Aktueller Stand der internistischen Fibrosarkomtherapie bei der Katze

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Ausgewählter Kongressbeitrag
© Schattauer 2010
Aktueller Stand der internistischen
Fibrosarkomtherapie bei der Katze
J. Hirschberger
Medizinische Kleintierklinik (Leitung: Prof. Dr. K. Hartmann) der Ludwig-Maximilians-Universität München
Einleitung
Biologisches Verhalten
Im Jahr 1991 wurde in den USA eine steigende Häufigkeit von Fibrosarkomen bei der Katze festgestellt (10, 19). Trotz aggressiver
Therapie haben feline injektionsstellenassoziierte Fibrosarkome
(FISS) eine hohe Rezidivrate und stellen somit ganz besondere
Ansprüche an die Therapeuten.
Das FISS weist ein hochgradig infiltratives Wachstum meist in der
Subkutis auf, breitet sich entlang von Faszien aus und kann diese
auch durchdringen (11, 18, 22). Initial ist die Metastasierungsrate
relativ gering und beträgt nur 5%, aber mit zunehmender Krankheitsdauer und Rezidivierungshäufigkeit steigt sie auf 28% (5, 21).
Die Metastasierung erfolgt meist in die Lunge (33, 43).
Pathogenese
Diagnose
Neben FeLV- und Tollwutvakzinen wurden auch andere Impfstoffe als Tumorauslöser identifiziert (3, 6, 34). Des Weiteren können
Depot-Medikationen von Kortikosteroiden oder Antibiotika als
auch die Gabe von Lufenuron oder das Einbringen von Mikrochips
eine maligne Transformation und Tumorgenese zur Folge haben
(2, 8, 9, 14, 15, 28). Manche Katzen scheinen eine größere Sensitivität zu besitzen als andere. Letztendlich bedeutet dies, dass bei diesen bestimmten Katzen eine chronische Entzündung zur Tumorbildung führen kann (12, 29–32).
Klinik
Die Prävalenz des FISS wird in Nordamerika auf 0,63 bis 3,6 je
10 000 vakzinierte Katzen geschätzt (6, 16, 27). Die meisten FISS
sind Fibrosarkome, aber auch andere Tumoren wie Osteosarkome,
Chondrosarkome, Rhabdomyosarkome, das maligne fibröse Histiozytom und das myofibroblastische Sarkom haben sich aus den
maligne transformierten mesenchymalen Stammzellen entwickelt
(11, 13, 18). Die Lokalisation des FISS liegt in den typischen Impfregionen, zu 39% interskapulär (씰Abb. 1) (44). Die Altersverteilung umfasst einen großen Bereich, meist erkranken ältere Katzen
(10, 20).
Tierärztl Prax 2010; 38 (Suppl 1): S37–S40
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Johannes Hirschberger
Medizinische Kleintierklinik
der Ludwig-Maximilians-Universität München
Veterinärstraße 13
80539 München
E-Mail: [email protected]
Beim Auftreten eines jeden Hautknotens der Katze ist entsprechend der „1–2–3-Regel” weitere Diagnostik erforderlich, wenn
der Tumor 1 Monat nach der Injektion noch wächst, größer als
2 cm ist oder nach 3 Monaten noch besteht (49). Typische Knoten
in Impflokalisationen sollten aber immer sofort diagnostisch abgeklärt werden.
Nach der klinischen Untersuchung ist der erste Schritt zur differenzialdiagnostischen Abklärung eine Feinnadelaspiration (FNA).
Die FNA hilft, die Differenzialdiagnose einzuschränken und andere Tumoren, Abszesse, Hämatome etc. auszuschließen. Ein Fibrosarkom selbst lässt sich vielfach nicht eindeutig per FNA diagnostizieren, weil Sarkomzellen nicht immer leicht zu aspirieren sind
und atypische mesenchymale Zellen auch bei inflammatorischen
Prozessen auftreten können. Aber die FNA hilft, andere Ursachen
der Knotenbildung auszuschließen und ist damit doch ein wichtiges diagnostisches Hilfsmittel.
Staging und Grading
Zum Staging sollte die Lunge in drei Ebenen geröntgt und das Abdomen mittels Ultraschall untersucht werden. Computertomographie und Kernspintomographie helfen, die Ausdehnung des
Tumors exakter zu bestimmen, als es die klinische Untersuchung
vermag. Die Tumorausbreitung ist meist doppelt so groß wie klinischerseits vermutet (37). Des Weiteren sind vor der Therapie eine
hämatologische und klinisch-chemische Blutanalyse vorzunehmen.
