LGT VADUZ Wie Kunst unsere Werte verkörpert 1 2 LGT VADUZ Wie Kunst unsere Werte verkörpert LGT Bank AG, Herrengasse 12, FL-9490 Vaduz, www.lgt.li 3 Herausgeber LGT Bank AG, Herrengasse 12, FL-9490 Vaduz Konzept, Gestaltung und Redaktion Birgit Schmidt, Kunsthistorikerin, Wien LGT Group Marketing & Communications Druck BVD Druck+Verlag AG, Schaan Lithografie Prepair Druckvorstufen AG, Schaan Bildnachweise LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna Paul Trummer, TravelLightart, Mauren Umschlagbild Brüder Bauer, Hortus Botanicus, Detail aus «Lilium candidum L.», um 1778 4 Inhalt Editorial5 Bleibende Werte 6 Erfolgreiche Kunstsammler und Vermögensverwalter zeichnen sich durch ähnliche Qualitäten aus. Renaissance8 Inspiriert durch die wiederentdeckte Antike finden ein neues Bild des Menschen und Eindrücke aus der Natur Eingang in die Kunst. Exkurs: Das Selbstbild des Künstlers 16 Barock19 Architektur, Malerei und Skulptur zeichnen sich durch starke Bewegung und sinnliche Üppigkeit aus. Exkurs: Der Streit um die Kutsche 23 Klassizismus34 Wie in der Renaissance wird die Ästhetik der Antike zum Vorbild für Künstler erkoren. Eleganz, Grazie und Zurückhaltung gelten als Ideale der Zeit. Exkurs: Der chinesische Pavillon 40 Biedermeier48 Das scheinbar Alltägliche und das private Idyll finden besondere Aufmerksamkeit. Der Blick der Maler richtet sich auf die Natur und die Reize der Wirklichkeit. Exkurs: Das Naturerlebnis in Freundschaft 60 5 6 Sehr geehrte Kundin, sehr geehrter Kunde Unsere Familie konnte in den letzten Jahrhunderten eine einzigartige Kunstsammlung aufbauen. Wir setzen Werke dieser Sammlung ganz bewusst im Auftritt der LGT ein. Sie verkörpern für uns viele Werte, die wir auch in der Partnerschaft mit unseren Kunden anstreben: Langfristig ausgerichtetes Denken und Handeln, individuelle Perspektive sowie Kompetenz und Zuverlässigkeit beim Aufbau und der Verwaltung des Vermögens. In den Jahren 2014 und 2015 haben wir die Kundenzone in unserem Hauptsitz in Vaduz vollständig umgebaut und stellen in den Räumlichkeiten anhand von Reproduktionen und Wandgemälden verschiedene Exponate aus den Fürstlichen Sammlungen vor. Wir freuen uns sehr, Ihnen mit diesem Buch einen Überblick über die gezeigten Werke und die verschiedenen Epochen ihrer Entstehung zu geben. S.D. Prinz Philipp von und zu Liechtenstein Chairman LGT S.D. Prinz Max von und zu Liechtenstein CEO LGT S.D. Prinz Philipp von und zu Liechtenstein (links) und S.D. Prinz Max von und zu Liechtenstein (rechts) 7 Bleibende Werte Die Fürsten von Liechtenstein sind seit über 400 Jahren leidenschaftliche Kunstsammler. Sie haben in diesem Zeitraum eine der bedeutendsten privaten Sammlungen mit Hauptwerken europäischer Kunst aus fünf Jahrhunderten aufgebaut, die ihre Heimat im familieneigenen Gartenpalais Liechtenstein in Wien gefunden hat. Die Wurzeln der Fürstlichen Sammlungen liegen im Ideal der Barockzeit, in der sich Mäzene zur Förderung der Schönen Künste verpflichtet fühlten. Das Haus Liechtenstein hat dieses Ideal über Generationen gepflegt. Im Rahmen einer aktiven Ankaufspolitik setzt die Fürstliche Familie die Sammeltätigkeit bis zum heutigen Tag konsequent fort. Die bestehenden Sammlungsschwerpunkte werden dabei durch Kunstwerke von höchster Qualität verdichtet und erweitert. Erfolgreiche Kunstsammler und Vermögensverwalter zeichnen sich durch ähnliche Qualitäten aus: Sie müssen beim Aufbau langfristig denken und handeln und sie benötigen dabei Disziplin und Kompetenz. Zu den wichtigsten Kompetenzen eines Sammlers gehört die Fähigkeit, den wahren Wert und die nachhaltige Qualität eines Kunstwerks zu erkennen, sowohl als einzelnes Werk, als auch im Kontext einer bestehenden Sammlung. Diese Eigenschaft spiegelt sich auch in der Vermögensverwaltung: In der Fähigkeit nämlich, den inneren Wert und die Risiken eines Investments im Portfolio-Kontext zu erkennen. Wer erfolgreich Kunst sammeln will, wird nicht umhin kommen, über die Zeit eine individuelle Perspektive und Handschrift zu entwickeln. Schliesslich hat jeder Sammler seine eigene Vision, die er verwirklichen will. Diese individuelle Perspektive ist auch für uns die Voraussetzung, um unsere Kunden bei ihren Vermögensfragen konsequent im Hinblick auf ihre persönlichen Ziele und Lebensumstände zu beraten. 8 Die Reproduktionen und Wandgemälde in unserem Hauptsitz zeigen wichtige Werke der Fürstlichen Sammlungen aus der Renaissance, dem Barock, dem Klassizismus und dem Biedermeier. Die vorgestellten Exponate werden nachfolgend im Kontext der jeweiligen Kunstepoche erläutert. 