Eukaryotische Zelle: Symbiose statt Endosymbiose? - Wiley-VCH

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T R E F F P U N K T FO R SC H U N G
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G E N O M FO R S C H U N G I
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Eukaryotische Zelle:
Symbiose statt Endosymbiose?
Noch heute werden in vielen Lehrbüchern die DNA-haltigen Organellen
Mitochondrien und Chloroplasten als „semiautonome Endosymbionten“
bezeichnet. Neue Berechnungen von DNA-Sequenzdaten zeigen, dass
die eukaryotische Zelle und ihre Charakteristika wie Zellkern, Membransysteme und Mitochondrien [1] vermutlich nicht durch Aufnahme/
Endosymbiose entstanden, sondern durch eine Fusion aus Archaea- und
Bakterien-Zellen.
Eukaryotes
Proteobacteria
Cyanobacteria
Eocyta
Euryarchaea
Bacilli
A B B . Modell zur
Entstehung der
Eukaryoten aus
Bakterien und
Archaea. Nach:
M. C. Rivera, J. H.
Lake, Nature 2004,
431, 152-155.
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Eine Sequenzanalyse liefert jetzt Belege für ein neues Modell zur Entstehung der eukaryotischen Zelle mit
ihren Besonderheiten. Diese Ereignis
ist aber so lange her (mehr als 1,4
Milliarden Jahre), dass die Berechnungen über Ähnlichkeiten zwischen
den einzelnen Genen längst an ihre
Grenzen gekommen sind. In ihrer
neuen Analyse vergleichen die Autoren M. Rivera und J. Lake von der
Universität von Kalifornien in Los Angeles [2] deshalb ganze Gruppen von
Genen in vollständig analysierten Organismen. Dabei stellte sich heraus,
dass tatsächlich mehr Gene prokaryotischer, also bakterieller Herkunft im
Kerngenom von Eukaryoten zu finden sind als solche, die von der vermuteten Wirtszelle her stammen, die
Ähnlichkeit mit den Archaea hatte.
Wenn also das Wirtsgenom den kleineren Teil der Information zur Gesamtheit beitrug, wirft das die Frage
auf, ob der Gast tatsächlich als solcher zu betrachten ist, wenn er mehr
als nur ein paar Geschenke, sondern
den größten Teil des Haushaltes mit
in die Wohnung einbringt. Dazu
kommt noch, dass auch der Rohbau
nicht vom Gastgeber stammt, son-
Biol. Unserer Zeit
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34. Jahrgang 2004 Nr. 6
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dern sich erst gemeinsam entwickelt
hat, als die beiden einen gemeinsamen Haushalt eröffnet hatten.
Entsprechend formulieren die Autoren die Entwicklungslinie der Lebewesen nicht mehr als einen Baum,
sondern, wie W. Martin von der Universität Düsseldorf und M. Embley
von der Universität Newcastle in
ihrem Kommentar [3] klar erläutern,
als einen Ring, in dem die Eukaryoten
gleichermaßen aus Bakterien und
Archaea entstanden und die Lücke
zwischen diesen beiden Reichen
schließen.
Dieser Ring der Evolution ist damit
kein Baum à la Darwin, bei dem neue
Spezies an immer neuen Zweigen
entstehen. Das Modell sieht zwar
ebenfalls die Trennung von Archaea
und Bakterien als wichtigen Schritt
der Evolution, verbindet dann aber
die Eigenschaften dieser beiden Organismengruppen dort, wo die Eukaryota anzusiedeln sind – so dass eine
ringförmige Struktur entsteht.
[1] A. Brennicke, Biol. Unserer Zeit 2004, 34, 76.
[2] M. C. Rivera, J. H. Lake, Nature 2004, 431,
152-155.
[3] W. Martin, T. M. Embley, Nature 2004, 431,
134-135.
Axel Brennicke, Ulm
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