G 9604 zwd-Magazin zwd Themen dieser Ausgabe Aktuelles Oppositionskritik am Haushalt: SPD bedauert Förder-Stopp für GenderkompetenzZentrum ..... 2–3 Geschlechtergerechte Gesundheitsversorgung: Grüne wollen Forschung stärken ....... 3 Genitalverstümmelung und Zwangsheirat: Bundesrat einigt sich auf Straftatbestände .......................... 3 Länder Berliner Gender Datenreport im Internet: Bildungserfolg und Entgeltkluft unter der Lupe ................ 4 Frauenhäuser in NRW: 5.531 Ablehnungen wegen Überbelegungen ............................... 5 Schleswig-Holstein: Keine Fortschritte bei der paritätischen Gremienbesetzung ............................ 7 Niedersachsen: Wenig Engagement bei der Aufklärung über HPV-Impfung ............................. 9 Bundestag Internationaler Frauentag: Anträge von Koalition und Opposition.....11–14 Sozialstaatsdebatte Paritätischer Gesamtverband legt Lohnabstands-Analyse vor .............. 10 Internationales Spanien: Gelockertes Abtreibungsgesetz tritt diesen Sommer in Kraft ..16 Frauenquote in den Niederlanden: Anstoß zur Anstrengung, aber keine Verpflichtung zum Erfolg........ 17 Europäische Union: FEMM-Ausschuss für längeren Mutterschutz .................................... 18 276 | 03 – 2010 FRAUEN GESELLSCHAFT UND POLITIK Bundeshaushalt 2010 Opposition fordert Nachschlag für Gleichstellung und Familie zwd Berlin. In der Zeit vom 16. bis zum 19. März finden im Bundestag die abschließenden Beratungen zum Bundeshaushalt 2010 statt. Nachbesserungsbedarf beim Etat des Ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) sehen vor allem die Oppositionsfraktionen SPD und Die Linke. Während von den SozialdemokratInnen das Förder-Aus für das Berliner GenderkompetenzZentrum bedauert wird, fordern die LinksparlamentarierInnen einen mächtigen finanziellen Nachschlag bei den Familienleistungen. ...........2–3 Länder-Schwerpunkt Berliner Gender-Datenreport – gezielter Blick auf die Entgeltkluft zwd Berlin. Im Bundesvergleich schneidet Berlin bei der Professorinnen-Quote am besten ab, die Entgeltkluft ist in der Stadt an der Spree aber weiterhin hoch. Differenzierte Aussagen zum weiblichen Bildungserfolg sowie dem Gender Pay Gap bietet nun der erste Berliner Gender-Datenreport. Er wurde von der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen in direkter Kooperation mit dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg erstellt. .................4–5 Foto: Stop FGM Now! Genitalverstümmelung jetzt stoppen! Noch immer werden jährlich mindestens drei Millionen Mädchen in Afrika, Asien, aber auch in Europa, den USA und Australien genital verstümmelt. Die Kampagne „STOP FGM NOW!“ will Vereine, Unternehmen und Privatpersonen zusammen bringen, um dieses grausame Verbrechen zu beenden. Zum Internationalen Tag gegen Genitalverstümmelung haben die BündnispartnerInnen und KampagnenBotschafterin Waris Dirie (4.v.r.) ihre Initiative vorgestellt. ............................ 20 Impressum .....................................22 www.frauen.zwd.info zwd Der UN-Frauenausschuss wird bei seiner Tagung vom 1. bis 12. März in New York unter dem Motto „Peking + 15“ die sexuelle und reproduktive Gesundheit fokussieren. Dieses Thema hat viele Aspekte und spielt auch eine wichtige Rolle bei der Armutsbekämpfung. Denn: In die Gesundheit von Frauen zu investieren heißt, Armutsrisiken erheblich zu senken. Dabei geht es nicht nur um Gesundheitsfürsorge im engeren Sinn, sondern vor allem um das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Frauen! Jede Frau muss selbst bestimmen können, wie viele Kinder sie haben will, wann sie Kinder haben will und ob sie überhaupt Kinder haben will. Und jede Frau muss selbst bestimmen können, ob und in welcher Partnerschaft sie leben will. Dafür müssen die Frauen der Weltgemeinschaft über alle staats- und weltanschaulichen Grenzen hinweg einstehen. Wir erwarten von der Tagung in New York, dass sie uns diesen Zielen näher bringt, wohl wissend, dass Frauen in den Entwicklungsländern der besonderen Unterstützung bedürfen. Aber auch in Europa ist die Selbstbestimmung in Fragen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit leider noch nicht durchgängig verwirklicht. Der politische Kampf um sexuelle Selbstbestimmung ist untrennbar mit dem Kampf um Gleichberechtigung und Gleichstellung in allen Lebensbereichen verbunden. Deshalb lautet der politische Slogan der deutschen sozialdemokratischen Frauen zum Internationalen Frauentag 2010 im Geist der Weltfrauenkonferenz von Peking 1995: Gleichstellung jetzt! Karin Junker, Journalistin und SPD-Politikerin Seite 2 / Nr. 276/2010 – 24. Jahrgang SPD bedauert Förderungs-Stopp für das GenderkompetenzZentrum zwd Berlin (tag). Die Oppositionsfraktionen im Bundestag von SPD und Die Linke üben Kritik am Bundeshaushalt 2010. Während die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Caren Marks, das Förder-Ende für das GenderkompetenzZentrum in Berlin kritisiert, halten LinkspolitikerInnen die vorgesehenen Mittel für Elterngeld, Kinderzuschlag und Ausbau der Kinderbetreuung für zu niedrig angesetzt. unionsgeführten Familienministerium „Es ist außerordentlich bedauernsvon Christina Schröder – genau wie wert, dass die Bundesförderung des unter der ehemaligen Ministerin UrGenderkompetenzZentrums zur Mitte sula von der Leyen – nicht stattfinde: des Jahres 2010 eingestellt wird“, teilte Marks dem zwd mit. Ihre Fraktion habe daher in einem Änderungsantrag zum Haushaltsgesetz 2010 gefordert, die Förderung für das GenderkompetenzZentrum nicht einzustellen, sondern um 100.000 Euro zu erhöhen. Mit Oppositionskritik am Bundeshaushalt: dieser Anhebung wäre Caren Marks (SPD) und Steffen Bockhahn (Die Linke) Marks zufolge eine För„Denn ansonsten hätte die Familienderung über das gesamte Jahr 2010 ministerin in der Haushaltsplanung gesichert worden. berücksichtigt und honoriert, dass „Aufbau von Genderkompetenz das GenderkompetenzZentrum exdringend erforderlich“ zellente Arbeit geleistet hat.“ Der Arbeit des GenderkompetenzDie Linke: Zwei verbindliche Zentrums sprechen die SozialdemoVätermonate sind zu wenig kratInnen eine große Bedeutung für Gleich in drei Änderungsanträgen die Gleichstellungspolitik zu. Aus ihzum Haushalt 2010 wünscht sich rer Sicht muss Gender Mainstreadie Linksfraktion im Bundestag eine ming auch weiter „durchgängiges Aufstockung von familienpolitischen Leitprinzip des Handelns und der Leistungen im BMFSFJ-Etat (Einzelgleichstellungspolitischen Aktivitäplan 17). Mit der von ihr geforderten ten der Bundesregierung sein“. GeErhöhung des Elterngeldes um 2,5 rade angesichts der zukünftig noch Milliarden auf 6,98 Milliarden Euro zu bewältigenden gleichstellungspolitischen Herausforderungen hält soll die Auszahlungsdauer des ElMarks eine weitere wissenschaftliche terngeldes auf 12 Monate pro ElternPolitikberatung zur Gleichstellungsteil (24 Monate für Alleinerziehende) politik und den kontinuierlichen Aufausgeweitet und das Mindestelternbau von Genderkompetenz für dringeld auf 450 Euro erhöht werden. gend erforderlich. Sie führte weiter Fortsetzung auf Seite 3 aus, dass Gleichstellungspolitik im Foto: Die Linke MV 99. Internationaler Frauentag: Gleichstellung jetzt! Oppositionsanträge zum Bundeshaushalt 2010 Foto: spd-fraktion.de Gastkommentar Aktuelles zwd Frauen.Gesellschaft und Politik zwd Aktuelles Fortsetzung von Seite 2 Mit dem „Mehr“ an Elterngeld wird – so der zuständige Haushaltsberichterstatter zum BMFSFJ-Etat, Steffen Bockhahn – ein gleichberechtigtes Miteinander von Frauen und Männern angestrebt: „In gleichstellungspolitischer Hinsicht sind zwei verbindliche Vätermonate zu wenig. Deshalb ist das Elterngeld nach skandinavischem Vorbild zu einer Sozialleistung auszubauen, die Elternschaft ermöglicht und die Gleichstellung von Frauen und Männern fördert.“ Die Vätermonate würden so zu einem individuellen Anspruch jeden Elternteils auf Elterngeld weiterentwickelt, beide müssten keine längeren Berufsunterbrechungen in Kauf nehmen. Gleichberechtigung von Alleinerziehenden angestrebt Um die Gleichberechtigung von Alleinerziehenden und ihren Kindern voranzutreiben, plädieren die LinkspolitikerInnen auch für die Aufstockung des Kinderzuschlages um 3,28 Milliarden auf 3,65 Milliarden Euro. Mit dem aufgestockten Betrag müsse der Kinderzuschlag von bisher maximal 140 Euro auf 200 Euro für unter Sechsjährige, 236 für Sechs- bis unter Vierzehnjährige und 272 Euro für Vierzehnjährige und ältere Kinder angehoben werden. Denn, so argumentieren die LinkspolitikerInnen, Alleinerziehende und ihre Kinder trügen von allen gesellschaftlichen Gruppen das höchste Armutsrisiko in Deutschland. Solange die Maximalhöhe von 140 Euro nicht steige und Alleinerziehende keinen dem Mehrbedarf im SGB II entsprechenden Aufschlag bei dieser Familienleistung erhielten, könne sich eine finanzielle Wirkung für diese gesellschaftliche Gruppe kaum entfalten. Auch bei den Zuweisungen an die Länder für Investitionen zum Ausbau der Kinderbetreuung von unter Dreijährigen fordert die Linksfraktion mehr Geld – nämlich vier Milliarden Euro. Diese Mittel sollen einer „qualitativ hochwertigen, gebührenfreien ganztätigen und bedarfsdeckenden“ Kinderbetreuung in allen Bundesländern zugute kommen. Geschlechtergerechte Gesundheitsversorgung Grüne wollen Forschung stärken zwd Berlin (jvo). Die Grünen-Bundestagsfraktion hat sich dafür ausgesprochen, eine gendergerechte Versorgungsforschung stärker zu fördern. In einem Oppositionsantrag zum Haushaltsplan 2010 für den Bereich Bildung und Forschung veranschlagt sie eine Summe in Höhe von zwölf Millionen für diesen neuen Posten. Die Gelder sollen nach dem Willen der Grünen dazu genutzt werden, um die geschlechtsspezifische Unter-, Über- und Fehlversorgung besser zu erforschen. „Die biologischen und sozialen Unterschiede von Frauen und Männern müssen im Gesundheitswesen durchgängig berücksichtigt werden“, heißt es in der Antragsbegründung. Schwerpunkte sollen dabei Behandlungen und Be- zwd Frauen.Gesellschaft und Politik handlungsstrukturen für chronisch Kranke, Ältere und für Personen am Lebensende sowie Prävention und Rehabilitation sein. Zur Finanzierung der Versorgungsforschung schlagen die Grünen vor, das Budget für die „Gesundheitsforschung in Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft“ sowie für die „Stärkung der Forschungslandschaft durch Strukturoptimierung“ zu kürzen. „In Fragen der Vorsorgungsforschung ist Deutschland ein Entwicklungsland“, argumentierte die zuständige Haushaltsberichterstatterin ihrer Fraktion, Priska Hinz. Insbesondere in einer alternden Gesellschaft müsse das Gesundheitswesen weiterentwickelt werden. Zwangsehen – Beschneidung Bundesrat einigt sich auf Straftatbestände zwd Berlin (tag). Für Genitalverstümmelung und Zwangsheirat will der Bundesrat Straftatbestände durchsetzen. Am 13. Februar beschloss die Länderkammer, hierzu Gesetzentwürfe verschiedener Länder in den Bundestag einzubringen (vgl. auch S. 20). Nach Darstellung der am Antrag beteiligten Länder zur Genitalverstümmelung – Hessen, Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz – werde mit diesem Schritt „jeder Zweifel über die strafrechtliche Einordnung der Tat als schwerwiegender Verstoß gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Opfers beseitigt“. Zudem setze der Staat ein eindeutiges Signal, dass er solche Menschenrechtsverletzungen keinesfalls toleriert, sondern energisch bekämpft. Bundesgeschäftsführerin von Terre des Femmes, Christa Stolle, begrüßte, dass die Länder an einem Strang zögen, um „das Unrechtsbewusstsein für diese schweren Menschenrechtsverletzungen zu schärfen“. Nach Berechnungen der Frauenrechtsorganisation sind über 5.000 Mädchen in Deutschland der Gefahr ausgesetzt, an ihren Genitalien verstümmelt zu werden. Laut Gesetzesantrag soll Genitalverstümmelung zusätzlich in den Katalog der Auslandsstraftaten aufgenommen werden. Damit würde auch die strafrechtliche Verfolgung von während des Urlaubs im Ausland durchgeführten Genitalverstümmelungen möglich. Neben den geplanten Strafrechtsänderungen hält Terre des Femmes konkrete Präventionsmaßnahmen zum Schutz gefährdeter Mädchen für dringend notwendig. Nr. 276/2010 – 24. Jahrgang / Seite 3 zwd Berliner Frauenpreis für Anke Domscheit zwd Berlin (tag). Der Berliner Frauenpreis 2010 geht an Anke Domscheit, Managerin bei dem multinationalen Software-Produzenten Microsoft. Berlins Frauensenator Harald Wolf (Die Linke) verlieh Domscheit die Auszeichnung am 8. März für ihre öffentlichen und gleichzeitig offensiven Bemühungen um Chancengleichheit. Sie vernetze Frauen aus Wirtschafts- und Verwaltungseliten in nationalen und internationalen Frauennetzwerken und engagiere sich für bessere Arbeits- und Karrierechancen von Frauen, hieß es zur Begründung. Vorträge für Frauen im Management Konkret engagiert sich die BusinessFrau mit Abschlüssen in European Business Administration und Internationaler Betriebswirtschaft seit Jahren für das Thema „Frauen im Management und Frauen in der IT“ – unter anderem als Mitglied des European Women’s Management Development Network. Bei der Unternehmens- und Strategieberatung McKinsey leitete sie die Studie „A Wake Up Call for Female Leadership in Europe“. Zudem war sie Co-Autorin der McKinsey-Studie „Women Matter“, welche Gender Diversity als wichtigen Faktor für den Unternehmenserfolg hervorhebt. Die 42-jährige Mutter eines Sohnes hält darüber