Tom P. Schaafs BRANDED EXPERIENCE Was macht denn noch einen Unterschied? Diplom Nebenthema © März 2004 Tom Paul Schaafs, Köln Matrikelnummer 110 249 53, 10. Semester Student der Köln International of School http://www.mok-to.com [email protected] Betreuung und Prüfung der Arbeit durch Prof. Dr. Brigitte Wolf im Lehrgebiet Design Management Index Versicherung Hiermit versichere ich, dass ich die Arbeit eigenständig angefertigt habe und keine anderen als die angegebenen und bei Zitaten kenntlich gemachten Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Tom P. Schaafs Köln, im März 2004 Synopse, Aufbau, Danksagung, Begriffsklärung .................................................... 1 Kapitel 1 Branding 2 Die Brandblase ............................................................................................................... 2 Branding Kontinuum .................................................................................................... 10 Branding Extreme ......................................................................................................... 13 Basis Strategien ............................................................................................................. 22 Kapitel 2 Experience 38 Marketing und Design .................................................................................................. 24 Experiental Marketing .................................................................................................. 26 Experience Design ........................................................................................................ 44 Zusammenfassung ........................................................................................................ 52 Panorama ......................................................................................................................... 54 Quellen ............................................................................................................................. 58 VI 1 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Synopse Aufbau Begriffsklärung Spätestens seit Einsetzen der industriellen Nach den einleitenden Punkten befasst sich der erste Experience Massenproduktion ist die Unterscheidung der eigenen Kernteil dieser Arbeit mit Branding. Ein zeitlicher Produkte von denen der Konkurrenz primäres Ziel eines Überblick schildert die Entwicklungen durch die jeden Unternehmens. Branding liefert Gründe dafür, ein Geschichte und die verschiedenen Stadien, die dem heute Produkt, in einer Welt substituierbarer Produkte, einem bekannten Branding vorausgegangen sind. Zusätzlich anderen Produkt vorzuziehen. werden grundlegende Begriffe des Brand Management Aus diesem Grund entwickelte man Marken, Untermarken, Dachmarken bis hin zu ganzen Markenwelten. Das Produkt wurde zum Teil der Marke. Der Kunde kaufte nunmehr eine Marke. Und Marken wur- erläutert. Welche Rolle spielte die Industrialisierung am Anfang des neunzehnten Jahrhunderts? Warum wird ein Werte abverlangt. von Experiences. Solche entmaterialisierten und emotio- fer in den Erlebnisraum des Menschen ein. Das Now even more better!-Prinzip wird ausgereizt. Wie weit kann Vermarktung auf den Mensch eindringen, ohne ihm zu nahe zu treten? Experience Design hat ein weites Verständnis von Design. Wie schafft man ein vielschichtiges Beziehungsnetz, dass robuster als jedes scheinheilige Versprechen sein kann? Werden Marken zu einem verteilten Netz an Erfahrungen und Einflüssen, das gleichermaßen von Konsument und Produzent gesteuert wird? Wo beginnt ein Experience, um zu einer andauernden, positiven Erfahrung zu werden? Ziel ist es, Erkenntnisse aus dem Experience Design zu gewinnen, welche die zukünftige Entwicklung des nalisierten Produktsphären können traditionelle Marketinggesetze nicht mehr bedienen. Welche Ansätze erschöpfende Aussage und vollständige Darstellung kaum Handlungsansätze werden könnten. stammt vom Verb experientem, dessen Bestandteile exund peritus in der Kombination für aus Erlebtem,Getestetem heraus stehen. Das Verb bedeutet etwas nuancierter auch ein Gefühl dafür bekommen. vgl. Online Etymology Dictionary, http://www.etymonline.com/ In dieser Arbeit wird anstelle der unzureichenden deut- Stellvertretend werden zwei bekannte Repräsentanten schen Begriffe vorzugsweise der englische Begriff zitiert: Bernd H. Schmitt, Wirtschaftsprofessor and der Experience gebraucht. University of Columbia und Experience Designer Nathan Shedroff, der unter anderem bei Richard Saul Wurman gelernt und gearbeitet hat. Das Panorama im letzten Teil der Arbeit stellt Vermutungen über die Weiterentwicklung der Brandblase an. Dazu verdeutlichen zwei Szenarien mittels Extrempositionen die möglichen Veränderungen und Entwicklungen. Wird sich die Markenbildung weiter aufbauschen? Schlägt sich der Paradigmenwechsel der Gesellschaft in der Markenpolitik nieder? Werden Menschen erfolgreich gesellschaftliche Werte aus Konsum beziehen können? Danksagung möglich ist. Eine solche Beobachtung kann aber Perspektiven und Blickwinkel bieten, die wiederum zu sind zutreffend. gibt es aus Sicht von Marketing und Design? Branding gewinnbringend beeinflussen könnten. Die Darstellungen berücksichtigen die Tatsache, dass eine Jedes evoziert leicht unterschiedliche Assoziationen. Alle den? Entwicklungsschritt des Branding auf – die Gestaltung Produktes und seiner kollateralen Bestandteile immer tie- Mitmachen, Experimentieren, Erlebnis und Erfahrung. Im Lateinischen beschreibt experientia den den Erlebniswelten um aktuelle Marken sogar kulturelle Differenz und Überlegenheit dringt die Gestaltung eines des Sinns schaffen die folgenden Begriffe: Wahrnehmung, Wissenserwerb durch wiederholtes Versuchen. Das Wort Der zweite Teil der Arbeit greift den letzten und aktuellen schen Mensch und Produkt, steigt an. Auf der Jagd nach experience ins Deutsche. Die naheliegendste Vermittlung Produkt gekennzeichnet? Was kann alles zur Marke wer- den oft zum Bestandteil unserer Identität. Heute werden Die Manipulierung der Kanäle, an der Schnittstelle zwi- Leider gibt es keine adäquate Übersetzung des englischen Christina, Ekkehard, Nathan, Prof. Dr. Wolf, Sandro, Ulf 2 3 Kapitel 1 Branding Zunftmarke zu sichern, unterlagen die angeschlossenen Betriebe einer Qualitätskontrolle. Handelte man gegen die Standards, wurde das als Vergehen geahndet. Besonders gute Qualität wurde dagegen hervorgehoben. Das förderte eine hohe und einheitliche Warenqualität. Die Verbreitung von Produktmarkierungen wurde zu einem Kaufkriterium. Im ausgehenden Mittelalter markierten auch die nicht zu einer Zunft gehörigen Betriebe ihre Produkte. Sie erfanden dafür eigene Marken. Die Anzahl der Marken stieg mit ihrer zunehmenden Popularität. Die Qualität eines Produkts bleibt nicht lange alleiniges Kaufkriterium. Bald wird es begleitet – oder besser – umgeben von Produktimages. Konsumenten kaufen mit jedem Produkt ein Versprechen, von dem sie sich einen positiven Einfluss auf ihr Leben erwünschen. Dies ist ein andauerndes Wechselspiel aus Bildung und Befriedigung von Bedürfnissen, das bis heute anhält. Industrialisierung Konsumenten kaufen Marken. Branding schafft Marken. Dafür dringt es stetig weiter in die Wahrnehmung der Konsumenten ein. Die Anzahl der Kanäle nimmt zu. So entmaterialisiert sich die Marke zu einem Service, um schließlich in einem ganzheitlichen Erlebnis aufzugehen. Diese Entwicklung begleitet den Paradigmenwandel unserer Gesellschaft: von der Industrie- zur Wissensgesellschaft. Können Marken auch substantiellere Werte liefern? Erreichen Marken eine neue Ebene der Kundenbeziehung, oder sind wir bald markensatt? Die Brandblase Bevölkerungsdichte, erhöhte Nachfrage, Armut, Bereitschaft zur Mobilität und aufstrebendes Unternehmertum sind unter anderem Auslöser der Ursprung Industrialisierung. Die Basisinnovation Dampfmaschine Der Gebrauch einer Markierung auf einem Produkt ist nicht und Eisenbahn haben wirtschaftliche und gesellschaftli- neu. Bereits im Altertum wurden Tonarbeiten gekennzeich- che Konsequenzen. Der Übergang von Manufaktur zu net. Die Veranlassung für eine Markierung hat sich über Fabrikfertigung ist kennzeichnend. Maschinen verändern die Zeit freilich gewandelt. Früher wurde markiert, um über besonders die Arbeitswelt. Es kommt zu einem Novum in die Herkunft eines Produktes zu informieren, oder der Geschichte, da nun zum ersten Mal Produkte massen- Eigentum anzuzeigen. Die Herkunft eines Produktes schafft weise produziert werden können – bei einem gleichblei- zwar bereits eine Abgrenzung zu anderen Produkten, ist bend günstigen Preis. Eine entsprechende Verbreitung aber noch weit entfernt von der heute bekannten massenin- der Produkte ist die Folge. Viele Menschen besitzen bald dustriellen Markenwelt. identische Produkte. Unterschiede weichen der Absender Im Mittelalter war die Markierung über die Herkunftskennzeichnung hinaus auch ein Zeichen für Qualität. Handwerkliche Produkte waren versehen mit einer Marke des Handwerkers und zusätzlich mit der Marke der angeschlossenen Zunft. 1 Um die Qualität der Uniformität. Die Bedeutung von Marken nimmt infolgedessen im ausgehenden 18. Jahrhundert weiter zu. 1 Referat Marken – Eine Einführung, Uni Weimar, 2001 4 5 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Die Industrialisierung bringt auch negative Auswirkungen mit sich. Dazu gehören unter anderem die Entfremdung des einzelnen Arbeiters im Produktionsprozess, und die steigende Arbeitslosigkeit durch den Vormarsch der Maschinen. Der Arbeiter ist nur noch ein Teil der Produktion. Wo früher ein einzelner Mensch den kompletten Produktionszyklus eines Produktes bewältigt hat, besitzt er in den Zeiten fortschreitender Industrialisierung Geteilte Beziehungen Laut Wally Olins, Gründer der Branding Agentur WolffOlins, wird Ende des neunzehnten bzw. Anfang des achtzehnten Jahrhunderts der Grundstein für das heute bekannte Branding gelegt. Den Anfang machen Medikamente. Nach dem Bürgerkrieg in den Vereinigten Staaten gab es relativ wenige Ärzte, aber großen Bedarf Manche Hersteller hatten hunderte Marken in ihrem Sortiment. Interessant in diesem Zusammenhang, ist der Ursprung von Seifenopern, die sich noch heute großer Beliebtheit erfreuen. Diese Radio- und Fernsehformate wurden von den Seifenherstellern bezahlt, und stellten heimische Szenarien nach, in denen die Produkte demonstrativ das Leben verschönerten. an gesundheitlicher Versorgung, besonders in ländlichen Der große Katalysator in der aufstrebenden Gegenden. In dieses Spannungsfeld mischten sich pseu- Werbelandschaft waren die sogenannten Fast Moving do-medizinische Produkte, die viel mehr versprachen, als Consumer Goods (FMCG). Für diese kurzlebigen Die Industrialisierung bedeutete zwar einen enormen sie hielten. Coca-Cola ist eines von ihnen. Nachdem es zu Konsumgüter existierten die größten Werbebudgets. Das wirtschaftlichen Antrieb, war aber begleitet von einer Beginn, wie viele andere auch, gesundheitliche Besserung machte sie für Werbeagenturen zu beliebten Kunden. Die sozialen Degeneration. Neben der Entfremdung innerbe- versprach, reduzierte Coca-Cola bald seine Aussage, und Hersteller von Konsumgütern sind die Pioniere des trieblicher Beziehungen, erleiden auch geschäftliche war nur noch ein Erfrischungsgetränk. Beachtlich ist das Branding. Zu jener Zeit hatten andere Industriesektoren, Beziehungen dieses Schicksal. Sie verlieren an Wachstum der Firma, die bereits 1911 ein Werbebudget wie die Automobilindustrie, noch keine vergleichbaren Persönlichkeit, da die Nähe und wechselseitige von circa einer Million US-Dollar hatte – damals ein enor- Marken. Für Autos setzte die intensive Vermarktung in Beeinflussung von Produktion und Konsum nachlässt. mer Betrag. Kombination mit einem strategischen Branding erst um Durch die Massenproduktion geht der individuelle Bezug „Patent medicines were the most clamorous brands, the most outragous in their claims and much the heaviest spenders.