Kopftuch und Minirock

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Anna, Amal & Anousheh
Kopftuch und Minirock
Junge Türkinnen zwischen Koran und Karriere
Dokumentarfilm, ab 12 Jahren
Regie: Jana Matthes und Andrea Schramm
Produktion: TI:ME CO:DE, Berlin, i.A. vom ZDF, BRD 1998
Sprachen: Deutsch, Französisch (teilw. untertitelt)
Dauer: 30 Minuten
Inhalt Junge Türkinnen, die in Mitteleuropa aufwachsen, stehen zwischen zwei Kulturen. Die Regisseurinnen begleiteten die beiden Schwestern Gülsen und Gülcin und deren Freundin Meryem ein
halbes Jahr lang. Gülcin, die Ältere, studiert Medizin und möchte beweisen, dass auch eine verschleierte Frau als Ärztin arbeiten kann. Die jüngere Gülsen macht das Abitur und will Bauingenieurin werden. Die beiden wohnen in ihrer eigenen Wohnung, im selben Haus wie ihre Mutter
und ihr Bruder. Der Vater und weitere Geschwister leben an der Schwarzmeerküste in der Türkei.
Die beruflichen Ziele sind für die Schwestern von grösster Wichtigkeit. Aus Überzeugung tragen
sie das Kopftuch und pflegen die islamische Tradition. Ihre Heimat ist die Türkei und die islamische Religion. In ihrem Urlaub in der Türkei geniessen sie das Zusammensein mit ihrer Familie,
erleben jedoch konfliktreiche Situationen mit den Regeln, welche dort für traditionelle junge
Frauen gelten. Meryem, Gülsens Freundin, ebenfalls Tochter türkischer Arbeitsmigranten, erzieht
ihre kleineren Geschwister. Sie steht der westlichen Lebenswelt näher und kleidet sich wie ihre
deutschen Kolleginnen. Dennoch steht auch sie in enger Verbindung mit der türkischen Tradition.
Ein deutscher Freund käme für ihre Familie so wenig in Frage wie Sex vor der Ehe. Der Film zeigt
anhand dreier starker Mädchen unterschiedliche Lebensformen, Haltungen und deren kreativen
Umgang mit der Fülle von Kulturkonflikten.
Zu den Regisseurinnen Die beiden Regisseurinnen Jana Matthes und Andrea Schramm waren ein halbes Jahr mit den
drei türkischen Berlinerinnen unterwegs. Sie begleiteten sie mit der Kamera in die Schule und
an die Uni, nach Hause, ins Café und in die Moschee und in den Ferien in die Türkei. Die Filmemacherinnen haben die Freundinnen zu Themen befragt wie: Zukunft/Beruf, Lebensgeschichte/
Identität, Glaube/Religion, Heimat, deutsche Kultur/türkische Kultur, anders sein, Akzeptanz
des anderen.
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Kopftuch und Minirock
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Zum Film Es wird viel gelacht in diesem Film. Die Fröhlichkeit und Energie von Gülşen, Gülcin und Meryem
wirken ansteckend und prägen die Dokumentation. Es macht Spass, diese drei «ganz normalen»
und doch auch ungewöhnlichen jungen Frauen kennen zu lernen. Sie erzählen sehr offen über
sich selbst. Der Film nimmt sich die Zeit für längere Interviewsequenzen, so dass die Aussagen
der jungen Türkinnen nicht nur auf Schlagworte beschränkt sind. Es entsteht ein differenziertes
Bild von drei verschiedenen Persönlichkeiten – Entwicklungen und Widersprüche in den Biographien lassen sich nachvollziehen. (Georgia Hauber, Arbeitshilfe Matthias-Film)
Hintergrundinformationen Türkei
Fläche 780 580 km2
EinwohnerInnen2006: 73 700 000 = 94 je km2
HauptstadtAnkara
LandessprachenTürkisch (Amtssprache), Kurdisch
Religion99 % MuslimInnen, davon 70% sunnitisch, 15–25 % alevitisch
Einkommen je EinwohnerIn4 710 $ (Bruttonationaleinkommen pro Kopf, 2005)
AlphabetisierungMänner: 96 %; Frauen: 81 %
Lebenserwartung69 Jahre
Anna, Amal & Anousheh
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Kopftuch und Minirock
Hintergrundinformationen Deutschland
Fläche357 030 km2
EinwohnerInnen2006: 82 400 000 = 231 je km2
HauptstadtBerlin
AmtsspracheDeutsch
Einkommen je EinwohnerIn34 580 $ (Bruttonationaleinkommen pro Kopf, 2005)
Alphabetisierung
Männer: keine Angaben; Frauen: keine Angaben
Lebenserwartung
79 Jahre
Schwerpunkt Im Zentrum stehen einerseits die unterschiedlichen Bedeutungen und Einstellungen rund ums
Tragen des Kopftuches. Andererseits geht es um die Identitätssuche als Mädchen zwischen der
deutschen und der türkischen Kultur.