hinaus regelmäßig Vorträge und Workshops für Managerinnen im In- und Ausland, auf Konferenzen und für Unternehmen. Ehrenamtlich ist sie Aufsichtsrätin für Teachfirst Deutschland und Botschafterin der Barefoot Colleges in Indien. Seite 4 / Nr. 276/2010 – 24. Jahrgang Erster Berliner Gender-Datenreport im Internet Bildungserfolge und Entgeltkluft unter die Lupe genommen zwd Berlin (chb/tag). Die Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen hat in Kooperation mit dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg am 17. Februar den ersten Berliner Gender-Datenreport vorgestellt. Der online verfügbare Report enthält Grundlagendaten zu den Themenfeldern Bevölkerungsentwicklung, Bildung, Erwerbstätigkeit, Einkommen, Gesundheit und politische Partizipation. „Mit dieser Datensammlung können wir allen Interessierten eine Informations- und Arbeitsgrundlage zur Verfügung stellen, die regelmäßig aktualisiert wird und themenspezifisch ergänzt werden kann“, erläuterte Frauensenator Harald Wolf (Die Linke). Weibliche Bildungserfolge Der Gender-Report enthält im Bildungsteil Informationen über die Teilhabe von jungen Frauen und Männern an schulischen, beruflichen und hochschulischen Angeboten in Berlin. Die Daten belegen, dass der weibliche Bildungserfolg groß ist. Im Jahr 2008 waren mehr als die Hälfte der Jugendlichen an Gymnasien sowie der StudienanfängerInnen an Berliner Hochschulen weiblich. Weiterhin lag der Frauenanteil an den erfolgreich Promovierenden bei 46 Prozent. Auch bei den JuniorprofessorInnen halten sich Frauen und Männer nahezu die Waage. Mit einem Frauenanteil von 25,6 Prozent an regulären Professuren liegt Berlin an der Spitze aller Bundesländer. Bei der Nutzung der Studienberechtigung hält Prof. Ulrike Rockmann, Präsidentin des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg, allerdings vertiefte Analysen für notwendig. Es zeige sich deutschlandweit – so auch in Berlin –, dass zwar mehr Frauen als Männer die Studienberechtigung erwerben, diese aber deutlich seltener für ein Studium nutzen. Unterschiede existieren nach den Worten von Rockmann insbesondere bei den AbsolventInnen mit Fachhochschulreife: „Hier haben 36 Prozent der Frauen und 68 Prozent der Männer in den letzten zwei Jahren ein Studium begonnen“. Anteile an Einkommensgruppen nach Geschlecht in Prozent (Berlin 2008, monatl. Nettoeink. ) Quelle: Gender Datenreport Berlin 2009 Einsatz für Chancengleichheit Länder Gender Pay Gap bis zu 25 Prozent Wie aus dem Genderreport auch hervorgeht, spiegeln sich die Bildungserfolge der Frauen nur unzureichend auf dem Berliner Arbeitsmarkt wider. Bei Stundenlöhnen und Gehältern offenbart sich ein Gender Pay Gap von bis zu 25 Prozent. Fortsetzung auf Seite 5 zwd Frauen.Gesellschaft und Politik zwd Länder Fortsetzung von Seite 4 Im Jahr 2008 verdienten sozialversicherungspflichtig beschäftigte Frauen in Berlin durchschnittlich 2.237 Euro, die Verdienste der Männer lagen mit 3.002 Euro um 25 Prozent höher. Einkommensdifferenz mit zunehmendem Alter größer Auch bei den einzelnen Einkommensstufen werden die Geschlechterunterschiede deutlich sichtbar. Im Alter von 35 bis 55 Jahren erzielten rund 42 Prozent der Männer und nur 32 Prozent der Frauen monatlich ein Nettoeinkommen von über 1.500 Euro (s. Grafik, S. 4). Diese Einkommensdifferenz vergrößert sich mit zunehmendem Alter. So entfielen in den Altersgruppen der 55- bis 65-Jährigen und der über 65-Jährigen nur etwa 21 Prozent der weiblichen, aber noch rund 37 Prozent der männlichen Bevölkerung auf diese Einkommenskategorie. Leider, so Wolf, habe sich an der Tatsache, dass Frauen in höheren Gehaltsstufen seltener vertreten seien, nur sehr wenig geändert. Differenzierter Blick auf die Erwerbsbeteiligung Welche differenzierten Einblicke die Gender-Daten in die einzelnen Themenbereiche bieten, machten Senator Wolf und Statistik-Expertin Rockmann an der Teilnahme der Berliner Bevölkerung am Erwerbsleben deutlich. Die hohe Erwerbsbeteiligung von Frauen (knapp 70%) werde nicht nur durch die allgemein hohe Arbeitslosenquote (Männer: 18,1%, Frauen: 14,1%), sondern auch durch Teilzeitbeschäftigung beeinträchtigt. So stieg zwischen den Jahren 2000 bis 2008 der Anteil der männlichen Teilzeitbeschäftigten von 7,5 auf 11,4 Prozent, derjenige der weiblichen wuchs gar von 25,2 auf 30,1 Prozent. Der Gender Report unter: www.statistik-berlin-brandenburg.de zwd Frauen.Gesellschaft und Politik Frauenhäuser in Nordrhein-Westfalen 5.531 Ablehnungen wegen Überbelegung registriert zwd Düsseldorf (jvo). Die LandesarSPD-Fraktion und ASF-Landesvorsitbeitsgemeinschaft (LAG) Autonomer zende Gerda Kieninger. Im Jahr 2006 Frauenhäuser NRW hat dem Frauenhatte die schwarz-gelbe Regierung ausschuss des Düsseldorfer Landdie Fördermittel für Frauenhäuser tags vorgeschlagen, eine Arbeitsum 30 Prozent gekürzt. Die Einspagruppe „Frauenhausfinanzierung“ rungen führten zur Streichung jeder einzurichten. Die Landesregierung, vierten Stelle. Frauennetzwerke und Kommunen Frauenministerium sollen gemeinsam prüfen, ob eine warnt vor „falschem Eindruck“ gesetzliche Regelung zur Finanzierung der Frauenhäuser möglich ist. 9.113 Schutzsuchende fanden 2008 Bisher erfolge die Finanzierung ganz Hilfe und eine Unterkunft in einem unverbindlich, erläuterte Marion Stefder Frauenhäuser in NRW, darunfens von der LAG Autonomer Frauenter etwa 4.500 Kinder. Im gleichen häuser. Die Gelder könnten je nach Zeitraum registrierte die LandesreHaushaltslage und politischem Willen gierung 5.531 Ablehnungen wegen jederzeit gestrichen werden. Überfüllung. Das CDU-geführte FrauDie Grünen im Landtag unterstütenministerium wies jedoch Vorwürfe zen die Forderung nach einem Lanzurück, dass diese Frauen schutzlos desgesetz. „Die Verantwortung für blieben. „Dieser Eindruck ist falsch“, eine auskömmliche Finanzierung der heißt es im Bericht des Ministeriums Frauenhäuser wird seit Jahren zwizur Frauenhausfinanzierung vom 18. schen Bund, Ländern und KommuJanuar. Zum einen beinhalteten die nen hin- und herZahlen Mehrfachgeschoben“, kritinennungen, zum sierte die frauenpoanderen würde den litische Sprecherin Frauen auch nach der Fraktion, Bareiner Ablehnung in bara Steffens, am der Regel eine an3. Februar nach der derweitige BetreuAnhörung. Obwohl ung vermittelt. Es Frauenpolitikerinnen der Opposition, es seitens der Komgebe aber sicherSteffens (Grüne) und Kieninger (SPD) munen positive Silich Fälle, in degnale gibt, über eine verlässliche Finen Schutzsuchende eine Unternanzierung zu diskutieren, wolle die bringung in einem Frauenhaus auLandesregierung keine Gespräche ßerhalb ihres Wohnortes ablehnen, aufnehmen, so Steffens weiter. Diese räumte das Ministerium ein. argumentiere, dass auf beiden SeiSeit 2001 ist die Zahl der aufgeten ohnehin kein Geld da sei. nommenen Frauen und Kinder konAuch nach dem Willen der SPD soll tinuierlich gesunken (-18%). Diese die Regierung prüfen, wie eine einEntwicklung führt das Ministerium heitliche und verbindliche Finanzieauch auf die neue rechtliche Mögrung der Frauenhäuser gewährleistet lichkeit zurück, wie den Partner aus werden kann. „Wir bleiben darüber der Wohnung zu verweisen. Auch hinaus bei unserer Forderung, dass der Rückgang der Kinderzahl pro die Stellenstreichungen infolge der Frau werde hier spürbar, heißt es in Mittelkürzungen wieder rückgängig dem Bericht weiter. gemacht werden müssen“, betonte Bericht und Stellungnahmen unter die frauenpolitische Sprecherin der www.landtag.nrw.de Ausschüsse Nr. 276/2010 – 24. Jahrgang / Seite 5 zwd Länder Die frauenpolitischen SprecherInnen der Fraktionen Ursula Sassen (CDU) Mitglied des CDU Fraktionsvorstandes sowie im Landesvorstand der Mittelstandsvereinigung und des Wirtschaftsrats der CDU. Kirstin Funke (FDP) Stellv. Landesvorsitzende der Liberalen Frauen und Gründungsmitglied sowie Mitglied im FDP-Kreisvorstand Rendsburg-Eckernförde. Siegrid TenorAlschausky (SPD) Stellv. SPD-Fraktionsvorsitzende. Vor ihrem politischen Mandat hat sie über mehrere Jahre hinweg als Lehrerin unterrichtet. Ranka Prante (Die Linke) ... vertritt ihre Fraktion auch im Umwelt- und Wirtschaftsausschuss. Sie ist ausgebildete KfZ-Mechanikerin und Technikerin für Windkraft-Anlagen. Marret Bohn (Grüne) Mitglied im Landesparteirat der Grünen SH und dort zuständig für die Arbeitsgemeinschaft Sozial-, Gesundheits- und Arbeitsmarktpolitik. Silke Hinrichsen (SSW) ... ist Rechtsanwältin und in der SSW-Landtagsgruppe unter anderem für die sozialund innenpolitischen Bereiche zuständig. Seite 6 / Nr. 276/2010 – 24. Jahrgang Schleswig-Holstein I Projekt „Frauen und Integration“ zur Stärkung der Migrantinnen zwd Kiel (jvo). Die Verknüpfung seiner Ressorts Justiz, Integration und Gleichstellung will der parteilose Minister Emil Schmalfuß im schleswig-holsteinischen Kabinett nutzen, um die Politikfelder „im aufeinander bezogenen Handeln neu und zeitgemäß“ zu gestalten. Die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten sehen in der Neuordnung der Ressorts eine Aufwertung der Frauenpolitik. Um Migrantinnen stärker in die Gesellschaft zu integrieren und deren Grundrecht auf Gleichberechtigung besser durchzusetzen, plant der Minister ein Leitprojekt „Frauen und Integration“. „Rechtliche Rahmenbedingungen sollen angepasst und die Arbeit der frauenpolitisch tätigen Institutionen breiter ausgerichtet werden“, erläuterte der ehemalige Präsident des Kieler Landesgerichts. Die inhaltliche Ausgestaltung des Projekts werde durch einen runden Tisch begleitet, dem insbesondere Migrantinnen und Migranten angehören sollen. Den Gleichstellungsbeauftragten in den Landesbehörden, in den Kommunen und an den Hochschulen ebenso wie dem Landesfrauenrat misst Schmalfuß eine zentrale Bedeutung bei, um die Benachteiligungen von Frauen zu beseitigen. Als „unverzichtbare Elemente“ bezeichnete er gegenüber dem zwd darüber hinaus die Frauenberatungseinrichtung wie „Frau & Beruf“ sowie das Kooperations- und Interventionskonzept (KIK) gegen häusliche Gewalt. „Die Landesregierung wird mit diesen Institutionen auch in Zukunft partnerschaftlich zusammenarbeiten und sie bei ihrer Aufgabenwahrnehmung unterstützen“, versicherte Schmalfuß. Gemeinsam mit ihnen werde die Regierung dafür eintreten, dass sich das Berufswahlspektrum von Mädchen erweitert und die Arbeitschancen von Frauen auf allen Ebe- nen verbessert, fügte er hinzu. Insbesondere wolle die Regierung gute Bedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schaffen. Die Landesarbeitsgemeinschaft der hauptamtlichen kommunalen Gleichstellungsbeauftragten (LAG) begrüßte die Neuordnung des Frauenministeriums. Gleichstellung sei Verfassungsauftrag, und durch die Verknüpfung mit dem Bereich Justiz komme dies zum Ausdruck, betonte Deborah Azzab-Kamphausen, Mitglied im LAG-Sprecherinnenrat. Zudem zögen sich die Aufgaben der Gleichstellung wie die der Justiz und auch der Integration durch alle Politikbereiche. Kommunen wollen bei der Gleichstellung sparen Entschieden warnte Azzab-Kamphausen davor, die Standards für die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten herunterzufahren. Sie fürchtet, dass die Kommunen im Zuge ihres Sparzwanges die Verpflichtung aushebeln wollen, hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte zu bestellen. Auf dem Kommunal-Gipfel am 10. Februar in Kiel hatten die Gemeinden hierfür Unterstützung von der schwarz-gelben Landesregierung gefordert. Das Land solle es den Kommunen überlassen, ob diese Gleichstellungsbeauftragte haupt- oder ehrenamtlich beschäftigten, so der Geschäftsführer des Gemeindetags, Jörg Bülow. zwd Frauen.Gesellschaft und Politik zwd Länder Schleswig-Holstein II Keine Fortschritte bei der paritätischen Gremienbesetzung zwd Kiel (jvo). Der Kieler Landtag hat am 24. Februar auf Antrag der Grünen-Fraktion den dritten Gleichstellungsbericht zur Situation von Frauen im Öffentlichen Dienst diskutiert. Auch ein Antrag der Linken-Fraktion, den Frauentag zum Feiertag zu erklären, stand zur Debatte. „In den unteren Gehaltsgruppen dominieren die Frauen, in den oberen die Männer“, fasste die frauenpolitische Sprecherin der GrünenFraktion, Marret Bohn, die Ergebnisse des Gleichstellungsberichts zusammen. Auch die geschlechtergerechte Besetzung von Gremien sei 15 Jahre nach Einführung des Gleichstellungsgesetzes kaum vorangekommen. Aus ihrer Sicht muss als Nächstes geklärt werden, ob die bestehenden Instrumente reichen, um das gesetzliche Ziel der Gleichstellung zu erreichen. Positiv bewertete die Grünen-Abgeordnete die Entwicklungen an den Hochschulen. Diese stünden im Vergleich mit anderen Institutionen des öffentlichen Dienstes im Punkt Familienfreundlichkeit gut da. Die Zahlen des Berichts zeigen, dass dort, wo Entscheidungen getroffen werden, Frauen deutlich unterrepräsentiert sind (vgl. Kasten). „Ich gehe nicht – wie im Bericht beschrieben – davon aus, dass sich dieses Problem mit der Zeit von selbst erledigt“, erklärte die frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ranka Prante. Sie sprach sich dafür aus, feste Quotenregelungen für die Verwaltungsgremien des Landes, die höher dotierten Stellen im Öffentlichen Dienst sowie für Professuren einzuführen. Die FDP-Fraktion rechnet damit, dass kurzfristig auch ohne Quote Frauen im Öffentlichen Dienst von Schleswig-Holstein Fakten aus dem dritten Gleichstellungsbericht der Landesregierung für den Öffentlichen Dienst (2003 – 2008) in Auszügen: Teilzeitbeschäftigung: