Barmherzigkeit Ein altertümliches Wort, das eigentlich nur in kirchlichem Kontext gebräuchlich ist. Trotzdem hat es Eingang gefunden in den gebräuchlichen Sprachgebrauch. In diesem Wort finden wir zwei Komponenten: das Wort Herz und Erbarmen. Üblicherweise wird in unserer Sprache das Herz als Sitz und Ursprung der Gefühle genannt und besonders dann, wenn es um das Zwischenmenschliche geht. Etwas geht uns zu Herzen. Mit Barmherzigkeit übersetzt wird in der Bibel auch ein hebräisches Wort, das für Mitleid, Erbarmen, Liebe und Zärtlichkeit steht. Ursprung dieses Wortes ist aber die Bezeichnung für Eingeweide und speziell der Mutterschoß. WAS DIESE Organe mit Barmherzigkeit zu tun haben, leuchtet nicht gleich ein. Aber wenn wir ein wenig in unserer Sprache forschen, dann merken wir, dass nicht nur das Herz etwas mit Gefühlen zu tun hat. Wenn man verliebt ist, spricht man von Schmetterlingen im Bauch. Manche Dinge gehen uns an die Nieren oder schlagen uns auf den Magen und manchmal kommt uns auch die Galle hoch. Wenn man ein mulmiges Gefühl hat, merkt man es häufig im Bauch. Irgendwo da drinnen arbeitet ein ganz zuverlässiges Nervengeflecht, viele Antennen lassen uns etwas fühlen, was uns ins Ungleichgewicht bringt. Hormone werden ausgeschüttet und es passiert etwas, lange bevor irgendetwas in unserem Kopf ankommt und durchdacht werden kann. Und das betrifft auch die Gefühle Mitleid und Rührung. Wenn das Schicksal eines anderen Menschen und bewegt, wenn wir spüren, dass ein Bruder, eine Schwester in Not ist, berührt mich das ganz tief drinnen. Ich kann die Not spüren, dass sie mich innerlich so bewegt, als würde es mich selbst betreffen. Vom Kopf her kann ich alles versachlichen, vielleicht schaffe ich es sogar, mich davon abzuschotten. Bei der Barmherzigkeit geht es um mehr als nur Gefühl des Mitleides, sondern es geht darum, was ich daraus mache. Der barmherzige Samariter ist ein wichtiges Beispiel: Barmherzigkeit ist, was er tut für den Verletzten, ohne an sich zu denken. Er bleibt nicht stehen bei dem Gefühl, das ihn beschleicht, wenn er den Verletzten sieht, sondern schreitet zielstrebig darauf zu, hier Hilfe zu leisten. Barmherzigkeit ist also die leidenschaftliche Hinwendung zu dem, der Hilfe braucht und ist immer eine helfende Tat, weil das Leid uns keine Ruhe lässt. Hierbei geht es auch um Verletzlichkeit. Verletzt sein bedeutet nicht nur den körperlichen Bereich sondern in der heutigen Zeit mehr denn je auch verletzt sein, wenn man nicht akzeptiert, nicht ernst genommen wird. Sorgen wir alle dafür, dass wir gerade in unserem Orden rechtzeitig merken, wenn eine Schwester, ein Bruder sich verletzt fühlt. Hier schnell und zuverlässig Hilfe zu leisten ist oberstes Gebot und schweißt uns in unserer Arbeit zusammen. Franz-Dieter Schmidt 3-2013