So ist das Leben... Himmel und Hölle Ein Rabbiner wurde von seinem Sohn gefragt: »Vater, wie stellst du dir Himmel und Hölle vor?« Der Rabbi antwortete: »Ich sehe einen Saal. Darin steht eine große Tafel mit köstlichen Speisen. Die Menschen an dieser Tafel haben steife Handgelenke. Sie haben Messer und Gabeln mit überlangen Stielen. Sie sind ihnen an ihre steifen Handgelenke gebunden. - Dann ertönt ein Zeichen, und alle stürzen sich auf die Speisen. Sie fahren mit ihren überlangen Messern und Gabeln umher, erreichen aber nichts. Sie werden immer gieriger, aber sie bekommen nichts in ihren Mund. So«, sagte der Rabbi, »scheint mir die Hölle zu sein.« »Und wie sieht es im Himmel aus?« fragte der Sohn. »Wieder stelle ich mir einen Saal vor. Darin steht eine große Tafel mit köstlichen Speisen. Die Menschen an dieser Tafel haben steife Handgelenke. Sie haben Messer und Gabeln mit überlangen Stielen. Sie sind ihnen an ihre steifen Handgelenke gebunden. Dann ertönt ein Zeichen, und alle beginnen zu essen. Sie schneiden mit ihren überlangen Messern und füttern sich gegenseitig mit ihren überlangen Gabeln an den steifen Handgelenken. Sie essen und feiern miteinander ein Freudenmahl. So«, sagte der Rabbi zu seinem Sohn, »scheint mir der Himmel zu sein.« • Die Suche nach dem Ort für die Guten und die Bösen hat von jeher die Phantasie der Menschen bewegt. Das Verlangen nach Belohnung und die Furcht vor Strafe für das gelebte Leben sind keine typisch christlichen Erkennungszeichen. Alle Religionen haben sich mit diesen Fragen befasst. Der Unterschied liegt in dem »Wie« dieser Orte, in der Beschreibung des Zustandes im Diesseits oder Jenseits. • Die Menschen haben immer darunter gelitten, dass es auf dieser Erde keine ausgleichende Gerechtigkeit gibt. Die Einen sind reich, die Anderen sind arm; die Einen sind gesund, die Anderen sind krank; die Einen leben nach Gottes Willen, die Anderen 25 nach ihrem eigenen Willen. Weil aber in der Vorstellung der Menschen einmal die Gerechtigkeit kommen muss, verlagern viele sie in die Zeit nach dem Tode. • Auch in der Bibel hat sich eine Lohngerechtigkeit entwickelt. Viele a l t t e s t a me n t l i c h e Menschen glaubten, mit der Erfüllung des Gesetzes könnten sie Gott zu einer Gegenleistung verpflichten. Weil die Menschen gut sind gegenüber Gott, muss Gott auch den Menschen gegenüber gut sein. Dieser Auffassung hat Jesus energisch widersprochen: »So sollt auch ihr, wenn ihr alles getan habt, was euch aufgetragen war, sagen: Wir sind unnütze Knechte; was wir zu tun schuldig waren, das haben wir getan« (Lk 17,10). Jesus wollte sagen: Was Gott euch gibt, steht in überhaupt keinem Verhältnis zu den kleinen Leistungen, die ihr erbringen könnt. • Die Menschen haben sich in der Beschreibung von Himmel und Hölle immer schwer getan. Darum ist die Frage des Sohnes an den Rabbi verständlich: »Vater, wie stellst du dir Himmel und Hölle vor?« • Auf dem Berliner Katholikentag 1952 berichtete der spätere Kardinal Volk von einem kleinen Jungen, der ihn gefragt hatte, ob er im Himmel noch Fußball spielen könne. Der damalige Theologieprofessor hat darauf geantwortet: »Wenn du im Himmel noch Fußball spielen willst, kannst du das; ob du es aber noch willst, ist eine andere Frage.