 704
19./ 20. Juli 1873 .......................... TB I: 707
24./ 25. Juli 1873 .......................... TB I: 709
8./ 9. Sept. 1873 ........................... TB I: 724
1./ 2. Okt. 1873............................ TB I: 734
3./ 4. Okt. 1873............................ TB I: 734
14./ 15. Okt. 1873 ........................ TB I: 740
4./ 5. Nov. 1873 ........................... TB I: 748
7./ 8. Nov. 1873 ........................... TB I: 749
21./ 22. Nov. 1873 ....................... TB I: 755
23./ 24. Nov. 1873 ....................... TB I: 756
27./ 28. Nov. 1873 ....................... TB I: 757
14./ 15. Jan. 1874 ......................... TB I: 781f.
16./ 17. Jan. 1874 ......................... TB I: 782
16./ 17. Jan. 1874 ......................... TB I: 782
7./ 8. Feb. 1874 ............................ TB I: 791
17./ 18. Feb. 1874 ........................ TB I: 793
19./ 20. Feb. 1874 ........................ TB I: 794
28. Feb./ 1. März 1874 ................. TB I: 796
28. Feb./ 1. März 1874 ................. TB I: 796
4./ 5. März 1874 ........................... TB I: 798
Um 18. April 1874........................ TB I: 813
Um 18. April 1874........................ TB I: 813
5./ 6. Mai 1874............................. TB I: 815
6./ 7. Mai 1874............................. TB I: 815
8./ 9. Mai 1874............................. TB I: 81715
13./ 14. Mai 1874 ......................... TB I: 819
14./ 15. Mai 1874 ......................... TB I: 820
31. Mai/ 1. Juni 1874.................... TB I: 824
15 "Halluzinationen"
242
174.
175.
176.
177.
178.
179.
180.
181.
182.
183.
184.
185.
186.
187.
188.
189.
190.
191.
192.
193.
194.
195.
196.
197.
198.
199.
200.
201.
202.
203.
204.
205.
206.
207.
208.
209.
210.
211.
6. Juni 1874 .................................. TB I: 826
10./ 11. Juni 1874 ......................... TB I: 827
7./ 8. Juli 1874.............................. TB I: 835
17./ 18. Juli 1874 .......................... TB I: 838
23./ 24. Juli 1874 .......................... TB I: 840
21./ 22. Aug. 1874........................ TB I: 846
22./ 23. Aug. 1874........................ TB I: 846
7./ 8. Sept. 1874 ........................... TB I: 851
24./ 25. Sept. 1874........................ TB I: 853
26./ 27. Sept. 1874........................ TB I: 854
28./ 29. Okt. 1874 ........................ TB I: 863
28./ 29. Okt. 1874 ........................ TB I: 863
3./ 4. Nov. 1874 ........................... TB I: 865
16./ 17. Nov. 1874 ....................... TB I: 870
Vermutl. um Nov. 1874................ TB I: 871
14./ 15. Dez. 1874 ........................ TB I: 877
17./ 18. Dez. 1874 ........................ TB I: 878
18./ 19. Dez. 1874 ........................ TB I: 878
1./ 2. Jan. 1875 ............................. TB I: 885
19./ 20. Jan. 1875 ......................... TB I: 889f.
20. Jan. 1875 ................................. TB I: 89016
23./ 24. Jan. 1875 ......................... TB I: 890
23./ 24. Jan. 1875 ......................... TB I: 890
31. Jan./ 1. Feb. 1875.................... TB I: 892
1./ 2. Feb. 1875 ............................ TB I: 892
1./ 2. Feb. 1875 ............................ TB I: 893
8./ 9. Feb. 1875 ............................ TB I: 894
27./ 28. März 1875 ....................... TB I: 905
2./ 3. April 1875 ........................... TB I: 907
7./ 8. April 1875 ........................... TB I: 908
27./ 28. April 1875 ....................... TB I: 914
13./ 14. Mai 1875 ......................... TB I: 916f.
22./ 23. Juni 1875 ......................... TB I: 925
2./ 3. Okt. 1875............................ TB I: 939
8./ 9. Okt. 1875............................ TB I: 941
10./ 11. Okt. 1875 ........................ TB I: 942
16./ 17. Okt. 1875 ........................ TB I: 943
3./ 4. Nov. 1875 ........................... TB I: 947
16 "Er [...] wacht auf mit dem Bilde des zusammengefahrenen [Hundes] Rus!"
243
212.
213.
214.
215.
216.
217.
218.
219.
220.
221.
222.
223.
224.
225.
226.
227.
228.
229.
230.
231.
232.
233.
234.
235.
236.
237.
238.
239.
240.
241.
242.
243.
244.
245.
246.
247.
Ende Nov. 1875............................ TB I: 951
22./ 23. Dez. 1875 ........................ TB I: 954f.
25./ 26. Dez. 1875 ........................ TB I: 955
26./ 27. Dez. 1875 ........................ TB I: 955
29./ 30. Dez. 1875 ........................ TB I: 956
Um Anfang Jan. 1876.................... TB I: 961
5./ 6. Jan. 1876 ............................. TB I: 963
8./ 9. Jan. 1876 ............................. TB I: 964
6./ 7. Feb. 1876 ............................ TB I: 968f.
30./ 31. März 1876 ....................... TB I: 978
3./ 4. Mai 1876............................. TB I: 985
27./ 28. Juni 1876 ......................... TB I: 99317
20./ 21. Okt. 1876 ........................ TB I: 1009
20./ 21. Okt. 1876 ........................ TB I: 1009
6./ 7. Jan. 1877 ............................. TB I: 1023
19./ 20. Jan. 1877 ......................... TB I: 1025
17./ 18. Feb. 1877 ........................ TB I: 1032
4./ 5. April 1877 ........................... TB I: 1042
22. Mai 1877................................. Gla. V: 35618
11./ 12. Juli 1877 .......................... TB I: 1058
13./ 14. Juli 1877 .......................... TB I: 1060
9./ 10. Aug. 1877.......................... TB I: 1065
26./ 27. Aug. 1877........................ TB I: 1068
30./ 31. Aug. 1877........................ TB I: 1069
1./ 2. Sept. 1877 ........................... TB I: 1070
21./ 22. Okt. 1877 ........................ TB I: 1078
8./ 9. Nov. 1877 ........................... TB I: 1083f.
15./ 16. Nov. 1877 ....................... TB I: 1086
16./ 17. Nov. 1877 ....................... TB I: 1086
26./ 27. Nov. 1877 ....................... TB I: 1089
1./ 2. Dez. 1877............................ TB I: 1090f.
17./ 18. Dez. 1877 ........................ TB I: 1097
23./ 24. Dez. 1877 ........................ TB I: 1099
25./ 26. Dez. 1877 ........................ TB I: 1100
3./ 4. Jan. 1878 ............................. TB II: 33
4./ 5. Jan. 1878 ............................. TB II: 34
17 Zwischen diesem und dem nächsten Traum lagen Eröffnung und Verlauf der ersten Bayreuther Festspiele!
Soweit zu sehen ist, existiert also leider keine einzige Meldung über Träume aus diesem Zeitraum.
18 "völlig traumhafter[...] Zustand"
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283.
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9./ 10. Jan. 1878 ........................... TB II: 35
16. Jan. 1878 ................................. TB II: 37
20./ 21. Jan. 1878 ......................... TB II: 38
7./ 8. Feb. 1878 ............................ TB II: 44
8./ 9. Feb. 1878 ............................ TB II: 44
14./ 15. Feb. 1878 ........................ TB II: 46
13./ 14. März 1878 ....................... TB II: 58
15./ 16. März 1878 ....................... TB II: 60f.
16./ 17. März 1878 ....................... TB II: 62
28./ 29. März 1878 ....................... TB II: 72
31. März/ 1. April 1878 ................ TB II: 75
1./ 2. April 1878 ........................... TB II: 77
22./ 23. April 1878 ....................... TB II: 86
23./ 24. April 1878 ....................... TB II: 86
6./ 7. Mai 1878............................. TB II: 91
30./ 31. Mai 1878 ......................... TB II: 103
2./ 3. Juni 1878............................. TB II: 105
17./ 18. Juni 1878 ......................... TB II: 119
20./ 21. Juni 1878 ......................... TB II: 120
22. Juni 1878 ................................ TB II: 121f.
25./ 26. Juni 1878 ......................... TB II: 124
26./ 27. Juni 1878 ......................... TB II: 125
28./ 29. Juni 1878 ......................... TB II: 127
2./ 3. Juli 1878.............................. TB II: 129
4./ 5. Juli 1878.............................. TB II: 132
8./ 9. Juli 1878.............................. TB II: 134
10./ 11. Juli 1878 .......................... TB II: 135
23./ 24. Juli 1878 .......................... TB II: 145
1./ 2. Aug. 1878 ........................... TB II: 152
9./ 10. Aug. 1878.......................... TB II: 157
13./ 14. Aug. 1878........................ TB II: 158f.
17./ 18. Aug. 1878........................ TB II: 162
4./ 5. Sept. 1878 ........................... TB II: 169
5./ 6. Sept. 1878 ........................... TB II: 169
9./ 10. Sept. 1878 ......................... TB II: 173
10./ 11. Sept. 1878........................ TB II: 174
26./ 27. Sept. 1878........................ TB II: 184
3./ 4. Okt. 1878............................ TB II: 190
12. Okt. 1878 ............................... TB II: 198
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12. Okt. 1878 ............................... TB II: 198
18./ 19. Okt. 1878 ........................ TB II: 203
18./ 19. Okt. 1878 ........................ TB II: 203
20./ 21. Okt. 1878 ........................ TB II: 205
25. Okt. 1878 ............................... TB II: 209
29./ 30. Okt. 1878 ........................ TB II: 213
31. Okt./ 1. Nov. 1878................. TB II: 215
5./ 6. Nov. 1878 ........................... TB II: 219
9./ 10. Nov. 1878 ......................... TB II: 223
11./ 12. Nov. 1878 ....................... TB II: 227
12./ 13. Nov. 1878 ....................... TB II: 228
21./ 22. Nov. 1878 ....................... TB II: 237
23./ 24. Nov. 1878 ....................... TB II: 239
24./ 25. Nov. 1878 ....................... TB II: 239
26./ 27. Nov. 1878 ....................... TB II: 242
6./ 7. Dez. 1878............................ TB II: 251
14./ 15. Dez. 1878 ........................ TB II: 259
15./ 16. Dez. 1878 ........................ TB II: 260f.