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Kopftuch und Minirock
Lernziele Die Jugendlichen erhalten einen Einblick in das Leben zwischen der deutschen und der türkischen
Kultur und in die Lebensweise gläubiger muslimischer Mädchen. Da Identitätsentwicklung immer
auch den Umgang mit unterschiedlichen Ansichten und die Suche nach eigenständigen Lebensformen bedeutet, sind die Themen auch für nicht türkische Jugendliche interessant. Durch die
Auseinandersetzung mit den Konflikten anderer Jugendlicher können ebenfalls eigene Orientierungen und konfliktreiche Themen erkannt und diskutiert werden.
Didaktischer Zugang
Teilziele
Methode
Zeit
Material
Eigene Stereotypen aktivieren.
Bild als Folie betrachten:
Aufgabe in Dreierguppe: Wer sind die beiden jungen Frauen? In welchem Rahmen könnte dieses
Gespräch stattfinden? Wo leben sie, mit wem?
Einen Dialog erfinden (1 Erzähler/-in, 2 Mädchen).
15
Bild von Gülsen und Meryem im
Gespräch an der Abiturfeier
Ergebnisse präsentieren.
Jede Gruppe stellt ihre beiden jungen Frauen vor
und spielt einen möglichen Dialog.
15
Variante: Dialog nur vorlesen.
Ergebnisse vergleichen.
Haben wir ähnliche oder ganz unterschiedliche
Bilder entworfen? Notieren der unterschiedlichen
Lösungen.
15
Sammeln der verschiedenen Ideen an
der Wandtafel oder auf einem grossen
Papierbogen.
Aufträge erteilen.
Jeweils eine Gruppe wählt einen Beobachtungs­
auftrag. Nummer 5 wird von allen zusätzlich bearbeitet.
5
Arbeitsblatt 2 «Beobachtungs­
aufträge»
Film visionieren.
Es empfiehlt sich, den ganzen Film in einem Spannungsbogen ohne Unterbrechungen anzusehen.
30
Eindrücke notieren.
Notizen eintragen.
10
Beobachtungsaufträge besprechen.
Zuerst als Einzelarbeit, dann in Gruppen mit
denselben Aufträgen zusammentragen. Anschliessend präsentieren die einzelnen Gruppen ihre
Ergebnisse.
20
Ursprüngliche Stereotypen mit
den Mädchen im Film vergleichen.
Was stimmte, was nicht. Weshalb? Diskussion im
Plenum oder in Gruppen
25
Notizen vom Einstieg
Bedeutungen des Kopftuches
zuordnen und diskutieren.
Die Aussagen den Bildern zuordnen. Welchen
Aussagen würdest du eher zustimmen, welche
ablehnen?
30
Arbeitsblatt 3
«Rund ums Kopftuch»
Hintergründe des Kopftuches
lesend bearbeiten.
Bearbeiten des Arbeitsblattes
30
Arbeitsblatt 4
«Vom Schleier zum Kopftuch»
Variante: Kopfbedeckungen
von Männern im Islam
Evtl. parallel zu den Frauen bearbeiten.
30
Arbeitsblatt 5
«Kopfbedeckungen für Männer im
Islam»
Die Konfliktfelder sichtbar
machen.
Bearbeiten des Arbeitsblattes «Leben zwischen
den Kulturen».
Variante: Gruppenweise eine Zeile, ein jeweiliges
Feld bearbeiten. Evtl. Film nochmals ansehen.
30– 60
Arbeitsblatt 7
«Leben zwischen den Kulturen»
Die einzelnen Bereiche vorstellen. Ausgewählte diskutieren.
Evtl. die eigene Spalte in Bezug auf die Mädchen
präsentieren
(Gruppensituation berücksichtigen).
30
AB 1
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Weiterführende Vorschläge • Bearbeiten einzelner Zitate (siehe Arbeitsblatt 6). Hier können einzelne Schwerpunkte gewählt
werden (Partnerwahl, Gleichstellung, kulturelle Unterschiede und Heimat). Die Aussagen können
aber auch zur Bearbeitung des Arbeitsblatts 7 «Leben zwischen den Kulturen» verwendet werden.
Folgende Aufgabenstellungen, angepasst ans jeweilige Zitat, erscheinen sinnvoll:
– Was bedeutet das Zitat genau?
– Was sagt es zu diesem Thema?
– Was denkst du darüber?