« • Wer dem Volk klarmachen wollte, wie Himmel und Hölle aussehen, hat immer zu irdischen Vergleichen und Bildern gegriffen. Selbst die Bibel hat diesen Weg gewählt. • Wenn in der Bibel von der Hölle gesprochen wird, werden schreckliche und körperlichen Schmerz verursachende Elemente und Szenen beschrieben. »Ein Feuer wird brennen bis in die unterste Hölle« (5 Mose 32,22); »Tiefe der Hölle« (Ps. 86,13); »Gewalt der Hölle« (Ps. 49,16); »Ängste der Höl- le« (116,3); »Rachen der Hölle« (Jes 5,14); »Pforten der Hölle« (Mt. 16,18); »Verdammnis der Hölle« (Mt. 23,33); »Schlüssel der Hölle und des Todes« (Offb. 1,18). Die Hölle ist ein Ort ohne Wiederkehr; es geht um ewige Trennung von allem Lebenden. • Der biblische Begriff »Himmel« ist schwerer zu fassen, weil er mehrschichtig gebraucht wird. Der Himmel ist das Firmament, ein Teil des Kosmos. Er ist aber auch Thron und Wohnung Gottes. Später wird Himmel synonym für Gott gebraucht. Himmel ist da, wo Gott ist. Die Gerechten werden ewig bei Gott sein. »Unsere Heimat ist im Himmel« (Phil. 3,20). Johannes beschreibt den Himmel als Lebensgemeinschaft mit Gott. Jesus sagt: »Wenn einer mich liebt, wird er mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen« (Joh. 14,23). • In der biblischen Beschreibung von Himmel und Hölle setzt sich mehr und mehr die Auffassung durch, dass beide als Kräfte in diese Welt hineinwirken und Einfluss auf das Leben nehmen. Das bedeutet, dass Himmel und Hölle nicht erst im Jenseits beginnen, sondern bereits in diesem Leben. • Nun wird die Antwort des Rabbi in unserer Geschichte aktuell. Himmel und Hölle werden mit einem Mahl, einem Festessen mit herrlichsten Speisen verglichen. Wer nur an sich denkt, ist in der Hölle; wer nur an den anderen denkt, ist im Himmel. • Liebe ist Himmel, Egoismus ist Hölle. • Wo die Liebe ist, da ist Gott. Wo Gott ist, ist der Himmel. Wo der Egoismus herrscht, da ist der Tod. • Weil Liebe und Egoismus auf dieser Erde so verbreitet sind, darum sind auch Himmel und Hölle auf dieser Erde verbreitet. • Alle sind berufen, am Festmahl teilzunehmen. Nur wer aus der Liebe lebt, wer anderen dient, wird ein Freudenmahl feiern; wer aber Egoist ist, wird die Schönheiten zwar sehen, aber nicht in Anspruch nehmen können. Der Egoist ist unglücklich und macht andere unglücklich; Egoismus ist fundamentale Sünde. • Der Egoist, der nur an sich denkt und alles in sich aufnehmen will, wird schließlich verhungern. Der Dienende und Liebende, der alles weggibt, wird reich und glücklich werden. In der Bibel nachzulesen Wenn aber des Menschen Sohn kommen wird und alle Engel mit ihm, dann wird er auf dem Thron seiner Herrlichkeit sitzen und vor ihm werden alle Völker versammelt werden. Und er wird sie voneinander trennen wie ein Hirte die Schafe von den Böcken trennt. Und er wird die Schafe zu seiner Rechten stellen und die Böcke aber zu seiner Linken. Dann wird Jesus, der König denen zu seiner Rechten sagen: Kommt her ihr Gesegneten meines Vaters. Erbt das Reich, das euch bereitet ist seit Grundlegung der Welt. Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mich gespeist; ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich bin ein Fremdling gewesen und ihr habt mich beherbergt; ich bin ohne Kleidung gewesen und ihr habt mich bekleidet; ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht; ich bin gefangen gewesen und ihr seid zu mir gekommen... Wahrlich, ich sage euch: Was ihr einem meiner geringst Brüder getan habt, das habt ihr mir getan! Matth. 25, 31-40 Gebet Herr Jesus Christus, wo du bist, da ist das Reich Gottes; wo du bist, da ist der Himmel. Denn du hast mit deiner Liebe zu den Menschen die Herrschaft von Ichsucht, Hölle und Tod gebrochen. Wir aber haben dein Reich auf den Kopf gestellt, wenn wir meinen, die Herrschaft des Ich sei der Weg zum Leben, und nicht unsere Bereitschaft zu dienen. Befreie uns von diesem Irrtum und zeige uns, dass diese Herrschaft ein Irrweg ist. Nur wer dich liebt und dem Nächsten dient, erfährt die Schönheit des Himmels. Nur zu ihm wirst du kommen und Wohnung bei ihm nehmen. Amen. ______________________________________ Arbeitskreis aktiver Christen Heiligenberg 10 58540 Meinerzhagen