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Wein und noch viel mehr:
Mikrobiologie in Mainz
Helmut König und Gottfried Unden
Johannes Gutenberg-Universität, Institut für Mikrobiologie und Weinforschung
Das Institut für Mikrobiologie und Weinforschung begann seine Arbeit mit der Besetzung einer neuen C4-Professur durch
Ferdinand Radler im Jahre 1966. Das Forschungsprogramm der Arbeitsgruppe Radler umfasste vor allem mikrobiologische und
chemische Vorgänge des Weinausbaus. 1982
wurde das heutige Gebäude auf dem Campus bezogen. Auf die C4-Professur folgte
1996 Helmut König, der seither das Institut
leitet. Auch in seiner Arbeitsgruppe sind Untersuchungen zur Ökologie, Systematik und
Physiologie der Oenokokken (Bakterien des
Weines) und ihre Bedeutung für die Weinbereitung weiterhin ein Schwerpunkt. Weitere Forschungsthemen sind Untersuchungen zur Struktur und Biosynthese der Zelloberflächenpolymere der Archaea sowie die
Systematik, Physiologie und symbiontischen
Wechselwirkungen der pro- und eukaryotischen Mikroorganismen des Ökosystems
„Termitendarm“.
Seit 1988 gibt es am Institut auch eine C3Professur, die zunächst durch Klaus Wolf und
seit 1992 durch Gottfried Unden besetzt ist.
Schwerpunkte seiner Arbeitsgruppe sind die
Biochemie und Molekularbiologie fakultativ anaerober Bakterien sowie Aufbau und
Funktion molekularer Sensoren für Umweltreize. Zusätzlich wird die Biochemie
spezifischer Stoffwechselleistungen von
Bakterien (Oenokokken) in der Weinbereitung untersucht.
kleinen Ökosystem. Wir haben uns vorgenommen, eine genaue Bestandsaufnahme
der Flora mit Hilfe von 16S rDNA-Sequenzanalysen und in situ-Hybridisierung durchzuführen und ihren Beitrag beim Abbau der
Lignocellulose besser zu verstehen.
Struktur und Biosynthese mikrobieller
Oberflächenpolymere
Ende der siebziger Jahre wurden die Archaea
als eine dritte Linie des Lebens erkannt.
Zu den Archaea zählen Methanbakterien,
halophile Bakterien und thermophile Bakterien, die häufig in extremen Biotopen wie
heißen und saueren Quellen und Salzseen
vorkommen. Die Archaea besitzen Zellwandstrukturen, die sich von den anderen
Bakterien unterscheiden. So haben die
Gram-positiven Archaea Zellwände aus
Pseudomurein, Heteropolysacchariden,
Methanochondroitin und Glutaminylglucan.
Der verbreitete Zellwandtyp (S-Layer) besteht jedoch aus zweidimensionalen kristallinen Schichten aus Proteinen oder Glycoproteinen. Wir untersuchen die chemischen
Strukturen und die Biosynthese dieser Zellwandpolymere. Um die Struktur der S-Layerproteine von Archaea zu ermitteln, werden
in Zusammenarbeit mit Kollegen aus Ulm
und Louvain-la-Neuve Versuche zur Kristallisation unternommen, die auch unter
Schwerelosigkeit während Weltraummissionen (NASA, ESA) durchgeführt werden.
Abb. 1. Mixotricha paradoxa und die Verteilung
der unterschiedlichen Ektosymbionten
(REM-Aufnahme: R. Radek)
Mikrobiologie des Weines
Die Mikrobiologie des Weins ist ein traditionsreiches mikrobiologisches Thema in
Mainz. Beim Weinausbau spielen neben
den Hefen auch Milchsäurebakterien eine
wichtige Rolle. Milchsäurebakterien sind in
der Lage, Äpfelsäure abzubauen und damit
die Säure im Wein zu reduzieren. Im Gegensatz zur chemischen Entsäuerung handelt es sich hier um die gezielte Reduzierung
einer Säure. Milchsäurebakterien der Gattung Oenococcus oeni werden bereits als Starterkulturen bei der Weinherstellung eingesetzt. Probleme bereiten dabei nach wie vor
die anspruchsvollen Kulturbedingungen
dieser Mikroorganismen, sodass der Erfolg
dieser Technologie nicht immer gewährleistet ist. Unsere Zielsetzung ist die Selektion
neuer Stämme, die die bekannten Nachtei-
Intestinale Mikrobiologie und Symbiose
Insekten zählen mit heute über 750 000 Arten zu der erfolgreichsten Tiergruppe. Hierbei stellen die sozialen Insekten bei weitem
die meisten Individuen. Die Termiten, die
als die Regenwürmer der Tropen gelten, sind
im Laufe von Jahrmillionen eine interessante Ernährungssymbiose mit Mikroorganismen (Bakterien, Archaea, Hefen, Archaezoa) eingegangen, wie man sie sonst in
der Natur mit Ausnahme der holzfressenden
Schaben nicht mehr wiederfindet. Diese
Symbiose erlaubt es den Termiten, sich auch
biologisch schwer abbaubare Nahrungsquellen wie Lignocellulose zu erschließen.
Wegen ihrer außergewöhnlichen Darmflora
und deren Stoffwechselleistungen sowie der
globalen Bedeutung der Termiten für den
Stoffumsatz beschäftigen wir uns mit diesem
Abb. 2. Nachweis von Oenokokken auf Trauben durch in situ-Hybridisierung mit spezifischen Sonden
für Oenococcus oeni (Rot).
