Jahrbuch 2013/2014 | Thauer, Rudolf Kurt | Biochemie des mikrobiellen Methan-Zyklus Biochemie des mikrobiellen Methan-Zyklus Biochemistry of the microbial methane cycle Thauer, Rudolf Kurt Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie, Marburg Korrespondierender Autor E-Mail: [email protected] Zusammenfassung Methan (CH4 ) ist ein w ichtiges Zw ischenprodukt im globalen Kohlenstoffkreislauf. Pro Jahr w ird etw a 1 Gt Methan aus Biomasse gebildet und w eiter zu CO 2 oxidiert. An der Bildung sind vor allem anaerobe Mikroorganismen beteiligt, w ährend an der Oxidation sow ohl anaerobe als auch aerobe Mikroorganismen mitw irken. In der Atmosphäre w ird Methan, w o es als Treibhausgas w irkt, hauptsächlich durch photochemische Oxidation remineralisiert. Die Untersuchungen zur Biochemie des Methan-Zyklus haben immer w ieder zu neuen Entdeckungen geführt. Über zw ei kürzlich gemachte Entdeckungen w ird hier berichtet. Summary Methane (CH4 ) is an important intermediate in the global carbon cycle. Per year about 1 Gt methane is formed from biomass and further oxidized to CO 2 . The formation of methane involves mainly anaerobic microorganisms, w hereas in the oxidation of methane both anaerobic and aerobic microorganisms participate. In the atmosphere, w here methane acts as a greenhouse gas, methane is predominantly re-mineralized photochemically. Investigations of the biochemistry of the methane cycle have led over and over again to new discoveries. On tw o of the most recent discoveries w ill be reported here. Einleitung Methan ist der w ahrscheinlich am häufigsten vorkommende Kohlenw asserstoff auf der Erde. Allein die Methanhydrat Lagerstätten an den marinen Kontinentalabhängen w erden auf etw a 10.000 Gt Methan geschätzt. Methan w ird vom Menschen als Brennstoff genutzt aber auch als Ausgangsrohstoff zur Erzeugung von Wasserstoff (H 2 ) und für organische Synthesen. Methan kommt auch in der Atmosphäre vor, w o seine Konzentration sich in den letzten 200 Jahren verdoppelt hat, w as von Besorgnis ist, da Methan ein Treibhausgas mit einem fast 25-fach höheren Treibhauspotential als CO 2 ist. Die chemische oder mikrobielle Bildung von Methan aus H2 und CO 2 w ird als Möglichkeit diskutiert, den Energieträger Wasserstoff zu speichern [1]. Jährlich w erden etw a 70 Gt Kohlenstoff aus CO 2 durch Photosynthese in pflanzlicher Biomasse netto fixiert © 2014 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 1/7 Jahrbuch 2013/2014 | Thauer, Rudolf Kurt | Biochemie des mikrobiellen Methan-Zyklus Jährlich w erden etw a 70 Gt Kohlenstoff aus CO 2 durch Photosynthese in pflanzlicher Biomasse netto fixiert (Abb. 1), w ovon etw a 60 Gt auf terrestrische Biomasse und 10 Gt auf marine Biomasse entfallen. Von der Biomasse, von der der größte Teil aus Lignozellulosen besteht, w ird der Löw enanteil durch Mikroorganismen und Tiere w ieder in CO 2 veratmet (remineralisiert). Aber etw a 1% gelangt in Biotope, in denen es w eder Sauerstoff noch andere positive Elektronenakzeptoren w ie Nitrat, Nitrit, Fe(III), Mn(IV) oder Sulfat gibt, so in Süßw assersedimenten und Sümpfen, im Intestinaltrakt von Mensch und Tier im Allgemeinen und im Pansen von W iederkäuern im Besonderen, aber auch in Sulfat-verarmten marinen Sedimenten. In diesen Biotopen w ird die Biomasse, vorw iegend deren verbleibende Zellulose-Bestandteile, zunächst unter Beteiligung von anaeroben Protozoen, Pilzen und bzw . oder Bakterien hauptsächlich zu Essigsäure, CO 2 und H2 fermentiert, die dann von methanogenen Archaea zu Methan umgesetzt w erden. Im Intestinaltrakt beschränkt sich die Methanbildung auf H2 und CO 2 als Substrate, da die Essigsäure vom Tier