Knapp 11 Prozent aller männlichen, aber 57 Prozent aller weiblichen Beschäftigten waren 2008 mit reduzierter Arbeitszeit tätig. Beurteilungen: Spitzenbeurteilungen (150 und 140 Punkte) erhielten 2007 deutlich mehr Männer als Frauen (Männer: 12,5 %, Frauen 8,9 %). Führungspositionen in den obersten Landesbehörden: Bei der B-Besoldung, welche oberste und obere Führungskräfte umfasst, lag der Frauenanteil 2008 (mit Ausnahme der B5-Stellen) durchgängig unter 17 Prozent. Bei den A 15-Stellen, der unteren Führungsebene waren Frauen mit 28 Prozent vertreten. Von den A 16-Stellen entfielen 25 Prozent der Stellen auf Frauen, und im unmittelbaren Landesdienst sogar nur 20 Prozent. Gremienbesetzung: Von den circa 200 durch das Land zu besetzenden Positionen in Geschäftsleitungen, Aufsichts- und Verwaltungsräten öffentlicher Unternehmen und Anstalten werden 35 von Frauen eingenommen, was einer Quote von 17,5 Prozent entspricht. Foto: Schleswig-Holsteinischer Landtag zwd Frauen.Gesellschaft und Politik ein Umdenken in der Verwaltung stattfinden wird. „Erziehung ist vom öffentlichen Bewusstsein her nicht mehr allein Sache der Mütter – sondern ganz natürlich – Sache beider Eltern“, so die liberale Frauenpolitikerin Kirstin Funke. Vor allem flexible Arbeitszeitmodelle sieht sie als Lösung, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Gleichstellung sei jedoch nicht gleich Familienpolitik, fügte Funke hinzu. Auch sie bemängelte, dass zu wenig Frauen in den Gremien tätig sind. Frauentag als Feiertag – Symbolpolitik kritisiert Für die Anerkennung des Frauentags als gesetzlicher Feiertag ergriff die Linken-Politikerin Antje Jansen im Plenum das Wort. Das Grundgesetz verlange zwingend, niemanden auf Grund des Geschlechtes zu benachteiligen. Es sei höchste Zeit diesen Anspruch mit Leben zu erfüllen. Das 100-jährige Jubiläum des Frauentages ist aus ihrer Sicht der „ideale Anlass, der Frauenbewegung in Schleswig-Holstein die Bedeutung zu geben, die ihr gebührt“. Den Antrag lehnten sowohl die schwarz-gelbe Regierungskoalition als auch SPD und Grüne ab. Die SPD-Frauenpolitikerin Siegrid Tenor-Alschausky bezeichnete den Vorschlag als Symbolpolitik. Damit könne den Ungerechtigkeiten, denen Frauen ausgesetzt sind, nicht angemessen begegnet werden. Sie verwies auf Umfragen, denen zufolge die meisten Menschen nichts über die Bedeutung einzelner Feiertage wissen. Die Grünen-Politikerin Bohn unterstrich, dass der Internationale Frauentag Anlass für Gedenken sei, nicht aber zwangsläufig Anlass zum Feiern: „Gefeiert wird das Ziel, wenn man oder frau es erreicht haben. Das haben wir aber noch nicht.“ Der dritte Gleichstellungsbericht und der Antrag der Linken-Fraktion unter www.frauen.zwd.info Nr. 276/2010 – 24. Jahrgang / Seite 7 zwd Baden-Württemberg Länder Den Karriere-Sprung machen die Männer NRW-Fachverbände: Geschlechterpädagogik statt Bedienung klassischer und moderner Klischees zwd Stuttgart (jvo). Bis an die Spitze eines Referats schaffen es Frauen in den baden-württembergischen Landesministerien nur selten. Eine parteiübergreifende Landtagsanfrage brachte ans Licht, dass von 2005 bis 2008 durchschnittlich 3,5-mal mehr Männer als Frauen auf die erste Führungsebene der Besoldungsgruppe A16 befördert wurden. In die nächsthöhere Führungsebene B3 stiegen sogar 7,1-mal mehr Männer als Frauen auf. Im Umweltministerium schaffte diesen Karrieresprung überhaupt keine Frau. Auf die Führungsebene B6 aller zehn Ministerien wurden insgesamt 6-mal mehr Männer befördert. „Wird diese Beförderungspraxis beibehalten, beträgt der Frauenanteil in den Ministerien in absehbarer Zeit auf der ersten Führungsebene A16 nur 20 Prozent und auf den höheren Führungsebenen, B3 und B6, sogar nur 10 Prozent, kommentierte die Vorsitzende des Landesfrauenrats (LFR), Angelika Klingel, das Ergebnis der Anfrage am 9. Februar. Seit 2005 soll in Baden-Württemberg eigentlich das Landesgleichberechtigungsgesetz dafür sorgen, dass Frauen in der Verwaltung gleiche Karrierechancen haben. Doch wirkungslos zeigt sich dieses Gesetz auch an anderer Stelle. So gab es in den untersuchten vier Jahren in den Ministerien nur zehn Fälle von Beanstandungen bei der Stelle für Chancengleichheit. Wenn dieses Instrument tatsächlich auch eingesetzt würde, könnten Frauen vor einer offensichtlichen Benachteiligung geschützt werden, erläuterte Klingel. Der Landesfrauenverband fordert dringend eine Objektivierung der Auswahlverfahren, konkrete Zielvorgaben zur deutlichen Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen sowie eine regelmäßige Berichtspflicht. (zwd) Die Landesarbeitsgemeinschaften für Jungen- und Mädchenarbeit in NRW vermissen in der aktuellen Bildungsdebatte „einen sachlichen und differenzierten Diskurs über die Bedarfe von Jungen und Mädchen“. In ihrer gemeinsamen Stellungnahme „Für eine durchgängige Geschlechterpädagogik“ vom 4. Februar warnen sie vor neuen Klischees infolge der PISA-Debatte, wie dem der Jungen als Bildungsverlierer. Die zentralen Aussagen ihrer Position: Seite 8 / Nr. 276/2010 – 24. Jahrgang Das Ganze der Bildung Bildung darf nicht allein auf die Leistungen von Mädchen und Jungen in der Schule oder die Verwertbarkeit von geschlechtertypischen Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt reduziert werden. [...] Geschlechtersensible Bildung fragt nach individueller und ganzheitlicher Förderung von Mädchen und Jungen. [...] Hierfür ist es notwendig, die Wirkmechanismen der Geschlechterhierarchie in den Fokus zu nehmen und ebenso das Zusammen- wirken von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung, sexueller Orientierung usw. zu betrachten. [...] Ran ans Klischee! Nicht alle Jungen sind gewaltbereit und nicht alle Mädchen besuchen selbstbewusst das Gymnasium. [...] Sie unterscheiden sich in ihren Persönlichkeiten und in den Bedingungen unter denen sie aufwachsen. Umso mehr bedarf es des genauen Hinsehens im pädagogischen und politischen Diskurs und einer kritischen Reflexion gängiger Mädchen- und Jungenbilder. Geschlechterrollen – klassische wie moderne – schränken Wahlmöglichkeiten ein: im Kopf und in der Realität. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, Mädchen und Jungen Einblicke und Kompetenzen zu vermitteln, die für ihr Geschlecht untypisch sind. So geschieht es beispielweise am Girls Day und im Projekt „Neue Wege für Jungs“. Mädchen- und Jungenarbeit reichen jedoch darüber hinaus. Ziel ist es, Mädchen und Jungen eine gleichberechtigte Vielfalt an Wahlmöglichkeiten zu eröffnen und sie darin zu begleiten ihre Ressourcen und Kompetenzen kennen zu lernen, ihren eigenen Weg zu finden und vielfältige, selbstbestimmte Definitionen von Weiblichkeit und Männlichkeit zu entwickeln. Strukturelle und personelle Verankerung voranbringen! Gelingende Geschlechterpädagogik und Kooperation von Mädchen- und Jungenarbeit benötigt unterstützende Strukturen und personelle Absicherung. Die Jugendämter in den Kommunen und Kreisen sind hier als Gremium zur Planung und Steuerung gefordert. Im Rahmen der Fortschreibung der kommunalen Kinderund Jugendförderpläne ist darauf hinzuwirken, dass die Förderpläne verbindliche Vorgaben und konkrete Maßnahmen zur Verankerung und Umsetzung geschlechterbewusster Pädagogik festschreiben. Eine nachhaltige Wirkung geschlechterpädagogischer Praxis wird nur durch das Ineinandergreifen, die gegenseitige Ergänzung und Kooperation von Mädchenund Jungenarbeit, gegengeschlechtlicher Pädagogik und geschlechterreflektierter Koedukation erzielt. www.maedchenarbeit-nrw.de www.lagjungenarbeit-nrw.de zwd Frauen.Gesellschaft und Politik zwd Länder xxxxxx Niedersachsen Hessen Wenig Engagement bei der Aufklärung über HPV-Impfung zwd Hannover (jvo). Die Grünen-Fraktion im Niedersächsischen Landtag hat der Regierung mangelndes Engagement bei der Aufklärung über die HPV-Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs vorgeworfen. In einer Kleinen Anfrage forderte die frauenpolitische Sprecherin der Fraktion, Elke Twesten, das Sozialministerium auf, die von ihm angekündigte Ratgeber-Broschüre nun endlich vorzulegen. Foto: Güne Niedersachsen eines Bundesinstituts konterkarieren, „Jenseits der aufgeführten Impfentgegnete er. Ein Impfratgeber sei schäden ist die Wirksamkeit der aber bereits gemeinsam mit dem Impfung weiterhin Fachverband der Gynäkologen umstritten“, konstain Vorbereitung, fügte er hinzu. tierte Twesten. Ungeachtet dessen Fachverbände klagen über würden Pharma-FirRückgang der Impfungen men ihre Impfstoffe agressiv bei ÄrztinDie Deutsche Gesellschaft für nen und Ärzten soGynäkologie, der Berufsverwie in Schulen beband der Frauenärzte sowie der werben. Aus ihrer Berufsverband der Kinder- und Twesten (Grüne) Sicht sind daher geJugendärzte klagen über sinfordert mehr Aufklämeinsame Aufklä- rung kende Impfraten. Auch Profeszur HPV-Impfung rungsmaßnahmen sor Harald zur Hausen, der mit vom Sozial- und Bildungsministeseinen Forschungen die HPV-Imprium dringend notwendig. fung möglich machte und dafür den Nobelpreis erhielt, plädierte anlässUSA: Hohe Anzahl von lich des Weltkrebstages am 4. FeImpfkomplikationen registriert bruar für eine Impfung aller MädIn den USA hat die unabhängige chen. Gleichzeitig räumte der VirusVerbraucherzentrale Judicial Watch forscher jedoch ein, dass die Wirdie bisherigen Impfkomplikationen kung der Impfung sich bisher noch bilanziert und seit Einführung des nicht nachweisen lasse. Zwischen Impfstoffes Gardasil im Jahr 2006 Infektion und Krebsausbruch liegen insgesamt 6.723 Komplikationen 15 bis 25 Jahre und Daten zur HPVregistriert. Davon galten 1.061 Fälle Impfung habe man erst seit etwa als ernste und 142 Fälle als lebensacht Jahren. bedrohliche Impfschäden. 47 MädDer Verband „Ärzte für eine indichen sind kurze Zeit nach der Impviduelle Impfentscheidung“ warnte fung gestorben. Die amerikanische hingegen vor dem „oft trügerischen Gesundheitsbehörde FDA meldete Gefühl der Sicherheit“. Regelmäßige für das Jahr 2007 bis zu 2.600 KomVorsorgeuntersuchungen und Saferplikationen und zehn Todesfälle im Sex sind seinem Urteil zufolge wirkZusammenhang mit der Impfung. samer und kosteneffektiver als der Ein Ministeriumssprecher wies die Impfstoff, um das Erkrankungsrisiko Kritik an der HPV-Impfung mit dem zu minimieren. „Wer zur Vorsorge Hinweis darauf zurück, das Robert geht, braucht keine Impfung, wer sich Koch-Institut erachte diese als sinnaber impfen lässt, muss dennoch zur voll. Das Land werde nicht den Rat Vorsorge“, lautet sein Fazit. zwd Frauen.Gesellschaft und Politik GM-Strategie in der Arbeitsförderung zwd Wiesbaden (jvo). Von Ausbildungs- und Arbeitsmarktprogrammen profitieren in Hessen zunehmend auch weibliche Arbeitssuchende. Dort wurden zwischen 2003 und 2008 rund 60 Prozent aller geförderten Eingliederungsmaßnahmen von Frauen genutzt. Mit dieser Bilanz hebe sich Hessen positiv ab, betonte die Staatssekretärin im CDU-geführten Arbeitsministerium, Petra Müller-Klepper, am 8. Februar in Wiesbaden. Sie hob hervor, dass Gender-Mainstreaming auch in der Arbeitsvermittlung Anwendung finden müsse. Migrantinnen und Alleinerziehende heben den Schnitt Insgesamt wurden in Hessen innerhalb des Fünfjahreszeitraums mehr als 21.600 Personen durch arbeitsmarktpolitische Programme gefördert. Besonders stark vertreten waren Frauen in den Förderprogrammen „Ausbildung in der Migration“ und „Betriebliche Ausbildung Alleinerziehender“. Dagegen fällt der weibliche Anteil in Programmen zur Ausbildungsvorbereitung mit rund 40 Prozent geringer aus. Mädchen seien hier deutlich unterrepräsentiert, weil ihre Schulabschlüsse im Schnitt besser als die der Jungen seien und sie auch ohne Vorbereitungskurse in die Ausbildung einsteigen könnten, erklärte MüllerKlepper. Wie eine Studie des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) im Dezember 2009 belegt hatte, werden Frauen bei der Arbeitsvermittlung gegenüber den Männern benachteiligt. Wenn sie Arbeitslosengeld II oder Hartz IV beziehen, partizipieren sie seltener an beruflichen Förderprogrammen der Arbeitsverwaltung. Dies trifft insbesondere für Frauen in Westdeutschland und Frauen mit Kindern zu. Nr. 276/2010 – 24. Jahrgang / Seite 9 zwd Sozialstaatsdebatte Paritätischer Gesamtverband legt Lohnabstands-Expertise vor Mehr Geld im Portemonnaie einer Verkäuferin durch Wohngeld und Kinderzuschlag zwd Berlin (tag). In die seit dem Hartz IV-Urteil (s. S. 15) hochgekochte Debatte um den Lohnabstand zwischen Hartz IVBeziehenden und Vollzeiterwerbstätigen im unteren Einkommensbereich hat sich der Paritätische Gesamtverband eingemischt. Wer in Deutschland Vollzeit arbeitet, habe mehr als diejenigen, die nicht arbeiten, lautet seine zentrale Botschaft. „Bei den erwerbstätigen Alleinerziehenden“, rechnete Verbandsgeschäftsführer Ulrich Schneider am 1. März in Berlin vor, „liegt der Abstand zum Hartz IV-Niveau mehrheitlich zwischen 20 und 30 Prozent“. In absoluten Zahlen ausgedrückt sind das zwischen 300 Euro und fast 500 Euro. Eine allein erziehende Verkäuferin mit einem Kind verfügt im Monat durchschnittlich über 1.526 Euro, wenn sie der Leistungsgruppe 5 angehört. Somit hat sie 363 Euro mehr, als wenn sie nicht arbeiten würde (vgl. Tabelle). schaft an. „Völlig unverfroren“ würden bei den Rechenbeispielen Wohngeld und Kinderzuschläge unterschlagen. So habe das Karl-Bräuer-Institut am Beispiel einer Familie mit Alleinverdiener, Ehefrau und zwei Kindern die Rechnung aufgemacht, mit Erwerbstätigkeit des „Haupternährers“ würde ein verfügbares Einkommen von 1.375 Euro erreicht, in Hartz IV dagegen 1.653 Euro. Dies sei falsch, monierte Schneider energisch, denn zuzüglich Wohngeld und Kinderzuschlägen erreiche die Familie 1.925 Euro, wenn der Ehemann arbeitet – also deutlich mehr als wenn sie im SGB II-Bezug wäre. Quelle: Paritätischer Gesamtverband Foto: Der Paritätische Gesamtverband Anliegen des Paritätischen Gesamtverbandes. Dieser wendet sich entschieden gegen den FDP-Parteivorsitzenden Guido Westerwelle und einige Forschungsinstitute, die mit „völlig haltlosen Behauptungen“ der Öffentlichkeit Glauben machen wollten, Hartz IV-EmpfängerInnen erhielten mehr Geld als die arbeitende Bevölkerung in Deutschland. Ulrich Schneider Als „dubiose Berechnunvom Paritätischen Für Neujustierungen Gesamtverband gen“ führte Schneider Zahbeim Kinderzuschlag Einkommenskomponenten len vom Karl-Bräuer-Instiaußerhalb des SGB II-Bezuges Um Familien mit geringem Einkomtutes des Bundes der Steuerzahler men noch stärker zu unterstützen, Auf den höheren Betrag kommt die sowie vom Kieler Institut für WeltwirtVerkäuferin dank der Leistungen KinFortsetzung auf Seite 15 dergeld (184 Euro), Kindergeldzuschlag (140 Euro) und Wohngeld (43 Euro). Diese Einkommens-Komponenten, hob Schneider eindringlich hervor, seien für die LohnabstandsDiskussion deshalb von besonderer Relevanz, „da das Kindergeld bei Grundsicherungsbeziehenden voll angerechnet wird und Wohngeld und Kinderzuschlag dieser Gruppe gar nicht zustehen“. Für Alleinerziehende und viele Paarhaushalte mit Kindern könne durch Wohngeld und Kinderzuschlag also sichergestellt werden, dass eine Einkommensdifferenz gegeben ist, ohne Leistungen nach SGB II aufstocken zu müssen. Vorwurf der bewussten Täuschung Eine Versachlichung der Diskussion zu erreichen, ist ein großes Seite 10 / Nr. 276/2010 – 24. Jahrgang zwd Frauen.Gesellschaft und Politik zwd Internationaler Frauentag zwd-Dokumentation „Was wollen die Bundestagsfraktionen?