GEWISSEN - SCHULD "Im Inneren seines Gewissens entdeckt der Mensch ein Gesetz, das er sich nicht selbst gibt, sondern dem er gehorchen muß und dessen Stimme ihn immer zur Liebe und zum Tun des Guten und zur Unterlassung des Bösen aufruft und, wo nötig, in den Ohren des Herzens tönt: Tu dies, meide jenes. Denn der Mensch hat ein Gesetz, das von Gott seinem Herzen eingeschrieben ist, dem zu gehorchen eben seine Würde ist und gemäß dem er gerichtet werden wird. Nicht selten jedoch geschieht es, daß das Gewissen aus unüberwindlicher Unkenntnis irrt, ohne daß es dadurch seine Würde verliert. das kann man aber nicht sagen, wenn der Mensch sich zuwenig darum bemüht, nach dem Wahren und Guten zu suchen, und das Gewissen durch Gewöhnung an die Sünde allmählich fast blind wird." (Vaticanum II, Gaudium et spes n. 16) Für die Entscheidung zum sittlichen Handeln spielt das Gewissen eine wesentliche Rolle. Der Begriff wurde um 1000 ins Deutsche eingeführt als Lehnwort für das lat. conscientia. Die gemeinte Sache findet sich aber schon im AT (Herz als Sitz des Denkens und Fühlens); im NT findet sich vor allem bei Paulus der Begriff "syneidesis", den er aus der griechischen Philosophie übernimmt, und der "das sittlich urteilende Selbstbewußtsein" meint. Eine neue Grundlegung und Erforschung des Gewissens ist seit dem 19. Jh geschehen, mit dem Aufkommen der Psychologie. Wichtige Theorien vom Gewissen stammen z.B. von S.Freud, E. Fromm, C.G. Jung C.G., Kohlberg Stufen der Gewissensentfaltung (nach Ernst Cloer) 1. Anlage 2. Gewöhnungsgewissen - die prämorale Zeit, Zeit der total-autoritären häuslichen Gewissensbildung (0-3 Jahre) 3. Das Belehrungs- oder Identifikationsgewissen (4-10 Jahre) 4. Das vorkritische Verantwortungsgewissen (zuerst als führungsbedürftiges, dann als ratsuchendes; 10-18 Jahre) 5. Das selbstkritische Verantwortungsgewissen, das mündige Gewissen Einige Regeln zur christlichen Gewissensbildung • Jede Gewissensbildung muß zum Gebrauch der Freiheit führen • Gewissensbildung muß in Vertrauensatmosphäre geschehen • Gewissensbildung muß zu guten zwischenmenschlichen Beziehungen führen • Christliche Gewissensbildung muß zur personalen Bindung an Christus führen • Gewissensbildung muß auch Erziehung zur Vergebung und Umkehr sein. Hilfen zur Gewissensbildung: • Information über Sachverhalte • Kritisches Hinterfragen dessen, was "man" sagt / tut • Religiöse Information, Vorträge, Bücher, RU, • Gespräche • Bewußt Entscheidungen treffen (gut und böse abwägen) • Sachkundige und erfahrene Menschen fragen • Richtige Vorbilder wählen • Selbstkritik üben • Buße und Umkehr • Bibel und Geistliche Bücher • ..... Das Gewissen und die kirchliche Autorität: • Das Lehramt der Kirche formt das Gewissen der Gläubigen. Im Konfliktfall muß der einzelne - nach gründlichen Überlegungen - dem Gewissen folgen. • Das kirchliche Lehramt kann nicht jeder moralischen Situation und jedem Umstand gerecht werden. • Die Lehren sind historisch bedingt. • Der einzelne sollte offen sein für das Lehramt, das aus einem gewissen Weitblick der historischen Erfahrung und aus den Quellen der Offenbarung ihre moralischen Hilfen formuliert. Der Gewissenskonflikt Der einzelne kann in Ordnungen und Rechtssystemen (Staat) in seiner Entscheidung mit seinem Gewissen in Konflikt geraten (z.B. Zivildienst, Abtreibung, Euthanasie). Kriterien zur Lösung von Gewissenskonflikten • Das persönliche Gewissen ist die letzte Entscheidungsinstanz • Allgemein anerkannte Normen kommen aus ethischen Urteilen, letztlich also aus dem Gewissen. Sie müsen beachtet und als Entscheidungshilfe gesehen werden. • Die Wertordnung ermöglicht eine Entscheidung. Man unterscheidet zwischen fundamental-höheren, sozialen und materiellen Werten. • Das Urteil der anderen unterstützt die Überlegungen. Es gilt zu fragen, ob der einzelne gegen das Urteil vieler oder aller anderen steht. Epikie (Abweichen vom Buchstaben, um