resorbiert und damit dem Zugriff der methanogenen Archaea entzogen w ird. Global addiert sich die jährlich durch methanogene Archaea gebildete Methanmenge auf 1 Gt [2]. Dazu kommt eine kleinere Menge Methan, die in den Weltmeeren durch aereobe Bakterien aus Methylphosphonat gebildet w ird, der Bestandteil der Zellw and von marinen Thaumarchaeota ist [3]. Eine Gt Methan hat einen Brennw ert von 50 EJ (E [Exa] = 10 18 ). Zum Vergleich: Der globale Primärenergieverbrauch beträgt derzeit rund 500 EJ. A bb. 1: Sche m a tische Da rste llung de s Me tha n-Zyk lus. NP P , Ne ttoprim ä rproduk tion. Ge na ue Erlä ute rung im Te x t. © Ma x -P la nck -Institut für te rre strische Mik robiologie /Tha ue r Methan entsteht auch thermochemisch aus Biomasse bei der Kohlebildung, im reduzierenden Teil der Flamme bei der Verbrennung von Biomasse, photochemisch aus Verbindungen w ie Pektin und rein anorganisch durch Reduktion von CO 2 mit Fe(II) w ährend Serpentinisierungs-prozessen (Abb. 1). Bis vor w enigen Jahren w urde allgemein angenommen, dass Methan nur in aeroben Prozessen biologisch abgebaut w erden kann. Alle bekannten methanotrophen Mikroorganismen w aren auf O 2 angew iesen. Inzw ischen steht aber fest, dass Methan auch in Biotopen ohne Licht und Sauerstoff zu CO 2 oxidiert w ird, w obei Nitrat, Nitrit, Fe(III), Mn(IV) und Sulfat als Elektronenakzeptoren dienen [4]. Methan in der Atmosphäre w ird zum allergrößten Teil photochemisch remineralisiert, nur ein kleiner Teil gelangt von der Atmosphäre zurück in Böden und Gew ässer und w ird dort durch aerobe Methanotrophe mit hoher Methan-Affinität zu CO 2 umgesetzt ([5]; Abb. 1). © 2014 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 2/7 Jahrbuch 2013/2014 | Thauer, Rudolf Kurt | Biochemie des mikrobiellen Methan-Zyklus Anaerobe Bildung und Oxidation von Methan werden von dem gleichen Enzymsystem katalysiert Eine der ersten aufregenden Entdeckungen bei der Untersuchung der Biochemie der Methanbildung w ar, dass der eigentliche Methan-bildende Schritt in methanogenen Archaea von einem Enzym katalysiert w ird, dessen prosthetische Gruppe ein Nickeltetrapyrrol ist, das im Ni(I) Zustand vorliegen muss, um aktiv zu sein (Abb. 2). Das Enzym katalysiert die Reduktion von Methyl-Coenzym M (CH3 -S-CoM) mit Coenzym B (HS-CoB) zu Methan und dem Heterodisulfid CoM-S-S-CoB (Reaktion (1), s. auch Abb. 3). (1) CH3 -S-CoM + HS-CoB ⇌ CH4 + CoM-S-S-CoB ∆Go = -30 kJ/mol Methyl-Coenzym M Reduktase (McrABG), deren Kristallstruktur mit einer Auflösung von 1,16 Å von uns bereits 1997 ermittelt w urde, kommt in allen methanogenen Archaea vor [6]. Sie ist aus den Untereinheiten McrA, McrB und McrG aufgebaut, von denen die McrA-Untereinheit fünf hoch konservierte post-translationale Modifikationen enthält, darunter ein Thioglycin, deren Funktionen bisher noch nicht aufgeklärt w erden konnten. A bb. 2: Struk tur von Kofa k tor F430 a us m e tha noge ne n und m e tha notrophne n Archa e a . Die be ide n gra u hinte rle gte n Me thylgruppe n sta m m e n a us S-Ade nosylm e thionin [6]. ANME ste ht für m e tha notrophe Archa e a , die zusa m m e n m it Sulfa tre duzie re nde n Ba k te rie n die a na e robe O x ida tion von Me tha n k a ta lysie re n. © Ma x -P la nck -Institut für te rre strische Mik robiologie /Tha ue r; AC S P ublica tions, m it fre undliche r Ge ne hm igung McrA enthält nicht nur die fünf post-translationalen Modifikationen, sondern auch hoch konservierte Abschnitte, die als Gensonden für die Identifizierung von methanogenen Archaea Verw endung finden. Mithilfe dieser Gensonden sind kürzlich zw ei neue Ordnungen von Methanbildnern entdeckt w orden, nämlich die