18./ 19. Dez. 1878 ........................ TB II: 264
23./ 24. Dez. 1878 ........................ TB II: 269
(23./ 24. Dez. 1878....................... TB II: 269) 19
26./ 27. Dez. 1878 ........................ TB II: 273
26./ 27. Dez. 1878 ........................ TB II: 273
Um 1879 ...................................... TB II: 426
2./ 3. Jan. 1879 ............................. TB II: 282f.
9./ 10. Jan. 1879 ........................... TB II: 287
10./ 11. Jan. 1879 ......................... TB II: 288
11./ 12. Jan. 1879 ......................... TB II: 288, TB II: 304
11./ 12. Jan. 1879 ......................... TB II: 288
15./ 16. Jan. 1879 ......................... TB II: 292
29./ 30. Jan. 1879 ......................... TB II: 299
Feb. 1879...................................... TB II: 303
3./ 4. Feb. 1879 ............................ TB II: 303
15./ 16. Feb. 1879 ........................ TB II: 305
21./ 22. Feb. 1879 ........................ TB II: 308f.
22./ 23. Feb. 1879 ........................ TB II: 308f.
27./ 28. Feb. 1879 ........................ TB II: 309
19 Von Wagner revidiert als Erfindung. Vgl.: TB vom 25. 12. 1878. [Wagner, 1977], S. 270. Wir belassen den
Eintrag aber in der laufenden Zählung, insofern hier mit repräsentativen Traumbildern gespielt wurde.
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361.
362.
20./ 21. März 1879 ....................... TB II: 318
25./ 26. März 1879 ....................... TB II: 322
18./ 19. April 1879 ....................... TB II: 333
18./ 19. April 1879 ....................... TB II: 333
4./ 5. Mai 1879............................. TB II: 342
4./ 5. Mai 1879............................. TB II: 342
5./ 6. Mai 1879............................. TB II: 343
7./ 8. Mai 1879............................. TB II: 345
9./ 10. Mai 1879 ........................... TB II: 346
9./ 10. Mai 1879 ........................... TB II: 346
16./ 17. Mai 1879 ......................... TB II: 350
17. Mai 1879................................. TB II: 351
17. Mai 1879................................. TB II: 351
17. Mai 1879................................. TB II: 351
17. Mai 1879................................. TB II: 351
17. Mai 1879................................. TB II: 351
17. Mai 1879................................. TB II: 351
17. Mai 1879................................. TB II: 351
17. Mai 1879................................. TB II: 351
28./ 29. Mai 1879 ......................... TB II: 356
3./ 4. Juni 1879............................. TB II: 359
12./ 13. Juni 1879 ......................... TB II: 364
13./ 14. Juni 1879 ......................... TB II: 365
23./ 24. Juni 1879 ......................... TB II: 371
26./ 27. Juni 1879 ......................... TB II: 372
27./ 28. Juni 1879 ......................... TB II: 373f.
2./ 3. Juli 1879.............................. TB II: 376
20./ 21. Juli 1879 .......................... TB II: 385
31. Juli/ 1. Aug. 1879 ................... TB II: 391
8./ 9. Aug. 1879 ........................... TB II: 395
10./ 11. Aug. 1879........................ TB II: 397
11./ 12. Aug. 1879........................ TB II: 397
3./ 4. Sept. 1879 ........................... TB II: 403f.
9. Sept. 1879 ................................. TB II: 406
14./ 15. Sept. 1879........................ TB II: 409
Mitte/ Ende Sept. 1879................. TB II: 425
1./ 2. Okt. 1879............................ TB II: 419
26./ 27. Okt. 1879 ........................ TB II: 431
7./ 8. Nov. 1879 ........................... TB II: 438
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393.
394.
395.
396.
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24./ 25. Nov. 1879 ....................... TB II: 448
26./ 27. Nov. 1879 ....................... TB II: 451
30. Nov./ 1. Dez. 1879 ................. TB II: 455
1./ 2. Dez. 1879............................ TB II: 456
2./ 3. Dez. 1879............................ TB II: 45720
3./ 4. Dez. 1879............................ TB II: 457
5. Dez. 1879 ................................. TB II: 45821
6./ 7. Dez. 1879............................ TB II: 45822
14./ 15. Dez. 1879 ........................ TB II: 460
20./ 21. Dez. 1879 ........................ TB II: 463
22./ 23. Dez. 1879 ........................ TB II: 464
22./ 23. Dez. 1879 ........................ TB II: 464
22./ 23. Dez. 1879 ........................ TB II: 464
13./ 14. Jan. 1880 ......................... TB II: 476
28./ 29. Jan. 1880 ......................... TB II: 485
28./ 29. Jan. 1880 ......................... TB II: 485
6./ 7. Feb. 1880 ............................ TB II: 489
8./ 9. Feb. 1880 ............................ TB II: 48923
7./ 8. März 1880 ........................... TB II: 500
15./ 16. März 1880 ....................... TB II: 504f.
20./ 21. März 1880 ....................... TB II: 508
2./ 3. April 1880 ........................... TB II: 515
3./ 4. April 1880 ........................... TB II: 517
9./ 10. April 1880 ......................... TB II: 519
10./ 11. April 1880 ....................... TB II: 519
19./ 20. April 1880 ....................... TB II: 523
27./ 28. April 1880 ....................... TB II: 526
4./ 5. Mai 1880............................. TB II: 529
4./ 5. Mai 1880............................. TB II: 529
13./ 14. Mai 1880 ......................... TB II: 532
16./ 17. Juni 1880 ......................... TB II: 546
1./ 2. Juli 1880.............................. TB II: 560f.
7./ 8. Juli 1880.............................. TB II: 565
15. Juli 1880.................................. TB II: 570
Anfang Aug. 1880 ......................... TB II: 579
20 "»Thénardier«-artige Erscheinungen"
21 "ein Zustand von halb Wachen und halb Träumen"
22 "kleine Halluzinationen"
23 "vieles Phantasieren"
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428.
429.
430.
431.
Zw. 17. u. 19. Aug. 1880 .............. CW an DvB: 103, TB II: 58424
25./ 26. Aug. 1880........................ TB II: 587
26./ 27. Aug. 1880........................ TB II: 587f.
27./ 28. Aug. 1880........................ TB II: 588
27./ 28. Aug. 1880........................ TB II: 588
1./ 2. Sept. 1880 ........................... TB II: 591
6./ 7. Sept. 1880 ........................... TB II: 596
23./ 24. Sept. 1880........................ TB II: 604
Anfang Okt. 1880 ......................... TB II: 609
Anfang Okt. 1880 ......................... TB II: 609
13./ 14. Okt. 1880 ........................ TB II: 611
15./ 16. Okt. 1880 ........................ TB II: 612
22./ 23. Okt. 1880 ........................ TB II: 613f.
7. Nov. 1880................................. TB II: 617
7./ 8. Nov. 1880 ........................... TB II: 618
12./ 13. Nov. 1880 ....................... TB II: 62025
20./ 21. Nov. 1880 ....................... TB II: 623
1./ 2. Dez. 1880............................ TB II: 629
2./ 3. Dez. 1880............................ TB II: 630
29./ 30. Dez. 1880 ........................ TB II: 650
10./ 11. Jan. 1881 ......................... TB II: 663
16./ 17. Jan. 1881 ......................... TB II: 667
24./ 25. Jan. 1881 ......................... TB II: 674f.
25./ 26. Jan. 1881 ......................... TB II: 675
30./ 31. Jan. 1881 ......................... TB II: 679f.
Vermutl. um Anfang Feb. 1881 ..... TB II: 682
14./ 15. Feb. 1881 ........................ TB II: 691
25./ 26. Feb. 1881 ........................ TB II: 701
22./ 23. März 1881 ....................... TB II: 715
3./ 4. April 1881 ........................... TB II: 721
6./ 7. April 1881 ........................... TB II: 723
9./ 10. April 1881 ......................... TB II: 725
11./ 12. April 1881 ....................... TB II: 726
16./ 17. April 1881 ....................... CW an DvB: 199
24 Die Datumsquelle dieses Traumes bleibt uneindeutig, Cosima verzeichnet denselben Trauminhalt vermut-
lich aus Unachtsamkeit (die ganze Familie ist auf Italienreise) unter zwei verschiedenen Daten. Am 19. August
1880 schrieb sie in ihr Tagebuch, "R." habe "beängstigende Träume über die Kinder" gehabt, in einem Brief
an ihre Tochter Daniela berichtete sie allerdings schon einen Tag früher von "wildeste[n] Träume[n] von den
Kindern und von Unglück, das diesen widerfährt."
25 "wilde, unruhige Nacht, er ruft aus"
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465.
466.
467.
21./ 22. April 1881 ....................... TB II: 729
27./ 28. April 1881 ....................... TB II: 731, CW an DvB: 211
7./ 8. Mai 1881............................. TB II: 736
13./ 14. Mai 1881 ......................... TB II: 738
16./ 17. Mai 1881 ......................... TB II: 738f.
20./ 21. Mai 1881 ......................... TB II: 740
29./ 30. Mai 1881 ......................... TB II: 74326
6./ 7. Juni 1881............................. TB II: 745
19./ 20. Juli 1881 .......................... TB II: 766
19./ 20. Juli 1881 .......................... TB II: 766
18./ 19. Aug. 1881........................ TB II: 782
1./ 2. Okt. 1881............................ TB II: 802
4./ 5. Okt. 1881............................ TB II: 803
4./ 5. Okt. 1881............................ TB II: 803
13./ 14. Nov. 1881 ....................... TB II: 824f.