Die prognostische Bedeutung des histologischen Gradings
eines FISS ist umstritten. Unter Berücksichtigung der Parameter
Mitose-Index, Nekrose und Infiltration kann ein Grading die
Prognose jedoch stützen (26).
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S37
S38
J. Hirschberger: Aktueller Stand der internistischen Fibrosarkomtherapie bei der Katze
Chemotherapie
Abb. 1 Typisches Rezidiv eines interskapulären Fibrosarkoms bei einer
Katze.
Therapieoptionen
Chirurgie
Die chirurgische Tumorentfernung hat als alleinige Therapie eine
Rezidivrate von ca. 70% zur Folge. Ein aggressives chirurgisches
Vorgehen mit einer Umschneidung des Tumors im Abstand von
3 cm und der Einbeziehung einer kompletten Faszienlage ist erforderlich und verlängert die rezidivfreie Zeit sowie die Überlebenszeit. Die rezidivfreie Zeit beträgt bei weiter Tumorexzision in Gegensatz zur engen Tumorexzision 425 Tage statt nur 66 Tage (20,
21). Die Schnittränder des Tumormaterials sollten mit Tusche
farblich markiert werden. Der Histopathologe kann dann mikroskopisch beurteilen, wie weit Tumorzellen bis zum markierten
Schnittrand reichen. „Unsaubere“ Schnittränder ziehen im Vergleich mit „sauberen“ eine kurze rezidivfreie Zeit (112 Tage bzw.
700 Tage) nach sich (7). Aber auch bei „sauberen“ Schnitträndern
liegt die Rezidivrate bei ca. 50% (36).
Strahlentherapie
Sowohl eine prä- als auch eine postoperative Strahlentherapie
kann die rezidivfreie Zeit verlängern. Die präoperative Strahlentherapie resultiert in einer Rezidivrate von 41–54% und einer medianen rezidivfreien Zeit von 398–584 Tagen (4, 7, 33). Eine postoperative Strahlentherapie erzielt eine Rezidivrate von 44% und
eine rezidivfreie Zeit von 422 Tagen (47). Wenn eine postoperative
Strahlentherapie geplant ist, sollten Clipps in den äußeren Ecken
des Operationsfelds eingebracht werden, um hernach den Strahlentherapiebereich besser eingrenzen zu können (36). Nach postoperativer Brachytherapie mit Iridium ergab sich in zwei Studien
eine Rezidivrate von 11/16 Katzen bzw. 11/18 Katzen und eine
rezidivfreie Zeit von 16 Monaten (40) bzw. 18 Monaten (25).
Der therapeutische Effekt einer zytostatischen Chemotherapie ist
umstritten, weil prospektive, randomisierte, kontrollierte Studien
fehlen. In einer Studie mit allerdings nur „historischen“ Kontrollen
erzielte die nach chirurgischer Tumorexstirpation erfolgte adjuvante Chemotherapie mit Doxorubicin oder Liposome-encapsulated Doxorubin (LED-Doxorubicin, Doxil) im Vergleich mit der
alleinigen chirurgischen Behandlung einen günstigen und statistisch signifikanten therapeutischen Effekt. Die rezidivfreie Zeit betrug 388 bzw. 93 Tage (39). In einer anderen Patientengruppe derselben Studie, in der die Katzen ohne Operation blieben und nur
chemotherapeutisch behandelt wurden, ließ sich eine komplette
Remission in 5 von 33 und eine partielle Remission in 8 von 33 Fällen erreichen. In einer anderen, auch nicht randomisierten Studie
war kein therapeutischer Effekt einer adjuvanten zytostatischen
Thearpie nachweisbar (35).
Bei inoperablen oder schon metastasierten FISS konnte die Behandlung mit Ifosfamid bei 1 von 27 Katzen eine komplette und
bei 10 von 27 Katzen eine partielle Remission bewirken (41). Die
Kombination von Cyclophosphamnid und Doxorubicin resultierte in einer kompletten Remission bei 1 von 12 Katzen und einer
partiellen Remission bei 4 von 12 Katzen (1). Die Behandlung mit
Carboplatin erzielte eine partielle Remission bei 7 von 10 Katzen
(42). Zytostatika, die bei makroskopischen Tumoren einen gewissen therapeutischen Effekt zeigen, sollten auch bei mikroskopischen Tumorresten nach einer aggressiven Tumorexstirpation therapeutisch wirksam sein und eventuell zu einer längeren rezidivfreien Zeit und Überlebenszeit beitragen.
