SPUNK Juni No. 2011 65 Schwerpunkt: SEX Foto:Meinhardt Branig Die Revolution macht vor deinem Bett nicht halt Fühlt ihr euch bei 69 weniger unterworfen? Wer den Anspruch hat, eine bessere Welt zu entwerfen, muss sich auch mit Sex befassen. Viele politische Grundsatzentscheidungen haben unmittelbar mit Sex zu tun. Eine wichtige politische Frage ist zum Beispiel, wer mit wem ins Bett geht. Die Gesellschaft, in der wir leben, hält heterosexuelle, monogame Paarbeziehungen für normal und richtig. Wer diesen Rahmen sprengt, wird leicht zur Zielscheibe politischer Gegner_innen. Lesben, Bisexuelle, Schwule, Menschen mit mehreren gleichzeitigen oder schnell wechselnden Partner_innen erfahren das täglich. Als GRÜNE JUGEND wollen wir eine Welt, in der alle Menschen selbstbestimmt leben. Das schließt neben vielem anderen die Möglichkeit ein, einvernehmlichen und sicheren Sex zu haben, mit wem, wo, wann und wie sie wollen. Jeder Mensch hat das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung sowie die Anerkennung seiner geschlechtlichen und sexuellen Identität, die durch unser Grundgesetz geschützt ist. Welche Formen der Auslebung sexueller Bedürfnisse jedoch als Normalität oder gar Perversion gelten, ist vor allem durch kulturelle Entwicklungen und gesellschaftliche Sozialisation bedingt. Dies erklärt auch, warum die Sexualmoral einem ständigen Wandel unterworfen ist und sich demzufolge auch das Sexualstrafrecht im Laufe der Zeit immer wieder verändert. Warum Sex politisch ist. Das schließt auch die Möglichkeit ein, keinen Sex zu haben. Asexuelle Menschen wollen allgemein keinen Sex, ohne dafür schief angeguckt zu werden. Fast alle anderen sind wählerisch, was Partner_innen, Umstände, Zeitpunkt und Ort ihrer sexuellen Erlebnisse betrifft. Wichtiger als die Möglichkeit, Sex zu haben, wenn mensch das möchte, ist das Recht, zu nichts gezwungen zu werden. Unser Anspruch ist, uns jeder Art der sexualisierten Gewalt konsequent entgegenzustellen. Auf diesem Gebiet gibt es noch viel zu tun. Erst 1997 wurde Vergewaltigung in der Ehe in Deutschland strafbar. Dass sich diese ekelhafte Rechtslage gebessert hat, ist ein Ergebnis politischer Kämpfe. Auch jenseits von sexualisierter Gewalt ist Sex in einer ungerechten Welt auf allen Ebenen verbesserungsbedürftig. Viel zu viele Männer sind immer noch der Auffassung, Verhütung gehe sie nichts an. Von denen, die das eigentlich anders sehen, kommen nur wenige auf die Idee, sich selbst aktiv um Verhütung zu kümmern. Gesellschaftliche Strukturen drängen Frauen die alleinige Verantwortung für Empfängnisverhütung auf. So bezahlen z.B. Krankenkassen für Frauen unter 18 Jahren die Antibabypille komplett, für Frauen unter 21 größtenteils. Wer dagegen Kondome haben möchte, muss sich die selbst leisten können. Das sind Probleme, auf die mensch im eigenen Privatleben stoßen kann und die grundlegende politische Fragen betreffen. Es ist eben nicht nur eine Frage persönlicher Nettigkeit, ob ein Hetero-Mann es wichtig findet, dass seine Partnerin Spaß am Sex hat. Wer Gleichbere­ chtigung leben will, kommt nicht umhin, das eigene Sexualleben zu hinterfragen. Sex politisch denken ... ... in der Debatte über Sexarbeit Seite 3 ... bei der Konzeption von Schulunterricht Seite 4 ... im Kontext von Kriegsverbrechen Seite 9 rollen ... in der Konstruktion von Geschlechter Seite 12 Warum Sex unpolitisch ist. Dass das Erkämpfen des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung, die auch die sexuelle Orientierung, die Wahl der Sexualpartner_innen und sexueller Praktiken sowie die Geschlechtsidentität und die Form der sexuellen Beziehungen einschließt, einst eine unglaubliche Herausforderung für gesellschaftlich unterdrückte Minderheiten bedeutete, steht außer Frage. Doch während der Kampf um gesellschaftliche Anerkennung von höchst politischer Brisanz ist, ist es die Ausübung sexueller Praktiken jedoch nicht. Sex ist ein unpolitischer Akt, dessen bloßer Vollzug keiner öffentlichen Kommentierung oder gar Politisierung bedarf. Welche Konsequenzen sich aus dem Postulat eines politisierten Sexualakts ergeben, veranschaulichen die Diskussionen um die als grundsätzlich frauenverachtend dargestellte Pornoindustrie, die letztlich in die fast beleidigte Forderung nach Pornofilmen für Frauen gipfelten. Das Resultat waren angeblich feministische Pornos, die mehr Wert auf eine sich langsam steigernde Handlung und ein anspruchsvolleres Niveau legten. Durch die Betonung weiblichen Lustempfindens sowie den Verzicht auf explizite Nahaufnahmen sollten sich mehr Frauen angesprochen fühlen. Die Etablierung der Bezeichnung HeartCore für solcherlei Filme sowie die Verleihung des Feministischen Pornofilmpreises Europa für besonders gelungene Aufnahmen sprechen zwar für das Bemühen um gefühlsbetonte Erotikfilme, die den gemeinsamen Spaß am Sex propagieren, nicht aber für die Notwendigkeit eines allgemeingültigen Gütesiegels der Sexual Correctness. Das Erleben der eigenen Sexualität ist ein intimes Bedürfnis und jeder Mensch sollte das Recht haben, es unter Ausschluss der Öffentlichkeit genießen zu dürfen. Was dabei als liebevoll, zärtlich oder diskriminier­ end empfunden wird, muss jede_r für sich selbst entscheiden. Politische Ideen, die Gesellschaft verändern wollen, haben auch Auswirkungen auf unser Privatleben. Unser politischer Anspruch sollte nicht vor der eigenen Sexualität Halt machen. Wer sich traut, das eigene sexuelle Handeln durch eine politische Brille zu betrachten, kann eine Menge über sich selbst und sein(e) Gegenüber erfahren. Das bedeutet auch: Politisches Denken ermöglicht besseren Sex. Die individuelle Sexualität bedarf keiner Legitimation: Geliebt werden sollte, wie es gefällt und nicht, wie es vermeintlich politisch korrekt ist. Bevor der Akt zum feministischen Befreiungsschlag gegen angeblich frauenverachtende Sexualpraktiken erklärt wird, sollte die Möglichkeit eines undogmatischen und entpolitisierten Lusterlebens geprüft werden. Oder fühlt ihr euch bei 69 weniger unterworfen? Lisa Bendiek Sarah Benke SPUNK al Editorial Editorial Editorial Editorial Editorial What the fuck is sex? Ein Definitionsversuch Foto:soapylovedeb Liebe Leserinnen, die vorliegende Ausgabe könnten wir als einen klassichen Fall des Phänomens "den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen" betrachten. Die Gelegenheit, einen "Sex-SPUNK" als vielversprechendende Nummer 66 herauszubringen, war wohl so offensichtlich, dass wir sie irgendwie nicht wahrgenommen haben. Vielleicht drängte aber auch einfach das Thema zu sehr. Stell dir vor, in deinem Vorgarten landet ein Ufo. Heraus steigt eine Gruppe Außerirdischer, die schon seit geraumer Zeit das menschliche Leben vom All aus beobachten. Stell dir vor, diese Aliens fragen dich, was Sex ist. Was würdest du ihnen antworten? Die Frage, was Sex überhaupt ist, erscheint auf den ersten Blick banal. Um herauszufinden, ob sie das ist, versetze ich mich für den SPUNK in eine Außerirdische und versuche dann, Sex zu definieren. Frage ich die Google-Bildersuche, was Sex ist, besteht ein Drittel der ersten fünfzig Treffer aus Fotos von leicht bekleideten Frauen. Ein weiteres Drittel zeigt ebenfalls oft leicht bekleidete heterosexuelle Paare. Was genau die Abgebildeten machen, wird nirgendwo deutlich. Ist es also Sex, wenn eine Frau einen Minirock trägt? Oder wenn ein Mann und eine Frau sich umar­ men? Wenn wir Aliens uns auf Google verließen, kämen wir vielleicht zu diesem Schluss. Zum Glück kennen auch Aliens schon Wikipedia. Die OnlineEnzyklopädie weiß: Unter Sex versteht man die praktische Ausübung von Sexualität, (...) insbesondere den Geschlechts­ verkehr und vergleichbare Sexualpraktiken. Und: Unter 'heterosexuellem Geschlechtsverkehr' wird in der Regel das Einführen des Penis in die Vagina mit nachfolgendem Vor- und Zurückbewegen verstanden. Durch diese Gleitbewegung wird meist der Mann soweit stimuliert, dass er zum Orgasmus kommt. Wir Aliens haben jetzt folgenden Eindruck gewonnen: Sex ist etwas, das zwischen einem Mann und einer Frau stattfindet, indem der Mann seinen Penis in die Scheide einführt. Zumindest die Frau sollte dafür nackt sein, und zumindest der Mann kommt dabei zum Orgasmus. Dieses eindeutige Bild hat allerdings einen Haken. Wikipedia erwähnt Sexualpraktiken, die mit dem Geschlechtsverkehr vergleichbar seien. Auf welche Handlungen trifft das zu? Im deutschen Strafrecht gibt es zur Abgrenzung unterschiedlicher Grade von sexualisierter Gewalt eindeutige Regelungen. Eine Vergewaltigung ist laut StGB ein erzwungener sexueller Kontakt, der das Eindringen in eine Körperöffnung (Vagina, After oder Mund) beinhaltet. Egal ist dabei, welchem Geschlecht die Beteiligten angehören und ob der/die Täter_in in das Opfer eindringt oder umgekehrt. Jeder erzwungene Sex, der keine Penetration beinhaltet, gilt rechtlich als Nötigung. Dem Strafgesetzbuch nach zu urteilen gibt es also mehr und weniger ernsthafte Formen von Sex. Aber meine Frage ist auch, wo Sex überhaupt anfängt. Einer der Menschen, den ich im Rahmen unserer Alien-Exkursion interviewt habe, interpretiert Fellatio nicht als Sex, sondern als Vorstufe von Sex deswegen heißt es ja auch Vorspiel. Ein anderer weist mich darauf hin, dass man Fellatio auch Oralsex nennt. Uneinig sind sich die Menschen sogar darüber, ob es zwischen zwei Frauen oder zwei Männern wirklich richtigen Sex geben kann Mitglieder einiger christlicher Gruppen leugnen das immer wieder. [Als ich wissen will, welche Körperteile etwas mit Sex zu tun haben, bekomme ich schier endlose Antworten. Viele Europäer_innen denken an weibliche Brüste und Penisse, andere an lange Haare. In Ostafrika gelten Knie und manchmal sogar Knöchel als total sexy. In einer mysteriösen Organisation namens GRÜNE JUGEND passiert es bei Trinkspielen, dass eine_r die Frage stellt: Wer hatte schon Sex mit jemand anderem in dieser Runde? und dann nur eine Person trinkt. Manchmal passiert das sicherlich, weil jemand etwas verheimlichen will. Aber oft kommt es auch vor, dass sich zwei (oder mehrere) Menschen nicht einig sind, ob sie Sex miteinander hatten.] Am Ende unserer Exkursion sind wir Außerirdischen ziemlich verwirrt. Die Vorstellungen von Sex sind auf der Erde extrem vielfältig. Wahrscheinlich lässt sich die Frage Was ist Sex? im Rahmen unserer Forschung gar nicht allgemein beantworten. Entscheidend dafür, ob etwas als Sex empfunden wird, ist mehr die Einstellung der Beteiligten als die konkrete körperliche Handlung. Mit diesem Fazit besteigen wir unser Ufo und fliegen weiter auf der Suche nach einem unkomplizierteren Planeten. 02 Lisa Bendiek Der SPUNK rund um Sexualität ist nun jedenfalls tatsächlich eine Nummer zu früh - als Ausgabe No. 65 - entstanden. Wir gedenken hiermit dem vorübergezogenen Witz und freuen uns stattdessen, dass keineR weitere drei Monate auf die spannenden Auseinandersetzungen der nächsten Seiten warten muss. Das Interesse im Vorfeld war immerhin überwältigend - vielen Dank für eure vielen Anregungen! Wir bedanken uns auch bei unserer Gastautorin Marleen Neuling, 18, Abiturientin aus Hamburg, die sich für den SPUNK mit Sexualitätsdarstellungen in Schulbüchern auseinander gesetzt hat. Zudem diskutieren IgelInnen u.a. das kontroverse Thema Sexarbeit, nähern sich der komplexen Beziehung von Kultur und Vorstellungen von Geschlechterrollen, schreiben über lesbische Sexualität und die Rolle von sexualisierter Gewalt im Bosnienkonflikt. Wir hoffen, eine Bandbreite an Perspektiven in diesem SPUNK abgedeckt zu haben. Falls ihr trotzdem das Gefühl habt, etwas wichtiges zu vermissen: Über jede Form von Reaktion, seien es kleine Anmerkungen, ausformulierte Gegenpositionen oder LeserInnenbriefe, würden wir uns wie stets massiv freuen. Wenn ihr für die kommenden Ausgaben Interesse am Mitmachen oder Fragen zu unserer Arbeit habt, schreibt einfach an [email protected]! Noch eine kleine Notiz zum Schluss: Der letzte Bundeskongress der Grünen Jugend im Mai brachte verschiedenste Wahlen mit sich. Nach langer Zeit intensiver Arbeit, leidenschaftlichen Diskussionen und des Ausbeutens der letzten Energiereserven, die so einige SPUNK-Ausgaben von vagen Ideen in materielle Realität verwandelten, verlassen die Redaktion nun: Sarah, Linda, Jonas und Jakob. Vielen Dank für diese Hingabe! Neu begrüßen dürfen wir dafür: Denise, Berenike, Jan und Florian. Eure SPUNK-Redax: Jakob, Jonas, Linda, Lisa, Norma, Sarah und Tobias al Editorial Editorial Editorial Editorial Editoria Männer haben Penisse und überall das Sagen Wie unsere Vorstellungen von Geschlecht kulturell konstruiert sind Frühmorgens um 10 Uhr, ich sitze in der Vorlesung zu ethnologischer Geschlechterforschung. Meine Mitstudierenden sind ein wenig schockiert, als der Dozent einfach behauptet, dass Geschlechterrollen sozial und kulturell konstruiert seien. Wie, konstruiert?, fragt ein Student vorne links und schiebt zur Sicherheit hinterher, dass er krank gewesen sei, als wir den Konstruktivismus besprochen haben. Auf dem Weg zur Bahn spreche ich mit einer Freundin, die es gelinde gesagt ungünstig findet, in den letzten fünf Minuten noch kurz Judith Butler und die Queer Theory zu behandeln. Ich stimme ihr zu und nehme mir vor, es hier besser zu machen. Ein Versuch, auch wenn er zum Scheitern verurteilt scheint Ethnologische Geschlechterforschung befasst sich, verkürzt gesprochen, mit Geschlechterrollen und verhältnissen im interkulturellen Vergleich. Das heißt: Nicht alle Erfahrungen, die weiße Frauen in Westeuropa machen, lassen sich mal eben auf ALLE Frauen projizieren. Als Europäer_innen neigen wir dazu, unsere Kategorien und Wertmaßstäbe auf Gesellschaften zu übertragen, denen diese nicht im Ansatz gerecht werden. So entwickeln wir Thesen wie die, dass Männer in allen Gesellschaften das Sagen hätten. Das ist ethnologisch betrachtet völliger Unsinn. Das hat zum einen damit zu tun, dass wir blind sind für Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse, die wir nicht kennen. Zum anderen aber auch damit, dass wir bestimmte Zustände als gegeben ansehen zum Beispiel, dass Frauen eher passiv und zurückhaltend sind (oder dass es Frauen überhaupt gibt, aber dazu später mehr ). Sexualität und Geschlechtlichkeit unterliegen Normen, die in jeder Gesellschaft bestehen, aber eben auch in jeder Gesellschaft verschieden sind. Mit diesen Normen sind bestimmte Tabus verbunden z.B. Nacktheit in der Öffentlichkeit aber auch Erwartungen an Männer und Frauen. In den meisten Gesellschaften wird erwartet, dass das biologische Geschlecht (sex) auch das soziale Geschlecht (gender) bestimmt. Transgender, d.h. Menschen, die sich entsprechend der Erwartungen an das jeweils andere Geschlecht verhalten, führen auch und vor allem in Europa! ein Nischendasein. In einigen Kulturen, u. A. bei Plains- und Präriethnien in Nordamerika, den kawe-kawe und waria in Südsulawesi oder auch in manchen arabischen Gemeinschaften, ist die Existenz eines dritten und vierten Geschlechts hingegen nicht nur akzeptiert, sondern sogar institutionalisiert, also Teil des sozialen Systems. TwoSpirit-People wechseln ihr soziales Geschlecht und unterhalten sowohl homo- als auch heterosexuelle Beziehungen. Das findet auch niemand komisch komisch wäre es, wenn sies nicht täten. Welche Vorstellungen wir von Geschlecht und Geschlechtlichkeit haben das zeigt dieses Beispiel ist abhängig davon, woher wir kommen: Wir sind Kinder unserer Kultur. Das soziale Geschlecht (gender) ist eine