“* Forderungen zum Internationaler Frauentag (zwd) Mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen hat der Bundestag einem Antrag von CDU/CSU und FDP zum Internationalen Frauentag am 8. März mit dem Titel „Gleichstellung national und international durchsetzen“ (Drs. 17/901) zugestimmt. Auch die Oppositionsfraktionen von SPD (Drs. 17/821), Grünen (Drs. 17/797) und Die Linke (Drs. 17/891) hatten Anträge aus Anlass des Internationalen Frauentages in den Bundestag einge- bracht. Diese Anträge – welche der zwd nachstehend in seinen Kernaussagen dokumentiert – wurden zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen, ebenso wie der Regierungsbericht „Dritte Bilanz der Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft“ (16/10500). Alle Drucksachen waren Gegenstand ei- ner 75-minütigen Aussprache am 4. März im Bundestag. In ihrer ersten, von der Opposition mit Enttäuschung aufgenommenen gleichstellungspolitischen Rede grenzte sich Bundesfrauenministerin Kristina Schröder (CDU) gegen Forderungen nach Quotenregelungen ab. Ihrer Auffassung nach ist die Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt nicht das Ergebnis „bewusster, schenkelklopfender Diskriminierung“. Antrag der CDU/CSU und FDP-Bundestagsfraktionen Internationaler Frauentag – Gleichstellung national und international durchsetzen Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel auf, 1. sich verstärkt für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen Bereichen einzusetzen und Benachteiligungen in Wirtschaft und Arbeitswelt, Politik und Gesellschaft zu beseitigen; 2. zur Umsetzung der VN-Resolution 1325 die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Ressorts zu verstärken und dabei die internationalen Erfahrungen mit der Umsetzung der Resolution zu berücksichtigen; 3. das zehnjährige Bestehen der VN-Resolution 1325 dazu zu nutzen, ihre Inhalte und ihre Bedeutung einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen; 4. sich im Sinne der Chancengleichheit entschlossen für eine deutliche Erhöhung des Anteils von Frauen aus Deutschland in Führungspositionen bei internationalen Organisationen einzusetzen und Anwärterinnen hierfür gezielt auszubilden und aktiv zu fördern; 5. sich für die Durchsetzung von Frauenrechten als Menschenrechten einzusetzen sowie für die Bekämpfung von Zwangsprostitution, auch und insbesondere im Zuge von internationalen Großereignissen, und für die Bekämpfung von Sklaverei, Ausbeutung, Menschenhandel, Genitalverstümmelung und Zwangsverheiratung einzutreten; 6. sich weiterhin für eine Kultur der Vielfalt (Diversity) in Unternehmen einzusetzen; 7. unbeschadet der primären Verantwortung der Tarifparteien und der einzelnen Arbeitgeber auf die Beseitigung der Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern hinzuwirken; dazu ist eine Strategie der ursachengerechten Überwindung der Entgeltungleichheit zu entwickeln, die neben dem beratungsunterstützten Lohntestverfahren Logib-D unter anderem Maßnahmen enthält, die Frauen in Gehaltsverhandlungen stärken und die Unterbewertung von frauendominierten Tätigkeiten bekämpfen; es sollte dabei auch ein besonderes Augenmerk auf den ländlichen Raum gelegt werden, wo der geschlechterspezifische Lohnunterschied besonders groß ist; 8. die Bedingungen für berufliche Aufstiegsmöglichkeiten gerade für Frauen zu verbessern und den Übergang von Miniund Midi-Jobs in existenzsichernde voll sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu unterstützen; 9. Stereotype bei Bildung, Ausbildung und Beschäftigung zu bekämpfen und im Rahmen der Berufsberatung gemeinsam mit den Ländern darauf hinzuwirken, dass Mädchen und junge Frauen auf Wirtschafts- und Ausbildungszweige hingewiesen werden, in denen bislang vor allem Männer tätig sind, sowie junge Männer auf berufliche Tätigkeiten in Bereichen, in denen bislang vor allem Frauen tätig sind; 10. für flexible Teilzeitmodelle – auch in Leitungsfunktionen – zu werben, die für Frauen und Männer gleichermaßen attraktiv sind, um mehr Wahlfreiheit bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bzw. Pflege und Beruf zu ermöglichen und im Rahmen der Gleichstellungspolitik auch Selbstständige und Existenzgründerinnen in den Blick zu nehmen; Fortsetzung auf Seite 12 * Ausführlich unter www.frauen.zwd.info zwd Frauen.Gesellschaft und Politik Nr. 276/2010 – 24. Jahrgang / Seite 11 zwd Antrag von CDU/CSU und FDP Fortsetzung von Seite 11 11. sich entschlossen für eine deutliche Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft und im Öffentlichen Dienst nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung einzusetzen; ferner wird ein Stufenplan für eine Erhöhung des Anteils von Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten vorgelegt werden; der Stufenplan setzt in einer ersten Stufe auf verbindliche Berichtspflichten und transparente Selbstverpflichtungen; 12. die Ziele des Bundesgleichstellungsgesetzes und des Bundesgremienbesetzungsgesetzes weiterhin mit Nachdruck zu verfolgen und zu prüfen, ob und inwieweit die Gesetze geändert und effektiver gestaltet werden müssen; 13. im Bereich des Öffentlichen Dienstes darauf hinzuwirken, dass dieser seine Potentiale, frauen- und familienfreundlicher zu werden, weiter ausschöpft; dazu gehört auch die Fortentwicklung flexibler Arbeitsformen und Arbeitszeitmodelle gerade auch für Leitungspositionen; 14. das Aktionsprogramm „Perspektive Wiedereinstieg“ unter Berücksichtigung der Evaluationsergebnisse weiterzuführen und als Prototyp moderner Gleichstellungspolitik in der Lebensverlaufsperspektive weiterzuentwickeln; dabei sind die Qualifizierungsangebote für Frauen, die familienbedingt fünf oder mehr Jahre die Erwerbstätigkeit unterbrochen haben, auszubauen und insbesondere auch Maßnahmen zu entwickeln, die auf die (Ehe-) Partner der Wiedereinsteigerinnen zielen und ihre Wiedereinstiegsphase unterstützen; 15.die Rahmenbedingungen für alleinerziehende Mütter und Väter durch ein Maßnahmenpaket zu verbessern, das insbesondere in verlässlichen Netzwerk- und Kinderbetreuungsstrukturen für alleinerziehende Mütter und Väter lückenlos, flexibel und niedrigschwellig bereitgestellt wird; 16. in der Kinderbetreuung weitere Maßnahmen für einen verbesserten qualitativen und quantitativen flexiblen Ausbau der Betreuung bei Trägervielfalt und unter Einbeziehung der Ta- Internationaler Frauentag gespflege zu ergreifen und die Vernetzung mit anderen familienunterstützenden Angeboten wie den Familienzentren und Mehrgenerationenhäusern zu intensivieren; 17. zur Umsetzung von Gleichstellungspolitik in Lebensverlaufsperspektive zu analysieren, unter welchen Bedingungen sich schwierige Übergänge im Lebenslauf als „Brücke“ statt als „Bruch“ erweisen können, und einen Rahmenplan mit verpflichtenden Zielen und konkreten Maßnahmen vorzulegen, mit denen die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in bestimmten Phasen des Lebens verbessert wird; 18. zeitnah zu prüfen, wie das Unterhalts-, Steuer-, Sozial- und Familienrecht harmonisiert werden kann, und entsprechende Schritte einzuleiten; 19. zu prüfen, wie die familienpolitische Komponente im Rahmen der finanziellen Möglickeiten gestärkt und Erziehungsleistungen in der Alterssicherung noch besser berücksichtigt werden können; 20. die Vermeidung von Altersarmut auf die Agenda der Gleichstellungspolitik zu setzen und dazu ein nachhaltiges Informations- und Beratungsangebot bereitzustellen; 21. eine Regierungskommission mit dem Ziel einzusetzen, Regelungen zu entwickeln, um in Zukunft die Gefahr steigender Altersarmut – gerade auch für Frauen – zu vermeiden; 22. für Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, eine bundesweite Rufnummer einzurichten, unter der sie und ihre Familienangehörigen rund um die Uhr Beratung und Unterstützung erhalten; 23. einen Bericht zur Lage der Frauen- und Kinderschutzhäuser und der darüber hinausgehenden Hilfeinfrastruktur zu erarbeiten, um auf dieser Grundlage zu prüfen, wie das Hilfesys-tem im Bereich Gewalt gegen Frauen im Rahmen der Bundeszuständigkeit weiter gestützt werden kann; 24. das Potential von Migrantinnen in der Integrationspolitik mit Blick auf ihre Schlüsselrolle und entsprechende bildungspolitische Erfordernisse weiter zu erschließen. Antrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Quote für Aufsichtsratsgremien börsennotierter Unternehmen einführen Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, 1. im Börsengesetz für börsennotierte Aktiengesellschaften, deren Aufsichtsrat bis 2017 nicht mit mindestens 40 Prozent Frauen – mit dem Ziel einer paritätischen Vertretung – besetzt ist, Sanktionen bis hin zur Entziehung der Zulassung zur Börse vorzusehen; 2. § 100 des Aktiengesetzes so zu verändern, dass maximal fünf Aufsichtsratsmandate durch eine Person übernommen werden dürfen, dabei ist ein Vorsitz doppelt zu zählen; Seite 12 / Nr. 276/2010 – 24. Jahrgang 3. die Berufung von Vorstandsmitgliedern in den Aufsichtsrat erst nach einer verbindlichen Karenzzeit von mindestens fünf Jahren zuzulassen; 4. die Einrichtung einer zentralen Datenbank sicherzustellen, in die sich Bewerberinnen für Mandate in den Aufsichtsräten eintragen können. zwd Frauen.Gesellschaft und Politik zwd Internationaler Frauentag Mit gesetzlichen Regelungen die Gleichstellung von Frauen im Erwerbsleben umgehend durchsetzen Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, 1. ein Programm zur Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt aufzulegen, das insbesondere gesetzliche Regelungen zur Entgeltgleichheit und Chancengleichheit von Frauen und Männern in der privaten Wirtschaft beinhaltet; 2. das Gender-Mainstreaming-Prinzip konsequent als durchgängiges Leitprinzip des Handelns und der gleichstellungspolitischen Aktivitäten anzuwenden; 3. das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) weiterzuentwickeln, indem a) das AGG um ein explizites Verbot von Entgeltdiskriminierung ergänzt wird, um dem selbstverständlichen Anspruch nach gleicher Entlohnung für gleiche und gleichwertige Arbeit von Frauen und Männern stärkeren Nachdruck zu verleihen, b) eine deutliche Verbesserung der Beteiligung von Verbänden im AGG verankert wird und die Möglichkeit der Einführung einer Verbandsklage geprüft wird, c) die Ausschlussfrist für Ansprüche nach dem AGG von zwei auf sechs Monate verlängert wird, d) im AGG für zulässige Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot die alte Formulierung des § 611a Absatz 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs „Geschlecht als unverzichtbare Voraussetzung“ beibehalten wird, e) die Einführung einer Beweislastumkehr im AGG geprüft wird; 4. einen Tätigkeitsbericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes als Unterrichtung für den Bundestag in der Mitte und zum Ende einer Legislatur vorzulegen; 5. Maßnahmen zur Durchsetzung gleicher Entlohnung für gleiche und gleichwertige Arbeit zu ergreifen, indem a) ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt wird, b) eine Stundenbegrenzung bei Minijobs festgelegt wird, die im Ergebnis mindestens den gesetzlichen bzw. tariflichen Mindestlohn garantiert, c) die Gleichbehandlung aller Arbeitsverhältnisse auch durch Einbeziehung in die Sozialversicherung ab dem ersten Euro sichergestellt wird, d) ein Entgeltgleichheitsgesetz vorgelegt wird, e) eine gesetzliche Verpflichtung der Tarifparteien eingeführt wird, die ihnen auferlegt, den