Kapitel 9 Formale Analyse des Zertifikatemarktes 9.1 Allokationseffizienz des Zertifikatemarkes Im Folgenden gehen wir von den Emittenten i = 1, . . . , m aus, die durch ihre Anfangsemissionen e0i und ihre Vermeidungskostenkurven Ri (e0i − ei ) gekennzeichnet sein sollen. Dabei steht ei für die Restemission des i-ten Emittenten, so das e0i − ei das Niveau der vom i-ten Emittenten vorgenommenen Vermeidungsaktivität angibt. Wir unterstellen überproportional steigende Vermeidungskosten, d.h. Ri0 > 0, Ri00 > 0, so dass die Kostenfunktion einen Verlauf wie in Abbildung 9.1 annimmt. Abbildung 9.1: Vermeidungskostenverlauf R R ' i e i( p z) p e i 0 e z e i( p z) i e i 0 Der Preis für eine Einheit (z.B. in t) Emission beträgt pz . Entsprechend der EU-Regelung wird angenommen, dass der Staat eine bestimmte Menge von Emissionsrechten Ē an die Emittenten verschenkt. Jeder einzelne Emittent i verfügt damit über eine positive Anfangsausstattung ēi mit Zertifikaten, wobei gilt m X ēi = Ē. i=1 Wenn ein Emittent eine bestimmte Menge ei (innerhalb eines bestimmten Zeitraums) an Emissionen emittieren will, muss bzw. kann er die Differenz ei − ēi zum Zertifikatepreis 139 e i pz kaufen bzw. verkaufen. Damit entstehen ihm die Gesamtkosten in Höhe von Ri (e0i − ei ) + pz (ei − ēi ) welche sich aus den Vermeidungskosten und den Kosten (bzw. Erlösen) aus den Zusatzkäufen (-verkäufen) zusammensetzen. Über die Minimierung der individuellen Gesamtkosten erhält man die Marginalbedingung (9.1) min Ri (e0i − ei ) + pz (ei − ēi ) ei ⇒ Ri0 (e0i − ei ) = pz . Der i-te Emittent wird also bei kostenminimierendem Verhalten diejenige Zertifikatemenge ei wählen, bei der seine Grenzvermeidungskosten gerade mit pz übereinstimmen. Implizit wird durch diese Optimalbedingung auch die individuelle Nachfrage- (bzw. Angebots)kurve nach Emissionszertifikaten ei (pz ) definiert. Durch Differenzieren der Optimalbedingung (9.1) erhalten wir nämlich: dei 1 = − 00 < 0 dpz Ri (·) Wenn der Preis der Zertifikate steigt, wird die individuelle Nachfrage sinken bzw. das Angebot steigen. Grafisch lässt sich die individuelle Nachfragefunktion ei (pz ) nach Emissionszertifikaten also dadurch darstellen, dass man die Grenzvermeidungskostenfunktion R0 (e0i − ei ) von e0i aus von rechts nach links abträgt (vgl. Abbildung 9.1). Die Gesamtnachfragefunktion E(pz ) aller Emittenten ergibt sich dann durch horizontale Aggregation der einzelnen Nachfragefunktionen, d.h. es gilt E(pz ) = m X ei (pz ) i=1 Wenn der Staat in Höhe der Gesamtemissionsmenge Ē Emissionszertifikate ausgibt, ist die Angebotskurve für die Zertifikate eine Parallele zur pz -Achse. Das Angebot an Zertifikaten ist auf den Wert Ē fixiert und somit vollkommen preisunelastisch. Das Marktgleichgewicht mit dem Zertifikatepreis p̂z liegt dann dort, wo sich die Nachfragefunktion E(pz ) mit der Angebotsfunktion Ē schneidet. Die Grenzvermeidungskosten aller Emittenten stimmen im Marktgleichgewicht mit p̂z überein und sind somit auch untereinander gleich. Gerade durch diese Eigenschaft ist aber die kosteneffiziente Optimallösung Pm 0 charakterisiert, bei der ein bestimmtes vorgegebenes