Konstruktion, und jede Gesellschaft konstruiert es sich anders. Was es in einer Gesellschaft bedeutet, Mann oder Frau zu sein, ist keine Frage der Gene, sondern Ergebnis von kulturspezifischen Vorstellungen. Dem stimmen mittlerweile fast alle Wissenschaftler_innen zu anders siehts aus beim biologischen Geschlecht (sex). Als Judith Butler um 1990 mit der These in die Welt tritt, dass auch sex diskursiv konstruiert sei, erregt sie großen Aufruhr und das nicht nur, weil niemand wusste, was sie damit meinte. So begründet Butler, was wir als Queer Theory kennen. Butler ist Philosophin und geprägt von Michel Foucaults Diskurstheorie. Ein Diskurs ist nach Foucault so etwas wie ein dicker Beutel von aufeinander bezogenen Aussagen, z.B. Peter hat einen Penis, Wer einen Penis hat, ist ein Mann und Wer ein Mann ist, liebt Frauen und trägt Hosen. In diesen Beutel dürfen auch noch die Aussage Peter trägt Hosen und Frauen haben keinen Penis, aber wenn jemand sagt: Es gibt mehr als zwei Geschlechter, kommt die Diskurspolizei und macht den Beutel zu. Der Diskurs ist deshalb sehr mächtig: Er bestimmt, was als Wahrheit gilt, welche Denkweisen erlaubt sind und welche nicht. Foucault spricht deshalb auch von einem Wahrheitsregime. Butler geht nun davon aus, dass der Zusammenhang zwischen Anatomie und der Zweiteilung in männliches und weibliches Geschlecht nicht einfach gegeben ist, sondern erst durch den Diskurs erzeugt wird. Anstatt also in zwei Pole zu unterteilen, schlagen Vertreter_innen der Queer Theory vor, die Kategorie "Geschlecht" als Konstruktion wahrzunehmen. Was heißt das alles? Zunächst einmal, dass wir aufpassen müssen, wenn wir von (typischen) Frauen und Männern sprechen. Nicht nur, dass das Ausleben von Geschlechtlichkeit kulturell bedingt ist queere Ansätze legen nahe, dass bereits die Unterscheidung in zwei Geschlechter konstruiert ist. Dies allein reicht nicht, um all unsere Vorurteile abzubauen, aber es hilft zu erkennen, dass unsere Vorstellungen von Geschlecht und Geschlechtlichkeit nicht die einzig denkbaren sind. Felix Banaszak Hartz oder Hure Sexarbeit festigt das Patriarchat Sexarbeit verdient Respekt statt sozialer Ächtung Oft wird BefürworterInnen des Schwedischen Modells, also eines umfassenden Verbots des Kaufs sexueller Dienstleistungen, Prüderie, Naivität oder gar mangelnde Liberalität vorgeworfen. Warum sollte eine selbst­ bestimmte Frau nicht selbst entscheiden dürfen, ob sie für Sex Geld nehmen möchte? Doch diese Fragestellung übersieht die Realität des Großteils der Sexarbeiterinnen. 1.000.000 Männer in Deutschland nehmen pro Tag sexuelle Dienstleistungen in Anspruch. Genau das ist Sexarbeit auch: eine Dien­ stleistung. Die Zahl zeigt, wie breit verankert die Nachfrage nach bezahltem Sex in unserer Gesellschaft ist. miterleben mussten, die sie mental nicht ver­ arbeiten können. Oft wird als Gegenargument gegen das Schwedische Modell angeführt, dass durch ein Verbot die Zahlen zu Zwang­ sprostitution in die Höhe schnellen würden. Doch wie das skandinavische Land gezeigt hat, ist das Gegenteil der Fall: Die Zwangsprosti­ tution ist sogar zurückgegangen. Denn diese kann nun viel besser erkannt werden. Bei einer Razzia in einem deutschen Laufhaus dagegen Der meistgenannte Grund für den Einstieg in können die Zwangsprostituierten mit falschen die Prostitution ist Armut. Jedoch schafft es Pässen ausgestattet werden, und da sie oft kein kaum eine Prosti­ Deutsch sprechen tuierte dieser und durch Dro­ durch die Sexarbeit hungen gefügig zu entfliehen. Wie gemacht werden, auch? Ein Zimmer werden sie von der In Schweden ist Zwangsprostitution sogar in einem Laufhaus Polizei nicht iden­ zurückgegangen kostet ca. 100 Euro tifiziert. pro Tag. Das heißt, um das Außerdem wird Zimmer überhaupt durch die Liberal­ bezahlen zu können, müssen die Frauen täglich isierung des Prostitutionsgesetzes die Struktur mit ungefähr vier Freiern schlafen. Erst danach des Patriarchats gestärkt, die es zu überwinden verdienen sie wirklich etwas. Die USgilt. Die ausbeuterische Beziehung der Ge­ amerikanische Feministin und Juristin Catharine schlechter und die Unterwerfung von Frauen MacKinnon spricht deswegen von einem werden gefestigt, wenn Männern der Wirtschaftssektor des Missbrauchs, dessen uneingeschränkte Zugang zu Frauenkörpern Profite an andere gehen. Viele Prostituierte garantiert wird. Und letztendlich geht es doch leiden unter einem posttraumatischen Belas­ um das Menschenbild. Kann ein Mensch seine tungssyndrom, das ähnlich hoch ist wie bei Würde behalten, wenn er seinen Körper an Folteropfern. Dieses Syndrom wird bei Men­ einen anderen Menschen verkauft? schen entdeckt, die eine Form der Gewalt Julia Löffler Warum soll es denn falsch sein, für meinen Orgasmus zu zahlen, wenn ich keineN finde, die/der mit mir meine Fantasien lebt? Nur so wird jedem Menschen Zugang zu sexueller Selbstbestimmung ermöglicht. So sind einE StudentIn, die sich durch bezahlten Sex etwas dazuverdient, oder einE RentnerIn, die sich als Domina die Rente aufbessert, keine O p f e r. D i e s e r Stempel wird die­ sen beiden Frauen aufgedrängt. Sie Warum soll es denn falsch sein für meinen verdienen aber Achtung und Res­ Orgasmus zu zahlen, wenn ich keineN pekt für ihre Ar­ finde, die/der mit mir meine beit. SexarbeiterIn und FreierIn schließen e i n e n Ve r t r a g . Jeder Extrawunsch kostet auch mehr. Seit 9 Jahren, mit der Einführung des Prostitutions­ gesetzes (ProstG) unter Rot-Grün, gilt Sexarbeit in Deutschland auch nicht mehr als sittenwidrig. Eine Kriminalisierung von SexarbeiterInnen oder Freiern wäre kontraproduktiv. Gerade in Ländern, in denen auf Sexarbeit die Todesstrafe steht, blüht dieser Wirtschaftsz­ weig. Beratung bei Krisen, z.B. Problemen mit dem Partner. Die Tätigkeit als Sexarbeiterin bedarf eines hohen Maßes an Grenzsetzung. Die Frau muss diese Spaltung aushalten, mit dem Körper zu arbeiten und sich dabei nicht verletzlich zu machen. Wenn sie das nicht schafft, kann sie sich darin verlieren. Ein großes Problem ist auch die Stigmatisierung. Die wenigsten Frauen erzählen in ihrem persönlichen Umfeld, was sie arbeiten. Sie führen ständig ein Doppelleben. Simone Kellerhoff: Hydra ist die erste autonome Hurenorgan­ isation Deutschlands. Sie wurde 1980 gegründet, von Frauen, die teilweise aus dem sozialen Bereich kamen und teilweise Sexarbeiterinnen waren. Das Ziel war von Anfang an, für Frauen in der Prostitution mehr Rechte zu erkämpfen, vor allem die soziale und rechtliche Gleichstellung mit anderen Erwerbstätigen. Bei Hydra gibt es den Verein, dessen Mitglieder vorwiegend Warum arbeiten die Frauen, die ihr beratet, eigentlich aktive Sexarbeiterinnen sind, und die Beratungsstelle. Die Angestellten in der Beratungsstelle sind Sozialarbeiterinnen oder als Sexarbeiterinnen? Soziologinnen mit und ohne Prostitutionserfahrung. Wir Die Motivation ist total vielfältig machen Einstiegsberatung, und facettenreich. Meist sind es psychosoziale, arbeitsrechtliche, ökonomische Gründe, wie in Steuerberatung, gesundheitliche anderen Berufen. Auch ich ar­ Ein großes Problem ist die Stigmatisierung Beratung, Krisenintervention beite für Geld. Aber oft haben und Ausstiegsberatung. Dann die Frauen bestimmte haben wir noch einen Treffpunkt Lebensläufe: fehlende Ausbil­ und viele Professionalisierung­ dung, waren lange Hausfrau. Mit sangebote. Da geht es darum zu lernen: Wie setze ich meine fünfzig als Frau einen neuen Job zu finden, ist nicht einfach. Und Grenzen, wie baue ich meine eigene Website auf, Safer Sexeine Frau, die noch nicht lang in Deutschland lebt, hat es auch Praktiken und solche Sachen. schwerer, klar. Aber es gibt auch Frauen, die Lust an diesem Rollenspiel haben. Das sind eher die Frauen, die klar Grenzen setzen können. Natürlich gibt es Frauen, die sexuelle Ausbeutung Ihr macht auch Einstiegsberatung? erfahren, diese Frauen erleben wir auch. Viele Frauen, die zu uns kommen, spielen schon seit Jahren mit dem Gedanken, Sexarbeit zu machen. In der Beratung haben sie die Möglichkeit zu erfahren, wie es im Bordell abläuft, wie die Arbeitsrealität ist und welche Fähigkeiten sie für diese Arbeit brauchen. Wir klären die Motivation, gucken, ob die Frau das, was sie sucht, in der Prostitution finden kann, beraten sie über die Rechtslage wie eine Berufsberatung eben. Wann ratet ihr Frauen von der Prostitution ab? Wir sind immer akzeptierend. Ich gehe davon aus, dass die Frau in der Lage ist, für sich selbst eine gute Entscheidung zu treffen. Aber wenn eine Frau z. B. die Motivation hat, patriarchale Machtverhältnisse umzukehren, werde ich ihr deutlich sagen, dass sich diese Erwartung nicht erfüllen wird. Die Vorstellung, dass man einfach viel Geld verdient, ist auch eine Illusion. Was sind die häufigsten Probleme, mit denen Sexarbeiterinnen in eure Beratung kommen? In Beratungsstellen kommen Leute, die Hilfe brauchen. Nicht jede Sexarbeiterin braucht unsere Unterstützung. Oft kommen Frauen wegen arbeitsrechtlichen Sachen, oder für psychosoziale Es ist eine selbst­ bestimmte und persönliche Entscheidung, ob ich anschaffen gehe oder Hartz IV beantrage. Somit ist Sexarbeit auch eine Alternative auf dem Arbeitsmarkt. Denn als SexarbeiterIn verdient man unverbindlich Geld und hat flexible Arbeitszeiten. Sexarbeit ist das älteste Gewerbe der Welt, aber eben nicht das schmutzigste. Weder die Nachfrage sinkt, noch das Angebot, welches immer vielfältiger und billiger wird. Anstatt sie sozial zu ächten, muss man SexarbeiterInnen unterstützen und ihre Arbeitsbedingungen verbessern. Nur so kann man sie mit anderen UnternehmerInnen gleichstellen und ihren Beruf gesellschaftlich aufwerten er hat es verdient. Simon Kuchinke Sexualität und Geschlechtlichkeit Interview mit Simone Kellerhoff, Mitarbeiterin von Hydra e.V. Was passiert denn da? Fantasien lebt? Man muss diese Realität erkennen und Sex­ arbeiterInnen, egal welchen Geschlechts, die Möglichkeit geben, offen und barrierefrei für ihre Dienste zu werben. Nur so kann einE FreierIn erfahren, wo man Sex kaufen kann. SexarbeiterInnen sind UnternehmerInnen, die Steuern zahlen müssen, also sollten sie auch das gleiche Recht besitzen, für ihre Tätigkeiten zu werben. "Nicht jede Sexarbeiterin braucht unsere Hilfe" SPUNK: Was genau ist Hydra e.V., was macht ihr und wofür setzt ihr euch ein? Prostitution ist kein Synonym für Menschen­ handel. Es ist ein Verbrechen, wenn Menschen von anderen zu Sexsklaven gemacht werden. Allerdings gaben im Jahr 2008 40 - 50 % der SexarbeiterInnen in Deutschland an, dass sie ihren Job aus freien Stücken machen, 30 % von ihnen stehen hinter ihrem Beruf und 10 15 % sehen sich in der Ausübung ihrer Tätigkeit in einer Zwangssituation. SPUNK Armut ist die Realität Welche Vorteile hat aus deiner Sicht die Tätigkeit als Sexarbeiterin? Ein Vorteil ist, dass die Einstiegsbarriere gering ist, niemand fragt nach einem Abschluss oder Zertifizierung. Außerdem die hohe Flexibilität. Die Erfahrung, sexuell begehrt zu werden, kann auch ein Vorteil sein. Und finanziellle Unabhängigkeit, die die Frauen sonst nicht hätten, oder allerhöchstens mit einer schlecht bezahlten Putzstelle. Für manche Frauen, die Gewalter­ fahrungen gemacht haben, kann Sexarbeit sogar heilend wirken, eine Art Selbsttherapie. Und was ist mit den Nachteilen? Der Begriff Gender bezeichnet das soziale oder psychologische Geschlecht einer Person im Unterschied zu ihrem biologischen Geschlecht. Da das deutsche Wort Geschlecht in beiden Bedeutungen verwendet wird, hat sich die englischsprachige Bezeichnung etabliert. Geschlechterrollen sind institutionalisierte Rollen. Durch eigene Erfahrungen oder Informationen von Dritten existieren ganz bestimmte Vorstellungen darüber, wie sich bestimmte Kategorien von Menschen in bestimmten Situationen verhalten sollen und verhalten werden. Diese Vorstellungen sind in der Gesellschaft Gemeingut geworden und haben sich mehr oder weniger verselbstständigt. Die Zuweisung einer männlichen oder weiblichen Rolle muss jedoch nicht identifikationsbildend sein. Von daher entstehen Identitätskonflikte bei Transgendern und Intersexuellen. Unter Transsexualität oder Transsexualismus versteht man die Identifikation eines Menschen mit einem anderen biologischen Geschlecht als dem eigenen, da das biologische Geschlecht nicht dem psychischen Empfinden entspricht. Transsexuelle empfinden sich nicht nur als Angehörige eines anderen Geschlechts, sondern streben auch körperlich danach. Laut ICD-10, der Internationalen Klassifizierung von Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation, ist Transsexualität eine Form der Geschlechtsidentitätsstörung. Intersexuelle lassen sich genetisch, anatomisch und hormonell nicht eindeutig dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zuordnen. Im Unterschied zu Transsexuellen, die sich mit dem ihnen zugewiesenen Geschlecht falsch oder unzureichend beschrieben fühlen, besitzen Intersexuelle kein eindeutig männliches oder weibliches Geschlecht. Die Diagnose Intersexualität kann nur durch diverse Untersuchungen, wie eine Chromosomenanalyse, erfolgen. Unter sexueller Orientierung versteht man die andauernde, emotionale, romantische und sexuelle Anziehung bezüglich des Geschlechts einer anderen Person. Gegenüber sexuellem Verhalten unterscheidet sich die sexuelle Orientierung durch den Bezug auf Gefühle und Selbstkonzept. Daraus resultierendes sexuelles Verhalten kann stattfinden, muss aber nicht. Sexuelle Orientierung schließt Homosexualität und Heterosexualität sowie verschiedene Formen von Bisexualität ein. Oh, Nachteile gibt es auch viele, vor allem diese ganze gesetzliche Scheiße, das Prostitutionsgesetz, welches nicht folgerichtig beim Arbeits- oder Wirtschaftsministerium verortet ist. Dadurch gibt es z.B. fehlende Arbeitsstandards. Die hohe Stigmatisierung ist auch belastend. Und es gibt erhebliche Risiken, was die sexuelle Gesundheit betrifft. Da muss die Frau wirklich professionell arbeiten. Außerdem steht sie vor dieser Herausforderung, Grenzen zu setzen. Aber die gibt es in anderen Berufen auch, zum Beispiel bei Sozialarbeiterinnen. Heterosexualität ist die sexuelle Orientierung, bei der Liebe, Romantik und sexuelles Begehren ausschließlich oder vorwiegend für Personen des anderen Geschlechts empfunden werden. Homosexualität meint die sexuelle Orientierung zu Personen, die dasselbe Geschlecht haben und Bisexualität bezeichnet die sexuelle Orientierung, sich zu Menschen beiderlei Geschlechts sexuell hingezogen zu fühlen. Um deutlich zu machen, dass sexuelles Begehren und Liebe sich nicht auf zwei Geschlechter beschränkt, wird der Begriff Pansexualität genutzt. Interview: Lisa Bendiek Sarah Benke 03 SPUNK Verliebtheit - Partnerschaft - Familie Darstellung von Sexualität in Schulbüchern Dass Sexualität im Unterricht besprochen wird, ist noch nicht so lange der Fall. 1969 kam das erste Schulbuch über Sexualität heraus und löste einen großen Wirbel aus. Konservative und kirchliche Kräfte verurteilten das Werk als schändlich, Linken war es noch zu sehr auf Schwangerschaft, Ehe und Familie ausgerichtet. Sexualkundeunterricht Weiterdenken Zum Beispiel im Linder: Eine weitere krankhafte Veranlagung ist die Pädophilie [...] Dabei handelt es sich eindeutig um sexuellen Missbrauch. ( ) Harmloser sind dagegen die Fetischisten. In diesem Satz verbirgt sich die Aussage, dass einerseits schon die sexuelle Erregung bei Kindern sexueller Missbrauch ist, sowie die