Redebeitrag des Landtagsabgeordneten Johannes Lichdi zur Aktuellen Debatte: „Kyoto II: Aktuelle Weichenstellungen in der sächsischen Energie- und Klimapolitik“, 38. Sitzung des Sächsischen Landtages, 9. Dezember 2005, TOP 2 Es gilt das gesprochene Wort! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute ist der letzte Tag der Konferenz von Montreal. Auf ihr soll entschieden werden, wie es die Welt nach Auslaufen des Kyoto-Protokolls im Jahre 2012 mit dem Klimaschutz halten will. Im Vergleich zu anderen war Deutschland relativ erfolgreich. Um das Kyoto-Ziel Deutschlands zu erreichen, müssen aber noch 20 Millionen Tonnen CO2 –Ausstoß eingespart werden. Umso mehr Sorgen mache ich mir daher über Vorstöße mancher gesellschaftlicher Gruppen, insbesondere des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, der offen die Aufgabe der deutschen Vorreiterrolle fordert. Wir GRÜNE erwarten von Montreal - erstens - die Festlegung der Staatengemeinschaft auf das Ziel, den Anstieg der globalen Mitteltemperatur bis 2100 auf zwei Grad Celsius zu begrenzen; zweitens die Beibehaltung bindender Immissionsgrenzen im Kyoto-Protokoll; drittens die Einbeziehung des Flugverkehrs. Viertens dürfen die Reduktionsbemühungen nicht zu anderen ökologischen Sicherheitsbedrohungen führen - Stichwort: Neueinstieg in die Atomkraft. Fünftens erwarten wir eine Frist zum Abschluss verbindlicher Vereinbarungen bis 2008. Ich hoffe, dass in diesem Hause nicht mehr bestritten wird, dass die Erwärmung der Atmosphäre auf die Verbrennung fossiler Ressourcen wie öl, Kohle und Gas zurückzuführen ist. Es blieb allein dem Kollegen Heinz, den ich jetzt nicht sehe, vorbehalten, der den Klimawandel in der Plenardebatte auf eine Verschiebung der Erdachse zurückführte. Wenn wir uns in dieser Debatte wenigstens darauf einigen könnten, dass das nicht der Fall ist, dann wäre das schon ein Fortschritt. Bohrungen im Antarktiseis ergeben, dass der C02-Gehalt in der Atmosphäre in den letzten 650 000 Jahren noch nie so hoch war. Ich erwähne das, weil verschiedentlich gesagt wurde, dass es mit dem Klima immer auf und ab gegangen sei. Das ist richtig, aber nicht in diesen Zeiträumen und mit dieser Schnelligkeit. 2005 wird weltweit das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen sein. Es gab noch kein Jahr, in dem so viele Hurrikane entstanden sind, bisher 25 an der Zahl, einer schlimmer als der andere. Wir erinnern uns an „Katrina", der mit New Orleans eine ganze Stadt zerstört und Hunderttausende vertrieben hat. „Alles Tartarenmeldungen!", werden Sie jetzt wieder sagen. Das Max-Planck-Institut Hamburg hat Ende September neue und präzisere Berechnungen vorgelegt, nach denen die globale Temperatur bis 2100 um mindestens 2,5 bis 4,1 Grad zunehmen wird. Der Meeresspiegel wird weltweit um bis zu 30 Zentimeter steigen und die Arktis im Sommer eisfrei sein. Es gibt durchaus noch schlimmere Szenarien. Letzte Woche ist bekannt geworden, dass sich der Nordatlantikstrom in den letzten 50 Jahren um 30 % abgeschwächt hat. Die Forscher vermuten, dass der abnehmende Salzgehalt dafür verantwortlich ist. Dies führen sie auf mehr Niederschläge und mehr Schmelzwasser aus Grönland zurück. Zwar war eine Abschwächung von den Klimaforschern schon prognostiziert worden; jetzt ist sie aber gemessen worden. Der Umfang der Abschwächung übertrifft die Prognosen bei weitem. Was müssen die Ziele für einen ausreichenden Klimaschutz sein? Im schwarz-roten Koalitionsvertrag aus Berlin lese ich, dass die Bundesregierung den Anstieg der globalen Mitteltemperatur auf zwei Grad Celsius begrenzen wolle. Das ist das richtige Ziel. Ich begrüße das ausdrücklich. Das hätte ich ihnen gar nicht zugetraut. Dafür müssen die weltweiten Emissionen bis 2050 um 50 % sinken. Im Augenblick sinken sie aber nicht, sondern sie steigen an. Das DIW hat kürzlich einen Anstieg um 4,5 % im Jahre 2004 errechnet. Das ist ein Viertel mehr als 1990. Insbesondere in China sind die Emissionen um 15 % gewachsen. Was bedeutet das für Sachsen? Ich wiederhole nur die Erkenntnisse des LfUG. Selbst bei einer solchen Reduzierung müssen wir in Sachsen mit wesentlich wärmeren Wintern -ohne Schnee im Erzgebirge, Herr Günther! -, mit weniger Niederschlägen in der Vegetationsperiode und mit einem Anstieg der mittleren Temperatur um zwei Grad rechnen. Wie sieht es nun in Sachsen aus? Wir haben ein tolles Energieprogramm von 2004. Darin heißt es, dass das EEG- und das KWK-Gesetz marktverzerrend seien und Sachsen sich die Option auf ein neues Akw offen halte. Herr Lehmann ist seiner Zeit also gar nicht so weit voraus. Die „Erneuerbaren“ sollen zwar wachsen, aber gemächlich. Sie sollen vor allem die Braunkohleverstromung nicht gefährden. Vor allem deshalb muss Heuersdorf abgebaggert werden. Dies ist unnötig und dient nur der Steigerung der Gewinne der Mibrag. Wir bedauern ausdrücklich die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes - auch wenn es Ihnen nicht gefällt, Herr Clemen -, der die Abbaggerung zulässt. Ich erkläre hier ausdrücklich die Solidarität meiner Fraktion mit den Heuersdorfern. Wir haben auch ein dementsprechend tolles Klimaschutzprogramm. Es zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass es mehr als zwei Drittel der Emittenten ausnimmt und bei dem kleinen Rest von einem Drittel vielleicht in sehr maßvollen Schritten absenken möchte. Dieses Programm hat auch ganz tolle Ziele. Bis längstens 2010 sollen 3,7 Millionen Tonnen eingespart werden; wir haben jetzt schon 2,5. Man kann aber nur dann von Erfolgen sprechen, wenn man den größten Emittenten aus den Reduktionsverpflichtungen ausnimmt. Das tun Sie mit der Braunkohle. Herzlichen Glückwunsch, Herr Staatsminister! So zimmert man sich die Erfolge zurecht. Vielen Dank!