“ –Olins, S. 49 1920 ein. nur noch wenige Einflussmöglichkeiten. 2 Durch arbeit eine individuelle Befriedigung zu beziehen wird schwerer. verloren. „Producst are made in the factory; brands are created in the mind.“ 3 Die Vertreiber von medizinischen, oder ähnlichen Das gleichzeitig wachsende Warenangebot macht es Produkten, waren die ersten, welche die Wirksamkeit von immer notwendiger, eine Unterscheidung der Produkte Slogans, wiedererkennbaren Logos und Marken erkann- vorzunehmen. Die bereits lange gebräuchliche ten, und intensiv nutzten. Aus dieser Zeit stammen einige Markierung von Produkten wird ausgebaut, und soll der der größten Konsumgüterhersteller unserer Zeit: Anonymität und Uniformität entgegenwirken. Wo früher Rowntree, Cadburry, Lever, Nestlé, Henkel, Procter & ein Ladenbesitzer seine Kunden und ihre Gamble, Heinz und Kellogg´s. Diese Unternehmen beför- Lebensumstände noch persönlich kannte, und ein derten das Branding von Produkten auf ein neues Level. Angebot individuell bilden konnte, tritt heute eine andere Es wurden in erster Linie einzelne Produktmarken ent- Form der Kundenbeziehung, die von Unwissenheit und wickelt, und das Kernprodukt war oftmals Seife. Als bis Anonymität gezeichnet ist. Einzelne Kunden können nicht dahin rohes Produkt, wurde es zu einem Haushaltsartikel mehr mit individueller Präzision angesprochen werden. der eine einfache Form des Wohlstands verkörperte. Stattdessen werden die Botschaften der Hersteller breit Schönheit, Sauberkeit und Hygiene waren nicht selbstver- über die Massenmedien verteilt. In großen Warenhäusern ständlich, und hatten eine große Bedeutung. Als Lever halten weniger Verkäufer für mehr Menschen identische (später Unilever) Lux auf den Markt brachte, wurde sie als Produkte bereit. Seife der Stars vermarktet. Daran lässt sich der Stellenwert Die Marke soll in diesem Szenario den Sinn und das Vertrauen in das einzelne Produkt revitalisieren, und die erschwachte individuelle, emotionale Beziehung stärken. von Seife für die Menschen erahnen. Luxusartikel konzentrierten sich zwischen 1920 und 1940 auf das Ausbilden exklusiver Produktimages. Dazu gehörte aufwendiges Packaging, und die Abbildung charmanter, opulenter, anspruchsvoller und teurer Markenwelten. Das Angebot der Identifikationspunkte nahm zu. 2 Eine tayloristische Arbeitsorganisation ist wissenschaftlich durchorganisiert, und jeder Handgriff ist geplant. Quelle: Net-Lexikon. 3 Aussage von Walter Landor, einem Artikel von Landor zufolge: „Brands: More Than Packaging?, Erstveröffentlichung im englischen Magazin Design Week 6 7 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Marken in der zweiten Generation In den siebziger Jahren wurden bereits Marken speziell für einzelne Zielgruppen geschaffen. Um eine hohe Abgrenzung von der Konkurrenz zu gewährleisten, wurden für hochgradig ähnliche Produkte unterschiedliche, zielgruppengerechte Marken entwickelt. Das führte zu einer zunehmend fragmentierten Markt- und Markensituation.Gleichzeit wurden Kunden zunehmend preisbewusster, informierter und kritischer. Die Herausforderung an die einzelne Marke wuchs. Das Brand Image wurde zum eigenen Image, oder jedenfalls wurde das eigene Image mit Marken unterstrichen. Durch die gestiegene Identifikation mit den Produkten wurden die Beziehungen zwischen Konsument und Produkt persönlicher. Die Achtziger scheinen wie die Gegenbewegung zur Anonymität der Industrialisierung zu sein. „We were, what we bought.“ –Norton, S.20 Seit Beginn der Industrialisierung kam es zu weiteren Innovationen, die neben dem wirtschaftlichen stets auch Die Existenzberechtigung der Marken liegt in der gesellschaftlichen Einfluss hatten: Strom, Chemie, Motor, Notwendigkeit zur Differenzierung und zur Digitalisierung – und abzusehen sind Entwicklungen im Kennzeichnung. Das Aufladen eines Produkts mit Bereich der Gen- und Biotechnologie. Mit dem Einsetzen Assoziationen soll Präferenzen schaffen, bei austauschba- der Digitalisierung und der Verbreitung des Computers ren Produkten. gab es nicht nur eine weitere Innovation, sondern einen „Yet branding, which we now consider indispensable, is the terminal phase of a process that involves the company´s resources and all of its functions, focussing them on one strategic intent: creating a difference.“ Paradigmenwechsel. Wissen und Aufmerksamkeit werden –Kapferer, S. 46 zu knapperen Ressourcen. Neue Berufe entstehen, während traditionelle Berufe sich wandeln oder aussterben. Die Echtzeit des Internets lässt die Menschen auf der Erdenäher zusammenrücken. Globalisierung, Terror, Information Overload, AIDS – die Veränderungen auf der Welt haben viel hervorgebracht, nur nicht die Antworten, Marke als Identifikation die jeder Mensch braucht: Was bin ich wert? Warum bin In den achtziger Jahren erreichte die Bedeutung von ich hier? Wo gehöre ich hin? Marken einen vorläufigen Höhepunkt. Wie zu keiner Zeit Nach Dave Norton, dem Branding Experten von Yamamoto vorher oder nachher identifizierte man sich mit Marken. Moss, findet ein kultureller Wandel statt, der besonders in Der Begriff des Yuppie´s, als Personifizierung des geleb- Amerika zu beobachten war, der die Einstellung zu Arbeit ten Kapitalismus, wurde in den Achtzigern geboren. Zur und Leben veränderte. Die Watergate Affäre dämpfte 1972 gleichen Zeit lief Dallas im Fernsehen, der Walkman das Vertrauen in die Regierung, und wirtschaftliche kommt auf den Markt und Swatch an den Arm. Veränderungen zwangen mehr Familien zu mehr „Business became community, and shopping a means of expressing the new identities men and women were forming around their careers.“ –Norton, S. 20 Mobilität. Eine Heimatstadt konnte sich öfter mal ändern. Marken sollen die Lücke zum Konsumenten schließen, Bewegung und Diskontinuität mindern das Gefühl von und ein befriedigenderes Kauferlebnis schaffen. Wo circa Sicherheit und Stabilität. Konsum kann einen Unterschied 150 Jahre früher die Massenproduktion die Produktwelt schaffen, und Unterschied schafft Identität. Aus der entseelt hatte, werden die Verbindungen nun wieder Unterscheidung zwischen sich und der Umwelt können enger. Sinn und Wertgefühl geschöpft werden, was als Quelle Karriere zu machen erforderte mehr Opfer. Konsum und Markenartikel verliehen dem veränderten Lebensstil Ausdruck. von Sicherheit und Stabilität empfunden werden kann. 8 9 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Erlebniswelten Aber Sinn und Wert können nicht allein aus Konsum geschöpft werden. Was die Achtziger gekennzeichnet hat, genügt den Menschen in den Neunzigern nicht mehr. Auf der Suche nach Sinn und dauerhaftem Wert tritt der Bedarf nach persönlicher Bereicherung in den Vordergrund. „Creating a relationship with individuals, not targeting a mass market.“ 4 Es wurden nach wie vor Produkte konsumiert, aber zusätzlich erleben ganze Events als Produkt große Nachfrage: Planet Hollywood, exotische Reisen, Hard Rock Café – T-Shirts informieren dort über die besuchten Orte, wo vorher das Designerlabel prangte. Nach dem Brand Image rückt das Brand Experience in den Neunzigern in den Fokus des Marketing. Auf der Suche nach Sinnvollem kommen die Marketingstrategien dem Menschen entgegen, und dringen in seine Erlebniswelt vor. „One of the big shifts that has occurred over the past few decades is that so much of our cultural capital is coming from businesses now.“ 5 Starbucks hat als Marke Bemerkenswertes geleistet, wie es Dave Norton anführt. Der Kaffeespezialist hat es zu internationaler Größe gebracht – ohne Werbung. Mit bald 3000 Filialen weltweit, ist das Erlebnis im Café selbst die einzige Reklame. Starbucks hat für sich die Bezeichnung The Third Place geformt, und füllt damit geschickt den Platz zwischen Heim und Arbeit – ein Transit-Ort zwischen Zugehörigkeit und Individualität. Der Geschäftsbericht von Starbucks ist durchsetzt mit der Beschreibung des Experience. Guten Kaffe gibt es auch woanders, aber man ist ein besonderer Mensch, wenn man ihn bei Starbucks bestellt. Im Gegensatz zu diversen anderen Marken, insbesondere zahlreicher DotComs, PIC 1 Starbucks Quelle: Starbucks Pressematerial gegen Ende dieses Jahrzehnts, ist Starbucks eine überzeugende und robuste Marke, die von Mund-zu-Mund Propaganda lebt. 4 AIGA, Experience Design Definition, www.aiga.org 5 Nathan Shedroff per eMail 10 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Laut BrandMeta, einem Brand Consulting Unternehmen aus Amsterdam, herrscht in den Neunzigern eine Markenpolitik, in der Unternehmen in erster Linie auf die Vergrößerung des Shareholder Values aus sind. Das meint eine Steigerung des Unternehmenswertes, der sich idealerweise im Aktienkurs niederschlägt. Das führte zu einer kurzsichtigen Unternehmensführung, und die Wertbildung an den falschen Stellen. Kurzfristigkeit stand im Vordergrund. Heute geht der Trend zu einer Politik, die allen Stakeholdern gerecht werden soll. Das schließt Konsumenten, Zulieferer und Mitarbeiter ein. Der Unternehmenswert soll breiter aufgestellt sein, und nicht mehr nur von kurzfristigen Erfolgen profitieren. Dazu beigetragen hat sicher die Konsolidierung und Rückbesinnung nach dem Platzen der DotCom Blase. Kurzsichtigkeit hat sich nicht ausgezahlt. Branding Kontinuum Das Branding Kontinuum verdichtet die Entwicklungsschritte der BRanding-Entwicklung. Akkumuliert wurde Aussagen von Dave Norton, Bernd Schmitt, B.J. Pine. Ab dem ersten Übergang wird deutlich, dass die Marke einen größeren Stellenwert hat, als das Produkt. Ein realer Produktkontakt bleibt, bis auf besondere Ausnahmen, immer möglich. Die Entwicklung in den Erlebnisraum hinein, ist begleitet von einer Entmaterialisierung bei gleichzeitiger Emotionalisierung der Produkte. Aspekte, wie Qualität oder Reparierbarkeit werden zunehmend als selbstverständlich empfunden. B.J. Pine bezeichnet die dargestellte Entwicklung Progression of Economic Value. Das meint die Steigerung des Produktwertes durch zunehmende Inszenierung. 11 12 13 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Marke und Moral Im zwanzigsten Jahrhundert setzt sich die Tendenz fort. Politische und wirtschaftliche Ereignisse, wie Alan Siegel weist hier auf die Aufgeklärtheit und Kritikfähigkeit der Verbraucher, und ihre hohe Branding Extreme Erwartungshaltung hin. Die Naked Corporation 9 muss Kommunikation auf einem anspruchsvollen Niveau betrei- Es gibt kaum Grenzen für Marken. Heute kann, oder ist ben. Die Gefahr der Missbilligung ist größer als zuvor, die bereits, alles zur Marke geworden: Gefühle, Personen, Bereitschaft zur Treue aber auch. Strassen, Städte und sogar ganze Nationen. Es scheint, als würde sich alles mit jedem im Wettbewerb befinden, so Produkte und deren Vermarktung. Es wird mehr erwartet, „Reputation is even more important in commerce than it is in conversation.“ –Rheingold, und Marken, die versuchen dem gerecht zu werden, S.123 Terroranschläge und Rezession, haben der Suche nach den wesentlichen, sinnvollen Dingen Vortrieb gegeben. Gemeinschaft, Sinn, Wert und Beziehungen treten in den Vordergrund. Das hat Konsequenzen für Unternehmen, haben Erfolg. Für börsennotierte Gesellschaften wurde eine neue dass jeder seine besonderen Stärken freilegen und vermarkten muss. Im folgenden veranschaulichen fünf Brand-Extreme diesen Trend. Ich AG Beliebt sind Gelegenheiten, um selbst etwas erfüllendes zu Auflage eingeführt – die Corporate Governance, eine Art tun. Laut Dave Norton, der einen Artikel aus dem Magazin Ehrenkodex für gute Unternehmensführung. Wie auch Die eigene Person auf ihre Qualitäten zu beleuchten, und Newsweek zitiert, sind zehn Prozent der amerikanischen immer diese Corporate Governance praktiziert wird, ist sie diese zu kommunizieren, ist nicht direkt neu, aber sich Erwerbstätigen in Non-Profit Organisationen beschäftigt. in jedem Fall ein Zeichen, für die veränderten selbst als Marke zu betrachten schon. Zusätzlich ist die Bereitschaft zum Spenden hoch. Schwerpunkte. Auf Unternehmen lastet eine größere „... employees need more purpose to their work than just profitability.