20./ 21. Nov. 1881 ....................... CW an DvB: 24427
26./ 27. Nov. 1881 ....................... TB II: 832
14./ 15. Dez. 1881 ........................ TB II: 848
31. Dez./ 1. Jan. 1882 ................... TB II: 863
3./ 4. Jan. 1882 ............................. TB II: 865
2./ 3. Feb. 1882 ............................ TB II: 886
6./ 7. Feb. 1882 ............................ TB II: 886
20./ 21. Feb. 1882 ........................ TB II: 89528
25./ 26. Feb. 1882 ........................ TB II: 898
25./ 26. Feb. 1882 ........................ TB II: 898
6./ 7. März 1882 ........................... TB II: 905
9./ 10. März 1882 ......................... TB II: 908
4./ 5. April 1882 ........................... TB II: 924
3./ 4. Mai 1882............................. TB II: 941
30./ 31. Mai 1882 ......................... TB II: 950
14. Juni 1882 ................................ TB II: 960
15./ 16. Juni 1882 ......................... TB II: 961f.
15./ 16. Juni 1882 ......................... TB II: 961f.
26./ 27. Juni 1882 ......................... TB II: 970
27./ 28. Juni 1882 ......................... TB II: 971
4. Juli 1882 ................................... TB II: 975
26 "Öfters wacht R. auf, rufend"
27 Cosima schreibt in einem Brief vom 21. November 1881 an Daniela: "[W]ir [...] hatten Alle wilde gespen-
stische Träume". Ich gehe hier davon aus, daß die Angabe 'Alle' Wagner miteinschließt.
28 "im halbwachen Zustand"
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478.
479.
480.
481.
482.
483.
484.
485.
486.
487.
488.
489.
490.
491.
492.
493.
494.
495.
496.
497.
498.
499.
8./ 9. Juli 1882.............................. TB II: 976
16./ 17. Juli 1882 .......................... TB II: 98029
21./ 22. Juli 1882 .......................... TB II: 98230
25./ 26. Juli 1882 .......................... TB II: 984
29./ 30. Juli 1882 .......................... TB II: 98531
7./ 8. Sept. 1882 ........................... TB II: 999
14./ 15. Sept. 1882........................ TB II: 100232
18./ 19. Sept. 1882........................ TB II: 1004
18./ 19. Sept. 1882........................ TB II: 1004
26./ 27. Sept. 1882........................ TB II: 1007
27./ 28. Sept. 1882........................ TB II: 1008
1./ 2. Okt. 1882............................ TB II: 1013
12./ 13. Okt. 1882 ........................ TB II: 1022
23./ 24. Okt. 1882 ........................ TB II: 1030
25./ 26. Okt. 1882 ........................ TB II: 1032
25./ 26. Okt. 1882 ........................ TB II: 1032
27./ 28. Okt. 1882 ........................ TB II: 1034
28./ 29. Okt. 1882 ........................ TB II: 1035
30./ 31. Okt. 1882 ........................ TB II: 1036
6./ 7. Nov. 1882 ........................... TB II: 1040
12./ 13. Nov. 1882 ....................... TB II: 104533
14./ 15. Nov. 1882 ....................... TB II: 1048
26./ 27. Nov. 1882 ....................... TB II: 1057f.
12./ 13. Dez. 1882 ........................ TB II: 1068
14./ 15. Dez. 1882 ........................ TB II: 1070
17./ 18. Dez. 1882 ........................ TB II: 1073
18./ 19. Dez. 1882 ........................ TB II: 107634
20./ 21. Dez. 1882 ........................ TB II: 107635
29./ 30. Dez. 1882 ........................ TB II: 1081
4./ 5. Jan. 1883 ............................. TB II: 1086
5./ 6. Jan. 1883 ............................. TB II: 108736
10./ 11. Jan. 1883 ......................... TB II: 1089
29 "spricht fast ununterbrochen die Nacht"
30 "viel gesprochen im Schlaf"
31 "spricht sehr sehr viel im Schlaf"
32 "schläft, aber unruhig und viel laut redend"
33 "an seine drei cauchemars gedacht"
34 "viel [gesprochen im Schlaf]"
35 "etwas gesprochen im Schlaf"
36 "halb schlafend, halb wachend"
251
500.
501.
502.
503.
504.
505.
506.
507.
508.
509.
510.
511.
512.
513.
514.
515.
516.
517.
518.
519.
520.
521.
522.
523.
524.
525.
526.
527.
15./ 16. Jan. 1883 ......................... TB II: 1092
17./ 18. Jan. 1883 ......................... TB II: 1094
17./ 18. Jan. 1883 ......................... TB II: 1094
19./ 20. Jan. 1883 ......................... TB II: 1095f.
21./ 22. Jan. 1883 ......................... TB II: 109737
26./ 27. Jan. 1883 ......................... TB II: 1101
31. Jan./ 1. Feb. 1883.................... TB II: 110438
3./ 4. Feb. 1883 ............................ TB II: 1106
6. Feb. 1883 .................................. TB II: 110839
9./ 10. Feb. 1883 .......................... TB II: 1110
10./ 11. Feb. 1883 ........................ TB II: 1111
Vermutl. 11./ 12. Feb. 1883.......... Gla. VI: 769
11./ 12. od. 12./ 13. Feb. 1883 ..... TB II: 111440
o. D. ............................................. ML: 14
o. D. ............................................. ML: 64241
o. D. ............................................. TB I: 79f.
o. D. ............................................. TB I: 490
o. D. ............................................. TB I: 577
o. D. ............................................. TB I: 715
o. D. ............................................. TB I: 923
o. D. ............................................. TB II: 627
o. D. ............................................. TB II: 830
o. D. ............................................. TB II: 848
o. D. ............................................. TB II: 966
o. D. ............................................. TB II: 966
o. D. ............................................. TB II: 966
o. D .............................................. TB II: 966
o. D. ............................................. TB II: 966
________
37 "beinahe die ganze Nacht über spricht er"
38 "viel lautes Sprechen [in der Nacht]"
39 "beim Einschlafen"
40 Notabene: Dieser Eintrag, der nicht mehr von Cosima, sondern bereits von Daniela von Bülow vorgenom-
men wurde, verzeichnet den vermutlich letzten Traum Wagners aus der Nacht vor seinem Tod.
41 "eitel-hochmütige Phantasmen"
252
Abbildungen
Abb. 1: "Mir wurde es in diesem Augenblick wie durch eine Vision klar, daß sich mein
ganzes Wesen wie in zwei übereinander fließenden Strömungen befand, welche in ganz
verschiedener Richtung mich dahinzögen: die obere, der Sonne zugewendete, riß mich
wie einen Träumenden fort, während die untere in tiefem unverständlichem Bangen
meine Natur gefesselt hielt" Mein Leben. [Wagner, 1976c], S. 142. Szenenbild Richard
und Minna Wagner aus Richard Wagner, een filmbiographie. Dt., 1913
Abb. 2: "Auf, aus der Träume/ wonnigem Trug!/ Erwache, Mann, und erwäge!"
Szenenbild Wotan und Fricka. Rheingold, 2. Theater Bonn. 1997
253
Abb. 3: Wagner-Wotan. Szenenbild aus Rheingold, 4. Meininger Theater.
2001
255
Abb. 4: Wagner-Büste: der schlafende Fafner. Szenenbild aus Siegfried, 2.
Meininger Theater. 2001
Abb. 5: Kundry: "Fragt nicht weiter!/ Ich bin müde."
Szenenbild aus Hans Jürgen Syberbergs Parsifal-Film.
1982
257
Abb. 6: Das "sprechend ähnliche Porträt Wagners (im geblümten Schlafrock)". 1840/42
Abb. 7: Wagner in seinem "alten venezianischen Sammetschlafrock". 1862
259
Abb. 8: Wagner und der nach [Weber, 1993a], S. 97
"schwarze samtene Hausrock mit kontrastierenden
gesteppten Aufschlägen und das hier zum ersten Mal
sichtbare Samtbarett". 1867
Abb. 9: Wagner, Schlafrock, Barett. 1867
261
Abb. 10: War ihm "der schwarze Atlasflaus zu kühl, so hing
der Meister seinen großen Pelz um." [Perl, 1883], S. 37 – die
nach [Weber, 1993a], S. 97 "auffällige Kleidung nun bewußt
eingesetzt". 1871
Abb. 11: .."dithyrambische[s] Gelage" mit Wagner im Schlafrock. [Wagner, 1976c], S. 205.
Silvester 1840/41
263
Abb. 12: Der 'Atlas' im Schlafrock. Karikatur. 1877
Abb. 13: "Ein deutscher Mann im Schlafrock": Frou-Frou
Wagner. Karikatur. 1877
265
Abb. 14: Das "wunderliche Gebiet der Stimulation". Karikatur. O. J.
Abb. 15: "Geistermahnung". Szenenbild Sieglinde, Walküre, 1. Staatsoper Stuttgart. 1999
Abb. 16: Ein "reizendes Dämonium". Szenenbild aus Richard Wagner, een filmbiographie. Dt., 1913
267
Abb. 17: Das "angenehm Weichliche zieht man gern an"...
Abb. 18: ...Szenenbilder aus Richard Wagner, een filmbiographie.
Dt., 1913: erstaunliche Ähnlichkeiten zu...
Abb. 19: ...jener Karikatur, die 1865 unter dem Titel
Ein neuer Orpheus erschienen war.
269
Abb. 20: "Nur an einem Schmuck dieser Räume hatte ich sehr zu leiden: das waren die verschiedenen Porträts,
namentlich der vornehmen Damen im Reifrock mit jugendlichen Gesichtern und weißen (gepuderten)
Haaren...
Abb. 21: ... Diese kamen mir durchaus als gespenstige Wesen vor, ...
271
Abb. 22: ...die mir, wenn ich allein im Zimmer war, lebendig zu werden schienen und mich mit höchster Furcht
erfüllten. ...
Abb. 23: ... Das einsame Schlafen in einem solchen abgelegenen großen Gemach, in dem altertümlichen
Prachtbett, in der Nähe eines solchen unheimlichen Bildes, war mir entsetzlich; ...
273
Abb. 24: ...nie [verging] eine Nacht, ohne daß ich in Angstschweiß gebadet den schrecklichsten GespensterVisionen ausgesetzt war." Szenenbilder aus Richard Wagner, een filmbiographie. Dt., 1913
Abb. 25: Regeneration als Grundlage der Konzentration. Szenenbild aus Richard Wagner, een filmbiographie. Dt.,
1913
275
Abb. 26: Wagners Arbeitszimmer: Tisch und Bett nicht getrennt. Eigenhändige Skizze
Wagners für seine Wohnung in Penzing. 1863
Abb. 27: "»Ich bin kein gewöhnlicher Schlafrock [...] in mir
schlägt das Herz des großen deutschen Reformators der
deutschen Kunst; mich trägt Wagner«". [Spitzer, 1906], S. 48.
