Schülern sollen aufgrundlage von Textinformationen Argumente für

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Theorie: weitestgehend allgemeingültige wissenschaftliche Aussage auf Grundlage von gesicherten Erkenntnissen (Argumenten), die
Phänomene in der Natur erklärt. Sie wird ständig durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse überprüft.
Weichlinge mit Überlebensvorteil
Überlegungen zur Entstehung der höheren Zelle aus Prokaryoten / Herren und Sklaven1
Durch die belebte Natur haben Biologen eine unsichtbare Grenze gezogen. Auf der einen Seite befinden sich die verhältnismäßig
primitiv strukturierten Einzeller ohne Zellkern, auf der anderen Seite die aus einer oder mehreren höheren Zellen bestehenden
Organismen. Im Jahr 1925 schlug ein französischer Forscher vor, die beiden Lebensformen als Prokaryoten und Eukaryoten zu
bezeichnen. Die ersten Prokaryoten, die wohl ähnlich aussahen wie heutige Bakterien, dürften vor rund 3,7 Milliarden Jahren gelebt
haben. Warum und wie später die höheren Zellen entstanden sind, ist eines der großen Rätsel der Evolution. Christian de Duve gehört
zu jenen Forschern, die sich am intensivsten mit dieser Frage beschäftigt haben. Der Wissenschaftler ist 1974 für die Entdeckung der in
höheren Zellen vorkommenden Lysosomen2 und Peroxysomen mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden. Erst kürzlich hat er seine
Thesen nochmals im Zusammenhang dargestellt ... Es handelt sich um eine Geschichte von zellulären Riesen und Zwergen, Herren und
Sklaven sowie vom Fressen und Gefressenwerden.
Die eukaryotische Zelle ist nicht nur viel komplexer gebaut als die prokaryotische, sondern sie ist auch viel größer. Während
Prokaryoten meist einen Durchmesser von rund einem Mikrometer haben, erreichen Eukaryoten typischerweise 10 bis 30 Mikrometer.
Ihr Volumen beträgt durchschnittlich mehr als das Zehntausendfache. In der geräumigen eukaryotischen Zelle ist Platz für die einzelnen
Kompartimente, das Zellskelett, für Mitochondrien und andere Zellorgane (Organellen) sowie für den Zellkern mit dem Erbgut. Die
prokaryotische Zelle wirkt im Vergleich dazu unstrukturiert und rückständig. Der Urahn der heutigen Eukaryoten dürfte vor drei oder,...,
zwei Milliarden Jahren aus Prokaryoten hervorgegangen sein.
Nach Ansicht von de Duve waren die Vorläufer der heutigen höheren Zellen schon verhältnismäßig groß. Sie dürften heterotroph
gewesen sein, also von anderen Organismen gebildete Substanz verwertet haben. Als Lebensraum kommen jene Rasen aus
Mikroorganismen in Frage, die an den Meeresküsten mächtige Ablagerungen, sogenannte Stromatolithen3, bildeten. Auch bei den
heutigen Stromatolithen-Kolonien befinden sich unter einem Teppich von Photosynthese betreibenden Organismen solche, die von
der erzeugten organischen Substanz leben. Im Gegensatz zu ihren prokaryotischen Verwandten sollen die Ur-Eukaryoten keine starre
Zellwand mehr besessen haben - in den Kolonien waren sie gut geschützt. Um die Form nicht gänzlich zu verlieren, mußten sie innere
Stützstrukturen anlegen. Dies war die Geburtsstunde des Zellskeletts. Zur Verdauung der Nährstoffe schieden diese Organismen
Enzyme aus.
Der Verlust der Zellwand brachte nicht nur einen Wachstumsvorteil mit sich, sondern ermöglichte es auch, die Außenmembran zu
falten. In solchen Einbuchtungen ließen sich auf Nahrungsverwertung spezialisierte Zonen schaffen, in denen der Verdauungssaft
besonders konzentriert war. Wie der belgische Zellforscher glaubt, war damit der Weg für einen fundamentalen Schritt geebnet - für
das Abschnüren von Membranbläschen ins Zellinnere. Hiermit wäre die Grundlage für das vielgestaltige Membransystem geschaffen
gewesen, durch das sich heutige Eukaryoten auszeichnen. Auch die Entstehung des die Erbsubstanz umschließenden Zellkerns läßt
sich mit diesem Modell ansatzweise erklären: Bei Prokaryoten ist das ringförmige Erbgut, das Bakterienchromosom, an einer Stelle mit
der Zellmembran verbunden. Würde dieser Teil abgeschnürt, befände sich das Erbgut, immerhin schon verknüpft mit einem Stück der
Membran, im Zellinneren.
Das Abschnüren tief eingebuchteter Membranbläschen kann als erste Form des Fressens gelten. Die Zellen waren nun in der Lage,
große Partikeln zu verschlingen und zu verdauen. Diese „Phagozytose“ praktizieren zum Beispiel die Amöben und manche weiße
Blutkörperchen. Der Urahn der Eukaryoten war nach der „Erfindung“ der Phagozytose in der Lage, sich von Bakterien zu ernähren. Er
mußte, wie de Duve das ausdrückt, nicht länger dort bleiben, wo ihn Nahrung umspülte, sondern er konnte selbst die Initiative
ergreifen und als Jäger umherziehen.
Manche der verschlungenen Bakterien wurden wohl nicht verdaut. Sie konnten im Inneren der Zelle nützliche Dienste verrichten und
genossen ihrerseits den Schutz des Eukaryoten. Aus ihnen, so nimmt man an, gingen die Mitochondrien sowie die Chloroplasten und
anderen Plastiden hervor. Die von ihren Herren, den Eukaryoten, zunehmend versklavten Bakterien haben offenbar im Laufe der Zeit ihr
Erbgut bis auf kleine Reste eingebüßt. Anfangs könnten die zellulären Gäste als entscheidender Schutzschild vor einer verheerenden
Umweltkatastrophe gedient haben - vor dem steigenden Sauerstoffgehalt der Atmosphäre. Die Vorläufer der Mitochondrien haben der
Zelle möglicherweise einen Überlebensvorteil verschafft, indem sie den giftigen Sauerstoff nicht nur in harmloses Wasser
verwandelten, sondern ihn auch für die Energiegewinnung nutzten.
Der belgische Forscher glaubt indes nicht, daß die Mitochondrien die stammesgeschichtlich ältesten Zeugen der Endosymbiose von
Bakterien und Eukaryoten sind. Er räumt diese Stellung vielmehr den Peroxysomen ein. Peroxysomen sind in der Zelle von Tier und
Pflanze unter anderem für den Abbau bestimmter Fettsäuren zuständig. Auch sie verbrauchen Sauerstoff, könnten also die UrEukaryoten vor diesem tödlichen Gas geschützt haben. ...
Aufgaben:
1. Klären Sie folgenden Begriff: Phagozytose!
2. Erklären Sie die Entstehung der Eukaryotenzelle (Endosymbiontenhypothese)!
3. Finden Sie mit Hilfe des Lehrbuches weitere Argumente, die für die Endosymbiontenhypothese sprechen!
1
F.A.Z.: Natur und Wissenschaft.- Mittwoch, 03.07.1996, S. N3 / Nr. 152
Vesikel unterschiedlicher Größe, die für den hydrolytischen Abbau von Makromolekülen in der Zelle verantwortlich sind.
3
Blaualgen bilden geschichtete Kalkkrusten (Ablagerungen im Gezeitenbereich warmer Meere).
© Jörg Hägele 20/06/2000
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