– Schreibe ein Zitat, das deine Haltung ausdrücken würde.
– Wie würdest du dich verhalten?
– Ist das in deiner Familie auch ein Streitpunkt?
– Kennst du ähnliche oder andere Konflikte?
Allenfalls kann eine Situation auch als Ausgangslage für ein Rollenspiel gewählt werden. Wie
würdest du dich verhalten?
• Die Schwestern Gülsen und Gülcin: Welche Bedeutung misst du ihrer Beziehung bei? Welche
Möglichkeiten ergeben sich für die beiden als Geschwisterpaar?
Kombinationsvorschläge
Die Lebensbereiche, welche beim Arbeitsblatt «Leben zwischen den Kulturen» aufgeführt sind,
können auch für den Film «Frag nicht, warum» angewendet werden. Die Einstellungen und
Ansichten der türkischen Mädchen können mit denjenigen Anoushahs verglichen werden. Das
Tragen des Kopftuches, die Verschleierungen können ebenfalls verglichen werden.
Auch ein Vergleich mit «Anna aus Benin» ist in diesem Sinne möglich.
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Arbeitsblatt 1, Seite 1
Anna, Amal & Anousheh Kopftuch und Minirock
Arbeitsblatt 1, Seite 2, Hintergrundinformationen
Hintergrundinformationen Die Schwestern Gülsen und Gülcin sowie Meryem sind Töchter türkischer Arbeitsmigranten.
Sie sind in Deutschland aufgewachsen und zur Schule gegangen. Die jungen Frauen leben zwischen und mit den beiden Kulturen. Dieser Balanceakt prägt ihre gemeinsame Identität. Die
Mutter und ein Bruder leben in Deutschland, der Vater und der älteste Bruder leben mit ihren
Familien an der Schwarzmeerküste.
Die Schwestern sind religiöse Musliminnen. Religiöse Rituale wie die fünf täglichen Gebete und
die islamischen Feiertage gehören für sie zum Alltag. Die Schwestern begehen mit ihrer Mutter
und dem Bruder den höchsten islamischen Feiertag, das Opferfest, in Berlin.
Das islamische Jahr
Da das islamische Jahr ein Mondjahr(354 Tage) ist und damit ca. 10 Tage kürzer als das Sonnenjahr, verändern sich auch die Daten der Festtage. Der Fastenmonat Ramadan wandert deshalb
rückwärts durch das christliche Sonnenjahr und beginnt jedes Jahr 10 bis 11 Tage früher als im
Vorjahr.
Der Ramadan
Ramadan ist der Name des neunten Monats im islamischen Kalender und bezeichnet den Fastenmonat. Die Fastenzeit beginnt im Monat Ramadan täglich bei der Morgendämmerung und
endet beim Sonnenuntergang. Während dieser Zeit verzichten praktizierende MuslimInnen von
Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf Essen, Trinken, Rauchen und Geschlechtsverkehr. Die
Fastenden sind daher tagsüber müde. Kinder können ab etwa 9 Jahren mitfasten, ab etwa
15 Jahren sind sie dazu verpflichtet.
Beendet wird der Fastenmonat mit dem «Fest des Fastenbrechens», das in der Regel zwei bis
drei Tage lang gefeiert wird. Kinder erhalten aus diesem Anlass Geschenke und Süßigkeiten.
Daher rührt die türkische Bezeichnung «Zuckerfest». Familien und Freunde besuchen einander
nach einem festgelegten Turnus und tauschen Glückwünsche aus.
Die Wallfahrt nach Mekka und das Opferfest
Das andere bedeutende Fest der islamischen Welt, das «Opferfest», gehört in den Rahmen einer
weiteren Glaubenspflicht der Muslime, der Pilgerfahrt (Hadjdj). Jede gläubige Person, die physisch und finanziell dazu in der Lage ist, sollte einmal in ihrem Leben die heiligen Stätten des
Islams in der Stadt Mekka und ihrer Umgebung aufsuchen. Der Zeitpunkt für die Pilgerfahrt ist
genau festgelegt. Sie findet im islamischen Monat Dhul-Hidjdja, dem letzten Monat des islamischen Jahres, statt. Das Fest findet nach dem islamischen Mondkalender 70 Tage nach dem
Ramadanfest statt.
Das Ritual geht auf die Geschichte von Ibrahim (Abraham) zurück, der als Zeichen seines Glaubens an Gott, seinen Sohn Ismael opfern sollte. Der religiösen Überlieferung nach schickte Gott
jedoch im letzten Moment den Erzengel Cebrail (Gabriel) mit einem Schafbock zu Ibrahim auf die
Erde herunter. Gläubige Moslems glauben, dass sie diesem religiösen Ritual und der Weisung
Mohammeds nachkommen müssen.