Eigenhändige Skizze Wagners für einen Schlafrock. 1867
277
Abb. 28: Die Quantifizierung der Träume Wagners durch P. Muller
Abb. 29: Deutsche Studententracht
(1815)
Abb. 30: Deutsches Burschenschaftskostüm (um 1830)
Abb. 32: "Meister in Tönen eines [...] schläfrigen Glücks". Immer in Furcht [...], schickt
Deutschland den Tannhäuser, um Frankreich einzuschläfern. Karikatur. 1861
279
Abb. 31: Wagner (1871)
Abb. 33: "Der...
Abb. 34: ...Schutzpatron...
Abb. 35: ....des...
Abb. 36: ...deutschen Reichs".
Karikaturen. O. J.
281
Abb. 37: "Fast schien es schon, er wollt' sich regen".
Der Deutsche Michel. Buchillustration. O. J.
Abb. 38: Wagners Werke als Allheilmittel für den Deutschen
Michel. Wagner sel. Erben. Karikatur. 1905
Abb. 39: 'Wie verändert sich
plötzlich jene [...] Wildniss
unserer ermüdeten Cultur'. Der
'Tannhäuser' in Berlin. Karikatur.
O. J.
283
Abb. 40: Nachtaktives Tier: der "Geist des Meisters".
Wagner se recueillant. Karikatur. 1891
Abb. 41: "Träume! Das ist das Allerbeste!" Der prototypische Künstler in Gestalt Hans
von Bülows. Karikatur. 1865
285
Abb. 42: 'Heimkehr durch Abkehr' – "A huge drawer can be pulled out
from the piano frame, at floor-level, and contains a bed. [...] »It has been
found by actual use that this addition to a pianoforte does not in the
least impair its qualities as a musical instrument.«" [Wright, 1962], S. 252.
Verwandelbares Schlafzimmer-Piano. Konstruktionszeichnung. 1866
Abb. 43: Sonderanfertigung: das Bechstein-Kompositionsklavier Richard
Wagners. 1867
287
Abb. 44: Vergessen: "»Auf Felsen hoch ihr Sitz;/ ein Feuer umbrennt den Saal«...?" Szenenbild Siegfried, Götterdämmerung, 1. Staatsoper Stuttgart. 2000
Abb. 45: Erinnern: "das herrlichste Weib: –/ auf hohem Felsen sie schläft, [...] erweckt' er die Braut,/ Brünnhilde
wäre dann sein!" Szenenbild Siegfried, Götterdämmerung, 3. Staatsoper Stuttgart. 2000
289
Abb. 46: Ein Bühnenbild von Wagners Hand für den Lohengrin...
Abb. 47: ...und darin a) "in der Mitte des Hintergrundes
das reichgeschmückte Brautbett" [Wagner, 1952],
S. 47...
Abb. 48: ...und b) "an einem offenen Erkerfenster
ein niedriges Ruhebett" [Wagner, 1952], S. 47.
291
Abb. 49: Bühneneinrichtung Cosima Wagners für den 1. Aufzug Tristan und Isolde...
Abb. 50: ...und darin Isoldes Bett (Ansicht eines Innenraumes).
293
Abb. 51: Bühneneinrichtung Cosima Wagners für den 3. Aufzug Tristan und Isolde...
Abb. 52: ...und darin Tristans Bett (Ansicht eines Außenraumes).
295
Abb. 53: 'Schicksalsfäden'. Nornenszene, Götterdämmerung, 1. Deutsche Oper Berlin. 1984/85.Wagners leitmotivische Musik als...
Abb. 54: ...eine Form der Elektroenzephalographie. EEG-Diagramm
297
Abb. 55: "Das Wesen der dramatischen Kunst [...] ist nicht zu fassen, als vermöge einer
völligen Umwandlung der Natur des Betrachters." Karikatur. O. J.
Abb. 56: Platitüde, Parodie, Paradox, Passion, Pamphlet
oder Programm? Postkarte aus dem Verkaufskontingent der Bayreuther Festspiele. Um 1997
Abb. 57: Das Auge, das sich wechselnd öffnet und schließt: der Wagner-Vorhang. Konstruktionszeichnung nach DIN-Norm 56920
299
Abb 58: "Lugt, Schwestern!/ Die Weckerin lacht in den Grund." – "Durch den grünen
Schwall/ den wonnigen Schläfer sie grüßt." – "Jetzt küßt sie sein Auge, daß er es öffne;/
schaut, es lächelt/ in lichtem Schein". Szenenbild Rheintöchter. Rheingold, 1. Bayreuther
Festspiele. 1953
301
Abbildungsverzeichnis
Da im Verhältnis zum Zweck der vorliegenden Arbeit die Wiedergabe von Originalbildern, -blättern und fotografischen Vorlagen zu aufwendig oder ganz unmöglich gewesen
wäre, bin ich hier auf Reproduktionen angewiesen, damit aber auch auf die Quellenangaben derer, die für diese Reproduktionen verantwortlich zeichnen. Zwangsläufig habe
ich also auf die Richtig- und Vollständigkeit der bestehenden Nachweise vertraut. In all
jenen Fällen, in denen ein Bild offensichtlich unvollständig oder widersprüchlich hergeleitet wurde, habe ich dies stillschweigend ergänzt bzw. berichtigt, soweit es möglich
war. Für den Rest hoffe ich auf Nachsicht. Die Quellenangaben erschließen sich über das
Literaturverzeichnis.
Abb. 1: Fotografie. Ausschnitt aus dem Film Richard Wagner, een filmbiographie von Carl
Froelich (Dtschl., 1913, 35mm, Messters Projektion GmbH). Giuseppe Becce in der
Rolle Richard Wagners, Manny Ziener als Minna Wagner. Unveröffentlichtes Bildmaterial. Vorlage aus dem Archiv des Filmmuseums Amsterdam
Abb. 2: Fotografie. Thilo Beu. Szenenbild aus der 2. Szene des Rheingold von Richard
Wagner. Inszenierung des Theaters Bonn/ Siegfried Schönbohm, 1997
Abb. 3: Fotografie. Roland Reissig. Szenenbild aus der 4. Szene des Rheingold von
Richard Wagner. Inszenierung des Meininger Theaters/ Christine Mielitz, 2001
Abb. 4: Fotografie. Roland Reissig. Szenenbild aus dem 2. Aufzug Siegfried von Richard
Wagner. Inszenierung des Meininger Theaters/ Christine Mielitz, 2001
Abb. 5: Fotografie (Download). Ausschnitt aus dem Film Parsifal von Hans Jürgen
Syberberg (Dtschl./ Fr., 1982, klass. NF, TMS Film München/ Bayerischer
Rundfunk/ Gaumont Paris). Edith Clever in der Rolle der Kundry. Aus:
http://www.syberberg.de/Syberberg4/EdithClever.html
Abb. 6: Bleistift auf Papier. Ernst Benedikt Kietz. Paris 1840/ 1842. 33 x 26 cm. Aus:
[Bory, 1938], S. 74
Abb. 7: Öl auf Leinwand. Cäsar Willich. Biebrich/ Rhein 1862. 35 x 26 cm. Aus: [Geck,
1970], Farbtafel II, S. 25
Abb. 8: Fotografie. Kat.Nr. B aus der Serie A - D. Vermutlich retouschierter Abzug von
Kat.Nr. A. Jules Bonnet. Tribschen Herbst 1867. Aus: [Geck, 1970], Abb. 19 B, o. S.
Abb. 9: Fotografie. Kat.Nr. C aus der Serie A - D. L. Pierson. Paris Ende Oktober/ Anfang November 1867. Aus: [Geck, 1970], Abb. 20 C, o. S.
303
Abb. 10: Fotografie. Kat.Nr. C aus der Serie A - F. Franz Hanfstaengl. München Dezember 1871. Aus: [Geck, 1970], Abb. 22 C, o. S.
Abb. 11: Bleistift auf Papier. Ernst Benedikt Kietz. Paris 1841. Aus: [Gregor-Dellin, 1982],
S. 57
Abb. 12: Karikatur (Ausschnitt). Der 'Atlas' in der Musik. Puck. 1877. Aus: [Kusche, 1967],
S. 18
Abb. 13: Karikatur. Frou-Frou-Wagner. F. Grätz. Der Floh. Wien 24. 6. 1877. Historisches
Museum der Stadt Wien. Aus: [Voss, 1975], Abb. 250, o. S.
Abb. 14: Karikatur. Unbekannter Urheber. Aus: [Fuchs/ Kreowski, 1907], o. S. [Inneneinband]
Abb. 15: Fotografie. Szenenbild aus dem 1. Aufzug der Walküre von Richard Wagner/
Ausschnitt aus der DVD-Produktion (Ltg. János Darvas/ Thorsten Fricke, 2003).
Inszenierung der Staatsoper Stuttgart/ Christof Nel, 1999
Abb. 16: Fotografie. Ausschnitt aus dem Film Richard Wagner, een filmbiographie von Carl
Froelich (Dtschl., 1913, 35mm, Messters Projektion GmbH). Giuseppe Becce in der
Rolle Richard Wagners. Unveröffentlichtes Bildmaterial. Vorlage aus dem Archiv des
Filmmuseums Amsterdam
Abb. 17: Fotografie. Ausschnitt aus dem Film Richard Wagner, een filmbiographie von Carl
Froelich (Dtschl., 1913, 35mm, Messters Projektion GmbH). Giuseppe Becce in der
Rolle Richard Wagners. Unveröffentlichtes Bildmaterial. Vorlage aus dem Archiv des
Filmmuseums Amsterdam
Abb. 18: Fotografie. Ausschnitt aus dem Film Richard Wagner, een filmbiographie von Carl
Froelich (Dtschl., 1913, 35mm, Messters Projektion GmbH). Giuseppe Becce in der
Rolle Richard Wagners. Unveröffentlichtes Bildmaterial. Vorlage aus dem Archiv des
Filmmuseums Amsterdam
Abb. 19: Karikatur (Ausschnitt, gespiegelt). Ein neuer Orpheus. Münchener Punsch. 10. 12.