9 10 Renaissance «All’Antica» – nach der Antike, dies galt als Motto der Kunst der Renaissance. Durch das zunehmende Interesse an den Werken der griechischen und römischen Architekten, Bildhauer und Dichter wurde im 15. Jahrhundert in Italien das Bewusstsein für die Besonderheiten des Altertums geweckt. Die schöpferische Kraft konzentrierte sich zunächst in Florenz als Zentrum des Handels und des Bankwesens und erlebte bald auch nördlich der Alpen eine Blüte. Die Reisen der Künstler trugen zur Verbreitung des neuen Gedankengutes bei. Die Ausgrabungen in Rom brachten Gebäude und Skulpturen zutage, von deren Gestaltung eine besondere Faszination ausging. Die Antike bewies Langfristigkeit in ihrer Wirkung über die Epochen hinweg. In allen Kunstgattungen wurde aus einer Fülle von Entdeckungen geschöpft, um das Bild des Menschen zu verfeinern und die Möglichkeiten der Gestaltung zu erweitern: Die Körper wurden in realistischer Bewegung nach den überwiegend nackten Statuen modelliert. Die Architekten fanden die Vorbilder für ihre Entwürfe in den idealen Massverhältnissen der Tempelanlagen und die Maler orientierten sich nach dem in der Natur Sichtbaren. Die so gewonnenen neuen Erkenntnisse über die harmonische Wirkung von Proportion, Ausgewogenheit und Realismus fanden auch in kunsttheoretischen Schriften Niederschlag. Diese brachten zum Ausdruck, dass die Künstler ihr Metier gleich einer Wissenschaft deklarierten und die Ergebnisse detaillierter Studien von Perspektive, Anatomie und Realität festhalten und dokumentieren wollten. Mit den neuen Perspektiven der Betrachtung der Künste ging die Entdeckung der Natur einher, die von dem Universaltalent Leonardo da Vinci als «Lehrmeisterin aller Meister» bezeichnet wurde. Natur und Landschaft fungierten als Inspiration ebenso wie als Stimmungsträger, die wesentlich zur Harmonie der Gesamtkomposition beitrugen. Hendrik van Steenwyck, Detail aus «Grosse Säulenhalle mit Aufzug zum Turnier», 1598 11 Neuer Status für die Künstler Anknüpfend an die Werte der Antike, die durch griechische und römische Literatur vermittelt wurden, genossen von nun an auch die Kunstschaffenden hohes Ansehen. Die Individualität ihrer Schöpfungen verhalf ihnen zu einem neuen gesellschaftlichen Status. Die Höfe der Fürsten zogen die Gelehrten wie die Künstler an, sie galten als Orte des Wissens und des guten Geschmacks und machten den Erfahrungsaustausch und das Gespräch über Gestaltungsvarianten möglich. Folgend den verfeinerten Ansprüchen und dem hohen Bildungsniveau der Auftraggeber, die dem Adel und dem Patriziat angehörten, leiteten gefragte Künstlerpersönlichkeiten Darstellungen von antiken Götter- und Heldensagen ab und hinterliessen komplexe Allegorien als Spiel der Andeutungen durch Symbole. Diese enthielten Geheimnisse und Bedeutungen, die auf die Persönlichkeit und den Charakter hinwiesen – zumeist können diese heute nicht mehr entschlüsselt werden. Franz Anton von Scheidel, Detail aus «Abbildungen von Conchilien in Aquarell nach Johann Carl Megerle von Mühlfeld», vor 1801 Brüder Bauer, Hortus Botanicus, Detail aus «Amaranthus», 1776/1804 12 Brüder Bauer, Hortus Botanicus, «Cucurbita foliis lobatis pomis laevibus», 1779 Das Porträt sollte den Dargestellten nach der Wirklichkeit abbilden, seine Erscheinung und seine Würde dauerhaft wiedergeben. Hans Mielich, ein deutscher Maler der Renaissance, folgte der Tradition ganzfiguriger Bildnisse, die nicht nur in Italien, sondern auch nördlich der Alpen geschätzt wurde (S. 13). Die von ihm nach Natur und Realität abgebildeten Details – ein Leopard, das Interieur, der Ausblick auf eine verschneite Landschaft – waren wichtige Bedeutungsträger, um Ladislaus von Fraunberg, Graf zu Haag, als Persönlichkeit in seinem Umfeld wiederzugeben. In der Kleinteiligkeit der Gestaltung orientierte sich Mielich an der Detailbeobachtung der niederländischen Meister des 15. Jahrhunderts. Durch Licht und Farbe suggerierte er Plastizität, Räumlichkeit und eine nahezu greifbare Qualität der Oberflächen. 13 «… ein tigerthier, so wie ein Hundt stets bey ihme gewesen.» Gundacar von Liechtenstein über den Leoparden von Ladislaus von Fraunberg, ein Geschenk italienischer Verwandter, 1640 Hans Mielich, Detail aus «Porträt des Ladislaus von Fraunberg, Graf zu Haag», 1557 14 15 Schalterhalle, EG, LGT Vaduz 16 Natur als Inspirationsquelle Hendrik van Steenwyck folgte den in Florenz entwickelten Lösungen zur Darstellung von Tiefenillusion und Perspektive und etablierte sich als kompetenter Spezialist der niederländischen Architekturmalerei. Seine Kompositionen entsprachen dem flämischen Geschmack, und so wandelte er die kulissenähnlichen Arrangements ab, wobei er, den Vorgaben des Auftrages folgend, das Format, die Figuren und die Szenen, die die Gemälde belebten, veränderte (S. 8). In den nördlichen Kunstlandschaften pflegte man zudem die Vorliebe für das exakte Studium von Flora und Fauna und liess die Erscheinungen als Details in die Kompositionen einfliessen. Hatten bereits Leonardo da Vinci und Albrecht Dürer die Natur als Quelle für die Kunst deklariert, so hielten nun viele Maler die Besonderheiten der Tier- und Pflanzenwelt als gezeichnete Mustervorlagen fest. Diese dienten den Meistern als Möglichkeit, das Gesehene auch für spätere Kompositionen zu nutzen. Die Blumen, Gewächse und Tiere waren zudem Bedeutungsträger und ergänzten als besondere Motive die Erzählungen. Brüder Bauer, Hortus Botanicus, «Lilium», 1776/1804 17 Exkurs Das Selbstbild des Künstlers Einer der bedeutendsten Zeitgenossen des Universalgenies Leonardo da Vinci war der deutsche Maler Albrecht Dürer. Geboren in Nürnberg, ausgebildet als Goldschmied und ausgestattet mit einem aussergewöhnlichen Talent, war er nördlich