Wenn es finanziell möglich ist, wird ein Hammel geschlachtet. Der größte Teil des Fleisches wird
an arme Leute gegeben. Es wird auch als Familienfest mit Verwandtenbesuchen gefeiert.
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Arbeitsblatt 2
Beobachtungsaufträge
1. Notiere, wer dem Tragen des Kopftuches welche Bedeutungen zuschreibt.
2. Welche Unterschiede stellst du zwischen den Lebensweisen von Gülsen und Meryem fest?
3. Was erfährst du über den Islam?
4. Welche Personen sind für die Mädchen besonders wichtig?
5. Was erstaunt dich?
Meine Notizen zu Frage Nr. Anna, Amal & Anousheh Kopftuch und Minirock
Arbeitsblatt 3
Rund ums Kopftuch
Ordne die Aussagen den entsprechenden Bildern zu (für zwei Aussagen gibt es kein Bild)
Die Frau soll ihre Reize verhüllen,
so steht es im Koran.
Ich wünsche mir, dass viel mehr
Frauen mit Kopftuch ein Ziel
haben, ein Abitur machen oder
einen richtig guten Beruf lernen.
Darauf müssten doch die Eltern
und die Brüder und Türken allgemein viel stolzer sein.
Wenn Meryem sich verhüllt, ist
das nichts als ein Spiel.
Wenn sie hier leben wollen, sollen sie sich unseren Sitten anpassen und nicht ihre Sitten
einbringen und uns aufdiktieren,
dass wir damit leben müssen.
Die islamische Kleiderordnung
gilt für mich nicht. Ich bin zwar
Muslimin, ich lebe aber nicht
nach dem Koran. Vielleicht in
zehn Jahren. Ich bin noch nicht
so weit. Das Kopftuch wäre wie
eine Maske.
Sie sagen: Hier musst du doch
nicht fasten. Hier sieht dich doch
keiner. Sie verstehen den religiösen Hintergrund einfach nicht.
Weder in der Türkei noch in
Mitteleuropa sind berufstätige
Frauen mit Kopftüchern erwünscht.
Die mit dem Kopftuch haben
mehr Vorteile. Über die würde
man nicht lästern. Aber über
die mit dem Minirock schon.
Mit ihren eleganten Kleidern und
dem gebrochenen Türkisch
erkennt jeder Gülsen und Gülcin
als Touristinnen. Damit niemand
sie belästigt,werden sie von
ihren Brüdern beobachtet.
Sie hat sich daran gewöhnt, dass
die Patienten sie für die neue
Putzfrau halten und sie in Zeichensprache anreden.
Gülsen will beweisen, dass eben
auch eine verschleierte Frau
Ärztin werden kann.
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Arbeitsblatt 4, Seite 1
Vom Schleier zum Kopftuch
•Notiere, welche Bedeutungen dem Tragen des Kopftuches
zugeschrieben werden.
•Vergleiche die Aussagen anschliessend mit den Begründungen, welche im Film genannt werden.
Kaum ein Kleidungsstück wird dermassen mit einer vom Islam geprägten Lebensweise in Verbindung gebracht wie das Kopftuch. Traditionell wird es von Frauen und Mädchen nach der
Geschlechtsreife getragen.
Die Diskussion um das Tragen des Kopftuches geht auf die Diskussion um die Verschleierung
zurück. Das Kopftuch kann als gemässigtere Form der Verschleierung bezeichnet werden.
Es soll, auf verschiedene Weisen geknüpft, sämtliches Haar der Trägerin bis zum Haaransatz
bedecken. Es darf jedoch weder die Orientierungs- noch die Bewegungsmöglichkeiten der Trägerin behindern. Fünf Typen von Schleiern werden unterschieden: Körperschleier, Gesichtsschleier, Halbschleier, Gesichtsmaske und Kopftuch. Bei dem Material, aus dem die Schleier
hergestellt werden, handelt es sich in der Regel um leichtere Textilien. Häufig sind die Stoffe
einfarbig. In einigen Regionen werden dunkle Farben bevorzugt. Daneben finden sich jedoch
auch sehr farbenfrohe Dessins. Die raffinierten Muster der Schleier lassen auf die soziale Stellung
der Trägerin schliessen. Gesichtsmasken, wie sie vor allem in den Staaten des arabischen Golfs
getragen werden, bedecken Teile der Stirn, den Nasenrücken und die Oberlippe.
