Jazzforschung/Jazz Research 39:253-264 (2007)

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aus: Jazzforschung/Jazz Research 39:253-264 (2007)
Gerd Grupe, Graz/Österreich
IT DREAD INNA INGLAN:
LINTON KWESI JOHNSON – EINE IKONE AFRO-JAMAIKANISCHEN
SPRECHGESANGS IN GROSSBRITANNIEN
Sprechgesang ist ein in verschiedenen Stilbereichen afro-amerikanischer Musik anzutreffendes Ausdrucksmittel. Ab den 1980er Jahren wurde er durch die zunehmende Popularität von
Rap und Hip-Hop zu einer der hervorstechendsten Formen westlicher Popularmusik, die
über das afro-amerikanische Publikum hinaus längst auch Hörerkreise in anderen Ländern
anspricht. Schon vorher bzw. parallel dazu hat sich Sprechgesang in der afro-jamaikanischen
Popularmusik als eigenes Stilmittel etabliert und als toasting oder dub eine eigenständige,
spezifisch jamaikanische Form gefunden. Im folgenden Beitrag soll es um die Anfangszeit
dieser Entwicklung gegen Ende der 1970er, Anfang der 80er Jahre gehen, als der aus Jamaika immigrierte Linton Kwesi Johnson in Großbritannien mit seinem Sprechgesang Furore
machte. Am Beispiel Johnsons soll auch herausgearbeitet werden, was Sprechgesang als
musikalisches Medium so erfolgreich gemacht hat.
Zunächst ist wichtig in Erinnerung zu rufen, daß gesprochene Sprache einerseits und Gesang mit einer deutlichen melodischen Gestalt und der gezielten Verwendung diskreter Tonhöhen andererseits keine dichotomisch trennbaren Phänomene darstellen. Vielmehr legt gerade der Übergangsbereich, der Sprechgesang, nahe, die verschiedenen Ausdrucksformen auf
einem Kontinuum zwischen Sprache und Gesang anzusiedeln. Unter Sprechgesang sollen hier
solche Darbietungen verstanden werden, in denen im Vokalpart gegenüber einer primär musikalisch konzipierten Melodielinie die Artikulationsweise gesprochener Sprache in den Vordergrund tritt. Dies hat zur Folge, daß an Stelle einer differenzierten melodischen Kontur der
narrative Inhalt in der Performance dominiert. Musikalische Gestaltung bleibt aber häufig in
Form einer prägnanten Rhythmisierung des Vokalparts von Bedeutung. Außerdem wird
Sprechgesang normalerweise mit einer musikalischen Begleitung kombiniert.
Ausgeklammert aus der Betrachtung bleibt der Fall – auch hier sind die Grenzen
wiederum fließend – , wo das rhythmische Spiel mit Silben oder Klängen die Stimme zum
Musikinstrument werden läßt, da uns im folgenden speziell das Verhältnis von Text und
Musik im Sprechgesang interessiert. Generell geht es in diesem Beitrag keineswegs um eine
Gesamtschau der verschiedenen Ausprägungen von Sprechgesang in afro-amerikanischer
Musik, sondern es werden nur einige wenige Beispiele herangezogen, die Johnsons Stil in
einen Zusammenhang mit vergleichbaren Formen stellen und so seine Spezifika klarer hervortreten lassen sollen.
Sprechgesang in afro-amerikanischer Musik
Schon vor Rap und Hip-Hop hat Sprechgesang in afro-amerikanischer Popularmusik einen
festen Platz gehabt. Sowohl in ländlichen wie in städtischen Formen des Blues ist der sog.
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Talking Blues1 zu finden. Statt der sonst weit verbreiteten zwölftaktigen Standard-Form (mit
diversen Varianten) findet man hier häufig einen mehr oder weniger gesprochenen Vokalpart, oft nur mit Gitarrenbegleitung und einem Ostinato anstelle von Akkordfolgen als
musikalischem Hintergrund. Diese Art der Gestaltung kann als Einleitung, Zwischenspiel
oder für ein komplettes Stück Verwendung finden. Als Beispiel soll hier der Good Morning
Blues des berühmten Sängers und Gitarristen Leadbelly genügen, der 1940 von Alan Lomax
in New York aufgenommen worden ist.2 In solchen Fällen wird Sprechgesang eingesetzt, um
eine längere Erzählung frei von den Einschränkungen präsentieren zu können, die eine Standard-Blues-Form mit ihrer dreiteiligen AAB-Abfolge 3 mit sich bringt.
Auch im Jazz der 1960er und frühen 1970er Jahre setzten vornehmlich schwarze Musiker gelegentlich Sprechgesang als Stilmittel ein. Ein besonders anschauliches Beispiel dafür
liefert Archie Shepp mit seinem Money Blues (von der LP Things have got to change, 1971).