Tatsache, dass Fetischismus eine Form von krankhafter Veranlagung ist. In Biologie heute lässt sich noch lernen, dass Sadomasochismus eine krankhafte sexuelle Perversion ist. Auch wenn sich der Lehrplan mittlerweile etwas angepasst hat, kann keinesfalls von fortschrittlichem Unterricht die Rede sein. So werden in keinem in Hamburg geläufigen Schulbuch Fotos von Geschlechtsorganen gezeigt, lediglich Neben diesen schematische Aussagen über Darstellungen sind Sexualität ist auch zu sehen. Zwar die Darstellung von Homosexualität wird teilweise noch nicht werden die ver­ Liebe und Part­ schiedenen Teile nerschaft konser­ einmal erwähnt. der Geschlecht­ vativ gehalten. Die sorgane mit Pubertät wird be­ lateinischem Na­ schrieben als eine men beschriftet, allerdings steht nirgendwo, Zeit, in der Jungen sich für Mädchen interes­ wie es sich anfühlt, wenn diese Stellen berührt sieren und andersherum. Daraufhin soll die werden. Phase beginnen, in der Beziehungen geknüpft werden. Sexuelle Gefühle werden stark an In den Schulbüchern wird selten Sexualität Partnerschaft und Liebe geknüpft. Und erst betrachtet, die über die Missionarsstellung wenn sich das Mädchen bereit für Sex fühlt zwischen Mann und Frau hinaus geht. (auf die Angst von Jungen wird nicht näher Homosexualität wird zum Beispiel in Fokus eingegangen), sollte es den großen Schritt Biologie von 2008 noch nicht einmal erwähnt. wagen. Auch in vielen Informationsbroschüren, Allerdings sind die Erwähnungen zum Teil nicht die vom Bundesamt für gesundheitliche erfreulicher. Im Linder von 2009 steht zu Aufklärung herausgegeben werden, erklingt dem Thema: Heterosexuell wird als normal der Tenor, dass alle Jungen Sex wollen und alle empfunden, weil diese Form der Sexualität Mädchen möglichst lange Jungfrau bleiben besonders häufig vorkommt. Gleich darunter sollten. In Biologie heute steht dazu: Später geht es weiter mit: Bisher sind alle Versuche werden dauerhafte Beziehungen geknüpft und der Wissenschaft gescheitert, eine genau der Wunsch nach Kindern und Familie Ursache für die Entstehung sexueller Neigung entsteht. herauszufinden [...] Es wird nicht einfach er­ worben oder dazu verführt. In Biologie Was in den Büchern nie erwähnt wird, aber heute von 2005 ist der Satz zu lesen: Vielen eigentlich sehr wichtig wäre, sind genauere Menschen fällt es bis heute schwer, homo­ Erläuterungen über z.B. Selbstbefriedigung, sexuelle Beziehungen zu tolerieren. sexuelle Stellungen, weibliche Ejakulation und den G-Punkt. Die Wortwahl zeigt deutlich, welches Bild von Sex den Schüler_innen vermittelt werden soll. Marleen Neuling Foto:superkimbo Die Klasse 9x einer Berliner Sekundarschule stattfindende Kontakt mit Sex in Form von strömt in den Biologieraum, die heutige Stunde (Internet-) Pornographie. Hier würde sich in ist Teil des Themenblocks Sexualkundeun­ der Schule die Möglichkeit bieten, sich mit terricht. Wohl jedeR hatte in seiner Schulzeit diesen oft sexistischen Medien kritisch schon das Vergnügen mit diesem Fach. In ihrem auseinander zu setzen. Ein elementares Manko Verhalten auf den Sexualkundeunterricht ist dieses Faches stellen aber vor allem die die 9x keine Ausnahme in der Unterstufe größtenteils fehlenden Informationen über die begleitet von Witzen und Ihhh-Rufen, en­ Vielfältigkeit von sexuellen Orientierungen dar. twickelt sich der Sexualkundeunterricht in der Es mag wohl ein Grund für die häufig auftre­ Mittelstufe zum tenden Beleidi­ beliebten Pausengungen wie überbrücker. Nur schwul oder Du noch das ein oder Homo sein, dass Sexualität geht über unseren andere Präservativ sich viele Jugendli­ biologischen Körper hinaus. kann die Klasse aus che kaum oder gar ihrer Lethargie nicht mit Homo-, erwecken. NatürBi- und Translich kann Sexu­ sexualität ausein­ alkunde auch spannender unterrichtet werden andersetzen. und es wäre auch nicht so, dass die Schüler*innen Aufklärung als Zeitverschwen­ Ein weiterere Schritt in die richtige Richtung dung bewerten würden. Die normalerweise wäre es, hier auch den naturwissenschaftlichen im Unterricht zu behandelnden Themen wie Trakt der Schulen zu verlassen und Sexualkunde Geschlechtsorgane, mögliche Geschlechtsk­ breiter gefächert zu unterrichten. Sexuelle rankheiten und deren Verhinderung sowie der Orientierung oder die Rolle von Homosex­ Ablauf einer Schwangerschaft stoßen bei den uellen sollte ebenfalls Bestandteil von DeutschSchüler*innen mehrheitlich auf Zustimmung. oder Ethikunterricht sein, um diesem wichtigen Thema gerecht zu werden. Mensch muss über Doch der Sexualkundeunterricht geht schon seinen Körper Bescheid wissen, aber Sexualität lange nicht mehr mit der Zeit. Eine gravierende geht über unseren biologischen Körper hinaus. Veränderung ist z.B. der viel früher und krasser Jonas Botta Gut vernetzt! Sexuelle Netzwerke in der GRÜNEN JUGEND eine wissenschaftliche Einführung mit den Ex-Partner_innen meiner ExPartner_innen oder den Ex-Partner_innen der Ex-Partner_innen meiner Expartner_innen anfange. Wer einen Blick auf die nebenstehende Grafik wirft, versteht sofort, warum der letzte Bundeskongress unter dem Motto Gut ver­ netzt stand. Diese Grafik repräsentiert das Sexualverhalten von 151 GJ-Mitgliedern. Jeder grüne Punkt steht für ein Mitglied, jede Linie für sexuellen Kontakt zwischen den beteiligten Punkten. Genau dies tun US-amerikanische Schüler_innen jedoch allem Anschein nach gar nicht. Die Forscher_innen erklären das so: Wenn A und B sowie C und D eine sexuelle Beziehung miteinander führen, und dann B A für C verlässt, werden A und D nicht mitein­ ander schlafen. Eine solche Verbindung, so die Forscher_innen, würde für A und D einen Statusverlust bedeuten. Es entstünde der Ein­ druck, dass sich hier zwei Verlassene mitein­ ander trösten. Deshalb gibt es an der US-High School ein kulturelles Tabu, das Zyklen der Länge 4 verhindert. Verständlicherweise stellt die Erhebung eines solchen Netzwerks den/ die Forscher_in vor große Schwierigkeiten. Für die vollständige Erhebung eines sexuellen Netzwerks wäre es nämlich nötig, alle Mitglieder einer Gruppe nach den Namen all ihrer Sexualpartner_innen zu fragen und ehrliche Antworten zu beko­ mmen. Netzwerkanalytiker_innen schlagen sich schon lange mit diesem Problem herum: Es ist z.B. für die HIV-Prävention wichtig, Wissen über sexuelle Netzwerkstrukturen zu erlangen. Gleichzeitig ist es unheimlich schwierig. In den Sozialwissenschaften wurde bisher nur zweimal der Versuch unternommen, vollständige sexuelle Netzwerke zu erheben. Untersuchungsobjekte waren dabei eine USamerikanische High School und eine malawische Insel. Es ist unheimlich schwierig, sexuelle Netzwerke zu erheben Im Gegensatz zu diesen professionellen Forschungen handelt es sich bei dem Netzwerk des GJ-Bundesverbands nicht um ein vollständiges Netzwerk, denn die Forscherin hat nicht systematisch alle 9.000 Mitglieder nach ihrem Sexleben befragt. Stattdessen musste ich mich auf die unvollständige Methode des link tracing beschränken. Ausgehend von den zehn Mit­ gliedern des bis 2010 amtierenden Bundesvorstands verfolgte ich die Verbindungen. Statt anonymisierten Interviews musste die Forscherin sich auf persönliche Geständnisse, glaubwürdige Gerüchte und allgemein bekannte Fakten stützen. Schnell kreuzten sich die Linien, und neun der erwähnten zehn ExBuVo-Mitglieder sind inzwischen Teil der riesigen Komponente, die hier abgebildet ist. (Zur Ehrenrettung des aktuellen Bundes­ vorstands sei hinzugefügt, dass von ihnen bisher nur 5 dazugehören.) 04 Die wirklich spannende Frage ist jedoch nicht, mit wem der Bundesvorstand ins Bett geht. Die wirklich spannende Frage In der GRÜNEN JUGEND allerdings scheinen solche Erwägungen keinen Einfluss zu haben. Hier entwickeln sich sexuelle Beziehungen oft zwischen Menschen, die sich ähnlich sind, sich gerne mögen und denselben Freund_innenkreis teilen. GJ-Mitglieder wählen ihre Partner_innen nicht danach aus, mit wem sie schon mal Sex hatten. ist: Was unterscheidet die sexuelle Struktur in der GRÜNEN JUGEND von einer High School in den USA und einer Insel im Malawi-See? Auf jeden Fall ähnelt das GJ-Netzwerk mehr den Daten der malawischen Insel als denen der US-High School. Grund dafür ist das gehäufte Vorkommen von Zyklen der Länge drei und vier im Netzwerk der GRÜNEN JUGEND. Alle Dreiecke sind in der Grafik orange markiert, alle Vierecke blau; in der Kompo­ nente aus 151 Individuen finden sich ca. 20 Vierecke und genau 11 Dreiecke. In der US-amerikanischen Schule gibt es eine RiesenKomponente, die 288 Leute, d.h. 52% aller 573 sexuell aktiven Schüler_innen enthält. Trotz dieser enormen Größe findet sich darin nur ein Dreieck und kein einziges Viereck. Wenn man davon ausgeht, dass die Auswahl von Sexualpart­ ner_innen nach dem Kriterium der Ähnlichkeit erfolgt, ist dieser Mangel an kurzen Zyklen erstaunlich. Denn wenn ich meiner/m Sexualpartner_in ähnlich bin, bin ich auch deren (vergangenen, aktuellen und zukünftigen) Partner_innen ähnlich und damit wiederum deren Partner_innen. Wenn ich nun eher mit Men­ schen ins Bett gehe, die mir ähnlich sind, müsste es überdurchschnittlich wahrscheinlich sein, dass ich eine Beziehung Was unterscheidet GRÜNE JUGEND von einer High School in den USA und einer Insel im Malawi-See?" Die Diskrepanz bei dem Auftreten von Dreiecken ist noch einfacher zu erklären: Dreiecke sind in einem rein heterosex­ uellen Netzwerk unmöglich. Die vielen Dreiecke im GJNetzwerk zeigen also, wie vielfältig die sexuellen Orientierungen unserer Mitglieder sind. Jedes Dreieck ist ein Beweis dafür, dass die GRÜNE JUGEND weniger heteronormativ agiert als die US-amerikanische High School. Sowohl im Vergleich mit der US-amerikanischen High School als auch im Vergleich mit der malawischen Insel beeindruckt das sexuelle Netzwerk der GRÜNEN JUGEND durch seine Dichte. Für die Verbreitung sexuell übertragbarer Krankheiten ist diese Dichte ein Risiko. Für den Zusammenhalt innerhalb des Verbandes könnte sie hingegen förderlich sein. Wie auch immer man es bewerten möchte: Fest steht, wir sind gut vernetzt. Nena Netzwerkanalyse Über den Versuch, Internate zu onanie-freien Räumen zu machen vorbei. In epischer Breite findet sich diese Idee in Rousseaus Schrift Émile. Die ideale Erziehung des imaginierten Zöglings soll auf dem Land stattfinden, das Kind so von den schändlichen Einflüssen der Zivilisation ferngehalten werden. Rousseaus Ideen waren nicht nur Fixpunkt für die Philantroph_innen, eine Strömung der Aufklärung, sondern auch für die reformpädagogische Bewegung um 1900. Ein Teil dieser Bewe­ gung nahm Rousseau äußerst genau und ging tatsächlich aufs Land. Eine Gründung aus dieser Zeit ist beispielsweise die Odenwald-Schule. Internat. Wenn das Wort fällt, baut sich ein Bild auf: Ein abge­ schiedenes, schlossartiges Gebäude irgendwo in der Pampa. Die Assoziationen können positiv sein, innerlich entsteht eine Welt, wie sie die Kinderserie Schloss Einstein zeichnet. Ebenso gibt es aber auch andere Bilder: Solche von Missbrauch wie am Vorzeige-Internat, der Odenwald-Schule in Hessen. In diesem Artikel soll es nicht um den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch ihre Erzieher_innen (oder vielleicht in diesem Fall besser: Peiniger_innen) gehen, sondern es soll vielmehr danach gefragt werden, warum Internate überhaupt gebaut wurden und wie intensiv sich Pädagog_innen lange den Kopf zerbrachen, um genau eines zu verhindern: Die Onanie des männlichen Zöglings. Dafür sollen zwei Dinge betrachtet werden: Einerseits die Diskursverschiebung in der Zeit der Aufklärung und die Ausbildung eines Wertesystems der Genügsamkeit und anderseits die pädagogischen Ideen hinter Internatsgründungen. Pädagog_innen verwendeten viele Gedanken daran, die Onanie des Zöglings zu verhindern. Ab der Mitte des 18. Jahrhundert war in der Geistesgeschichte nicht mehr vieles so, wie es einmal vorher war. Die Aufklärer_innen postulierten ein neues Zeitalter, ein Zeitalter des Verstandes. Gleichzeitig bildete sich in einer kleinen bürgerlichen Elite eine neue Familienform heraus: Die Klein­ familie, in deren Mittelpunkt nun die Aufzucht des Kindes stand. Mit dieser Veränderung ging auch ein anderes Verständnis von Erziehung einher. Nicht mehr durch Schläge sollte gemaßregelt werden, sondern vielmehr sollte das Kind durch Tugendstrafen, wie dem Entzug der elterlichen Liebe zur Räson gebracht werden. Die bürgerliche Kleinfamilie war sehr darauf bedacht, die eigenen Werte, wie die Enthaltsamkeit von Sex, Fressorgien SPUNK Beständige Kontrolle Im Internat waren die Kinder tatsächlich, ähnlich wie das Ideal in der Familie vorschrieb, einer permanenten Erziehung aus­ gesetzt. Michel Foucault hat im ersten Band von Sexualität und Wahrheit noch eine andere Entdeckung in den Bildungsanstalten des 18. Jahrhunderts gemacht: Die Sorge der Pädagog_innen bestand darin, Onanie zu verhindern. Dafür wurden entsprech­ ende Schulbänke gebaut, Foto:frankjuarez und anderen Genüssen - ein Moment der Distinktion gegenüber Adel und Plebs - an die nachfolgende Generation weiterzugeben. Dienlich dafür war ein System der permanenten Kontrolle, das um die Kinder herum errichtet wurde. In der Abwesenheit einer erziehenden Instanz wurde die Katastrophe vorausgesehen. Um dem abweichenden Verhalten in einem solchen Fall vor­ zubeugen, wurde versucht, das Gewissen über eine, nach pädagogischen Prinzipien, formulierte Kinder- und Jugendliteratur auszubilden. In den Texten von Weisse und anderen reflektiert das Kind sein Verhalten, es ist tugendhaft, arbeitswillig und versagt Süßigkeiten und anderen Genüssen. Wer eine Geschichte der Internate schreiben möchte, kommt also nicht an der pädagogischen Idee der beständigen Kontrolle Im Internat wird das Konzept einer permanenten Erziehung sicht- und greifbar. Architekt_innen versuchten sich an der Konstruktion des idealen Schlafraumes (mit oder ohne Trennwand zwischen den Betten?), Disziplinarordnungen wurden entworfen: Die Erziehung wird zusätzlich noch räumlich. Kurz also: Im Internat des 18. Jahrhunderts wird das theoretische Konzept einer permanenten Erziehung gut sicht- und greifbar. Die Bekämpfung des Triebes und die permanente Erziehung nahm nun auch konkret fassbare räumliche Ausmaße an. Die Konstitution des Raumes kam als letzte Kontrollinstanz neben den Erzieher_innen und dem eigenen Gewissen hinzu. Tobias Edling I kissed a girl and I liked it Dammbruch Vorurteile gegenüber lesbischer Sexualität Wie Konservative aus Grundrechten eine Gefahr konstruieren Im Jahr 2010 schrieb der Vorsitzende der CDU in Chemnitz an die OrganisatorInnen des Leipziger Christopher Street Day: Durch Ihre öffentlichen Auftritte und das Zurschaustellen Ihrer Lebensweise gilt Homosexualität inzwischen als 'trendy'. Und somit verleiten Sie Jugendliche, die sich in einer sexuellen Findungsphase befinden. Foto:Simone Renker lesbisch wird mit ihren Bedürfnissen, noch die Frau, mit der Eine der ersten Fragen, denen man sich stellen muss, nachdem sie es ausprobiert, eine Rolle spielt. Im Mittelpunkt steht der man sich geoutet hat, ist: Wie funktioniert lesbischer Sex Mann als Subjekt, der bei der Frau als Objekt eine Reaktion überhaupt? Meist mit einem Unterton, in dem mitschwingt: auslöst. Können die das überhaupt? Diese Frage erklärt sich aus einer androzentristischen Sicht auf Sexualität, die Sex als Penetration Eine andere Interpretation von Lesbischsein ist das bekannte definiert. Dabei wird Sex als etwas gedacht, das