Powered by Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustriebw.de/de/fachbeitrag/aktuell/gelber-schutz-fuer-baeume/ Gelber Schutz für Bäume Ohne Schwefel könnte keine Pflanze leben. Er ist nicht nur wichtiger Bestandteil vieler Proteine , sondern auch von Glutathion, einem zentralen Molekül in der pflanzlichen Stressabwehr. Der Stoffwechsel des gelben Elements ist deshalb ein wichtiges Forschungsgebiet am Lehrstuhl für Baumphysiologie des Freiburger Professors Heinz Rennenberg. Die Arbeitsgruppe des Forstwissenschaftlers versucht zu verstehen, wie Bäume Schwefel aufnehmen, auf ihre Organe verteilen und zum Schutz gegen Umweltgifte einsetzen. Seit etwa 1990 geht die Menge an Schwefeldioxid in der Luft und damit die Menge an saurem Regen deutlich zurück. Aber das ist nicht etwa für alle gut, die Kulturpflanze Raps zum Beispiel leidet immer häufiger an Schwefelmangel und ihre Blüten verlieren die gelbe Farbe. Raps ist zwar einer der wenigen Verlierer der Umweltpolitik der 90er, denn Schwefel ist in der Natur keine Mangelware. Aber die Bemühungen der Bauern, zusätzlich mit Schwefel zu düngen, zeigen, wie wichtig das gelbe Element für Pflanzen ist. „Beim Raps ist es zum Beispiel Bestandteil von Abwehrstoffen gegen Fraßfeinde, das Ausbleichen bedeutet einen schlechteren Schutz“, sagt Prof. Dr. Heinz Rennenberg vom Lehrstuhl für Baumphysiologie der forstwissenschaftlichen Fakultät an der Uni Freiburg. „Das wohl wichtigste schwefelhaltige Molekül im pflanzlichen Stoffwechsel ist allerdings das Glutathion.“ Das untere Rapsfeld wurde mit schwefelhaltigem Dünger gedüngt, das obere nicht. (Abbildung: Schnug, E. and Haneklaus, S.: Sulphur deficiency in Brassica napus - biochemistry, symptomatology, morphogenesis. Landbauforschung Völkenrode, FAL- Braunschweig, Sonderheft 144, 1994) 1 Ein Molekül für die Entgiftung Glutathion ist ein so genanntes Tripeptid, besteht also aus drei Aminosäuren. Eine davon - das Cystein - enthält Schwefel. Glutathion erfüllt in einer Pflanze zahlreiche Funktionen. Es stellt zum Beispiel das Vehikel des gelben Elements in den Leitungsbahnen der Pflanze dar. Der Schwefel, den die Wurzeln in Form von Sulfat aus dem Boden aufnehmen und in die Blätter pumpen, wird nach einigen chemischen Zwischenschritten in Cystein und Methionin eingebaut und in Form von Glutathion in andere Organe transportiert. Dort können aus den Aminosäuren nach Bedarf schwefelhaltige Proteine hergestellt werden. Weil der im Glutathion gebundene Schwefel Elektronen aufnehmen kann, reguliert das Tripeptid auch das Redox-Milieu in der Zelle und somit die Aktivität vieler Enzyme. Und es schützt die Pflanze vor verschiedenen Stressfaktoren. Glutathion (grüne Färbung) im Inneren von Pflanzenzellen, von der mit Flüssigkeit gefüllten Vakuole an den Zellrand und an den Zellkern gedrückt. (Abbildung: Hartmann et al., Plant, Cell and Environment 2003, Vol. 26, Blackwell Publishing Ltd.) Das tut es zum Beispiel, indem es die schädlichen freien Elektronen von Substanzen aufnimmt, die durch den Einfluss von zu viel Licht oder auch bei ganz normalen Atmungs- und Photosyntheseprozessen in der Pflanzenzelle entstehen. Das dient zum einen dem Schutz des Gewebes, zum anderen kann Glutathion auf diese Weise auch Wachstumsprozesse