Informationen zur Raumentwicklung Heft 6/7.2008 341 Klimaszenarien und Klimafolgen 1 Klimawandel und -folgen: Was wissen wir? Nach Berichten des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) 1 bestehen kaum noch Zweifel, dass sich das Klima durch die Einflussnahme des Menschen ändert. Die Atmosphäre der Erde hat sich global zwischen 1906 und 2005 um 0,74 0C erwärmt (linearer Trend). Dabei ist in den letzten Jahren eine deutlich beschleunigte Entwicklung zu beobachten. In Deutschland betrug der Anstieg der Lufttemperatur seit 1901 im linearen Trend 0,9 0C und im polynomischen Trend sogar etwa 1 °C seit 1990. Dabei zeigten sich allerdings erhebliche räumliche Unterschiede. Besonders ausgeprägt ist der Temperaturanstieg seit 1901 im Südwesten; für das Saarland wurde eine Erwärmung um 1,2 0C seit 1901 berechnet. Nach Nordosten hin fällt der Anstieg wesentlich geringer aus und erreichte in Mecklenburg-Vorpommern nur noch 0,4 0C. Dabei war eine ganze Reihe von Rekorden zu verzeichnen: So war z. B. der Winter 2006/2007 der wärmste Winter in Deutschland seit 1901. Neben der Zunahme der bodennahen Lufttemperatur wurden eine Erwärmung der Ozeane und ein Anstieg des Meeresspiegels beobachtet. Der Meeresspiegel stieg im 20. Jahrhundert um etwa 17 cm im globalen Mittel. Auslöser hierfür sind schmelzende Gletscher, Eiskappen und Eisschilde sowie die thermische Ausdehnung des Meeres. Auch die Menge und die Verteilung des Niederschlags haben sich während des letzten Jahrhunderts geändert. In Deutschland wurde insgesamt eine leichte Zunahme des Niederschlags im Jahresmittel beobachtet. Er ist jedoch aufgrund der starken natürlichen Schwankungen als statistisch nicht signifikant anzusehen. Wie bei der Temperatur zeigen sich auch beim Niederschlag große regionale Unterschiede. Die Zunahme ist im Wesentlichen auf West- und Süddeutschland beschränkt. In Sachsen und Brandenburg ergibt sich sogar eine schwach Paul Becker Thomas Deutschländer Meinolf Koßmann Joachim Namyslo Andrea Knierim abnehmende Tendenz. Nur in den Wintermonaten fand man eine Zunahme der Niederschläge in allen Bundesländern. Auch hier sind die jährlichen Schwankungen allerdings sehr groß. Bezüglich des Windes konnten zwar einige periodische Schwankungen festgestellt werden. Ein durchgängiger Trend wurde jedoch nicht beobachtet. 2 Klimaszenarien Um Aussagen über die Auswirkungen menschlichen Handelns auf das zukünftige Klima der Erde machen zu können, werden Klimamodelle und Klimaszenarien eingesetzt. Ein Klimaszenario ist dabei die mit einem Klimamodell für die Zukunft berechnete Klimaveränderung, wobei die künftige Entwicklung der für den Treibhauseffekt relevanten Emissionen, das sog. Emissionsszenario (Emission von Treibhausgasen), jeweils vorgegeben wird. Das mit dieser Methode für eine künftige Zeitspanne berechnete Klima bezeichnet man auch als Klimaprojektion. Man spricht also nicht von Prognose oder Vorhersage wie bei der Berechnung des Wetters der nächsten Tage oder Woche, da das verwendete Emissionsszenario hypothetisch angesetzt wurde und zudem das Verhalten des Klimasystems nicht hinreichend bekannt ist. Weichen ihre Anfangsbedingungen nur leicht ab, so liegen trotz des „chaotischen“ Klimasystems die Lösungen von verschiedenen Klimasimulationen eines Klimamodells aber immer in einer bestimmten Schwankungsbreite: Die Verläufe der Klimasimulationen sind dann zwar verschieden, ihre zeitlichen Mittelwerte über längere Zeiträume aber etwa gleich. Ein Klimamodell, das über längere Zeiträume rechnet, beschreibt somit einen möglichen Witterungsverlauf als Klimaprojektion, dessen statistische Auswertung durchaus sinnvoll ist. Dr. Paul Becker Dr. Thomas Deutschländer Dr. Meinolf Koßmann Joachim Namyslo Deutscher Wetterdienst Abt. Klima- und Umweltberatung Frankfurter Straße 135 63067 Offenbach E-Mail: [email protected] Dr. Andrea