auf die Be­ Das ist doch nur eine Phase, was sich ein bisschen so anhört, friedigung des Mannes durch Vaginalverkehr ausgerichtet ist. als wäre es mit pubertärer Akne vergleichbar. Auch gerne in Die Frau wird dabei zum Objekt, das benutzt wird, um den Kombination mit dem Lösungsvorschlag Du musst doch nur Mann zur Ejakulation zu bringen. Da Frauen keine Männer sind mal richtig gefickt werden. Dies zeigt ein Bild von der Lesbe und keinen Penis besitzen, fehlt dann beim lesbischen Sex als einem Wesen, das noch ein bisschen nachreifen muss und scheinbar das Subjekt, die Person, für die er überhaupt stattfindet, sich deshalb gegenüber Männern ziert, für die sie eigentlich und der Penis, der das Subjekt und den Prozess der Unterwerfung bestimmt ist. Für die Männer ist sie eine Herausforderung, an verkörpert. In einer patriarchalen Hegemonie, die weibliche der sie ihre Männlichkeit be­ Sexualität schlicht als Gegenteil weisen können, und eine der männlichen dominanten und Trophäe, falls sie es schaffen, sie aktiven Sexualität konstruiert, zu bekehren. wird eine lesbische Sexualität Weibliche Sexualität ist undenkbar, weil weibliche Man trifft auf noch eine weitere Sexualität eigentlich Asexualtität eigentlich Asexualität. Interpretationsmöglichkeit: ist. Frauen können mit ihren Lesben als Frauen, die eigentlich Freundinnen Händchen halten, mit Männern schlafen wollen kuscheln, sich sogar küssen, und nur mit anderen Frauen rummachen, um Männer auf­ ohne dass dies als sexuelle Handlung betrachtet wird. Diese zugeilen. Es wäre ja absurd, etwas zu tun, weil man selbst es den Frauen unterstellte Asexualtität erklärt wiederum, warum möchte. Dazu passt auch die Unterstellung, dass man als Lesbe lesbische Sexualität unsichtbar wird. Wenn Frauen alle möglichen permanent Angst haben muss, die Partnerin könnte weglaufen, Dinge tun können, ohne dass sie sexuell sind, woran merkt man weil sie endlich einen Mann gefunden hat. Genau wie all die es dann, wenn sie sexuell sind? halboffenen Beziehungen, in denen die Frauen zwar mit anderen Frauen, aber nicht mit Männern schlafen dürfen. Sehr verbreitet Jetzt könnte man sagen, dass diese Unsichtbarkeit vor Dis­ ist auch noch die Wer ist denn bei euch der Mann-Umdeutung, kriminierung schützt. Dies ist auch in so weit wahr, dass man die die heteronormative Undenkbarkeit von lesbischer Sexualität meist nicht auf der Straße angepöbelt wird, wie es oft Schwulen aufzulösen versucht. Die Paradoxie der asexuellen Sexualität passiert. Wenn man aber genau hinsieht, fällt einem auf, dass der Frauen wird dadurch aufgehoben, dass einfach eine zum diese Unsichtbarkeit an sich schon eine Form der Diskriminierung Mann erklärt wird. Allerdings schafft diese Lösung wieder ein darstellt. Das schlimme an dieser Diskriminierung ist, dass sie neues Paradox: Frauen, die Frauen lieben, weil sie Frauen sind, Handlungsunfähig macht. Auf Du existiert für mich nicht kann von denen aber eine ein Mann sein muss?! Sinn ergibt es erst, ich nicht mehr reagieren auf Ich sehe dich zwar, aber ich kann wenn man es auf den Kopf stellt und von der männlichen Seite dich nicht tolerieren schon. Es ist der totale Abbruch der betrachtet. Eine Frau, die eigentlich ein Mann ist und als Mann Kommunikation, die vollständige Ausgrenzung der Lesben aus andere Frauen benutzt, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen. der Gesellschaft. Hegemonie, Hierarchie und Herrschaft wird immer dort be­ sonders sichtbar, wo Gegenentwürfe unsagbar, undenkbar und Da, wo lesbische Sexualität nicht zu verleugnen ist, wird sie unsichtbar, umgedeutet und abgewertet werden. Lesbisches androzentristisch und hetronormaitv uminterpretiert. So wird Begehren kann einer von vielen möglichen Gegenentwürfen zu Lesbischsein z. B. als eine Trotzreaktion gesehen: Wenn eine einer patriarchalen Hegemonie der Sexualität sein und hat somit Frau eine schlechte Erfahrung mit einem Mann gemacht hat, subversives, also zersetzendes Potential. wird sie lesbisch. Auffällig ist, dass dabei weder die Frau, die Simone Renker Tipp zum Weiterlesen: Raewyn Connell und Antonio Gramsci. Auf den ersten Blick erscheint das völlig abwegig: Wieso geht er davon aus, dass Jugendliche homosexuell werden, wenn sie einen CSD sehen? Niemand wird einfach so lesbisch, weil es Anne Will auch ist. Und niemand macht eine Geschlechtsum­ wandlung, nur weil der Nachbar, der eine gemacht hat, nicht aus seiner Firma gemobbt wurde. Vom Blickwinkel des CDUVorsitzenden aus scheint das aber so. Wenn Homosexuelle offen leben können, werden sich mehr Leute outen. Es werden weniger Menschen ihre Neigungen unterdrücken, nach außen den Schein einer klassischen Ehe aufrecht erhalten und im Inneren daran leiden. Es werden weniger homosexuelle Jugendli­ che Selbstmord begehen. Von seinem Kirchturm aus wird er viel mehr Homos sehen. Der Status Quo ist Ergebnis und Ursache von Zwang, Diskriminierung von und Druck auf AbweichlerInnen, Unwissenheit und Denkverboten. Konservative argumentieren gerne mit einem Dammbruch: Am Anfang stehen mehr Rechte für Benachteiligte. Am Ende zerfällt die ganze Gesellschaft. Alle werden homosexuelle, sadistische Junkies, die es für Geld mit ihren Geschwistern treiben. Männer werden wie Frauen und Frauen wie Männer und niemand bekommt mehr Kinder. Wie steht das Vaterland denn dann da, im internationalen Konkurrenzkampf um die fleißigsten Arbeitskräfte und die härtesten SoldatInnen? Deutschland am Abgrund! Aus der rechtlichen Gleichstellung von Homosexuellen, der öffentlichen Präsenz von Transsexuellen oder auch einer men­ schlichen Behandlung von Drogensüchtigen wird so eine Gefahr für die Allgemeinheit konstruiert. Das funktioniert, weil viele Menschen Unterdrückung nicht wahrnehmen, wenn sie nicht selbst davon betroffen sind. Sie aufzuheben, kann so als Eingriff in Freiheit und Gerechtigkeit gesehen werden, nicht als Her­ stellung von Freiheiten und Rechten. Den Damm gibt es wirklich. Er besteht aus Diskriminierung und Intoleranz und er macht Alternativen unsichtbar. Manchmal ist er das nette Finanzamt, das dir nach der Steuererklärung Geld überweist und manchmal die harte Hand eines Uniform­ ierten, der dich hinter Gitter bringt. Wir müssen den Damm erst sichtbar machen und ihn dann abtragen. Die Gesellschaft wird vielfältiger. Das heißt nicht, dass sie kaputt geht, sondern dass die Menschen darin glücklicher sein können. Karl Bär 05 SPUNK Das ist doch krank! ... oder zumindest nicht normal Der Umgang mit normabweichenden Sexualpräferenzen Schnell hört mensch diese Worte, wenn es um sexuelle Praktiken und Fantasien geht. In der Regel stecken dahinter deutlichere: Wem dabei auch nur im Entferntesten das Blut in die Gen­ italien schießt, der gehört ja nun wirklich in Behandlung mindestens. Nicht unüblich ist dieser Ausspruch genauso bei BDSM wie bei Pädophilie, bei Homosexualität wie bei Nekrophilie, und das Fatale daran ist nicht allein, dass durch die Bank weg das Konstrukt Perversion (ein Begriff, in dem Diskriminierung bereits mitschwingt) mit Inhalten gefüttert wird, sondern auch, dass Unterscheidungen kaum gemacht werden. Und das ist auch gewollt. Der Graben zwischen Perversion und Sittsamkeit ist breit, breit gezogen. Instrumentalisiert wird er für politische Ausein­ andersetzung, zur Inszenierung der eigenen Person. Der Graben zwischen Perversion und Sittsamkeit ist breit Derweil kämpfen verschiedene Vertreter_innen und Solidarische für die Überwindung des Prädikats pervers bestimmter Einordnungen. Dass dabei andere durch Abgrenzung ihrerseits als verwerflich abgestempelt werden, wird in Kauf genommen oder gar forciert. Bei all den Interessen bleiben diejenigen auf der Strecke, die von der einen Seite als zutiefst-unsittlich stigmatisiert, von der WHO) gibt es 9 Unterkategorien, allerdings werden diese, zu welchen beispielweise Fetis­ chismus, Sadomasochismus, aber auch Pädophilie zählen, von Expert_innen, darunter solchen von WHO und APA, kritisiert. Denn als maßgebender Indikator zur Diagnose einer Paraphilie gilt der resultierende Leidensdruck, doch oft wird von den Betroffenen keine direkte Verknüpfung zu ihrer Sexualität emp­ funden. Zwanghaftes Verhalten führt jedoch oft zu einem Balanceakt, bei dem andere Leb­ ensbereiche auf der Strecke bleiben. Menschen, die unter Paraphilie leiden, werden zudem oft in einen Topf mit Sexualstraftäter_innen geworfen. Ein falsches Signal, das den Leidensdruck für Betroffene noch erhöht und in keinster Weise die Realität abbildet. Eine sadistische Haltung gegenüber Sexualpartner_innen produziert keine sexuelle Gewalt gegenüber nicht Einwilligungsfähigen und -willigen. Foto: A lucky strike anderen teils verleugnet werden, aus Angst um die Außenwahrnehmung der eigenen Sexualität. Hinter manchem steckt tatsächlich eine Krankheit, und zwar nicht, weil mensch einen Lustgewinn zum Beispiel durch Selb­ sterniedrigung oder Partialismus, also die Konzentration auf bestimmte Körperteile, erfährt, sondern weil Fantasien und Handlungen zwanghaft werden. Paraphilie zeichnet sich nicht, wie die Namensherkunft suggeriert, durch von der empirischen Norm abweichende Neigungen aus, vielmehr ist ein durch sie bedingtes Leiden Indikator für die Diagnose der psychischen Störung. Auch ist keine vereinzelte Deviation (sexuelle Abweichung) Hinweis für Paraphilie, vielmehr muss diese über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten Bestand haben, um zu einer Diagnose unter klinischen Gesichtspunkten zu führen. Für die Klassifikation der Störungen der Sexualpräferenz (Diagnoseschlüssel F65 in der ICD-10, der International Classification of Diseases der Als maßgebender Indikator gilt der Leidensdruck Von allen sexuell Delinquenten sind keine 8 % tatsächlich gleichzeitig paraphil. - Die Normalität sexueller Übergriffe ist also normal, oder so. Die Bandbreite menschlicher Sexualität ist hingegen umfangre­ icher als die durch soziokulturelle Normen definierte Normalität. Linda Dertinger Pervers? Ich doch nicht! Anatomische Märchenstunde Über die Relativität sexueller Normvorstellungen Das sagenhafte Jungfernhäutchen Foto: Mister Thomas Foto: MaLGusTo In unserer aufgeklärten Gesellschaft, in der Sex Betrachtet man allein den Geschlechtsakt an jeder Straßenecke lauert, gilt BDSM und einmal neutral, wird schnell klar, dass auch alles, was damit zu tun hat, bis heute als tabu. dieser ohne ein grundsätzliches hierarchisches In den vergangenen 50 Jahren lag der Anteil Gefälle nicht auskäme. Im Klartext heißt das: der bekennenden/praktizierenden Perversen Der/die eine ist der aktive oder dominante in Deutschland ohne nennenswerte Part, der/die andere der/die eher passive und Veränderung bei 6%. Aber was ist mit den bisweilen devote GegenspielerIn. Unter nor­ verbleibenden 94%? Sind das alles Vanillas oder malen Umständen würde man vermutlich nicht wie man Menschen, die gewöhnliche Sex­ in solchen Dimensionen denken. Dennoch ualpraktiken bevorzugen, auch immer nennen bilden sie die Grundzüge des Liebesspiels, die möchte? Wo fängt BDSM an und wo hört für jeden selbstverständlich erscheinen. Auch, Vanilla auf? Fragen, die sich die meisten wenn sich die Rollenverteilung nach Lust und Menschen, die sich selbst nicht als SMlerInnen Laune von einen Moment auf den anderen sehen, kaum ändern kann. stellen. Umso in­ teressanter sind die Das Bewusstsein Zweifelsohne sind die Grenzen fließend Antworten darauf. d a r ü b e r, w i e vielfältig die Prak­ und im Nu wird aus einem harmlosen Handschellen und tiken des BDSM Experiment eine spannende Session. Augenbinden sind, wird durch bekommt man klischeebehaftete längst nicht mehr Pornographie und nur im Sex-Shop. Plüsch und Farbenvielfalt Medienberichte getrübt, die an diesen Klischees heben ihren Spielzeug-Charakter deutlich anknüpfen. Sicherlich ist es auch falsch zu hervor. Alles ganz harmlos. Auch der beherzte behaupten, dass es die dort dargestellte Form Schlag auf den Po des Partners oder der des SM nur im Film gibt. Aber es repräsentiert Partnerin ist keine Besonderheit mehr. Begriffe eben nur eine von etlichen Varianten, von wie Sinnesentzug, Bondage oder Lustschmerz denen viele gar nicht als sadistisch oder erni­ fallen aber von nicht-SMlern in dem Zusam­ edrigend wahrgenommen werden bzw. es erst menhang trotzdem nicht. Man ist ja nicht gar nicht sind. Wer denkt denn schon bei einem pervers. Wo verläuft also die Trennlinie zwis­ leidenschaftlichen Biss in den Hals an SM? chen Norm und Perversion? Nein, man wird nicht automatisch SMlerIn, Viele Menschen verbinden mit BDSM extreme wenn man mal etwas anderes als romantischen Formen des Masochismus, Gewalttätigkeit und Kuschelsex möchte. Und es ist auch nicht so, Gefühllosigkeit. Aber um dieses hartnäckige dass BDSM-Begeisterte Zärtlichkeit und Nähe Vorurteil aus dem Weg zu räumen, beim BDSM verschmähen. Aber zweifelsohne sind die geht es nicht vordergründig um das Zufügen Grenzen fließend und im Nu wird aus einem oder Erleben von Schmerz und Gewalt. harmlosen Experiment eine spannende Session. Vielmehr ist es ein Spiel von Macht und Un­ Daher sollte jeder, der bei BDSM an Leder, terwerfung, das unterschiedlichste Umset­ Peitschen und verrückte Spinner denkt, zuerst zungen finden kann. Diese können ebenso überlegen, welche Perversionen sich in den gefühlvoll und sinnlich sein, wie quälend und eigenen Abgründen der Phantasie und in der erniedrigend. Somit ist es aber auch nichts Schublade des Nachtschränkchens befinden. anderes als ein Abbild der alltäglichen Wirkli­ chkeit, in der sich jeder an irgendeiner Position in (nicht nur) einem Machtgefälle befindet. 