Ausser auf die «islamische» Haltung der Trägerin oder ihrer Familie weist die Form des Schleiers
auch auf ihre soziale Stellung hin. Der Schleier ist vor allem ein städtisches Kleidungsstück. Auf
dem Lande, wo die Frauen Landarbeit verrichten, wären Formen der strengen Verschleierung
hinderlich bei der körperlichen Arbeit der Trägerinnen. Hier wird allenfalls ein Kopftuch oder ein
Hut getragen. In Städten dagegen, in denen die Frauen ausschliesslich Haus- und Familienarbeit
verrichten, signalisiert eine strenge Verschleierung in der Öffentlichkeit eine günstige wirtschaftliche Lage oder hohes Ansehen der Familie. Dienerinnen oder Frauen aus ehemaligen Sklavenfamilien zeigen sich in der Öffentlichkeit in der Regel nicht verschleiert. Ist ihnen jedoch durch
Heirat oder wirtschaftlichen Erfolg der soziale Aufstieg gelungen, übernehmen auch sie die entsprechenden Formen der Verschleierung.
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Arbeitsblatt 4, Seite 2
Gründe für die Verschleierung
Die Gründe für die Verschleierung von Frauen in der islamischen Welt sind sehr vielschichtig.
Bereits in vorislamischer Zeit wurden auf der arabischen Halbinsel von Frauen und Mädchen
Schleier getragen. Hier scheint es sich um ein Kleidungsstück vor allem der Oberschicht gehandelt zu haben. Vermutet wird, dass dies auf iranische und byzantinische Vorbilder zurückgeht –
und nicht von religiöser Bedeutung ist.
Die unterschiedlichen Vertreter des Islams sind sich uneins, inwiefern der Koran das Tragen eines
Schleiers oder Kopftuches tatsächlich vorschreibt. In der Regel wird mit dem Koranvers 33,59 argumentiert: «O Prophet, sage deinen Gattinnen und deinen Töchtern und den Frauen der Gläubigen, sie
sollen etwas von ihrem Überwurf (djilbab) über sich herunterziehen. Das bewirkt eher, dass sie
erkannt werden und dass sie nicht belästigt werden. Und Gott ist voller Vergebung und barmherzig.»
In den Überlieferungen und Korankommentaren ist die Bedeutung des Wortes «Djilbab» unsicher. Es
kann sich um einen Mantel gehandelt haben, der auch zur Verhüllung des Gesichts verwendet werden
konnte. Doch sind auch andere Interpretationen möglich. Sicher ist, dass der Vers darauf abzielte,
den freien Musliminnen gegenüber den Sklavinnen ein nach aussen hin deutliches Unterscheidungsmerkmal zu verschaffen. Im Laufe der Geschichte dieses Kleidungsstücks im Islam traten immer mehr
Varianten in Erscheinung, von denen man wohl nicht annehmen kann, dass sie schon in der islamischen Frühzeit üblich waren. Angesichts der wenig ausführlichen Hinweise im Koran ist es verwunderlich, dass sich die Praxis der völligen oder partiellen Verschleierung in den zahlreichen, so unterschiedlich islamischen Gesellschaften allgemein verbreitet hat. Andere Bedeutungen müssen wichtig sein. So kann Verhüllung auch Schutz bedeuten. Frauen bewahren in der Öffentlichkeit die Intimität ihres Körpers und schützen sich so vor den Blicken der Männer. Gleichzeitig wird häufig betont,
dass die Verhüllung die erotischen Phantasien der Männer anregen würde. Klimatische Begründungen
werden eher abgelehnt.
Eine weitere Deutung beschreibt den Schutz vor dem «bösen Blick». Junge, d. h. gebärfähige Frauen
sind durch den «bösen Blick» besonders gefährdet. Dieser wird vor allem mit Neid in Verbindung
gebracht. So kann ein Kleidungsstück, das Ursachen für Neid – wie Schönheit, Jugend oder Schwangerschaft – verbirgt und zur Anonymität beiträgt, als Abwehrmittel gegen derartige Gefahren eingesetzt werden.
Die Abschaffung des Schleiers
Mit der Abschaffung des Schleiers in vielen islamischen Ländern entstand zum ersten Mal die
Frage nach einer weiblichen Kopfbedeckung. Da in vielen islamischen Gesellschaften das Haupthaar von Frauen als zu bedeckender Teil angesehen wird, mussten hier Lösungen entwickelt
werden, die sich jedoch regional deutlich unterscheiden. Die Form der weiblichen Kopfbedeckung
wurde damit zugleich zu einem sozialen Unterscheidungsmerkmal. Westliche Damenhüte wurden
zum äusserlichen Zeichen einer europäischen Orientierung und weiblicher Emanzipation. Das
Kopftuch signalisiert dagegen eine eher traditionelle, von islamischen Vorstellungen geprägte
Haltung.
Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts hat der Kampf gegen die Verschleierung der Frau einen
besonderen Symbolcharakter. Der Schleier war Zeichen von Reaktion und Unterentwicklung. Die
Ablegung dieses Kleidungsstücks symbolisierte dagegen Fortschritt, Aufgeklärtheit und Modernität. Mustafa Kemal Atatürk in der Türkei, Schah Reza im Iran oder König Amanullah in Afghanistan versuchten mit unterschiedlichem Erfolg, das Tragen des Schleiers zu verbieten. Bis heute
wird der Kampf um den Schleier als Zeichen für die Emanzipation von Frauen in islamischen
Gesellschaften gedeutet.
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Arbeitsblatt 5, Seite 1
Kopfbedeckungen für Männer im Islam
Quelle: Khoury, Adel Theodor; Hagemann, Ludwig; Heine, Peter: Islam-Lexikon. Geschichte –
Ideen – Gestalten. Elektronische Fassung 2003
•Lies den Text und trage die verschiedenen Bedeutungen
der Kopfbedeckungen zusammen.
•Vergleiche diese mit der Diskussion um die Kopfbedeckung
und die Verschleierung der Frauen.
•Wo findest du ähnliche Gründe, wo ganz andere?
Auch im Islam gilt: Kleider machen Leute. So sind die Kopfbedeckungen wie die Kleider insgesamt
wichtig zur sozialen Differenzierung. Das Warmhalten des Kopfes oder der Sonnenschutz, also
ein Mittel zur Anpassung an die klimatischen Verhältnisse, wird eher als geringes Argument
angesehen.
Über den religiösen Sinn der Kopfbedeckung wurde zwischen islamischen Gelehrten und Intellektuellen häufig gestritten, mehr als um andere Teile der Kleidung. Die typische islamische
Kopfbedeckung der Männer ist der Turban, wie ihn auch der Prophet Muhammad getragen haben
soll. Der Turban entsteht, wenn ein Tuch um eine Kappe oder ähnliches gewunden wird. Islamische Richter und Gelehrte des Mittelalters trugen Sonderformen von Kopfbedeckungen, an
denen man ihre Funktion und ihren Rang innerhalb der entsprechenden Hierarchien ablesen
konnte. Auch heute noch sind sunnitische und schiitische Gelehrte nicht nur an ihrer Kleidung,
sondern auch an ihrem Turban zu erkennen. Häufig sagte die Form, Farbe und Grösse des Turbans
etwas über die soziale, politische oder religiöse Stellung des Trägers aus. Warum die Frage, was
ein Muslim auf dem Kopf zu tragen hat, zu so heftigen Auseinandersetzungen vor allem in der
Moderne geführt hat, ist unklar. Zwar ist es in vielen Regionen der islamischen Welt üblich, beim
Gebet den Kopf bedeckt zu halten, doch ist dies nicht zwingend vorgeschrieben. Auf den religiösen Aspekt der Kopfbedeckung weist auch die Tatsache hin, dass im Osmanischen Reich auf
den Grabsteinen steinerne Turbane angebracht wurden. Dabei handelt es sich bis auf wenige
Ausnahmen um die Gräber von Männern.
Während des islamischen Mittelalters wurde kaum über die Form der Kopfbedeckung nachgedacht. Sie galt vor allem zur Unterscheidung zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen, zwischen
den Angehörigen verschiedener Orden oder zwischen verschiedenen Berufsgruppen.
Erst im 19. Jahrhundert setzte die aktive Auseinandersetzung mit den Formen der Kopfbedeckung
ein. In der Türkei konnte etwa in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im osmanischen Heer die
Schirmmütze nicht durchgesetzt werden, weil diese den Beter, der mit der Stirn den Boden berühren muss, behindert hätte. Stattdessen wurde 1835 der schirmlose Fez eingeführt. Er wurde
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Arbeitsblatt 5, Seite 2
schnell zum Symbol für die traditionellen, reaktionären Orientalen. Viele türkische Reformer
machten ihn zur Zielscheibe des Spotts. So verbot ihn der türkische Reformer Mustafa Kemal
Atatürk im Jahre 1925 und führte stattdessen europäische Hüte mit einer Krempe oder Schirmmützen ein.
Es gibt auch Männer bestimmter Nomadengruppen, wie die Tuareg der Sahara, die Gesichtsschleier tragen.
Doch sind hier keine religiösen oder quasi religiösen Gründe für diese Sitte von Bedeutung,
sondern ausschliesslich praktische und soziale Motive.
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Arbeitsblatt 6, Seite 1
Diskussion: Zitate und Aussagen zu verschiedenen Themen
Kulturelle Unterschiede
Gülcin erzählt: «Deutsche Jungs kommen und geben die Hand, legen die Arme um die Schultern,
geben einen Stups. Das ist bei uns nicht so.»