Knierim Leibnizzentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V. Institut für Sozialökonomie Eberswalder Straße 84 15374 Müncheberg E-Mail: [email protected] 342 Paul Becker, Thomas Deutschländer, Meinolf Koßmann, Joachim Namyslo, Andrea Knierim: Klimaszenarien und Klimafolgen Die Anwendungen von Klimamodellen erstrecken sich dabei von der Simulation des gegenwärtigen Klimas über die Untersuchung der natürlichen Klimavariabilität bis hin zur Berechnung des zukünftigen Klimas. Die Simulationen des derzeitigen Klimas, d. h. die sog. Kontrollläufe (im Allgemeinen für den Zeitraum von 1951 bis 2000) für die vorliegenden Klimaprojektionen, werden als Referenz für Klimaänderungsszenarien verwendet. (1) Intergovernmental Panel on Climate Change – IPCC; Solomon, S.; Qin, D.; Manning, M.; Chen. Z. et al. (eds.): Fourth Assessment Report – Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report (AR4) of the IPCC. – Cambridge, New York 2007 (www.ipcc.ch/ipccreports/ar4wg1.html) (2) Intergovernmental Panel on Climate Change – IPCC; Nakicenovic, N.; Swarts, R. (eds.): Special Report on Emissions Scenarios. – Cambridge, New York 2000 Zur Erfassung des möglichen Spektrums der künftigen Klimaänderung werden mehrere globale Klimaprojektionen durchgeführt, wobei jeweils sowohl unterschiedliche Emissionsszenarien wie auch verschiedene globale Klimamodelle verwendet werden. Als Basis für die Klimaszenarien werden zurzeit in der Regel die durch das IPCC vorgelegten sog. SRES-Emissionsszenarien (Special Report on Emissions Scenarios 2) verwendet. Sie umfassen insgesamt vier Szenarienfamilien, die eine Abschätzung der zukünftigen Entwicklung der Emissionen sowie der daraus resultierenden Konzentrationen der Treibhausgase liefern. Dabei wird im Wesentlichen zwischen der wirtschaftlichen und demographischen Entwicklung sowie dem Grad der Globalisierung differenziert. Die Szenarien der A1-Familie gehen von einem schnellen wirtschaftlichen Wachstum in einer eher homogenen Welt, dabei von wachsenden kulturellen und sozialen Kontakten zwischen den unterschiedlichen Regionen auf der Erde aus. Die technologische Entwicklung schreitet rasch voran, wobei sich das Pro-Kopf-Einkommen auf der Erde immer weiter angleicht. Die Bevölkerungszahl auf der Erde erreicht ihr Maximum in der Mitte dieses Jahrhunderts. Die A2-Familie legt die Annahme einer sehr heterogenen Welt zugrunde, die wirtschaftlich orientiert ist. Das Pro-Kopf-Einkommen steigt nur in einzelnen Gebieten und das auch nur langsam. Das Bevölkerungswachstum setzt sich unvermindert fort. Bei den Szenarien der B1-Familie wird wie bei den Szenarien der A1-Familie eine rasche Globalisierung unterstellt, wobei allerdings von einem Wandel der wirtschaftlichen Strukturen ausgegangen wird. Es wird ein Übergang hin zu einer Dienstleistungs- und informationstechnologisch orientierten Gesellschaft angenommen, wobei die Einführung von umweltverträglichen Techniken erheblichen Einfluss auf die Treibhausgaskonzentrationen hat. Die Szenarien der B2-Familie gehen wie A2-Familie von einer heterogenen Welt aus, wobei jedoch Umweltbewusstsein und soziales Denken eine erheblich größere Bedeutung haben. 3 Ergebnisse der globalen Klimamodelle Nach dem IPCC-Bericht 2007 ist bis 2100 ein Anstieg der globalen Mitteltemperatur zwischen 1,1 und 6,4 0C zu erwarten. Die Bandbreite der Ergebnisse ergibt sich zum einen durch die unterschiedlichen Emissionsszenarien, zum anderen durch die verwendeten Modelle. Das bei Klimafolgenbetrachtungen besonders häufig betrachtete Emissionsszenario A1B hat z. B. selbst noch eine Bandbreite von 1,7 bis 4,4 0C. Quelle: IPCC: Summary for Policymakers. In: Climate Change 2007: The Physical Science Basis. – Cambridge, New York 2007 (s. Anm. 1) Die Temperaturzunahme wird sich nicht gleichmäßig über die Erde verteilen. Besonders betroffen sind die