der Alpen einer der wichtigsten Künstler der Renaissance. Zweimal reiste er auf den seit dem Mittelalter genutzten Handelswegen der Kaufleute und Händler nach Venedig und nahm die Erfahrungen der Antike und der italienischen Kunst in seine Heimat mit. Sein umfangreiches Werk, seine Briefe und die Tagebuchnotizen lassen das Bild eines gelehrten Mannes entstehen, der sich intensiv mit der Kunst und seiner Stellung als Künstler beschäftigte. Wie Leonardo da Vinci hielt Dürer in einer seiner Lehrschriften die Bedeutung des Naturvorbildes fest: «Denn wahrhaftig steckt die Kunst in der Natur, wer sie heraus kann reissen, der hat sie.» Nie zuvor waren mit vergleichbarer Intensität Mensch, Tierwelt und Landschaft betrachtet und abgebildet worden. Dürer setzte sich im Sinne der italienischen Renaissance auf seinen beschwerlichen, mehrere Wochen andauernden Reisen, selbst mit den Eindrücken der erlebten Natur auseinander und hielt sie in Aquarellen fest. Das Licht und die Farben des Südens hielten ihn in ihrem Bann und er war sich dieser Werte bewusst als er bedauernd im Hinblick auf die bevorstehende Abreise feststellte: «Wie wird´s mich nach der Sonne frieren.» Mit den Erlebnissen und Begegnungen in Italien entstand auch ein neues Selbstbewusstsein gegenüber der gesellschaftlichen Rolle als Künstler. In den Städten und an den Höfen nördlich der Alpen um 1500 galten Maler und Bildhauer als Handwerker, eine Tatsache, die Dürer kritisierte und in Venedig mit den berühmten Worten kommentierte: «Hier bin ich ein Herr, daheim ein Schmarotzer.» Die Qualität des Schaffens des deutschen Künstlers blieb selbst seinen italienischen Zunftkollegen nicht verborgen, da sie Dürers Kompositionen und Details in ihre Werke aufnahmen und damit wiederum zur Verbreitung dieser Schöpfungen beitrugen. Ganz im Sinne des Geistes der Renaissance war für ihn Wissen der Schlüssel zu Erkenntnis, Ruhm und Ansehen: «Ein talentierter Mensch ohne Bildung ist wie ein unpolierter Spiegel.» 18 Johann Wilhelm Weinmann, Detail aus «Paeonia major flore rubro simplex, Gichtrosen. Paeonia flore pleno rubro major, Pimoine, Pfingstrosen», ca. 1735–1745 Darstellung der Natur In der Renaissance wurde die Kultur des Landlebens und der Villen in Gartenanlagen etabliert und das Bewusstsein für die Schönheit der Landschaft begründet, Kunstwerke dienten dem Genuss, der Freude und auch dem Gespräch über die Darstellung. Die Gestaltungsprinzipien und Themen der Kunstschaffenden dieser Epoche dienten als Grundlage für die folgenden Jahrhunderte und ihre Stile. So entsprachen die naturgetreuen Abbildungen von Pflanzen des Hortus Botanicus der Brüder Bauer dem Streben des ausgehenden 18. Jahrhunderts, den Reichtum der Natur in allen Details zu dokumentieren. Seit der Renaissance widmeten sich fürstliche Sammler naturwissenschaftlichen Themen, das Interesse wurde erweitert und mündete schliesslich in diesem mehrbändigen Werk, das sich noch heute vollständig im Eigentum der Fürstlichen Familie befindet. Diese Kostbarkeit, die sich der Darstellung von Pflanzen und Tieren widmet, welche in den Besitzungen der Liechtensteins waren, repräsentiert eine Tradition, die über Jahrhunderte hinweg gepflegt wurde. 19 Haupteingang, EG, LGT Vaduz 20 Barock Die Kunst des Barock nahm um 1600 in Rom ihre Anfänge und erhielt ihre Bezeichnung nach dem portugiesischen Wort «barocco», das als Beschreibung für eine unregelmässig gewachsene Perle verwendet wurde. Dieser Stil wich von den strengen Formen der Renaissance ab, bediente sich der Bewegung und der Dramatik und verlieh den Kunstwerken einen übersteigerten Ausdruck. Gerrit Adriaensz. Berckheyde, Detail aus «Der Marktplatz in Haarlem mit Blick auf das Rathaus», 1661 Dennoch fanden die Errungenschaften der Renaissance und damit die Gestaltungselemente der Antike weiterhin und langfristig Verwendung. Die Details der Kompositionen hingegen wurden unruhiger und modellierter, die Gewänder der Skulpturen schwungvoll dargestellt, der Pinselstrich weich und duftig, und die Gebäude mit verspielten Fassaden versehen. 21 Johann Adalbert Angermayer, Detail aus «Ein Blumenstrauss mit Tieren», 1704 Die beiden Wiener Palais der Fürstlichen Familie spiegeln noch heute die Idee eines barocken Gesamtkonzeptes wider, das ein harmonisches Gefüge aus Architektur, Malerei und Skulptur bilden sollte. Dieses ging auf die Tradition der Villen in der Renaissance zurück, da sich die Aristokratie während der Sommermonate auf das Land zurückzog und die Innenräume kunstvoll dekorieren und die Landschaft kultivieren liess. Zumeist empfand man die Gärten als geeigneten Aufstellungsort für antike Skulpturen. Im Barock sollten die Paläste nach den Vorstellungen der Auftraggeber Ruhm, Macht und feinen Geschmack widerspiegeln. Die nach Wien berufenen italienischen Künstler vermochten diese Vorgaben auf eindrucksvolle Weise zu erfüllen. Bereits in den Stiegenhäusern wurden die Gäste mit den Ansprüchen und der Würde des residierenden Fürsten bekannt gemacht. Dafür bedienten sich die Bildhauer antiker Motive, die in den malerischen Gestaltungen der Plafonds wiederholt wurden. Peter Paul Rubens, Detail aus «Porträt der