Gesamtvermeidungsniveau i=1 ei − Ē mit minimalen Gesamtvermeidungskosten erreicht wird. Daraus folgt, dass das aus ökonomischer Sicht zentrale Ziel der (Vermeidungs-)Kosteneffizienz durch die Schaffung eines Zertifikatemarktes erreicht werden kann. Abbildung 9.2 zeigt ein solches Gleichgewicht für m = 2 Firmen. Wichtig ist, dass die Gesamtnachfragefunktion E(pz ) durch horizontale Aggregation der beiden individuellen Nachfragefunktionen ei (pz ) ermittelt wird. Wichtig ist nun, dass das Allokationsgleichgewicht unabhängig davon ist, ob die Zertifikate kostenlos an die Emittenten vergeben werden (sog. Grandfathering), oder von den Emittenten ersteigert werden müssen. Aus Abbildung 9.2 ist erkennbar, dass die Nachfragekurve E(pz ) alleine vom Verlauf der Grenzvermeidungskostenkurve Ri0 (·) abhängt. Der Zertifikatepreis ergibt sich endogen über die Emissionshöhe Ē. Eine kostenlose Zuteilung 140 Abbildung 9.2: Marktgleichgewicht im Zertifikatemarkt R ' e2(p z) E (p z) e1( p z) p z e 1 e 1 e 1 e 0 2 e 2 e 2 0 E e 1 0 + e 2 0 e i unterscheidet sich von einer Versteigerung alleine durch die implizierten Verteilungswirkungen. Bei einer Versteigerung erhält der Staat den Versteigerungserlös in Höhe von p̂z Ē. Bei einer kostenlosen Zuteilung in Höhe von ē1 + ē2 = Ē auf die beiden Emittenten, ist die Verteilungswirkung alleine von den Zuteilungsmengen abhängig. Im Gleichgewicht muss gelten (9.2) ē1 − e1 (p̂z ) = e2 (p̂z ) − ē2 | {z } | {z } Angebot Nachfrage Der Staat würde also auf seine Einnahmen verzichten, der erste Emittent würde dagegen Einnahmen in Höhe von p̂z (ē1 − e1 (p̂z )) vom zweiten Emittenten erhalten. In allokativer Hinsicht, d.h. im Hinblick auf die Handlungen der Wirtschaftssubjekte und die sich daraus ergebenden Wohlfahrtseffekte, kommt es also nicht darauf an, wie das Vergabeverfahren ausgestaltet ist. Es spielt darüber hinaus auch keine Rolle, nach welchem Schlüssel beim Grandfathering die Emissionsrechte im Ausgangszustand an die Emittenten verteilt werden. Dieses Neutralitätsresultat gilt genauso für ein gemischtes Verfahren, in dem der eine Teil der Emissionsrechte frei und kostenlos ausgegeben, der andere Teil aber versteigert wird. Die beiden Vergabeverfahren unterscheiden sich aber deutlich im Hinblick auf die mit ihnen verbundenen Verteilungswirkungen. Jeder Emittent, der eine echt positive Anfangsausstattung mit Zertifikaten erhält, stellt sich beim Grandfathering besser als bei einer Versteigerung. Das Ausmaß dieses Vorteils hängt davon ab, nach welchen Kriterien die Gesamtzertifikatemenge auf die Emittenten verteilt wird. In der Entlastung der Emittenten beim Grandfathering wird vielfach ein weiterer bedeutsamer Vorteil der Zertifikatelösung gesehen, weil sich auf diesem Wege eine Doppelbelastung der Emittenten samt den damit verbundenen Wohlfahrtsrisiken zumindest teilweise vermeiden lässt. Im Gegenzug entfallen aber mögliche volkswirtschaftliche Gewinne, welche sich durch die zusätzlichen 141 Steuereinnahmen aus der Versteigerung erzielen ließen, wenn diese zur Senkung verzerrender Steuern eingesetzt würden. Wenn das System so ausgestaltet wird, dass der Staat zur nachträglichen Verbesserung der Umweltqualität (d.h. zu einer Senkung von Ē) den Emittenten Emissionsrechte abkaufen muss, kommt es sogar zu einer Belastung des Staatshaushalts - mit der Gefahr von Steuererhöhungen und einer Vergrößerung der steuerlichen Zusatzlasten. 