“ –Norton, S. 23 gesellschaftliche Verantwortung. Fehler und Vergehen Viele Unternehmen waren in den letzten fünf Jahren in Finanzskandale verstrickt. Marken, wie Enron, MCI, Ahold oder Mannesmann, werden als Lügner empfunden. werden schneller bekannt und schwerer geahndet. Das Selbstmarketing plädiert in erster Linie auf ein Selbstbewusstsein, dass gezielt die eigenen Vorteile einsetzt. Dabei ist es unwichtig, ob man in einem größeren Unternehmen arbeitet, oder selbständig ist. In beiden Fällen ist die Differenzierung und geschickte Platzierung der eigenen Person von Vorteil. Das Misstrauen gegenüber Unternehmen ist gewachsen. In ähnliche Richtung zielt auch die Ich AG. Als Das hat Konsequenzen auf die Produkte und auf die Existenzgründungszuschuss hat sie zwar einen anderen, Angestellten. Für Arbeitssuchende zählt neben den übli- finanziellen Hintergrund, hat aber einen verwandten chen Kriterien das Image des Unternehmens mehr als Klang, und fordert ebenso unternehmerisches Denken. zuvor. Niemand möchte für eine fragwürdige Firma arbei- Tom Peters betont in seinem Buch The Brand You 50 die ten. Bedeutung von Ehrlichkeit über die eigene Person. So „It is best to come clean, and to do so while making tangible sacrifices for the sake of customers’ interest.“ 6 schwer die Reflektion über die eigenen Qualitäten ist, so Was Alan Siegel unter der Überschrift Mea Culpa Marketing 7 zusammenfasst, beschreibt die Notwendigkeit Gutes zu vollbringen, gepaart mit aufrichtigem Bedauern für die eigenen Fehler, statt nur über Gutes zu sprechen, um glaubwürdig zu sein. Eine Socially Responsible Communication 8, wie es beispielsweise BP und Ford betreiben, kann gemeinsam mit den entsprechenden Medien die Transparenz um die Aktivitäten eines Unternehmens erhöhen. wichtig ist es auch, sich keine Fähigkeiten anzudichten. Außerdem hilft es, die Erwartungen möglichst oft zu übertreffen, und stets gut vorbereitet zu sein. Visitenkarten, oder sogar ausführlicheres Material dabei zu haben, versteht sich von selbst. Seine eigene Marke zu sein ist ein Fulltime-Job, laut Peters. 6, 7, 8, 9 Alan Siegel, Top Seven Branding Predictions for 2004, Artikel auf www.aigalosangeles.org 14 15 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Erfolgreich betrieben wird das Marketing der eigenen Person bereits von vielen Menschen. Sobald sich eine Person in den Blick der Öffentlichkeit begibt, entstehen unweigerlich Assoziationen. Selbst wenn beispielsweise Schauspieler die unterschiedlichsten Charaktere verkörpern, sind es oft nur wenige Attribute, mit denen sie dauerhaft in Verbindung gebracht werden. Der ehemalige Bürgermeister von New York, Rudolph Giuliani, wird stets heldenhaft mit den Ereignissen vom elften September verbunden bleiben. Oprah Winfrey ist die Talkerin des amerikanischen Fernsehens. Diana ist Cities as Brands Städte besitzen einen ureigenen Charakter, bei dem die Unterscheidung von anderen Städten zunächst unnötig scheint. Aber auch Städte weisen viele Eigenschaften einer Marke auf. Eine Stadt-Marke – oder Markenstadt – muss nicht einmal touristische oder wirtschaftliche Gründe haben, sondern kann zur Selbstdefinition der Stadt dienen. Das ist besonders interessant, bedenkt man die unzähligen Berührungspunkte und die Vielschichtigkeit einer Stadt. Prinzessin der Herzen. John Wayne ist der Inbegriff des Berlin erhielt 1994 ein Corporate Identity, und frischte Westernfilms. Helmut Kohl hat seinen Namen mit dem sein Image als Metropole und Reiseziel auf. Ende Juli letz- Fall der Mauer verschweisst. George Bush ist der ten Jahres berichtete The Slovak Spectator 10, eine slovaki- Kriegspräsident. sche Zeitung in englischer Sprache, auch von identitäts- Ein populäres, und sehr aktuelles Beispiel, ist Martha Stewart. Zur Zeit steht sie wegen Steuerhinterziehung vor Gericht. Wesentlicher aber ist, dass Martha Stewart eine bildenden Bemühungen in Bratislava, und erwähnte die zurückliegenden ähnlichen Aktivitäten in Birmingham und Prag. Verkörperung der amerikanischen Heimgestaltung ist. Praktisch vollzieht sich ein solches City-Branding von der Martha Stewart Living steht für Werte, wie Entwicklung klassischer visueller Entwicklungen, über Entschleunigung, Heim, Geborgenheit und einen besonde- aufwendige Leitsysteme bis zu einer Positionierung auf ren, amerikanischen Way of Living. Basis von Kernwerten. Eine solche Marke hat üblicherwei- „As American´s lives speed up and become more technologically centered, Martha Stewart has fashioned herself into an icon of slow-paced, relaxed, domestic lifestyle.“ –Schmitt, S. 160 Marken machen auch vor einzelnen Menschen nicht halt. Es ist möglich, und für manche Menschen sogar ratsam, die eigene Person markengleich zu behandeln. Dieses Brand Management light birgt großes Potenzial, denn richtig angewendet, lässt sich eine Reputation generieren, mit gar nicht einmal allzu viel Arbeit. se keine überkommene heraldische Formsprache mehr, sondern soll in einer zeitgemäßen Weise im Sinne der Einwohner sprechen. Der letzte Punkt ist hervorzuheben. Ebenso wie in einem Unternehmen gilt für eine StadtMarke, dass die Menschen diese akzeptieren und leben müssen, wenn sie erfolgreich und überzeugend sein soll. Vor dem Hintergrund des 11. Septembers 2001 hat das Thema der Stadtmarken Brisanz bekommen. Manhattan (Big Apple) verlor mit den beiden Türmen des World Trade Centers zwei markante Punkte seiner Skyline – es brach sozusagen ein Symbolstück der Stadt weg. „The image of the Manhattan skyline may stand for vitality, power, decadence, mystery, congestion, greatness, or what you will, but in each case that sharp picture crystallizes and reinforces the meaning.“ –Lynch, S.8-9 10 http://www.slovakspectator.sk/clanok-13476.html 11 http://www.shrinkingcities.com/ 16 17 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Damit war es nicht mehr die gleiche Stadt. Sie ist nun Made in ... dabei sich neu zu finden. Das Selbstverständnis der Länder sind Marken. Ihre Identitäten sind mit bestimm- Einwohner hat sich geändert. Die Kritik an der eigenen ten Eigenschaften verknüpft. Diese Assoziationen haben Regierung ist groß. meist einen historischen Ursprung, sind heute aber größ- Infolge der Anschläge mussten generell die Elemente in tenteils nicht mehr gültig. Die Nationalität wird trotzdem assoziativer Reichweite, wie Flugzeuge, Waffen oder wirksam als Image benutzt. Hochhäuser, sensibler verwendet oder sogar gemieden Ein anderer Aspekt ist die Ähnlichwerdung von Städten. „A successful brand will be seen as a key national asset. No country will be able to ignore the way the rest of the world sees it.“ Das Branding als Individualisierung, und Mystifizierung –Olins, S. 169 werden. einer Stadt soll die Besonderheiten gegen Einheitlichkeit Wie Wally Olins in seinem Buch On Brand ausführt, sind und Attraktionsverlust schützen. Städte brauchen manche Vorstellungen fest mit bestimmten Ländern ver- Einzigartigkeit, bedenkt man die gestiegene Mobilität der bunden. Deutschland hat sich einen Namen als präzise Menschen, und ihre Bereitschaft, umzuziehen. Einigen und fleißige Ingenieurslandschaft gemacht, obgleich Städten ist, nach einer industriellen Blütezeit, das Überle- heute ein Großteil entsprechender Produkte gar nicht ben nicht mehr sicher. Ein eigens ausgerufenes Projekt mit dem Titel Shrinking Cities 11 soll Ideen zur Erhaltung von Detroit, Ivanovo, Manchester, Liverpool, Halle und Leipzig unter der Überschrift Reinventing Urbanism zusammentragen. Eine Stadt zu Branden ist ein Prozess großer Komplexität und Dynamik, zu dem klassische Methoden nur ansatzweise beitragen können. Solch ein Prozess ist eine interdisziplinäre Herausforderung, zu der unter anderem Städteplaner, Psychologen, Soziologen, Historiker, Designer und die Einwohner selbst beitragen. Es ist nicht einfach, einen zeitgeformten Komplex, wie die Stadt, zu verändern. Die Städteplanerin und Autorin Jane Jacobs beschrieb den einzig gangbaren Weg, als from the street level up. Auf höherer Ebene ist es kaum möglich, Einfluss zu nehmen, ohne schädigend in das vielschichtige Geflecht einer Stadt einzugreifen. mehr in Deutschland gefertigt wird. Englands Tradition PIC 2 I Love New York Logo Nach Milton Glaser Quelle: Google Bildsuche und Qualität gipfelt im Rolls-Royce, der zum Inbegriff für Qualität wurde. Rolls-Royce galt als das beste Automobil der Welt. Häufig werden Produkte sogar als ›der RollsRoyce unter den ...‹ bezeichnet. Der Automobilbereich von Rolls-Royce wurde unlängst von BMW übernommen. BMW ist allerdings sehr bemüht, die Britishness der Automarke zu pflegen. Dafür wird sogar ein Werk in England aufrecht erhalten. Und der Geländewagen M-Klasse von Mercedes wird in Amerika für seine hohe deutsche Verarbeitungsqualität geschätzt. Gefertigt wird der Wagen für den amerikanischen Markt allerdings in Alabama. Das Image eines Produkts und seine Herkunft sind heute nicht mehr unbedingt direkt miteinander verbunden, entgegen einer allgemeinen Überzeugung. Darüber hinaus konkurrieren Länder zunehmend auf supranationaler und internationaler Ebene. Die Globalisierung weitet die Bühne aus, auf der verglichen wird. 18 19 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Initiative von BBC und ZDF, für Großbritannien 12 12 http://www.wolff-olins.com/britain/ Länder werden gezielt eingesetzt, um Assoziationen zu Die Londoner Branding Schmiede Wolff Olins hat, auf wecken. Eine Nation Brand wird in einem globalen und Deutschland 13 ein Branding erarbeitet. 13 http://www.wolff-olins.com/germany/ Wettbewerb, politisch und wirtschaftlich, wichtig. Wally Olins fragt in diesem Zusammenhang, ob die USA von Für die Insel war das defizitäre Selbstverständnis, und die Aggressionen verschont geblieben wäre, wenn sie früher angeblich schlechte Reputation Auslöser, mit dem Ziel, die – wie eine Marke – auf ihre Außenwahrnehmung geachtet internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. hätten. Das hätte eventuell Feindbilder abgebaut, und Deutschland hat dagegen mit einem negativen Image zu Irrtümer ausgeräumt. kämpfen, das teilweise aus der deutschen Vergangenheit rührt. Nichtsdestotrotz gilt Deutschland als Dynamo der Das Image eines Landes muss nicht gleich das ganze europäischen Wirtschaft, und es gibt ausreichend Land betreffen, sondern kann auch nur für manche Argumente pro Deutschland. Produkte hinderlich sein. Aus Italien würde man z.B. keinen Whisky erwarten, aus Brasilien keine Computer und Deutschland wurde unter anderem der Verzicht auf das aus Deutschland keine Zigarren. Es stellt sich die Frage, Schwarz in der Flagge empfohlen. Stattdessen sei das ob entweder die Marke auf den nationalen Zusatz verzich- europäisches Blau eine bessere Ergänzung zu Gold und ten sollte, oder sich das Image der Nation ändern sollte? Rot. Innovation spricht aus der Kürzung des Namens Also Made by Porsche statt Made in Germany? Deutschland auf das Kürzel DE – ein Zitat auf den technologischen Fortschritt im Zeitalter des Internet. Interessant in diesem Zusammenhang ist das Großbritannien gewinnt mehr Stärke durch die Unternehmen Easy hinter EasyJet, denen keine offensicht- Reduzierung von Great Britain auf Britain – das Great sei liche Nationalität anhaftet. Eine Marke, deren erfolgreiche selbstverständlich. Der Unionjack muss dem legeren Expansion in unterschiedlichste Geschäftsfelder nicht Einsatz der Grundfarben Rot, Blau und Weiß weichen, um PIC 3 Branding Germany durch ein Klischee eingegrenzt zu sein scheint: easyJet, England von dem imperialistischen Image zu befreien. Brand Revitalisation für Deutschland easyInternetcafe, easyCar, easyValue, easyMoney, easyHotel, easyCinema, easyBus, easyCruise, easyPizza, Die Arbeit von Wolff-Olins wurde breit anerkannt und kri- Wolff-Olins tisiert – positiv, wie negativ. Durch die sehr konkreten Quelle: http://www.wolff-olins.com/germany/ easyTelecom, easyMusic. Alle diese Geschäftsfelder sind entweder auf dem Weg oder bereits existent. Und dies Ansätze wird das Thema des Nation Branding greifbar sind alles keine Nischenmärkte. und diskutabel. Vielleicht hat die Arbeit auch eine Reflexion der Einwohner des jeweiligen Landes ausgelöst – sozusagen Design als Hilfe zur Selbstfindung. PIC 4 Branding Britain PIC 5,6,7 Easy... Brand Revitalisation für Grossbritannien EasyJet, EasyCar, EasyInternet Café Wolff-Olins Pressematerial der Easy Group Plc Quelle: http://www.wolff-olins.com/britain/ Quelle: http://www.easy.com/ 20 21 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Enduring Freedom Ein heikles Thema ist die Präsentation jeglicher kriegerischer Aktionen, besonders einer Supermacht, wie den Vereinigten Staaten. Die Auseinandersetzung nach den Anschlägen auf das World Trade Center verlangt den Ein anderer Bestandteil des Krieges ist die Kommunikation der eingesetzten Waffen. Ein Marschflugkörper bekommt Charakter, wenn er Tomahawk heißt. Und eine Abfangrakete, die Patriot Zusammenfassend kann Krieg auf internationaler Ebene Besonders vor dem Hintergrund der weltweiten, verzöge- als Branding und Marketingleistung besonderer Art rungsfreien Berichterstattung, und dem Novum des einge- bezeichnet werden. Vor dem Hintergrund der bekannten betteten Journalismus. und unbestrittenen Grausamkeit soll ein Krieg dennoch die Operation zunächst Infinite Justice hieß, und nach einer Woche als Anmaßung gegenüber Gott empfunden wurde, kam es zu einer schnellen Namensänderung. Aus Infinite Justice wurde ein entschärftes Enduring Freedom 14. 