Clara Serena Rubens», um 1616 22 23 Die barocke Epoche war das Zeitalter der dekorativen und üppigen Hofhaltung, die durch rauschende Feste, feierliche Umzüge und das Inszenieren von sinnlicher Eleganz eine besondere Prägung erhielt. In den Gartenanlagen konnten exotische Vogelarten wie Papageien bewundert werden, Glashäuser waren vom Duft blühender Zitronen- und Orangenbäume erfüllt, und in zartgegliederten Nebengebäuden wurden delikate Getränke wie Tee, Kaffee und flüssige Schokolade verkostet. Für die Tischdekorationen kamen zunächst Blüten aus Zucker zum Einsatz, diese fanden Ablösung durch Arrangements aus echten Blumen, die in den Gartenanlagen gezogen wurden. Johann Adalbert Angermayer stimmte die Farben seines Bouquets (S. 20) sehr sorgfältig aufeinander ab und zitierte jene Blüten, die im Barock besonders geschätzt wurden. Brüder Bauer, Hortus Botanicus, Detail aus «Lilium candidum L.», um 1778 24 Exkurs Der Streit um die Kutsche Für die Dekoration des Gartenpalais in der Rossau in Wien war Fürst Johann Adam Andreas I. auf der Suche nach geeigneten Künstlern, die seinen Vorstellungen von römischem Geschmack gerecht werden konnten. Durch Vermittlung seines Neffen Fürst Anton Florian I., der in dieser Zeit als kaiserlicher Botschafter in Rom fungierte, war es möglich, einen der begabtesten Freskanten der Zeit, Andrea Pozzo, in Wien zu engagieren. Vom Kaiserhof nach Wien berufen, gestaltete er das Innere der Jesuitenkirche und wurde von Fürst Johann Adam Andreas I. in der Folge mit der Ausstattung des grössten Saales des Gartenpalais betraut. Pozzo dekorierte die Decke des Saales mit Erzählungen aus den Abenteuern des Helden Herkules und gliederte souverän die Szenen in die Scheinarchitektur ein, die den Raum effektvoll Richtung Himmel öffnete. Zeitgleich hatte der bekannte Salzburger Maler Johann Michael Rottmayr den Auftrag erhalten, die Eingangshalle, die beiden Appartements im Erdgeschoss und die Plafonds der Treppenhäuser des Gartenpalais auszumalen. Die Arbeiten führte er virtuos aus und schilderte bewegungsvoll den Sturz der Giganten sowie die Aufnahme des militärischen Genies in den Olymp. Diese Themen korrespondierten mit den von Pozzo geschaffenen Erzählungen über Herkules. Fürst Johann Adam Andreas I. hatte somit zwei bekannte und selbstbewusste Künstler engagiert, die ihre Aufträge im Gartenpalais in der Vorstadt Wiens zu erfüllen hatten, wofür sie entsprechend entlohnt wurden. Die Innenstadt, umgeben von den Stadtmauern und Befestigungsanlagen, konnte man nur mit Kutschen bequem erreichen. Andrea Pozzo und Johann Michael Rottmayr wurde für den Zeitraum ihrer Tätigkeit lediglich eine Karosse zur Verfügung gestellt, die beide nutzen konnten. Diese Tatsache sollte für den fürstlichen Stallmeister eine sehr anspruchsvolle Herausforderung sein: Beide Künstler wollten stets nahezu gleichzeitig – jedoch separat – in die Innenstadt gebracht werden, und der jüngere Rottmayr pflegte gerne bis in die Nachtstunden die Theater in Wien zu besuchen. Über diese Streitigkeiten wurde auch Fürst Johann Adam Andreas I. schriftlich in Kenntnis gesetzt – die Briefe befinden sich bis heute im fürstlichen Familienarchiv. 25 Johann Georg von Hamilton, Detail aus «Die Kaiserliche Reitschule», 1702 26 27 Kompetenz und Individualität Fürst Johann Adam Andreas I. engagierte um 1700 die begabtesten und bekanntesten Meister, die für die Ausstattung beider Palais verantwortlich zeichneten, darunter auch die beiden Maler Andrea Pozzo aus Rom und Johann Michael Rottmayr aus Salzburg. Sie schufen die Fresken der Räume, der Stiegenhäuser und des Festsaales im Gartenpalais, wobei sie sich auch Mittel zur Täuschung des Betrachters bedienten: Durch ihre fachliche Kompetenz wurden durch gemalte Architektur scheinbar die Räume in Richtung Himmel geöffnet. Der Bildhauer Giovanni Giuliani schmückte die Gartenanlage in der Rossau mit Skulpturen, die Gestalten der antiken Literatur und Poesie darstellten, zumeist erinnerten auch allegorische Figuren durch ihre Attribute an die Bedeutung der Natur im Lauf des Jahres. Aus Bologna gelangten die Deckengemälde von Marcantonio Franceschini nach Wien, auch er folgte hinsichtlich der Bildinhalte den Wünschen seines Auftraggebers Fürst Johann Adam Andreas I. Jeder der Künstler wurde aufgrund der Individualität seiner Schöpfungen für die Dekorationen der Paläste herangezogen und konnte gleichzeitig die persönlichen Vorstellungen des Fürsten erfüllen. Edle Pferde und kostbare Kutschen wurden im Barock als Mittel der Repräsentation mit Begeisterung eingesetzt, die Zucht wurde von den Fürsten von Liechtenstein mit grosser Aufmerksamkeit verfolgt und unterstützt. Die prächtigen Rösser der fürstlichen Gestüte kamen selbst anlässlich der Eheschliessung von König Ludwig XIV. zum Einsatz. Fürst Karl Eusebius von Liechtenstein sah die Pferdezucht als «Form der Kunst» an und Johann Georg von Hamilton hinterliess mit seinen Gemälden eine Würdigung dieses Engagements. Johann Georg von Hamilton, Detail aus «Bildnis eines schwarzbraunen Hengstes mit spanischem Sattel und Zaumzeug», 1702 28 29 30 «Und wahrhaftig hielt er nicht nur die Züge fest, sondern