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Runge-Gebiete mit vorgegebenen
Homologie-Gruppen
Bastian Seifert
04. 06. 2014
1
Motivation
Es ist oftmals sehr nützlich holomorphe Funktionen mittels Polynomen zu approximieren.
Entsprechend ist man an einfachen Charakterisierungen von Gebieten U interessiert, für
welche die Algebra der Polynome P dicht in der Algebra der holomorphen Funktionen
O(U) liegt. Ein solches Gebiet werden wir Runge-Gebiet nennen:
Definition 1.1 (Runge-Gebiet). Eine Gebiet U ⊆ Cn heißt Runge-Gebiet, falls P dicht in
O(U) liegt.
Dies da Carl Runge folgenden Satz bewiesen hat:
Satz 1.2 (Satz von Runge). Ein Gebiet U ⊆ C ist ein Runge-Gebiet genau dann, wenn U
einfach zusammenhängend ist.
Zusammenhang ist aber eine topologische Eigenschaft! Wir haben also eine topologische Charakterisierung für Runge-Gebiet im eindimensionalen Fall. Es wäre nun schön,
eine ebenso einfach topologische Charakterisierung von Runge-Gebieten in höheren Dimensionen zu finden. Dies geht jedoch nicht, wie beispielsweise der folgende Satz von
Forster [For63] zeigt
Satz 1.3. Es gibt zwei Gebiete P, Q ⊆ C2 , von denen P ein Runge-Gebiet ist, Q jedoch
nicht und einen Homöomorphismus φ des C2 mit φ(P) = Q.
Da topologische Eigenschaften unter Homöomorphismen invariant bleiben gibt es folglich keine topologische Charakterisierung von Runge-Gebieten in Dimensionen ≥ 2. Allerdings wurden trotzdem topologische Eigenschaften von Runge-Gebieten hergeleitet, siehe z. B. [Ran10, Chap. VI, §3]. In diesem Vortrag werden wir uns mit der Konstruktion von Runge-Gebieten zu vorgegeben Homologie-Gruppen beschäftigen, wir folgen dabei [Nar67].
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Topologische Hilfsmittel
Bei der Konstruktion von Runge-Gebieten mit vorgegeben Homologie-Gruppen werden
wir einige topologische Konstruktionen (unter anderem die Homologie-Gruppen) benötigen,
weshalb wir hier kurz einen Überblick über diese geben.
Da topologische Räume recht kompliziert sein können, sucht man algebraische Invarianten um topologische Räume zu klassifizieren. Eine Invariante, welche, in einem gewissen
Sinne, die Anzahl der Löcher in einem topologischen Raum beschreibt, ist die singuläre
Homologie. Um diese einzuführen, definieren wir zuerst ganz algebraisch einen Kettenkomplex mit zugehörigen Homologie-Gruppen und konstruieren dann mittels stetiger Abbildungen von Simplizes in unseren Raum die singuläre Homologie.
1
Definition 2.1 (Kettenkomplex). Ein Kettenkomplex (X• , d• ) ist eine Sequenz
di+1
di
di−1
di−2
· · · −→ Xi+1 −→ Xi −→ Xi−1 −→ . . .
von abelschen Gruppen und Gruppenhomomorphismen, sodass für alle auftretenden Indizes i ∈ Z gilt di−1 ◦ di = 0.
Ein Kettenkomplex heißt exakt, wenn im(di+1 ) = ker(di ) für alle i ∈ Z ist.
Manchmal werden ker(di ) auch i-Zykel und im(di ) i − 1-Ränder genannt. Wegen di−1 ◦
di = 0 gilt im(di ) ⊆ ker(di−1 ) und somit ist die folgende Definition wohldefiniert.
Definition 2.2 (Homologie-Gruppen). Sei (X• , d• ) ein Kettenkomplex. Die i-te Homologie
Gruppe von (X• , d• ) ist Hi (X• ) = ker(di ) im(di+1 ).
Ist also der Kettenkomplex exakt, so sind alle Homologie-Gruppen trivial. Insbesondere
misst also die i-te Homologie-Gruppe wie unexakt der Kettenkomplex an der Stelle ist.
Die Idee die uns zur singulären Homologie führt ist, durch stetige Abbildungen der
Standard-n-Simplizes in unseren topologischen Raum, Zykel und Ränder zu definieren um
damit zu sehen, welche Ränder nicht Teil eines Zykels sind, und entsprechend an einem
Loch liegen.
Dazu definieren wir den Standard-n-Simplex im Rn :

