Islamkritik: Das Wort kommt unschuldig daher. Denn gegen eine kritische Haltung kann doch niemand ernsthaft etwas einwenden. Im Gegenteil: Unsere Demokratie wird durch kritische Nachfrage erst lebendig. Sich mit Ideen, Menschenbildern und auch Religionen kritisch auseinandersetzen zu können, gehört zum Wertekanon einer aufgeklärten Gesellschaft. Warum sich also aufregen über die „Islamkritik“ der AfD? Ganz einfach: Der AfD geht es nicht um eine seriöse Beschäftigung mit dem Islam. Ihr geht es um Ausgrenzung, Hass und den Versuch, wieder ein völkisches Weltbild in die Köpfe zu pflanzen. Die Rechtsausleger haben den positiv besetzten Begriff „Kritik“ vergewaltigt, wollen dahinter ein perfides politisches Spiel verstecken. Der Islam ist für sie nur ein Vehikel, mit dem die weit verbreiteten Abstiegsängste und Unsicherheitsgefühle in der Bevölkerung kanalisiert und nutzbar gemacht werden sollen. Das angeblich Fremde – wahlweise die Muslime, die Flüchtlinge, die Europäische Union – wird von ihnen zur Bedrohung, zum Sündenbock für alles stilisiert, was bei uns schiefläuft. Damit lenken sie vom zentralen Problem unserer Gesellschaft ab – nämlich der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich, der zunehmend ungerechten Verteilung des Reichtums. Sie verteilen Opium ans Volk, um zu kaschieren, dass ihnen die sozialen Alltagsnöte der Menschen – drohende Rentenprobleme, miese Löhne, unbefristete Arbeitsverträge – eigentlich am Allerwertesten vorbeigehen. Dabei spielen den Rechten natürlich die furchtbaren Anschläge von menschenverachtenden Dschihadisten in die Hände. Schnell haben sie nach jedem Attentat ein paar Suren aus dem Koran zusammengeklaubt, mit denen belegt werden soll, dass der Islam eine archaische und zur Gewalt neigende Religion ist. Allerdings: Wer es darauf anlegt, wird ähnliche Stellen auch im Neuen Testament finden. Trotzdem kommt kein halbwegs vernünftiger Mensch ernsthaft auf den Gedanken, für einen Massenmörder wie Anders Breivik das Christentum verantwortlich zu machen – auch wenn sich der Norweger ausdrücklich auf diese Religion beruft. Fatales Zusammenspiel Auf der einen Seite versuchen radikale Djihadisten uns in einen Kampf der Kulturen hineinzubomben. Wie die Attentäter von Paris oder Brüssel haben die meisten dieser Typen jedoch keine religiöse, sondern eine kriminelle Vergangenheit. Auf der anderen Seite versuchen uns Rechtspopulisten in einen Kampf der Kulturen hinein zu schwadronieren. Ihre Protagonisten sitzen übrigens nicht nur in der AfD. Ihr fatales Zusammenspiel muss mit aller Kraft begegnet werden. Im Fall der Dschihadisten sind dafür vor allem die Sicherheitskräfte zuständig. Im Fall der Rechtspopulisten sind alle gefordert, für die Weltoffenheit und Menschlichkeit zentrale Werte sind. Und der Islam? Wie die Mitglieder jeder Glaubensgemeinschaft müssen auch Muslime hinterfragen, ob alle Strömungen ihrer Religion in unsere moderne Welt passen. Selbstverständlich dürfen keine Normen vertreten werden, die den Werten des Grundgesetzes widersprechen. Aber die Diskussion darüber ist unter Muslimen längst im Gange – dazu bedarf es keiner Anstöße von Islam-Missverstehern. Auch die Medien stehen in der Verantwortung: Sie dürfen sich von den Rechtsaußen weder die politische Agenda noch die Wortwahl vorgeben lassen. Sonst drohen auch hier österreichische Zustände. „Islamkritik“ ist so ein Unwort.