Kontinente der mittleren und nördlichen Breiten. Für den Meeresspiegel wird bis zum Ende des 21. Jahrhunderts ein deutlicher Anstieg berechnet. Selbst das niedrige Emissionsszenario B1 geht von einem Anstieg von 18 bis 21 cm im globalen Mittel aus. Die Modellrechnungen für alle Emissionsszenarien zeigen darüber hinaus einen Rückgang des Meereises. Informationen zur Raumentwicklung Heft 6/7.2008 Bezüglich der Niederschläge wird in den höheren Breiten eher eine Zunahme erwartet. Dagegen ist für die meisten subtropischen Landregionen eher eine Abnahme wahrscheinlich. Für Deutschland muss nach den Prognosen des IPCC bis 2050 u. a. mit folgenden Änderungen gerechnet werden: Im Sommer werden die Temperaturen um 1,5 bis 2,5 0C höher liegen als 1990. Im Winter liegt die Zunahme zwischen 1,5 und 3 0C. Die Niederschläge können im Sommer um bis zu 40 % geringer ausfallen, im Winter dagegen um bis zu 30 % zunehmen. Mit diesen mittleren Änderungen von Klimaparametern sind auch Verschiebungen bei den statistischen Verteilungen, zum Beispiel den Extremwerten verbunden. Da diese nicht zwangsläufig linearer Natur sind, können geringe Änderungen bei den Mittelwerten durchaus große Auswirkungen auf die statistische Verteilung der Extremwerte haben.3 Die Veränderung von klimatologischen Mittel- und Extremwerten hat bedeutsame Folgen für Mensch, Wirtschaft und Ökosysteme. Höhere Maximumtemperaturen führen zu einem höheren Sterberisiko vor allem bei älteren Menschen. Bei längeren Trockenperioden und Hitzewellen drohen Ernteausfälle. Mehr und intensivere Niederschläge werden zu mehr Erosion und Sachschäden mit zunehmenden Versicherungskosten führen. Der Bedarf an Energie für Heizung wird zurückgehen, der für Klimatisierung hingegen steigen. Längere Schönwetterperioden werden in einigen Regionen für die Freizeitindustrie sicherlich von Vorteil sein. Zugleich werden uns aber die Zunahme der Wasserkosten, regionale Wasserversorgungsprobleme oder gar Auseinandersetzungen über die Wasserverteilung belasten. 4 Regionale Klimamodelle Die räumliche Auflösung der globalen Modelle für die Anwendung in Wirkmodellen und damit zur Ermittlung der Folgen des Klimawandels reicht häufig nicht aus. Daher werden Regionalisierungsverfahren eingesetzt. Bei diesem sog. „downscaling“ kommen sowohl statistische als auch deterministische regionale Klimamodelle (auch „Regionalmodelle“ genannt) zur Anwendung. Diese simulieren die dynamischen 343 und thermodynamischen Vorgänge in der Atmosphäre aufgrund der physikalischen Gesetze, ähnlich wie Wettervorhersagemodelle. Deterministisch heißt dabei, dass sich bei genau gleichen Anfangs- und Randbedingungen auch gleiche Modellergebnisse ergeben sowie Änderungen physikalischer Parameter wie z. B. des Bodenwassergehalts sich direkt als „Klimasignal“ z. B. in der Lufttemperatur widerspiegeln können. Wegen der räumlichen Begrenzung des Simulationsgebiets (Europa, Deutschland) ist sowohl eine Verringerung der Gitterweite (derzeit bis etwa 10 km) als auch eine Verfeinerung der Modellphysik möglich. Solche Modelle werden durch die Ergebnisfelder der Globalmodelle angetrieben. Zur Gruppe dieser deterministischen Regionalmodelle gehören zwei in Deutschland betriebene Modelle, die beide auf vom DWD entwickelten numerischen Wettervorhersagemodellen basieren. Dies sind zum einen das Modell „REMO“ (Regionales Modell), das beim Max Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) angewendet wird 4, und zum anderen das „CLM“ (Climate Local Model). Letzteres wird von einem Konsortium gepflegt, bestehend aus verschiedenen Hochschulinstituten, der GKSS (Gesellschaft für Kommunikation, Schutz und Sicherheit) und dem Deutschen Wetterdienst (DWD). Die Koordination liegt bei der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus.5 2007 wurden der Klima- und Vorhersagemodus wieder in einem gemeinsamen Modell