Elektrochemotherapie
Das Penetrieren von Zytostatika in Tumorzellen kann mittels elektrischer Ströme gesteigert werden. Diese so genannte Elektrochemotherapie unter Verwendung von Bleomycin wurde bei inoperablen Tumoren und auch zur adjuvanten postoperativen Therapie des FISS eingesetzt (38, 46). Die rezidivfreie Zeit betrug in der
Kontrollgruppe 4 Monate, in der Elektrochemotherapie-Gruppe
mit intraoperativer Elektrochemotherapie 12 Monate und in der
postoperativen Elektrochemotherapie-Gruppe 19 Monate (46).
Immuntherapie
In den vergangenen Jahren wurden einzelne prospektive, randomisierte, kontrollierte Studien zur immunologischen Gentherapie
des FISS durchgeführt und erbrachten überaus erfolgversprechende Ergebnisse (25, 40). Das Zytokin Interleukin-2 (IL-2) wurde
gentechnisch mittels histoinkompatibler Verozellen oder mittels
viralem Vektor postoperativ in das Tumorbett eingebracht. Zudem
erfolgte bei allen Katzen eine Behandlung des Operationsbereichs
mit Iridium-Brachyradiotherapie. Bei den zusätzlich mit IL-2 therapierten Katzen war im Vergleich zu den nur operierten und radiotherapierten Katzen nach 16 Monaten nur bei 5 von 16 (31%)
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Katzen bzw. bei 11 von 16 (69%) Katzen ein Rezidiv aufgetreten
(40). In einer zweiten Studie mit IL-2-Gentransfer durch einen viralen Vektor lag die Rezidivrate nach 18 Monaten in der Kontrollgruppe bei 61%, in der Gruppe mit humanem IL-2 bei 39% und in
der Gruppe mit felinem IL-2 bei 28%. Der Therapievorteil mit IL-2
war statistisch signifikant (25).
Des Weiteren gibt es erfolgversprechende Studien zur Behandlung des FISS mit Interleukin-12-Gentherapie plus Hyperthermie
(45). Der Einsatz von Granulozyten-Kolonie-stimulierendem Faktor (GM-CSF) und die Kombination aus GM-CSF, IL-2 und Interferon-γ (IFN-γ) ergab sehr aussichtsreiche Ergebnisse (23, 24).
Typ-I-Interferone haben Antitumor-Eigenschaften. Der Einsatz eines rekombinanten Interferon-ω, ein Typ-I-Interferon, wird
nachweislich gut vom Patienten in der Behandlung des FISS toleriert. Die therapeutische Effektivität gegen das FISS ist allerdings
noch nicht wissenschaftlich nachgewiesen. Zudem ist die Applikationshäufigkeit zu ermitteln (17). In der Humanonkologie werden
Typ-I-Interferone, z. B. Interferon-α, über 6 Monate täglich appliziert.
Multimodalitätstherapie
Eine Multimodalitätstherapie bestehend aus Chirurgie, Strahlentherapie, Chemotherapie und Immuntherapie erscheint hoffnungsvoll, weil die Chemotherapie Tumorzellen sensitiv für eine
nachfolgende Strahlentherapie macht. Die durch Chemotherapie
und Strahlentherapie zerstörten Tumorzellen können ihrerseits
den Effekt einer Immuntherapie durch Freisetzen von Tumorantigenen aus den zerstörten Tumorzellen, die phagozytiert werden,
intensivieren (48).
Die Therapie des FISS sollte daher nie nur aus einer aggressiven
Tumorexstirpation, sondern immer auch aus einer Kombination
mehrerer adjuvanter Therapieverfahren bestehen.
Monitoring
Postoperativ sind die Patienten über ein halbes Jahr hinweg monatlich und dann alle 3 Monate klinisch zu kontrollieren.
Prophylaxe
Die ohne aufwendige Therapie ungünstige Prognose eines FISS
zwingt zur bestmöglichen Prophylaxe der Tumorkrankheit. Bei
Katzen sollten Impfstoffe und andere Depotpräparate subkutan
und nicht intramuskulär appliziert werden, weil sich die resultierende Umfangsvermehrung subkutan besser palpieren lassen. An
der seitlichen Bauchwand sind Neoplasien leicht zu palpieren und
relativ gut zu operieren. Daher sollten diese Injektionen subkutan
an der seitlichen Bauchwand erfolgen und niemals im Interskapularbereich! Bei Katzen, die ein FISS hatten, sollte nach Möglichkeit
auf alle Injektionen verzichtet werden.
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