Praxisbeilage Beilage 1 ANNE BEERENWINKEL, CLAUDIA HEFTI, THOMAS LINDAUER, CLAUDIA SCHMELLENTIN Die Schüler und Schülerinnen mittels Aufträgen an Texte heranführen Der folgende Leseauftrag zum Text «Wie Schallwellen hörbar werden» (Urknall 7, Seite 32) illustriert als Muster einen grossen Teil der verschiedenen Typen an Aufträgen aus der Checkliste «Lesen informationsdichter Texte» (Handreichung «Sprachbewusst unterrichten – Eine Unterrichtshilfe für den Fachunterricht», S. 27). Ziel der Aufträge ist es, den Leseprozess der Schüler und Schülerinnen zu strukturieren und sie darin zu unterstützen, die Textinhalte besser zu verstehen. Erläuterungen zu den Aufträgen finden sich im Hauptartikel des vorliegenden Rundschreibens. Die Aufträge sind nach den im Hauptartikel dargelegten vier Leseschritten unterteilt. Leseschritt 1 Synopse und Leseziel Im Text «Wie Schallwellen hörbar werden» wird beschrieben, wie unser Ohr aufgebaut ist und wie unser Gehör funktioniert. Nach dem Lesen solltest du beantworten können, –wie das menschliche Ohr aufgebaut ist, –wie einzelne Teile des Ohres heissen und welches ihre Aufgaben sind, –wie Schallwellen hörbar werden. Dem Text begegnen 1) Schau dir die Doppelseite an. Lies Titel und Untertitel. Schau dir die Abbildungen an. 2) Lies den «weissen» Text «Wie Schallwellen hörbar werden» einmal zügig durch: Du musst dir nicht alles merken, verschaff dir einen ersten Überblick. 3) Arbeitet zu zweit. In der folgenden Tabelle wurde der Text in Abschnitte gegliedert. Notiert zu jedem Abschnitt zwei bis drei wichtige Begriffe. Abschnitt von 1 «Mit unserem Gehör nehmen wir …» 2 «Unser Ohr unterteilt sich in …» 3 «Auch wenn wir, in Gedanken versunken, …» wichtige Begriffe Rundschreiben Zentrum Lesen – Pädagogische Hochschule der FHNW – Institut Forschung und Entwicklung 27/2014 Leseschritt 2 Text bearbeiten (Fragen zum Nachschauen) Arbeitet zu zweit. Auftrag 1 a)Lest Abschnitt 2 gemeinsam langsam. Kreuzt danach die richtigen Antworten an (mehrere Antworten möglich). Lest bei Bedarf im Text nach oder nehmt die Abbildungen im Buch zu Hilfe. In welche Bereiche unterteilt sich das Ohr? ❑ Aussenohr, Mittelohr und Innenohr ❑ Ohrmuschel, Hammer, Hörschnecke ❑ Gehörgang, Hörnerv, Steigbügel Welche Teile gehören zum Aussenohr? ❑ Ohrmuschel ❑ Hammer ❑ Gehörgang ❑ Hörnerv Was passiert im Aussenohr? ❑ Schallwellen werden in der Ohrmuschel aufgefangen und durch den Gehörgang zum Trommelfell weitergeleitet. ❑ Schallwellen werden in der Ohrmuschel aufgefangen und durch den Gehörgang zur Ohrtrompete weitergeleitet. ❑ Schallwellen werden in der Ohrmuschel aufgefangen und durch den Gehörgang zur Hörschnecke weitergeleitet. Das Mittelohr... ❑ ... ist ein luftgefüllter Bereich. ❑ ... besteht aus Ohrmuschel und Hörnerv. ❑ ... ist über die Ohrtrompete mit dem Mund-Rachen-Raum verbunden. Was passiert im Mittelohr? ❑ Die Ohrtrompete leitet den Schall weiter zum Hörnerv. ❑ Die Gehörknöchelchen (Hammer, Amboss und Steigbügel) übertragen die Schwingungen des Trommelfells zur Hörschnecke im Innenohr. ❑ Hammer, Amboss und Steigbügel verbinden den Mund-Rachen-Raum mit der Ohrmuschel. Die Hörschnecke... ❑ ... liegt im Mittelohr. ❑ ... ist das eigentliche Hörorgan. ❑ ... wandelt Schallwellen in Reize um. Diese werden über den Hörnerv