1865. Aus: [Bory, 1938], S. 152
Abb. 20: Fotografie. Ausschnitt aus dem Film Richard Wagner, een filmbiographie von Carl
Froelich (Dtschl., 1913, 35mm, Messters Projektion GmbH). Unveröffentlichtes Bildmaterial. Vorlage aus dem Archiv des Filmmuseums Amsterdam
Abb. 21: Fotografie. Ausschnitt aus dem Film Richard Wagner, een filmbiographie von Carl
Froelich (Dtschl., 1913, 35mm, Messters Projektion GmbH). Unveröffentlichtes Bildmaterial. Vorlage aus dem Archiv des Filmmuseums Amsterdam
Abb. 22: Fotografie. Ausschnitt aus dem Film Richard Wagner, een filmbiographie von Carl
Froelich (Dtschl., 1913, 35mm, Messters Projektion GmbH). Unveröffentlichtes Bildmaterial. Vorlage aus dem Archiv des Filmmuseums Amsterdam
Abb. 23: Fotografie. Ausschnitt aus dem Film Richard Wagner, een filmbiographie von Carl
Froelich (Dtschl., 1913, 35mm, Messters Projektion GmbH). Unveröffentlichtes Bildmaterial. Vorlage aus dem Archiv des Filmmuseums Amsterdam
304
Abb. 24: Fotografie. Ausschnitt aus dem Film Richard Wagner, een filmbiographie von Carl
Froelich (Dtschl., 1913, 35mm, Messters Projektion GmbH). Unveröffentlichtes Bildmaterial. Vorlage aus dem Archiv des Filmmuseums Amsterdam
Abb. 25: Fotografie. Ausschnitt aus dem Film Richard Wagner, een filmbiographie von Carl
Froelich (Dtschl., 1913, 35mm, Messters Projektion GmbH). Giuseppe Becce in der
Rolle Richard Wagners. Unveröffentlichtes Bildmaterial. Vorlage aus dem Archiv des
Filmmuseums Amsterdam
Abb. 26: Zeichnung (Ausschnitt). Skizze Richard Wagners für seine Wohnung in Penzing
bei Wien, Wienstraße 221. Beilage aus dem Brief Richard Wagners vom 25. 5. 1863
an Mathilde Maier. Aus: [<Wagner, Richard - Briefe>, 1930], o. S. (100f.)
Abb. 27: Zeichnung. Skizze Richard Wagners für einen Schlafrock. Beilage aus dem Brief
Richard Wagners vom 1. 2. 1867 an Bertha Goldwag. Aus: [Kusche, 1967], S. 69
Abb. 28: Tabelle. Aus: [Muller, o. J.], S. 21
Abb. 29: Stich (Ausschnitt). Unbekannter Urheber. Aus dem Privatarchiv der Theaterkunst GmbH Berlin
Abb. 30: Stich (Ausschnitt). Unbekannter Urheber. Aus: [Krause, 1979], S. 93
Abb. 31: Fotografie (Ausschnitt). Kat.Nr. C aus der Serie A - F. Franz Hanfstaengl. München Dezember 1871. Aus: [Geck, 1970], Abb. 22 C, o. S.
Abb. 32: Karikatur. Immer in Furcht wegen seiner Rheinprovinzen, schickt Deutschland den
Tannhäuser, um Frankreich einzuschläfern. Cham/ Charivari. Paris 1861. Aus: [Hakel,
1963], S. 101
Abb. 33: Karikatur. [Der Deutsche Michel]. Frühling. Unbekannter Urheber. Aus: [Neue
Gesellschaft für Bildende Kunst, 1972], S. 104
Abb. 34: Karikatur. [Der Deutsche Michel]. Sommer. Unbekannter Urheber. Aus: [Neue
Gesellschaft für Bildende Kunst, 1972], S. 104
Abb. 35: Karikatur. [Der Deutsche Michel]. Herbst. Unbekannter Urheber. Aus: [Neue
Gesellschaft für Bildende Kunst, 1972], S. 104
Abb. 36: Karikatur (Ausschnitt). [Michel]. Unbekannter Urheber. Aus: [Neue Gesellschaft
für Bildende Kunst, 1972], S. 111
Abb. 37: Buchillustration. Unbekannter Urheber. Aus: [Böttcher/ Gysi/ Schubert, o. J.],
S. 289
Abb. 38: Karikatur (Ausschnitt). Wagner sel. Erben. Münchener Jugend. 1905. Aus: [Fuchs/
Kreowski, 1907], Abb. 219, S. 207
Abb. 39: Karikatur (Ausschnitt). Der Tannhäuser in Berlin. Avant, pendant et après. Atelier L.
Tetzel. Kladderadatsch. 1856. Aus: [Fuchs/ Kreowski, 1907], o. S. [Beilage]
Abb. 40: Karikatur. Wagner se recueillant. (Croquis inédit de J. Blass). J. Blass. 1891. Aus:
[Grand-Carteret, o. J.], S. 42
305
Abb. 41: Karikatur. Folgen des 'ungewöhnlichen Maßes'. Hanns v. Bülow nach Dirigierung einer
Probe von 'Tristan und Idolde'. Münchener Punsch. 1865. Aus: [Fuchs/ Kreowski, 1907],
Abb. 44, S. 38
Abb. 42: Konstruktionszeichnung. Verwandelbares Schlafzimmer-Piano. Charles Hess, Cincinnati (Ohio). US-Patent 56413, 17. 7. 1866. Aus: [Masuch, 2000], o. S.
Abb. 43: Retuschierte Fotografie. Wagners Klavier. Das Bechstein-Kompositionsklavier
Richard Wagners, eine Schenkung König Ludwigs II. von Bayern, Sonderanfertigung
aus dem Jahr 1867. Unbekannter Urheber. Vorlage aus dem Nationalarchiv der
Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth
Abb. 44: Fotografie. Szenenbild aus dem 1. Aufzug der Götterdämmerung von Richard
Wagner/ Ausschnitt aus der DVD-Produktion (Ltg. Hans Hulscher, 2004). Inszenierung der Staatsoper Stuttgart/ Peter Konwitschny, 2000
Abb. 45: Fotografie. Szenenbild aus dem 3. Aufzug der Götterdämmerung von Richard
Wagner/ Ausschnitt aus der DVD-Produktion (Ltg. Hans Hulscher, 2004). Inszenierung der Staatsoper Stuttgart/ Peter Konwitschny, 2000
Abb. 46: Skizze Richard Wagners für das Bühnenbild des 3. Aktes Lohengrin. Weimarer
Inszenierung, 1850. Aus: Szenische Vorschriften für die Aufführung des 'Lohengrin'. [Wagner, o. J. d], S. 71
Abb. 47: Skizze Richard Wagners für das Bühnenbild des 3. Aktes Lohengrin (Ausschnitt).
Weimarer Inszenierung 1850. Aus: Szenische Vorschriften für die Aufführung des 'Lohengrin'. [Wagner, o. J. d], S. 71
Abb. 48: Skizze Richard Wagners für das Bühnenbild des 3. Aktes Lohengrin (Ausschnitt).
Weimarer Inszenierung 1850. Aus: Szenische Vorschriften für die Aufführung des 'Lohengrin'. [Wagner, o. J. d], S. 71
Abb. 49: Skizze aus dem Klavierauszug Cosima Wagners (1906) für das Bühnenbild des
1. Aktes Tristan und Isolde. Bayreuther Inszenierung 1886-1906. Aus: [Mack, 1976],
Tafel 86, o. S.
Abb. 50: Skizze aus dem Klavierauszug Cosima Wagners (1906) für das Bühnenbild des
1. Aktes Tristan und Isolde (Ausschnitt). Bayreuther Inszenierung 1886-1906. Aus:
[Mack, 1976], Tafel 86, o. S.
Abb. 51: Skizze aus dem Klavierauszug Cosima Wagners (1906) für das Bühnenbild des
3. Aktes Tristan und Isolde. Bayreuther Inszenierung 1886-1906. Aus: [Mack, 1976],
Tafel 87, o. S.
Abb. 52: Skizze aus dem Klavierauszug Cosima Wagners (1906) für das Bühnenbild des
3. Aktes Tristan und Isolde (Ausschnitt). Bayreuther Inszenierung 1886-1906. Aus:
[Mack, 1976], Tafel 87, o. S.
Abb. 53: Fotografie. Bernd Uhlig. Szenenbild aus dem Nornen-Vorspiel der Götterdämmerung von Richard Wagner. Inszenierung der Deutschen Oper Berlin/ Götz
Friedrich, 1984/1985
306
Abb. 54: Zeichnung/ Diagramm. Unbekannter Urheber. Darstellung eines typischen
EEG-Kurvenmusters für einen Petit-mal-Anfall. Aus: [Borck, 2005], S. 207
Abb. 55: Karikatur. Überwältigt. G. Doré. Aus: [Fuchs/ Kreowski, 1907], S. 11
Abb. 56: Postkarte. Erschienen bei: Edition Schultz & Stellmacher. D-95444 Bayreuth
Abb. 57: Konstruktionszeichnung. Wagner-Vorhang (Raff-Vorhang). Aus: [Unruh, 1969],
S. 374
Abb. 58: Fotografie. Unbekannter Urheber. Szenenbild aus der 1. Szene des Rheingold von
Richard Wagner. Inszenierung der Bayreuther Festspiele/ Wieland Wagner, 1953.
Aus: [Mack, 1976], Tafel 344, o. S.
Deckblatt:
Abb. links: Fotografie. Szenenbild aus dem 2. Aufzug Siegfried von Richard Wagner/
Ausschnitt aus der DVD-Produktion (Ltg. Hans Hulscher, 2002/03). Inszenierung der
Staatsoper Stuttgart/ Jossi Wieler und Sergio Morabito, 1999
Abb. rechts: Fotografie. Ausschnitt aus dem Film Richard Wagner, een filmbiographie von
Carl Froelich (Dtschl., 1913, 35mm, Messters Projektion GmbH). Giuseppe Becce in
der Rolle Richard Wagners. Unveröffentlichtes Bildmaterial. Vorlage aus dem Archiv
des Filmmuseums Amsterdam
________
307
308
Literaturverzeichnis
Das vorliegende Literaturverzeichnis komplettiert sowohl die im Fußnotenapparat des
Haupttextes genannten Quellen wie auch jene des Abbildungsverzeichnisses und des
Traumregisters. Zur Lesart deshalb noch einmal einige grundsätzliche Hinweise.