06 Carla Desiderio Irgendwann im Laufe der Zeit beginnen wir, uns von den pädagogischen Ambitionen zahl­ reicher Kindheitsmythen loszustrampeln und werfen Weihnachtsengel sowie Zahnfeen über Bord. Doch eine heilbringende Flucht in die vermeintliche Objektivität allgemein akzepti­ erten Wissens ist illusorisch. Korona ersetzt. Natürlich ist dies nur ein hochgradig symbolischer Akt. Dennoch wird damit anerkannt, welche Macht Sprache über unser Denken und Selbstempfinden hat. Durch Enthüllung anatomischer Märchen könnte ein Weg gewiesen werden hin zu dem Ideal au­ tonomer Entscheidungen über unsere Körper und Leben. In symbolbeladener Sprache verpackt, blühen auch in Anatomie und Biologie prächtige Denn die Bilanz des Jungfernhäutchen- und Legenden, wo sie gesellschaftliche Normen Jungfrauenkults wird eher von einer Reihe widerspiegeln und konservieren. Ein klassisches Absurditäten und Repressionen gekrönt, als Beispiel: Das Jungfernhäutchen, auch Hymen dass es effektiv das Sexualleben von Frauen (griech.: Haut, in erwünschter Häutchen) ge­ Weise kontrolliert nannt. Dass dieser bzw. unterbindet. Begriff keine Um der An­ Die Bilanz des Jungfrauenkults ist von harmlos-neutrale forderung der Beschreibung einer Unberührtheit Absurditäten und Repressionen gekrönt. wissenschaftlichen zu genügen, wer­ Ta t s a c h e i s t , den munter jegli­ sondern tief in un­ che orale, anale seren Alltag hineingreift, wird an all dem und sonstige, die vaginale Penetration flankierenden Moral-Brimborium klar: Un­ ausklammernde Praktiken in Verhalten schuld, Unbeflecktheit, Reinheit, das umkonstruiert, welches für die Jungfräulichkeit sagenhafte Blut auf dem Laken, das die Jungfrau als irrelevant gilt. Einer ganzen Riege von von der Schuldhaften unterscheidet. Pornodarstellerinnen ist es so möglich, ihr intaktes Jungfernhäutchen offensiv zu ver­ Das Jungfernhäutchen, das diesen Kult um markten. vaginale Unversehrtheit auslöst, gehört jedoch in die Welt der Mythen. Eine schützende Zudem resultiert dieser Mythos aus sozialen Hautmembran, die bei Penetration zerrissen Kontrollmustern, die mit der Achtung indivi­ wird das gibt es so nicht und kann daher dueller Würde und Selbstbestimmung kaum nicht als Beweis für sozial erwünschte Keus­ vereinbar sind. Wenn Mädchen und Frauen die chheit herhalten. Stattdessen ist die Erschei­ Wahrung der Familienehre durch sexuelle nungsvielfalt dieses Körperparts so weitre­ Unschuld aufgebürdet wird, reicht dies von ichend wie Haarfarben und Nasenformen auch. Jungfräulichkeitstest bis hin zu abstrusen Tricks, Es tritt als ringförmig angeordnetes, um das erwartete Bluten in der Hochzeitsnacht bänderartiges, perforiertes oder auch ganz zu fingieren. Als ein positiver Schritt in Sachen anders gestaltetes Hautgewebe auf oder ist Dekonstruktion sozial-normierender Märchen gar nicht vorhanden. Aufgrund seiner irrelei­ kann daher die Initiative der Weltgesundheit­ tenden Assoziationen wurde das Wort in sorganisation gewertet werden, eine Schweden (dort: mödomshinna) offiziell aus aufklärende Broschüre in mehreren Sprachen den Wörterbüchern gestrichen und durch das zu publizieren. weniger bedeutungsschwangere vaginale Norma Tiedemann Sexuelle Mündigkeit-Rechtliche Grundlagen Vorstellung des Zustimmungskonzepts Foto: florianmarquart Trotz seiner Allgegenwart fällt das Sprechen Womit auch der zweite Punkt berührt wird: über Sex oftmals schwer. Schüchternheit oder ein positiver Zugang zur Sexualität. Die stillschweigende Annahmen über vermutlich Gedanken und Gefühle des Gegenübers nicht geteilte Wünsche können jedoch leicht zu blind erraten zu müssen, sondern den Versuch unangenehmen, ungewollten Handlungen zu wagen, Worte zu finden, erhöht ge­ führen. Während eineR einen flüchtigen Kuss genseitiges Verständnis und ermöglicht einen oder eine Umarmung als kein großes Ding respektvolleren Umgang. Das erfordert kon­ betrachtet, kann dasselbe für eine andere tinuierliche Reflexion, denn dass eigene Person sehr voraussetzungsvoll sein. Grenzen Bedürfnisse unmittelbar erkannt und formuliert sind subjektiv. Kommunikation als Teil sexueller werden können, ist wohl eher Ausnahme als Aktivität zu etablieren und GrenzüberRegel. Das Zustimmungskonzept gestattet also, schreitungen vorzubeugen ist das Ziel des bisher verborgene Vorlieben oder Abneigungen Zustimmung­ ins Bewusstsein zu skonzepts. Im USbringen, damit amerikanischen zukünftiges Han­ Raum zirkuliert deln selbstbestim­ Für jede sexuelle Handlung muss dieses schon länger mter daran orien­ unter der Beze­ tiert werden kann. Einverständnis von allen Beteiligten ichnung consent gegeben werden. in Diskussionen Gesellschaftliche über antisexistische Relevanz erlangt Arbeit und positive, das Konzept in der konsensorientierte Präventionsarbeit Sexualität. Das Grundprinzip: Für jede sexuelle gegen sexuelle Übergriffe und Kampagnen Handlung muss freiwilliges und ausdrückliches gegen grassierenden Sexismus, in der Ausein­ Einverständnis von allen Beteiligten gegeben andersetzung mit sexualisierten Medien und werden. Das bedeutet praktisch: Nachfragen Diskursen, sowie im Bereich antisexistischer - besser zu oft als zu wenig und für jeden neuen Politik. Häufig wird es dort mit dem Konzept Schritt, der gegangen werden soll. Denn der Definitionsmacht verbunden. Körpersprache und physische Reaktionen un­ terliegen einem zu großen Risiko des Missver­ stehens. Bezweckt wird damit zweierlei. Erstens wird die Verantwortung einer überschrittenen Gren­ ze von der betroffenen auf die handelnde Person verlagert. Die Ausrede, es wäre ja nichts gesagt bzw. sich nicht gewehrt worden, gilt nicht. Anstatt also so lange herumzuwerkeln, bis ein NEIN laut wird, geht es darum, sich im Vorfeld ein legitimierendes JA einzuholen. Weiterlesen: The Antioch College Sexual Offense Prevention Policy http://antiochmedia.org Text vom Mädchenblog: Have Sex Hate Sexism http://maedchenblog.blogsport.de Regelungen zur sexuellen Mündigkeit fallen üblicherweise in den Bereich des Straf­ gesetzes. Im deutschen Strafgesetzbuch werden für unterschiedliche Tatbestände verschiedene sogenannte Schutzalter definiert. Dieses bezeichnet generell das Alter, von dem an eine Person juristisch als einwilligungsfähig bezüglich sexueller Handlungen angesehen wird. Wer das Schutzalter überschreitet, gilt als sexualmündig. Prinzipiell verboten sind sexuelle Handlungen mit Kindern unter 14 Jahren, die als Missbrauch klassifiziert sind (§ 176 StGB) - hier liegt also die unterste, absolute Grenze für sexuelle Mündigkeit. Bei älteren Jugendlichen hängt die Behan­ dlungsweise von den konkreten Umständen ab. Sexuelle Handlungen 14- oder 15-Jähriger mit einem mindestens 21 Jahre alten Erwachsenen führen dann zu einer strafrechtlichen Verfolgung, wenn ein g e s e t z l i c h e r Ve r t r e t e r d e r / d e s Minderjährigen Strafantrag stellt und das Gericht feststellt, dass der Erwachsene eine fehlende Fähigkeit zur sexuellen Selbst­ bestimmung der/des Jugendlichen ausge­ nutzt hat. Zur Beurteilung wurde hier also ein gewisser Spielraum gelassen, um die Möglichkeit unterschiedlicher psychischer Reife nicht zu negieren. Diese Einzelfall­ entscheidung über individuelle Fähigkeit oder Unfähigkeit des Jugendlichen zu sexueller Selbstbestimmung wurde 1996 eingeführt. Die Zahl der Verurteilungen diesbezüglich ging in den letzten Jahrze­ hnten stark zurück als Erklärung wird gestiegene Toleranz gegenüber Sexu­ alkontakten zwischen Jugendlichen und gesetzlich Volljährigen angeführt. SPUNK Lass uns nicht von Sex reden ...? Im Falle unter 18- Jähriger spielt jedoch immer auch die Beziehung zwischen den Handelnden eine Rolle - sexuelle Hand­ lungen mit Jugendlichen im Alter von 16 und 17 Jahren sind strafbar, wenn ein Erziehungs-, Ausbildungs- oder Betreuungsverhältnis vorliegt oder im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses (§174 StGB). Dasselbe gilt für sexuelle Handlungen mit Minderjährigen, die unter Ausnutzung einer Zwangslage oder gegen Entgelt stattfinden (§182 StGB). Norma Tiedemann Eine blutige Angelegenheit Die Menstruationstasse - Eine Alternative zu Binden und Tampons Die beiden verbreiteten Mittel zum Auffangen des Menstruationsbluts sind Binden und Tampons. Das ist schlecht für Umwelt und Frauen. Ähnlich wie Windeln sind sie mit Plastik überzogen, weshalb es sehr lange dauert, bis sie in der Umwelt abgebaut sind. Zur Produktion von Binden und Tampons werden viele Ressourcen gebraucht, die teilweise fossil sind. Eine Frau braucht ca. 10 000 Stück von ihrer Menarche bis zur Menopause. Tampons stören das saure Scheidenmilieu und die Feuchtigkeit der Schleimhäute, die Klebefolie bei Binden verhindert die Luftzirkulation. Das begünstigt Pilze und Blasenentzündungen. Die Hygieneprodukte werden mit Chlor und anderen Chemikalien gebleicht. All diese gesundheitlichen Folgen sind bei Tampons noch wesentlich stärker als bei Binden und können Norma Tiedemann bis zum toxischen Schocksyndrom führen. Bei Binden jedoch gibt es Nachteile in der Handhabung. Eine sehr gute, aber wenig bekannte Alternative sind Menstruationstassen. Hierbei handelt es sich um kleine Gefäße aus zumeist medizinischem Silikon, die sich in die Scheide setzen lassen und das Menstruationsblut auffangen. Sie verrutschen nicht, sind nicht gesundheitsschädlich und müssen nur zwei bis maximal vier Mal täglich geleert werden. Sie sind wiederverwendbar, was sie nicht nur extrem umweltfreundlich, sondern auch sehr kostengünstig macht. Sie werden im Internet, in Apotheken und in Outdoorläden verkauft. Weitere Möglichkeiten zur ökologischeren Menstruationshygiene sind Stoffbinden, Naturschwämmchen sowie Tampons und Binden in Bio-Qualität. Simone Renker In aller Munde Über die Rolle der Emanzipation bei Verhütungsfragen Für mehr als jede zweite Frau (54%) gehört sie in Deutschland zur Morgenroutine dazu die Anti-Baby-Pille. Seit ihrer Einführung auf dem deutschen Markt 1961 hat sie sich rasant ausgebreitet und gilt heute als das sicherste Verhütungsmittel. mit dabei nichthormonelle Verhütungsmittel sind ihnen meist zutiefst suspekt (falls sie sie überhaupt kennen). Die teilweise massiven Nebenwirkungen bzw. vor allem deren häufiges Vorkommen sind den meisten Frauen unbekannt, die Pille wird als harmloses Bonbon dargestellt. So leiden laut Umfragen über 90% der Frauen unter pillen­ bedingtem Libidoverlust. Die Begleiterschei­ nungen sind weitreichend: von vergleichsweise harmlosen wie Depressionen, Kopfschmerzen und Pilzinfektionen bis zu Krebs, Diabetes und Unfruchtbarkeit. Vor über fünfzig Jahren war das Thema Verhütung noch gar keines und die Erfüllung ehelicher Pflichten gehörte für Frauen zum Leben mit ihrem Ehemann dazu. Ein notwen­ diges Übel, das durch die Angst vor einer Schwangerschaft nur noch vergrößert wurde. Das änderte sich mit der sexuellen Revolution inklusive selbstbestimmter Sexualität und der erstmaligen Verfügbarkeit von Verhütung selbstverständlich von der Frau angewendet. Jedoch wird beides zusammenen häufig in einem Atemzug mit Emanzipation genannt. Die Möglichkeit von Empfängnisregelung ermöglichte erstmals vaginalen Verkehr ohne Schwangerschaftsangst, aber das Wissen, dass Sexualität auch ohne Vaginalverkehr möglich ist, fand damals nicht ganz so viel Gehör und heute ist mensch da auch nicht viel weiter. Selbstbestimmung ohne Aufklärung ist unmöglich. Schwarzers Theorie von der prinzipiellen Unterdrückung der Frau beim Koitus mag übertrieben sein, die Kritik an der gesellschaftlichen Vorstellung, wie Sex auszusehen habe, ist es sicherlich nicht. So wäre ein deutlich emanzipierterer Weg der Geschichte gewesen, Vaginalverkehr, so denn von den Frauen gewünscht, nur während der unfruchtbaren Tage zu praktizieren. Denn ebenfalls in den 60er Jahren propagierte Prof. Rötzer die Natürliche Empfängsnisregelung, die Bestimmung der fruchtbaren und unfruchtbaren Tage im Zyklus anhand von Körperzeichen. Diese Methode ist mit einem Pearl-Index (= Angabe, wie viele Frauen von 100 trotz dieser Verhütungsmethode binnen eines Jahres schwanger werden) kleiner 1 genauso sicher wie die Pille. Doch nicht nur die Pille in ihren damaligen Auswirkungen kommt in der Emanzipationsfrage nicht besonders gut weg, gerade aus heutiger Sicht hat sie den Frauen einen Bärendienst erwiesen. Sie ist zur Selbstverständlichkeit geworden. In einer längeren Partnerschaft wird sie oft vorausgesetzt. Verhütungsaufklärung beschränkt sich zumeist auf Pille und Kondom, wobei von letzterem gerne behauptet wird, es sei zu unsicher. Diese These ist zwar unhaltbar (s. Tabelle), wird aber munter weiterverbreitet. Gynäkolog_innen sind da ganz vorne Nicht zuletzt machte die Pille Verhütung zur reinen Frauensache. Beteiligung der Partner? Ungenügend. Ein Artikel in der taz bemängelte die schwierige Finanzierbarkeit von Foto: weisserstier Verhütungsmitteln für ALGII-Empfänger_innen. Seit Hartz IV werden die Kosten dafür nicht mehr übernommen, der Anteil der Nichtverhütenden ohne Kinderwunsch ist deutlich angestiegen. Über 15 sind für Gesundheitspflege im Regelsatz vorgesehen, die Pillenpackung kostet 10-15 . Das sei schwierig leistbar, so die taz. Die Pille wird als harmloses Bonbon dargestellt. Auf die Idee, dass Sexualpartner die Hälfte davon zahlen sollten und andere Methoden viel günstiger sind, kommt sie offenbar nicht. Und wenn es mal gar nicht reichen will, gilt auch hier wieder: Es gibt nicht nur Vaginalverkehr. Bezahlte Verhütungsmittel? Ja gerne, dann aber jedes und vor allem für jede_n. Denise Melchin 07 SPUNK Bin Ladens Pornos Wie mit Porno Politik gemacht wird Bei bin Laden sollen Pornos gefunden worden sein. Was wird er wohl gerne geschaut haben? Eine skurrile Vorstellung, dass er, der so gegen die Sexualisierung der Gesellschaft wetterte, selbst nicht ohne Sünde gewesen sein soll. Kinderpornografie eine relativ geringe Rolle spiele auch wenn die Darstellungen in den letzten Jahren gewalttätiger geworden waren. Ein Milliardenmarkt sei Kinderpornografie, anders als von Von der Leyen behauptet, jedoch keinesfalls. Mit Pornografie wird Politik gemacht. Moral­ isiert. In Pornografie spiegeln sich Verhältnisse von Macht und Sex. Aus diesem Grunde ist sie mehr als einen Blick wert. Kurz vor Weihnachten 2010 musste die rotgrüne Landesregierung in NRW zusehen, wie der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, Kurt Becks Lieblingskind, von der opportunistischen CDU zu Fall gebracht wurde. Am Ende schloss man sich dann noch an, was gut war. So prob­ lematisch es ist, mit dem Smartphone Pornos auszutauschen und diese hundertfach zu ko­ pieren: Jugendliche können Sperren im Zweifel eh umgehen. Es gibt kaum Zahlen zum Thema. Ob die "Generation Porno" einen nachhaltigen Schaden davontragen wird, muss erst noch herausgefunden werden. Pornografie ist ein Bild oder Bilder von Sex. In Deutschland ist es ab 18 gestattet, Pornografie zu konsumieren. Bestimmte Arten von Pornografie sind in Abstufungen Besitz, Erwerb, Herstellung, Verbreitung verboten. Auf allen Ebenen illegal ist die Kinderpor­ nografie, in der Personen unter 14 dargestellt werden. Als Kinderpornografie zählen in Deutschland auch Zeichnungen von Darstel­ lungen sexueller Handlungen - also Bilder, bei denen niemand zu Schaden gekommen ist. Man vermutet aber einen gesellschaftlichen Schaden. Die GegnerInnen des Von-der-Leyen-schen Netzsperrengesetzes bezeichnen Kinderpor­ nografie als Dokumentation von Kindesmiss­ brauch. Sie tun dies, um auf das eigentliche Problem hinter der Kinderpornografie im Netz hinzuweisen - Missbrauch. Zweitens offenbart diese Wortwahl auch eine Distanz zur oberflächlichen Herangehensweise so vieler an Pornografie, ob Ursula von der Leyen, Alice Schwarzer oder alle anderen, die mit einfachen Lösungen Politik machen wollen. Zwei Jahre nach dem Netzsperrensommer 2009, als die Pro­ grammiererin Franziska Heine mit einer Petition eine neue Bewegung zu entfachen half, ist das billige Anliegen Ursula von der Leyens, mit dem Leid missbrauchter Kinder Politik zu machen, krachend gescheitert. Die Bundesregierung hat angekündigt, in Zukunft nach dem Prinzip Löschen statt Sperren gegen dokumentierten Kindesmissbrauch im Netz vorzugehen trotz dieses Etappenerfolges drohen aus Europa aber noch Foto: Corpse Reviver weiterhin Netzsperren. EU-Kommissarin Cecilia Malmström bedient sich derselben Argumentation wie von der Leyen auch sie will Netzsperren durchsetzen. Mit Pornographie wird Politik gemacht. Die Dekonstruktion von geschlechtlich-sexuellen Orientierungen Foto: Mobelgrad bevorzugten Typen nur einer Geschlechterrolle entsprechen, wird Mensch A je nach eigenem Geschlecht als hetero- oder homosexuell klassifiziert. Für Mensch A spielt jedoch das biologische Geschlecht des Menschen B keine Rolle. Jedoch kann ein Mensch, der nicht der angenommenen monogeschlechtlichen sex­ uellen Orientierung des Menschen A entspricht, ihm/ihr dennoch gefallen, wenn er sich ge­ schlechterrollenuntypisch verhält. Die sexuelle Orientierung der/s Einzelnen wird als selbstverständliche, persönliche Angele­ genheit gewertet und nicht hinterfragt. Das ist gerade bei sich als homosexuell bezeich­ nenden Menschen im Angesicht des his­ torischen Kontextes verständlich. Sie mussten Da Geschlechterrollen konstruiert sind und es schließlich lange erkämpfen, dass