9.2 Monopolistisches Verhalten auf dem Zertifikatemarkt Im vorangegangenen Abschnitt wurde ein Markt mit vollkommener Konkurrenz unterstellt, auf dem alle Anbieter sich als Preisnehmer verhalten. Nun wollen wir annehmen, dass es auf dem Markt m − 1 kleine Unternehmen gibt, welche keine Zuteilung erhalten (d.h. ē = 0) und mit derselben Vermeidungskostenfunktion R(e0 − e) operieren. Der Monopolisten m bekommt dagegen die gesamten Emissionsrechte zugeteilt (also ēm = Ē) und operiert mit der Vermeidungskostenfunktion Rm (e0m −em ). Wir wollen nun überlegen, welches Marktgleichgewicht sich einstellen wird und welche Emissionsmenge E der Monopolist verkaufen wird. Wir betrachten dazu zunächst das Verhalten der kleinen Unternehmen. Es sollte klar sein, E dass bei identischen Unternehmen jedes Unternehmen die Menge m−1 erwerben wird und E 0 sich damit eine Vermeidungsmenge in Höhe von e − m−1 ergibt. (Wir setzten voraus, dass (m − 1)e0 > Ē > E gilt). Der Marktpreis pz (E), welcher sich im Gleichgewicht einstellt lautet dann (vgl. (9.1)) ¶ µ E 0 0 (9.3) pz (E) = R e − m−1 Der Monopolist kennt natürlich diesen Zusammenhang. Er maximiert seinen Gewinn mittels optimaler Wahl seiner Verkaufsmenge E und des eigenen Einsatzes em , d.h. (9.4) max pz (E)E − Rm (e0m − em ) u.d.NB. Ē ≥ E + em E,em Mit dem Lagrangemultiplikator λ ergeben sich daraus die Optimalbedingungen µ pz (E ) − R e0 − ∗ 00 ¶ E∗ E∗ −λ = 0 m−1 m−1 0 Rm (e0m − e∗m ) − λ = 0 Ē − E ∗ − e∗m ≥ 0 Sofern alle Zertifikate auch verbraucht werden gilt Ē = E ∗ + e∗m und damit λ > 0 erhalten wir für das optimale E ∗ µ ¶ E∗ E∗ ∗ 00 0 0 (9.5) pz (E ) − R e − − Rm (E ∗ + e0m − Ē) = 0. m−1 m−1 0 (·) sein. Dies ist jedoch nicht mit KosteneffiWegen R00 > 0 muss folglich pz = R0 (·) > Rm zienz vereinbar. Wenn die Grenzvermeidungskosten des Monopolisten kleiner sind als die der anderen Unternehmen, wäre es zur Minimierung der Gesamtkosten sinnvoll, dass der 142 Monopolist mehr Zertifikate auf den Markt bringt und selbst noch mehr Vermeidungsaktivitäten übernimmt. Dies würde jedoch nicht seinen eigenen Gewinn maximieren, weil dann die Preise auf dem Zertifikatemarkt sinken würden. Es kann sogar sein, dass es sich für den Monopolisten lohnt, einen Teil der Zertifikatemenge zurückzuhalten. In diesem Falle gilt Ē > E ∗ + e∗m und damit λ = 0. Er wählt also E ∗ so, dass sein Umsatz aus dem Verkauf von Zertifikaten maximiert wird. Die eigene Emissionsmenge e∗m wird so weit gegenüber der ursprünglichen Menge e0m reduziert, bis die Grenzvermeidungskosten Null sind. In dieser Situation kann es dann so sein, dass E ∗ + e∗m < Ē. Der Monopolist legt deshalb einen Teil der Zertifikate still und die Gesamtemission E ∗ + e∗m bleibt unter dem Zielwert Ē. Letzteres könnte erklären, warum anscheinend in einigen Ländern nicht alle zugeteilten Zertifikate genutzt wurden in den vergangenen Jahren. Natürlich kann das Monopolproblem durch eine gleichmäßige Anfangsausstattung leicht verhindert werden. Aber das geschilderte Monopolisierungsproblem lässt sich auch leicht übertragen auf den Fall, dass sich mehrere Emittenten zusammenschließen oder dass Unternehmenszutritte über keine Anfangsausstattung verfügen. Mit der Versteigerung von Zertifikaten kann das Monopolproblem zumindest abgemildert werden. 