Das Thema dieser Arbeit erschließt nicht nur inhaltlich ein Randgebiet, auch formal
liegt es an der Peripherie dessen, auf was sich die Wagner-Forschung bislang konzentriert
hat. Damit ist verbunden, daß viele Publikationen zu Rate gezogen werden mußten, die
vom wissenschaftlichen Tagesbetrieb nicht immer allzu sorgfältig behandelt wurden –
naturgemäß schleift sich die Prägnanz der Ränder am ehesten ab. So weit dies möglich
und sinnvoll schien, war es darum ein Anliegen, Ungenauigkeiten in bezug auf Quelldaten
zu glätten, weitergeschriebene Fehler rückgängig zu machen und Originalausgaben wieder
in Anschlag zu bringen, letzteres vor allem in Hinsicht auf Briefwechsel und Druckwerke
aus dem weiteren Freundes- und Mitarbeiterkreis Wagners in Bayreuth. Wo also nicht
anders vermerkt, wurden gerade weniger geläufige Publikationen in der ersten Ausgabe
konsultiert. Abweichungen von dieser Regel erschließen sich über die Auflagenzahlen, die
dem Erscheinungsjahr eines Bandes je beigeordnet sind. Quer zu dieser Vorgehensweise
steht selbstverständlich der Gebrauch kritischer Werk- und Studienausgaben. Neben Einträgen wie [Wagner, 1873] sind auch solche wie [Wagner, 2004] möglich, und das mag
auf den ersten Blick irritierend wirken. Auf den zweiten jedoch dürfte ersichtlich werden,
daß ein jüngeres Erscheinungsdatum zuzeiten mehr mit einem alten Buch zu tun haben
kann als sich das von den Buchdeckeln ablesen läßt.
Aus der Logistik meines Fußnotenapparates ergibt sich, daß die standardübliche,
alphabetische Sortierung des Literaturverzeichnisses auch auf die Differenzierung von Erscheinungsdaten übergreift. Hat ein einzelner Autor oder haben mehrere Autoren desselben Namens mehrere Publikationen im selben Jahr veröffentlicht, so werden die entsprechenden Bände hier durch Minuskeln voneinander unterschieden, welche den jeweiligen Jahresangaben nachgestellt sind. Hinter [Wagner, 1999a] und [Wagner, 1999b]
verbergen sich z. B. Friedelind und Nike, hinter [Mann, 1974a], [Mann, 1974b] und
[Mann, 1974c] drei unterschiedliche Aufsätze Thomas Manns aus der Frankfurter Werkausgabe. Typographisch mag es nicht die eleganteste Lösung sein, aber innerhalb dieses
Systems ließ sich nicht verbergen, daß das ABC über weit mehr als nur 3 Buchstaben
verfügt – für Wagner und vor allem für Nietzsche, der ausschließlich über die Münchener
Studienausgabe zitiert wird, treten Wendungen wie [Nietzsche, 1988a] gleichberechtigt
neben solchen wie [Nietzsche, 1988n] auf. Für Publikation ohne Erscheinungsdatum haben sich sogar Formeln wie [Wagner, o. J. a] oder [Wagner, o. J. f] ihr Recht verschafft.
Doch um bibliophile Distinktion brauchte es hier nicht zu gehen, viel eher um Transparenz und Gebrauchsfertigkeit. Einer alten Anekdote zufolge ist über keinen Menschen
309
nächst Jesus und Napoleon so viel geschrieben worden wie über Wagner. In dieser Hinsicht sollten die Hilfestellungen des vorliegenden Verzeichnisses die Recherchearbeit erleichtern. Ein Buch zu finden muß das Ziel sein, nicht bloß es zu suchen. Das impliziert,
daß überwuchernde Quelleninformationen gelegentlich komprimiert wurden, etwa wo
die gleichzeitige Nennung von Nummern-, Serien- und Bandangaben ähnliches mehrmals
bezeichnet (z. B. bei Zeitungskolumnen und/ oder alten Zeitschriftenbeiträgen, die in
Sammelbänden untergebracht sind). Bei Publikationen mit mehreren Herausgebern sind
nur die ersten drei namentlich erwähnt; die übrigen Beteiligten bleiben hinter dem Vermerk 'et al.' verborgen, was keiner Wertung entspricht.
Daß Briefausgaben von den übrigen Werken eines Autors getrennt aufgeführt werden,
geht ebenfalls auf infrastrukturelle Überlegungen zurück. Tritt der Fall ein, daß ein Briefwechsel nicht selbständig erschienen und statt dessen einer anderen Publikation eingelagert
ist (z. B. die Korrespondenz Richard Wagners mit Lorenz von Düfflipp in [Petzet/ Petzet,
1970] ), so ließen sich Doppelnennungen nicht vermeiden (für diesen Fall siehe etwa
unter 'Wagner' und 'Petzet'). Sicher wären Querverweise eine Alternative gewesen, doch
die Differenzierung von Zeichen kann auch unmittelbar ins Rätsel umschlagen, dem vorliegenden Verzeichnis wäre dadurch ein Metatext zugewachsen und mit ihm eine Art zu
sprechen, die mir so unschön wie unangebracht schien.
Letzte Notiz: Alle Korrespondenzen Cosimas sind gemäß den offiziellen Bandangaben
unter dem Namen 'Cosima Wagner' abgelegt. Das soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß viele ihrer Briefe aus einer Zeit stammen, da sie noch 'Cosima von Bülow'
hieß, vor allem auf die Schreiben an König Ludwig II. von Bayern trifft dies zu. Allein,
biographische Unruhen sollten sich grundsätzlich nicht auf ein Literaturverzeichnis
übertragen, selbst wenn sie historisch aussagekräftig sind. Hierfür ist der Fußnotenapparat
das stabilere Auffangbecken.
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Wagner, Richard: Annalen. 1864-1868. In: Wagner, Richard: Mein Leben. Hrsg. von
Martin Gregor-Dellin. München 1976b, S. 757-769
Wagner, Richard: <Aphorismen>. In: Wagner, Richard: Sämtliche Schriften und Dichtungen.
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Wagner, Richard: Autobiographische Skizze. In: Gesammelte Schriften und Dichtungen von
Richard Wagner. Bd. 1. Leipzig 1871a, S. 7-24
Wagner, Richard: Beethoven. (1870). In: Gesammelte Schriften und Dichtungen von Richard
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Wagner, Richard: Bemerkungen zur Aufführung der Oper: 'Der fliegende Holländer'. In:
Gesammelte Schriften und Dichtungen von Richard Wagner. Bd. 5. Leipzig 1872a, S. 205216
Wagner, Richard: Bericht an seine Majestät den König Ludwig II. von Bayern über eine in
München zu errichtende deutsche Musikschule. In: Gesammelte Schriften und Dichtungen von
Richard Wagner. Bd. 8. Leipzig 1873b, S. 159-219
Wagner, Richard: Das Braune Buch. Tagebuchaufzeichnungen 1865 bis 1882. Hrsg. von
Joachim Bergfeld. München 1988b
Wagner, Richard: Brief über das Schauspielerwesen an einen Schauspieler. In: Gesammelte
Schriften und Dichtungen von Richard Wagner. Bd. 9. Leipzig 1873c, S. 307-313
Wagner, Richard: Das Bühnenfestspielhaus zu Bayreuth. Nebst einem Berichte über die Grundsteinlegung desselben. (An Frau Marie von Schleinitz.) In: Gesammelte Schriften und Dichtungen von Richard Wagner. Bd. 9. Leipzig 1873d, S. 384-408
Wagner, Richard: Das Bühnenweihfestspiel in Bayreuth 1882. In: Gesammelte Schriften und
Dichtungen von Richard Wagner. Bd. 10. Leipzig 1883a, S. 381-395
Wagner, Richard: Deutsche Kunst und Deutsche Politik. (1867.) In: Gesammelte Schriften und
Dichtungen von Richard Wagner. Bd. 8. Leipzig 1873e, S. 39-157
Wagner, Richard: Ein Einblick in das heutige deutsche Opernwesen. In: Gesammelte Schriften
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Wagner, Richard: Entwürfe. Gedanken. Fragmente. Aus nachgelassenen Papieren zusammengestellt. Leipzig 1885
Wagner, Richard: Entwurf zur Organisation eines deutschen National-Theaters für das Königreich
Sachsen. (1849.) In: Gesammelte Schriften und Dichtungen von Richard Wagner. Bd. 2.
Leipzig 1871b, S. 307-359
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Wagner, Richard: Epilogischer Bericht über die Umstände und Schicksale, welche die Ausführung
des Bühnenfestspiels 'Der Ring des Nibelungen' bis zur Veröffentlichung der Dichtung desselben
begleiteten. In: Gesammelte Schriften und Dichtungen von Richard Wagner. Bd. 6. Leipzig
1872b, S. 365-384
Wagner, Richard: »Erkenne Dich selbst.« (Ausführungen zu 'Religion und Kunst'). In: Gesammelte Schriften und Dichtungen von Richard Wagner. Bd. 10. Leipzig 1883b, S. 338-350
Wagner, Richard: Der fliegende Holländer. Hrsg. von Wilhelm Zentner. Stuttgart 1953
Wagner, Richard: Der Künstler und die Öffentlichkeit. In: Gesammelte Schriften und Dichtungen
von Richard Wagner. Bd. 1. Leipzig 1871c, S. 223-230
Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. In: Gesammelte Schriften und Dichtungen von
Richard Wagner. Bd. 3. Leipzig 1872c, S. 51-210
Wagner, Richard: Lohengrin. Hrsg. von Wilhelm Zentner. Stuttgart 1952
Wagner, Richard: Mein Leben. Hrsg. von Martin Gregor-Dellin. München 1976c
Wagner, Richard: Die Meistersinger von Nürnberg. Hrsg. von Wilhelm Zentner. Stuttgart
1984a
Wagner, Richard: Eine Mittheilung an meine Freunde (1851.) In: Gesammelte Schriften und
Dichtungen von Richard Wagner. Bd. 4. Leipzig 1872d, S. 285-418
Wagner, Richard: Oper und Drama, erster Theil: Die Oper und das Wesen der Musik. In: Gesammelte Schriften und Dichtungen von Richard Wagner. Bd. 3. Leipzig 1872e, S. 269-394
Wagner, Richard: Oper und Drama, zweiter und dritter Theil: Das Schauspiel und das Wesen
der dramatischen Dichtkunst./ Dichtkunst und Tonkunst im Drama der Zukunft. In: Gesammelte Schriften und Dichtungen von Richard Wagner. Bd. 4. Leipzig 1872f, S. 3-284
Wagner, Richard: Parsifal. Hrsg. von Wilhelm Zentner. Stuttgart 1950
Wagner, Richard: Das Publikum in Zeit und Raum. In: Gesammelte Schriften und Dichtungen
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Wagner, Richard: Die Revolution. (1849). In: Wagner, Richard: Sämtliche Schriften und
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Wagner, Richard: Rienzi. Der letzte der Tribunen. Hrsg. von Wilhelm Zentner. Stuttgart o.