ans Gehirn weitergeleitet. b) Lest Abschnitt 3 langsam. Kreuzt danach an, welche Sätze zum räumlichen Hören stimmen. ❑ Der von einer Schallquelle erzeugte Schall erreicht beide Ohren. ❑ Das Ohr, das der Schallquelle näher ist, wird etwas später erreicht. ❑ Bei dem Ohr, das der Schallquelle näher ist, ist der Schalleindruck etwas stärker. ❑ Bereits Neugeborene können räumlich hören. c) Vergleicht und diskutiert eure angekreuzten Antworten. d)Vergleicht eure Antworten mit dem Lösungsblatt. Wenn ihr Fehler gemacht habt, überlegt zu zweit, warum. Rundschreiben Zentrum Lesen – Pädagogische Hochschule der FHNW – Institut Forschung und Entwicklung 27/2014 Auftrag 2 a)Betrachte die Zeichnung des Ohrs auf der linken Seite im Buch. Nenne die drei Bereiche des Ohrs. (A) (B) (C) b)Arbeitet zu zweit. Unten sind die einzelnen Teile des Ohrs aufgelistet. Welche Teile des Ohrs gehören zu welchem Bereich? Füllt die Tabelle aus. Steigbügel Gehörgang Bereich Hörnerv Amboss Gleichgewichtsorgan Ohrmuschel Hammer Hörschnecke Teile des Ohrs Aussenohr Mittelohr Innenohr c) Zu welchem Bereich gehören das Trommelfell und das Ovale Fenster? Diskutiert zu zweit und begründet eure Meinungen. d)Vergleicht anschliessend mit dem Lösungsblatt. Wenn ihr Fehler gemacht habt, überlegt zu zweit, warum. Leseschritt 3 Text verarbeiten (Fragen zum Verstehen) Arbeitet zu zweit. 1) Sucht im Text die Textstellen, die zu folgenden Randnotizen passen, und markiert sie mit dem entsprechenden Buchstaben: (A) Aufgabe des Aussenohrs (B) Aufbau und Aufgabe des Mittelohrs (C) Aufbau und Aufgabe des Trommelfells (D) Aufbau und Aufgabe der Hörschnecke (E) Aufgabe des Innenohrs 2) Vergleicht mit dem Lösungsblatt und besprecht die Textstellen in der Klasse. 3) Was passiert wo? Setzt die richtige Nummer zu der passenden Textstelle in der Tabelle unten. Rundschreiben Zentrum Lesen – Pädagogische Hochschule der FHNW – Institut Forschung und Entwicklung 27/2014 4) Vergleicht anschliessend mit dem Lösungsblatt. Wenn ihr Fehler gemacht habt, überlegt zu zweit, warum. Nr. Teile des Ohrs Der Gehörgang leitet den Schall weiter zum Trommelfell. Der Hörnerv leitet den Reiz ans Gehirn weiter. Das Trommelfell schwingt und regt die Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel zum Mitschwingen an. Die Ohrmuschel sammelt den Schall. Die Schwingungen bewegen in der Hörschnecke die Sinneshärchen. 5)Wenn wir ein Geräusch hören, können wir sagen, woher es kommt. Warum brauchen wir dazu beide Ohren? Warum funktioniert das nicht, wenn wir nur mit einem Ohr hören bzw. ein Ohr zuhalten? Diskutiert diese Fragen zu zweit. Sucht im Text die passenden Stellen für eure Argumente. Macht euch Notizen. Leseschritt 4 Textverständnis überprüfen (Fragen zum Nachdenken) 1) Schau dir die Abbildung des Ohrs auf der linken Buchseite an und schau im Text nach. Fülle die Tabelle unten aus: Schreib die Aufgaben zu den Teilen des Ohrs. Teile des Ohrs Aufgabe Aussenohr Ohrmuschel Gehörgang Innenohr und Hörnerv Mittelohr Trommelfell Gehörknöchelchen Gleichgewichtsorgan Gehörschnecke Hörnerv Rundschreiben Zentrum Lesen – Pädagogische Hochschule der FHNW – Institut Forschung und Entwicklung 27/2014 Rosinen vom Bücherherbst Beilage 2 MARIA RISS Øyvind Torseter: Das Loch Gerstenberg Der schlaksige Mann mit