Orthognathe Chirurgie Indikation kieferorthopädisch-chirurgischer Therapie • • notwendige Änderungen skelettaler Strukturen im Kiefer-Gesichtsbereich das gewünschte Resultat ist durch angemessene konservative kieferorthopädische Therapiemaßnahmen nicht erreichbar Kieferorthopädie und kieferorthopädische Chirurgie verfolgen identische Ziele auf unterschiedlichen Wegen: • • • Optimale Okklusion und Artikulation Ästhetische Gesichtsbalance Morphologische und funktionelle Stabilität des Behandlungsresultates Indikation im Oberkiefer • • • zur Korrektur des Einbaus der Maxilla in den Schädel zur Verbreiterung der Oberkieferbasis zur Lagekorrektur einzelner Alveolarfortsatzsegmente Indikation im Unterkiefer • • • zur Änderung der Unterkieferlage zur Korrektur der Unterkieferform (etwa bei vergrößertem bzw. verkleinertem Kieferwinkel) zur Lagekorrektur einzelner Alveolarfortsatzsegmente Korrektur besonders ausgeprägter, vorwiegend skelettaler Dysgnathien • extreme Unterkieferrücklage • mand. Prognathie, Makrogenie • maxilläre Retrognathie (Pseudoprogenie) • skelettal offener Biß • evtl. extrem tiefer Biß • hochgradige transversale Enge im OK • Spaltbedingte Dysgnathieformen • relativ seltene syndromale Wachstumsstörungen des Gesichtsschädels (z.B. Pierre-RobinSyndrom, Mb. Crouzon, Dysostosis mandibulo-facialis, Dysostosis cleido-cranialis) Dentoalveoläre Korrekturen können im Wachstum sowie nach Wachstumsende erfolgen Skelettale Anomalien sind nur kompensativ bzw. chirurgisch korrigierbar Bei milder Ausprägung der skelettalen Anomalie wird die Entscheidung zugunsten der konservativen Lösung fallen, zur Vermeidung von Operations- und Narkoserisiko. Basale Abweichungen sollen durch dentoalveoläre Änderungen kompensiert (z.T. auch kaschiert), sowie falls möglich Wachstumstendenzen gefördert bzw. im positiven Sinne beeinflußt werden. Extreme skelettale Dysgnathien lassen sich mit funktionell und ästhetisch zufriedenstellendem, stabilen Resultat und in zumutbarer Behandlungszeit im allgemeinen nur operativ korrigieren. Anomalien der Kieferlage und -form werden dabei kausal therapiert. Dentoalveoläre Fehler sollten dekompensiert werden. (Keine Addierung vom kieferorthopädischem und chirurgischen Rezidiv!) Ein entscheidendes Problem der kieferorthopädischen Chirurgie liegt in der Tatsache, daß eine unbefriedigende kieferorthopädische Behandlung nicht ohne weiteres durch eine anschließende Operation behoben werden kann. Eine grundlegende orthodontische Behandlung vor einer Dysgnathieoperation muß in allen drei Ebenen des Raumes konträr zu der ablaufen, die bei alleiniger kieferorthopädischer Therapie erforderlich ist. Grundsätze für die Durchführung kieferorthopädisch-kieferchirurgischer Maßnahmen (unabhängig von der operativ zu korrigierenden Anomalie) 1. In den meisten Fällen sind eine präoperative sowie eine postoperative kieferorthopädische Behandlung erforderlich, um eine regelrechte Okklusion und optimale Funktion zu erreichen. Selten genügen Zahnstellung und Zahnbogenform für eine alleinige kieferchirurgische Korrektur. 2. Im Rahmen dieser prä- und postoperativen Therapie werden in der Regel festsitzende Apparaturen verwendet. 3. Aufgabe der präoperativen kieferorthopädischen Behandlung ist die Schaffung kongruenter Zahnbögen und die achsengerechte Einstellung der Zähne auf der jeweiligen Kieferbasis. (Diese Dekompensation bedeutet sehr häufig eine „Verschlimmbesserung“ der Anomalie.) 4. Aufgabe der postoperativen Kieferorthopädie ist die Feineinstellung der Okklusion und Retention des Behandlungsergebnisses. „Stelle die Zähne schlecht aufeinander, aber gut auf den Kiefer“ Die dentale Unterkiefermitte sollte in der Vorbehandlung immer mit der Kinnmitte koordiniert werden. Die transversale Relation in OK und UK muß präoperativ übereinstimmen • • Operationsvarianten statt risikoreicher Zahnbewegungen Bei ausgedehnten Vorkontakten in der Front und/oder Kiefergelenkbeschwerden besteht die Indikation zur frühen Dekompensation Grundlage jeder interdisziplinären, kieferorthopädisch-chirurgischen Therapieplanung muß eine umfassende diagnostische Abklärung sein. Behandlungsplanung im engeren Sinn erfolgt nach eingehender Diagnostik und Beratung Motivation erfragen !" Erhebung der allgemeinen und speziellen Anamnese !" komplette klinische und technische Untersuchung !" Planung im engeren Sinn erfolgt in drei aufeinanderfolgenden Sequenzen: #Initiale Planung #Zwischenplanung #definitive Operationsplanung Alle drei Planungsphasen laufen ähnlich ab und enthalten folgende Schritte: funktionelle Analyse und Therapieplanung $" strukturelle Analyse und Therapieplanung $" o kephalometrische Analyse und Planung o ästhetische Analyse und Planung o okklusale Analyse und Planung Funktionelle Analyse und Planung Patienten mit dysgnathen Bißverhältnissen weisen eine erhöhte Inzidenz an myoarthrogenen