Der Sänger Joe Lee Wilson variiert hier über weite Strecken Riff-artige, auf der Blues-Skala
basierende, immer wieder repetierte Melodiefiguren – vor allem eine zweitönige aus Grundton und kleiner (Blues-)Terz –, die man sich auch in einem Blues-Kontext vorstellen könnte.4 Sie sind eingebettet in ein Call and Response-Wechselspiel mit einem Chor und eine
Orchestrierung in Big Band-Manier. Grundlage bildet eine – im Verlauf des Stücks variierte
– ostinate Baß-Phrase mit einem Fis-Pedalton als tonalem Zentrum, die Anklänge an USamerikanische Popularmusik heraufbeschwört. Dies mag überraschen, da Shepp zu dieser
Zeit als einer der führenden Protagonisten der damaligen Avantgarde galt.5 Angesichts vergleichbarer Tendenzen bei Miles Davis, auf die Franz Kerschbaumer in seinen stilkritischen
Untersuchungen zu diesem außerhalb der Free Jazz-Szene wohl prägendsten Jazz-Musiker
jener Zeit hingewiesen hat,6 erscheint aber Shepps Ausflug in die Gefilde afro-amerikanischer Popularmusik plötzlich gar nicht mehr so weit hergeholt. Allerdings bleibt die Avantgarde im Money Blues deutlich präsent, namentlich im solistischen Spiel des Bandleaders.
Aber anders als das Tenorsaxophonspiel Shepps, das ein breites Spektrum gestalterischer
Möglichkeiten von Melodielinien bis zum für den damaligen Free Jazz typischen Klangfarbenspiel nutzt, verwendet der Gesangspart nur ein äußerst reduziertes melodisches Vokabular. Nicht eine differenzierte Linienführung steht hier im Vordergrund, sondern das Anspielen auf externe Kontexte.
Die Einspielung ist nämlich nur zu verstehen vor dem sozialen Hintergrund der zu diesem Zeitpunkt aktiven Black Power- und Bürgerrechtsbewegungen.7 Die mit Shepps Money
Blues vermittelte Botschaft besagt, daß man es hier mit einem Künstler zu tun hat, der die
1 Manche Autoren unterscheiden noch zwischen Talking Blues, Spoken Blues und Chantefable Blues. Vgl. dazu
Bernd Hoffmann, »Blues« (Ludwig Finscher (Hg.), Die Musik in Geschichte und Gegenwart: Allgemeine Enzyklopädie der Musik, 2., neubearb. Auflage, Sachteil Bd. 1, Kassel [u. a.]: Bärenreiter, 1994), Sp. 1613–1614.
Hoffmann stützt sich hier auf Alfons M. Dauer. Merkwürdigerweise scheint es bisher allerdings keine systematische Studie zu diesem Thema zu geben.
2 Leadbelly, Death Letter Blues (History 20.19361-HI, Track 1).
3 Vgl. dazu Hoffmann, »Blues«.
4 Vgl. z. B. die sog. Shouted Blues (Hoffmann, »Blues«, Sp. 1613).
5 Vgl. Ekkehard Jost, Free Jazz: Stilkritische Untersuchungen zum Jazz der 60er Jahre (Mainz: Schott 1975).
6 Franz Kerschbaumer, Miles Davis: Stilkritische Untersuchungen zur musikalischen Entwicklung seines Personalstils
(Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalt 1978). Kerschbaumer verweist in diesem Zusammenhang auf
die Verwendung ostinater Baß-Figuren in Davis’ Bitches Brew von 1969 (ebd., S. 106).
7 Vgl. Philippe Carles / Jean-Louis Comolli, Free Jazz – Black Power (Frankfurt am Main: Fischer, 1974).
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schwarze Community in ihren berechtigten Anliegen unterstützt.8 Der Titel spielt zwar auf
das Blues-Genre an, im Gegensatz zu so manchem Talking Blues, in dem der Interpret mehr
oder weniger ausführlich zu einem Thema Stellung nimmt, beschränkt sich der Money Blues
allerdings auf die Repetition des Vorwurfs
I work all day
I don’t get pay
und die daraus resultierende Forderung
Money, money, money, money
Give me my money
Dies beschwört Sprechchöre und das Skandieren von Parolen bei politischen Demonstrationen herauf, wenn auch der Slogan »Gib mir mein Geld!« nicht sonderlich tief schürfend
ist. Im weiteren Verlauf des Stücks kommt dann noch die überraschende Formulierung:
»Give me my money so I can […] be free again«. Daß man Freiheit mit dem Arbeitslohn
kaufen könne, ist angesichts der zur Zeit der Einspielung dieses Stücks in den USA ausgiebig geführten politischen Debatten um Gleichberechtigung und soziale Stellung der schwarzen Bevölkerung kein Zeichen für eine fundierte Analyse gesellschaftlicher Zustände. Denkbar wäre höchstens eine Anspielung auf den Umbruch von (unbezahlter) Sklavenarbeit zu
Lohnarbeit, für die eine »gerechte« Bezahlung eingefordert wird. Auf Grund des spärlichen
Textes bleibt aber nur die Annahme, daß Shepp hier offenbar kein differenziertes Statement
im Sinn hatte, sondern primär ein Zeichen setzen wollte.
Im Money Blues wird nämlich Sprechgesang meines Erachtens eingesetzt, um den JazzMusiker Archie Shepp als jemanden zu präsentieren, der bildlich gesprochen Seite an Seite
mit anderen Schwarzen auf die Straße geht. Für ein solches symbolisches Handeln reicht es
aus, dieses Stilmittel als Signal einzusetzen. Es spielt in der Performance tatsächlich auch
nicht die Hauptrolle, vielmehr dominieren die Instrumentalsolisten – darunter Shepp selbst.