dem seltsamen, mausähnlichen Kopf ist soeben in die neue Wohnung eingezogen, da entdeckt er es, das Loch in der Zimmerwand. Bald schon macht sich das Loch selbständig, es schlüpft in die Waschmaschine, versteckt sich im Fussboden, verlässt die Wohnung. Der Mann will es einfangen, will dem Geheimnis auf die Spur kommen, aber das Loch ist so schnell! Fast hätte er es packen können, da taucht es an einem andern, unmöglichen Ort wieder auf. Schliesslich gelingt es dem Mann doch, er packt das Loch in eine Kiste und bringt es zum Untersuchen in ein Labor. Aber das Loch, das lässt sich eben nicht einfach so untersuchen und definieren schon gar nicht. Øyvind Torseter hat diese Bildergeschichte ganz wunderbar illustriert. Vieles ist auf ein Minimum reduziert, auch die Farben sind ganz sparsam eingesetzt, dafür lassen die Bilder Raum zum Ergänzen und das Loch, um das sich alles dreht, bleibt stets im Mittelpunkt. Bestechend ist natürlich vor allem das tatsächlich existierende fingergrosse Loch, durchgestanzt durch alle Buchseiten. Nur ganz wenig Text, ein paar Sprechblasen, helfen beim Verstehen. Da die Geschichte nur skizziert ist, werden Betrachtende, Kinder wie Erwachsene, aufgefordert, sich selber einen Reim zu machen, etwas an sich Unspektakulärem, dem Geheimnis des Lochs, auf die Spur zu kommen. Ein Buch zum Entdecken, zum Staunen, zum Erzählen und Philosophieren für Kinder ab etwa 4 Jahren und für Erwachsene. Christina Ebertz: Der Ursuppenprinz Beltz Doro hat es mit ihrer Familie wahrlich nicht einfach, die sind alle sowas von klug und schlau. Ihr Papa ist Mathematikprofessor und hat soeben eine ganz wichtige Auszeichnung erhalten, ihre Mama ist daran, mit einem neuen physikalischen Experiment ihren Professorentitel zu bekommen und Doros Zwillingsbrüder, die sind so schlau, dass sie bereits mehrere Klassen übersprungen haben, zwei richtige kleine Einsteins sind das! Doro nimmt es mit dem Lernen und der Schule nicht ganz so genau, sie setzt Prioritäten und manchmal ist es einfach wichtiger, einer Freundin zu helfen, als die Schulbank zu drücken. Aber dann passiert etwas, das Doros Leben tatsächlich aus dem Gleichgewicht bringt: Ein kleiner, daumengrosser Prinz taucht auf. Doro versteckt den kleinen, so altmodisch daherredenden und überaus neugierigen kleinen Prinzen so gut sie kann, aber das alles hilft nichts, denn kleine Prinzen wollen mitreden und sie wollen beachtet werden, das vor allem. Diese unglaublich lustige Geschichte lebt von Übertreibungen, der temporeichen Erzählweise und der Figur von Doro. Gute Schulnoten, damit kann sie nicht glänzen, aber sie ist die einzige in dieser oberklugen, verrückten Familie, die sich auch in brenzligen Situationen zu helfen weiss. Doro ist selbstbewusst und mutig, Doro schaut nicht einfach zu, sie unternimmt etwas, wehrt sich, auch gegen Normen und Vorurteile. Kinder, vor allem natürlich Mädchen, werden von dieser Heldin begeistert sein. Das Buch eignet sich sehr gut zum Vorlesen, es ist von Beginn an spannend und in kurze Leseportionen eingeteilt. Ein Lesevergnügen für Kinder ab etwa 10 Jahren. Rundschreiben Zentrum Lesen – Pädagogische Hochschule der FHNW – Institut Forschung und Entwicklung 27/2014 David Cirici: So riecht Glück Dressler Locke ist ein Hund und erzählt diese