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Wagner, Richard: Der Ring des Nibelungen. Vorabend: Das Rheingold. Hrsg. von Egon Voss.
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Wagner, Richard: Der Ring des Nibelungen. Zweiter Tag: Siegfried. Hrsg. von Egon Voss.
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Wagner, Richard: Ein Rückblick auf die Bühnenfestspiele des Jahres 1876. In: Gesammelte
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Wagner, Richard: Über die Benennung 'Musikdrama'. In: Gesammelte Schriften und Dichtungen
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Wagner, Richard: Über das Dichten und Komponiren. In: Gesammelte Schriften und Dichtungen
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Wagner, Richard: Über den Gebrauch des Textbuches. In: Wagner, Richard: Sämtliche
Schriften und Dichtungen. Bd. 16. Leipzig 5o. J. e, S. 160
Wagner, Richard: Über das Opern-Dichten und Komponiren im Besonderen. In: Gesammelte
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Wagner, Richard: Über Schauspieler und Sänger. In: Gesammelte Schriften und Dichtungen von
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Wagner, Richard: Über Staat und Religion. (1863.) In: Gesammelte Schriften und Dichtungen
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Wagner, Richard: Vorwort zur Herausgabe der Dichtung des Bühnenfestspieles 'Der Ring des
Nibelungen'. In: Gesammelte Schriften und Dichtungen von Richard Wagner. Bd. 6. Leipzig
1872g, S. 385-395
Wagner, Richard: »Was nützt diese Erkenntniß?« Ein Nachtrag zu: Religion und Kunst. In:
Gesammelte Schriften und Dichtungen von Richard Wagner. Bd. 10. Leipzig 1883h, S. 325337
Wagner, Richard: Werke, Schriften und Briefe. CD-ROM. Hrsg. von Sven Friedrich. Berlin
2004 (Digitale Bibliothek. Bd. 107)
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Wagner, Richard: Die Wibelungen. (1848.) (Schlußworte). In: Wagner, Richard: Sämtliche
Schriften und Dichtungen. Bd. 12. Leipzig 5o. J. f, S. 227
Wagner, Richard: »Zukunftsmusik.« An einen französischen Freund (Fr. Villiot) als Vorwort zu
einer Prosa-Übersetzung meiner Operndichtungen. In: Gesammelte Schriften und Dichtungen
von Richard Wagner. Bd. 7. Leipzig 1873k, S. 121-180
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<Wagner, Richard - Briefe>: Die Briefe Richard Wagners an Judith Gautier-Mendès. Hrsg.
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<Wagner, Richard - Briefe>: Briefe Richard Wagners an Otto Wesendonk. 1852-1870. Hrsg.
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<Wagner, Richard - Briefe>: Familienbriefe von Richard Wagner 1832-1874. Hrsg. von Carl
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<Wagner, Richard - Briefe>: Franz Liszt – Richard Wagner. Briefwechsel. Hrsg. von Hanjo
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<Wagner, Richard - Briefe>: Fünfzehn Briefe Richard Wagners mit Erinnerungen und
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<Wagner, Richard - Briefe>: Genius und Welt. Briefe von Richard Wagner. Hrsg. von
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<Wagner, Richard - Briefe>: König Ludwig II. und Richard Wagner. Briefwechsel. Bd. 1.
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<Wagner, Richard - Briefe>: König Ludwig II. und Richard Wagner. Briefwechsel. Bd. 2.
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<Wagner, Richard - Briefe>: König Ludwig II. und Richard Wagner. Briefwechsel. Bd. 3.
Hrsg. vom Wittelsbacher Ausgleichs-Fonds und Winifred Wagner. Bearb. von Otto
Strobel. Karlsruhe i. B. 1936d
<Wagner, Richard - Briefe>: König Ludwig II. und Richard Wagner. Briefwechsel. Bd. 4
(Ergänzende Urkunden). Hrsg. vom Wittelsbacher Ausgleichs-Fonds und Winifred
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<Wagner, Richard - Briefe>: Korrespondenz Richard Wagners mit Lorenz von Düfflipp 18671877. In: Petzet, Detta/ Petzet, Michael: Die Richard Wagner-Bühne König Ludwigs II.
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München - Bayreuth. München 1970, S. 775-828 (Studien zur Kunst des neunzehnten
Jahrhunderts. Bd. 8)
<Wagner, Richard - Briefe>: Richard Wagner an Freunde und Zeitgenossen. Hrsg. von Erich
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<Wagner, Richard - Briefe>: Richard Wagner an Mathilde Maier (1862-1878). Hrsg. von
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<Wagner, Richard - Briefe>: Richard Wagner an Mathilde und Otto Wesendonk. Tagebuchblätter und Briefe. Hrsg. von Julius Kapp. Leipzig 1915
<Wagner, Richard - Briefe>: Richard Wagner an Mathilde Wesendonk. Tagebuchblätter und
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<Wagner, Richard - Briefe>: Richard Wagner an Minna Wagner. Erster Band (1842-1858).
Berlin 31908a
<Wagner, Richard - Briefe>: Richard Wagner an Minna Wagner. Zweiter Band (18581863). Berlin 31908b
<Wagner, Richard - Briefe>: Richard Wagner an seine Künstler. Zweiter Band der 'Bayreuther
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<Wagner, Richard - Briefe>: Richard Wagner. Briefe an Hans von Bülow. Jena 1916
<Wagner, Richard - Briefe>: Richard Wagner Briefe. Die Sammlung Burrell. Hrsg. von John
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<Wagner, Richard - Briefe>: Richard Wagner. Sämtliche Briefe. Hrsg. im Auftrage der
Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth von Gertrud Strobel und Werner Wolf. Bd. 1
(Briefe der Jahre bis März 1842). Leipzig 1967
<Wagner, Richard - Briefe>: Richard Wagner. Sämtliche Briefe. Hrsg. im Auftrage des
Richard-Wagner-Familien-Archivs Bayreuth von Gertrud Strobel und Werner Wolf.
Bd. 3 (Briefe der Jahre 1849-1851). Leipzig 1975
<Wagner, Richard - Briefe>: Richard Wagner. Sämtliche Briefe. Hrsg. im Auftrage der
Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth von Gertrud Strobel und Werner Wolf. Bd. 5
(Briefe der Jahre September 1852 - Januar 1854). Leipzig 1993
<Wagner, Richard - Briefe>: Richard Wagner. Sämtliche Briefe. Hrsg. im Auftrage der
Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth von Hans-Joachim Bauer und Johannes Forner.
Bd. 7 (Briefe der Jahre März 1855 - März 1856). Leipzig 1988b
332
<Wagner, Richard - Briefe>: Richard Wagner. Sämtliche Briefe. Hrsg. im Auftrage der
Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth von Klaus Burmeister und Johannes Forner. Bd. 9
(Briefe der Jahre August 1857 - August 1858). Leipzig 2000
<Wagner, Richard - Briefe>: Richard Wagner. Sämtliche Briefe. Hrsg. von der RichardWagner-Stiftung Bayreuth und Andreas Mielke, Editionsleitung Werner Breig,
redaktionelle Mitarbeit Isabel Kraft. Bd. 14 (Briefe des Jahres 1862). Wiesbaden 2002
<Wagner, Richard - Briefe>: Richard Wagners Briefe an Frau Julie Ritter. Hrsg. von
Siegmund von Hausegger. München 1920
<Wagner, Richard - Briefe>: Richard Wagners Briefe an Theodor Uhlig, Wilhelm Fischer,
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(Hrsg.): Peter Wapnewski. Zuschreibungen. Gesammelte Schriften. Hildesheim 1994, S. 227255 (Spolia Berolinensia. Berliner Beiträge zur Mediävistik. Bd. 4)
Wapnewski, Peter: Die Oper Richard Wagners als Dichtung. In: Müller, Ulrich/ Wapnewski,
Peter (Hrsg.): Richard-Wagner-Handbuch. Stuttgart 1986, S. 223-329
Wapnewski, Peter: Richard Wagner. Die Szene und ihr Meister. München 21983
Wapnewski, Peter: Der traurige Gott. Richard Wagner in seinen Helden. München 21980
Wapnewski, Peter: Tristan der Held Richard Wagners. Berlin 1981
Wapnewski, Peter: Tristan und Isolt oder Die Endliche und die Unendliche Liebe. Festvortrag
[vom 22. November 1998] zur Eröffnung des Zyklus 'Tristan und Isolde – Der Mythos von
Liebe und Tod' des Berliner Philharmonischen Orchesters. In: Philharmonische Blätter. Sonderheft (1998/1999), S. 3-34
Wapnewski, Peter: Weißt du wie das wird...? Richard Wagner. Der 'Ring des Nibelungen'.