Dysfunktionen auf Zu Beginn einer Dysgnathiebehandlung steht eine klinische Funktionsanalyse (im Bedarfsfall ergänzt durch eine instrumentelle Analyse und entspr. bildgebende Diagnostik) Alle Planungsschritte zur Behandlung einer Dysgnathie am Modell #" im Fernröntgen-Seitbild #" oder Photo #" müssen gelenkorientiert sein und somit auf eine vorher bestimmte Kieferrelation aufbauen Durch die schädel- und gelenkbezügliche Montage der kieferorthopädischen Modelle im Artikulator können zuverlässig Zwangsführungen und muskuläre Dysfunktionen erfaßt werden. Bei funktionellen Störungen erfolgt erweiterte Diagnostik (Axiographie, evtl. CT, Kernspin oder MRT) zur Abklärung einer korrekten Kondylus-Diskus-Beziehung. (retrokraniale Kondylusposition) Strukturelle Analyse und Therapieplanung kephalometrische Analyse $" ästhetische Analyse $" okklusale Analyse $" Zur Planung werden benötigt: Fernröntgen-Seitbild in Schlußbißstellung mit entspannter Gesichtsmuskulatur !" Standardisierte Photoaufnahmen seitlich und en face im 1:1-Maßstab !" Im Artikulator gelenkbezüglich montierte Modelle !" Situationsmodelle, gesockelt, in maximaler Interkuspidation !" Identifikation eines skelettalen Fehlers im Unterkiefer In sagittaler und vertikaler Richtung: • Unterkieferbasis (ML) und • der B-Punkt korrekte Lage anhand folgender Parameter analysieren: • vertikale Gesichtsdrittelung • Idealproportionen der anterioren skelettalen Gesichtshöhe • anguläre Beziehungen zwischen ML und SN sowie (evtl. korrigierter) NL • SNB und (evtl. korrigierter) ANB-Winkel In transversaler Richtung müssen Fehler am frontalen Fernröntgenbild, an en-face-Aufnahmen und direkt am Patienten analysiert und registriert werden. Erkennung eines dentoalveolären Fehlers Im Frontzahnbereich: %"vertikal: Richtwerte zu Basen NL und ML im OK, zusätzlich Beziehung zur Oberlippe %"sagittal: Normwinkelbeziehung zur skelettalen Basis sowie zu NA bzw. NB und metrische Relationen der Inzisalkanten zu NA bzw. NB %"transversal: Abweichungen werden im frontalen Röntgen sowie direkt am Patienten erfaßt Im Seitenzahnbereich: %"metrische Analysen am Modell sowie im Röntgenbild Identifikation von Strukturfehlern des Kinns • in vertikaler Richtung durch: - vertikale Gesichtsdrittelung - Drittelung des Untergesichtes - Idealproportionen der anterioren Gesichtshöhe • in sagittaler Richtung durch: - Winkel zwischen ML und Tangente an B und Pog - Abstand von Pog zu NB-Linie • in transversaler Richtung durch: - metrische Abweichung von der dentobasal korrigierten Gesichtsmittellinie - ästhetisches Einschätzen der Kinnbreite zur gesamten Gesichtsbreite 5. Wie bei der konservativen kieferorthopädischen Korrektur von Dysgnathien muß auch bei der kieferorthopädisch-kieferchirurgischen Therapie mit der Möglichkeit von Rezidiven gerechnet werden. Ursachen für diese Rezidive können sein: o Planungs- und Operationsfehler o mangelnde Adaptation der Muskulatur und Weichteile o zu frühe Operation (noch anhaltendes Wachstum) o ungesicherte Okklusion Maßnahmen der Rezidivprophylaxe: • sorgfältige Therapieplanung • sorgfältige Durchführung der präoperativen kieferorthopädischen Behandlung - Schaffung kongruenter Zahnbögen - Verzicht auf rezidivträchtige Zahnbewegungen - Ermöglichen einer gesicherten postop. Interkuspidation • ggf. begleitende myofunktionelle Übungen zur besseren Muskeladaptation • sorgfältige Durchführung der operativen Maßnahmen - korrekte Einstellung der Kiefersegmente, insbes. der Kiefergelenke - sichere Fixation • Feineinstellung der Verzahung und anschließende Retention Rezidivgefahr bei sagittaler und transversaler KFO- Überkorrektur • • bei Mädchen mit dem 13. Lebensjahr bei Jungen mit dem 14. Lebensjahr Prinzipien der prächirurgischen kfo-Behandlung • Ausführliche Aufklärung des Patienten bzw. der Eltern über neuen Behandlungsweg mit chirurgischer Konsequenz • Notwendigkeit einer konsequenten Dekompensation vor der Chirurgie: Die als Anpassung an die individuelle Anomalie entstandene kompensatorische Stellung der Zähne in allen drei Raumebenen muß beseitigt werden 6. Die Beteiligung mehrerer Fachdisziplinen an der beschriebenen Therapie erfordert eine gemeinsame, abgestimmte Therapieplanung und eine enge Kooperation von Beginn an. Während der Beratung des Patienten sollte informiert werden über: - Art, Umfang und voraussichtliche Dauer der geplanten Therapie sowie die erforderlichen Apparaturen Art und Umfang der geplanten chir. Maßnahmen Dauer des Krankenhausaufenthaltes Mögliche Komplikationen und Risiken der Operation sowie Narkose Kieferorthopädisch-operative Therapieverfahren • • • • • • • Vorverlagerung und/bzw. Schwenkung der Mandibula Rückverlagerung des Unterkiefers Lageänderung der Maxilla in drei Dimensionen Verbreiterung der Oberkieferbasis (Alveolarfortsatz)-Segmentosteotomien im Ober- und Unterkiefer Genioplastik Myotomien