verlieh den Köpfen einen gewissen Adel und gab den Bewegungen Anmut.» Giovanni Pietro Bellori über Anthonis van Dyck aus «Le vite de‘ Pittori, Scultori et Architetti moderni», Rom 1672. Anthonis van Dyck, Detail aus «Porträt der Maria de Tassis», um 1629/30 31 Friedrich Oelenhainz, Detail aus «Porträt des späteren Fürsten Alois I. von Liechtenstein», 1776 Fürstlicher Malkünstler Die Werke des flämischen Künstlers Peter Paul Rubens und seines Schülers Anthonis van Dyck haben grosse Bedeutung für die Fürstlichen Sammlungen, galten doch beide schon zu Lebzeiten als aussergewöhnliche Begabungen und Persönlichkeiten. Ihre Porträts spiegeln die regionalen Besonderheiten des Barock in den südlichen Niederlanden wider, da sie mit bewegten, duftigen Pinselstrichen ausgeführt wurden und durch feine Farbnuancen die Lichteffekte an den Oberflächen einfingen. Rubens galt als Fürst der Malkunst, da er nicht nur als Künstler, sondern auch als Diplomat an den europäischen Höfen stets willkommen war. Durch die von ihm als Eigentümer geführte Werkstatt in Antwerpen erfolgreich und wohlhabend, reiste er viel, engagierte sich als Kunstsammler und fand auf seinen Landgütern Inspiration und Bereicherung in der Natur. 32 Gerrit Adriaensz. Berckheyde war ein Vertreter des holländischen Barock und hinterliess mit der Darstellung von Haarlem (S. 19) ein im «Goldenen Zeitalter» sehr geschätztes Bildthema: Die Ansicht einer Stadt. Die Vedute der reichen Handelsstadt, die man auch «Venedig des Nordens» nannte, gibt Gebäude und Einzelfiguren in einer von Licht und Schatten gestalteten Atmosphäre wider. Berckeyde setzte präzise, zeichnerisch angelegte Pinselstriche, arbeitete streng nach der Perspektive und unterschied sich damit von dem malerischen und bewegten Stil von Rubens und van Dyck. Die holländische Kunst des Barock war von dem Bedürfnis nach der Darstellung der sichtbaren Welt geprägt, vor diesem Hintergrund konnten sich Stillleben und Szenen des Alltäglichen als Bildthemen gut entwickeln. Beide Sujets wurden in der Biedermeierzeit besonders von Ferdinand Georg Waldmüller wiederbelebt und erfuhren durch seine Kunst eine zeitgemässe Wandlung. 33 Sitzungszimmer 10 Friedrich Oelenhainz, OG1, LGT Vaduz 34 35 36 Klassizismus Als um die Mitte des 18. Jahrhunderts in Italien und Griechenland weitere antike Stätten entdeckt und ausgegraben wurden, war erneut das Interesse an der Ästhetik des Altertums erwacht. Wie bereits in der Renaissance liessen sich die Künstler, Sammler und Auftraggeber von den Werken inspirieren und begründeten den Stil der Klassik. Die Gelehrten der Zeit empfanden diese künstlerischen Schöpfungen als ideale Vorbilder. Danach sollten neue Kunstwerke geschaffen werden, die durch vergleichbare Anmut und Schönheit überzeugten. Die Werke der Antike bestachen durch die Langfristigkeit ihrer ästhetischen Wirkung. Italien galt als Ort der Sehnsucht: Antike Ruinen, die Kunst der päpstlichen Sammlung, die Ausstattungen der Stadtpaläste und der Villen, die von Gärten umgeben waren, konnten hier in Fülle und Vielfalt betrachtet werden. Rom, die ewige Stadt, Neapel und, weiter südlich davon gelegen, Herculaneum und Pompeji, waren Ziele der «Grand Tour», der traditionellen Bildungsreise junger Aristokraten, um Kunst und Kultur zu erleben. Den Künstlern dienten die Reisen zum Studium der Werke ihrer Vorgänger. Die Landschaft um Rom, die Campagna, übte durch ihre Lichtstimmungen eine intensive Anziehungskraft aus. Auch während des Biedermeier blieb der Süden ein beliebtes Ziel, um die Eindrücke des charakteristischen Flairs zu erleben. Bis heute geben die Werke von Ferdinand Georg Waldmüller und Rudolf von Alt diese Impressionen wieder. Werkstatt des Pompeo Girolamo Batoni, Detail aus «Doppelporträt Kaiser Josephs II. und seines Bruders Leopold, Grossherzog der Toskana», 1769 37 Johann Baptist Dallinger von Dalling, Detail aus «Der Hof des Reitstallgebäudes in Eisgrub», 1819 Studium der Antike Sorgfältig wählte Pompeo Girolamo Batoni für das Bildnis von Kaiser Joseph II. und Leopold, Grossherzog der Toskana, (S. 34) nicht nur den Petersdom, sondern auch die Engelsburg als Hintergrundmotive, da Rom von den Brüdern besucht wurde. Im Gegensatz zu der vorangegangenen barocken Epoche Maria Theresias, Kaiserin von Österreich, galten für das Zeitalter des Josephinismus Zurücknahme und Bescheidenheit als Leitmotive, doch fanden sich nach wie vor Reminiszenzen an den Stil der vergangenen Jahrzehnte in der Kunst. Denn die Ideale der Antike wurden zeitgleich zu den Tendenzen des Barock und des Rokoko wiederbelebt, in das Repertoire der Maler, Bildhauer und Architekten aufgenommen und weiterentwickelt. Der opulente, bewegte und übersteigerte Ausdruck wurde beruhigt, klare Linien und Formen fanden Eingang in die Kompositionen. In den Institutionen der Akademien in Paris, Rom und Wien wurden die Künstler gründlich im Studium der Antike ausgebildet. So sollten sie auch durch Zeichenunterricht Kompetenz in der exakten Betrachtung erlangen. Als besonders geschätzte Motive schilderten sie Erzählungen aus der antiken Geschichte und der Mythologie, wobei Pathos und Heldentum den Inhalten der Erzählungen besondere Wirkung verliehen. 