DiePresse.com | Wissenschaft | Artikel drucken Unser neuer Ahnherr heißt Loki 06.05.2015 | 19:00 | Von Jürgen Langenbach (Die Presse) Ein internationales Team mit Wiener Beteiligung fand den Ursprung der Mehrzeller: an einem Tiefseevulkan. Wo kommt das Leben her? Vieles deutet auf Vulkane auf dem Meeresgrund bzw. Poren in ihrem Gestein: Aus den Vulkanen schießt eine heiße Brühe, die alle Ingredienzien für die Grundbausteine des Lebens enthält, für DNA und RNA, für Proteine auch. Wenn Bausteine in Poren geraten, werden sie von ihnen umschlossen wie später von Zellmembranen, dann konzentrieren sich die Biomoleküle, sie werden auch langkettiger. Das hat Biophysiker Dieter Braun (Uni München), der das Geschehen Stück für Stück im Labor rekonstruiert, in seiner jüngsten Runde gezeigt (Nature Chemistry, 26. 1.). Aber welches Leben ist dort entstanden? Alles: Früher unterschied man zwischen zwei „Königreichen“. Das eine bestand aus Prokaryoten, Zellen ohne Zellkern: Bakterien; im anderen haben die Zellen einen Kern, sie sind Eukaryoten, aus ihnen bestehen manche Einzeller und alle Mehrzeller, Menschen inklusive. Aber in den 1970er­Jahren fielen dem Evolutionsbiologen Carl Woese höchst seltsame Lebensformen auf, sie sehen aus wie Bakterien, sind aber in vielen grundlegenden Mechanismen – Stoffwechsel etc. – so eigen, dass sie ein drittes „Königreich“ bekamen, das der Archaea. Wie hängen die drei zusammen? Eukaryoten sind Mischgeschöpfe, sie haben Bakterien in sich aufgenommen, die sind zu den Kraftwerken aller eukaryotischen Zellen geworden (Mitochondrien). Gene auseinanderrechnen Deren Ahnen waren Alphaproteobakterien, das weiß man halbwegs. Aber wer waren die Wirte, die die Bakterien in sich aufnahmen? Archaea. Sie haben viele Gemeinsamkeiten mit Eukaryoten, das zeigen Genanalysen seit einiger Zeit. Aber ein Ahn hat sich bisher nicht gefunden. Nun gibt es einen Kandidaten, er haust mitten im Atlantik in 2352 Metern Tiefe an einem Vulkan, der so unwirtlich aussieht, dass man ihn Lokis Burg genannt hat. Nach ihm wurde nun auch der Fund benannt: Lokiarcheota, an dessen Aufspüren Christa Schleper (Uni Wien) beteiligt war (Nature 6. 5.). Das brauchte höchsten technischen Aufwand: Lokiarcheota kennt man nicht als ganzes Lebewesen – es lässt sich nicht in Kultur halten –, man kennt nur seine Gene. Diese mussten aus der ganzen Genfuhre, die die Forscher bei Loki gezogen haben, herausgerechnet werden. Zugleich wurden die Gene der Eukaroyten in einem Stammbaum auf ihre ursprünglich Form zurückgerechnet. Beides traf sich weithin: Die Lokiarcheota sind die direkten Ahnen der Eukaryoten. Und sie haben in vielen Genen dem vorgearbeitet, was die Eukaroyten – die sich vor etwa zwei Milliarden Jahren dann selbstständig gemacht haben – weiterentwickelt haben, Actin­Proteine für zellinternen Transport, Membranproteine, Proteine, die andere in sich aufnehmen: Damit war der Weg zur Aufnahme auch der Bakterien frei, die Mitochondrien wurden. © DiePresse.com