Toasting und Dub: Sprechgesang aus Jamaika
In den 1970er Jahren hatte sich in Jamaika – verbunden mit einer kontinuierlichen
Verlangsamung des Grundtempos – aus den Vorläufern Ska und Rocksteady der Reggae als
dominierende Form der Popularmusik etabliert.9 Parallel dazu gab es bereits ab den 1950er
Jahren die Entwicklung sog. sound systems. Dabei handelte es sich um Open Air- und
Dancehall-Veranstaltungen mit DJs, die zunächst mit selbst gebauten Verstärkeranlagen
arbeiteten. Die Platten, die sie auflegten, waren anfangs oft aus den USA importierter
Rhythm and Blues, später jamaikanische Produktionen. Ab den 1970er Jahren wurde es
8 Vgl. dazu auch Gerhard Putschögl, »Zur Schlüsselfunktion der Musik in der afro-amerikanischen Kultur: Archie
Shepp über die Musiktradition der schwarzen Amerikaner« (Jazzforschung / Jazz Research 18, 1986), S. 67–86.
9 Vgl. Stephen Davis / Peter Simon, Reggae Bloodlines: In Search of the Music and Culture of Jamaica (London:
Heineman Educational Books, 1977).
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dann in diesem Milieu zunehmend populär, rein instrumentale Versionen populärer Hits zu
veröffentlichen, oft mit hinzugefügten Studioeffekten wie Echo und Hall. Diese sog. dub
versions erlaubten es den DJs, vor dem Hintergrund der von einer Platte gespielten Instrumentalbegleitung eine eigene gesprochene oder gesungene Linie zu extemporieren. Diese
Praxis wurde unter der Bezeichnung toasting bekannt.10 Anders als beim Karaoke11 ging es
hier nicht darum, die ursprüngliche Melodie des zugrunde liegenden Stücks möglichst
originalgetreu zu imitieren, sondern eine eigene – meist sprechgesangliche – Version zu kreieren, die im wesentlichen nur die Instrumentalbegleitung mit der Vorlage gemein hatte. Ein
entscheidender Beweggrund mag gewesen sein, daß auf diese Weise auch junge Künstler zum
Zuge kommen konnten, die sich eine Begleitband nicht hätten leisten können. Auch der
Aufwand bei Auftritten war so – wie bei einem Alleinunterhalter – wesentlich geringer.12
Einer der Exponenten dieser neuen Richtung, der in den frühen 1980er Jahren auf Jamaika mindestens ebenso populär war wie der Reggae-Star Bob Marley, ist der 1956 geborene Sänger mit dem Künstlernamen Yellowman. Dieser rührt daher, daß es sich um einen
Albino handelt, der ihn automatisch zum sozialen Außenseiter machte. Seiner Karriere tat
dies letztlich jedoch keinen Abbruch: Er wurde so berühmt, daß er meist als »King« Yellowman firmierte.
Als Beispiele sollen mehrere Stücke von Yellowmans 1982 erschienener LP Duppy or
Gunman dienen. Schon der LP-Titel mit seiner Anspielung auf traditionelle Glaubensvorstellungen einerseits und die damals schwierigen Lebensumstände der Bevölkerung andererseits machen deutlich, wie Yellowman an die soziale Realität seiner Hörer/innen anknüpft
und sich zugleich auf unterhaltsame Weise über beides lustig macht. Nach jamaikanischer
Vorstellung sind duppies Geister, die einem Schaden zufügen können. Anfang der 1980er
Jahre war die innenpolitische Lage in Jamaika im Vorfeld anstehender Wahlen dadurch gekennzeichnet, daß sich die beiden verfeindeten politischen Lager teilweise bewaffneter
Banden bedienten, die nur schwer von gewöhnlichen Kriminellen zu unterscheiden waren.
Hier setzt Yellowman mit seinem bissigen Spott an, da man nicht weiß, wer schlimmer ist –
übersinnliche duppies oder bewaffnete Menschen, die einen verfolgen.
In musikalischer Hinsicht ist typisch für seinen Stil, daß der Vokalpart über weite Strecken aus nur zwei- bis dreitönigen Melodien besteht, die von einer Reggae-Band begleitet
werden. So besteht die Melodie des Stücks Natty sat upon a rock hauptsächlich aus zwei
Tönen (h und cis über Bn- und E-Dur-Akkorden). Prägend ist eine rezitativische Gestaltung,
bei der der Text überwiegend auf einem beständig repetierten Ton (hier h) mit meist konstantem Notenwert vorgetragen wird. Der Vokalpart ist damit – abgesehen vom Text – praktisch ausschließlich rhythmisch konzipiert, und zwar in dem Sinne rhythmisch, wie man
etwa von rhythmischem Klatschen spricht, also durch isochrone Gestaltung.
10 Vgl. Gregory Mthembu-Salter / Peter Dalton, »Jamaica: the loudest island in the world« (Simon Broughton /
Mark Ellingham (Hg.), World Music Vol. 2: Latin & North America, Caribbean, India, Asia, and Pacific, London:
Rough Guides, 2000), S. 430–456.
11 Vgl. Peter Wicke / Kai-Erik Ziegenrücker / Wieland Ziegenrücker, Handbuch der populären Musik: Rock, Pop,
Jazz, World Music (erweiterte Neuausgabe, o. O.: Schott, 1997), S. 264.
12 Eine lesenswerte Darstellung der Entwicklung bis heute inklusive einiger Notenbeispiele findet sich bei Peter
Manuel / Wayne Marshall, »The riddim method: aesthetics, practice, and ownership in Jamaican dancehall«
(Popular Music 25/3, 2006), S. 447–470.