regulieren, die geringfügige Mengen an Substanzen mit freien Elektronen benötigen. Glutathion bindet und entgiftet aber auch Pestizide, Herbizide und andere vom Menschen eingeführte Umweltgifte. Und schließlich kann es unter der Kontrolle von Enzymen Polymere bilden, sich also mit sich selbst vernetzen. So entstehen als Phytochelatine bezeichnete Molekülkomplexe, die Schwermetalle einfangen und unschädlich machen können. „Die Glutathion-Forschung eröffnet interessante landwirtschaftliche Anwendungsbereiche“, sagt Rennenberg. „Man stelle sich Pflanzen vor, die besonders viel von dem Molekül haben und an belasteten Standorten Schwermetalle und andere Gifte aus dem Boden ziehen können.“ Eine solche Pflanze haben die Forstwissenschaftler um den Freiburger Professor mit einer genetisch veränderten Pappelart bereits ausprobiert, und erste Freilandversuche in Ostdeutschland und in Russland zeigen, dass sie sich gut zur Entgiftung von verseuchten Böden eignet. Weil der Einsatz von genetisch veränderten Organismen in der EU aber eher problematisch gesehen wird, beschränken die Forscher sich momentan eher auf die Suche nach natürlichen Varianten von Pappeln, die einen besonders intensiven GlutathionStoffwechsel aufweisen. 2 Der Schwefel-Stoffwechsel als komplexes Netzwerk Ein anderes Projekt der Arbeitsgruppe konzentriert sich auf die Eigenschaft des Glutathions, Wachstumsvorgänge zu regulieren. Von besonderem Interesse sind dabei die molekularen Mechanismen, über die das Molekül den Gehalt an Substanzen mit freien Elektronen reguliert. Das Ziel ist, zu verstehen, wie zum Beispiel Wurzeln das Glutathion nutzen, während sie sich entwickeln. „In diesem Bereich ist noch ziemlich wenig bekannt“, sagt Rennenberg. „Aber wir vermuten, dass hier pflanzliche Hormone wie die Auxine oder Cytokinine eine Rolle spielen.“ Mit einer Arbeitsgruppe aus Braunschweig versuchen Rennenberg und seine Mitarbeiter eine Frage zu beantworten, die im Zusammenhang mit dem sauren Regen steht. Alle Pflanzen von den einzelligen Algen bis zu den Bäumen verfügen über ein Enzym, das Schwefeldioxid aus der Luft entgiften kann, die Sulfit-Oxidase. Aber hohe Konzentrationen des Gases hat erst der Mensch erzeugt, wozu diente das Enzym also in den Jahrmillionen vor der Industrialisierung. Die Forscher haben diesbezüglich zwei Vermutungen: Zunächst könnte es für Pflanzen an geothermisch aktiven Standorten wichtig sein, wo aus Erdspalten viel Schwefeldioxid entweicht. Vor allem aber könnte es auch der Selbstentgiftung dienen. Denn wenn Pflanzen im Herbst ihre Blätter abwerfen, bauen sie zunächst die darin gespeicherten Proteine ab, und dabei entsteht unter anderem das giftige Gas. „Der Schwefel-Stoffwechsel ist sehr wichtig und gleichzeitig ziemlich kompliziert“, fasst Rennenberg zusammen. „Es ist faszinierend, wie Pflanzen dieses komplexe Netzwerk aus Interaktionen regulieren können.“ mn – 17.06.08 © BIOPRO Baden-Württemberg GmbH Weitere Informationen zum Beitrag: Prof. Dr. Heinz Rennenberg Universität Freiburg Institut für Forstbotanik und Baumphysiologie Professur für Baumphysiologie Georges-Köhler Allee, Geb. 53/54 79085 Freiburg Tel.: 0761-203-8301 Fax: 0761-203-8302 E-Mail: [email protected] 3 Fachbeitrag 23.06.2008 BioRegion Freiburg 4