163 11.1) Zusammenfassung Der alkalische Iznik See ist in der Marmara Region (NW-Türkei), in der ein typisches mediterranes Klima vorherrscht, gelegen. Er besitzt eine Oberfläche von ca. 300 km2. Im See selbst fallen aus der Wassersäule Karbonate hauptsächlich während des Sommers aus, wobei die hydro-geochemischen Bedingungen die Karbonatkonservierung in den Sedimenten begünstigen. Es wird erwartet, dass endogene Karbonate, besonders Aragonit, Informationen über die vergangenen klimatischen Bedingungen speichern. Die geochemische und mineralogische Zusammensetzung der Sedimente wurde für ein kontinuierliches Kompositprofil untersucht. Ein neu erstelltes Altersmodell zeigt dass dieses Kompositprofil ~31.5 ka der Klimageschichte der Marmara Region aufzeichnet. Somit ergeben die Untersuchungen eine zeitliche Auflösung von zehn bis zu hundert Jahren. Die statistische Analyse der Daten (Compositional Data Analysis, CoDa) identifiziert drei geochemische Hauptgruppen aus Elementen, die hydro-geochemisch ähnlich auf Umweltveränderungen reagieren. Entsprechend konnten die fünf lithostratigraphischen Einheiten auch eindeutig geochemisch erfasst werden und lassen sich im Kontext vergangener Klimazustände interpretieren. Die siliziklastischen Korngrößenverteilungen der Sedimente deuten das Energieniveau der Ablagerungsbedingungen der Iznik Sedimente an. Besondere Einblicke hierzu liefert das Verhältnis von Grobsilt zu Ton. Der Zusammenhang zur Wassersäulentiefe wurde anhand der rezenten Sedimentation modelliert. Somit konnten die Änderungen der Seetiefe bzw. der Seespiegel für die Vergangenheit rekonstruiert werden. Die endogene Karbonatausfällung erweist sich als äußerst klimasensitiv. Änderungen in der Karbonatakkumulation zeigen Änderungen in der Mischungsdynamik innerhalb der Wassersäule an, da der vertikale Wasseraustausch sensitiv auf Klimaveränderungen reagiert, was wiederum die Karbonatausfällung im Wasser beeinflusst. Entsprechend spiegelt sich die Dynamik der Seemischung (a) im Verhalten von redox-sensitiven Elementen (oxische versus anoxische Bedingungen), (b) in geochemischen Mustern von Elementen die sich an Karbonate binden, und (c) in der geochemischen Stabilität diverser Minerale wider. Aus den abgeleiteten Veränderungen der Seespiegelschwankungen und Mischungsdynamik im Iznik-See lassen sich Aussagen über die regionale Klimaentwicklung der Marmara Region gewinnen, da das Klima letztlich das Mischverhalten des Sees maßgebend bestimmt. 164 Somit war der Iznik See in der Zeitspanne zwischen ~31.5 bis ~18 ka cal BP nur wenig produktiv und nur wenig Karbonate sind in den Sedimenten erhalten. Entsprechend war die Sedimentation zu dieser Zeit durch terrestrischen Eintrag stark geprägt. Während des letzten Glazials (~26 bis ~18 ka cal BP) traten verschiedene Phasen auf, in denen die Wassersäule nur unvollständig durchmischte. Während dieser Zeitspanne variierte die Seetiefe kaum und Karbonate sind geochemisch nur wenig stabil. Somit fehlen Karbonate während des letzten glazialen Maximums (LGM) beinahe vollständig. Mit Beginn des finalen Rückzugs der Vereisung (~18 ka cal BP) zeigt der Iznik See ausgeprägte Seespiegelschwankungen. Tiefstände finden sich bei ~16.5 ka cal BP und zwischen ~14 und ~9 ka cal BP. Das marine Isotopenstadium 1 (MIS 1) ist im Allgemeinen durch erhöhte Aragoniterhaltung und eine höhere chemische Verwitterung charakterisiert. Der terrestrisch-organische Eintrag erhöht sich graduell und entsprechend nimmt die Trophie des Sees zu. Die Klima-Eventstratigraphie der Sedimente des Iznik Sees lässt sich gut und eindeutig in den Kontext der regionalen Klimaentwicklung der Marmara Region integrieren. So scheint die endogene Karbonatakkumulation in Phase mit der Klimavariabilität der Nordhemisphäre zu sein. Zudem lassen sich beispielsweise anhand der Karbonatphasen die warmen Interstadiale deutlich von den kälteren Stadialen unterscheiden. Dansgaard-Oeschger-Interstadiale sind in den Iznik Sedimenten durch Aragoniterhaltung gekennzeichnet. Während der HeinrichStadiale wird in den Sedimenten für kurze Phasen hoch Mg-Kalzit erhalten. Außerdem, sind im Allgemeinen die kälteren Phasen mit höherem Eintrag von terrestrischem Kalzit verknüpft, so auch während der Jüngeren Dryas (~12 ka cal BP). Zu Beginn des Holozäns zeigt die Sedimentgeochemie ein gutes Mischverhältnis des Sees an, was mit einer niedrigen Wassersäule einhergeht. Das mittlere Holozän ist generell feuchter, was anhand einer höheren chemischen Verwitterung und zwei ausgeprägten Seespiegelanstiegen zu erkennen ist. Der Erste dieser Anstiege ist zeitgleich mit der ‚Wieder‘ -Verbindung der Wasserstraße zwischen dem Schwarzen Meer und dem Mittelmeer, um ~9 ka cal BP. Im Anschluss an dieses geologische Ereignis folgte im Einzugsgebiet des Iznik Sees die menschliche Erstbesiedlung die durch Ackerbau gekennzeichnet ist. Ein zweiter ausgeprägte Seespiegelanstieg im Holozän ist bei ~6.5 ka cal BP dokumentiert. Um ~5 ka cal BP ist eine Veränderung der Verhältnisse der Korngrößen zu beobachten die auf anthropogenen Einfluss im Einzugsgebiet in Folge höherer Erosion durch Bodennutzung hindeutet.