Entgeltsystemen diskriminierungsfreie Arbeitsplatzbewertungen zugrunde zu legen, f) Diskriminierungschecks bei Tarifverträgen eingeführt werden, zwd Frauen.Gesellschaft und Politik g) bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nur Unternehmen zu berücksichtigen sind, die Frauen und Männer gleich entlohnen und je nach Betriebsgröße Gleichstellungspläne haben sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen und fördern; 6. die Bemühungen zu verstärken, Männer für sogenannte Frauenberufe und Frauen für sogenannte Männerberufe zu gewinnen; 7. ein umfassendes Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft vorzulegen; 8. eine gesetzliche Regelung für eine Frauenquote von mindestens 40 Prozent in Vorständen und Aufsichtsräten einzuführen; 9. die Gleichstellung in Forschung und Lehre voranzubringen, indem a) das Professorinnenprogramm gemeinsam mit den Ländern verlängert und ausgebaut wird und entsprechende Förderprogramme auch auf den akademischen Mittelbau ausgedehnt werden, um den Frauenanteil zu erhöhen, b) sie sich dafür einsetzt, dass eine an Gender Mainstreaming und einer effektiven Frauenförderung ausgerichtete Personalpolitik in den Hochschulen stattfindet, damit mehr Frauen in Leitungsfunktionen kommen; 10. eine konsequente und in allen Bereichen geschlechtersensible Umgestaltung der Sozialgesetzbücher II und III vorzunehmen, indem a) Konzepte und Handlungsroutinen für die Grundsicherungsstellen vorgegeben werden, die für eine Gleichstellung förderlich sind, auch damit diese bei der Betreuung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gendersensibel vorgehen und entsprechend geschlechtsbezogen spezifische Lebenslagen berücksichtigen, b) für die Sicherstellung der Beauftragten für Chancengleichheit bei den Trägern der Grundsicherung und eine Ausweitung ihrer Rechte dort sowie bei der Bundesagentur für Arbeit gesorgt wird, zwd-Dokumentation Antrag der SPD-Bundestagsfraktion Fortsetzung auf Seite 14 Nr. 276/2010 – 24. Jahrgang / Seite 13 zwd Antrag der SPD-Bundestagsfraktion Fortsetzung von Seite 13 c) Eingliederungshilfen auch für Nichtleistungsbezieherinnen und -bezieher vorzusehen sind, d) dafür Sorge getragen wird, dass ältere Arbeitnehmerinnen, Frauen mit Behinderung und Migrantinnen zu weiteren Zielgruppen aktiver Arbeitsmarktpolitik werden, e) Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit von Alleinerziehenden vorzusehen sind; 11. Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben zu ergreifen, indem a) der qualitative und quantitative Ausbau des Betreuungsangebotes weiter vorangebracht wird und ein Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung eingeführt wird, b) sie sich bei den Ländern für eine beitragsfreie und auf die Arbeitszeiten erwerbstätiger Frauen und Männer zugeschnittene Kinderbetreuung einsetzt, c) mit geeigneten Maßnahmen sichergestellt wird, dass gemäß § 10 Absatz 3 SGB II die zuständigen kommunalen Träger dar- Internationaler Frauentag xxxxxx auf hinwirken, dass erwerbsfähigen Erziehenden vorrangig ein Platz zur Tagesbetreuung des Kindes angeboten wird, d) bei den Arbeitgebern und Unternehmen darauf hingewirkt wird, dass ein ausreichendes Angebot an flexiblen Arbeitszeitmodellen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben für Frauen und Männer zur Verfügung steht, e) beim Elterngeld eine Verdoppelung der Partnermonate auf vier Monate bei entsprechender Ausgestaltung der partnerschaftlichen Elemente ein- geführt wird, f) eine Änderung des § 4 Absatz 2 BEEG vorgenommen wird, mit dem Ziel, den doppelten Anspruchsverbrauch bei gleichzeitiger Elternteilzeit aufzuheben, g) für alle erwerbstätigen Frauen und Männer ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer einer zehntägigen Freistellung zur Organisation der Pflege eingeführt wird; 12. das Steuersystem geschlechtergerecht auszugestalten, damit es für Frauen keine Hürde darstellt, erwerbstätig zu werden und ihrer beruflichen Emanzipation nichts mehr im Wege steht. Antrag der Bundestagsfraktion Die Linke Entgeltgleichheit zwischen den Geschlechtern wirksam durchsetzen II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf: Wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um die Entgeltgleichheit von Frauen und Männern durchzusetzen. Dieser Maßnahmenkatalog soll folgende Schritte enthalten: 1. Die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns, der noch in dieser Wahlperiode auf 10 Euro pro Stunde angehoben wird. 2. Die Einstellung der Subventionen für Mini- und Midijobs und entsprechende Änderungen im Vierten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV, §§ 8, 8a, 20 Abs. 2). 3. Die Sicherstellung der Rahmenbedingungen für eine mögliche Vollzeiterwerbstätigkeit von Frauen. Dazu gehören u. a. der Rechtsanspruch jedes Kindes auf eine hochwertige, flächendeckende und elternbeitragsfreie ganztägige Betreuung, ein individueller, nicht übertragbarer Elterngeldanspruch von 12 Monaten (Alleinerziehende 24 Monate) sowie die Abschaffung des Ehegattensplittings zugunsten einer individuellen Besteuerung, unabhängig vom Familienstand. 4. Die Erarbeitung eines Gesetzes, das die Tarifvertragsparteien verpflichtet, diskriminierende Entgeltsysteme abzubauen und dafür zeitliche und inhaltliche Vorgaben zur konkreten Umsetzung zu machen. Dieses sollte folgende Eckpunkte beinhalten: a) die Verpflichtung der Tarifpartner zur diskriminierungsfreien Arbeitsbewertung, b) die Überprüfung bestehender Entgeltsysteme durch die Tarifpartner anhand folgender Verfahrensregelungen: In einem kollektiven Verhandlungsverfahren wird ein zeitlich abgestufter Entgeltgleichheitsplan erstellt, der auf die zügige völlige Gleichstellung der Geschlechter innerhalb der Tarifstruktur zielt. Für den Fall, dass sich die Tarifparteien nicht auf ein Verfahren einigen können, erfolgt die Einsetzung einer Entgeltgleichheitskommission durch das Arbeitsgericht, der beide Tarifparteien als Beisitzer angehören. 5. Die Verankerung des Entgeltgleichheitsgrundsatzes im Tarifvertragsgesetz und der Ausbau des Verbandsklagerechtes des §9 TVG, so dass im Ergebnis analog zu §97 ArbGG unabhängig von einem vorliegenden Rechtsstreit ein Beschlussverfahren zur Prüfung der Gültigkeit einer tarifvertraglichen Entgeltregelung bzw. eines Kriteriums zulässig würde. Über die Beratungen der Anträge im Bundestag und die Beschlusslagen informieren wir Sie aktuell im Internet unter www.frauen.zwd.info. Dort finden Sie ebenso die Anträge der Bundestagsfraktion zum Download. Seite 14 / Nr. 276/2010 – 24. Jahrgang zwd Frauen.Gesellschaft und Politik zwd Rechtsprechung Fortsetzung von Seite 10 fordert der Paritätische Gesamtverband von der Bundesregierung, die Mindesteinkommensgrenze beim Kinderzuschlag von 600 Euro für Alleinerziehende und 900 Euro für Paare abzuschaffen. Damit könnten 600.000 statt bisher 300.000 Kinder aus dem Hartz IV-Bezug herausgeholt werden. Für den Staat beliefen sich die Mehrkosten auf zwei Milliarden Euro jährlich. Senkung der Einkommenssteuer kontraproduktiv Die von der schwarz-gelben Regierungskoalition geplante Senkung der Einkommenssteuer hält der Paritätische Gesamtverband für kontraproduktiv. Eine alleinerziehende Verkäuferin, ein Wachmann mit Ehefrau oder Hilfsarbeitende im Gartenbau mit Familie zahlten keine oder kaum Einkommenssteuer. „Was die Menschen brauchen, ist mehr Lohn, ein verbesserter Kinderzuschlag sowie mehr und bessere Betreuungsmöglichkeiten“, brachte der Verband seine Forderungen an die Politik auf den Punkt. Pochen auf die Umsetzung des Urteils Die Bundesregierung forderte Schneiders Verband weiterhin auf, „mit Priorität die Umsetzung des Bundesverfassungsgerichts-Urteils zu betreiben“. Das Gericht habe klar gesagt, wo es langgeht. In der Hauptsache geht es den KritikerInnen an der bislang geführten Sozialstaatsdebatte darum, zu betonen, dass das Existenzminimum aller Menschen an der Armutsschwelle gesichert werden muss und ihren Kindern gerechte Bildungschancen eröffnet werden. „Vor diesem Hintergrund ist es infam, Niedrigeinkommensbeziehende gegen Arbeitslose in Stellung zu bringen“, betonte Schneider abschließend. Die Expertise unter www.der-paritaetische.de zwd Frauen.Gesellschaft und Politik Urteil zur Neuberechnung von Hartz IV-Regelsätzen djb hält Bedarfsgemeinschaft ebenfalls für reformbedürftig zwd Berlin (tag). Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Neuberechnung der Hartz IVSätze hat der Deutsche Juristinnenbund (djb) weitergehende Reformen angemahnt, um vor allem die Situation von Frauen zu verbessern. Das Bundesverfassungsgericht hatte am 9. Februar entschieden, dass die Vorschriften des SGB II, welche die Regelleistung für Erwachsene und Kinder betreffen, nicht „den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erfüllen“. Eine Neuregelung muss ab dem 1. Januar 2011 in Kraft treten. Die derzeitigen Regelungen bleiben bis zum Jahresende bestehen. „Belange der Frauen könnten auf der Strecke bleiben“ Bei der „mangelhaften Hartz IV-Reform“ reicht es aus Sicht von djbPräsidentin Jutta Wagner aber nicht aus, die Berechnungsmethoden für die Regelsatzbemessung zu ändern. „Es ist zu befürchten, dass bei dem aktuellen Reformdruck erneut die Belange der Frauen auf der Strecke bleiben“, brachte Wagner ihre Sorge zum Ausdruck. Fehlkonstruktion der Bedarfsgemeinschaft Als reformbedürftig gilt unter den Juristinnen „die derzeitige, gravierende Fehlkonstruktion der Bedarfsgemeinschaft“: Sie sei unnötig kompliziert und rechne vor allem Frauen Einkommen ihrer Partner zu, das ihnen oft gar nicht zur Verfügung steht. Durch die Anrechnung von Partnereinkommen verlören in erster Linie die Partnerinnen ihre eigenen An- sprüche auf Arbeitslosengeld II. Neben einer fehlenden eigenständigen Grundsicherung werden dem djb zufolge auch die Chancen von Frauen auf Leistungen der Arbeitsförderung und damit auf Integration in den Arbeitsmarkt geschwächt. Auch der Deutsche Frauenrat übt herbe Kritik an den „gleichstellungspolitischen Verwerfungen“ durch das Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft. Seine Mitglieder plädieren daher an die politisch Verantwortlichen, bei den Anrechnungsregelungen für das Partnereinkommen die Vermutung zurückzunehmen, Erwachsene wollten gegenseitig für den Unterhalt aufkommen. Arbeitsvermittlung: Männer intensiver betreut Großer Unmut richtet sich gegen die Jobcenter und ihre Funktionsweise. Beispielsweise werfen djb-Mitstreiterinnen diesen vor, sich weiterhin an einem antiquierten Leitbildbild der Arbeit zu orientieren, welches nur Haupternährer und Zuverdienerinnen kennt. Dies führe in der Praxis dazu, dass Männer intensiver betreut und häufiger in reguläre Arbeit vermittelt werden, während weibliche Arbeitssuchende eher Angebote für Mini-Jobs und Teilzeitbeschäftigungen erhalten. „Dieser kurzsichtigen Praxis, die nur den schnellen Vermittlungserfolg, nicht aber eine nachhaltige eigenständige Existenzsicherung vor Augen hat, muss der Gesetzgeber sechs Jahre nach der Einführung von Hartz IV endlich entgegentreten“, forderte Wagner. Ihr Verband erinnerte an das Hauptziel der Grundsicherung für Arbeitssuchende – nämlich alle Leistungsberechtigten gleichermaßen zu unterstützen. Nr. 276/2010 – 24. Jahrgang / Seite 15 zwd Abtreibung und Verhütung EU-Parlament will Stärkung der Rechte zwd Berlin (jvo). Das EU-Parlament hat am 11. Februar einen Initiativ-Bericht zur Gleichstellung von Frauen und Männern verabschiedet. Darin fordern die Europa-Abgeordneten die Überarbeitung der EUGesetzgebung zur Entgeltgleichheit und stärkere Bemühungen bei der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Ebenso sollen die sexuellen und reproduktiven Rechte der Frauen durch einen „ungehinderten Zugang zu Verhütung und Abtreibung“ gestärkt werden. Internationales Spanien Gelockertes Abtreibungsgesetz tritt diesen Sommer in Kraft zwd Madrid (tag). Noch in diesem Sommer werden in Spanien gelockerte Abtreibungsbestimmungen eingeführt. Am 24. Februar stimmte der spanische Senat – die zweite Kammer des spanischen Parlaments – mit 132 gegen 126 Stimmen für die Reform der spanischen Abtreibungsgesetze. Bereits Ende Dezember passierte die Reform das Abgeordnetenhaus. Sie tritt voraussichtlich Ende Juni in Kraft. Seite 16 / Nr. 276/2010 – 24. Jahrgang zwd Frauen.Gesellschaft und Politik „Wichtiger Sieg“ Die sozialdemokratische EU-Abgeordnete Jutta Steinruck bezeichnete das Abstimmungsergebnis als einen „wichtigen Sieg im Europäischen Parlament“ zugunsten aller Frauen in Europa. „Die Rechte der Frauen, einschließlich das Recht auf Abtreibung und Empfängnisverhütung, sind heute entscheidend gestärkt worden“, betonte sie im Anschluss an die Abstimmung. Der Vorschlag, ein Europäisches Überwachungsorgan für die Einhaltung der Gleichbehandlungsgesetze zu schaffen, sei allerdings abgelehnt worden, bedauerte die Frauenpolitikerin. Für kostenfreien Zugang zu Abtreibungsberatungen Foto: Ministerio de Igualdad Der Initiativ-Bericht wurde mit 381 Ja-Stimmen, 253 Nein-Stimmen und 31 Enthaltungen angenommen. Für den Paragraphen, der betont, dass „die Kontrolle über ihre sexuellen und reproduktiven Rechte stets bei den Frauen verbleiben muss“, fand sich eine Mehrheit darüber hinaus. 