38 Ferdinand Runk, Detail aus «Das Gartenpalais in Wien, Südfassade», um 1816 39 Ferdinand Runk, Detail aus «Das Gartenpalais in Wien, Südfassade», um 1816 40 41 Exkurs Der chinesische Pavillon Nicht nur die französische Königin Marie Antoinette, sondern auch die deutschen Fürsten hatten eine besondere Vorliebe für die «mode à la Chinoise» – die Chinamode. Seit dem 17. Jahrhundert wurden, gefördert durch die Handelsbeziehungen mit dem asiatischen Raum, Porzellanobjekte, Lackarbeiten und andere Kostbarkeiten aus Japan, China und auch Indien in Europa bekannt und fanden als Exotica Eingang in Sammlungen. Die Porzellanmanufakturen in Meissen und Wien imitierten das Material Lack mit höchstem Können und bedienten die intensive Nachfrage nach filigranen Tassen und Kännchen, die Dekorateure in Paris gestalteten die Boudoirs mit den zarten Motiven. Die Begeisterung für das Exotische führte soweit, dass Bauwerke als Zitate des Fernen und Unbekannten in die Gartenanlagen des Barock Eingang fanden. Eine besondere Hochblüte erlebten die Chinoiserien in der Kunst des Rokoko: Marie Antoinette liess im Garten des Petit Trianon in Versailles einen chinesischen Pavillon errichten, an dessen Wänden sich handbemalte Seidentapeten befanden. Diese Ausstattung wurde während der Wirren der französischen Revolution – so wurde berichtet – von einem französischen Grafen gerettet und von Fürst Alois I. erworben. Nach den Vorstellungen des Fürsten wurde seit den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts das Areal zwischen Feldsberg und Eisgrub im Stil der romantischen Landschaftsgärten umgestaltet und die Gegenden durch verschiedenste Bauwerke, die zum Teil exotisches Flair besassen, bereichert. Ferdinand Runk hat diese Gebäude, eingebettet in die Ansichten der romantisch inszenierten Natur, in mehreren Blättern festgehalten. Darunter befand sich das chinesische Lusthaus (S. 50), auch Pavillon oder Rotunde genannt, mit dessen Gestaltung Fürst Alois I. den Architekten Joseph Hardtmuth beauftragt hatte. Das zartgliedrig gestaltete, dem Formenrepertoire der Chinamode entsprechende Bauwerk aus Holz, wurde im Inneren nicht nur durch die erwähnten handbemalten Seidentapeten, sondern auch durch asiatisches Porzellan und Möbel mit kostbaren Stickereien dekoriert. Der Traum von fernen Welten wurde damit zur Realität und das chinesische Lusthaus zu einer Attraktion der Gegend. «Eben so sehenswerth und prächtig ist die in einer eigenen Parthie des Gartens stehende chinesische Rotunda, welche inwendig mit kostbaren, auf Seide gemahlten ächten chinesischen Tapeten ausgeziert ist», so Schriftsteller Leopold Chimani. 42 Willibald Schulmeister, Detail aus «Das Chinesische Lusthaus in Eisgrub», 1877 Auch in die Kunst des Porträts fand das historisierende Element Eingang, wobei die abgebildete Persönlichkeit als Gestalt der Antike erschien und ihr damit eine ganz besondere Aura verliehen wurde. Die französische Malerin Elisabeth Vigée-Lebrun wählte für die Inszenierung der Fürstin Karoline von Liechtenstein die Erscheinung der Göttin Iris (S. 42) und liess ihre Gestalt voller Anmut und Grazie, begleitet von einem Regenbogen, in den Sphären des Himmels schweben. Sie bediente sich dazu einer zeichnerischen Malweise, klarer Linien und eines ruhigen Farbauftrages. 43 44 «…und der Fürst erzählte mir, er hätte ein paar hübscher, kleiner Schuhe unter das Porträt hinstellen lassen, die, wie er den Grosseltern erzählte, ihr eben entschlüpft und auf die Erde gefallen wären.» Elisabeth Vigée-Lebrun in ihren Lebenserinnerungen, 1793 Elisabeth Vigée-Lebrun, Detail aus «Bildnis der Fürstin Karoline von Liechtenstein als Iris», 1793 45 Schönheit der Natur Nicht nur für die Gestaltung der Gemälde, der Skulpturen und der Ausstattungsgegenstände, wie Möbel und Porzellan, wählten die Auftraggeber neue Möglichkeiten, auch wurde zur Natur ein aktueller Zugang gefunden. Jene ästhetischen Kriterien, die bislang für die barocken Gartenanlagen Gültigkeit hatten – Symmetrie und Regelmässigkeit – wurden einem Wandel unterzogen: Die Erfahrung der Vielfalt und der Schönheit der Natur sollte in weitläufigen Landschaftsgärten erlebt werden. Fürst Alois I. und sein Bruder, Fürst Johann I., schufen in den Besitzungen von Feldsberg und Eisgrub eine malerische Gegend, in der durch zahlreiche Bauwerke besonders individuelle Akzente gesetzt wurden. Joseph Höger hielt die Architektur des Grenzschlosses am Bischofswarther Teich fest, das von Architekt Franz Engel im Stil des Klassizismus gestaltet wurde, durch Pflanzen bereicherte er dabei malerisch die Ansicht. Auch die Gartenanlage des Palais in der Rossau in Wien (S. 38) wurde im Stil der Zeit nach dem romantischen Naturempfinden verändert, die Inschrift (S. 37) des von Joseph Kornhäusel gestalteten Eingangstores enthält eine Widmung des Fürsten Johann I. an die Kunst und an die Künstler. Als Mäzen und Auftraggeber öffnete er zudem jene Räumlichkeiten des Gartenpalais für das öffentliche Publikum, in welchen die Kunstsammlung zur Ausstellung gekommen war. Joseph Höger, Detail aus «Blick auf das Grenzschloss am Bischofswarther Teich von Franz