Geschichte aus seiner Perspektive. Während eines Bombenangriffs verliert Locke seine Familie. Plötzlich muss er für sich alleine sorgen, das hat er nie gelernt. Dazu kommt, dass die ganze Welt durcheinander geraten ist. Es herrscht Krieg, die Menschen haben selber kaum zu essen und überall lauern Gefahren. Locke sehnt sich so sehr nach seiner Familie zurück, vor allem nach den beiden Kindern Janinka und Mireck. Die Hoffnung, die beiden irgendwann wiederzufinden, lässt ihn durchhalten und alle schrecklichen Strapazen zu erdulden. Die Welt aus der Sicht eines Hundes zu beschrieben, das ist nicht neu. Die Schrecken eines Krieges aus dieser Perspektive nachzulesen schon. Lesende bleiben auf diese Weise auf einer gewissen Distanz und doch bangt man mit, wünscht man sich so sehr, dass diese Geschichte ein gutes Ende nimmt. Dem katalinschen Autor David Cirici ist mit diesem Buch, auch wegen der wunderschön gestalteteten Sprache, ein kleines Meisterwerk geglückt. Für Kinder ab etwa 12 Jahren und für Erwachsene. Vera Kissel: Was die Welle nahm Dressler Der 14-jährige Lukas ist alleine zuhause. Seine Mama verbringt ein paar Tage mit ihrer neuen Liebe am Meer. Eigentlich nicht schlecht, niemand kommandiert Lukas rum, er hat Zeit zum Chillen, zum Rumhängen. Lukas ist aber einer, der auch viel nachdenkt, jetzt hat er Ruhe und Zeit dazu. Am meisten beschäftigt ihn das Geheimnis um seinen Vater. Der kam beim grossen Tsunami ums Leben, genau zehn Jahre ist das nun her. Lukas weiss nichts, gar nichts über seinen Vater. Weder Mama noch seine Grosseltern haben auf all seine Fragen geantwortet, niemals mehr ist seit diesem schrecklichen Unglück nur ein Wort über seinen Vater gesprochen worden. Da entdeckt Lukas einen zehn Jahre alten Brief, adressiert an seine Mutter. Einen Brief, in dem jemand um Entschuldigung bittet. Lukas geht der Sache nach und findet heraus, dass sein Vater eine Beziehung zu einem anderen Mann hatte. Anfänglich bricht für Lukas eine Welt zusammen, bald hat er aber auch das Bedürfnis, den Mann kennenzulernen, der offensichtlich in den letzten Tagen an Vaters Seite war. Er will mehr über seinen Vater und das schreckliche Unglück zu erfahren. Lukas sucht diesen Kim auf und endlich, endlich wird das Schweigen gebrochen, endlich darf Lukas seinem toten Vater näher kommen und auch um ihn trauern. Vera Kissel hat einen eindrücklichen Jugendroman geschrieben. Sehr glaubhaft und authentisch ist ihr vor allem die Schilderung des jungen Protagonisten geglückt. Eine Figur, die Lesende ganz nah an sich ran lässt, den man gerne als Freund hätte. Lukas ist auf eine beeindruckende Art stur, er setzt sich durch und bringt schliesslich auch sein Umfeld dazu, das Schweigen zu brechen. Das tut zwar allen sehr weh, verschafft aber auch Erleichterung, jetzt können alte Wunden erst richtig heilen und vernarben. Speziell an diesem Buch sind auch Sprache und Duktus. Vieles wird wiederholt, nicht alle Sätze sind zu Ende geschrieben. Stellenweise klingt der Roman fast wie ein Gedicht. Trotzdem bleibt die Handlung spannend, ist der Text auch für weniger geübte Leserinnen und Leser gut verständlich. Ein wundervolles Buch für Jugendliche. Rundschreiben Zentrum Lesen – Pädagogische Hochschule der FHNW – Institut Forschung und Entwicklung 27/2014