15 http://www.freepress.org/columns/display/5/2002/347 16 Charles McClain, Pressesprecher der Amerikanischen Armee heißt, kann auch nicht so richtig schlecht sein. Staaten eine große Kommunikationsleistung ab. Probleme gab es bereits bei der Namensgebung. Nachdem 14 http://www.languageadvantage.com/news/specialenduringfreedom2001.htm die größtmögliche Zustimmung erhalten. Besonders da heute jedes Land mit politischen Konsequenzen rechnen muss, die es sich vielleicht nicht erlauben kann. Umso aufwendiger sind alle Bemühungen hierzu. So zynisch es klingen mag, aber manches kann man sicher von einem Krieg lernen. Namensänderungen zur Imageänderung sind nicht neu. Schon vor Jahrzehnten wurde der Bereich War der amerikanischen Regierung in Defense umgetauft, was dem dahinter verborgenen Budget mehr Rechtfertigung geben sollte. Und 1989 lief die Invasion Panamas erstmalig unter einem strategisch gewählten Namen: Operation Just Cause. Die Medien nahmen solch einen plakativen Namen gerne auf. 1991 lieferte der Golfkrieg einen ähnlich passenden Namen, der eher an eine Naturgewalt, als an einen Krieg erinnert: Operation Desert Storm 15. „The perception of an operation can be as important to success as the execution of that operation.“ 16 Hinzu kommen Sprach- und Bildwelten, die während des Krieges, besonders vom Präsidenten entstanden sind. In überlegenen und heroischen Posen, mit großen Worten bestärkte der Kopf der Vereinigten Staaten die Überlegenheit des Landes. So entsteht ein Bild von Krieg, das nichts mehr mit schmutzigen, grauenvollen Schlachten vorangehender Kriege gemeinsam hat. Es ist eine gut komponierte Selbstdarstellung. PIC 8 Enduring Freedom Beschnittenes Logo Anti Kriegslogo Über Bildersuche auf Google Quelle: http://www.singlenesia.com/antiwar/ 22 23 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Basis Strategien Brand Management Marken, ihr Einsatz, ihr Aufbau und ihre Pflege, sind ein eigener Werbezweig. Neben spezialisierten Branding Agenturen entstanden auch spezielle Brand Management Abteilungen, die mit der Koordination der unternehmenseigenen Marken beschäftigt sind. Dabei geht es um die Steuerung bestehender Marken, die Entscheidung für oder gegen neue Marken, oder die Erweiterung von Marken. Besonders in größeren Unternehmen wird das Management von Marken heikel, damit es z.B. nicht zu Konkurrenzsituationen zwischen Marken im gleichen Haus kommt. CapitalOne auf alte Kontrollmechanismen und etablierte Brand Promise Die Aussage, die eine Marke macht, kann stattdessen ein integratives Belohnungs- und als Versprechen an den Konsumenten verstanden werden. Bewertungssystem. Es brauchte nicht lange, bis die vier Schafft es die Marke nicht, im Sinne der vermittelten Kernwerte unzertrennlich mit der Abteilung verbunden Werte zu überzeugen, ist die Erfahrung mit der Marke waren. Zusätzlich lag die Fluktuation der Mitarbeiter mit enttäuschend. Das Versprechen wurde nicht eingehalten. 4% deutlich unter dem branchenüblichen Durchschnitt von 20%. Faktoren Die folgende Aufstellung erklärt einige Branding Begriffe. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben, zumal sich die Familie dieser Begriffe mit jeder neuen Brand Aktivität vergrößert. Die Professionalisierung des Brand Management und des Brand Consulting führt für Berater zu ständig neuen Aufgaben, und für Unternehmen zu immer neuen Investitionsmöglichkeiten. Das Geschäft mit Daher ist es von großer Bedeutung, an jedem Berührungspunkt dem aufgebauten Image auch zu entsprechen, da an jedem dieser Kontaktpunkte das antizipierte Bild der Marke im Kunden eine Erwartungshaltung erzeugt. Ein Bruch mit diesem Bild kann das wahrgenommene Markenimage in positiver oder negativer Weise beeinflussen. Im positiven Fall darf die Abweichung zugunsten der Glaubwürdigkeit nicht zu groß sein. Im negativen Fall kann jede Abweichung sich negativ auf das Vertrauen auswirken. einen Eindruck von markenrelevanten Tätigkeiten. Die Brand Architecture „Brand architecture defines and orders the relationships between brands, the corporate entities and families of products and services.“ 17 Eine weitere Schwierigkeit des Brand Management ist die jeweiligen Erklärungen sind Querschnitte der Die Architektur zwischen den Marken eines Verwaltung der Marken, um sie in einem Unternehmen Auffassungen. Ein Großteil der Begriffe stammt von Unternehmens soll sicherstellen, dass die richtigen oder zu einem Produkt durchgängig anwenden zu kön- Landor Associates, einer Agentur mit 57 jähriger Brand Marken in Verbindung stehen und von den falschen nen. Zum einen bestehen die Kontaktpunkte, an denen Erfahrung. Fehlende, aber als zugehörig empfundene Marken sauber getrennt erscheinen, damit es nicht zu eine Marke erfahren werden kann, aus physischen Begriffe sind ergänzt. Konkurrenzsituationen in den eigenen Reihen kommt. Brand Das, was gemeinhin als die Marke bezeichnet wird, Manche Marken werden bewusst nebeneinander gestellt, Um die Bedeutung einer Marke einschätzen zu können, der Markenpflege speist sich scheinbar selbst mit sei das Beispiel Coca-Cola erwähnt, für die ein Drittel des Nachfrage. Unternehmenswertes aus der Marke besteht. Marken haben ein enormes wirtschaftliches Gewicht bekommen. Gegenständen, zum anderen aber aus Vorstellungen, Erwartungen und Haltungen. Für diese ein durchgängiges System zu etablieren ist schwierig. An dieser Stelle macht es sich bezahlt eine einfache Botschaft zu haben, die in wenigen Worten kommunizierbar ist – idealerweise als Geschichte – und leicht nachvollzogen und übernommen werden kann. Je durchgängiger das praktiziert wird, desto stärker die Marke. Ein kompliziertes Markenhandbuch ist hierzu ein schwacher Ansatz. Die EDV Abteilung des amerikanischen Unternehmens Darüber hinaus vermitteln die nachfolgenden Aspekte ist die Summe aller Eigenschaften, welche der Marke ihre charakteristische Einzigartigkeit geben. Diese Eigenschaften können materiell oder immateriell sein. Je weniger einzigartige Eigenschaften eine Marke hat, oder je schwächer die vorhandenen Eigenschaften sind, als desto schwächer gilt die Marke. „A brand is the consumer idea of a product.“ –David Ogilvy CapitalOne, bekannt für sein Kreditkartengeschäft, kon- Eine von Brand Spezialisten häufig geforderte Bemühung zentrierte seine Philosophie auf vier Kernwerte. Das war zur Markenpflege ist, die Einzigartigkeit der Marke in notwendig geworden, da das Unternehmen nach einem jedem Kontaktmoment deutlich zu machen. Eine Marke sprunghaften Anstieg der Mitarbeiterzahl, seine soll in jeder Erfahrung, ihrer Glaubwürdigkeit wegen, Organisation umstellen musste. Dafür verzichtete bestätigt werden. um zum Beispiel Synergiepotenziale zu erzeugen. Manche Produktmarken besitzen einen intentionalen Bezug zur Dachmarke, meist als Unterstützung, andere Produktmarken stehen dagegen allein. „... the architecture creates a system ... that helps consumers and key corporate constituents to navigate easilyamong brands and make t he right choice.“ 18 Corporate Brand Das wahrgenommene Gesamtbild eines Unternehmens. Diesen Eindruck konstituieren Faktoren, wie die Firmenphilosophie, die Unternehmenskultur, die Architektur und jede andere Form visuellen oder immateriellen Auftritts. 17, 18 Allen P. Adamson, Managing Director, Landor Associates, New York 24 25 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Parent Brand Die Dachmarke, und gleichzeitig oft der Family Brand Ein relativ neuer Trend sind Familienmarken, Firmenname, muss stark genug sein, um alleine (be)ste- angesetzt zwischen Dach- und Einzelmarke. hen zu können, und die Kernwerte des Unternehmens zu transportieren. Die Dachmarke wird oft zur Unterstützung, oder in Kombination, benutzt. Mit ihr muss ein klares und starkes Markenbild einhergehen, so dass Marken in ihrem Umfeld davon profitieren können. Sub Brand Tochtermarken werden gebildet, wenn ein Marktsegment Die Office-Produktfamilie von Microsoft beispielsweise, erschlossen werden soll, das mit der Dachmarke nicht bietet die speziellen Merkmale einer Einzelmarke, ist aber bedient werden kann. Das Ausbilden einer Sub Brand ver- offen für eine Erweiterung der Produktpalette innerhalb hindert eine Kannibalisierung der Dachmarke. Sollte die der Familie. Bei Microsoft gibt es sogar Ebenen von Untermarke floppen, trägt die Dachmarke keinen Familienmarken. Die Office-Familie ist wiederum Teil der Schaden. Ende des neunzehnten Jahrhunderts besaßen Windows-Familie. Dennoch ist die Zusammengehörigkeit Unternehmen, wie Procter & Gamble, Lever oder Henkel quer durch die einzelnen Ebenen erkennbar. David A. Aaker 19 nach, existieren folgende drei viele Einzelmarken. In den achtziger Jahren war der Aufbau und der intensive Einsatz von Dachmarken verbreiteter. Dieser Trend hat zugunsten der Einzelmarken (Sub Brands) wieder nachgelassen. Beide Strategien haben ihre Vor- und Nachteile. Während die Dachmarke einfacher und günstiger zu pflegen ist, kann sie durch ihr feststehendes Image begrenzend auf die Ausweitung des Angebots wirken. „If a brand is perceived as too broad, the customer is unclear as to what it stands for.“ –Allen P. Adamson Demgegenüber bieten einzelne Einzelmarken mehr Flexibilität, zu einem höheren Preis und einer aufwendigeren Pflege. „This kind of churn [fast moving sub brands] does little to build long-term relationship with consumers ...“ –Allen P. Adamson Beziehungstypen zwischen Parent Brand und Sub Brand. Zwischen diesen Typen existieren vielfache Varianten, die eine eindeutige Trennung nicht möglich machen. 