Der Bruder Achmed ist als einziger der Geschwister in der Türkei aufgewachsen. Eine Schulbildung
wie seine Schwestern hat er nicht. Dafür ging er in die Koranschule. Er hat Probleme mit seinen
selbstbewussten Schwestern und will sie nicht alleine aus dem Haus lassen. «Er versteht uns in
vielen Dingen nicht und wir ihn nicht. Das ist so, weil er ganz hier aufgewachsen ist und wir ganz
in Deutschland» sagt Gülcin.
Gülcin beim Auspacken ihrer Koffer in der Türkei: «Man kommt zu Schlüssen, die man mit klarem
Kopf nie fassen würde. Zum Beispiel, dass man gleich wieder nach Berlin fliegen möchte. Man
hat eine Wut. Ich drücks eher aus, indem ich mit den Brüdern heftig streite, Gülsen ist etwas
introvertierter.»
«Es ist traurig. Die ganze Umgebung, die Grosseltern, die man nie zu Gesicht bekommen hat. Normalerweise hat man sie immer um sich und nicht so weit weg.»
In einigen Wochen werden die Mädchen wieder in ihren Hörsälen in Deutschland sitzen und sie
werden nicht aufhören, ihr Glück zu suchen zwischen den ungleichen Kulturen.
Gleichstellung
Manchmal beneidet Meryem ihre kleinen Geschwister. Sie selbst musste bereits mit 7 Jahren ihre
kleinen Geschwister versorgen, während ihre Mutter während 12 Stunden im Gemüseladen arbeitete.
Meryem: «Das ganze Leben lang musste ich mich gegen meine drei älteren Brüder durchsetzen
und Freiheiten erkämpfen, welche für jene selbstverständlich waren. Heute lasse ich mir von ihnen
nichts mehr verbieten.»
Noch vor zwei Jahren haben ihre Brüder ihren Schminkkasten zertreten.
Meryem: «Heute vertraut mir meine Mutter. Sie sagt: Geh wie ein Mann und komm wie ein Mann
zurück. Du kannst alleine weggehen, du musst aber deine Ehre behalten.»
Würde Meryem aufbegehren, käme das einem Bruch mit ihrer Familie gleich.
Anna, Amal & Anousheh
Kopftuch und Minirock
Arbeitsblatt 6, Seite 2
Der Bruder erzählt: «Im Islam sind beide Geschlechter gleichberechtigt. Die Frauen machen die
Hausarbeit, sie sind aber dem Mann gleichgestellt.»
Der Vater in der Türkei: «Wenn ein Mädchen in Deutschland alleine auf der Strasse ist, dann ist
das kein Problem. Hier in der Türkei wird ein Mädchen, das alleine auf die Strasse geht, ohne
Anstand behandelt.»
Partnerwahl
Gülsen und Meryem: «Wenn ein Mann kommt, dann müsste er warten. Zuerst kommt der Beruf,
die Karriere. Ein Mann kommt erst an zweiter Stelle.»
Gülcin: «Wir waren verlobt. Als er mir dann sagte, dass er eine Hausfrau wolle, die sich nur um die
Kinder und die Familie kümmere, da wurde es mir zu viel. Ich stand kurz vor dem Abitur.»
Gülcins und Gülsens Mutter: «Meine Eltern haben den Mann ausgesucht. Wir sind nun 42 Jahre
verheiratet und er hat eigentlich keine schlechten Seiten.»
Meryem: «Wenn ich einen deutschen Freund hätte, würde mich meine Mutter umbringen.»
Heimat
Gülcin: «Ich kann es mir auf keinen Fall vorstellen, ohne Beruf hierher zu kommen. Aber wenn ich
später fertig bin, was soll ich in Deutschland? Hier in der Türkei ist meine Heimat. Ich würde es
gegen nichts eintauschen, auch wenn man nur einmal im Jahr für einen Monat hier war. Es bedeutet mir mehr als die elf Monate in Deutschland.»
Die Heimat, die Gülcins und Gülsens Familie nie in Deutschland gefunden haben, finden sie in der
Religion.
Meryem: «Meine Heimat ist hier in Deutschland. Hier lebe ich und bin ich aufgewachsen. In die
Türkei gehe ich nur in den Urlaub.»
Kleidervorschriften
«Als die beiden sich kennen lernten, war an Freundschaft nicht zu denken. Vor allem Gülsen, die
Muslimin, hatte Bedenken, was das Outfit der anderen betraf.»
Kopftuch und Minirock
Arbeitsblatt 7, Seite 1
Was vermittelt Heimat ?