412 Abgeordnete sprachen sich dafür aus, dass Frauen einen kostenfreien Zugang zu Abtreibungsberatungen erhalten müssten. lerdings nicht, wenn sich abzeichDas neue „Gesetz über Sexual- und net, dass der Entschluss der jungen Fortpflanzungsgesundheit“ geht auf Frau schwerwiegende Konflikte in die Initiative der sozialistischen Reder Familie nach sich ziehen würde. gierung unter Jose Zapatero (PSOE) Ungeachtet der Freude zurück. Es sieht die strafüber den Senatsbefreie Abtreibung bis zur schluss zum neuen 14. SchwangerschaftsAbtreibungsgesetz woche vor – und bis musste die spanische zur 22. Woche im Falle Gleichstellungsminisschwerer gesundheitlicher Risiken für die Mutterin Bibiana Aído Alter oder von Missbildunmagro zugeben, dass gen des Fötus. Für späkaum ein Gesetz derart tere Schwangerschaftskontrovers debattiert unterbrechungen muss Spaniens Gleichstellungsmi- wurde wie dieses. Für das Einverständnis eines nisterin Bibiana Aído Almagro Frauen, die sich „einer ärztlichen Komitees einso schwierigen Situageholt werden. Durch diese Fristention wie dem Schwangerschaftsablösung wird die bisherige restriktive bruch stellen“, erläuterte Aído, biete Indikationsregelung abgelöst: Nach die Neuregelung genau definierte der noch gültigen Gesetzgebung aus Fristenregelungen und maximale dem Jahre 1985 sind Abtreibungen Rechtssicherheit. in Spanien grundsätzlich verboten. Kirche und Konservativen Die Möglichkeit zur Abtreibung bewarnen vor Leichtfertigkeit steht nur nach Vergewaltigungen, bei Missbildungen des Fötus und wenn Gegen das Gesetz opponieren vor aldie physische oder psychische Gelem die konservative Volkspartei (PP) sundheit der Schwangeren gefährund die katholische Kirche. PP-Presdet ist. sesprecherin Carmen Dueñas beschuldigte die sozialistische RegieKompromisslösung bei jungen rung, den „ungehinderten SchwanFrauen zwischen 16 und 17 gerschaftsabbruch“ in der spaniIn einem Punkt kam die spanische Reschen Gesellschaft durchzusetzen. gierung indes kritischen Stimmen aus Auch in der katholischen Bevölkedem Lager der Konservativen Volksrung stößt das neue Recht auf Abpartei (PP) und der katholischen Kirlehnung. Bereits im Herbst des verche entgegen: Weibliche 16- bis 17gangenen Jahres organisierten Abjährige Teenager müssen ihre Eltern treibungs-GegnerInnen Massenproüber geplante Abtreibungen informieren. Dieses Informationsgebot gilt alteste auf den Straßen Madrids. zwd Internationales Frauenquote in den Niederlanden Anstoß zur Anstrengung, aber keine Verpflichtung zum Erfolg zwd Berlin (jvo). Die Niederlande wollen eine Frauenquote für die Wirtschaft einführen. Anders als in Norwegen soll die Vorgabe nicht nur für Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen gelten, sondern auch für Vorstände und größere GmbHs. Die Chancen, dass das Gesetz in diesem Jahr in Kraft tritt, stehen gut. Sanktionen sind allerdings nicht vorgesehen. Das Votum der Abgeordneten im niederländischen Parlament für den Gesetzesvorschlag fiel deutlich aus. Acht der elf Fraktionen stimmten geschlossen für den Vorschlag. Sowohl die christdemokratische CDA und die sozialdemokratische Partij van de Arbeid (PvdA) als auch die oppositionellen Sozial-Liberalen unterstützen die Regelung. Der Gesetz-Entwurf sieht vor, dass Aktienunternehmen und GmbHs mit mehr als 250 MitarbeiterInnen ihren Vorstand und Aufsichtsrat zu mindestens 30 Prozent mit Frauen besetzen sollen. Verfehlt ein Unternehmen diese Vorgabe bis 2016, muss die Führungsspitze in ihrem Geschäftsbericht erklären, was sie un- Für wen gilt die Quote? Die Sollvorgaben im GesetzEntwurf gelten für größere Aktiengesellschaften und GmbHs; nicht von den Bestimmungen betroffen sind Unternehmen, auf die zwei der nachstehenden drei Voraussetzungen zutreffen: Der Wert der Aktiva der Gesellschaft beträgt gemäß der Bilanz nicht mehr als 17.500.000 Euro; Der Netto-Umsatz des Buchungsjahres beträgt weniger als 35 000 000 Euro; Die durchschnittliche Zahl der Arbeitnehmenden per Buchungsjahr beträgt weniger als 250. zwd Frauen.Gesellschaft und Politik ternommen hat und wie sie künftig vorgehen will, um die Quote zu erfüllen. Sanktionen drohen dem Unternehmen nicht. Der Sozialdemokrat Paul Kalma, der die Frauenquote maßgeblich unterstützt hatte, bezeichnet die neue Regelung als „ersten Schritt“ auf dem Weg zur einer kompletten Gleichberechtigung. Eine starre Quote kam für die rechtsliberale Regierungspartnerin VVD nicht infrage. Ziel des Gesetzes sei „eine Verpflichtung zur Anstrengung, keine Verpflichtung zu einem Ergebnis“, erklärte der VVDAbgeordnete Frans Weekers. Erste Kammer hat ihre Zustimmung signalisiert Nicht nur aus emanzipatorischer Sicht, sondern auch aus sozial-ökonomischen Gründen sei es sinnvoll, diese – zeitlich begrenzte – staatliche Maßnahme zu ergreifen, erläuterte Kathrin Männel von der niederländischen Botschaft die Hintergründe der Gesetzes-Initiative. Eine einseitige Zusammenstellung von Vorständen und Aufsichtsräten führe zu schlechteren finanziellen Ergebnissen und sei auch aus arbeitsmarktpolitischen Erwägungen problematisch. Damit das Gesetz umgesetzt werden kann, muss noch die Vertretung der Provinzen, die Erste Kammer, über den Entwurf beraten. Ihre Zustimmung gilt nach Auskunft der Botschaftssprecherin als sicher. Der Termin für die Abstimmung steht aber noch nicht fest. Namen sind Nachrichten Christine Lüders hat am 8. Februar die Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes übernommen. Sie folgt damit auf Martina Köppen, deren Arbeitsstil zunehmend in die Kritik von Frauenverbänden und Opposition geraten war. Die neue Leiterin der Antidiskriminierungsstelle arbeitete unter anderem als Vorstandsreferentin und Abteilungsleiterin bei der Lufthansa. Später leitete sie das Referat Presse-, Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation im Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration in Nordrhein-Westfalen. Zuletzt war die 56-Jährige Referatsleiterin für Öffentlichkeitsarbeit und Beauftragte für Stiftungen im Kultusministerium in Hessen. (zwd) Die frühere Vize-Chefin der EUKommission, Margot Wallström, wurde zur UN-Sonderbotschafterin für weibliche Kriegsopfer ernannt. Nach der Entscheidung von UNGeneralsekretär Ban Ki-Moon bezeichnete Wallström sich als „von Demut erfüllt” und „geehrt”. Sie bereitet sich nun auf den in New York angesiedelten Posten vor. Die sozialdemokratische Politikerin aus Schweden war während ihrer beiden Amtszeiten als europäische Kommissarin eine engagierte Verfechterin für Gleichberechtigung und unterstützt die Einführung einer Frauenquote in der Politik. (zwd) Für ihr praxisbezogenes frauenund gesundheitspolitisches Engagement wurde Prof. Gabriele Kaczmarczyk mit dem Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland am Bande ausgezeichnet. Die Anästhesistin gehörte zu den maßgeblichen Gründungsmitgliedern des Netzwerks Frauengesundheit Berlin. Bis Oktober 2009 leitete sie den von ihr initiierten Master-Studiengang „Health and Society: International Gender Studies Berlin“ an der Charité Berlin. (zwd) Nr. 276/2010 – 24. Jahrgang / Seite 17 zwd Internationales Europäische Union FEMM-Ausschuss für längeren Mutterschutz zwd Brüssel (tag). Die Mehrheit der Mitglieder des Ausschusses „Rechte der Frau und Gleichstellung der Geschlechter“ (FEMM) hat am 23. Februar in Brüssel den Entwurf für eine neue Mutterschutzrichtlinie angenommen. Ende März entscheidet dann das Plenum des Europaparlaments über die geplante Ausweitung des Mutterschutzes. Nach dem Entwurf soll der Mutterschutz von 14 auf 20 Wochen erhöht werden. Gleichzeitig ist vorgesehen, dass während des gesamten Zeitraums des Mutterschutzes das letzte Monatsgehalt vollumfänglich weitergezahlt wird. Gegen eine Ausweitung des Mutterschutzes spricht sich die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) in Bayern aus. „Bei zwangsweise 18 Wochen wäre dies für die beruflichen Perspektiven von Frauen kontraproduktiv, weil sie länger dem Berufsleben fern bleiben würden“, ist die ASF-Landesvorsitzende Adelheid Rupp überzeugt. Sie befürchtet, dass die Arbeitspausenverlängerung die Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt weiter verschärft und Unternehmen seltener bereit sein werden, junge Frauen anzustellen. Die Schweinfurter Europaabgeordnete Kerstin Westphal (SPD) hält anstelle eines längeren Mutterschutzes die hälftige Aufteilung der Elternzeit zwischen Männern und Frauen sowie bessere Angebote zur Kinderbetreuung für sinnvoller. Auch die EU-Parlamentarierinnen Angelika Niebler (CSU) und Christa Klaß (CDU) melden Bedenken gegen die Ausweitung des Mutterschutzes an. Dieser konterkariere das in Deutschland seit wenigen Jahren „übliche und gute Verfahren, dass beide Elternteile nach Ablauf der Mutterschutzfrist eine insgesamt Seite 18 / Nr. 276/2010 – 24. Jahrgang 14-monatige Elternzeit in Anspruch nehmen können“. Sechs Wochen verlängerter Mutterschutz gingen indes voll zu Lasten der Arbeitgeber, welche die erhöhten Kosten zu tragen hätten, gab Niebler weiterhin zu bedenken. Britische Konservative hält Zeitpunkt für falsch Zu den GegnerInnen der neuen Richtlinie zählt auch die britische Konservative Marina Yannakoudakis. Sie warnte vor zusätzlichen Kosten und bezeichnete den Zeitpunkt für Verbesserungen beim Mutterschutz als falsch. Kleinere Unternehmen bräuchten Flexibilität, weitere Gesetze dagegen würden Firmen noch mehr belasten. „Männer können keine Kinder kriegen, aber wiegen“ Zusätzlich zum Mutterschutz soll dem Vorschlag des FEMM-Ausschusses zufolge der Partner zwei Wochen als Vaterschaftszeit in Anspruch nehmen. Die grüne EuropaAbgeordnete Franziska Brantner begrüßte das Votum für eine EUweite, zweiwöchige bezahlte Vaterschaftszeit als „wichtiges Signal für eine progressive Familienpolitik“. Die Entscheidung des FEMM-Ausschusses deklassiere zudem „ewig Gestrige, die immer noch glauben, Väter hätten keine Rolle zu spielen“, betonte Brantner. Dass ihre Partei in Europa es mit der Gleichberechti- gung Ernst meint, unterstrich die Grünen-Politikerin mit der Botschaft „Männer können keine Kinder kriegen, aber wiegen“. Auch die SPD-Europa-Abgeordnete Jutta Steinruck zeigte sich erfreut angesichts der geplanten zweiwöchigen Vaterschaftszeit. Diese biete nicht nur die Chance, eine gute Vater-Kind-Beziehung aufzubauen, sondern entlaste auch die „frischgebackenen Mütter im Wochenbett“. „Mit allen Kräften für die Durchsetzung im Plenum“ Das Erreichte ist für Sozialdemokratin Steinruck allerdings nur ein Etappensieg, nun müsse mit allen Kräften auch für die Durchsetzung im Plenum gekämpft werden. Bisher sperrten sich vor allem konservative Abgeordnete gegen die Verlängerung des Mutterschutzes und die Einführung der Väterwochen. „Eine aktive Vaterschaft bedeutet echte Gleichberechtigung in Familie und Beruf – das scheinen Konservative noch nicht zu verstehen“, beklagte die EU-Parlamentarierin. Empfehlung der ILO stammt aus dem Jahr 2000 Steinruck erinnerte auch daran, dass die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) bereits im Jahr 2000 empfohlen hatte, den Zeitrahmen für den Mutterschutz von 14 auf mindestens 18 Wochen zu erhöhen, um Müttern so mehr Ruhe zu garantieren. Erst 2008 folgte die Kommission dieser Empfehlung und legte einen entsprechenden Gesetzesentwurf vor. Der zurzeit geltende EU-Mindeststandard beträgt 14 Wochen und gilt nur noch in Deutschland, Malta und Schweden. Dreizehn Mitgliedsstaaten haben bereits einen Mutterschutz von 18 Wochen und mehr eingeführt. zwd Frauen.Gesellschaft und Politik zwd Gesellschaft Alleinerziehende in der Diskussion Manuela Schwesig: Mehr Geld für Infrastruktur statt großzügiger Steuergeschenke zwd Berlin (tag). Verlässliche Kinderbetreuung hält die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende und Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, für „das A und O“, um die Situation der eineinhalb Millionen Alleinerziehenden in Deutschland zu verbessern. Dieses und weitere Handlungsfelder sozialdemokratischer Politik erläuterte Schwesig auf der Konferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung „Allein erziehend, aber nicht allein gelassen?