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Diese Art von Sprechgesang prägt auch das Stück Lost mi love. Die Melodie besteht hier
aus hauptsächlich drei Tönen (b, as und f über Bbm- und Ebm-Akkorden). Im Text geht es
um die verlorene Geliebte, die der Sänger nun überall sucht: me search from Kingston to
Montego Bay etc. Des weiteren zählt er auf, was er alles gern mit ihr tun würde: I wan’ L – O
– V – E love you, I wan’ K – I – S – S kiss you etc. Es handelt sich also sozusagen um ein
»übliches« Thema. Solche Liebeslieder zeichnen sich bei Yellowman allerdings häufig durch
anzügliche Texte (explicit lyrics) aus, die gewissermaßen zu seinem Markenzeichen wurden.
Seine Texte lassen sich jedoch nicht darauf reduzieren. Soziale Kommentare sind immer
wieder Thema gewesen. In dem Stück Jamaica a little Miami geht es beispielsweise um Touristen, die nach Jamaika kommen. Transportiert von einer Dreitonmelodie macht sich
Yellowman hier über diverse Vorurteile lustig, die Touristen über Jamaika bzw. Jamaikaner
über Touristen haben. Er kommentiert auch mehrere Vorfälle, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der LP gerade passiert waren. So stellt er im Text klar: Es gebe tatsächlich
Telefone auf Jamaika und sogar ein paar Krankenhäuser, Jamaikaner äßen nicht etwa nur
trockenes Brot, manche schliefen sogar in teuren Betten und führen mit Mietwagen durch
die Gegend. Man solle sich im übrigen lieber über Touristen lustig machen als sie niederzuschießen (don’t bother shoot ’em down).
Sprechgesang mit nur wenigen melodischen Floskeln, vorgetragen über eine Instrumentalbegleitung, ermöglicht es dem Künstler, den erzählerischen Inhalt in den Mittelpunkt der
Performance zu stellen. Zugleich liefert aber der musikalische Rahmen dem Publikum genügend Anreiz, dabei zu bleiben. Ohne diesen musikalischen Anteil wäre ein auch nur annähernd so großer Erfolg Yellowmans kaum vorstellbar. Im Hinblick auf die Zielgruppe ist
natürlich nicht verwunderlich, daß Yellowman sich des Patois bedient, der lokalen Variante
des Englischen. Dabei reicht die Bandbreite theoretisch von tiefem Kreol-Englisch (broad
creole) bis zu einem nur leicht dialektal gefärbten Englisch, das dem Standard English sehr
nahe kommt. Die meisten Afro-Jamaikaner – so auch Yellowman – bewegen sich zumeist
irgendwo in der Mitte dieses Sprachkontinuums.13 Sowohl musikalisch als auch sprachlich
sind also seine Darbietungen unmittelbar kulturell identifizier- und geographisch lokalisierbar.
Der dub poet Linton Kwesi Johnson
Unter den in Großbritannien lebenden ethnischen Minderheiten wie z. B. den Immigranten aus ehemaligen britischen Kolonien dienen u. a. Sprache und Musik als Zeichen und
Erkennungsmerkmale kultureller Identität. Für Afro-Jamaikaner sind dies primär Patois und
Reggae bzw. Dub und verwandte Stile. Neben der Orientierung an literarischen Vorbildern
aus Europa gibt es in der Literatur der englischsprachigen Karibik ein Anknüpfen an Traditionen mündlicher Überlieferung wie z. B. die jamaikanischen anansi-Geschichten, die auf
westafrikanischen trickster stories beruhen,14 oder auch den Bezug auf work songs. Als eine
13 Der Unterschied zwischen Patois und Standard English ist allerdings immerhin so beträchtlich, daß der in Jamaika spielende Film The Harder They Come (1972), der nicht zuletzt durch seine eindringliche Milieustudie
und seinen Reggae-Soundtrack berühmt geworden ist, in Großbritannien mit englischen Untertiteln in die
Kinos kam.
14 Martha Warren Beckwith, Jamaica Anansi Stories (New York: Kraus Reprint, 1969; Original: New York 1924).
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moderne Fortführung dieser letztgenannten Richtung sind sog. oral poems (»mündliche
Gedichte«) zu sehen. Diese sollen normalerweise vorgetragen und nicht unhörbar gelesen
werden, d. h. es geht um lautes Vorlesen vor Publikum im Gegensatz zum Lesen durch den
Leser für sich selbst. Sofern es sich um jamaikanische Autoren handelt, bedienen sie sich als
Sprache des Patois und verwenden für die Schriftfassung ihrer Werke eine entsprechend
adaptierte Orthographie, die jedoch nicht standardisiert ist.