ihre aufgrund der Einschränkung der freien Ent­ Präferenzen als faltung aufgelöst normal anerkannt gehören, müssen werden und sie auch geschlechtli­ sich nicht mehr der ch-sexuelle Ori­ Die sexuell e Orientierung der/s Einzelnen Frage gegenüber entierungen de­ sahen, ob sie nicht konstruiert wird nicht hinterfragt. vielleicht doch werden. Möge es zumindest ein einmal genauso ir­ bisschen was auf relevant für die sexueller Ebene mit dem Gegengeschlecht Partner_innensuche sein, welches Ge­ anfangen könnten. schlechtsorgan der ausgewählte Mensch hat, wie die Frage, ob dieser Links- oder Somit stellt sich natürlich die Frage, was Begriffe Rechtshänder_in ist. Doch bis dahin ist es ein wie Hetero-, Homo- und Bisexualität weiter Weg. Die Frage nach der sexuellen überhaupt bedeuten. In der Regel werden sie Orientierung ist nach wie vor ein Politikum. genannt, um Vorstellungen von einer/m möglichen/m Beziehungs-/Sexualpartner_in zu Schon Freud sagte, ein Mensch sei prinzipiell verdeutlichen. Klar ist, dass niemand einen bisexuell angelegt. Der Kinsey-Report bestätigte anderen Menschen aufgrund dessen Ge­ dies weitgehend. Doch auch der Begriff bi­ schlechtsorgan liebt, sondern aufgrund dessen sexuell birgt Probleme, impliziert er doch, es Persönlichkeit. Dank Sozialisation lässt sich gebe nur zwei Geschlechter und das Geschlecht diese hierzulande meist einem von zwei Ge­ eines/r Partner_in spiele eine Rolle. Eine andere schlechterrollen zuordnen. Da diese jedoch Variante bietet der Begriff pansexuell, der konstruiert sind, ist die geschlechtlich-sexuelle aussagt, dass auf das Geschlecht bei der Orientierung keine feste Größe. Partner_innenwahl keinen Wert gelegt wird. 08 Also: Mensch A bevorzugt einen bestimmten Typus Mensch B, der sich einer Geschlech­ terrolle zuordnen lässt. Wenn im Prinzip alle Bekleidet mit einem Kopftuch - ich kaufte es in Kairo - vor der Revolution, gehe ich in den Kiosk. Mit Sonnenbrille. GraceKelly-Outfit, sagte ein Kumpel. Da fehle nur der weiße Golf. Und ich frage mich, während die Ampel noch auf rot steht, welche Fetische Bin Laden wohl hatte. Bis heute sind seine Pornos ja nicht im Netz aufgetaucht. Im November 2010 brachte eine Studie der Leibnitz-Universität Hannover hervor, dass das Netz als Verbreitungsmedium von Wir lieben Menschen, keine Geschlechter Die Klassifizierung von Menschen nach sexueller Orientierung ist weit verbreitet. Während Beurteilungen ausschließlich nach Geschlecht ansonsten verpönt sind, trifft das in diesem Fall nicht zu. Eins ist sicher: Wenn es eine Pornografisierung der Gesellschaft gibt, so führt dies doch zu einer freieren Gesellschaft als jene der bedeck­ ten Frauenkörper. In Saudi-Arabien müssen Frauen bei 40 Grad Außentemperatur schwarze Schleier tragen, in Afghanistan gibt es die Burka. Das ist schlechter als die Germanys-NextTopmodel-Castinggesellschaft. Und weil das Private auch politisch ist, müssen wir als GRÜNE JUGEND fordern: Lasst uns alle pansexuell sein! Denise Melchin Julia Seeliger Diskriminiert, Verfolgt, Getötet (Homo-)Sexualität als Repressions- und Verfolgungsgrund im Nationalsozialismus Am 1. Januar 1872 trat das Reichsstraf­ gesetzbuch in Kraft. §175, der auch im deut­ schen Strafgesetzbuch bis 1994 existierte, bestrafte sexuelle Kontakte von Männern mit Männern. Sexuelle Handlungen von Frauen mit Frauen wurden, anders als im §129 in Österreich, nicht unter Strafe gestellt. In der Weimarer Republik gab es eine lebhafte Be­ wegung, die versuchte, den §175 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen sie scheiterte allerdings. Bis heute besteht bei lesbischer Sexualität als Haft- und Verfolgungsgrund Forschungsbedarf. Während die Diskriminierung von Lesben unstrittig ist, fand anders als bei homosex­ uellen Männern - keine systematische Verfol­ gung von lesbischen Frauen statt. Wenn entsprechende weibliche Häftlinge in Konzentrationslagern interniert waren, war in den meisten Fällen ein anderes Verfolgungs­ merkmal, wie beispielsweise jüdische Religionszugehörigkeit, wichtiger. Bisher wurden allerdings nur vereinzelt Fälle entdeckt, Mit der Machtübertragung auf Hitler im Januar in denen die sexuelle Orientierung der 1933 verschlechterte sich die Lage für Hauptgrund für die Internierung im Konzen­ männliche und weibliche Homosexuelle massiv. trationslager war. Die betroffenen Frauen Treffpunkte wur­ wurden dann als den geschlossen, asozial definiert, Initiativen, Verlage sichtbar gemacht und Redaktionen, durch den 50000 Männer wurden aufgrund des die für die Rechte schwarzen Winkel von Homosex­ auf der Häftlings § 175 in der NS-Zeit verurteilt. uellen kämpften, uniform (vgl. dazu mussten ihre Ar­ Schoppmann beit einstellen. 2004). Zwei Jahre später wurde der §175 weiter verschärft. Wurden vorher ausschließlich Während der NS-Zeit wurde allerdings auch sexuelle Handlungen zwischen zwei Männern Verhalten von Mädchen, das durch (staatliche) sanktioniert, galt nun bereits die Berührung Institutionen und andere Personen als abwe­ von zwei nackten männlichen Körpern als ichend definiert wurde, zu einem Verfol­ strafbar. Infolge setzte sich eine Repressions­ gungskriterium. So wurden im sogenannten maschine in Gang: Die Reichszentrale zur Jugendschutzlager Uckermark, in der Nähe Bekämpfung der Homosexualität und Abtrei­ des KZ Ravensbrück im heutigen Nordbung sammelte allein 41.000 Datensätze über Brandenburg gelegen, Mädchen inhaftiert, die Personen, die nach §175 bestraft wurden oder angenommenen oder tatsächlichen Ge­ unter Verdacht standen. Insgesamt lagen der schlechtsverkehr mit Zwangsarbeitern oder Polizei 100.000 Personen vor, von denen die wechselnde Sexualpartner hatten (vgl. dazu Hälfte verurteilt wurde. Neben der Inhaftierung Guse 2009). wurden homosexuelle Männer auch kastriert oder in Konzentrationslager verschleppt. Die Forschung geht von 5000 6000 Männern aus, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung in Literaturempfehlungen: Konzentrationslagern inhaftiert wurden. Dort wurden sie mit rosafarbenem Winkel geken­ Grau, Günter (Hrsg.): Homosexualität in der NSnzeichnet. Im KZ Buchenwald wurden sie erst Zeit, Frankfurt a. M. 2004. Darin auch ein Aufsatz im Steinbruch und ab 1942 in der Kriegsin­ von Claudia Schoppmann zur Situation lesbischer dustrie eingesetzt. Ebenso wurden an 15 Frauen in der NS-Zeit. ausgewählten Häftlingen medizinische Ex­ perimente mit Hormonen durchgeführt, um Guse, Martin: Die Jugendschutzlager Moringen eine heterosexuelle Orientierung zu erzeugen und Uckermark, zu finden in Der Ort des Terrors, (vgl. dazu Grau 2004). Band 9, München 2009, herausgegeben von Wolf­ gang Benz und Barbara Distel. Tobias Edling 1 Frauenkörper als Schlachtfeld militarisierter Männlichkeit Nach einem von der serbischen Bevölkerung boykottierten Referendum erklärt BosnienHerzegowina, ehemals Teilrepublik des "mul­ tiethnischen"2 Staates Jugoslawien, 1992 seine Unabhängigkeit. Truppen der jugoslawischen Bundesarmee marschieren in Bosnien ein. Ein schwelender Konflikt wird zu einem Krieg, in dem nach Schätzungen 100.000 Menschen ihr Leben verlieren und zwischen 25.000 und 50.000 Frauen vergewaltigt werden. Der Krieg hinterlässt die Region in einem verwüsteten Zustand. zugestanden wird und sie so zu bloßen "Gefäßen" eines männlichen Sexualitäts- und Fortpflanzungstriebs degradiert werden. Sex­ ualisierte Gewalt wirkt dabei nicht nur gegen die direkt betroffenen Frauen sie ist eine Waffe, die den Männern der anderen Seite vorführt, dass sie nicht in der Lage sind, "ihre Frauen" zu beschützen. SPUNK "Wir haben die Anordnung, Sie zu vergewaltigen" Auf dieser Grundlage wird sexualisierte Gewalt gerade in "hochethnisierten" Konflikten noch wirkmächtiger und destruktiver, weil die Folgen für die (hauptsächlich weiblichen) Opfer gerade nach einer Schwängerung extrem weitreichend sind und in den meisten Fällen ihre gesamte soziale Basis zerstören. Besonders die flächendeckende und system­ atische Anwendung sexualisierter Gewalt aller Kriegsparteien erregt viel Aufmerksamkeit in den internationalen Medien. Es regt sich gesell­ schaftlich breit getragener Widerstand gegenüber diesen "Unmenschlichkeiten" und sexualisierte Gewalt wird zu einem heiß dis­ kutierten Thema. Die Anwendung sexualisierte Gewalt hat aller­ dings nicht nur eine Genderdimension, sondern bezieht sich auf ein Zusammenspiel unter­ Foto: Simone Renker schiedlicher Faktoren wie "Ethnizität", Religion und Nationalität der Opfer und Täter(Innen). sexistischer Stereotypisierung und Herabwürdigung. Damit ist Dementsprechend gehen Verbrechen wie Massenvergewalti­ ein Grundstein gelegt für die Eskalation sexualisierter Gewalt gungen sehr häufig mit "ethnischen" Säuberungen und während des Krieges. Völkermord einher. Krieg bedeutet immer eine Um-/Neudefinierung geltender Verhaltensnormierungen für die betroffenen Gesellschaften: Gewalt wird zum akzeptierten Ausdruck von Interessenskonf­ likten, Mord und Totschlag werden legitimiert und der Verlust des eigenen Lebens zur Heldentat umfunktioniert. Aber welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang Sexualität? Wieso wird Gewalt sexualisiert? Und was hat das mit patriarchalen Denk­ mustern zu tun? Massenvergewaltigungen, erzwungene Nacktheit und Zwang­ sprostitution wurden lange Zeit als unverhinderbare Nebener­ scheinungen von militärischen Konflikten verstanden. Sie waren unkontrollierbare Auswüchse soldatischer Männlichkeit nach der Schlacht und im Kriegsgebiet, hatten allerdings nichts mit dem Kriegsgeschehen selber zu tun. Erst durch eine feministische Auseinandersetzung mit dem Thema wurden sie als bewusste und erklärbare Phänomene in Kriegs- und Militärstrukturen erkennbar gemacht und in einen Kontext mit patriarchalen Machtverhältnissen gesetzt. Besonders zu erwähnen ist hier das umstrittene Buch "Against Our Will: Men, Women, and Rape" von der US-amerikanischen Autorin Susan Brownmiller von 1975. Die Frau als Vehikel eines eskalierenden Gebärdogmas. Bereits vor Beginn des Krieges im ehemaligen Jugoslawien wird durch nationalistische Rhetorik die Aufgabe der Frau für die Nation neu bestimmt und ihre Bewegungsfreiheit damit eingeschränkt: "Die eigene Frau" ist fortan definiert als Mutter, Vehikel eines eskalierenden Gebärdogmas aller Seiten, "die Frauen der anderen" werden immer mehr zu Projektionsfläche Die Anwendung sexualisierter Gewalt als Kriegswaffe in Konf­ likten ist darin Ausdruck tiefverwurzelter patriarchaler Sexualitätsvorstellungen, in denen Frauen keine eigenständige Sexualität Im Balkankonflikt kamen alle diese Dimensionen zum Tragen. Frauenkörper wurden so zum Schlachtfeld der Kriegsparteien. Inzwischen haben die UN sexualisierte Gewalt klar als Kriegs­ verbrechen definiert und mit den Resolutionen 1325 und 1820 Frauen wird keine eigenständige Sexualität zugestanden. des UN-Sicherheitsrats eine stärkere Einbindung von Frauen in allen sicherheitspolitischen Entscheidungsprozessen gefordern. Die Umsetzung geht allerdings bis heute nur schleppend voran. Terry Reintke Sexismus 2.0 Porn | Queers | Refugees - an international affair Wie Sexismus durch das Web in die Beta-Version gehoben wurde Warum europäische Staaten Flüchtlinge zum Pornogucken zwingen Plump kommt uns vor, was wir unter Sexismus verstehen, wir reduzieren sein Vorkommen fast ausschließlich auf Kreise, die weniger contemporär und gebildet sind. - Überlassen wir nachstehenden selbst, sich in diese Kate­ gorie einzusortieren, wenn sie sich exzessiv sexistisch gebärden. Doch wir müssen ihnen zugestehen, dass sie das Antlitz des Sexismus gewandelt haben, kommt er doch inzwischen mitunter galant daher und suggeriert den werten Damen die Wertschätzung von Verständnis. Eine gelungene Maskerade - ohne Zweifel. Auf der Flucht vor Repression, Verfolgung, vielleicht vor dem Tod - wer weiß - ist es für Flüchtlinge nicht leicht, in ein Land zu gelangen, das ihnen potenziell Asyl gewähren könnte. Wer weiß das schon im Voraus, zumindest, wenn mensch eine sexuelle Orientierung fernab heteronormativer Ideale auch dieser Gesell­ schaft hegt. Aber stopp, wer sind denn nun diese-welche, von denen die Re­ de ist, wer sind die Schöpfer(_innen?!) des im Titel be­ nannten Sexismus 2.0? Über Sex kann Sex ist von Interesse und genauso tummeln sich im Netz zahlreiche Leute, die nur so nach Aufmerksamkeit lechzten. Da kommen Selb­ stdarstellung und das vermeintliche Wissen um das leser_innenrelevante Thema schnell einmal in brachialen Texten zusammen, deren mindere Qualität ob ihres Inhaltes kaum auffallen mag. So macht es auch DAS BLOG. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille, während der Anklang hier schon groß ist und man sich ob konstant hohen Leser_innenschaft den Sack kraulen darf (auch wenn man stattdessen lieber Reporte bloggt, wo einem der Sack von zarten perfekt manikürten Fin­ gerchen, mit der weichsten und so begeh­ renswerten Haut gekrault wurde) ist das noch zu roh, zu schnell der Stempel Sexismus aufgebracht. Die Mischung macht's, sie macht anders. Denn über Sex kann jede_r schreiben, denn jede_r hat ihn und wenn nicht, so unterstellte einer_m ohnehin niemensch Betrug. Ist das doch in unserer massiv sexualisierten Gesell­ schaft kaum vorstellbar, fast schon infam. Um so problematischer, dass DAS BLOG auch immer wieder entsprechenden Minderheiten (beispielsweise Asexuellen) einen Artikel widmet und sie mit sensiblen Worten sublim unter dem Motto, DAS BLOG sei so exklusiv, dass es sogar Artikel dazu gibt, zum Teil des Kuriositäten-Kabinetts macht. DAS BLOG dreht sich übrigens gar nicht um Sex, sondern ist ein Lifestyle-Mag, nur dass der Lifestyle ganz eindeutig fokussiert ist. Es geht um Kunst, sexuell geladene, Musik, die das Ro l l e n b i l d d e s zarten Fräuleins jede_r schreiben reproduziert, dazu Beiträge von den süßen Modemädchen, die zu begehren es gilt und welche sich selbst nur all zu gern als Anziehpuppen inszenieren (Aus­ nahmen wie Fashionpuppe sind obsolet). Zwischendurch immer wieder eine Bilderkollektion bunter nonchalanter Titten­ bilder, deren Protagonistinnen ungezwungen und wild (das an sich begrüßenswert und nicht im geringsten frevelhaft) der Kamera begeg­ neten. Das macht nicht nur DAS BLOG, aber bisher im deutschsprachigen Dunstkreis am erfolgreichsten. Der Sexismus im Web ist umfangreich, alle können sich beteiligen und die meisten davon profitieren, und unter dem Gewand der Meinungsäußerung und der Huldigung der Frau, frech-ungezwungenen Texten und knalligen Bildern versteckt sich dann häufig das Unterdrückungs- und Kategorisierungsinstu­ ment zur Stabilisierung des Patriarchats. Und plötzlich ist der dieser Sexismus genauso klassisch und plump und manifestiert nicht nur die weibliche Püppchenrolle, sondern wird auch zum Sinnbild der duffer Männer. - Und wehe ich habe mit diesem Beitrag Leute zu Leser_innen von AMY&PINK gemacht. Wunderwut durchgeführt wurden. Dabei geschieht Fol­ gendes: Den männlichen(!) Probanden wird ein heterosexueller Porno vorgespielt und dabei der Blutzufluss zum Penis geprüft. Das entspricht kaum den geltenden AntiDiskriminierungs-Richtlinien, von der Verlässlichkeit solcher Tests gar nicht zu reden. Nach der Schelte durch die EU wurden die Erschwert wird das durch geltende Bestim­ Tests in Tschechien umgehend eingestellt, nun mungen im Asylantragsprozess, die voraus­ aber zeigt Norwegen seinen Asylbewer­ setzen, dass der_die Betroffene sich in der ber_innen Pornos. Allerdings vor