19 David A. Aaker, Harvard Business Review on Brand Management, Should You Take Your Brand to Where the Action Is? 26 27 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Sub Brand als Endorser Der erste Typ beschreibt den Sub Brand als Co-Driver Die zweite Variante bildet Parent Sub Brand als Descriptor In der dritten Variante überwiegt Einsatz der Parent Brand als Endorser. Das bedeutet eine und Sub Brand gleichwertig ab. Die Brands fungieren als die Parent Brand, zu der die Sub Brand wie ein Descriptor Kombination beider Marken, wobei die Sub Brand deut- Co-Driver. Dabei haben beide Marken einen gleichgewich- ergänzt wird. Die Parent Brand ist dabei der Antrieb für lich dominanter ist, aber von der Mitnennung der eta- tigen Einfluß auf den Kauf und den Konsumenten. Kaufentscheidung und Wahrnehmung. In dieser Variante blierten Parent Brand profitiert. Die Sub Brand ist in die- Wichtig ist, das sich das Angebot tatsächlich nicht ist die Gefahr der Kannibalisierung der Parent Brand ser Konstellation kaufbestimmend und eindrücklicher. Konkurrenz macht. durch eine strauchelnde Sub Brand am größten. Um dies zu vermeiden muss die Trennlinie zwischen den beiden Ebenen sehr genau gezogen werden. Ingredient Brand Die Marke als Zutat beschreibt eine Variante des Co-Brandings, in der ein Produkt neben seinem Markennamen auch den von Markenzutaten führt. Auf Cola Dosen ist es das NutraSweet und auf Computern gerne das Intel Inside Zeichen. Diese Kombination kann für beide Parteien positiv sein. 28 29 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Co-Brand Das gemeinsame Branding zeigt zwei Marken in Product Brand Unter einer Parent Brand können mehrere Brand Equity Der Marktwert einer Marke als Teil des Zusammenhang mit einem Produktangebot, in einer übli- Product Brands existieren. Product Brands sind Sub Vermögens des jeweiligen Unternehmens. cherweise gleichberechtigten Stellung. Wenn British Brands. Eine Produktmarke besteht aus dem rezipierten Airways gemeinsam mit Disneyland Europe ein emotionalen, kulturellen und physikalischen Bild des Reiseangebot schnüren würde, sind beide Marken Seite Produkts, und zum anderen gehört die Summe seiner an Seite erwähnt. visuellen Identifikationsmerkmale dazu. Die Marke spielt, obwohl nicht greifbar, eine bedeutende finanzielle Rolle. Für den Hersteller der bekannten braunen Limonade macht seine Marke ein Drittel des Unternehmenswertes aus. Coca Cola hat zwischen Ein Produkt kann auch in Form eines Services existieren. Hersteller und Konsumenten einen Bekanntheits- und Ein solches Angebot läuft als Service Brand. Bedeutungsgrad, der beispielhaft ist. Ein weiteres Beispiel ist Nestlé´s Übernahme von Rowntree, in deren Produktportfolio sich etablierte Marken befinden, wie KitKat oder Smarties. Nestlé hat für Rowntree und seine Marken ein fünffaches des reinen Unternehmenswertes bezahlt. Obwohl unsichtbar, haben Marken einen erstaunlich hohen finanziellen Wert. Es dürfte schwer sein, den Wert einer Marke präzise zu messen. Insofern müsste die Brand Equity ein rotes Tuch für jeden klassischen Wirtschaftler sein. Brand Essence Die Essenz einer Marke formiert sich aus den ihr ureigenen Qualitäten, verbunden zu einem Kernkonzept. Die so gebündelten Eigenschaften liegen jedem anderen markenverbundenen Ausdruck zugrunde. Für BP ist beispielsweise das Kernkonzept, und damit die Brand Essence: Energy Exchange. Auf der Geschäftsebene bedeutet das eine innovative Energiepolitik, fairer Handel, hohe Performance, herausragende Technologie, und auf menschlicher Ebene beschreibt das Konzept ein innovatives, inspirierendes, lernförderliches und verbindendes Umfeld. So gesehen beschreibt das Kernkonzept vielmehr einen Ort, an dem Energie gegeben und aufgenommen wird. 30 31 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Brand Extension Die Erweiterung einer Marke meint die Übertragung ihrer Qualitätswahrnehmung auf ein erweitertes Produktangebot. Die Marke mit all ihren Eigenschaften wird auf ein neues, oder anders ausgerichtetes Produkt aufgebracht – oder umgekehrt betrachtet, wird ein weiteres Produkt mit unter den Schirm der Marke gezogen, in der Hoffnung, dass es von den Attributen der Marke profitiert. Die Erweiterung einer Marke wird häufig assoziiert mit einer einfachen und problemlosen Ausweitung der Einnahmequellen, bei gleichzeitiger Kosten- und Zeitersparnis, gegebener Bekanntheit und breiter Akzeptanz. Praktisch ist eine solche Erweiterung aber eine komplexe Angelegenheit, denn nicht jede Marke kann für grenzenlos viel stehen, und tatsächlich kann auch nur ein kleiner Teil aller Markeneinführungen als Erfolg bezeichnet werden. Wenn die Kombination aus Stammmarke und neuem Produkt nicht zueinander passt, bedeutet das für beide einen Verlust. Während für Kodak der Einstieg in den Digitalkameramarkt von Zweifeln begleitet ist, da die Marke mit guten, aber alten Fotoapparaten verknüpft ist, fällt es Sony aufgrund des progressiven Image leicht, im Digitalkameramarkt Fuß zu fassen. Ein anderes Beispiel liefert McDonald´s. Das etwas andere Restaurant versuchte seine Marke in den Freizeitbereich auszudehnen, und Hotels unter dem Namen Golden Arch zu eröffnen. Das Konzept ging nicht auf und McDonald´s trat die Hotels wieder ab. Bei seiner Kernkompetenz zu bleiben ist nicht verkehrt. McDonald´s macht zwischen 40 und 50 Milliarden Dollar Umsatz pro Jahr. Mit gut 50 Milliarden Dollar Umsatz macht General Electric noch etwas mehr Umsatz, braucht dafür aber 26 Geschäftsbereiche. McDonald´s hat nur einen Einzigen. 32 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Line Extension Ein Produkt wird leicht variiert in eine bestehende Produktlinie ergänzt. Aufbauend auf bestehende Markenwerte kann die Reichweite oder die Zielgruppe ausgeweitet oder verschoben werden. Alle Produkte einer Reihe teilen die gleichen Kernqualitäten, unterscheiden sich aber in mindestens einem wesentlichen Detail. Die Cola Company hat neben der originalen Coca-Cola auch noch die Varianten Coke Light, Cherry Coke, Coke Light Lemon oder Vanilla Coke. Intel baut seine Produkte beharrlich aus. Neben den Consumer Bereichen gibt es spezielle Lösungen für Bereiche, wie Servertechnik oder Mobiltechnik. Intel hat Chip Modelle für beinahe jede Kundengruppe. Nur sehr spezielle Lösungen werden noch von Konkurrenten bedient – dann aber zu wesentlich höheren Preisen. Diese Verdrängungspolitik hat Intel zum Marktführer gemacht. Lediglich AMD ist dem Chiphersteller auf den Fersen, und gewinnt Kundschaft durch günstigere Preise, und angeblich mehr Leistung. 33 34 35 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Brand Harmonization Die Harmonisierung einer Marke Descriptor Oft wird einem Markennamen ein Ausdruck zur Brand Identity Equities Einzelne Bestandteile einer Marke klingt nach Zusammenführung, ist etwas präziser aber Beschreibung einer speziellen Eigenschaft oder können unterschiedliche Vermögenswerte darstellen. So die Synchronisation aller Markenaktivitäten oder Ausrichtung angefügt. Ein alkoholfreies Bier heißt zusätz- kann beispielsweise eine Farbe mehr Wert haben, als ein –elemente, vom Logo über die Produkte bis hin zur lich Drive, oder die drei Ausstattungsvarianten eines Claim, oder ein Symbol verbreiteter sein als ein Logo. Für internationalen Koordinierung. Mercedes-Benz tragen den Zusatz Avantgarde, Classic Milka, die Deutsche Post oder Coca Cola spielt die Farbe oder Elegance. eine tragendere Rolle, während sich beispielsweise Nokia Eine Marke, inklusive ihrer Philosophie, unternehmens- oder Adidas farblich nicht mit dem gleichen Gewicht defi- weit einzuführen, ist schon auf technischer Ebene nicht Digital Branding Die Auswahl und Bestückung digitaler ganz einfach. Oft scheitert es bereits an einer einheitli- Kanäle im Prozess der Markenbildung, agiert als chen Briefvorlage. Umso schwieriger ist das Etablieren Oberbegriff für alle Maßnahmen, die auf elektronischem Brand Positioning Die Position der Marke im Wettbewerb. immaterieller Qualitäten, wie z.B. ein bestimmter Wege kommuniziert werden. Interessant ist, dass viele Die Nische, welche die Marke durch Differenzierung über Umgangston gegenüber Mitarbeitern oder Kunden. Je ein- Marken des 21. Jahrhunderts sogar ausschließlich auf Eigenschaften und Zielgruppe für sich beansprucht. Es ist facher und überzeugender, und kulturell anpassungsfähi- digitalem Boden existieren. Alle Berührungspunkte sind der Bereich im Markt, an dem eine Marke die besten ger eine Marke ist, desto vorteilhafter für ihre breite immateriell. Der Einsatz digitaler Medien, wie Webseiten, Chancen auf die größten Umsätze hat, da sie entweder Akzeptanz, und desto größer ihr Nutzen. wird auch als Interactive Branding bezeichnet. führend, oder konkurrenzlos ist. Als schriftlich gefasste Brand Identity Der visuelle Ausdruck der Brand Essence. Beim Vorzeigeunternehmen Amazon ist die postalische Die Identität kann sich in der Raumgestaltung, der Lieferung einer bestellten Ware der einzige physische Unternehmensidentität oder der Produktgestaltung wider- Kontaktpunkt – und er taucht in der Beziehung zwischen Brand Revitalization Das Auffrischen einer Marke ist übli- spiegeln. Ein anderer Begriff ist Visual Identity. Das mit Unternehmen und Kunden auch erst relativ spät auf. cherweise verbunden mit der Überarbeitung von der Zeit, durch den Einsatz gestalteter Mittel ausgeprägte Dennoch ist es Amazon gelungen, unter den beschränkten Positionierung und Brand Identity. Auslöser kann eine nieren. Aussage, nennt man das Brand Positioning Positioning Statement. Bild einer Marke, gibt das Look and Feel. Dazu gehören Bedingungen der digitalen Kommunikation, eine veränderte Ausrichtung des Unternehmens oder eine ver- Bestandteile, wie das Logo, die Wordmark, eine einheitli- Vertrauensbasis zu etablieren, die dem Unternehmen eine altete Brand Essence sein. Zusammenschlüsse oder Über- che Typographie und gegebenenfalls Symbole. wachsende Kundenzahl beschert. nahmen können eine Brand Revitalization auslösen. Wenn BP beispielsweise beansprucht, eine besonders ver- Häufig wird der Fehler begangen, sich in einer Brand antwortungsvolle, klare und umsichtige Einstellung zu Revitalization nur auf eine visuelle Auffrischung der haben, äußert sich das auch in der entsprechenden visuel- Marke zu konzentrieren, aber eine notwendigere struktu- len Gestaltung, die diesen gleichen Attributen gerecht relle Veränderung auszulassen. Eine solche Überarbeitung werden soll. BP produziert Firmenmaterial mit viel Weiß, ist mehr Kosmetik, als echte Revitalisierung, da das großer Schrift und authentischen Bildern. Aussagen sind Unternehmen selten das Brand Promise erfüllen kann. einfach und klar. Die Raumgestaltung ist einladend, hochwertig,unverziert und sorgfältig im Detail. Nomenclature System Die Nomenklatur einer Marke umfasst alle Namen, Erweiterungen, Bezeichnungen und Kombinationen. Als System ist es Aufgabe der Nomenklatur, die Tonalität der Aussagen zu koordinieren, und stimmig zu halten. Ein anderer Begriff für das Bezeichnungs-System ist Verbal Identity. 