In Großbritannien ist der 1952 in Jamaika geborene Linton Kwesi Johnson (oft als LKJ
abgekürzt) als einer der prominentesten Vertreter dieses Genres hervorgetreten. Er hatte
zunächst – als Alternative zu den sonst üblichen Romanen – damit begonnen, Gedichte zu
schreiben, ging jedoch bald dazu über, diese bei Live-Auftritten vor dem Hintergrund einer
musikalischen Begleitung laut vorzutragen (sog. dub poetry). Der Unterschied zwischen
Gesangstext und rezitierten Gedichten wird hier im Sprechgesang aufgehoben. Statt die
Leser seine Werke still für sich zu Hause lesen zu lassen, fanden diese sich bei »Lesungen«
zugleich in einem Reggae-Konzert. An die Stelle vorgefertigter Ton-Konserven trat hier oft
der gemeinsame Auftritt mit einer Live-Band. Dies kann man im engeren Sinn nicht mehr
als toasting bezeichnen, da es sich bei den Texten um vorgefertigte Gedichte handelt, die
gerade nicht aus dem Stegreif verfaßt werden.15
Die – zum Teil beißenden – sozialen Kommentare rücken Johnson in die Nähe mancher
Blues-Texte, gehen aber meist in ihrer explizit politischen Haltung, wie sie in vielen seiner
Texte zum Ausdruck kommt, deutlich über das im Blues gemeinhin Übliche hinaus. Damit
steht er tendenziell einem Projekt wie Shepps Money Blues nahe, jedoch mit dem entscheidenden Unterschied, daß Johnson sehr ausführlich und differenziert zu den jeweiligen Themen Stellung nimmt. Das ausgeprägt Narrative in seinen Stücken – vergleichbar einem
Talking Blues – erlaubt ihm, verschiedene Erzählperspektiven und -standpunkte einzunehmen
sowie ein breites Spektrum sprachlicher Möglichkeiten einzusetzen, deren Palette von –
allerdings äußerst selten gebrauchtem – Standard English über verschiedene Stufen des Patois bis zu tiefem Jamaican Creole reicht.
Auf der broad creole-Seite dieses Kontinuums wären etwa Come wi goh dung deh,16 Sonny’s
Lettah17 oder auch Independent Intavensha 18 anzusiedeln, während die Standard English-Seite
neben dem weiter unten behandelten Two Sides of Silence z. B. auch durch Five Nights of
Bleeding 19 vertreten ist, das weniger creole-Typisches enthält als die meisten anderen Gedichte Johnsons. Bei näherer Betrachtung ist ein Unterschied zwischen geschriebener und vorgetragener Fassung unüberseh- bzw. -hörbar. Es dürfte klar sein, daß sich Patois nicht ohne
weiteres mit der Orthographie des Standard English wiedergeben läßt. Generell kann man
sagen, daß Johnson sich bemüht, seine Schreibweise der eigenen Aussprache anzugleichen,
ohne aber zu einem linguistisch konsistenten System zu gelangen. Typische Modifikationen
sind etwa
15 Vgl. dazu auch Peter Hitchcock, »›It Dread Inna Inglan‹: Linton Kwesi Johnson, Dread, and Dub Identity«
(Postmodern Culture [Online Journal] 4/1, 1993, http://muse.jhu.edu/journals/postmodern_culture/toc/
pmc4.1.html).
16 Linton Kwesi Johnson, Dread Beat and Blood (London: Bogle-L’Ouverture Publications, 1975), S. 48–49.
17 Linton Kwesi Johnson, Inglan is a Bitch (London: Race Today Publications, 1980), S. 7–9.
18 Johnson, Inglan, S. 18–19.
19 Johnson, Dread, S. 15–17.
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Beispiele
-tion
-o-ttl-ough
-th-own
/ei/
Dehnungszeichen
Verkürzungen
→
→
→
→
→
→
→
→
shan
a
kkl
uff
d/t
ung/oun
ay
h oder w
stayshan, distruckshan
mitalagy, teknalagy, pan
likkle, bakkle
tuff, ruff
helt, mitalagy; baddah, annaddah
dung/doun
laybah, stayshan
awftah, kaw
vicktry, facktri
Gelegentlich bleibt die Schriftfassung auch hinter dem tatsächlichen Kreolisierungsgrad
zurück:
geschrieben
through
can’t
age
Asian
gesprochen/gesungen
→
→
→
→
tru
cyan
yage
yasian
Oft gibt es sogar innerhalb eines Stücks divergierende Aussprachen eines Worts. Die veränderte Orthographie soll wohl in erster Linie auf die Eigenständigkeit solcher Texte gegenüber dem Standard English aufmerksam machen. Eine allgemein verbindliche creole-Schriftsprache ist aber sicherlich nicht intendiert. Bemerkenswerterweise sind Einflüsse aus der
spezifischen Diktion der Rastafari-Bewegung bei Johnson eher selten. In Reality Poem20 wird
deren Haltung auch recht deutlich kritisiert.
In einer Reihe von Gedichten spricht offensichtlich Johnson selbst, d. h. ein schwarzer
Intellektueller in Großbritannien, der Stellung zu aktuellen Problemen und Strömungen innerhalb der westindischen Community nimmt. Typische Beispiele sind das gerade erwähnte Reality Poem 21 und Di Black Petty-Booshwah 22. Mitunter schlüpft Johnson aber auch in
die Rolle von typischen Vertretern der Schwarzen in Großbritannien, z. B. eines Jugendlichen (Sonny’s Lettah 23), eines militanten Aktivisten (Fite Dem Back 24) oder eines Arbeiters
(Inglan is a Bitch 25) und erzählt aus deren Blickwinkel und mit ihrer Sprache von ihren spezifischen Erfahrungen und Auffassungen.
Johnsons Adressaten sind dabei zunächst die Schwarzen selbst. Das ergibt sich sowohl
aus den Themen der Gedichte als auch aus der Tatsache, daß sie fast ausschließlich in
Jamaican Creole geschrieben sind, obwohl er Standard English ebenfalls beherrscht. Es geht
ihm offenbar mehr darum, den schwarzen Teil der britischen Gesellschaft anzusprechen,
20
21
22
23
24
25
Johnson, Inglan, S. 24–25.
Ebd., auf LP: Forces of Victory (1979).
Johnson, Inglan, S. 30; auf LP Bass Culture (1980).