dem Nachweispflicht befindet. So müssen sich in Hintergrund des Abbaus von Hemmnissen. aller Regel Homosexuelle auch nachweislich Immigrant_innen und ohne Erfolg sollen von Beginn hilfesuchend an die an verinnerlichen, örtliche Polizei und dass die nor­ Verwaltung ge­ Die Offenbarung birgt ein unglaubliches wegische Gesell­ wendet haben. Oft schaft tolerant ist diese Schwelle Gefahrenpotenzial gegenüber Homofür viele zu hoch, sexualität ist und ist doch Gewalt diese Maßgabe und Verfolgung von adaptieren. dieser Seite in der Regel nicht auszu-schließen. Die Offenbarung birgt also ein unglaubliches Doch auch diese gar vorbildlich erscheinende Gefahrenpotenzial für die Betroffenen sowie Idee hat Haken: Nicht gleich auf Konfrontation ihr Umfeld. Schon hier bleiben viele auf der gehen, heißt die Devise, wenn beim Liebesspiel Strecke, ohne die Aussicht, befreit aufleben ein flüchtiger Blick auf das weibliche, nicht aber zu können. das männliche Paar gewährt wird. Dahinter steht ganz offen die Vermutung, dass die Au­ Trotz dieser strengen Bestimmungen, die be­ slebung männlicher Homosexualität einen reits viele zurückhalten, sorgt Verfolgung auf größeren Reizwert hat. Diskriminierung Grund sexueller Orientierung oft bei den gegenüber Frauen und die Entwertung von Prüfenden für den Gedanken: Es kann ja jede_r deren Sexualität wird damit nicht entgegen kommen und behaupten, er_sie sei homo­ getreten. Ein Anspruch, der von Nöten sexuell. gewesen wäre. Manche Einwanderungsbehörden sind kreativ Zwiespältig ist zudem, das diese Pornos nicht bei der Suche nach möglichen (Gegenan Migrant_innen aus der Europäischen Union )Beweisen. Was unlängst in Tschechien geschah, vergeben werden. Davon auszugehen, dass ist nur durch ein Deutsches Gericht aufgefallen, Europäer_innen Homosexualität tolerierten, dass sich weigerte, einen Asylsuchenden während andere damit nicht umzugehen zurückzuschicken in die Obhut der eigentlich wüssten, ist zu schlicht. mit dem Asylantragsverfahren Betrauten, weil diese Test zuwider der Menschenwürde Das sind zwei Modelle, die dringenden Han­ durchführten, um sich der Homosexualität des dlungsbedarf offenbaren, denn (queere) iranischen Asylwerbers zu vergewissern. Dabei Flüchtlinge müssen endlich für voll genommen sei es bisher um eine nicht nennenswerte werden - ganz zu schweigen von der Mehr­ Zahl im geringen zweistelligen Bereich ge­ fachdiskriminierung der Frauen in dieser gangen und auch nur im Falle großer Zweifel Konstellation. an der Glaubwürdigkeit der Betroffenen, bei denen phallometrische Tests angeordnet und Linda Dertinger 09 SPUNK Liebe legalisieren! Für Straffreiheit bei Inzest. Die skandalisierte Debatte um den Inzest-Paragrafen Fordere ich Der Inzest-Paragraf muss weg!, fällt den meisten Menschen die Kinnlade runter und über mich ein Tsunami an unflätigen Vorwürfen und Beschimpfungen herein selten habe ich dermaßen emotional geprägte Debat­ ten erlebt wie bei diesem Thema. Mir ist be­ wusst, dass mit Inzest zumeist sexueller Miss­ brauch in Verbindung gebracht wird, doch die sexuelle Selbstbestimmung, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, ist bereits durch andere Strafparagrafen geschützt. Das Inzest­ verbot nach Paragraf 173 StGB betrifft dagegen auch Fälle echter Liebe, in denen es keine Opfer gibt, die vor TäterInnen geschützt wer­ den müssen. Aus diesem Grunde will ich die Legitimation eines Strafgesetzes in Frage stellen, welches unverhältnismäßig in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen eingreift und mit dem brutalen Schutz gesellschaftlicher Tabus gerechtfertigt wird. Menschenwürde und lässt unvermeidlich an das von den Nazis erlassene Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses erinnern, durch das die Zeugung von Kindern mit Be­ hinderungen auf brutalste Weise gezielt ver­ hindert werden sollte. Mit einer dermaßen menschenverachtenden Begründung für die Rechtfertigung des Inzest-Paragrafen stellt sich das Bundesverfassungsgericht ein Armutszeug­ nis sondergleichen aus. Zudem verbietet unser Grundgesetz ausdrücklich jegliche Benachteili­ gung und Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen und demzufolge auch von Men­ schen mit Erbgutschäden. Ein sich als demokratisch und sozial bezeichnender Staat darf weder einem Paar die Fortpflanzung ver­ bieten, noch über Wert oder Unwert menschli­ chen Lebens urteilen. Bild: Thomas Sully Die natürliche Vermeidung von Inzest lässt sich auf den Wester­ marck-Effekt zurückführen: Empirische Untersuchungen belegen, dass Menschen eine Abneigung gegen sexuelle Kontakte mit jenen Personen empfinden, mit denen sie die ersten dreißig Monate ihres Lebens eng verbracht haben. Zum Inzest zwischen selbstbestimmten PartnerInnen kommt es daher in der Regel nur, wenn diese getrennt voneinander aufgewachsen sind. Bewahrung der familiären Ordnung Eine Paradoxie Über Jahrtausende entwickelte sich die Abneigung gegen den Inzest zu einem gesellschaftlichen Tabu, welches heute mit Strafandrohung im deutschen Strafgesetzbuch verankert ist. Doch jede Strafnorm, das verlangt unsere Verfassung, bedarf einer sachlichen Rechtfertigung. Beim Inzest-Paragrafen muss diese jedoch in Frage gestellt werden, weil er lediglich mit dem Schutz eines traditionell von Werten und Normen geprägten Tabus gerechtfertigt wird. Das Bundesverfassungsgesetz urteilte am 13. März 2008, dass die deutsche Gesetzgebung bezüglich des Paragrafen 173 StGB legitim sei und begründete dies unter anderem mit der Be­ wahrung der familiären Ordnung, die nötig sei, um die Familie zu schützen. Doch Inzest, das belegen zahlreiche Gutachten (u. a. Des Freiburger Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht, MPI), ist eher die Folge problema­ tischer Familienverhältnisse und nicht die Ursache. Zudem erscheint es fragwürdig, inwiefern die familiäre Ordnung bewahrt werden kann, wenn bei Verurteilungen entschieden wird, dass Kinder von ihren Eltern getrennt werden, weil diese wegen ihrer inzestuösen Liebesbeziehung ins Gefängnis gehen müssen. Das Bundesverfassungsgericht entschied ebenfalls, dass das Inzest-Verbot ein Instrument zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung sei, da es beim Inzest eine besondere Gefahr von Erbschäden gebe. Inwiefern Inzest im gegenseitigen Einverne­ hmen jedoch der Gesellschaft schade, wurde bereits im napo­ leonischen Frankreich in Frage gestellt. Dort wird Inzest seit 1810 nicht mehr bestraft. Dass der verschwindend geringe Prozentsatz von Inzest-Kindern einen Angriff auf die Gesundheit der Bevölkerung darstelle, ist ebenso fragwürdig wie lächerlich. Das Bundesverfassungsgericht verwies außerdem darauf, dass bei inzestuöser Fortpflanzung die Wahrscheinlichkeit steige, Krankheiten zu vererben. Dieses Zurateziehen sogenannter eugenischer Gesichtspunkte ist ein akuter Verstoß gegen die Laut Bundesverfassungsgericht stehe lediglich der Vollzug des Beischlafs zwischen leiblichen Verwandten und damit ein eng umgrenztes Verhalten unter Strafe. Durch das im Strafgesetzbuch verankerte Inzestverbot würden die Möglichkeiten intimer Kommunikation nur punktuell verkürzt. Deshalb würden Betroffene nicht in eine ausweglose Lage versetzt werden und es liege kein unzulässiger Eingriff in den Kernbereich privater Lebensgestaltung vor. Diese Argu­ mentation als tragbar zu betrachten, wäre eine absolute Farce, Schädigung der Gesellschaft Wo bleibt die Verhältnismäßigkeit? die der Absurdität nur noch die Krone aufsetzt: Es wird deutlich, dass die RichterInnenmehrheit in wertekonservativer Manier lediglich den Sexualakt als solchen unter Strafe stellen will, ohne jedoch das Problem tatsächlich bei der Wurzel zu packen. Ein Bundesverfassungsgericht, welches sich um das Erkennen der psychologischen und soziokulturellen Gründe für inzestuöse Handlungen drückt und entsprechend eines traditionell von Werten und Normen geprägten Tabus urteilt, kann sich nicht der sachlichen Rechtfertigung eines Strafgesetzes behaupten. Sarah Benke Born without sexual feelings? Vorurteile gegenüber Asexuellen Asexualität ein ewiges, nie wirklich verstan­ denes Randthema in unserer sexualisierten Gesellschaft? Zunächst einmal muss mit folgen­ dem Missverständnis aufgeräumt werden: Die Vorsilbe "a-" in asexuell bezieht sich wie die Vorsilben "homo-", "hetero-" und "bi-" auf die eigene Sexualität, auf das Geschlecht, von dem sich die jeweilige Person sexuell angezogen fühlt asexuelle Menschen eben von niemand. Asexuelle haben damit sehr wohl, anders als oft falsch angenommen, eine eigene Sexualität. Und zu noch einem Vorurteil: Eine asexuelle Person hat zwar kein Verlangen nach sexueller Interaktion mit anderen Menschen aber selbstverständlich haben auch die meisten asexuellen Menschen eine eigene Sexualität und viele kennen nach eigenen Angaben auch Anzeige 10 den Wunsch nach Nähe und Liebe. Intimität oder Erotik drücken Asexuelle nur nicht unbe­ dingt über Sex aus. Und auch in meiner anfänglich postulierten Frage steckt eine vielfach fälschlicherweise verwendete Annahme gegenüber Asexuellen. Auch wenn es einige geben mag, die sich be­ wusst gegen unsere übersexualisierte (?) Ge­ sellschaft stellen, legen Plattformen wie AVEN (Asexual Visibility and Education Network) Wert darauf, dass sie keine Anti-Sex-Bewegung sind. Sie setzen sich für eine Gleichberechtigung aller sexuellen Orientierungen ein, die auf gegenseitigem Einverständnis der Partner*innen beruhen und fordern deswegen auch Akzep­ tanz für ihre Asexualität. Global betrachtet gibt es einige lose Plattformen für Asexuelle, in Deutschland sind sie nur spärlich organisiert. Sie selbst sehen den Grund für diese fehlende starke Interessenvertretung darin, dass es für Asexuelle verhältnismäßig einfach ist, in einer immer noch stark hetero­ sexuell geprägten Gesellschaft, nicht aufzufallen. Und im Gegensatz zu Homosexuellen sind sich als Asexuelle verstehende Menschen nun mal nicht automatisch auf der Suche nach anderen gleichorientierten Menschen als Partner*innen, so dass Gemeinschaften innerhalb der gleichen sexuellen Orientierung seltner entstehen. Noch spielt Asexualität keine große Rolle in der deutschen Populärforschung, höchstens als absonderliches Novum in unserer Gesell­ schaft, doch gerade mit den Fortschritten im Bezug auf die Akzeptanz von sexueller Vielfalt wird auch das Thema Asexualität an Gewicht gewinnen. Aber auch die Schwierigkeit, diese sexuelle Orientierung klar zu definieren, sollte uns anstoßen darüber nachzudenken, ob men­ sch eigentlich Homo- und Heterosexualität so genau definieren kann und ob jedeR Mensch zwangsläufig hetero-, homo-, bi-, transsexuell und immer so weiter ist. Wahrscheinlich nicht, denn Sexualität ist wohl in unserer Zeit so vielfältig wie nie zu vor. Angeblich genau ein­ grenzenbare Definitionen bringen niemanden voran. Wichtig ist es, sich glücklich und zufrieden zu fühlen das mag noch so platt klingen, es stimmt. HIV-Prävention in Afrika zwischen Wissenschaft und Religion Die Medizin hat zweifelsfrei bewiesen, dass die, die kein christliches Leben führen, sterben werden., sagte ein Pastor 1992 auf einer HIVPräventionsveranstaltung in der tansanischen Stadt Moshi. Der Ethnologe Philip Setel, der die Rede des Pastors protokolliert hat, sieht in diesem Zitat ein Beispiel für den medizinischmoralischen Diskurs, der seiner Ansicht nach die HIV-Prävention in Subsahara-Afrika bestim­ mt. Charakteristisch für solche Präventionsbotschaften ist laut Setel eine Verquickung von medizinischen Fakten und moralischen Ap­ pellen. Infizierten einsetzt. Für viele jungen Frauen ist Sex der einzige Weg, an Schulbücher zu kommen. Manche Leute entscheiden sich für Sex. Viele unserer Eltern werden zu Sex gezwungen. Es ist die einzige Möglichkeit zu überleben. Einfach zu sagen, 'sei abstinent', das ist nicht gut genug. Im Jahr 2008, 16 Jahre nach der Rede dieses Pfarrers, startete in neun Ländern SubsaharaAfrikas (Lesotho, Malawi, Mosambik, Namibia, Swasiland, Sambia, Simbabwe, Südafrika und Tansania) eine Kampagne namens OneLove. OneLove hat das Ziel, HIV-Neuinfektionen zu vermeiden. Dabei konzentriert sich die Kam­ pagne auf eine einzige klare Botschaft: sexuelle Treue zum/r Partner_in. Dieser Inhalt wird in Werbeclips, Workshops, Infoflyern und in Südafrika sogar durch eine extra geschaffene Seifenoper namens Soul City unter die Leute gebracht. Lebo Ramafoko, Medi­ enchefin des Soul City Institute, das in Südafrika die Kampagne koordiniert, glaubt: Das wirkliche Maß des Erfolgs wären nicht nur verringerte HIV-Raten, sondern eine verringerte gesell­ schaftliche Akzeptanz für nicht-monogame Beziehungen. OneLove ist nur eine von vielen Kampagnen mit diesem Schw­ erpunkt. Ein Leitmotiv der HIV-Prävention in Subsahara-Afrika ist die ABC-Formel. ABC steht für Abstain, Be Faithful, Condomise (Enthaltsamkeit, Treue, Kondombenutzung). Ju­ gendliche sollen in erster Linie zur Enthaltsamkeit erzogen werden. Für diejenigen, denen Abstinenz nicht möglich ist z. B. verheiratete Paare wird Treue propagiert. Kondome gelten als Notfalloption für Risikogruppen, für die Alternativen A und B nicht in Frage kommen. Ein großer Teil der Gelder für diese HIV-Prävention kommt aus dem US-amerikanischen President's Emergency Plan for AIDS Relief (PEPFAR). Dieses 2003 von George W. Bush ins Leben gerufene Programm hat allein 2008 über 58 Millionen Menschen mit der ABC-Botschaft erreicht. PEPFAR knüpft die Vergabe seiner Mittel an strenge Auflagen. Im Rahmen von PEPFAR- finanzierten Programmen dürfen Kondome nur bei Menschen beworben werden, die als Hochrisikogruppen gelten z. B. Sexarbeiter_innen, Drogensüchtige und Schwule. Keinesfalls dürfe man Jugendlichen das Bild vermitteln, Kondome seien eine im Vergleich zu Abstinenz gleichwertige Schutzmöglichkeit. Außerdem zieht PEPFAR bei der Mittelver­ gabe kirchliche US-amerikanische Initiativen allen anderen Organisationen vor. Auch die Kampagne OneLove wird unter anderem von PEPFAR bezahlt. Verquickung von medizinischen Fakten und moralischen Appellen Doch der ABC-Botschaft zum Trotz haben in Afrika - wie überall auf der Welt - viele jungen Leute Sex. In Tansania bekam über die Hälfte der neunzehnjährigen Frauen schon mindestens ein Kind, in Südafrika ein knappes Drittel. ABC ist zu simpel, kritisiert Zackie Achmat, Gründer der südafrikanischen Treatment Action Campaign (TAC), die sich für die Rechte von HIV- SPUNK Fürchte die Sünde Auch Forscher_innen kritisieren die ABCStrategie, weil sie Machtunterschiede zwischen Sexualpartner_innen nicht berücksichtige. Durch ABC wird die Benutzung von Kondomen zwar für Sexarbeiter_innen (= Ho­ chrisikogruppe) empfohlen, nicht aber für ihre Kunden (= Allgemeinbevölkerung). Sexarbeit­ er_innen jedoch sind meist nicht in der Position, die Nutzung von Kondomen ihren Freiern gegenüber durchzusetzen. Ähnlich ergeht es verheirateten Frauen: Die ABC-Strategie stellt die Ehe als sicheren Hafen dar. Gleichzeitig werden viele Frauen von ihren Ehemännern Foto: tonrulkens mit HIV infiziert. Weil aber Kondome als letzte Option gelten, halten viele ihre Benutzung innerhalb einer festen Beziehung für unangebracht. Wer auf Kondomen besteht, macht sich des Betrugs verdächtig oder zeigt mangelnde Liebe. Dabei ist z.B. in Tansania die HIV-Rate unter verheirateten jungen Leuten höher als unter unverhei­ rateten. Fürchte nicht AIDS, fürchte die Sünde, so steht es auf roten Aufklebern, die in Tansania in den Bussen kleben. Die großen