36 37 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Branded Environment Die Gestaltung des physischen Raums, Ein weiteres Produkt physischer Raumgestaltung im Sinn im Sinne der Markenwerte. einer Marke sind die Flagship Stores. Unter Regie des Die gebrandete Umgebung setzt die Kernkonzepte der Marke in den sichtbaren, und begehbaren Raum fort. Unternehmens, werden Läden, in Übereinstimmung mit den Markenwerten, errichtet. Wichtig ist, dass das Versprechen der Marke gehalten wird – was mit einem Mitarbeiter, Besucher und Kunden machen sich auf Basis wesentlichen finanziellen Aufwand verbunden ist. PIC 10 Apple Flagship Store aller Berührungspunkte ein Bild von einer Marke. Für BP Flagship Stores überbrücken die Nicht-Greifbarkeit einer Der zuletzt eröffnete Flagship Store von Apple in San Francisco bedeutet das z.B. die konsequente Gestaltung realer Marke, und stellen reale Bezugspunkte her. MacNN Räume unter den Vorzeichen: Pur, simpel, menschlich, fließend, performant, natürlich, vertraulich und sensibel für Details. Um das Core Concept auch real deutlich zu manifestieren, entwickelte BP Installationen, die tatsächlich Energy Exchange betreiben. Energie wird aus den Gebäuden getragen und der Gemeinde in Form von Straßenlaternen oder Ladestationen für elektrische Fahrzeuge zur Verfügung gestellt. PIC 9 BP Office Environments Energy Exchange Umsetzung BP Office Environments Quelle: http://www.bp.com/ Quelle: http://www.macnn.com/ 38 39 Kapitel 2 Experience Marketing und Design In dem (sehr) amerikanischen Buch Experiental Marketing abstrahiert Bernd Schmitt traditionelles Marketing, und vergleicht es mit seinem ganzheitlichen Entwurf eines Experiental Marketing, demonstriert dessen Vorteile und gibt Ratschläge zur strategischen Umsetzung. Durch den Pragmatismus und die rigorose Methodik, mit der Schmitt Experiences kategorisiert und einsetzt, schafft das Buch ein praktisches Framework. Das dargebotene System reduziert die Komplexität des menschlichen Erlebnisraums. Die Bildung von Systemen ist üblicherweise zur Vereinfachung gedacht. Hier unterscheiden sich die Schwerpunkte der beiden Autoren. Während Schmitt ein solches System deduktiv aufbaut, taucht Shedroff in die Phänomene ein. Induktiv leitet er Merkmale des menschlichen Erlebens ab, und geht maximal soweit, dass er diese kategorisiert. Aber es wird deutlich, dass es keine Je intimer die Erfahrung mit einem Produkt, desto eindrücklicher die Erinnerung. Um ein verbindendes und dauerhaftes Erlebnis zu schaffen, ist die Betrachtung der Berührungspunkte und der beteiligten Sinne erforderlich. Das Experience Design, oder im Falle des Marketing, das Experiental Marketing, bietet Einsichten und Ansätze, wie sich die aktuelle Stufe der Branding Entwicklung ausgestaltet. Experiences sind weniger materielle, als vielmehr emotio- eindeutige Trennlinie zwischen den Kategorien gibt. nale Schnittstellen zu einem Produkt. An ihrem Es gibt auch Parallelen zwischen Schmitts Marketing, und Zustandekommen ist eine Vielzahl von Faktoren beteiligt. dem exemplarischeren und offener gefassten Design von Die strategische Gestaltung eines kompletten und ganzheit- Nathan Shedroff. Besonders die ganzheitliche und multi- lichen Experience ist, im Gegensatz zur Gestaltung der ein- sensorische Betrachtung verbindet Shedroff und Schmitt. zelnen Bestandteile, ein komplexes Unterfangen. Im folgen- Shedroff kommt die exploratorischere Rolle zu, arbeitet er den werden zwei Methoden zur Gestaltung solcher doch als Designer in einem eher prozessorientierten Experiences vorgestellt. Umfeld. Bernd Schmitt´s vorgestellte Perspektive ist marketingla- So gesehen bietet Schmitt eine Basis, die das Terrain stig und theoretisch, während Nathan Shedroff´s absteckt, während Shedroff darüber hinausreichende Perspektive aus dem Bereich des Interaktionsdesign Möglichkeiten erkundet. stammt, abstrakter ist und den menschlichen Erfahrungsund Wissensgewinn zum Ziel hat. 40 41 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Experiental Marketing Im Kern ist Schmitts ganzheitliche Betrachtung sehr praktisch, und bietet viele Ansatzpunkte. Die Tatsache, dass ein Netz an Einflüssen auf den Konsumenten einwirkt, Holistic Approach Bernd Schmitt führt die begrenzte Sichtweise traditionellen Marketings auf, und stellt dann sein Modell des Experiental Marketings dagegen. Traditionell wird angenommen, dass der Konsument die Vorteile und Funktionen eines Produkts rational abwägt, und daraufhin eine Kaufentscheidung trifft. Die Marketingsicht dahinter sei eng, und nur auf unmittelbare Mitbewerber im gleichen Segment begrenzt. Die Entwicklungsmethoden seien analytisch, quantitativ und verbal. verlangt eine umfassendere Betrachtung der Beziehungen und Wechselwirkungen. Andernfalls läuft das Marketing Gefahr, an der Realität vorbei zu planen. Irrationale Kunden Nach Schmitts Auffassung sind Kunden nicht so rational, wie oft vermutet. Es seien wesentlich mehr Emotionen und irrationale Kräfte an einer Kaufentscheidung beteiligt. Oft wird ein Produkt impulsiv gekauft, und eine rationale Argumentation für den Kauf erst später gefunden. In ähnlichem Sinne hat IBM in den Publikationen seiner Ein Großteil der Kaufentscheidungen wird auch tatsäch- Ease of Use-Philosophie die Ziele des Unternehmens weit lich erst am Point-Of-Sale getroffen, ohne lange Vor- und gefasst. Es geht dem blauen Riesen nicht um das Nachteile abzuwägen. Herstellen von Endgeräten, sondern darum, Interaktionen zu ermöglichen, und das soziale Leben von Menschen zu Analyse unterstützen. Diese Perspektive klingt zum einen besser, Für die Entwicklung neuer Ideen und zur Reflektion und verschafft IBM zum anderen einen umfassenderen bestehender Lösungen, sei eine Mischung verschiedenster Entwicklungsansatz. Methoden gut. Besonders visuelle Methoden sollen aufgrund ihrer assoziativen Kraft vermehrt eingesetzt wer- Experiental Marketing betrachtet dagegen das gesamte den. Die Betrachtung sollte nicht nur auf die unmittelba- Kauferlebnis, beginnend mit einer umfangreichen Sicht ren, bekannten Konkurrenten im gleichen Marktsegment der zugehörigen Eindrücke. Statt z.B. einer einfachen konzentriert werden, sondern ebenso auf Rasur vollbringt der Mann im Bad Körperpflege. Das Neuerscheinungen und entferntere Angebote. Ein Einzelne wird in seinen nächstgrößeren Zusammenhang begrenzter Blick schränkt die eigene Perspektive und die gesetzt – eine Perspektive, die bereits Charles und Ray eigene Strategie ein. Eames formuliert haben. So rücken mehr beteiligte Faktoren in das Sichtfeld. Eine solche Betrachtung weitet Holistic Approach das Verständnis für die Einflussfaktoren und bietet mehr Schlüsselfaktoren für die Gestaltung emotionaler Gestaltungsansätze. Bezugspunkte zu einem Produkt, sind die Key Experience Alan Siegel 20 kündigt allerdings den Tod sogenannter Enabling Brands an. „People don’t want to have ›M-life‹, they want a cheap cell phone that works and has neat features. Consumers will increasingly be looking for demonstrable value.“ 21 Der Konsument sei kompromissloser geworden, und vollmundige Versprechen für zweifelhafte Lifestyle-Gefühle seien nur noch wenig glaubwürdig. Der exemplarische Mann im Bad möchte sich einfach nur gut rasieren. Providers (ExPro´s). Zu ihnen zählt der Kontakt zu anderen Menschen, die Kommunikation, visuelle oder verbale Identifikationsmerkmale, die Produkterscheinung, Cobranding, Umgebungen und elektronische Medien. In all diesen Bereichen lassen sich Erlebnisse konstruieren. Dabei helfen die Strategic Experiental Modules (SEM), welche die Kanäle zur Wahrnehmung eines Erlebnisses kategorisieren: Think, Act, Relate, Sense, Feel. Gutes Experiental Marketing nutzt folglich möglichst viele Kanäle je Bezugspunkt, so dass der Erlebnisraum des Konsumenten breit taxiert wird. Nach Bernd Schmitt kann so eine eindrücklichere und andauernde Produktbeziehung entstehen. 20, 21 Alan Siegel, Top Seven Branding Predictions for 2004, Artikel auf www.aigalosangeles.org 42 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Ein Beispiel für einen gut gestalteten Produktkontakt, ist das Redesign des Out-of-Box-Experience (OOBE) für DELL Computer von Polychrome Studio Inc. DELL war nicht zufrieden mit der Qualität des Experience beim Auspacken seiner Produkte. Das OOBE entsprach nicht dem Anspruch, und passte nicht zu der sonst praktizierten, hochwertigen Produktphilosophie. Kommentare auf der Verbraucherseite signalisieren, dass das Auspacken eine Rolle spielt und kritisch wahrgenommen wird. Das wundert kaum, wenn man für mehrere tausend Euro ein Gerät bestellt hat. „One of the great things about Dell machines is their OOBE (Out Of Box Experience), and this unit certainly didn't disappoint. If you aren't into computers and need to open the box and hit the ground running, Dell provides this.“ –stachoni, epinions Member Anmerkung Bernd Schmitt räumt in seinem Epilog ein, dass es für ihn noch eine substantiellere Form von Experiences gibt – sogenannte Existential Experiences. Sie sind in der Lage unser Leben, unsere Wertvorstellungen und Prioritäten zu ändern. Dagegen sehen die Erlebnisse, die per Marketing geschaffen werden, wie Lügen aus. Schmitt wendet ein, dass wir nicht permanent Existential Experiences ausgesetzt sein könnten, und einfachere, z.B. durch Produkte hervorgerufene Varianten, durchaus ihre Berechtigung haben. PIC 11-19 DELL Out-of-Box Experience (OOBE) Überarbeitetes Packaging Polychrome Studios Inc. mit Pentagram Quelle: http://www.polychrome.org/ 43 44 45 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Experience Design Experiences Shedroff vertritt die Auffassung, dass alles grundsätzlich Nathan Shedroff formuliert mit seinem Buch Experience Design eine Designphilosophie. Er schafft keine neue Theorie, sondern verknüpft eine Reihe von Disziplinen unter dem Titel Experience Design. Zu diesem Thema ist 1995 auch seine Unified Field Theory ein Experience ist. Und die besten Experiences, sind reale Experiences. Jegliche Form digitaler Experiences kommt (noch) nicht an die Qualität einer realen Experience heran. Ein gutes Beispiel ist ein intensives Gespräch mit einem anderen Menschen. Trotz der unzähligen Miniprozesse in einer Konversation kommt uns das entstanden. Sie betont die Gestaltung wertvoller Gespräch fliessend vor. Wir sind uns der Bestandteile Experiences, durch die Kombination unterschiedlicher dabei nicht bewusst, nur der Intensität des Geschehens. Disziplinen. In seiner Ausführung steht der persönliche Ein Ideal-Zustand, den Professor Mihaly Csikszentmihalyi Erkenntnisgewinn – das Erschaffen von Bedeutung, und als Flow bezeichnet. die daraus gewonnene Befriedigung – im Vordergrund. Diese Befriedigung macht bestimmte Erlebnisse einzigartig und besonders eindrücklich. Da auch des Branding versucht, einzigartige Erlebnisse zu schaffen, um diese mit Produkten zu verknüpfen, ergibt sich hier eine Über- „In particular, the elements that contribute to superior experiences are knowable and reproducible, which make them designable.“ –Shedroff, S. 2 schneidung. Für das Branding ergeben sich aus dem Experiences sind analysierbar. Viele der Elemente sind Experience Design Ansätze, die im Rahmen klassischen nicht offensichtlich, darum muss die Analyse entspre- Marketings nicht vorkommen. chend gut sein. Die Qualität der Analyse entscheidet über Nathan Shedroffs Schwerpunkt liegt im Bereich Interaktions Design. Dennoch lassen sich die meisten die Qualität des gestalteten Experience. Sind die Faktoren erst mal bekannt, lassen sich Experiences reproduzieren. Beobachtungen verallgemeinern, so dass sie in andere Even more Holistic Approach Bereiche übertragen werden können. Ähnlich dem Holistic Approach von Bernd Schmitt, fasst Die folgende Darstellung wird sich auf diese übertragba- auch Nathan Shedroff den Blickwinkel auf involvierte ren Konzepte konzentrieren. Faktoren weit. Es sei erforderlich, Gefühle, Sehnsüchte, Träume und Beziehungen eines Menschen zu verstehen, um zu einem qualitativen Ansatz zu gelangen. Die übliche Entwicklung von Szenarien oder Personas ist dazu nicht ausreichend. In den New Methods for Designing Effective Experiences schlägt Shedroff die Integration von Psychographics vor. Diese vertiefen das Bild einer Person über die demografischen und oberflächlichen Angaben hinaus. So fliessen subjektive Eigenarten, wie Vorurteile, Fähigkeiten, Neigungen, Erfahrungen und Vorgehensweisen mit in ein Szenario ein. PIC 20 Experience Design Bestandteile Illsutration nach Nathan Shedroff Quelle: http://www.nathan.com/ 46 47 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Um relevante Faktoren zu sammeln, muss der Kontext Information Design Shedroff macht eine wichtige Wissen entsteht durch Erfahrungen, die sich verallgemei- weit gesteckt, und das Zeitfenster groß genug sein. Bernd Unterteilung zwischen Daten, Information, Wissen und nern lassen. Dieser Erkenntnisgewinn ist zunehmend per- Schmitt forderte eine ähnlich umfangreiche Betrachtung, Einsicht. (Anmerkung: Diese Übersetzung soll den engli- sönlich, und es ist leichter, neues Wissen auf Basis von wenn es um die Analyse der Mitbewerber geht. schen Originalbegriffen so nahe als möglich kommen: vorhandenem Wissen zu akkumulieren. Um an entsprechend unterbewusste und intime Informationen eines Menschen zu gelangen, können Geschichten, Träume oder Erinnerungen als Zugang dienen. Eine solche qualitative Betrachtung lässt, nach Shedroff, Rückschlüsse zu, die mehr über eine Person aussagen können, als ein oberflächliches Profiling. Data, Information, Knowledge, Wisdom.) Es sind aufeinander folgende Einzelschritte auf dem Weg von rohen Daten bis zu tiefer Erkenntnis. Diese Progression ist begleitet von einem Zuwachs an Kontext und Bedeutung, der zunehmend persönlich und wertvoll wird. Daten sind Einsicht markiert das Maximum an persönlicher Wissensbildung. Es ist nicht unmittelbar mitteilbar. Erfahrungen und Wertvorstellungen können in diesem Punkt der Wissensbildung ein Handlungsgerüst bilden, welches zur Grundlage zukünftiger Handlungen wird. unstrukturierte Rohinformationen, die nicht mit "echten" mieren nicht! „We can value wisdom in others but only we can create it for ourselves.