Welche Regeln gelten im
Bereich des Wohnens ?
Wie gestaltet sich die Partnerwahl ?
Welche beruflichen Ziele
werden verfolgt ?
Welche Zukunftsträume sind
wichtig ?
Lebensbereiche
Gülcin und Gülsen
Meryem
Schulkolleginnen von Gülsen und Meryem
Die türkische Familie an der
Schwarzmeerküste
Ich
1. Überlege, welche Bedeutung der jeweilige Lebensbereich für die einzelnen Personen und Gruppen beinhaltet. Notiere die Wichtigkeit respektive die konkreten
Lebensformen, welche du anhand des Filmes beobachten kannst.
Im Film erzählen Gülsen und Meryem, sie seien wie schwarz und weiss. Stimmt das ? Die folgende Aufgabe macht die Gemeinsamkeiten der Mädchen und dir
sichtbar.
Leben zwischen den Kulturen – welche Lebensweisen wählen Gülcin, Gülsen und Meryem ? Welche wählst du ?
Anna, Amal & Anousheh
Welche Einstellungen zu anderen Verhaltensweisen werden
sichtbar ?
Welche Orte können alleine
aufgesucht
werden ?
Wie werden Partys mit Gleichaltrigen gefeiert ?
Welche Freizeitbeschäftigungen werden gepflegt ?
Welche Kleidervorschriften und
Essens­gewohnheiten sind
wichtig ?
Welche religiösen Feste sind
bedeutungsvoll ?
Lebensbereiche
Anna, Amal & Anousheh
Gülcin und Gülsen
Kopftuch und Minirock
Meryem
Schulkolleginnen von Gülsen und Meryem
Die türkische Familie an der
Schwarzmeerküste
Ich
Arbeitsblatt 7, Seite 2
Kopftuch und Minirock
Arbeitsblatt 7, Seite 3
10. Befrage Jugendliche – Mädchen und Jungen­– aus türkischen, anderssprachigen Elternhäusern zu den oben genannten Bereichen.
Was stellst du fest ?
9. Stell dir vor, die Mädchen wären deine Kolleginnen oder Freundinnen: Welche Unterschiede könntest du im Zusammenleben leicht akzeptieren – wo würde es schwierig ?
8. Beschreibe die Stärken der Mädchen. Was können sie gut ?
Weiterführende Aufgabe
7. Die berufliche Zukunft ist für alle drei Mädchen sehr wichtig: Weshalb ? Was bedeutet es für sie, «Karriere zu machen» ? Wie ­verändert sich dadurch ihre kulturelle
Situation ?
6. Die Mädchen gelangen immer wieder in Konflikte zwischen den Kulturen, zum Beispiel bei der Partnerwahl. Beschreibe die S
­ ituation der Mädchen. Wie gehen sie mit
diesem Konflikt um ? Welche Vorteile und welche Schwierigkeiten entstehen daraus ?
5. Das Leben zwischen den Kulturen ist nicht einfach. Und doch: Was lernen die Mädchen in ihrem Alltag ? Wie schätzt du ihre Lebens­weisen ein ?
4. Vergleiche nun deine eigene Spalte mit denjenigen der drei Mädchen. Wo siehst du Unterschiede zwischen dir und den dreien ?
Wo gibt es Gemeinsamkeiten ?
3. Findest du Bereiche, in welchen sie sich an keiner der genannten Gruppen orientieren ? Wo findest du Gemeinsamkeiten und wo Unterschiede ? Sind Gülsen und
Meryem wie «schwarz und weiss» ? In welchen Bereichen, wo nicht ?
2. Markiere mit jeweils unterschiedlicher Farbe die Aussagen der «deutschen Schulkolleginnen» und der «türkischen Familie». Betrachte nun die Bereiche der Mädchen.
In welchen Bereichen orientieren sie sich an der deutschen Kultur und wo orientieren sie sich an den Vorstellungen ihrer Familien ? Markiere dies jeweils mit derselben
Farbe. (Beispiel: Die Angaben über die «deutschen Schulkolleginnen» sind mit der Farbe Blau markiert. Wenn Gülcin und Gülsen Zukunftspläne mit ihren deutschen
Schulkolleginnen teilen, markiere dies ebenfalls mit der Farbe Blau. Die Angaben zur «türkischen Familie» werden mit der Farbe Orange markiert. Zukunftspläne, bei
welchen sich Gülcin und Gülsen an ihrer Familie orientieren, werden ebenfalls mit Orange markiert. Markiere nun so alle Aussagen der einzelnen Felder. So entsteht
ein Bild über die innere Orientierung der Mädchen, ihre Gemeinsamkeiten und ihre Unterschiede. Konfliktfelder
werden sichtbar.
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