Akteur_innen der HIV-Prävention hüten sich vor solchen Aus­ sagen. Stattdessen betonen sie den wissenschaftlichen Charakter ihrer Botschaften. OneLove beispielsweise brüstet sich in Publikationen mit der wissenschaftlichen Fundierung der Kampagne. Es ist keine moralische Kampagne, sagt Lebo Ramafoko vom Soul City Institute. Wir sagen nicht, du kommst nicht in den Himmel. Wir sagen, du riskierst etwas, und du bringst deine Familie in Gefahr. Lisa Bendiek Königin aller Beziehungsformen Die Geschichte der Monogamie Am Anfang war die Monogamie. Sie saß auf ihrem Thron, beschaute die Welt und war recht zufrieden mit sich, denn sie funktionierte. Königin aller Beziehungsformen. Inzwischen kann man an ihr ein leichtes Zittern vernehmen, denn die alternativen Beziehungsformen rütteln am Schlosstor und stellen ihre Monarchie in Frage. Foto: Julia Seeliger & Matthias Mehldau Polyamorie ist ein weit gefasster Begriff und beschreibt nicht mehr als die Möglichkeit in­ timer Beziehungen zwischen mehr als zwei Menschen. Die Vagheit des Wortes ist symp­ tomatisch durch die Vielfältigkeit der Ausübenden wird eine Vielfalt an Beziehungen nötig. Denn das klassische Bild der Beziehungen in unserer Gesellschaft hat sich mit vielen Faktoren gewandelt. Die Monogamie selbst ist in sozial­ darwinistischen Theorien umstritten und wurde primär von der christlichen Kirche durch­ gesetzt, um die Chance auf Erbschaft eines Kirchenmitglieds zu erhöhen. Generell diente sie oft der Sicherung von Geld und Macht von Eliten, wurde jedoch durch die kinderstarke Unterschicht, die kein Vermögen hatte, das es in Erbschaftsfällen durch viele Nachfahren zu teilen galt, zunehmend verbreitet. In monogamen Ehen zeigte sich die Frau über das 19.Jahrhundert hinaus als wesentlich benachteiligt - vor der Frauenbewegung stand ihr die Ausübung eines Berufes und das Recht auf Bildung nicht zu. Auch Polygamie offenbarte sich oft das Bild einer benachteiligten Frau, da sich fast nur Polygynie durchsetzte die Ehe eines Mannes mit mehreren Frauen. Wo man nicht mehr als Paar unter Druck steht, finden sich die Beteiligten als Einzelpersonen gefordert. Der Wandel kam mit der Frauenbewegung und der Idee der Gleichstellung. In vielen Lebensbereichen wurden Frauen nun ihre Rechte zugestanden. Gleichzeitig verkleinerte sich mit der Industrialisierung die soziale Kluft ein wenig - es bildete sich eine starke Mittelschicht in Europa und Amerika heraus, in der das Einkommen mehr am einzelnen hing als an einem Familien­ erbe. vor hundert Jahren kaum geleistet hätte. All dies ist zeitaufwendig und die Ansprüche, die nun an Beziehungen gestellt werden, sind so variabel, dass, mit Abnehmen der Stigma­ tisierung nicht-monogamer Beziehungsformen, Alternativen, wie die Polyamorie, wahrgenom­ men werden. Verfolgt man die Wirkung der Industrialisierung, dann kann man sie als Anfang der Individualisierung begreifen, die auch einen großen Schritt mit der Anerkennung der Frau als gleichwertiges Individuum getan hat. Diese Faktoren - Emanzipation und Individualisierung - seien erläutert, um die sozial-ökonomischen Hintergründe der Gegenwart zu beschreiben. Wo Monogamie lange Zeit funktionierte, weil sie auf Unterdrückung der Frau basierte, sieht sich das moderne Paar heute mit anderen Ansprüchen aber auch Freiheiten konfrontiert. Monogamie und Ehe sind nicht mehr an Fortpflanzung gebunden, sondern richten sich danach, die Bedürfnisse der Involvierten nach Nähe und Liebe zu befriedigen. Wo man im 21. Jahrhundert jedoch nicht mehr als Paar unter Druck steht, finden sich die Beteiligten als Einzelpersonen gefordert. Die Arbeitswelt mutiert zu einer Institution, in der 40-plus-Stundenwochen normal, eine Mobilitätsbereitschaft gefordert ist und der Lohn kaum mehr bringt, als man alleine braucht. Gleichzeitig wird durch die Medien und das Web 2.0 der einzelne Mensch zunehmend ins Rampenlicht gestellt. Es gilt, sich zu entfalten und sich selbst zu begreifen - ein Luxus, den man sich Fest steht, dass man mit Polyamorie idealer­ weise genau so viele Beziehung(en) haben kann, wie es den eigenen Bedürfnissen entspricht. Und obgleich bei den Stichworten Polyamorie und offene Beziehung immer wied­ er Eifersucht als Gegenargument fällt, sehe ich bei ihnen einen Zuwachs, sofern der Alltag aller Menschen nicht verändert wird. Eifersucht ist leicht aufzudröseln, in den Schmerz, der entsteht, wenn wir glauben, den / die PartnerIn zu verlieren und uns in unserem Wert über ihn / sie definieren. Ich wage zu behaupten, dass Besitzdenken in Bezug auf andere Personen ansozialisiert und damit langfristig änderbar ist. Polyamorie beschreibt nicht mehr als die Möglichkeit intimer Beziehungen zwischen mehr als zwei Menschen. Solange Einkommen jedoch nicht bedingungslos ist und junge Familien nicht mehr Unterstützung bekommen - etwas, dass es mit jung-grüner Politik zu erreichen gilt - sehe ich, dass immer mehr Menschen in dem Versuch, all die gesellschaftlichen Ansprüche zu jonglieren, alternative Beziehungsformen als einen guten Weg erkennen, die Last gemeinsam zu tragen. Geraldine Mercedes Arndt 11 SPUNK Hetero-Männer: Lasst euch penetrieren! Ein Plädoyer für Sex abseits von Geschlechterrollen patriarchale Gesell­ schaft, denn zu den Penetrierten gehörten neben Frauen genauso jüngere Männer oder Sklav_innen. Erzeugt und transportiert also der Akt der Penetration nicht wieder Männlichkeit? In der Konsequenz würde das heißen, dass unser Sexualverhalten männlich dominierte Machtrelationen re­ produziert und die Frau weiterhin zur inferiören Partnerin degradiert. Stellen wir uns folgende Situation vor: Abends, romantisches Restau­ rant, mitten im Ge­ schehen befinden sich ein Mann und eine Frau. Abseits aller nötigen Reflexion über dieses soeben plakativ kon­ struierte heteronor­ mative Szenario - das Credo scheint roman­ tische Liebe zu heißen. Danach ist unsere Ge­ sellschaft konzipiert. Treueverhalten, Ver­ trauen und Monogamie werden in Studien als statistisch wertvolle Vo r s t e l l u n g e n i m deutschen Beziehu­ ngsverhalten heraus­ gestellt. Nun aber zurück zum romantischen, zuerst gezeichneten Gesche­ hen. Es werden also ein paar nette Gespräche ausgetauscht, Blicke, vielleicht schon zarte Berührungen. Die ganz romantisch Geschädigten unter uns sollten das kennen. Der Reigen geht weiter. Die Frage, wer zahlt, mag überholt sein, nach der Klärung der Frage und dem Betreten der Wohnung des_der Andere_n beginnt die eigentliche Paradoxie. Nämlich: Ist Sex auch irgendwie Sexismus? Darf er das? Kann denn der Doggy Style nicht nur frauenverachtend sein? Widersprechen sich da nicht die Kon­ struktion von romantischer Liebe und dem, was als Konstrukt normaler Sex" täglich aufgesogen wird? Sexismus wird ja gemeinhin als diskriminierendes Verhalten gegenüber Menschen aufgrund ihrer Sexualität und ihres selb­ stempfundenen Geschlechts bezeichnet. Dazu gehört aber gleichermaßen die Reduzierung auf ein Geschlecht mit den daran gekoppelten Erwartungen, die eben aufgrund des Ge­ schlechts ausgeübt werden sollen. Beim Sex findet eben diese Reduzierung auf Körperlichkeit statt. Nicht bedeutend, werden einige sagen - aber die Frage bleibt doch evident: Wer fickt eigentlich wen? In der Reflexion der griechischen Philosophie galt die Penetration als das Vorrecht des älteren männlichen Vollbürgers. Über den sexuellen Akt reproduzierte sich die Impressum InteressentInnen bekommen drei Ausgaben des SPUNKs kostenlos zugeschickt. Einfach Email an [email protected] Herausgebende: GRÜNE JUGEND Bundesverband Hessische Straße 10; 10115 Berlin; Tel.: 030 27 59 40 95; Fax.: 030 27 59 40 96 Redaktion: Sarah Benke, Lisa Bendiek, Jonas Botta, Linda Dertinger (V.i.S.d.P.), Tobias Edling, Norma Tiedemann, Jakob Wunderwald Feminismus, so ein Freund, sei ja schön und gut, aber beim Sex sei doch alles okay, was von beiden gewollt ist. Doch es muss auch Foto: matt.hintsa gefragt werden, in­ wieweit unser Verh­ alten durch die performative Herstellung unseres ansozialisierten Geschlechts beeinflusst wird. Beim Flirten spielen strenge Codes eine Rolle und wer sich womöglich geschlechtsuntypisch verhält, kann schnell seine Chancen auf dem Kopulationsmarkt schwinden sehen. Ist das Geschlecht nicht eindeutig identifizier­ bar, wird die Kommunikation so weit behindert, dass diese vielleicht nicht einmal zu Stande kommt. Es muss also weiter daran gearbeitet werden, Geschlechterrollen aufzulösen, das Kleinfamilienmodell in Frage zu stellen und dessen politisch-rechtliche Priviligierung abzuschaffen. Nur wenn Machtrelationen aufgelöst werden, muss Mann vielleicht auch im Sexuell-Privaten dieses Verhältnis nicht beständig wiederherstellen. Sex ist eben auch sexistisch und kann nur das reproduzieren, was im Alltäglichen immer wieder die klaren Machtunterschiede von Frauen und Männern zum Ausdruck bringt. Das Private muss öffentlich werden: Die Hoffnung bleibt, dass Geschlechterrollen unbedeutend werden und sich Männer schließlich auch in heterosexuellen Partnerschaften penetrieren lassen werden. Inculo Futuo Mitgliedsbeitrag, was ist das überhaupt und warum soll ich zahlen? Seit einigen Jahren hat die GRÜNE JUGEND einen verpflichtenden Mitgliedsbeitrag. Wer diesen nicht bezahlen kann, kann sich jederzeit bei seinem Landesverband oder beim Bundesverband ohne nähere Prüfung vom Beitrag befreien lassen. Das erste Jahr der Mitgliedschaft ist als Schnuppermitglied kostenlos. Insgesamt kostet die Mitgliedschaft 20 im Jahr, davon gehen 12 an euren Landesverband und 8 bleiben beim Bundesverband. Warum diese Mitgliedsbeiträge? Unter Creative Commons License. Siehe Bildunterschrift Als GRÜNE JUGEND und besonders als Bundesverband sind wir auf die zusätzlichen Einnahmen aus den Mitgliedsbeiträgen dringend angewiesen. Wir bekommen zwar auch Geld von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und öffentliche Förderung, aber beides zusammen reicht längst nicht mehr aus, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Die Mitgliedsbeiträge ermöglichen uns u.a. eine Geschäftsstelle mit mittlerweile 5 Personen, die für uns arbeiten. Die hohe Qualität der Arbeit der letzten Jahre, die vielen Seminare und die mittlerweile riesigen Bundeskongresse wären ohne die Mehreinnahmen auch nicht denkbar gewesen. 10.000 Stück Warum dieser Artikel? Quote: Von Frauen geschriebene Artikel: 72 % Anteil von Frauen unter den AutorInnen: 65 % Layout: Das Modul Fotos: Auflage: Druck: Union Druckerei Weimar GmbH Hinweise: 12 GRÜNE JUGEND im Netz Die Artikel spiegeln die Meinung des/der jeweiligen AutorIn wieder und nicht unbedingt der Redaktion und/oder der GRÜNEN JUGEND. Die Redaktion behält sich die sinngemäße Kürzung von LeserInnenbriefen vor. Der SPUNK steht unter einer Creative Commons Lizenz, alle Texte sind unter Nennung der Namen frei und unverändert im unkommerziellen Rahmen abdruckbar. Der SPUNK ist die Mitgliederzeitung der GRÜNEN JUGEND, erscheint viermal im Jahr und wird aus Mitteln des Kinder- und Jugendplans aus dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Der Bezugspreis für den SPUNK ist im Mitgliederpreis enthalten. www.gruene-jugend.de/spunk Insgesamt haben wir mittlerweile an die 9.000 Mitglieder. Wenn diese alle zahlen würden, hätten wir Gesamteinnahmen von 180.000 , davon blieben dann 72.000 beim Bundesverband. Aber die Prognose aus den Zahlen der letzten Jahre zeigt, dass wir nur mit Einnahmen in Höhe von 25.000 rechnen können. Davon kommt allerdings der Großteil von den GRÜNEN für unsere Doppelmitglieder. Kurzum, wir haben zwar Mitgliedsbeiträge, aber nur ganz wenige zahlen sie. Von vielen haben wir durch fehlende Kontoverbindungen nicht einmal die Möglichkeit, den Beitrag einzuziehen. Ein kleiner Schritt für dich - ein großer Schritt für die GRÜNE JUGEND! Deswegen hier eine kleine Bitte des Bundesschatzmeisters und des Bundesvor­ standes. Überprüf doch, ob du uns deine Kontodaten und eine Einzugsermächtigung gegeben hast. Wenn nicht, dann überleg dir, ob die Arbeit der GJ dir nicht die 20 im Jahr wert ist. Wenn du, warum auch immer, keinen Beitrag bezahlen kannst, dann lass dich bitte befreien, damit wir das entsprechend in unsere Datenbank eintragen können. Das ist deswegen so wichtig, weil du ansonsten in der Datenbank weiterhin unter ungeklärter Mitgliedsstatus geführt wirst und das bei BuKo-Anmeldungen, Postversendungen, Fahrkostenabrech­ nungen und vielen weiteren Punkten zu Problemen führen kann. Wenn du dir nicht sicher bist, dann frag bei deinem Landesverband nach deinem Beitragsstatus. Du willst nicht nur den SPUNK lesen, sondern auch online mitdiskutieren? Kein Problem! Zu diesem Zweck hat die GRÜNE JUGEND viele Mailinglisten, einen neuen Blog, das Wiki und das Wurzelwerk. Auf die Mailinglisten kannst du dich unter http://www.gruene-jugend.de/mitmachen/elisten/ eintragen. Am wichtigsten ist die liste-intern. Dies ist die Liste mit den wichtigsten internen Informationen, auf der sich alle Mitglieder der GRÜNEN JUGEND eintragen sollten. Sie ist ausschließlich für Mitglieder der GRÜNEN JUGEND offen. Zum Diskutieren eignen sich die liste-intern-debatte und die offenen Mailinglisten unserer 11 Fachforen. Unter http://blog.gruene-jugend.de/ findest du außerdem den neu gestalteten Blog der GRÜNEN JUGEND. Hier ist seit dieser Ausgabe auch der SPUNK zu Hause. In der Sparte SPUNK könnt ihr unsere Artikel lesen und kommentieren. Auf dem Blog könnt ihr auch einen eigenen Zugang beantragen und nach Herzenslust mitbloggen. Termine der GRÜNEN JUGEND bis Oktober Juni Fr, 17.06.2011 - Sa, 19.06.2011 / Seminar der GRÜNEN JUGEND Rheinland-Pfalzzum Thema "Wasser" Fr, 17.06.2011 - Sa, 19.06.2011 / Zeitungsseminar für alle Redaktionen der GRÜNEN JUGEND / Hannover Fr, 17.06.2011 - Sa, 19.06.2011 / Seminar: "Rechtspopulismus und Islamfeindlichkeit im Aufwind - Was tun?" / FaFo Demokratie und Antirassismus / Düsseldorf So, 19.06.2011 - So, 26.06.2011 / Internationales Seminar: "Gemeinsame Agrarpolitik der EU" / Kassel Fr, 24.06.2011 - So, 26.06.2011 / Seminar: "Menschenrechte der Homosexuellen" / FaFo LesBiSchwul / Ruhrgebiet Fr, 24.06.2011 - Sa, 25.06.2011 / Alternativer Polizeikongress - Grüne Polizeipolitik in Stadt, Land und Europa / Hamburg Juli Fr, 08.07.2011 - So, 10.07.2011 / Seminar: "Ökologische Landwirtschaft" / FaFo Ökologie / Kassel Sa, 09.07.2011 - So, 10.07.2011 / LMV der GRÜNEN JUGEND Nordrhein-Westfalen Fr, 22.07.2011 - So, 24.07.2011 / Bundesvorstandssitzung der GRÜNEN JUGEND / Berlin Fr, 29.07.2011 - So, 31.07.2011 / 2. Bundesausschuss der GRÜNEN JUGEND 2011 / Berlin Fr, 29.07.2011 - Mo, 01.08.2011 / Sommercamp der GRÜNEN JUGEND Rheinland-Pfalz zum Thema: "Energieversorgung" August Di, 09.08.2011 - So, 14.08.2011 / Europäische AttacSommeruniversität / Freiburg / Nähere Infos: www.ena2011.eu So, 07.08.20011 - So, 14.08.2011 / Klima- und Energiecamp in der Lausitz / Jänschwalde nahe Cottbus / Infos: http://www.lausitzcamp.info/ Fr, 19.08.2011 - So, 21.08.2011 / Ostkongress der GRÜNEN JUGEND / Themen: Migration, Flucht, Asyl/ Landwirtschaft, Konsum/ Soziales / Schwerin Mo, 22.08.2011 - So, 04.09.2011 / Wahlkampfhochtour der GRÜNEN JUGEND Mecklenburg-Vorpommern Do, 25.08.2011 . So, 28.08.2011 / Sommercamp des Änder dasBündnisses (inklusive GRÜNE JUGEND) / Werbellinsee bei Berlin September Sa, 10.09.2011 / Tagesseminar der Grünen Jugend RheinlandPfalz zum Thema "Integration Fr, 16.09.2011 - So, 18.09.2011 / Seminar: "Wachstum und Ressoucen" / FaFo Ökologie/ Berlin