Ebd., S. 7–9; auf LP Forces.
Ebd., S. 20; auf LP Forces.
Ebd., S. 26–27; auf LP Bass.
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weniger um die Produktion von Gedichten für ein literarisch interessiertes Publikum.
Andererseits ist er zum Teil durchaus auch ein Sprachrohr nach »außen«, wenn er sich wie
beispielsweise in It Dread Inna Inglan26, Man Free27 oder Time Come28 an Justiz und Behörden wendet.
Vor allem in der Sammlung Dread Beat and Blood (1975) finden sich eine Reihe von eher
abstrakten Gedichten, deren Aussage meist nicht direkt ist, sondern mehr in einer atmosphärischen, bilderreichen Beschreibung realer oder psychischer Zustände besteht. Johnson
bedient sich dabei eines mitunter pathetisch wirkenden Vokabulars, dessen Herkunft möglicherweise apokalyptische Elemente aus der Bibel sein könnten. Eine solche Diktion ist
durch die Rastafari-Bewegung in Jamaika weit verbreitet. Da die Gedichte in der späteren
Sammlung Inglan is a Bitch (1980) sowohl in der Wahl der Themen als auch in der Sprache
durchweg konkreter und direkter ausfallen, liegt es nahe, hier eine Entwicklungslinie in
Johnsons Arbeiten anzunehmen. Die einzelnen Gedichte sind aber in beiden Sammlungen
leider nicht datiert, so daß dies nur eine Vermutung bleiben kann.
Betrachten wir einige typische Beispiele noch etwas genauer. In dem Stück It Dread Inna
Inglan29 geht es um einen Mann namens George Lindo, der von der britischen Polizei festgenommen worden war. Der Titel beginnt mit Sprechchören, die bei einer Demonstration
aufgenommen wurden (oder worden sein könnten) und zur Freilassung Lindos aufrufen. Im
Text heißt es unter anderem:
African[,] Asian[,] West Indian[,] an’ Black British stan firm inna Inglan
George Lindo[,] him is a working man [,…] a family man [,…]
him noh carry no daggah[,] him is nat no rabbah
dem haffi let him go[,] dem bettah free him now!
Auf dem Cover der LP ist ein geradezu emblematisches Foto zu sehen. Es zeigt Linton Kwesi
Johnson mit einem Megaphon in der Hand, umringt von Polizisten. Anstatt Lyrik als l’art
pour l’art zu verfassen, übernimmt er die Rolle eines Wortführers der ImmigrantenCommunity gegenüber der britischen Gesellschaft.
Abb. vom Cover der LP Dread Beat an’
Blood / Poet and the Roots.
26
27
28
29
Ebd., S. 14–15; auf LP Dread Beat an’ Blood / Poet and the Roots (1978).
Ebd., S. 16–17; auf LP Dread.
Johnson, Dread, S. 24–25; auf LP Forces.
Auf LP Dread; als Gedicht in Johnson, Inglan, S. 14–15.
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Der Vokalpart orientiert sich stark an Duktus und Rhythmus der gesprochenen Sprache.
Johnsons Stil unterscheidet sich insofern von dem Yellowmans, der diskrete Skalenstufen
verwendet und zu isochroner Rhythmisierung neigt.30
Dies gilt auch für das nächste Beispiel, Reggae fi Peach 31, an dem ebenfalls die enge Einbindung des Künstlers in das tägliche Leben und in politische Aktivitäten der Community
deutlich wird. Johnson wirft hier einer Spezialeinheit der Polizei, der in den 1970er Jahren
gebildeten sog. Special Patrol Group (SPG), vor, bei einer Demonstration gegen die rechtsradikale und nationalistische Organisation »National Front« den weißen Lehrer Blair Peach
getötet zu haben. Die entsprechende Dub-Version des Stücks, also die Instrumentalfassung
inklusive diverser Studioeffekte, die die Möglichkeit des toastings bietet, also des Extemporierens von Text über dem musikalischen Hintergrund einer vorproduzierten Tonaufnahme, findet sich auf der ein Jahr später veröffentlichten LP LKJ in Dub (1981) unter dem
Titel Peach Dub.
Eine Sonderstellung nehmen zwei Gedichte ein, die hier noch erwähnt werden sollen:
Loraine und Two Sides of Silence, beide von der LP Bass Culture (1980).32 Loraine könnte man
als eine Art ironisches Liebeslied beschreiben. Banale Reime stehen im Kontrast zum Refrain
mit seinem Wortspiel rain – vain – Loraine – again – pain – brain – insane. Die ganze
Schlageridylle des Liedes wird schließlich abrupt durch eine in diesem Kontext unerwartete
Pointe zunichte gemacht, wenn der Versuch des Protagonisten, seine Angebetete auf einen
Kaffee zu sich nach Hause einzuladen, rüde mit (höflich übersetzt) »Rutsch mir den Buckel
herunter!« zurückgewiesen wird.
Whenever it rains I think of you
And I always remember that day in May
When I saw you walkin’ in the rain
I know not what it was nor why
For usually I’m quite shy
I aksed you your name, you smiled and said: Loraine
I aksed if I could share your umbrella
You smiled and said: What a cheeky likkle fella
I said: Let’s go back to my place for some coffee
You frowned and said: Buoy, kiss mi botty
I felt so ashamed, I did not even notice
When your bus came and went again
Now I’m standin’ in the rain in vain, Loraine
Hoping to see you again
Tears fall from mi heyes like rain, Loraine
A terrible pain in me brain, Loraine
You drivin’ me insane
(Auszüge, Transkription in Annäherung
ans gesungene Patois: G. G.)