Erzählt, erläutert und kommentiert. München 21996
Wappenschmidt, Heinz-Toni: Nibelungenlied und Historienmalerei im 19. Jahrhundert. Wege
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des Nibelungenstoffs im 19. und 20. Jahrhundert. Frankfurt a. M. 1991, S. 219-250
Weber, Evelyn: Träume Richard Wagners. In: Neue Deutsche Hefte. 34 (1987), S. 58-75
Weber, Solveig: Das Bild Richard Wagners. Ikonographische Bestandsaufnahme eines Künstlerkults. Bd. 1 (Text). Diss. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn. Mainz
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Weber, Solveig: Das Bild Richard Wagners. Ikonographische Bestandsaufnahme eines Künstlerkults. Bd. 2 (Katalog der Abbildungen). Diss. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität
zu Bonn. Mainz 1993b
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Wedel, Gottschalk: Die deutsche Oper. In: Neue Zeitschrift für Musik. 48.6 (16. Juni 1837),
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Weill, Kurt: Der Musiker Weill. In: Weill, Kurt: Musik und musikalisches Theater. Gesammelte
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Jürgen Schebera, Elmar Juchem. Mainz 2000, S. 68-72
Weingartner, Felix: Bayreuth (1876-1896.) Berlin 1897
Weinreich, Otto: Antike Heilungswunder. Untersuchungen zum Wunderglauben der Griechen
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Weißheimer, Wendelin: Erlebnisse mit Richard Wagner, Franz Liszt und vielen anderen
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Werfel, Franz: Verdi. Roman der Oper. Berlin 1924
Wijsenbeek-Wijler, Henriette: Aristotle's Concept of Soul, Sleep, and Dreams. Amsterdam
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Winnefeld, Hermann: Hypnos. Ein archäologischer Versuch. Berlin 1886
Winterstein, Hans von: Schlaf und Traum. Berlin 1932
Wittern, Renate: Der Schlaf als medizinisches Problem am Beginn der Neuzeit. Med. Habil.Schrift. München 1978
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Wittmer-Butsch, Maria Elisabeth: Zur Bedeutung von Schlaf und Traum im Mittelalter. Diss.
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Wolzogen, Hans von: Erinnerungen an Richard Wagner. Ein Vortrag gehalten am 13. April
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Žižek, Slavoj: Der zweite Tod der Oper. Übersetzung aus dem Engl. von Hans-Hagen
Hildebrandt. Berlin 2003 (Kulturwissenschaftliche Interventionen. Bd. 1)
________
334
Danksagungen
"Mit mir ists aufgestanden und schlafen gangen, das Projeckt." Dieser Satz stammt von
Goethe, und er hat, auf die vorliegende Arbeit bezogen, sicherlich seine Berechtigung.
Doch eben nicht ganz. Denn: Viel mehr Personal ist an einem Stückchen Oper beteiligt
als nur die, die vorsingen. Möglicherweise ließe sich gerade hier, an dieser Stelle belegen,
daß der Schlaf die täglichen, allzutäglichen Bedeutungsperspektiven in ihr Gegenteil verkehrt, sobald man sich nur einmal seiner Wirkung verschreibt! Ich möchte ihn mir also
noch immer "nicht abgewöhnen", um mit Lichtenberg zu sprechen, komme zu den angenehmsten und nur formal letzten Seiten dieser Arbeit und will zurücktreten hinter all jene,
denen mein Dank gilt.
Zunächst zu einem Anonymus: Deutsche Oper Berlin – Mitte der 90er – Rheingold –
Ende des III. Aufzugs, "Traulich und treu/ ist's nur in der Tiefe" – ein unbekannter Sitznachbar zu meiner Linken, er schläft, und zwar vernehmlich, und das auch schon seit II, 2.
Doch es kommt, was kommen muß, der Schlußapplaus – nicht überraschend, nur für ihn
zu plötzlich – da wacht er auf, schüttelt stracks den Kopf, deutet (und zwar nicht eben
unheldenhaft) auf die Ferne, die vor uns liegt und spricht: "Ja wissen Sie, bei Wagner
schläft nun einmal ohnehin alles." Bis zu diesem Moment wußte ich das natürlich nicht.
Es blieb auch unentschieden, ob er damit die übrigen Zuschauer meinte oder Teile des
Bühnenspektakels. Doch was ich ihm verdanke? – Das Thema dieser Arbeit. Denn schlagartig wurde mir klar, wie getreulich Wagners Werke jene Gesellschaft spiegeln, für oder
gegen die sie geschrieben waren. Und daß gerade ein Unbekannter auf das Unbekannte
verwies, scheint mir bis heute symbolhaft.
Daß ich als nächstem Professor Peter Wapnewski danken darf, zeigt, daß der Schlaf wohl
nicht nur die Entferntesten, sondern auch das Entfernteste miteinander in Verbindung
bringt – die Geschichte des Niemand enthielt eine wissenschaftliche Aussage, vom Parkett
in den Hörsaal, vom Parlando zum Rigorosum: Meinem Doktorvater danke ich von Herzen dafür, daß er Schliff nicht nur in das Material dieser Arbeit, sondern vor allem in das
Handwerkszeug gebracht hat, mit dem diese hergestellt wurde. Daß etwa "ein zivilisierter
Mensch das Wort 'unverzichtbar' nicht gebraucht, nein, das tut er einfach nicht", ist eine
jener Mitteilungen Peter Wapnewskis, die mir, einmal gehört, immer un...entbehrlich
bleiben werden.
Professor Thomas Cramer und Professor Norbert Miller: Dem einen möchte ich wie dem anderen gleichermaßen ausdrücklich danken für die warmherzige Art und Weise, wie der
Abschluß eines Promotionsverfahrens sichergestellt wurde, das zu aller Schrecken in (fast)
keine Amtszeit mehr fiel. Wie wertvoll eine Rettung sein kann, die kurz vor dem Uferstrand erfolgt, sei hiermit angedeutet.
335
Zu sagen, daß der Dank, der meinem Mann Florian Dombois zusteht, sich nicht in Worte
fassen läßt, brächte mich in die Nähe der Sentimentalität. Gewiß, nicht alles kann mit
Wörtern gesagt werden. Doch ich vertraue darauf, daß diese zumindest für das Umschreiben erfunden wurden und versuche es mit folgendem: Nein, er hat nicht Korrektur gelesen, er hat keine Tipparbeiten übernommen, die Klarierung meiner Infrastruktur hat er
auch nicht erledigt, ebensowenig wie er sich um den Erhalt eines Normallebens hätte
kümmern sollen oder wollen. Was er getan hat, ist mehr, und es ist Wesentlicheres. Wenn
man die vorliegende Arbeit gegen ein sehr helles Licht hielte, könnte man ermitteln, daß
sich seine Hilfe einem Wasserzeichen ähnlich jeder einzelner meiner Seiten eingeprägt hat:
Ich bin ihm tief dankbar für eine Form des Gegendrucks, ohne den ein Phänomen wie der
Schlaf, der selbst eine Rückseite darstellt, nie hätte gedacht werden können.
Des weiteren danke ich in order of appearence: Paul Turß (für seine fast professionelle
Wortkargheit, hinter der sich jene Form der Anteilnahme verbarg, die sich um Sprache
manchmal eben doch nicht mehr zu kümmern brauchte), Meike Gaedtke (für die wagneresque Idee, rund 300 Seiten Dissertation zum Zwecke der Korrektur rückwärts zu lesen –
eine Bravourarie, die niemand anders als sie bis zum Anfang hätte durchhalten können,
und ihr gebührt dafür, wie ich meine, ein kleines, ehrliches Bröckchen Gold vom Grunde
des Rheins), Professor Gerd Rienäcker (für das 'vor-erste' Gutachten und die Vermittlung
einer Lehrmeinung, die mir durch ihre perennierende Gedankenschärfe stets präsent bleiben wird), den Damen der Musikabteilung der Berliner Staatsbibliothek Unter den Linden (für
jenes, im Musiklesesaal der Stabi-Ost zum guten Ton gehörende berufsbedingte Flüstern,
das längst zu einer Haltung geworden zu sein scheint und den Büchern wie den Lesern
eine wissenschaftliche Liebenswürdigkeit angedeihen läßt, die ihresgleichen erst noch suchen muß), Elliott Eisenberg (für Unterrichtungen in soldatenhaftem Vorgehen), Ronnie
Temme (für die Freigabe bislang unveröffentlichten Bildmaterials aus dem Filmmuseum
Amsterdam), Ingrid Haase (für den Zutritt in ihr sonst unzugängliches Bildarchiv der Theaterkunst Berlin GmbH), Eckhardt Schweißhelm (für den Griff in die Trickkiste der Requisite
des Staatstheaters Kassel und 'mehr Licht', als dieses noch lange nicht am Ende des Tunnels
zu vermuten war), Günter Fischer vom Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung in Bayreuth
(für sprungbereites Entgegenkommen), Werner Peters und Bernd Scheiffarth-Melide (für
zackige Hilfe aus Nöten, die einem aus dem Baustellenlärm der Stadt Köln erwachsen
können), Bernd Uhlig (für die zutrauliche Überlassung seines Fotomaterials der Götterdämmerung-Inszenierung von Götz Friedrich/ Deutsche Oper Berlin), Thilo Beu (für die pfeilschnelle Überlassung seines Fotomaterials der Rheingold-Inszenierung von Siegfried Schönbohm/ Theater Bonn), Roland Reißig (für die improvisierte Überlassung seines Fotomaterials der Rheingold-Inszenierung von Christine Mielitz/ Theater Meiningen), dem unbekannten Fensternachbarn von gegenüber (der, wie das Firmenschild ihn auswies, tatsächlich
"Ghostwriter" war und der mir vormachte, wie zäh man eine Nacht durcharbeiten kann –
mein Traum wäre es nun nur noch, einmal erleben zu dürfen, wie dieser Mann sich zu
jenem verhalten würde, der damals in der Oper eingeschlafen war und alles vom Zaun
gebrochen hatte), und last but truly not least danke ich Richard Klein (für eine Atmosphäre
336
der Wachheit, die expandierte und die für die vorliegende Arbeit, jedoch nicht nur für
diese, von nachvollziehbarem Reiz sein mußte).
Der Deutschen Oper Berlin, deren Förderkreis e.V. und dem Operndirektor a. D. Alard von
Rohr schulde ich Dank für den Förderpreis und die damit zusammenhängenden Werkbeiträge, die meinem Dissertationsvorhaben 1998 zuerkannt wurden.
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337
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