BIOspektrum · 6/02 · 8. Jahrgang
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Fum
_
P H
Abb. 3. Der rekonstituierte Fumaratsensor DcuS
als transmembraner Sensor für Fumarat.
le nicht mehr aufweisen. Dazu ist es unter
anderem notwendig, die physiologischen
Eigenschaften und das Nährstoffbedürfnis
dieser Organismen detailliert zu erforschen.
Zur Identifizierung geeigneter Stämme werden molekulare Sonden entwickelt. Bei der
Filtration des Weines können Polysaccharide Probleme bereiten, die beispielsweise
von dem Pilz Botrytis cinerea auf den Trauben gebildet werden. Es werden deshalb
Mikroorganismen isoliert, die weinrelevante Polysaccharide abbauen können. Die entsprechenden glycolytischen Enzyme werden
gereinigt und charakterisiert.
Restlicher Zucker wird von den Bakterien in der heterofermentativen Milchsäuregärung umgesetzt. Dieser Stoffwechsel
wird in vielfältiger Weise variiert und führt
oft zu unerwünschten Produkten, wie beispielsweise Essigsäure. Die Biochemie dieser Gärfehler und die Regulationsprozesse,
die zur Ausbildung der Gärstörung führen,
werden untersucht, um ihren Einfluss in der
Praxis zu unterdrücken.
Aufbau und Funktion bakterieller
Chemosensoren für Umweltreize
Bakterien besitzen Sensoren, mit deren Hilfe sie chemische und physikalische Umweltreize erkennen und in zelluläre Signale
umwandeln. Diese steuern dann über die
Genexpression Zellaufbau, Stoffwechsel
und viele andere Reaktionen der Zelle als
Antwort auf die veränderten Verhältnisse.
BIOspektrum · 6/02 · 8. Jahrgang
Solche Sensoren können in der Bakterienmembran oder im Cytoplasma lokalisiert
sein. Der Fumaratsensor DcuS gehört zu der
Gruppe der membranständigen Zweikomponentensensoren und besteht aus einer periplasmatischen Sensordomäne für Fumarat
und einer cytoplasmatischen Kinasedomäne, die das extrazelluläre Signal in ein zelleigenes Signal umwandelt. Der Sauerstoffsensor FNR ist dagegen ein cytoplasmatischen Sensor. Dieser enthält eine Sensordomäne für Sauerstoff und eine Regulatordomäne zur DNA-Bindung. Aufbau, Struktur und Funktionsweise dieser recht unterschiedlichen Chemosensoren werden mit
molekularbiologischen und proteinchemischen Methoden untersucht.
Biochemie des fakultativ anaeroben
Stoffwechsels
Viele Bakterien sind in der Lage, mit oder
ohne Sauerstoff zu wachsen. Damit ist die
Ausbildung vieler neuer Stoffwechselwege
verbunden, die vergleichbare Leistungen in
Gegenwart oder Abwesenheit von Sauerstoff
bewerkstelligen müssen. Dazu gehören viele Reaktionen, die unter aeroben und anaeroben Bedingungen unterschiedliche Mechanismen oder eine andere Energetik aufweisen. In der Arbeitsgruppe werden solche
Reaktionen membranständiger Proteine untersucht. Beispiele sind ‘koppelnde’ und
‘nicht-koppelnde’ Succinatdehydrogenasen
oder aerobe und anaerobe Carrier für C4-Dicarbonsäuren, die mit unterschiedlichem
Mechanismen arbeiten.
Studium und Lehre
Die Studienplätze für Biologie (Diplom 124,
Lehramt 22 pro Semester) sind in den letzten Jahren regelmäßig ausgeschöpft worden.
Das Fach Mikrobiologie wird im Fachbereich Biologie der Johannes-Gutenberg-Universität nur durch zwei Hochschullehrer vertreten. Im Grundstudium werden nach der
neuen Studienordnung eine Grundvorlesung und ein einwöchiges Praktikum für alle Biologiestudent(inn)en angeboten. Im
Hauptstudium wird ein vierwöchiges Halbtagspraktikum und ein vierwöchiges Ganztagspraktikum in drei thematisch unter-
Succ
2e–
A
Fum + 2H+
2H
+
QH2 Q
–
2e
B
Succ
Fum + 2H+
+
2H
MK
MKH2
Abb. 4. Aufbau und Funktion (A) der
Succinat:Q(Ubichinon)-Oxidoreduktase und (B)
der Succinat:MK(Menachinon)-Oxidoreduktasen
(Modell).
schiedlichen Teilblöcken durchgeführt. Die
Schwerpunkte in der Lehre liegen in der
Physiologie und Regulation sowie in der
Struktur und Ökologie/Systematik der Prokaryoten und niederen Eukaryoten. Um den
Student(inn)en den Kontakt zur Industrie
zu ermöglichen, wurde der Arbeitskreis
„Biotechnologie“ gegründet. Er vermittelt
Praktika in Industriebetrieben und lädt Vertreter aus der Industrie zu Vorträgen ein.
Korrespondenzadressen:
Helmut König
Johannes Gutenberg-Universität
Institut für Mikrobiologie und Weinforschung
Becherweg 15
D-55099 Mainz
Tel.: 06131/39-24634
Fax: 06131/39-22695
[email protected]
Gottfried Unden
Johannes Gutenberg-Universität
Institut für Mikrobiologie und Weinforschung
Becherweg 15
D-55099 Mainz
Tel.: 06131/39-23550
Fax: 06131/39-22965
[email protected]
www.uni-mainz.de/FB/Biologie/
Mikrobiologie/MikroBiol.html
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