9.3 Dynamische Anreizwirkungen von Zertifikaten Im Hinblick auf die Förderung des umwelttechnischen Fortschritts kann es beim Zertifikatesystem Probleme bereiten, dass der Preis für Restemissionen variabel ist und für den einzelnen Emittenten vom Vermeidungsverhalten der anderen Emittenten abhängt. Denn beim Umstieg einzelner Emittenten auf eine Vermeidungstechnik mit niedrigeren Grenzvermeidungskosten geht der Zertifikatepreis zurück, so dass der Gewinn des einzelnen Emittenten aus dem Technologiewechsel sinkt. Es kann sogar der Fall eintreten, dass bei einem Emittenten der Umstieg in eine neue Technologie beim ursprünglichen Zertifikatepreis sich lohnt, jedoch bei Berücksichtigung des neuen (niedrigeren) Preises sich nicht mehr lohnt. Um dieses Problem darzustellen erweitern wir das bisherige Modell um unterschiedliche Vermeidungstechnologien. Wir betrachten zunächst das Entscheidungsproblem eines einzelnen Emittenten i, ob er ei (·) ersetzen soll. Der Zerseine bisherige Vermeidungstechnologie Ri (·) durch eine neue R tifikatepreis sei pz und wir unterstellen zunächst, dass dieser Preis durch einen Technologiewechsel nicht beeinflusst wird. Der individuelle Emissionsausstoß sinkt jedoch durch den Technologiewechsel von ei auf ẽi . Die Vermeidungskosten verändern sich dadurch von ei (e0 − ẽi ). Die eingesparte Emissionsmenge ei − ẽi kann der Emittent zum Ri (e0i − ei ) auf R i Preis pz auf dem Zertifikatemarkt verkaufen. Wenn sich die Kosten für die neue Technologie auf K belaufen, wird der Emittent die neue Technologie genau dann einsetzen, wenn seine Einsparungen bei den Vermeidungskosten plus der Erlös aus dem Zertifikateverkauf größer als die Investitionskosten sind: e 0 − ẽi )] + pz (ei − ẽi ) > K. [Ri (e0i − ei ) − R(e i Abbildung 9.3 zeigt die relevanten Größen graphisch. Die Veränderung der Vermeidungskosten entspricht der Differenz der Flächen B + D (neue Vermeidungskosten) und C + D (alte Vermeidungskosten). Es muss nicht notwendigerweise zu einer Reduktion der Vermeidungskosten kommen. Die Erlöse aus dem Verkauf der freigesetzten Lizenzen ergeben 143 die Fläche A + B. Insgesamt beträgt der Gewinn aus der Übernahme der neuen Technologie damit −[(B + D) − (C + D)] + (A + B) = A + C. Solange also A + C > K wird der Emittent auf die neue Vermeidungstechnologie umsteigen. Abbildung 9.3: Technologiewechsel bei einzelnen Emittenten R i' ~ R i' P z A C B e~ e D i i e° i Nun erweitern wir die Perspektive auf eine ganze Branche, welche zur Vereinfachung aus n = 2 Emittenten besteht. Entscheidend ist, dass der Technologiewechsel zu einer Verminderung des Zertifikatepreises führen wird. Abbildung 9.4 zeigt dies deutlich. Man erkennt wieder die beiden