Vortrag zum Fachforum XIII: Arbeitswelt von Morgen: Der Vielfalt Ausdruck verleihen“ Sandra Kothe, Vorsitzende dbb jugend (Bund) Einleitung allgemein: Ich freue mich, dass ich zu diesem Thema heute im Fachforum einen Vortrag halten darf, denn die dbb jugend hat sich das Thema „Vielfalt“ als Motto für 2013 auf die Fahnen geschrieben. Wir haben es allerdings Englisch formuliert und zwar „dbb jugend goes diversity“ und damit sind wir eigentlich schon an die ersten Grenzen gestoßen. Wir mussten feststellen, dass der Begriff „Diversity“ zum Teil auch wieder auf Ablehnung stößt, weil er „englisch“ ist und sich viele noch nichts darunter vorstellen können, was „Diversity“ für den öffentlichen Dienst bedeuten kann und wie Diversity-Management funktionieren kann. Und auch das hat uns gezeigt, wie wichtig es ist, sich mit diesem Thema zu beschäftigen! Ich möchte ihnen heute gerne etwas über Diversity-Management, also Vielfaltsmanagement, erzählen und warum wir, die dbb jugend, das als so wichtig für die Zukunft des öffentlichen Dienstes erachten. 1 Erklärung Begriff Diversity: Diversity heißt übersetzt erst einmal ganz normal „Vielfalt“. Und Vielfalt kann sich in verschiedenster Art und Weise ausdrücken. In erster Linie betrachtet man dabei die sogenannten sechs Kerndimensionen in denen sich Menschen unterscheiden: Alter Behinderung ethnische Herkunft Geschlecht Religion Weltanschauung . Wobei natürlich die letzten beiden eher subjektiv und gar nicht so sichtbar sind. Eigentlich gibt es aber noch viel mehr Dimensionen in denen wir uns unterscheiden, z.B. Ausbildung, Einkommen, geografische Herkunft, Dialekt und vieles mehr. Beim Diversity-Management konzentriert man sich dabei aber auf die angesprochenen sechs Kerndimensionen. Diversity-Management, also Vielfaltsmanagement, hat grundsätzlich zum Ziel „soziale Vielfalt konstruktiv zu nutzen“. Bei Diversity/Diversity-Management geht es nicht allein um die Erhöhung des Migrantenanteils unter den Beschäftigten. Es geht um das Miteinander von jung und alt, Mann und Frau oder Beschäftigten mit Behinderung und denen ohne - VIELFALT schaffen und aktiv, gewinnbringend nutzen heißt die Devise! 2 Warum Diversity/ Diversity-Management im öffentlichen Dienst? Unserer Meinung nach kann Diversity-Management zwei Dinge bewirken: A) Ein Teil zur Lösung des Fachkräftemangels sein B) Die Arbeit im öffentlichen Dienst effektiver gestalten A) Der öffentliche Dienst hat mit den Folgen des demografischen Wandels zu kämpfen. Zu wenig Nachwuchs kommt auf viele frei werdende Stellen und die Unterbesetzung stellt jetzt schon ein großes Problem für alle dar. Der Bericht der Bundesregierung gem. § 147 Abs.3 BBEG zur Anhebung der Altersgrenze weist alarmierende Feststellungen auf: S.11 Der Personal- und Stellenabbau in der unmittelbaren Bundesverwaltung hat auch seine Spuren in der Altersstruktur und bei der Entwicklung des Durchschnittsalters der Beschäftigten hinterlassen. S.12 Auch das Durchschnittsalter der Beschäftigten in der Bundesverwaltung hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert. Seit dem Jahr 1993 ist das Durchschnittsalter um drei Jahre von 42,12 Jahre auf 45,2 Jahre im Jahr 2011 angestiegen. Allein in den letzten 10 Jahren betrug der Anstieg zwei Jahre (2000: 43,12 Jahre). S.13 Auf der Grundlage der Altersstruktur in der Bundesverwaltung können die zukünftigen Ruhestandseintritte prognostiziert werden. Dabei geht diese Prognose davon aus, dass der Eintritt in den Ruhestand mit Erreichen des 65. Lebensjahres erfolgt. Ausgehend davon werden in den nächsten zehn Jahren 23,5 Prozent der Beschäftigten in den Ruhestand eintreten. In den nächsten zwanzig Jahren liegt dieser Anteil bei ca. 58,1 Prozent. Im Bericht der Länder-Bund-Arbeitsgruppe Zukunft Personal - ZuP -des Unterausschusses "Personal und öffentliches Dienstrecht" des Arbeitskreises VI "Organisation, Öffentliches Dienstrecht und Personal" der Ständigen Konferenz der Innenminister- und senatoren der Länder „DEMOGRAFIE UND PERSONALENTWICKLUNG IM ÖFFENTLICHEN DIENST“ ist unter dem Punkt 3.1.2 Erschließung neuer Zielgruppen aufgeführt: In den öffentlichen Verwaltungen und dort speziell in den Berufen mit Laufbahnausbildung sind Menschen mit Migrationshintergrund im Verhältnis zum Anteil an der Gesamtbevölkerung unterrepräsentiert. Offenbar ist noch nicht hinreichend bekannt, dass die deutsche Staatsangehörigkeit keine zwingende