 n
n


X



X
n
,
ti ei ti ∈ [0, 1],
ti = 1 
∆ =




i=0
i=0
wobei e1 , . . . , en die Standardbasis des R und e0 = 0 ist. Für i ∈ {0, . . . , n} ist die Seitenabn
e2
e3
e0
e1
Abbildung 1: Das Standard-3-Simplex
bildung
i
: ∆n → ∆n+1
Fn+1



j<i
e j
i
Fn+1 (e j ) = 

e
j≥i
j+1
die Abbildung die den Standard-n-Simplex ∆n auf die Seite gegenüber von ei im Standard(n + 1)-Simplex ∆n+1 abbildet.
Sei nun X ein topologischer Raum. Wir definieren dann die abelsche Gruppe S n (X) der
singulären n-Ketten in X mit Werten in Z als die von der Menge der stetigen Abbildungen
σ : ∆n → X erzeugte freie Gruppe1 S n (X) =< C 0 (∆n , X) >.
1 Eine freie abelsche Gruppe A ist eine abelsche Gruppe, die eine Basis besitzt, d.h eine Teilmenge B ⊆ A,
P
sodass sich jedes Element als Linearkombination schreiben lässt A 3 a = ni=1 ki xi mit ki ∈ Z, xi ∈ X für
i = 1, . . . , n.
2
Die Randabbildung dnX : S n+1 (X) → S n (X) ist der Gruppenhomomorphismus, der durch
dnX (σ) =
n
X
i
(−1)i σ ◦ Fn+1
i=0
für σ ∈ C 0 (∆n , X) gegeben ist. Eine Rechnung mit den Seitenabbildungen gibt dann dn−1 ◦
dn = 0 für alle n ∈ N. Somit erhalten wir einen Kettenkomplex von abelschen Gruppen
dnX
X
dn−1
X
dn−2
d0X
d1X
· · · −→ S n (X) −→ S n−1 (X) −→ · · · −→ S 1 (X) −→ S 0 (X) −→ 0 −→ 0 −→ . . .
e2
d
e0
+1
-1
e1
+1
Abbildung 2: Ein singuläres 2-Simplex mit Rand
Mit unserer Definition 2.2 erhalten wir somit auch die singulären Homologie-Gruppen.
Die i-te Homologie gibt dann an, wie viele i-dimensionale Polytope ohne Rand existieren, die nicht Ränder eines i + 1-dimensionale Polytops sind. Also kann man sagen, dass
die i. Homologie-Gruppe ein Maß für die Anzahl der i-dimensionalen Löcher in unserem
topologischen Raum X ist.
Wenn man in einem topologischen Raum X über Zusammenhangseigenschaften reden
will, bietet es sich an einen Teilraum D zu betrachten, welcher die Zusammenhangseigenschaften von X erbt und einfacher zu durchschauen ist. Der korrekte Begriff dafür ist der
Deformationsretrakt.
Definition 2.3 (Deformationsretrakt). Sei X ein topologischer Raum und D ⊆ X ein Teilraum. D heißt Deformationsretrakt von X, falls es eine stetige Abbildung ρ : X → D
mit ρD = idD gibt, welche homotop2 zur Identität auf X ist. Das heißt für die Inklusion
iD : D → X gilt
iD ◦ ρ ' idX
und
ρ ◦ iD ' idD .
Wir werden auch in die Situation kommen, dass wir größere Räume aus kleineren zusammenbauen wollen. Außerdem wollen wir, dass die Räume etwas mit dem Rn bzw. Cn
zu tun haben, entsprechend werden wir unsere topologischen Räume aus solchen zusammenbauen, welche homöomorph zu ebendiesen sind.
Definition 2.4 (Zelle). Eine offene n-Zelle ist ein topologischer Raum X, welcher homöomorph