den vom Gesetzgeber intendierten Sinn zu verwirklichen) SCHULD UND SÜNDE Die Differenz zwischen dem sittlichen Anspruch und dem tatsächlichen Verhalten wird als "schuldig" bleiben (werden) erlebt. Es muß sich nicht in jedem Fall um persönliche Schuld handeln, es ist möglich, daß Ansprüche an einen Menschen gerichtet werden, die er nicht gleichzeitig erfüllen kann. Man kann fünf Beziehungebenen der Schulderfahrung unterscheiden: • Existentielle Ebene: Im Streben nach Selbstverwirklichung verfehle ich mich und meine Aufgabe. • sozial-gesellschaftliche Ebene: Meine persönliche Schuld betrifft die Menschen um mich, und ich stehe im Bannkreis deren Verfehlungen; Schuld angesichts der Gesellschaft und der Geschichte (z.B. Dritte Welt, Umwelt). • Rechtliche Ebene: Schuld ist menschliches Versagen gegenüber Gesetzen und Vorschriften. • Ethische Ebene: Schuld ist Mangel an persönlichem Verantwortungsbewußtsein. • Theologische Ebene: Schuld ist Sünde als Verweigerung der Liebe zu Gott und den Mitmenschen. In der kirchlichen Tradition wird Schuld und Sünde unter drei Aspekten beschrieben: ∗ als Ungehorsam gegen Gott ∗ als Unordnung und Verfehlung, die den Keim des Todes in sich trägt ∗ als Verweigerung der Liebe. Der Kath. Katechismus umschreibt das Wesen der Sünde: "Die Sünde ist ein Verstoß gegen die Vernunft, die Wahrheit und das rechte Gewissen; sie ist eine Verfehlung gegen die wahre Liebe zu Gott und zum Nächsten aufgrund einer abartigen Anhänglichkeit an gewisse Güter. Sie verletzt die Natur des Menschen und die menschliche Solidarität. " (n 1849) "Die Sünden sind nach ihrer Schwere zu beurteilen. Die schon in der Schrift erkennbare Unterscheidung zwischen Todsünde und läßlicher Sünde wurde von der Überlieferung der Kirche übernommen. Die Erfahrung der Menschen bestätigt sie." (n 1854) "Die Todsünde zerstört die Liebe im Herzen des Menschen durch einen schweren Verstoß gegen das Gesetz Gottes. In ihr wendet sich der Mensch von Gott, seinem letzten Ziel und seiner Seligkeit, ab, und zieht ihm ein minderes Gut vor. Die läßliche Sünde läßt die Liebe bestehen, verstößt aber gegen sie und verletzt sie."(n 1855) "Damit eine Tat eine Todsünde ist, müssen gleichzeitig drei Bedingungen erfüllt sein: Eine Todsünde ist jene Sünde, die eine schwerwiegende Materie zum Gegenstand hat und die dazu mit vollem Bewußtsein und bedachter Zustimmung begangen wird." (n 1857) Neben dieser Umschreibung von Sünde wies (und weist) die Kirche auch noch darauf hin, daß die Sünde im Menschen Wiederholung der Sünde provoziert, sodaß sich verkehrte Neigungen entfalten und das Gewissen verdunkelt wird. Die Lehre von den Hauptsünden entstammt diesem Denken. Hauptsünden (oder auch Wurzelsünden) bringen andere Fehlhaltungen hervor. Die Hauptsünden: Stolz, Habsucht, Neid, Zorn, Unkeuschheit, Unmäßigkeit, Trägheit. Der Umgang mit Sünde und Schuld Umkehr und Versöhnung Falscher Umgang mit Schuld und Sünde: Schuld leugnen Schuld verdrängen Schuld verharmlosen Schuld beschönigen Schuld abschieben Schuld zu teilen versuchen Richtiger Umgang: Schuld eingesehen Schuld ertragen Schuld bekennen Schuld anerkennen Schuld vergeben Aus psychologischer Sicht heraus stellt sich die Aufgabe, vorhandene Schuld als zur Prson gehörig zu bejahen und anzunehmen. Das "Sprechen über" und "Annehmen" von Schuld ist für den "Heilungsprozeß" bedeutsam. Der Aufruf zum Umkehr im Evg meint die im Inneren des Menschen getroffene Abkehr von Sünde, Selbstgerechtigkeit und die Hinwendung zu Gott. Umkehr ist Voraussetzung, nicht Ursache der Vergebung von Sünde und Schuld. Die Versöhnung mit Gott vollzieht sich bereits in der Umkehr (vollkommene Reue). Formen der Sündenvergebung in der Kirche: Bußsakrament Bußfeier Bußakt bei der Messe Lesen und Hören der Hl.Schrift Gute Werke Dem anderen verzeihen oder ihn um Verzeihung bitten Gebet und Gewissenserforschung Feier der Eucharistie Umorientieren des Lebensweges