Voraussetzung ist, um Beamtin oder Beamter zu werden. Es ist daher sinnvoll und notwendig, um die Bewerbungszahlen trotz des demographischen Wandels zu erhöhen, diese Zielgruppe verstärkt anzusprechen und den Anteil des Personals mit Migrationshintergrund unter Berücksichtigung von Eignung, Befähigung und Leistung zu 3 erhöhen. Darüber hinaus sind als weitere Wirkungen zu nennen, dass damit auch die Integration ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger verbessert wird und dass die Dienstleistungsangebote der Verwaltungen optimiert werden können. Zu nennen sind hier z.B. die Mehrsprachigkeit oder die Erfahrung im Umgang mit anderen Kulturen. Somit hat zumindest diese Arbeitsgruppe auch erkannt, dass der Zugang zum öffentlichen Dienst breiter werden muss. Leider findet sich beispielsweise im Abschlussbericht der Bundesregierung zur Demografiestrategie zum öffentlichen Dienst darüber keine Aussage mehr. Überhaupt wird dabei das Thema Nachwuchsgewinnung kaum angeschnitten, eher geht es darum längeres Arbeiten zu ermöglichen und das vorhandene Arbeitspotenzial zu erhalten. Laut einer OECD-Studie belegt Deutschland bei der Beschäftigung von Menschen mit Migrationshintergrund einen der hinteren Plätze. Die dbb jugend hat es sich dabei zum Ziel gesetzt, herauszufinden, warum der öffentliche Dienst für junge Menschen mit Migrationshintergrund vielleicht nicht attraktiv ist und warum überhaupt tendenziell wenig Menschen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst beschäftigt sind. Wir führen dazu am 29. August ein sogenanntes „Kulturengespräch“ mit Migrantenselbstorganisationen durch und befragen sie unter Anderem: Wie sehen Migrantenselbstorganisationen den Öffentlichen Dienst? Welche Forderungen haben Menschen mit Migrationshintergrund an den Öffentlichen Dienst? Welche Hemmschwellen sehen sie, den öffentlichen Dienst als Arbeitgeber zu wählen? Wie kann Diversität im Öffentlichen Dienst gelebt werden? Es geht dabei nicht darum eine Gruppe „künstlich zu bevorzugen“, sondern darum, junge Menschen mit Migrationshintergrund für eine Ausbildung im öffentlichen Dienst zu sensibilisieren und zu begeistern. Die Einstellung soll weiterhin unter den Grundsätzen von Eignung, Befähigung und Leistung erfolgen. Und die Frage dabei ist, wie erreiche ich diese Zielgruppen. Möglichkeiten bieten gezielte Werbekonzepte, wie beispielsweise die Polizei Hamburg und die Polizei Berlin durchführen. Der Bund reagiert unter Anderem mit der Seite www.wir-sind-bund.de . 4 B) Nehmen wir mal folgendes sehr plakatives aber häufig vorkommendes Beispiel: In einem Büro sitzen nur junge Damen oder Herren zusammen. Die älteren Kollegen sind schon in den Ruhestand gegangen oder sitzen komplett woanders. Ich überspitze das etwas, aber ich will ihnen so bildlich wie möglich zeigen, welche Folgen die Nichtumsetzung von Diversity-Management hat. Gerade vor dem Hinblick des demografischen Wandel und der Erkenntnis, dass in den nächsten zehn Jahren 700.000 Kollegen in den Ruhestand gehen, wird dem Thema „Wissenstransfer“ und „Wie erhalte ich Erfahrung und Wissen in der Behörde“ eine enorm wichtige Rolle zukommen. Und wie ich Wissen weitergebe, wie ich ein Team so gestalte, dass es effektiv arbeitet, ist eine Aufgabe von Diversity-Management! Die Vorteile eines divers zusammengesetzten Teams liegen auf der Hand. Vielfältig zusammengesetzte Teams generieren ein Arbeitsklima mit hoher Innovationsfähigkeit. Die allgemeine Zufriedenheit, der Leistungswille und die Leistungsfähigkeit der Belegschaft steigen. Durchmischte Teams verbessern das Image des öffentlichen Dienstes. Stichwort: Spiegelbild der Gesellschaft! Dabei ganz wichtig sind folgende Dinge: Die Führungskraft, die das umsetzt, muss wissen, was sie da tut und zu welchem Zweck sie es tut. Führungskraft und Beschäftigte müssen sensibilisiert werden, warum etwas geschieht. Beschäftigte müssen aktiv in die Gestaltung eingebunden werden. 