“ –Shedroff. S. 54 Person ein Weg zum Unterbewusstsein. „Data is not information.“ –Shedroff, S. 36 Die Visualisierung ist, trotz der Subjektivität ihrer Solch eine weit gesteckte Betrachtung dehnt das Terrain Informationen bestehen dagegen aus Daten, die in einen der Gestaltungsmöglichkeiten aus. Zusammenhang gesetzt wurden, und eventuell organisiert Faktoren sind. Shedroff macht sich psychologische Erkenntnisse zunutze. Bereits für Sigmund Freud waren die Träume einer Informationen verwechselt werden sollten. Daten infor- Präsentation, wichtig, um Information zu kommunizieren. den Strategic Experiental Modules zusammenfasst, schlüs- „Information is the beginning of understanding.“ –Shedroff, S. 42 selt Nathan Shedroff weiter auf. Er betrachtet die Die Entscheidung für eine Form der Organisation oder Faktoren, die an außerordentlichen Experiences beteiligt eine Form der Präsentation ist aber bereits eine subjekti- sind, und das menschliche Verständnis – vornehmlich ve Interpretation der Daten. Eine objektive Präsentation günstig – beeinflussen. ist kaum möglich, aber erstrebsam. Da nicht jeder auf Was Bernd Schmitt mit den Key Experience Providers und Die Aufstellung ist nicht erschöpfend, beansprucht aber, einige der wesentlichsten Faktoren zu präsentieren. dem gleichen Weg versteht, sondern sein ein eigenes kognitives Modell von den Dingen bildet, hilft es, die Daten auf unterschiedliche Weise zu organisieren. Das Die Faktoren sind unter fünf Überschriften gegliedert, vermehrt die Blickwinkel und die Navigationsmöglichkeiten und stark gestrafft. Zunächst geht es um Information, und durch die Daten. Metaphern könne helfen, kognitive beteiligte Kriterien zur Aufbereitung und Aufnahme sol- Modelle zu bilden, durch die Verknüpfung von Neuem mit cher. Der folgenden Abschnitt weitet den Fokus, und Vertrautem. bezieht die Gestaltung von Schnittstellen ein, so dass der nachfolgende Abschnitt die Interaktionen – auf Basis der Informationen – an der Schnittstelle untersucht. Die letzten beiden Abschnitte betrachten gesondert die menschlichen Sinne, und welche gestalterischen Besonderheiten sie bedeuten. „Often, the presentation itself affects our understanding so much that we can misunderstand or misinterpret the data.“ –Shedroff, S. 66 Nicht jede Form der Visualisierung ist für jede Präsentation geeignet. „The visualization is integral to the communication – as it is the organization made visible.“ –Shedroff, S. 90 Inwiefern etwas konsistent ablaufen oder erscheinen sollte, ist schwer vorauszusagen. Es kommt drauf an. Während Unternehmen viel Energie in die Harmonisierung ihrer Kommunikation investieren, würde manchen Experiences allzu viel Konsistenz schaden, da das Leben eher von Inkonsistenzen regiert wird. 48 49 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Interface Design Interface Design ist, im Rahmen des Interaction Design Die Gestaltung von Interaktionen zwi- Ein Experience, in dem die Chance besteht einen eigenen Experience Design, als effektive und brauchbare schen Personen und Experiences umfasst eine Vielzahl an Beitrag zu leisten, wird als wertvoller und bedeutungsvol- Gestaltung eines Produkts zu verstehen. Die Faktoren, die unterschiedlich viel Einfluss auf das indivi- ler empfunden. So produzierte Artefakte können dieses Brauchbarkeit eines Produkts meint hier weniger seine duelle Erleben haben. Beispielsweise der Technologie Gefühl sogar konservieren und fortleben lassen. Die Bedienbarkeit, sondern vielmehr, wie sich seine wird häufig ein falscher Stellenwert zugemessen, so dass Teilnahme an einem erfüllenden Experience kann auch Bedeutung individuell für eine Person erschließt. die Technik selbst noch über ihren Zweck gestellt wird. einfach in Form einer Konversation erfolgen. Eine ähnlich Probleme entstehen, wenn das kognitive Modell einer Technik eröffnet aber auch Möglichkeiten. intensive Form der Kommunikation ist das Geschichten- Person nicht mit dem, aus der Sicht des Gestalters,inten- „Interactivity is the differentiable advantage of interactive media.“ –Shedroff, S. 142 Erzählen. Die Dichte und Einbezüglichkeit einer fesseln- hen. Testen hilft. Idealerweise kann sich ein Experience in Interaktivität existiert bereits lange, als ein andauernder ist es eine Herausforderung, bekannte Erzählstrukturen Folge seiner Interaktion mit einer Person in einem Wechsel von Aktion und Reaktion. Sie erhält mit den elek- zu erweitern, und neue zu entdecken. Umfeld, seinem Benutzerverhalten entsprechend anpas- tronischen Medien eine neue Dimension, obgleich reale sen. Experiences, wie zum Beispiel eine Konversation, wesent- dierten Modell eines Produkts übereinstimmt. Umso wichtiger ist es, das kognitive Modell des Anderen zu verste- „Experiences should, ultimately, change and modify themselves to be more appropriate for users.“ –Nathan Shedroff, S. 116 lich höhere Grade an Interaktivität besitzen, und zusätzlich viel Improvisation benötigen, da ihr Verlauf nicht vorhersagbar ist. In einer Interaktion, wie in Experiences den Erzählstruktur ist geeignet, um sogar kompliziertere Sachverhalte einfach verständlich zu machen. Für viele „People have an inherent need to express themselves. ... The creation of identity is one of the most important aspects of our lives ...“ –Shedroff, S. 196 generell, spricht man weniger von einem Benutzer oder Werden diese Interessen miteinander verbunden, und einem Konsumenten, als vielmehr von einem Teilnehmer. das für ein Mehrzahl an Teilnehmern, kann eine Form Der Prozess von Aktion und Reaktion ist angetrieben über der Gemeinschaft entstehen. In einer guten Gemeinschaft den kreativen Schaffensdrang des Einzelnen, gelenkt besteht für den Einzelnen die Möglichkeit der durch geeignetes Feedback. Identitätsbildung, der Kommunikation und der produkti- „The observer himself should play an active role in perceiving the world and have a creative part in developing his image. He should have the power the power to change that image to fit changing needs.“ –Lynch, S. 6 ven Anteilnahme. 50 51 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? The Senses Wir nehmen alles mittels unserer Sinne wahr. Sensorial Design Sensoriales Design bezeichnet die Design Die multisensorische Gestaltung eines Experience kommt Disziplinen, die direkt mit unseren Sinnen kommunizie- dennoch nicht häufig vor, obwohl das Einbeziehen von ren. Das grenzt im Grunde das Feld nicht ein. Wie einlei- mehr Sinnkanälen eine Steigerung des Eindrucks bedeu- tend erwähnt, nehmen wir alles mit unseren Sinnen auf. tet. Allein unser Geruchssinn kann im Zusammenspiel Es variieren nur die Intensität und die Anzahl der einbe- mit unserer Erinnerung eindrucksvolle Leistung vollbrin- zogenen Sinne. gen, wird aber selten berücksichtigt. Ein ähnliches Schicksal hat der Geschmackssinn, obwohl wir diesen bereits aktiver gebrauchen, als den Geruchssinn, da er uns über das Essen Befriedigung verschaffen kann. Tastsinn und Haptik lassen sich demgegenüber einfacher ansprechen und manipulieren. Der Tastsinn ist allerdings Ziel eines Experience ist es, möglichst viele Sinne zu orchestrieren, um so viel Grade der Teilnahme für unterschiedliche Menschen zu ermöglichen. Je weiter jemand in ein Experience eintauchen kann, desto umfassender, eindrücklicher und andauernder die Erinnerung daran. nicht so intim, wie der Geschmackssinn. Noch öfter angesprochen wird dagegen der Hörsinn. Es ist kaum möglich ihn zurückzunehmen. Von Geburt an, rund um die Uhr nimmt ein gesunder Mensch seine Umgebung akustisch wahr. Dagegen ist es schon möglich, die Augen ab und zu zu schließen. Spätestens nachts erholt sich unser visuelles Organ. Sicht ist der aktivst eingesetzte und häufigst angesprochene Sinn. PIC 21 Experience Sensorial Design Illsutration nach Nathan Shedroff Quelle: http://www.nathan.com/ 52 53 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Zusammenfassung In den achtziger Jahren hatten Marken einen Boom. Marken haben eine schwere Aufgabe dieser Tendenz Wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen trie- gerecht zu werden. Marken sind Schwindel. Sie sind nicht ben die Menschen zu enormen Konsum an. Ein veränder- unmittelbar gut. Aber mittelbar können Marken etwas Branding soll Produkte unterscheiden. Aus geschichtli- ter Lebensstil wurde unbescheiden nach außen getragen. Gutes vollbringen. Das bedeutet eine Verschiebung von cher Sicht wurde eine Unterscheidung besonders erforder- Der Yuppie war geboren. Es musste von allem mehr sein. reiner Marktorientierung, zu einem eher wertorientiertem lich, mit dem Einsetzen der Industrialisierung. Von da an Bedeutung wurde zunehmend aus Konsum bezogen, und Handeln. Zum Beispiel hat der amerikanische gab es immer mehr Produkte, die sich immer ähnlicher bot Zugehörigkeit, Macht und Verständnis. Das Produkt Frühstücksflocken-Hersteller General Mills auf seinen waren. Ein persönliche Beziehung zu einem Produkt, wie war die Marke. Und Marken wurden zu massiven Packungen Coupons aufgebracht. Diese Box Tops for zu Zeiten der Einzelfertigung, gab es nicht mehr. Weder Bestandteilen im Unternehmenswert. Education können gesammelt werden, und der Schule auf der Seite der Konsumenten, noch auf Seiten der Arbeiter. Die Markierung von Produkten mit Namen, Symbolen und Sprüchen etablierte eine neue Form der, durch die Massenproduktion verlorengegangenen, Persönlichkeit. Durch die neuen Berührungspunkte bauten die Menschen wieder Beziehungen zu Produkten auf. Sie gaben bestimmten Produkten, mit hohem Identifikationsgrad den Vorzug, während sie inadäquate In dem darauf folgenden Jahrzehnt befriedigt diese Form des Konsums die Sehnsüchte der Menschen seltener. Stattdessen werden die Wünsche substantieller. Die Vernachlässigung von Wertequellen, wie Familie, Freunde und Freizeit, erzeugt einen Mangel an Werten, Stabilität undBedeutung. Es werden besondere Events, besondere Restaurants und besondere Urlaubsziele besucht. Service gewinnt als Wirtschaftsgut an Bedeutung. Gleichzeitig 23 Beispiel von Dave Norton übergeben werden. Jeder Coupon steht für 10 Cent, die General Mills, bei Vorlage der Coupons, an die jeweilige Schule auszahlt. Die Aktion ist ein Erfolg, und einer Pressemeldung von General Mills von Ende August 2001 nach, wurden bereits über 50 Millionen US Dollar an amerikanische Grundschulen gespendet. Im Durchschnitt werden je Familie 200 solcher Coupons gesammelt. Es wäre schneller und einfacher, einen Spendenscheck über 20 Dollar auszustellen 23. PIC 22 Box Top for Education Coupon öfter werden Unternehmen hinterfragt, und müssen Ein erfüllendes Customer Experience zu schaffen, ist General Mills Rechenschaft für ihr Handeln ablegen, und werden sogar heute die Herausforderung an das Marketing. Preis und In der Entwicklung des Branding vom Beginn des zwan- vom Verbraucher geahndet, wie der Ölkonzern Shell, als Qualität spielen keine zentrale Rolle mehr, sondern wer- zigsten Jahrhunderts an, waren die Hersteller von er die Bohrinsel Brent Spa im Atlantik versank. den als selbstverständlich erwartet. Der Intervall zwischen Produkte