30 Vgl. die notierten Beispiele idealtypischer Melodieverläufe bei Manuel / Marshall, »Riddim«, die auch auf
Yellowmans Stil zutreffen.
31 LP Bass.
32 Letzterer Titel findet sich als Gedicht bereits in Johnson, Dread, S. 36–37.
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Das Gedicht Two Sides of Silence ist sprachlich eine Ausnahme in Johnsons Werk, weil es in
Standard English geschrieben ist. Die Plattenversion hebt sich noch zusätzlich dadurch ab,
daß nicht wie bei allen anderen Gedichten Reggae als musikalische Basis benutzt wird, sondern freier Jazz. Damit ergeben sich hier deutliche Anklänge an »Jazz & Lyrik«-Projekte.33
Johnson zeigt mit diesen beiden Stücken dreierlei: daß er auch Humor hat und nicht nur
ernste Themen behandelt; daß er auch in Standard English schreiben kann und nicht nur
Patois beherrscht; und daß er musikalisch nicht unbedingt auf Reggae festgelegt ist.34
Interessanterweise hat sich LKJ einer internationalen Karriere u. a. dadurch verweigert,
daß er mit zunehmender Popularität ab Mitte der 1980er Jahre kaum noch auf Tournee gegangen ist. Als Grund gab er an, sich sonst nicht mehr in dem Maße seinen politischen Aktivitäten widmen zu können, was er für richtig hielt. Andererseits hat er die Umstände der
Veröffentlichung seiner Werke stärker in die eigene Hand genommen, indem er seine eigene Plattenfirma, LKJ Records, gegründet hat.35
Fazit
Die eingangs vorgestellten Beispiele für Sprechgesang aus anderen Bereichen afro-amerikanischer Musik sollten auf zentrale Elemente hinweisen, die in LKJs Werk eine spezifische
Verbindung eingehen: das Narrative des Talking Blues, aber auch des toastings, dessen Patois
und Reggae-Musik ebenfalls Johnsons Werk prägen, und der explizit politische Bezug, der
bei Shepp zwar anklingt, bei Johnson aber wesentlich tiefer geht. Hinzu kommt bei letzterem die Fortsetzung und Weiterentwicklung der literarischen Tradition afro-karibischer oral
literature.
Der Künstler (Dichter und Sänger) fungiert als Sprachrohr und Wortführer jamaikanischer Immigranten bzw. darüber hinaus von Immigranten aus ehemaligen Kolonien (Afrika, Karibik, Südasien) in Großbritannien. Die Musik soll zwar nicht der eigentlichen Intention in die Quere kommen, nämlich eine textliche Botschaft zu vermitteln. Auf der anderen
Seite scheint die Verwendung eines musikalischen Hintergrunds, also eines musikalischen
Arrangements mit einer auf den Hörern bekannten Mustern (hier: Reggae) aufbauenden
rhythmischen, melodischen und harmonischen Gestaltung, die Gewähr dafür bieten zu
sollen, daß die Darbietung ein breiteres Publikum erreicht als ein bloßes Rezitieren von literarischen Texten dies könnte. Ein solches unbegleitetes Rezitieren von Texten würde nämlich mit ziemlicher Sicherheit nur einen kleinen Hörerkreis ansprechen und von vielen
Mitgliedern der eigentlichen Zielgruppe als unattraktiv angesehen. LKJ hat sich wohl nicht
zuletzt aus diesem Grund ab dem Ende der 1970er Jahre dazu entschlossen, seine Gedichte
mit musikalischer Begleitung vorzutragen. Er versteht sich dennoch weiterhin primär als
politischer Autor, nicht als Sänger oder gar Pop-Star. Seine Produktionen sind zwar theore-
33 Vgl. dazu Tom Schroeder / Manfred Miller, »Ich bin seit Hellas ziemlich heruntergekommen … Apropos Jazz
& Lyrik« (Klaus Wolbert (Hg.), That’s Jazz: Der Sound des 20. Jahrhunderts. Darmstadt: Jürgen Häusser /
Zweitausendeins, 1997), S. 643–652.
34 Vgl. Chris May, »Linton Kwesi Johnson: All wi doin is defendin. Ein Interview mit Chris May« (Walter Hartmann / Klaus Humann / Carl-Ludwig Reichert (Hg.), Rock Session 5: Magazin der populären Musik, Reinbek
bei Hamburg: Rororo, 1981), S. 74–75.
35 Nachzulesen auf seiner Website unter http://www.lkjrecords.com/.
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tisch auch als reine Popularmusik konsumierbar, die spezifische Sprache (hier: Patois) und
darüber hinaus die Inhalte ermöglichen jedoch in besonderem Maße die Identifikation mit
einer bestimmten »Szene« oder Subkultur, die sich dieses speziellen Idioms bedient und
dadurch auch für Außenstehende (z. B. Standard English-Sprecher) sofort erkennbar ist.
Zusammenfassend kann man sagen, daß es letztlich nicht ohne Musik geht, obwohl der Text
bei LKJ von zentraler Bedeutung ist. Musik erweist sich als notwendiges Vehikel, um die
Botschaft an den Mann (und die Frau) bringen zu können.