Engel», 1839 46 Bewusste Tradition Ferdinand Runk schuf im Auftrag des Fürsten eine Vielzahl von Ansichten jener liechtensteinischen Besitzungen, die erweitert und verschönert wurden. Damit folgten diese Darstellungen der bereits in der Renaissance begründeten Tradition topographischer Bildnisse, die Gebäude und Gärten wiedergaben und in den Palästen und Villen präsentiert wurden – die Veduten Ferdinand Runks hatten ihren Platz in den Salons der Palais der Fürstlichen Familie als Eigentümerin der gemalten Gegenden. Die Wertschätzung, die bedeutender Architektur entgegengebracht wurde, lässt sich im Besonderen an Johann Baptist Dallinger von Dallings Ansicht des Reitstallgebäudes in Eisgrub (S. 36) ablesen. Dieses von Johann Bernhard Fischer von Erlach im Zeitalter des Barock entworfene Gebäude blieb trotz der Umgestaltung des Anwesens in seiner Erscheinung erhalten. Die ausgewogene Architektur und die überzeugende Gestaltung der Details liessen die Stallungen zu einer Konstante im Rahmen eines historisch gewachsenen Ensembles werden – zudem waren die kostbaren und edlen Pferde aus der Zucht des Hauses Liechtenstein seit dem 17. Jahrhundert ein wesentlicher Bestandteil der fürstlichen Repräsentation. 47 48 Sitzungszimmer 21 Friedrich von Amerling, OG1, LGT Vaduz 49 Biedermeier Mit dem Ende des Wiener Kongresses 1815 und der politischen Neuordnung Europas hielt das Biedermeier Einzug in die Kunstlandschaft. Die kriegerischen Auseinandersetzungen mit Napoleon hatten im Frieden ein Ende gefunden, die Gesellschaft belebte die vernachlässigten Ambitionen für Ästhetik und die Künstler richteten ihre Interessen auf neue Bildthemen, die dem Gefühl der beruhigten Stimmung und der Sehnsucht nach Romantik entsprachen. Die Lebensräume der Aristokratie und des Bürgertums wurden als Orte der Privatheit durch geschmackvolle Carl von Blaas, Detail aus «Porträt Möbelstücke, kostbare Textilien, filigranes Porzellan und sorgfältig gewählte Gemälde dekoriert. Losgelöst von der Strenge der Fürstin Julia von Liechten- der barocken Ordnung diente die natürliche Landschaft als stein, geb. Gräfin Potocki», 1853 Quelle für unbeschwerte Erholung und Genuss. Qualität und Sorgfalt Dauerhaftigkeit und Langfristigkeit prägten stets die Sammlungen der Fürsten von Liechtenstein und so bleibt auch das Biedermeier bis heute durch eine Fülle von Werken lebendig. Diese aussergewöhnliche Lebenswelt präsentiert sich in vielen Nuancen, die die facettenreichen Auseinandersetzungen der Künstler mit den Phänomenen ihrer Zeit lebendig werden lassen. Dabei richtete sich das Augenmerk auf die Qualität menschlicher Empfindsamkeit, auf feinfühlige Erzählungen nach der Wirklichkeit und das sorgfältige Beobachten der Natur. Friedrich von Amerling, Detail aus «Porträt der Prinzessin Marie Franziska von Liechtenstein im Alter von zwei Jahren», 1836 50 51 52 Johann Jakob Schmidt, Detail von «Blick auf Vaduz vom Roten Haus», 1833 Porträtierte Individualität Jede Generation der Fürstlichen Familie liess ihre Protagonisten in Porträts verewigen – eine Tradition, die seit der Renaissance gepflegt und die in jeder Epoche durch andere Vorlieben geprägt war. Die Kunst des Biedermeier verlieh den Bildnissen einen ganz besonderen Hauch von Individualität und berührender Wirklichkeit. Friedrich von Amerlings Porträt der Prinzessin Marie Franziska (S. 48) zieht den Betrachter durch den festgehaltenen Augenblick eines ruhigen, kindlichen Schlafes in den Bann, wobei die Lichteffekte stimmungsvoll die Details umspielen. Das Porträt von Carl von Blaas, ein Künstler, der als Historienmaler bereits den späteren Strömungen des 19. Jahrhunderts zuzuordnen ist, zeigt Fürstin Julia von Liechtenstein (S. 49) in einer verträumten wie eleganten Pose. Die Kleidung und das Arrangement delikater Stoffe gleichen erzählerischen Motiven, die von einem charmanten, versonnenen Lächeln begleitet werden und die Tradition des Biedermeier in den folgenden Jahrzehnten fortführten. Ferdinand Runk, Detail aus «Ansicht von Schloss Eisgrub mit dem Aquädukt und dem Chinesischen Lusthaus», um 1815 53 «…Nichts Prächtigeres und Vornehmeres, auch Schöneres kann gemacht und hinterlassen werden, als die vornehmen Gebäude, welche uns an die alten römischen Strukturen erinnern…» Die Empfehlungen von Karl Eusebius von Liechtenstein in dem von ihm verfassten Traktat über die Baukunst können bis heute an der Fassade des Gartenpalais nachvollzogen werden. Johann Ziegler, Detail aus «Gartenpalais Liechtenstein an der Rossau mit dem Englischen Garten», um 1816 54 55 56 Romantisches Naturgefühl Während dieser Epoche verbrachte die Fürstliche Familie viele Stunden nicht nur in der Gartenanlage des Palais in der Rossau in Wien, sondern auch in den weitläufigen Arealen in Maria Enzersdorf ausserhalb der Stadt, sowie in Feldsberg und Eisgrub. Die Natur präsentierte sich hier in Kulturlandschaften, die sorgfältig angelegt, gepflegt und geschätzt wurden. Namhafte Maler wie Ferdinand Runk, Joseph Höger und Johann Ziegler erhielten Aufträge, die unterschiedlichen Blickpunkte in Gemälden und Aquarellen einzufangen. Die Kompetenz der Künstler, die Szenerien und die darin