vernachlässigten. In einer unüberschaubaren Produktlandschaft ist das Branding gleichzeitig eine willkommene Form der Differenzierung und Orientierung. Konsumgütern die großen Pioniere der Marken. Allein Procter & Gamble hatte schon in der ersten Hälfte des Jahrhunderts über hundert Einzelmarken. Die Strategien änderten sich aber mit der Zeit. Nachdem in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts Dachmarken als günstige Strategie gepriesen wurden, differenzierten sich die Präferenzen der Unternehmen weiter aus. Heute liegt das Gewicht wieder mehr auf Einzelmarken, gefolgt von Dachmarken und den vielen Gradationen dazwischen. werden Konsumenten aufgeklärter und kritischer. Immer Die Sinnsuche der Menschen in den westlichen Industrienationen schlägt sich immer deutlicher im Innovationen, und wiederum deren Imitation, wird kürzer, so dass eine Differenzierung viel substantieller sein muss. Konsumverhalten nieder. Im zwanzigsten, und gerade Experience Design kann solche Erfahrungen gestalten. Es angebrochenen einundzwanzigsten Jahrhundert müssen setzt auf einer Ebene an, die versucht, das menschliche Produkte mehr kulturelle Werte bieten. Nichts wird unkri- Wesen tief zu berühren. Statt über Form und Inhalt, pro- tisch akzeptiert, und Authentizität und Ehrlichkeit stehen duzieren Marken durch Relevanz und Glaubwürdigkeit an erster Stelle für Konsumenten. Globale Marken müssen Bedeutung, Vertrauen und Beziehungen. Experience sich lokal verankern, und dürfen nicht enttäuschen, wie Design schafft emotionale Beziehungen durch jüngst Enron oder MCI. Einbezüglichkeit, Erkenntnis und Bereicherung des Menschen. Das Experiental Marketing kann dem Experience Design viele Ansätze und Vorgehensweisen abschauen, wenn es darum geht, Bedeutung zu erzeugen. Quelle: http://www.boxtop4education.com/ 54 55 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Panorama Allerdings muss das verlorengegangene Zugehörigkeitsgefühl zu einer Marke woanders substituiert werden. Die gemeinschaftliche Ablehnung einer Auf Basis der beobachteten Tendenzen in der Welt des Marke oder eines Unternehmen, kann auch Identifikation Branding, werden in diesem Teil der Arbeit Vermutungen bilden, und Zugehörigkeit bieten. zu einer denkbaren Weiterentwicklung angestellt. Szenario 2: Don´t shout – listen! Das zweite Szenario sieht ein Voranschreiten der Brandblase. Diese Entwicklung wird begleitet von einer gleichzeitigen, grundsätzlichen Veränderung der Beziehung zwischen Kunde und Unternehmen, die dem Unternehmen sind stärker um die Erhaltung oder Paradigmenwechsel Rechnung trägt. Marken treten in den Restaurierung ihres Image bemüht. Das kann zu mehr Hintergrund (Invisible Company), und konstituieren sich in Einmischung in soziale oder wirtschaftliche Probleme, auf erster Linie aus Geschehnissen, die mit der Marke in Jedes Szenario versetzt das Branding in eine Welt über- nationaler und internationaler Ebene führen. Probleme Verbindung gebracht werden. Die Kommunikation wird steigerter Dynamiken. So werden mögliche werden als Chance empfunden, Gutes tun zu können, und weniger unidirektional, und sich mehr zu einem Dialog Veränderungen besonders deutlich. Obgleich diese das auch zu zeigen. Scheitern ist gefährlich, da die wandeln: Unternehmen werden nicht auf Verbraucher ein- Szenarien in der Realität wurzeln, bilden sie in der darge- Bemühungen als Scharade bloßgelegt werden könnte – reden, sondern mit ihnen reden. stellten Form keine reale Situation ab. Sie sind in dieser gleichgültig ob sie es waren oder nicht. Eingesetzt werden zwei Szenarien, auf die im Verlauf der Arbeit einige der Indizien hingedeutet haben. Form bewusst realitätsfern. Der gestiegene Kontakt bedeutet Chancen für In diesem Szenario setzt sich die Entwicklung der Unternehmen, die sie so schon lange nicht mehr haben, Eines der Szenarien beleuchtet eine Distanzierung der Brandblase in der aufgezeigten Form nicht fort. oder noch nie hatten. Sie können zielgerechter produzie- Menschen von der übermäßig aufgeblasenen Markenwelt, Stattdessen ändert sich der Ansatzpunkt der Marken. Die ren. Produkte sind stark individualisierbar und personali- während das andere Szenario eine Welt darstellt, in der beiden diachronen Entwicklungen Emotionalisierung und sierbar. Zwar wird die Energie zur Anpassung eines Hersteller und Konsumenten eine vernetzte Beziehung Entmaterialisierung erhalten einen Dämpfer, und die Produkts nur an persönlich wichtigen Stellen aufge- entwickeln, geprägt von Anpassungsfähigkeit und Entwicklung verlagert sich. Die materielle Qualität steht wendet, aber es ist wichtig diese Möglichkeit auch an Personalisierung. mehr im Vordergrund, während Emotionen seltener aus anderen Stellen zu haben. Die vorgenommene Anpassung Produkten bezogen werden. vertieft die Beziehung zu einem Produkt, was zu mehr In die Szenarien fließen Arbeitsergebnisse aus dem Treue führt. Workshop Brand Futures: Possible Scenarios ein, der von Nach der Erosion der aktuellen Situation, kommt es zu der AIGA Brand Design Group im Februar 2002 veranstal- einer Neuordnung. Unternehmen werden beim Trends können aus Tendenzen abgelesen werden (collabo- tet wurde. Die Resultate des Workshops wurden von Konsumenten an anderer Stelle ansetzen. Dort kommt es rative filtering). Jegliche Form der individuellen Nathan Shedroff und David Masten zusammengefasst. dann wieder zu einer Festigung. Die neue Position wird Anpassung, und somit möglichen Trendbildung, wird früh Szenario 1: Mea Culpa Marketing gesellschaftlich von besserer Qualität sein. Das liegt an erkannt. Im Grunde haben Trends keine Chance, da sie der Ablehnung durch den Konsumenten, der eine gesell- von ihrer Unbekanntheit leben. Aber Produkte können Durch enttäuschtes Vertrauen in Unternehmen, gebroche- schaftliche Veränderung zurückspiegelt, die diese Trends in Echtzeit aufspüren und anbieten. Jeder ist sein ne Markenversprechen und Mangel an Wert und Neuordnung auslöste. Im Grunde hat die Entwicklung eigener Star-Designer. Und wenn eine Veränderung auf Bedeutung, lehnen Menschen die Marken zunehmend ab. einen ausreichend großen Impuls in Richtung Wirtschaft ausreichend positives Feedback stößt, bilden sich In folge dessen erlebt der individuelle Stil Aufwind. Cool gesendet. Der Impuls hat alte Strukturen gelöst, und Neue Interessencluster, um diese Veränderung herum. So bil- wird persönlicher definiert. Obwohl es mehr Mut bedeu- möglich gemacht. Es ist nicht zu vergessen, dass den sich Segmente von unten heraus, um unmittelbar tet, steht man zu seiner Art. Es ist wichtiger, nicht gebran- Unternehmen ebenso Bestandteil einer Gesellschaft sind, relevante Themen. Unternehmen können sensibel an sol- det zu sein (was zugegebenermaßen auch eine Form des und an deren Wertbildung beteiligt sind. Sie sind nicht chen Bewegungen ansetzen. Technologie bietet die Branding sein kann). Produkte dürfen keine offensichtli- immun gegen solche Veränderungen. Grundlage für diese Dynamik und Selbstorganisation. chen Verbindungen zu (bestimmten) Marken und Unternehmen aufweisen. Produkte werden daraufhin Für Marken wird es schwerer sich von anderen Marken label-less, und überzeugen vornehmlich durch Qualität zu differenzieren. Hauptunterscheidungsmerkmal ist eher und Design, statt durch Marke. der Umfang an Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung und Selbstorganisation. 56 57 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Die Beziehungen zwischen Unternehmen und Favorit Konsumenten gleichen dabei einem Netz. Marken verbrei- „I also think that brands need to figure-out when they're desired by customers because they're easy and generic and when they're desired because they are forward-thinking and excellent.“ –Nathan Shedroff per eMail ten ihre Werte per Peer Groups und Superspreader. Einzelne Knotenpunkte in diesem Netz, die über eine stärkere Vernetzung als andere verfügen, geben Impulse, die aufgenommen, verändert und weitergegeben werden. Unternehmen können sich auf diese Superspreader konzentrieren, um effizient mit dem Netz zu kommunizieren. Dieses Markennetz hat keine starre Erscheinung, sondern wird von seinen Mitgliedern gelebt und gestaltet – eine Community Brand sozusagen. Das Netz ist permanent in Bewegung. In der Realität werden sich die beiden Szenarien eher miteinander vermischen, als so deutlich nebeneinander zu stehen. Persönlich halte ich das zweite Szenario für eine durchaus absehbare Entwicklung. Unternehmen werden die Zeichen der Zeit nicht lange ignorieren können, so dass ein Konfrontationskurs unwahrscheinlich ist. Hartmut Esslinger von Frog sieht in Zukunft eine Art kon- Stattdessen werden alle Möglichkeiten, besonders die sumentenintegrierte Customization der Produkte. zahlreichen technischen Neuerungen, als Grundlage Interessante Beispiele sind die beiden eCommerce Seiten genommen, um die Kommunikation mit den von Nike ID 24 und Freitag Taschen 25, die bereits in diese Konsumenten zu verbessern. Das führt zu einer Richtung weisen. Innerhalb eines definierten Rahmens Sensibilisierung für die Wünsche und Sehnsüchte. hat der Kunde dort diverse Möglichkeiten zur Spannend und überraschend bleibt die praktische Individualisierung seines Produkts. Ausgestaltung solcher Strategien. Ich hätte von einer „The experience of customization may be branded itself.“ 26 General Mills keinen derartigen Erfolg erwartet, und ich Spendenaktion, wie den Box Top for Education von glaube, dass sie den vor zehn Jahren auch nicht gehabt hätte. Jetzt war der richtige Zeitpunkt, und für General Mills hat sich die Strategie als Volltreffer erwiesen. Als Gestalter und Initiator einer solchen Idee braucht man zum einen die praktische Qualifikation zur Planung und Durchführung, und zum anderen ein feines Gespür und breites Wissen über sozio-kulturelle Hintergründe und Entwicklungen. 24 freestyle.nike.com/id-shop 25 www.freitag.ch 26 AIGA, Brand Futures: Possible Scenarios, 2002 58 59 Branded Experience. Was macht denn noch einen Unterschied? Quellen Artikel Alan Siegel Seven Branding Predictions for 2004, AIGA Los Angeles, http://www.aigalosangeles.org/features/archives/000380.php IBM Research Ease of Use Philosophie, www-306.ibm.com/ibm/easy/eou_ext.nsf/publish/558 Nathan Shedroff Brand Futures: Possible Scenarios, AIGA Brand Design Group, 2002 Bernd Schmitt Competitive Advantage Through The Customer Experience Bernd Schmitt 10 Rules to Create and Manage Experiental Brands Naomi Klein Die Tyrannei der Marken, brand eins, 2001, Ausgabe 5 Franz Liebl Die Markenseuche, brand eins, 2001, Ausgabe 5 David Norton, PhD Toward meaningful brand experience, DMI Journal Sicco van Gelder A View on the Future of Branding, 2002, BrandMeta Interview mit Hartmut Esslinger Zu viel Marketing-Müll, brand eins Bücher WWW Mihaly Csikszentmihalyi www.aiga.org/ Flow – Das Geheimnis des Glücks, 10. Auflage, 2002, Verlag J. G. Cotta, Stuttgart Howard Rheingold allaboutbranding.com/ www.mediasmart.org.uk/kids/brand_me/ Smart Mobs – The Next Social Revolution, 2002, Basic www.brandchannel.com/ Books, Perseus Books Group, Cambridge www.identityworks.com/ Harvard Business Review www.landor.com/ Brand Management, 1999, Harvard Business School Press, Boston Nathan Shedroff www.boxtops4education.com/ www.brandsoftheworld.com/ Experience Design 1, New Riders Publishing Wally Olins On Brand, 2003, Thames & Hudson, London Bildquellen Sofern nicht anders vermerkt, sind die Abbildungen selbst Jean-Noel Kapferer produziert, und die Logos über http://www.brandsofthe- Strategic Brand Management, 2000, Kogan Page, Dover world.com/ bezogen. Bernd H. Schmitt Experiental Marketing, 1999, Free Press, New York Jane Jacobs The Death and Life of Great American Cities, 1992, Vintage Books Kevyn Lynch, The Image of the City, MIT Press, 1960 B. Joseph Pine, James H. Gilmore Erlebniskauf - Konsum als Ereignis, Business als Bühne, Arbeit als Theater 2000, München, Econ Ullstein Verlag