Dis is di age af reality […]
Mek wi hol’ di clarity 36
Quellenverzeichnis
a)Literatur
BECKWITH, Martha Warren
1969
Jamaica Anansi Stories. New York: Kraus Reprint (Original: New York 1924).
CARLES, Philippe / Jean-Louis COMOLLI
1974
Free Jazz – Black Power. Frankfurt am Main: Fischer.
DAVIS, Stephen / Peter SIMON
1977
Reggae Bloodlines: In Search of the Music and Culture of Jamaica. London: Heineman Educational Books.
HITCHCOCK, Peter
1993
»›It Dread Inna Inglan‹: Linton Kwesi Johnson, Dread, and Dub Identity«. Postmodern Culture [Online
Journal] 4/1. http://muse.jhu.edu/journals/postmodern_culture/toc/pmc4.1.html.
HOFFMANN, Bernd
1994
»Blues«. Ludwig FINSCHER (Hg.). Die Musik in Geschichte und Gegenwart: Allgemeine Enzyklopädie der
Musik. 2., neubearb. Auflage. Sachteil Bd. 1. Kassel [u. a.]: Bärenreiter. Sp. 1600–1635.
JOHNSON, Linton Kwesi
1975
Dread Beat and Blood. London: Bogle-L’Ouverture Publications.
1980
Inglan is a Bitch. London: Race Today Publications.
JOST, Ekkehard
1975
Free Jazz: Stilkritische Untersuchungen zum Jazz der 60er Jahre. Mainz: Schott.
KERSCHBAUMER, Franz
1978
Miles Davis: Stilkritische Untersuchungen zur musikalischen Entwicklung seines Personalstils. Graz: Akademische Druck- Verlagsanstalt.
MANUEL, Peter / Wayne MARSHALL
2006
»The riddim method: aesthetics, practice, and ownership in Jamaican dancehall«. Popular Music 25/3.
S. 447–470.
MAY, Chris
1981
»Linton Kwesi Johnson: All wi doin is defendin. Ein Interview mit Chris May«. Walter HARTMANN /
Klaus HUMANN / Carl-Ludwig REICHERT (Hg.). Rock Session 5: Magazin der populären Musik. Reinbek
bei Hamburg: Rororo. S. 70–76.
MTHEMBU-SALTER, Gregory / Peter DALTON
2000
»Jamaica: the loudest island in the world«. Simon BROUGHTON / Mark ELLINGHAM (Hg.). World Music
Vol. 2: Latin & North America, Caribbean, India, Asia, and Pacific. London: Rough Guides. S. 430–456.
PUTSCHÖGL, Gerhard
1986
»Zur Schlüsselfunktion der Musik in der afro-amerikanischen Kultur: Archie Shepp über die Musiktradition der schwarzen Amerikaner«. Jazzforschung / Jazz Research 18. S. 67–86.
36 Aus: Reality Poem, Johnson, Inglan, S. 25.
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SCHROEDER, Tom / Manfred MILLER
1997
»Ich bin seit Hellas ziemlich heruntergekommen … Apropos Jazz & Lyrik«. Klaus WOLBERT (Hg.).
That’s Jazz: Der Sound des 20. Jahrhunderts. Darmstadt: Jürgen Häusser / Zweitausendeins. S. 643–652.
WICKE, Peter / Kai-Erik ZIEGENRÜCKER / Wieland ZIEGENRÜCKER
1997
Handbuch der populären Musik: Rock, Pop, Jazz, World Music. Erweiterte Neuausgabe. o. O.: Schott.
b) Tonträger
JOHNSON, Linton Kwesi
1978
Dread Beat an’ Blood / Poet and the Roots (LP Virgin FL 1017).
1979
Forces of Victory (LP Island 200 459).
1980
Bass Culture (LP Island 202 211).
1981
LKJ in Dub (LP Island 203 181).
LEADBELLY
o. J.
Death Letter Blues (CD History 20.19361-HI).
SHEPP, Archie
1971
Things Have Got to Change (LP Impulse AS-9212).
YELLOWMAN, King
1982
Duppy or Gunman (LP Sonic Sounds, o. Nr.).
c) Internetquellen
http://www.lkjrecords.com/ (18.12.2006).
Summary
Speech-song can be considered an important artistic means of expression in various AfroAmerican musics that is not restricted to rap or hip-hop. In the 1970s, for instance, speechsong became a major trend in Afro-Jamaican popular music. The term toasting has been
coined for mainly speech-oriented vocal performances over an instrumental reggae-style
backing. One of the pioneers of this genre in Jamaica has been King Yellowman. Among
immigrants from the West Indies in Britain, the Jamaican-born poet Linton Kwesi Johnson
(LKJ), who had adopted this approach for his oral poetry early on, became a mouthpiece and
spokesman of the Black community in the 1970s and 80s. Characteristic features of his dub
poetry are discussed in relation to other cases of speech-song in Afro-American musics like
narrative elements in talking blues and a decidedly political stance in Archie Shepp’s Money
Blues. The reasons for LKJ’s successful attempt of putting his poems to music are traced to
the dual nature of dub poetry. While a mere recital of literary texts would most likely be rather unattractive to LKJ’s intended audience, i. e. members of Britain’s Black and immigrant
community, he, nevertheless, considers himself primarily a political author rather than a pop
singer. Dub poetry is meant to get the message across by utilizing a particular musical idiom
as a powerful tool. Communicating in patois, the Jamaican variant of English, along with
reggae as musical background serves as a strong link between the artist and his audience in
establishing a »local« identity and rapport within the community.
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