Vermeidungstechnologien, allerdings werden nun auch die (horizontal) aggregierten Emissionsnachfragefunktionen eingezeichnet. Sofern beide Emittenten die alte Technologie verwenden, verläuft die aggregierte Nachfragekurve am steilsten (klar?). Beim vorgegebenen Gesamtemissionsumfang von Ē ergibt sich der Zertifikatepreis von p0z . Angenommen, es steigt ein Emittent auf die neue Technologie um. Damit wird die aggregierte Nachfragekurve (zumindest im unteren Preisbereich) flacher, so dass der Gleichgewichtspreis auf p1z absinkt. Wenn beide Emittenten umsteigen, dann sinkt der Gleichgewichtspreis in Abbildung 9.4 noch weiter auf p2z . Wichtig ist nun, dass mit dem Sinken der Preise auch der Anreiz zum Technologiewechsel abnimmt. Denn die schraffierte Fläche in Abbildung 9.4 wird immer kleiner, je mehr Emittenten zur neuen Technologie überwechseln. Um eine stetige Innovation und Adaption von neuen Technologien zu fördern, muss der Staat deshalb in regelmäßigen Abständen das Emissionsziel Ē reduzieren, so dass der Zertifikatepreis pz nicht sinken kann. 9.4 Sektorale Optimierung In diesem Abschnitt soll die optimale Allokation der nationalen Zertifikate auf die volkswirtschaftlichen Sektoren untersucht werden. Die quantitative Abschätzung basiert auf Böhringer u.a. (2005). Dort werden lediglich zwei Sektoren differenziert: Solche die am Zertifikatehandel teilnehmen (also im Wesentlichen der Energiesektor sowie die energieintensiven Industrien) und solchen, welche nicht am Handel teilnehmen (also im Wesentlichen Haushalte und Verkehr). Erstere werden im Folgenden als regulierte(R-) und letztere werden als nicht-regulierte (NR-) Sektoren bezeichnet. Angenommen sei, dass die 0 0 beiden Grenzvermeidungskurven RR bzw. RN R bekannt sind, außerdem ist der gesamte 144 Abbildung 9.4: Technologiewechsel mit endogenen Preisen p z R i' p z p p ~ R i' 1 o z z 2 e o E E i 0 e i Zertifikateumfang Ē sowie der EU-Zertifikatepreis pz gegeben. Die optimale (d.h. kostenminimale) Verteilung der Lizenzen auf die beiden Sektoren ergibt sich dann genau dort, wo die jeweiligen Grenzvermeidungskosten mit dem Zertifikatepreis übereinstimmen. In ∗ Abbildung 9.5 erhält der nicht-regulierte Sektor die optimale Zuteilung EN R , so dass die ∗ verbleibende Menge Ē − EN R dem regulierten Sektor zugeordnet wird. Letzterer benötigt jedoch lediglich die Menge ER∗ , so dass insgesamt im Inland die Menge E ∗ emittiert wird. Die Differenz Ē − E ∗ wird folglich auf dem EU-Zertifikatemarkt verkauft. Abbildung 9.5: Optimale sektorale Lizenzverteilung R R p p N R R ' ' R 1 N R ' + R R ' z E x p o rt z E * N R 1 E * N R E R E * * E E Als nächstes wird anhand von Abbildung 9.6 die Kostenwirkung einer intersektoralen Fehlallokation der Emissionslizenzen betrachtet. Angenommen, aufgrund von politischen Überlegungen entscheidet sich die Regierung, dem nicht-regulierten Sektoren die Zer1 ∗ tifikatemenge EN R > EN R zuzuweisen. Folglich erhält der regulierte Sektor nur noch 1 Ē − EN R . Die Emissionsaktivität des regulierten Sektors bleibt weiterhin beim Optimum ∗ ER , allerdings stehen ihm nun nur noch Ē − E 1 Einheiten