“ am 10. Februar in Berlin. Foto: Ursula Kelm Um den Betreuungs-Ausbau bis werbsleben, mit der auch den Al2013 voranzutreiben, sind aus Sicht leinerziehenden geholfen werden von Schwesig mehr Inkönnte. „Wir brauchen vestitionen in die Infraden Mindestlohn, aber struktur notwendig. Den darüber hinaus auch verMentalitätswechsel hin bindliche gesetzliche Rezu einer Familienpolitik, gelungen, um für Mänwelche mehr Geld für öfner und Frauen den gleifentliche Einrichtungen chen Lohn für gleiche Arbereitstellt, hätten die beit durchzusetzen“, so beiden vergangenen Redie Sozialdemokratin. Als gierungen eingeläutet – weitere Handlungsfelder Rot-Grün mit dem Ganznannte sie die Ausweitagsschul-Programm, tung des Unterhaltsandann Schwarz-Rot mit spruches und eine stärdem Kita-Programm. kere finanzielle Förderung Manuela Schwesig Dagegen versuche die von Alleinerziehenden. aktuelle schwarz-gelbe Regierung Plädoyer gegen einseitige einige Familien wieder nach dem „Problemgruppen-Sicht“ Gießkannen-Prinzip „ruhigzustelGegen die in der Öffentlichkeit häulen“, beispielsweise mit etwas mehr fig allzu eingeengte Sicht auf die AlKindergeld. „Die neue Bundesfamileinerziehenden als Problemgruppe lienministerin ist deshalb gut berawandte sich Edith Schwab, Bundesten, sich mit Kommunen und Länvorsitzende des Verbands Alleinerdern an einen Tisch zu setzen und ziehender Mütter und Väter (VAMV). eine Zwischenbilanz zum Kitaaus„Allein erziehend – das kann auch bau zu ziehen“, lautete Schwesigs schön sein“, warb Schwab für die Appell an Kristina Köhler (CDU). Sie positiven Seiten dieser Lebensform. fügte hinzu, dass dem InfrastrukturDas Zusammenleben mit Kindern Ausbau nicht mehr der Boden durch und die hiermit verbundene Entdie im Zuge der Finanzkrise verteilscheidungsfreiheit „habe durchaus ten „Steuergeschenke“ entzogen seinen Reiz“. Die Attraktivität der werden dürfe. Einelternfamilie macht die VAMV-VorGleichstellung am sitzende gegenüber den KonferenzArbeitsmarkt teilnehmerInnen auch am Beispiel der erfolgreichen allein erziehenden Als zweites Handlungsfeld betonte und allein erzogenen Menschen fest. Schwesig die Gleichstellung im Er- zwd Frauen.Gesellschaft und Politik Noch entschiedener sprach sich VAMV-Geschäftsführerin Peggy Liebisch im Anschluss an die Veranstaltung gegen eine „Betroffenen-Rhetorik“ aus: „Die FES-Konferenz hat gezeigt, wie defizitär Alleinerziehende betrachtet werden“. Mehrmals sei in der Diskussionen von „Betroffenen“, „Selbstmitleid“ und „Verbitterung“ die Rede gewesen. Unwissende Nicht-Alleinerziehende Der Blick auf Eineltern muss Liebisch zufolge als Momentaufnahme verstanden werden. Es sei bei vielen Nicht-Alleinerziehenden noch nicht angekommen, dass das Alleinerziehen kein Zustand ist, der ausschließlich nach Trennung und Scheidung (in wenigen Fällen nach Tod) eintritt. Vielmehr handele es sich „um Lebensphasen zwischen, vor und ohne Beziehungen, die in der Regel zeitlich beschränkt sind, sowohl für die Frauen (und Männer), als auch für die Kinder“. Gegen „Belohnungssysteme für die Ehe“ Alleine zu erziehen bedeutet für VAMV-Geschäftsführerin noch lange nicht, allein zu sein. Gerade Einelternfamilien hätten häufig stabilere Netzwerke als verheiratete Mütter. Doch Liebisch geht es nicht darum, über Lebensweisen als „besser“ oder „schlechter“ zu urteilen. Dies täte indes der Staat, „indem er die Ehe als das vorrangige Lebensmodell für das Aufwachsen von Frauen und Männern sowie ihrer gemeinsamen Kinder steuerlich subventioniert und populistisch idealisiert“. Deshalb rät sie diesem, sich nicht in Lebensformen einzumischen – geschweige denn Belohnungssysteme für die Ehe aufrechtzuerhalten. Nr. 276/2010 – 24. Jahrgang / Seite 19 zwd Genitalverstümmelung Kampagne „Stop FGM now“ Breites Bündnis will Politik und Öffentlichkeit wachrütteln zwd Berlin (jvo). Sieben Menschenrechtsorganisationen haben sich zusammengeschlossen, um ihre Aktivitäten gegen die weiblichen Genitalverstümmelung in einer gemeinsamen Kampagne zu bündeln. Niemand solle mehr sagen können, von dieser grausamen Praxis nichts zu wissen, betonte die Botschafterin der Kampagne, Waris Dirie. Besonders scharf kritisierte sie die „Ignoranz der Politik“. Foto: zwd Dirie wurde im Alter von fünf Jahren Genitalverstümmelung in den DiaOpfer von Genitalverstümmelung. Mit gnoseschlüssel aufgenommen und öffentlichen Auftritten und Büchern die Kosten für die Behandlungen sowie ihrem Bestseller „Wüstenblume“ wie umfassende Beratungsgespräkämpft das ehemalige Model für ein che übernommen werden. Ende dieser grausamen Praxis. Als Jawahir Cumar, vom Verein Stop besonders schlimm empfinde sie es, Mutilation, mahnte an, dass Eltern dass sich seit Beginn ihres Engagebei der Einreise über die Strafbarkeit ments vor zwölf Jahren der Beschneidung innichts geändert hat. formiert werden müss„Diejenigen, welche ten. Bisher geschehe die Macht haben, tun dies nicht. Viele Imnichts“, zeigte sie sich migrierte wüssten dainsbesondere von der her nicht, dass das Politik enttäuscht. Ziel Beschneidungsritual von „Stop FGM now!“ in Deutschland verist es, mit „provozieboten ist. Zudem plärenden und irritierendierte die gebürtige Terre des Femmes-Vorstand Schewe-Gerigk und den“ Video-Spots und Somalierin dafür, eine Kampagnenbotschafterin Dirie Anzeigen, das Thema drohende GenitalverGenitalverstümmelung in das Blickstümmelung als Asylgrund anzuerfeld von allen Menschen zu rücken. kennen. Die Vorsitzende von Terre des FemVon ersten Erfolgen der Aufklämes, Irmingard Schewe-Gerigk, verrungsarbeit berichtete die Vorsiturteilte zum Auftakt der Kampagne zende von Intact, Christa Müller. So sei es gelungen, in Benin innerhalb scharf das Verhalten von manchen von zehn Jahren die Tradition der BeKrankenkassen. Sie weigerten sich, schneidung zu beenden. Das gleiche die Behandlungskosten für die OpZiel hat sich die familienpolitische fer von Beschneidungen zu übernehSprecherin der saarländischen Linmen. Der Grund hierfür sei, dass die ken nun für Togo gesetzt. Behandlung der Folgen weiblicher Nach Angaben der Regierung wird Genitalverstümmelung nicht im Abdas menschenrechtsverletzende Rirechnungsverzeichnis auftauchen, tual in 28 afrikanischen Ländern soerläuterte die ehemalige Grünen-Bunwie einigen Ländern des Mittleren destagsabgeordnete. Mit einer UnOstens und Asiens praktiziert. Im terschriftenaktion will die MenschenZuge der Immigration sind auch in rechtsorganisation GesundheitsmiDeutschland viele Frauen von der nister Philipp Rösler (FDP) nun zum Praktik bedroht. Handeln bewegen. Er soll darauf hinwww.stop-fgm-now.de wirken, dass die Folgen weiblicher Seite 20 / Nr. 276/2010 – 24. Jahrgang Gesetzesinitiativen und Kampagnenziele Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hat angekündigt, die Initiative von Baden-Württemberg und Hessen zur Änderung der Strafbarkeit weiblicher Genitalverstümmelung in Deutschland zu unterstützen. Der am 12. Februar vom Bundesrat verabschiedete Gesetz-Entwurf (BRDrs. 867/09), sieht vor, dass Genitalverstümmelung als eigener Straftatbestand ins Strafgesetzbuch aufgenommen wird, das deutsche Strafrecht auch dann gilt, wenn die Tat im Ausland begangen wurde und das Opfer seinen Wohnsitz in Deutschland hat. Die Frauenrechtsorganisationen wollen mit Hilfe der Kampagnen „Stop FGM now!“ darüber hinaus folgende Forderungen publik machen: Alle Kinder in Deutschland sollten verbindlich an den ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen teilnehmen. ÄrztInnen sollten melden müssen, wenn sie entdecken, dass ein Mädchen bereits verstümmelt ist. Dann sind andere Mädchen in den Familien extrem gefährdet und müssen geschützt werden. Das Thema Beschneidung gehört in die Ausbildung von ÄrztInnen, PsychologInnen und SozialarbeiterInnen. Es müssen eindeutige Richtlinien für die Behandlung und Beratung von beschnittenen Frauen und Mädchen erarbeitet werden. Kinder sollen im Rahmen der Sexualkunde über die weiblichen und männlichen Sexualorgane aufgeklärt werden. Für betroffene Mädchen und Frauen soll es mehr Beratungsstellen geben. Die Ausbildung von Anti-FGMFachkräften, damit diese den Dialog zu MigrantInnen aufbauen können, um sie für einen gemeinsamen Kampf zu mobilisieren. zwd Frauen.Gesellschaft und Politik zwd Gesundheit Intervention im Gesundheitsbereich gegen Gewalt an Frauen S.I.G.N.A.L: Frage nach Gewalterfahrungen sollte zur gängigen Praxis werden zwd Berlin (jvo). Bereits seit zehn Jahren setzt sich S.I.G.N.A.L für eine bessere medizinische Versorgung von Frauen ein, die Opfer häuslicher oder sexueller Gewalt sind. Auf der Fachtagung „Erwünscht und Integriert?“ zogen die Mitarbeiterinnen und Kooperationspartnerinnen Bilanz und diskutierten über strukturelle Entwicklungen, die weiterhin notwendig sind, um den Frauen wirksam zu helfen. Eine Befragung von Schwangeren, die im Charité-Klinikum auf einen Untersuchungstermin warteten, ergab, dass 27 Prozent dieser Frauen in ihrer Partnerschaft psychischem Druck ausgesetzt sind oder sogar bereits körperlich misshandelt wurden. Auf den gesamten Bevölkerungsdurchschnitt bezogen, geht die Wissenschaft davon aus, dass etwa jede zwanzigste Schwangere körperliche oder psychische Gewalt erleidet. Routinebefragung von Schwangeren gefordert Fehlgeburten, ein geringeres Geburtsgewicht oder gestörte MutterKind-Beziehungen seien oft die Folge von Gewalt während der Schwangerschaft, erläuterte die Medizinwissenschaftlerin, Silke Michaelis. In ihrem Vortrag auf der Fachtagung am 19. Februar im Rudolf-Virchow-Klinikum Berlin verwies sie auf Studien aus den USA. Diese empfehlen – unabhängig vom persönlichen Hintergrund der Patientin – mindestens drei psychologische Screenings im Verlauf der Schwangerschaft. Bis- zwd Frauen.Gesellschaft und Politik her würden Ärzte und Ärztinnen aus Zeitmangel oder Sorge, die Frauen zu beleidigen, auf eine Frage nach Gewalterfahrungen häufig verzichten, berichtete Michaelis. Eine solche Befragung sollte aus ihrer Sicht jedoch zur routinemäßigen Vorsorgeuntersuchung gehören. Sie plädierte für die Entwicklung einer entsprechenden Leitlinie. Bisher stelle die Fachgesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe nur eine Leitlinie für das ärztliche Gespräch nach einer Vergewaltigung zur Verfügung, aber keine für eine Routinebefragungen, kritisierte Michaelis. „Gewalt macht krank und kostet Geld“ Häusliche und sexuelle Gewalt gelten laut Weltgesundheitsorganisation als eines der größten Gesundheitsrisiken für Frauen. Jede vierte Frau in Deutschland wird mindestens einmal im Leben körperlich oder sexuell von ihrem Partner oder einem ihrer Familienangehörigen misshandelt. „Gewalt macht krank, Gewalt kostet Geld“, brachte Angelika May, Mitarbeitern von S.I.G.N.A.L die Folgen auf den Punkt. Dieser Fakt ziehe sich wie ein roter Faden auch durch die Vorträge und Workshops der Tagung. Das Interventionsprojekt S.I.G.N.A.L bietet Fortbildungen für ÄrztInnen, TherapeutInnen sowie Pflegepersonal an, damit sie Gewaltfolgen schneller erkennen und den Frauen notwendige Hilfs- und Bera- tungsangebote vermitteln. Hierfür erstellen die Mitarbeiterinnen des Projekts, welches künftig vom Berliner Senat für Gesundheit gefördert wird, Aufklärungsmaterialien und vernetzen den Gesundheitsbereich mit Anti-Gewalt-Projekten. Erweiterung der Pflegeund Medizin-Curricula S.I.G.N.A.L-Schulungen für ÄrztInnen gibt es bereits in allen Rettungsstellen der Charité und verbindliche Fortbildungen der Pflegekräfte sind auf den Weg gebracht. In die Pflegeausbildung der Charité sei das Interventionsprogramm bereits fest etabliert, berichtete die Pflegedirektorin der Berliner Universitätsmedizin, Hedwig Francois-Kettner. Doch das ist aus ihrer Sicht nicht genug. Die medizinische Versorgung von Gewaltopfern gehöre als fester Bestandteil in die Medizin- und PflegeCurricula aller Fakultäten, mahnte sie an. Es dürfe nicht dem Zufall überlassen bleiben, ob diese Qualifizierung auf dem Lehrplan stehe. Diese Forderung unterstützten die Teilnehmenden im Publikum mit Applaus. Als zentrales Ziel für die kommenden Jahren formulierte Cornelia Goesmann, Vizepräsidentin der Bundesärztekammer, Interventionsprojekte nach dem Vorbild von S.I.G.N.A.L deutschlandweit in den Klinken zu implementieren. Die Krankenhäuser würden sehr davon profitieren, bekräftigte Goesmann. Durch das offensive Herangehen an das Thema häusliche Gewalt und die langsame Enttabuisierung kommen ihrer Erfahrung zufolge immer mehr Frauen, die von Gewalt betroffen sind, auch aus eigenem Antrieb auf Ärzte und Ärztinnen zu. www.signal-intervention.de Nr. 276/2010 – 24. Jahrgang / Seite 21 zwd Service Rezension Krise der Männlichkeit – eine Gefahr für Frauen (zwd). „Die männliche Identität ist aus verschiedenen Gründen fragiler als die weibliche. Wenn Männern Jobs und Posten durch die Wirtschaftskrise wegbrechen, sehen sich viele von Identitätsverlust bedroht.“ Ute Scheubs Einschätzung zur Problematik der männlichen Krisenbewältigung ist eindeutig und Grundlage für ihr neues Buch, das am 8. März bei Pantheon erscheint. Ausgangspunkt ihrer spannenden Analyse ist die Tatsache, dass die bestimmende Klasse der Finanzindustrie – die mit der 2008 beginnenden 9.03.10, Kassel Eine kleine Geschichte des Internationalen Frauentages Vortrag Kerstin Wolff zur Geschichte des Frauentages (Stiftung Archiv der deutsche Frauenbewegung) www.uni-kassel.de/frau-bib/veranstaltungen.htm 15.03.10, Berlin Gleichberechtigung, Gleichstellung oder variabler Wirtschaftsfaktor Vortrag Ines Scheibe, Bildungswerk Berlin der HBST im EWA Frauenzentrum www.ewa-frauenzentrum.de Wirtschaftskrise den „größten Bankraub der Geschichte organisiert“ hat – zu etwa 95 Prozent mit Männern besetzt ist. Die Wirtschaftskrise sei somit in erster Linie eine Krise der Männlichkeit. Dass dies nicht unbedingt eine gute Nachricht für Frauen ist, zeigt ein neuer ‚Männerwahn‘, ausagiert auf den Kriegsschauplätzen dieser Welt, aber auch in häuslicher Gewaltbereitschaft. Die größte Gefahr für Frauen und für Männer gleichermaßen wäre aus Sicht der Autorin die Rückkehr zu einer patriarchalischen Ordnung. Männer, so Scheub, sollten sich in ihrem eigenen Interesse mehr in Richtung Geschlechtergleichheit bewegen, denn Menschen in Staaten mit vergleichsweise hoher Gleichberechtigung seien nicht nur friedlicher, sondern auch wohlhabender, gesünder und zufriedener als in patriarchalischen Staaten. Ute Scheub: Heldendämmerung. Pantheon, 2010, 400 Seiten, 14,95 Euro, ISBN: 978-3-570-55110-3 Termine März/April 24.03.