Methanocellales und die Methanoplasmatales. Dank derselben Gensonden w ar bereits vor zehn Jahren entdeckt w orden, dass methanotrophe Archaea (ANME-1, ANME-2 und ANME-3), die an der anaeroben Oxidation von Methan mit Sulfat beteiligt sind, mcr-Gene enthalten, die offensichtlich auch exprimiert w erden: Methanotrophe Archaea enthalten hohe Konzentrationen an Mcr Protein. Aber es gelang erst in den letzten Jahren nachzuw eisen, dass McrABG aus methanotrophen Archaea auch Methyl-Coenzym M und Coenzym B als © 2014 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 3/7 Jahrbuch 2013/2014 | Thauer, Rudolf Kurt | Biochemie des mikrobiellen Methan-Zyklus Substrate verw enden und dass - so zeigten Laborversuche - Methyl-Coenzym M Reduktase auch tatsächlich die Oxidation von Methan katalysieren kann, und zw ar mit spezifischen Raten, die denen in vivo entsprechen. Letzteres w ar entscheidend, denn auf Grund des ∆Go von -30 kJ/mol w urde zunächst allgemein angenommen, dass Reaktion (1) irreversibel verläuft [7]. Bemerkensw ert ist, dass Methyl-Coenzym M Reduktase aus ANME-1 Archaea einen modifizierten Kofaktor F430 enthält (Abb. 2). In Methyl-Coenzym M Reduktase aus ANME-2 und ANME-3 Archaea und in allen methanogenen Archaea w ird nur der unmodifizierte F430 Kofaktor gefunden. Eine funktionelle Erklärung steht dafür noch aus. Inzw ischen scheint es, dass auch die anaerobe Oxidation von Methan mit Nitrat, Fe(III) und Mn(IV) in methanotrophen Archaea unter Beteiligung von Methyl-Coenzym M Reduktase abläuft [4]. Da sow ohl methanogene als auch methanotrophe Archaea Methyl-Coenzym M Reduktase in hohen Konzentrationen - bis zu 10% ihres löslichen Zellproteins - enthalten, dürfte das Nickelenzym eines der mengenmäßig häufigsten Enzyme in der anaeroben W elt sein. Bezüglich des Katalysemechanismus gibt es in der Literatur unterschiedliche Ansichten, insbesondere über die Startreaktion, w obei keiner der Mechanismen eine Erklärung für die posttranslationalen Modifikationen gibt, die auch in Methyl-Coenzym M Reduktasen von methanotrophen Archaea gefunden w erden. Mechanismus 1, für den es die meisten experimentellen Evidenzen gibt, geht davon aus, dass CH3 -S-CoM im aktiven Zentrum mit Ni(I) von F430 zu Ni(III)-CH3 reagiert. Er berücksichtigt aber nicht, dass die geforderte nukleophile Substitution thermodynamisch äußerst ungünstig zu sein scheint, w as theoretische Rechnungen ergeben haben. Dagegen behauptet Mechanismus 2, dass Ni(I) von F430 im ersten Schritt ein Elektron an den Schw efel von CH3 -S-CoM abgibt, w obei ein Methyl-Radikal entsteht, w as thermodynamisch ohne Problem zu sein scheint. Aus Messungen von Isotopeneffekten, die den Rahmen für den Katalysemechanismus abstecken, geht jedoch hervor, dass noch vieles unverstanden ist [8]. Abschließend sei erw ähnt, dass die anaerobe Oxidation von Methan mit Nitrit nicht durch Archaea, sondern durch Bakterien katalysiert w ird, die 2 NO in N2 und O 2 dismutieren und so Sauerstoff für die Oxidation von Methan bereitstellen, die durch eine Membran-gebundene Methan-Monooxygenase katalysiert w ird [9]. Energetische Kopplungen durch Flavin-basierte Elektronen-Bifurkationen Die am Methan-Zyklus beteiligten anaeroben Mikroorganismen benötigen fast alle Ferredoxin für Reduktionsreaktionen, w obei das Problem auftaucht, dass das Redoxpotenzial von Ferredoxin (-450 mV) negativer ist als das der meisten physiologischen Elektronendonatoren. So beträgt das Redoxpotenzial von H2 bei pH 7 und einem physiologischen H2 Partialdruck von 10 Pa nur etw a -300 mV. W ie kann Ferredoxin (-450 mV), das zum Beispiel für die Reduktion von CO 2 im ersten Schritt der Methanogenese benötigt w ird, durch