arrangierten Bauwerke nach der Realität festzuhalten und dazu die Ausblicke und die Einblicke delikat aufeinander abzustimmen, wurzelte in dem romantischen Naturgefühl der Zeit und in einem einfühlsamen Erfassen des Gesehenen. Die Freude an der Entdeckung der Umgebung teilten Joseph Höger, Detail aus sich Auftraggeber und Künstler, so war es nicht ungewöhnlich, dass sich Fürst Alois Josef II. von Joseph Höger bei Ausflügen «Blick vom Gosausee gegen begleiten liess und eigenhändig das Gesehene mit dem Zeichen- den Dachstein», 1836 stift auf Papier festhielt. Joseph Höger, Detail aus «Blick vom Garten auf die Ruine und das Schloss Liechtenstein bei Mödling», 1844 57 Auf den Reisen nach Italien huldigten Rudolf von Alt und Thomas Ender den Reizen des südlichen Sonnenlichtes, der Ansichten Venedigs und der römischen Campagna. Doch nicht nur diese Gegenden faszinierten die Maler des Biedermeier: Der alpine Thomas Ender, Detail aus Raum und die darin verborgenen Gegensätze von Gebirgszügen und Seenlandschaften, von Wolkentürmen und milden Licht- «Blick von der Campagna strahlen wurden unter freiem Himmel durch Skizzen festgehalten auf Rom», 1844 und in den Ateliers in feinsinnigen Kompositionen vollendet. Thomas Ender, Detail aus «Blick über den Golf von Neapel bei Sorrent», 1836 Rudolf von Alt, Detail aus «Blick auf die Mole von Venedig mit Dogenpalast und Santa Maria della Salute», 1835 58 59 Nach der Realität und ebenso erfüllt von Pathos wurden die Erkundungen der Berge von Heinrich Reinhold festgehalten, der das intensive Erleben der Künstler von Naturgefühl dramatisch zu inszenieren wusste. Die studierenden Blicke der Maler erfassten die Wirklichkeit imposanter, realer Landschaften einerseits und die kunstvollen Arrangements von Blumen und Blüten andererseits. Nahsichtig fingen Franz Xaver Petter und Ferdinand Georg Waldmüller (S. 61) vielfarbige Blumenbouquets und üppige Rosen ein, schimmernde Gegenstände wurden platziert, um die verschiedenen Charakteristika der Oberflächen besonders wirkungsvoll erscheinen zu lassen. Franz Xaver Petter, Detail aus «Ein Blumenstrauss in einer Vase», 1845 Heinrich Reinhold, Detail aus «Künstler erkunden die Österreichischen Alpen», um 1819 60 61 Exkurs Das Naturerlebnis in Freundschaft Erzherzog Johann von Österreich nahm Anfang des 19. Jahrhunderts mehrere Künstler als Kammermaler in seinen Dienst und beauftragte diese, Ansichten der alpinen Regionen anzufertigen. Um die gebirgige Umgebung, die Landschaften und die Farb- und Lichtstimmungen in ihrer realen Wirkung aufzunehmen, reisten die Künstler mit Bergführern und auch mit dem Erzherzog in die entlegensten Gebiete der Alpen. Joseph Höger hatte bereits Erzherzog Johann auf ausgedehnten Reisen auf die Krim, in den Orient und nach Venedig begleitet und damit die besten Voraussetzungen, auch für Fürst Alois II. tätig zu sein. Höger, der mit der Schwester des Landschaftsmalers Friedrich Gauermann verheiratet war, arbeitete direkt in der Landschaft, um die Eindrücke von Natur und Farbigkeit unmittelbar abzubilden. Für die Serie der Ansichten des Salzkammergutes begleitete er den Fürsten, dem Vorbild der Reisen mit dem Erzherzog folgend. Auf kleinformatigen Blättern wurden die aufragenden Alpen, weitläufigen Gletscher und ruhigen Oberflächen der Seen festgehalten. Ferdinand Runk wählte für die Ansichten der liechtensteinischen Besitzungen ein grösseres Format. Diese Blätter stellen bis heute eine wichtige kulturhistorische Quelle der kunstvollen und inszenierenden Gestaltung der Landschaft dar. Runk und Höger gaben den fürstlichen Kindern Zeichenunterricht und auch Peter Fendi weckte die künstlerische Begabung der nächsten Generation. Dieser hielt zudem auf zarten Skizzen sehr intime und persönliche Einblicke in das alltägliche Leben der Familie fest. Die Voraussetzung für das Entstehen derartiger Blätter lag im Vertrauensverhältnis, das zwischen der Fürstlichen Familie und den Künstlern etabliert worden war. Diese erhielten Zugang zu den privaten Bereichen und waren Begleiter im Erleben der Naturschauspiele. Der Kunsthistoriker Eduard von Sacken berichtete über Joseph Höger: «Insbesondere war es das Fürstliche Haus Liechtenstein, wo er als Lehrer der jungen Fürsten und Prinzessinnen, auf Reisen und bei Landséjours die lebhafteste Anregung zu künstlerischer Thätigkeit, die freundlichste Anerkennung seines Wirkens bis an sein Lebensende fand.» 62 Ferdinand Georg Waldmüller, Detail aus «Rosen», 1843 Bewahrende Tradition Im Biedermeier wurde die sinnliche Schönheit der Wirklichkeit wie nie zuvor auf die Leinwand übertragen. Die Fürsten von Liechtenstein wussten als Sammler und Kenner um die Qualität der Kunst dieser Zeit und führten als Eigentümer dieser Schätze die Tradition der Bewahrung und der Erhaltung in den folgenden Generationen bis heute weiter. 63 Treppenaufgang ins OG1, LGT Vaduz 64 65 «Die Kunstsammlung unserer Familie wurde über Jahrhunderte aufgebaut. Sie ist ein hervorragendes Beispiel für unser langfristig ausgerichtetes Denken und Handeln.» S.D. Prinz Max von und zu Liechtenstein, CEO LGT LGT. Ihr Partner für Generationen. www.lgt.li 66 67 50044de 1015 1T BVD 68