-25.03.10, Berlin „Gender Counts“ Internationale Konferenz (OWENMobile Akademie für Geschlechterdemokratie e.V.) www.owen-berlin.de 12.04–14.04.10, Berlin Kommunale Gleichstellungspolitik Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge www.deutscher-verein.de 25.03.10, Bremen Bei der Nachbarin zu Gast Sich kennenlernen: Muslimische und frauenbewegte Frauen www.belladonna-bremen.de 15.04.10, Düsseldorf Mädchenpolitisches Forum Projekte und Qualitäte „guter“ Mädchenarbeit www.frauennrw.de 09.04.10, Stuttgart „women at work“, Veranstaltung zur Berufsorientierung von Mädchen www.frauen-efw.de 16.04.10, Magdeburg Frauen gehen in Führung InterUnternehmerinnenKonferenz www.interunternehmerin.de Herausgeberin: Marion Lührig, eMail: [email protected] Druck: Druckerei Legerlotz, 50389 Wesseling Impressum Die zwd Ausgabe Frauen.Gesellschaft und Politik erscheint in der Zweiwochendienst-Verlags-GmbH in Verbindung mit der zwd-Mediengesellschaft mbH Redaktionsanschrift: Luisenstraße 48, 10117 Berlin Fon: 030/22 487 482 Fax: 030/22 487 484 eMail: [email protected] Internet: www.frauen.zwd.info Seite 22 / Nr. 276/2010 – 24. Jahrgang Verlagsanschrift: Holger H. Lührig (V.i.S.d.P) Zweiwochendienst-Verlags-GmbH Postfach 420511,50899 Köln Redaktion: Dr. Tanja Anette Glootz (tag), Janna Völker (jvo) Mitarbeit: Dr. Christiane Baumgärtner Nachdruck nur mit Quellenangabe, fotomechanische Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages Erscheinungsweise: monatlich, ISSN-Nr. 1869-0254, (Zweiwochendienst Frauen. Gesellschaft und Politik); Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 28. Feb. 2010 zwd Frauen.Gesellschaft und Politik zwd Leipziger Buchmesse – Neuerscheinungen Kriminalistische Spurensuche mit realem Hintergrund Wer war Jeanne Saré? (zwd). Das Rätsel um die ambivalente Persönlichkeit von Jeanne Saré steht im Zentrum des Debutromans der erfolgreichen georgischen Theaterautorin Nino Haratischwili. „Juja“, so der Titel, gehört zu den spannenden Neuerscheinungen der diesjährigen Leipziger Buchmesse, welche vom 18. bis 21. März stattfindet. Ausgehend von einer wahren Geschichte thematisiert Haratischwili das Buch „Die Eiszeit“ von Jeanne Saré, welches in den siebziger Jahren vor allem in feministischen Kreisen ein großer Verkaufserfolg wurde. Es ist dies ein hasserfülltes Zeugnis der jugendlichen Selbstmörderin Jeanne Saré, das mehrere Leserinnen sogar zum Suizid animierte. Mit einem couragierten Zeitenwechsel rückt nun, in der Jetztzeit, eine Kunstwissenschaftlerin in den Fokus des Geschehens, welche sich in Paris auf die Suche nach Saré begibt. Was hat der Verleger des Buches, ein frauenhassender älterer Herr, mit Saré zu tun? Wie konnte ihr Buch eine solch starke Wirkung haben? Nino Haratischwili verbindet hier auf äußerst interessante Weise verschiedene Handlungsstränge und reflektiert eindringlich die irrealen Hintergründe, die prägend für das soziale Leben sind. Nino Haratischwili: Juja. Verbrecherverlag, 2010, 350 Seiten, 14 Euro, ISBN: 978-3-940426-48-2 Jüdische Lebenswelten Ein menschliches Kaleidoskop (zwd). „Leben kleben“ ist der Titel des neuen Romans von Marina Lewycka. Erzählt wird die Geschichte um die neugierige Protagonistin Georgie, die sich von einer Reihe ungewöhnlicher Ereignisse in den Bann ziehen lässt. Zunächst ist da ihr eigenes turbulentes Leben. Georgie hat gerade ihren Mann vor die Tür gesetzt, ihr Sohn ist infiziert von Websites mit spektakulären Weltuntergangs-Szenarien. Von ihrem Job bei einem Fachmagazin für Klebstoffe ist Georgie mäßig begeistert, da trifft sie eines Tages Mrs. Shapiro. Die etwas verschrobene alte Dame lebt in einer verwunschenen Villa. Mrs. Shapiro ist Jüdin, die im zweiten Weltkrieg nach London geflohen ist. Ihre große Liebe, der Geiger Artem Shapiro, starb kurz nach Kriegsende, doch für sie ist er immer noch das Wichtigste im Le- zwd Frauen.Gesellschaft und Politik ben. Georgie ist fasziniert von dieser Lebensgeschichte. Als Mrs. Shapiro ins Krankenhaus muss, kümmert sich Georgie um ihr baufälliges Haus und befindet sich plötzlich in einem knallbunten Tumult mit einer Vielzahl von höchst skurrilen Figuren. So gibt es den palästinensischen Handwerker, der für Zündstoff sorgt, als ein Verwandter aus Israel auftritt mit der Absicht, sich das Haus von Mrs. Shapiro einzuverleiben. Dann tauchen zwei geldgierige Immobilienmakler auf sowie eine arglistige Sozialarbeiterin, die Mrs. Shapiro in ein Heim einweisen will. Und plötzlich hat Georgie Sinclair alle Hände voll zu tun... Marina Lewycka: Das Leben kleben, dtv premium, Deutsch von Sophie Zeitz, 460 Seiten, 14,90 Euro, ISBN: 978-3-423-24780-1 Kurzrezensionen Endstation Russland Moskau, Stadt der Extreme. Armut neben exaltiertem Reichtum. Nikita, ist der Protagonist einer grellbunten Geschichte aus einer schrillen Metropole. Natalja Kljutscharjowa: Endstation Russland, Suhrkamp, 2010, 187 Seiten, 9,90 Euro, ISBN: 978-3518-46157 In guter Gesellschaft Elf Expertinnen berichten von Frauengesellschaften und Netzwerken in Deutschland. Mit Linklisten und Webadressen. Eva Hehemann: frauengesellschaft(en) in Deutschland, Aviva, 2010, 512 Seiten, 39,90 Euro, ISBN: 978-3-932338-40-3 Die Toten rufen Eine Jugendfreizeit auf dem Land, die Spiele werden immer gefährlicher bis zu der Nacht, die den Überlebenden in quälender Erinnerung bleibt. Christiane Neudecker: Das siamesische Klavier, Luchterhand, 2010, 224 Seiten, 17,95 Euro, ISBN: 978-3-630-87313-0 Frauen in der Wüste Von der Magie der Wüste erzählen 29 Schriftstellerinnen. Dürre, Kälte, Hitze und Abenteuerlust leben im Kontext unterschiedlicher Zeiten vom Altertum bis zur Gegenwart auf. Florence Hervé (Hg.): Durch den Sand. Aviva, 2010, 224 Seiten, 17,80 Euro, ISBN: 978-3-93-233841-0 Nr. 276/2010 – 24. Jahrgang / Seite 23 zwd-Magazin 274 | 01 – 2010 FRAUEN GESELLSCHAFT UND POLITIK zwd G 9604 G 9604 Zweiwochendienst-Verlags-GmbH, Postfach 42 05 11, 50899 Köln ZKZ 9604, Entgelt bezahlt, PVSt, Deutsche Post Extra-Ausgabe | April 2009 FRAUEN GESUNDHEIT & POLITIK zwd SPEZIAL III Themen dieser Ausgabe Supplement Chancengleichheit Bundesfrauenministerin Kristina Köhler: Konsequenter Ausbau der Kinderbetreuung hat Priorität ........................................ 4 Bund/Länder Umstrittenes Votum des Deutschen Ethikrates: Kritik an Babyklappen fragwürdig ................... 5 Neue Medien Gastbeitrag: Internet-Angebote verschärfen Ess-Störungen ............... 6 Beilage Chancengleichheit Geschlechterdiskurs: Bundesjugendkuratorium: Es trifft nicht zu, „die“ Jungen als Bildungsverlierer zu bezeichnen ...II–III Dokumentation der FES-Stiftung: Erziehung zur GeschlechterDemokratie sollte das Ziel sein ........ IV Deutscher Frauenrat: Geschlechtersensible Bildung im Fokus ............................................V Geschlechterforschung: „Leistungsdifferenz an jenen Schulformen geringer, an denen mehr Frauen unterrichten“ ......... VI–VII EU: Geschlechtergleichheit in der Bildung „kein Zufallsprodukt“ ......... VIII Who is Who im Bundestag Vorgestellt: Frauen- und FamilienpolitikerInnen ............... 16–17 Termine ..........................................15 Impressum ....................................20 zwd Berlin. Nach Einschätzung des Bundesjugendkuratoriums – einem Sachverständigengremium der Bundesregierung – ist die im medialen und auch wissenschaftlichen Diskurs häufig vertretene These von „den“ Jungen als Bildungsverlierern empirisch nicht haltbar. Aus den Beiträgen der Beilage Chancengleichheit in dieser Ausgabe wird auch deutlich, dass nicht eine Erhöhung des Anteils von männlichem Erziehungs- und Lehrpersonal zum Abbau von Geschlechterunterschieden in der Bildung führt, sondern hierzu ganz andere Maßnahmen erforderlich sind. . ...............................................................I–VIII Barmer: Blick auf Geschlecht muss selbstverständlich sein Foto: Diana Engel Bund Gender-Check These von „den“ Jungen als Bildungsverlierern ist falsch Barmer-Vizechefin Birgit Fischer auf der Veranstaltung „Treffpunkt Bundestag: Frauen sind anders. Arzneimittel auch?“ (s. a. Seite 22) Interdisziplinäre Weiterbildung: Qualitätszirkel „Gender-Medizin“ Frauenministerin Köhler will junge Väter stärker unterstützen zwd Berlin. In der laufenden Legislaturperiode wird das Bundesfrauenministerium eine „eigenständige Jungen- und Männerpolitik“ entwickeln. Auch Bundesfrauenministerin Kristina Köhler (CDU) sieht auf diesem Feld Handlungsbedarf. Die stärkere Unterstützung von jungen Vätern bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf benannte sie schon nach ihrer Vereidigung im Bundestag am 2. Dezember als einen Eckpfeiler ihrer künftigen Gleichstellungspolitik. ..................................... 4 Die Vortragenden auf dem 5. Berliner Symposium Geschlechterforschung in der Medizin zwd Berlin. In nahezu allen Bundestagsfraktionen ist ein Wechsel der frauenpolitischen Sprecherinnen erfolgt. Neu gewählt wurden Dorothee Bär (CDU/CSU), Nicole Bracht-Bendt (FDP), Monika Lazar (Grüne) und Cornelia Möhring (Die Linke). In der SPD-Fraktion bleibt Caren Marks die Ansprechpartnerin. Für den zwd haben alle ihre Ziele in der Frauen- und Gleichstellungspoltik erläutert. ...................16–17 All unseren LeserInnen wünschen wir ein besinnliches Weihnachtsfest und ein friedvolles neues Jahr 2010 zwd Berlin. Biologische und soziale Unterschiede zwischen Frauen und Männern schlagen sich im Erkrankungsspektrum nieder. Auf dem 5. Berliner Symposium „Geschlechterforschung in der Medizin“ haben WissenschaftlerInnen und ÄrztInnen die Gender-Aspekte aus ihrem jeweiligen Fachgebiet erörtert. Als Novum in der ärztlichen Weiterbildung stellte die Berliner Kardiologin Natascha Hess den von ihr gegründeten Qualitätszirkel „Die Frauen im Mittelpunkt“ vor. .........................17 – 19 Österreich Who ist Who im Bundestag Frauenpolitikerinnen der Bundestagsfraktionen im Profil zwd Wuppertal. Angesichts ihrer Bedeutung für die Ausgestaltung des Gesundheitswesens führt der zwd bei den Krankenkassen einen Gender-Check durch. Auftakt bildet hierbei die BEK. Im Interview mit dem zwd erwartet die Vize-Chefin der Krankenkasse und frühere NRWFrauen- und Gesundheitsministerin, Birgit Fischer (SPD), vom Bund entschiedene Maßnahmen zugunsten einer geschlechtergerechten Forschung und Gesundheitsversorgung. ..................................... 6 – 8 5. Berliner Symposium zur Geschlechterforschung Neu im Amt Foto: GiM Frauen-Zeiten – Nahles-Zeiten: Die SPD-Generalsekretärin über das, was ihr wichtig ist ............. 2 Foto: Schaub-Walzer Aktuelles Präsentation des Wiener Frauengesundheitsprogramms: Frauengesundheitsbeauftragte Wimmer-Puchinger, Stadträtinnen Wehsely und Frauenberger Starke Lobby für Gesundheit von Frauen und Männern zwd Wien. In den drei medizinischen Fakultäten Österreichs hat sich Gender Medizin als fester Bestandteil in Lehre und Wissenschaft etabliert. Die Wiener Frauengesundheitsbeauftragte, Prof. Beate WimmerPuchinger, erläutert in einem Beitrag für den zwd erfolgreich eingeführte Maßnahmen in Hochschulen und Krankenhäusern sowie das vorbildliche Wiener Frauengesundheitsprogramm. Es wurde vor rund zehn Jahren von der Stadtregierung einstimmig beschlossen....................... 20 zwd-Service: Who ist Who in der Gesundheitspolitik auf den Seiten 10 bis 13 www.frauengesundheitspolitik.de | www.zwd.info LeserInnen werben neue LeserInnen Die neuen AbonnentInnen lesen drei Monate gratis – und SIE erhalten ein aktuelles Buchgeschenk! zwd-Magazin „FRAUEN.GESELLSCHAFT UND POLITIK“ Für die Abonnentin/den Abonnenten: Für die Werberin/den Werber: Ich bestelle ein neues Jahresabonnement und erhalte die ersten drei Ausgaben gratis. Auch der Zugang zu den Internetportalen ist in den ersten drei Monaten – ab Bestellzeitpunkt – kostenfrei (bitte ankreuzen): Ich wähle folgendes Geschenk (bitte ankreuzen): zwd Die Abo-Bedingungen habe ich unter www.zwd.info gelesen; (sie werden nochmals zugeschickt). Die erste Jahresrechnung (25 Prozent Rabatt eingerechnet) wird mit der 1. Lieferung fällig. Christa Wichterich: Gleich, gleicher, ungleich Dieses Handbuch schildert anschaulich Paradoxien und Perspektiven von Frauenrechten in der Globalisierung. Rainer Willmann: Darwin, Huxley und die Frauen Erfahren Sie alles über das Engagement von Charles Darwin und Thomas Huxley für die Gleichstellung von Männern und Frauen. Name: .............................................................. Name: .............................................................. Vorname: .............................................................. Vorname: .............................................................. Straße: .............................................................. Straße: .............................................................. PLZ, Ort: .............................................................. PLZ, Ort: .............................................................. zwd Frauen.Gesellschaft und Politik + Lizenz für die Nutzung der zwd-Portale www.frauen.zwd.info sowie www.gesundheit.zwd.info Euro 16,- * pro Monat für Institutionen Euro 8,- * pro Monat für privaten Bezug Euro 6,- * pro Monat für Studierende * inkl. Mehrwertsteuer und anfallender Versandkosten Telefon/Telefax: ........................................................... Telefon/Telefax: ........................................................... E-Mail: E-Mail: .............................................................. Ich kann die Bestellung innerhalb von 14 Tagen widerrufen Ort/Datum/Unterschrift ................................................ Seite 24 / Nr. 276/2010 – 24. Jahrgang .............................................................. Bestellcoupon bitte senden an: zwd, Postfach 601661, 14416 Potsdam per Fax an 030 – 22 487 484 zwd Frauen.Gesellschaft und Politik