5 Maßnahmen, Lösungen? Am allerwichtigsten erachten wir die Information und die Sensibilisierung zu diesem Thema. Auch dadurch nimmt man sein eigenes Umfeld viel genauer wahr und erkennt Gründe, warum Teams vielleicht nicht so effektiv zusammenarbeiten oder eben sehr effektiv zusammenarbeiten. Es müssen Vorurteile abgebaut werden, die erfahrungsgemäß dann sofort hochschnellen, wenn das Thema „Einstellung von Menschen mit Migrationshintergrund“ angesprochen wird. Wie bereits angesprochen, befürchten wohl Einige, dass bestimmte Gruppen künstlich bevorzugt werden sollen. Jede Frau kennt diese Argumente, wenn es beispielsweise um Frauenförderung geht. Die dbb jugend versucht das zu erreichen, in dem wir so viel wie möglich aufklären und erklären und gleichzeitig junge Menschen schulen und ausbilden. Dies geschieht beispielsweise durch unser Seminar „Diversity-Management/Interkulturelle Kompetenz“. Eine Studie des Völklinger Kreis e.V. au s dem Jahr 2011, welche die Umsetzung von DiversityManagement im öffentlichen Dienst im Hinblick auf die Kerndimension sexuelle Orientierung untersucht hat kommt zu folgenden Schlüssen: - - Es gab große Schwierigkeiten kompetente Ansprechpartner zu finden. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass Diversity-Management bisher zu wenig Bekanntheit erlangt hat. Generell wurde ein Nachhol-und Optimierungsbedarf festgestellt. Die Instrumente des Diversity-Managements werden vom öffentlichen Dienst weniger ausgereizt als durch die freie Wirtschaft Diversity-Management wird in freier Wirtschaft variabler und intensiver betrieben als im öffentlichen Dienst Aber soweit es im ÖD eine Rolle spielt, dann setzt wird hier das Diversity-Management breiter aufgesetzt und es werden mehr Kerndimensionen bearbeitet. Im Bereich LGBT (Lesbian/Gay/Be/Transgender) wird der öffentliche Dienst kaum tätig, dies ist aber auch in der freien Wirtschaft noch ein nachrangiges Item des DiversityManagements. Wir fragen derzeit mit einem sogenannten „Diversity-Flyer“ alle Bundesbehörden und möglichst viele Landesbehörden an, ob sie Diversity-Management kennen, ob sie es durchführen und welche Instrumente sie einsetzen. Nur so können wir eine Aussage über die derzeitige Umsetzung treffen. Wir fordern ein ganzheitliches Konzept mit Handlungsanleitungen. Auch ganz einfache Änderungen sind möglich. Wenn beispielsweise ein Team einer Behörde in die Schulen geht und dort den öffentlichen Dienst vorstellt, dann sollte dieses Team auch so vielfältig wie möglich zusammengestellt sein. Gleiches gilt für die Betreuung von Messen oder anderen Aktionen. 6 Die Schulung von Führungskräften ist sehr wichtig, denn die Teamgestaltung erfolgt durch den Vorgesetzten (Top Down-Ansatz). Die Führungskraft muss wissen was sie tut. Natürlich kann aber auch sie nur das verteilen, einsetzen und in ein Team zusammenbringen, was da ist. Aber Mitarbeiter müssen komplett beteiligt werden. Solange nicht klar ist, was da geschieht und warum, wird es nicht zu Verständnis führen. Mitarbeiter und Personalvertretung müssen aktiv und zwingend eingebunden werden. Die Behörden müssen dem Thema Diversity-Management sehr viel Aufmerksamkeit widmen und die benötigten Arbeitskräfte dafür auch entsprechend freistellen. Oftmals wird der Gleichstellungsbeauftragten das Thema einfach „aufs Auge gedrückt“. Weitere Instrumente des Diversity-Managements (Auszug aus Studie Völklinger Kreis e.V. 2011): Aufklärung über Zielsetzung und Nutzen stärken Training und Weiterbildung Einsatz eines Ansprechpartners Manpower zur Bearbeitung von Diversity-Management Zielkorridore, Zielvereinbarungen Awareness(Bewußtsein)-Mentoringprogramme Publikationen (intern, extern) Personalstatistiken Sponsoren/Schirmherren Mitarbeiternetzwerke (Austausch, Kooperation mit ext. Stellen, Mentoring, Veranstaltung mit fachlichen Themen, Entwicklung und Durchführung) Die dbb jugend hat am 5.07.2013 die Charta der Vielfalt unterzeichnet. Wir bekennen uns damit dazu, in unserer eigenen Organisation eine Kultur zu pflegen, die von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung jeder und jedes Einzelnen geprägt ist. Die Charta der Vielfalt ist auf Initiative von Wirtschaftsunternehmen entstanden und soll die Vielfalt im Unternehmen fördern. Von den bisher 1.500 Unterzeichnern sind nur wenige Behörden, unter ihnen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder auch die Bundesagentur für Arbeit, zu finden. Das Unterzeichnen der Charta ist erst mal ohne Folgen, Wirkung entfaltet sich erst durch Einsatz der Instrumente. Aber sie ist ein erster Schritt der Beschäftigung mit diesem Thema. Zum Ende möchte ich eine Überlegung mit auf den Weg geben: Wollen wir eine uniformierte Welt, wollen wir einen stereotypen uniformierten öffentlichen Dienst, oder wollen wir vielfältig und bunt sein, ein Spiegelbild der Gesellschaft in welcher wir leben? Vielen Dank. 7 8