zum Rn ist.
Wir schreiben
Sn = {x ∈ Rn+1 | kxk = 1}
und
Dn = {x ∈ Rn | kxk ≤ 1}
für Einheitssphäre bzw. Einheitskugel.
2 Zwei Abbildungen g, h : X → Y heißen homotop falls es eine stetig Abbildung h : X × [0, 1] → Y gibt mit
h(x, 0) = f (x) und h(x, 1) = g(x) für alle x.
3
Abbildung 3: Ein Deformationsretrakt
Definition 2.5 (Komplex). Ein Komplex ist ein Paar (X, E) aus einem Hausdorffraum X
und einer endlichen Zerlegung E von diesem in Zellen, für welches gilt, dass es zu jeder
n-Zelle en ∈ E eine stetige Abbildung φen : Dn → X gibt, welche Dn◦ homöomorph auf die
Zelle en und Sn−1 in die Vereinigung der höchstens (n − 1)-dimensionale Zellen abbildet.
Insbesondere lassen sich Komplexe zu offenen Umgebungen aufblasen (vgl. [Hat02,
A.5]):
Lemma 2.6. Ist ein Komplex X in einen Rn einbettbar, so ist X dort Deformationsretrakt
einer offenen Umgebung.
Außerdem wollen wir später die Dimension von Löchern vergrößern, dabei hilft uns
das Konzept der Einhängung.
Definition 2.7 (Einhängung). Die Einhängung von X ist
ΣX = X × [−1, 1] (X × {−1}, X × {1}).
Die k-fache Einhängung ist rekursiv definiert durch
Σk X = Σ(Σk−1 X).
Zusammenfallender Endpunkt
Original Raum X
Zusammenfallender Endpunkt
Abbildung 4: Einhängung eines unzusammenhängenden Raumes
Jetzt wollen wir sehen, wie sich solche Dinge wie ein Deformationsretrakt oder eine
Einhängung auf die Homologie-Gruppen auswirken.
Lemma 2.8. Für jeden Deformationsretrakt D eines topologischen Raums X gilt
Hk (D) ' Hk (X).
Weiter gilt für die Einhängung
Hk+1 (Σk X) ' H1 (X).
4
Außerdem gibt uns (da die Homologie funktoriell ist) unsere Homologie-Theorie die
Möglichkeit eine Verallgemeinerung der Windungszahl zu definieren.
Lemma 2.9 (Topologischer Grad). Sei n ≥ 1 und sei f : Sn → Sn eine stetige Abbildung.
Dann induziert f eine Abbildung
f
Sn
↓
−→
Z ' Hn (Sn )
−→
Sn
↓
f∗
Hn (Sn ) ' Z,
und es gilt für einen Erzeuger α von Hn (Sn )
f∗ (α) = mα.
m heißt der Grad von f .
Lemma 2.10. Sei X ein topologischer Raum, f : S1 −→ X eine stetige Abbildung, Y =
X ∪ f D2 und iX die Einbettung von X in Y. Sei weiter α ein Erzeuger von Hn (S1 ). Dann ist
(iX )∗ ein Epimorphismus, dessen Kern der kleinste Normalteiler ist, der (iX )∗ (α) enthält.
Wenn wir also eine Zelle an D2 mittels einer Abbildung von Grad m anheften erhalten
wir
f
S1
↓
−→
Z
−→
f∗
3
j
X
↓
−→
Hn (X)
−→
j∗
X ∪ f D2
↓
Hn (X) mZ
Runge-Gebiete mit vorgegebener Homologie-Gruppe
Jetzt aber zurück zur Funktionentheorie! Naja fast, für unseren ersten Beweis benötigen
wir noch folgendes differentialgeometrisches Lemma.
Lemma 3.1. Sei U ⊆ Rn eine offene Menge. Dann gibt es eine C ∞ -Funktion g auf Cn mit