H2 (-300 mV) reduziert w erden, obw ohl diese Reaktion doch endergon ist (Abb. 3)? Diese Frage w ar bis vor ein paar Jahren offen [10]. © 2014 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 4/7 Jahrbuch 2013/2014 | Thauer, Rudolf Kurt | Biochemie des mikrobiellen Methan-Zyklus A bb. 3: Sche m a de s Stoffwe chse ls von m e tha noge ne n Archa e a , die a uf H 2 und C O 2 a ls Ene rgie que lle wa chse n. Im Stoffwe chse l wird die e nde rgone R e duk tion von Fe rre dox in(450 m V) m it H 2 (-300 m V) m it de r e x e rgone n R e duk tion von C oM-S-S-C oB (-100 m V) m it H 2 (-300 m V) durch Fla vinba sie rte Ele k trone n-Bifurk a tion ge k oppe lt. MFR , Me tha nofura n; H 4MP T, Te tra hydrom e tha nopte rin; F 420, C oe nzym F420; C oM-S-S-C oB, He te rodisulfid a us C oe nzym M und C oe nzym B [2, 10]. © Ma x -P la nck -Institut für te rre strische Mik robiologie /Tha ue r; Na ture P ublishing Group, m it fre undliche r Ge ne hm igung Schlüssel zum Verständnis w ar die Entdeckung, dass in am Methan-Zyklus beteiligten Buttersäure-bildenden Clostridien die endergone Reduktion von Ferredoxin (-450 mV) mit NADH (-280 mV) durch Kopplung mit der exergonen Reduktion von Crotonyl-CoA (-30 mV) mit NADH zu Butyryl-CoA möglich w ird. Diese gekoppelte Reaktion w ird von einem cytoplasmatischen Enzymkomplex Bcd/EtfAB katalysiert, der als prosthetische Gruppen nur FAD enthält (Abb. 4, zw eite Zeile). In Analogie zur Rolle von Ubichinon in der Atmungskette w urde postuliert, dass durch ein-Elektronen Oxidation des mit zw ei Elektronen reduzierten FAD ein FlavinRadikal entsteht, dessen Redoxpotenzial dem von Ferredoxinen entspricht: Also eine oxidationsgetriebene Reduktion, deren Elektronen-Bifurkation Flavin basiert ist [10]. © 2014 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 5/7 Jahrbuch 2013/2014 | Thauer, Rudolf Kurt | Biochemie des mikrobiellen Methan-Zyklus A bb. 4 Cytopla sm a tische Enzym k om ple x e m it Fla vin-ba sie rte r Ele k trone n-Bifurk a tion. Bishe r sind vie r nicht-hom ologe Enzym fa m ilie n e ntde ck t worde n [10]. © Ma x -P la nck -Institut für te rre strische Mik robiologie /Tha ue r Es hat dann nicht lange gedauert, das Problem der endergonen Reduktion von Ferredoxin (-450 mV) mit H2 (300 mV) in methanogenen Archaea zu lösen (Abb. 3). Die Reduktion w ird möglich durch Kopplung mit der Reduktion von CoM-S-S-CoB - Reaktion (1) (-100 mV) - mit H2 (-300 mV). Die beiden gekoppelten Reaktionen w erden von einem cytoplasmatischen Enzymkomplex MvhAGD/HdrABC katalysiert, der gebunden an HdrA ein FAD enthält (Abb. 4, erste Zeile). Schlussfolgerung Sow eit w ir es heute bereits übersehen, spielt die Flavin-basierte Elektronen-Bifurkation im Stoffw echsel der meisten anaeroben Mikroorganismen eine zentrale Rolle (Abb. 4). Kaum zu glauben, dass vermeintlich längst aufgeklärte Stoffw echselw ege noch so viele neue Entdeckungen bergen. Ehe diese gehoben sind, w ird es w enig sinnvoll sein, zu versuchen, über systembiologische Analysen und synthetische Ansätze zu Mikroorganismen mit verbesserten Stoffw echselleistungen zu gelangen, w ie das ja auch bisher w eitgehend erfolglos versucht w orden ist. Kollaborationen Die hier vorgestellten Ergebnisse sind in Zusammenarbeit entstanden mit Seigo Shima an unserem Institut, mit Wolfgang Buckel von der Philipps-Universität Marburg, mit Ulrich Ermler vom Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt/Main und mit Bernhard Jaun von der Eidgenössisch-Technischen Hochschule (ETH) Zürich. Literaturhinweise [1] Thauer, R. K.; Kaster, A.; Goenrich, M.; Schick, M.; Hiromoto, T.; Shima, S. 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