für den Verkauf auf dem EU145 Zertifikatemarkt zur Verfügung. Insgesamt steigt also die inländische Gesamtemission von E ∗ auf E 1 an. Der Emissionsanstieg allein sagt aber noch nichts über die Ineffizienz dieser Lösung aus. Dazu muss die Kostenveränderung betrachtet werden. Im Vergleich zum Op∗ 1 timum wird der nicht-regulierte Sektor seine Emissionen von EN R auf EN R ausweiten. Die 0 Vermeidungskosten sinken dadurch um die Fläche unterhalb von RN R . Der entgangene 1 ∗ Erlös aus dem Verkauf von Zertifikaten beträgt jedoch genau pz (EN R − EN R ). Das rechte schraffierte Dreieck zeigt damit den mit der Fehlallokation verbundenen Kostenanstieg. Abbildung 9.6: Sektorale Fehlallokation und Kostenanstieg R p N R ' R R R ' N R ' + R R ' z E 2 N R E 1 N R E R E * 2 E 1 E E Umgekehrt könnte man sich natürlich auch überlegen, dass eine zu geringe Emissionszuteilung an den nicht-regulierten Sektor ebenso einen Kostenanstieg verursachen muss. 2 ∗ Angenommen der nicht-regulierte Sektor erhält EN R < EN R . Der nicht-regulierte Sektor muss dann seine Emissionen stärker als bisher reduzieren, wodurch Kosten in Höhe der Fläche unterhalb der Grenzvermeidungsfunktion entstehen. Der regulierte Sektor hat entsprechend mehr Zertifikate zur Verfügung und kann diese zum Preis von pz auf dem internationalen Emissionsmarkt verkaufen. Netto verbleiben damit wieder Zusatzkosten in Höhe des linken schraffierten Dreiecks (oberhalb von pz ) in Abbildung 9.6. Böhringer u.a. (2005) messen die dem nicht-regulierten Sektor zugeteilte Zertifikatemenge (in Prozent) durch den Allokationsfaktor (1 − EN R ) × 100. Ē Je geringer also der Anteil der dem nicht-regulierten Sektor zugeteilten Zertifikate, desto höher der Allokationsfaktor. Der optimale Allokationsfaktor zeigt das Kostenminimum ∗ bei (1 − EN R /Ē) × 100. Je nach Verlauf der Grenzvermeidungskurven hängt die optimale Aufteilung vom Zertifikatepreis pz ab. Tendenziell wird der optimale Allokationsfaktor mit steigendem Zertifikatepreis pz ebenfalls ansteigen, weil dann die optimale Zuteilungsmenge für den nicht-regulierten Sektor sinkt, vgl. Abbildung 9.5. Umgekehrt hängen bei gegebenem Allokationsfaktor die Zusatzkosten ebenfalls vom Zertifikatepreis ab. In Abbildung 9.6 kann man sich leicht klarmachen, dass bei einem Allokationsfaktor von 100 (also bei EN R = 0) die Zusatzkosten mit steigendem pz sinken werden (klar?). Böhringer 146 u.a. (2005) parametrisieren empirisch geschätzte Vermeidungstechnologien der Form Ri0 (ei − e0i ) = a1i (ei − e0i ) + a2i (ei − e0i )2 + a3i (ei − e0i )3 i = R, N R und berechnen damit die Gesamtkosten der Emissionsbeschränkung Ē bei alternativen Emissionspreisen und Zuteilungsregeln für Deutschland, vgl. Abbildung 9.7. Abbildung 9.7: Emissionskosten bei alternativer Zuteilungsregel für Deutschland Quelle: Böhringer u.a. (2005), S. 8. Der Verlauf der Kurve sollte klar sein. Literatur: Böhringer, C., T. Hoffmann und C. Marinique de Lara Penate (2005): The Efficiency Cost of Separating Carbon Markets Under the EU Emissions Trading Scheme: A Quantitative Assessment for Germany, ZEW Discussion paper No. 05-06, Mannheim. 147