> 0 falls x ∈ U
g(x) 

= 0 falls x ∈ Rn \ U,
für welche alle Ableitungen beschränkt sind.
Außerdem verwenden wir den Approximationssatz von Oka in der folgenden Form
( [Nar67, S.381], siehe auch [Ran10, S.217f]):
Satz 3.2 (Approximationssatz von Oka). Sei p eine plurisubharmonische Funktion auf Cn .
Dann ist
Ω p : = {x ∈ Cn | p(x) < 0}
ein Runge-Gebiet.
Unsere Idee zur Konstruktion von Runge-Gebieten mit beliebig vorgegeben HomologieGruppen ist es, Komplexe mit den gewünschten Eigenschaften zu basteln und diese sodann
mit dem folgenden Lemma zu einem Runge-Gebiet aufzublasen.
Lemma 3.3. Sei U ⊆ Rn offen und betrachte den Rn als Teilmenge von Cn . Dann gibt es
ein Runge-Gebiet D ⊆ Cn mit U ⊆ D, sodass U ein Deformationsretrakt von D ist.
5
Beweis. Wir benutzen für z ∈ Cn die Schreibweise z = (z1 , . . . , zn ) mit z j = x j + iy j , sowie
Rn = {z ∈ Cn | y j = 0 für alle j}.
Sei g wie in 3.1 und ε > 0 und definiere
p(z) = y21 + · · · + y2n − εg(x).
Es gilt dann
!
∂2
∂2
1
2δl,k − ε
p(z) =
g(x)
∂zl ∂zk
4
∂xl ∂xk
wobe δl,k das Kronecker-Delta ist. Die Levi-Form von p ist damit durch
!
n
1X
∂2
L(p)(α, α) =
2δl,k − ε
g(x) αk αl
4 l,k=1
∂xl ∂xk
gegeben. Wir können, da die ∂x∂l ∂xk g(x) beschränkt sind, ε so wählen, dass L(p) positiv definit ist. Also ist p plurisubharmonisch auf Cn . Nach dem Approximationssatz von Oka 3.2
ist dann
D = {z ∈ Cn | p(z) < 0}
2
ein Runge-Gebiet.
Es bleibt noch zu zeigen, dass U ein Deformationsretrakt von D ist. Für x ∈ Rn \ U ist
p(z) = y21 + · · · + y2n ≥ 0, also D ⊆ U × Rn , demnach
D = {z = (x, y) | x ∈ U, y21 + · · · + y2n < εg(x)}
und somit ist U offensichtlich Deformationsretrakt von D, denn ρ((x, y)) = (x, 0) liefert
ρ(D) = U und ist homotop zur Identität, mittels der Homotopie ρt ((x, y)) = (x, (1 − t)y). Dass man die gewünscht Komplexe tatsächlich basteln kann, sieht man an folgendem
Lemma.
Lemma 3.4. Zu jeder endlich erzeugten, abelschen Gruppe G gibt es einen zusammenhängenden,
endlichen, 2-dimensionalen Komplex K, welcher in R4 eingebettet werden kann und für
welchen
H1 (K) ' G
gilt.
Beweis. Es reicht die Aussage für zyklische Gruppen zu zeigen. Ansonsten ist G nach
dem Hauptsatz über endlich erzeugte abelsche Gruppen die direkte Summe von zyklischen
Gruppen Gi und die zugehörigen Ki ⊆ R4 können wir so an die Punkte eines Geradensegments kleben, dass sie paarweise disjunkt sind.
Es sei also entweder G unendlich zyklisch, also G ' Z oder G endlich zyklisch, dann
gilt G ' Z mZ für m ∈ N. Ist G ' Z so setze K = S1 . Ist G ' Z mZ so erhalten wir K
indem wir D2 mittels einer Abbildung von Grad m an den Rand von S1 kleben.
Jetzt zeigen wir noch, dass K auch in R4 eingebettet werden kann. Sei dazu
f : D2 → C2
f (z) = (zm , (1 − |z|)z).
Schränken wir f auf den Rand von D2 ein, d.h. |z| = 1 so sehen wir sofort, dass dies eine
Abbildung von Grad m auf den Kreis ist. Außerdem ist f für |z| < 1 injektiv. Somit erhalten
wir eine Einbettung von K in C2 ' R4 .
So jetzt können wir endlich zur Tat schreiten und alles zusammenfügen was wir uns
bisher erarbeitet haben.
6
Satz 3.5. Sei G eine endlich erzeugte, abelsche Gruppe. Seien weiter k, n ∈ N mit n ≥ k +3.
Dann gibt es ein zusammenhängendes Runge-Gebiet D ⊆ Cn mit
Hk (D) ' G.
Beweis. Als Erstes zeigen wir, dass es einen zusammenhängenden, endlichen Komplex L
gibt, welchen wir in Rn einbetten können und für welchen Hk (L) ' G ist. Nach Lemma 3.4
gibt es einen endlichen, zusammenhängenden Komplex K ⊆ R4 mit H1 (K) ' G. Wenn wir
dann die Einhängung Σk−1 K betrachten, so ist dies eine endlicher, zusammenhängender
Komplex, welchen wir in den Rk+3 einbetten können und für welchen Hk (Σk−1 K) ' G gilt.
Wir setzten dann einfach L = Σk−1 K × Dn−k−3 und haben den gewünschten Komplex.
Nun finden wir, nach Lemma 2.6, eine Umgebung U von L im Rn , für welche L ein
Deformationsretrakt ist. Nach Lemma 3.3 gibt es dann ein Runge Gebiet D ⊆ Cn für welches U ein Deformationsretrakt ist. Es ist dann klar, dass D zusammenhängend ist und
Hk (D) ' G.
Literatur
[For63] Otto Forster. Eine Bemerkung über Rungesche Paare. Arch. Math, XIV:334 –
336, 1963.
[Hat02] Allen Hatcher. Algebraic Topology. Cambridge University Press, Cambridge,
2002.
[Jä08]
Klaus Jänich. Topologie. Springer, Berlin Heidelberg, 2008.
[Nar67] Raghavan Narasimhan. On the Homology Groups of Stein Spaces. Inventiones
math., 2:377 – 385, 1967.
[Ran10] R. Michael Range. Holomorphic Functions and Integral Representations in Several Complex Variables. Springer, New York, 2010.
[RS97] P. J. Range and U. Stammbach. A Course in Homological Algebra. Springer,
New York, 1997.
[vK33] E. R. van Kampen. Komplexe in euklidischen Räumen. Hamb. Abh., 2:72 – 78,
1933.
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