zusammengeführt, dem CCLM (COSMO-CLM). Globale und regionale Klimamodelle unterscheiden sich von den ursprünglich zugrunde liegenden Wettervorhersagemodellen dadurch, dass sie nicht nur für einen mehrtägigen oder bis zu zweiwöchigen Vorhersagezeitraum angewendet werden, sondern für bis zu mehrhundertjährige Zeiträume. Eine Klimasimulation setzt – neben der zeitlich vorgeschriebenen Konzentration strahlungsrelevanter atmosphärischer Gase (aus den oben genannten Klimaszenarien) – hierzu eine der jeweiligen räumlichen Gitterauflösung angepasste Beschreibung der zeitlichen Variation der unteren Randbedingungen voraus, die insbesondere die (jahres)zeitliche Änderung der Vegetation sowie den Zustand der Ozeane (z. B. die Wasseroberflächentemperatur, Vereisung der Meeresoberfläche, Meeresströmungen) zum Gegenstand hat. (3) Umweltbundesamt (Hrsg.): Berechnung der Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten von Extremereignissen durch Klimaänderungen – Schwerpunkt Deutschland. – Dessau 2005. = Climate Change 07/05 (www. umweltdaten.de/publikationen/ fpdf-l/2946.pdf) (4) Jacob, D.: REMO Climate of the 20th century run No. 006210. 1950–2000 and A1B scenario run No. 006211, 2001–2100. UBA project, 0.088 degree resolution, 1h data (2005, CERADatenbank: http://cera-www. dkrz.de/WDCC/ui/BrowseExperiments.jsp?proj=REMOUBA) (5) Keuler, K.; Lautenschlager, M.: Climate Simulations with CLM. Climate of the 20th Century run No. 1, 1960–2000, Data Stream 2 and Scenario A1B run No. 1, 2001–2100. Data Stream 2, European Region, MPl-M/MaD. (2006, CERA-Datenbank: http:// cera-www.dkrz.de/WDCC/ui/ BrowseExperiments.jsp?proj =CLM_regional_climate_model_runs) 344 Paul Becker, Thomas Deutschländer, Meinolf Koßmann, Joachim Namyslo, Andrea Knierim: Klimaszenarien und Klimafolgen Zusätzlich haben regionale Klimamodelle mit den (regionalen) Wettervorhersagemodellen gemeinsam, dass der Korrektur der Modellorografie bzgl. einer zwar dem Modellgitter angepassten, aber doch möglichst realitätsnahen Beschreibung der Flusseinzugsgebiete für hydrologische Fragestellungen eine besondere Bedeutung zukommt. Die Lösung der Modellgleichungen in den deterministischen Modellen erfordert die Definition eines Raum- und Zeitgitters. Alle Zustandsvariablen der Atmosphäre (Luftdruck, Wind, Lufttemperatur usw.) sind nur an den diskreten Punkten dieses Gitters darstellbar (skalige Variable an diskreten Raumpunkten und für diskrete Zeitschritte). Einer direkten Simulation im Gitter des Modells sind nur solche Prozesse zugänglich, die charakteristische Abmessungen von mindestens dem doppelten Gitterpunktabstand des Modellgitters haben (skalige Prozesse). Auch im bereits gegenüber den globalen Klimamodellen wesentlich engmaschigeren numerischen Gittern der regionalen Klimamodelle ist es nicht möglich, so wichtige Vorgänge wie z. B. den turbulenten Austausch von Impuls, fühlbarer Wärme und Wasserdampf zwischen dem Erdboden und den untersten Atmosphärenschichten direkt zu simulieren. Die hierbei ablaufenden Prozesse haben typische Abmessungen von nur wenigen Metern. Unmittelbar an der Erdoberfläche erfolgen die Transporte sogar durch molekulare Prozesse. Auch andere wichtige Vorgänge wie die Bildung und das Anwachsen von Niederschlagspartikeln oder die Strahlungstransporte spielen sich auf sehr kleiner bzw. molekularer Skala ab. Alle diese Vorgänge entziehen sich damit einer direkten Simulation im Gitter des Modells. Sie sind in Bezug auf das Modellgitter „subskalig“, im Gegensatz zu den direkt simulierbaren skaligen Prozessen. Trotzdem dürfen sie nicht vernachlässigt werden. Außerdem treten in der Atmosphäre intensive Wechselwirkungen zwischen allen Prozessen auf, auch wenn sie ganz unterschiedliche charakteristische Abmessungen haben. Deshalb sind alle subskaligen Prozesse auch für die korrekte Simulation der skaligen Prozesse in Klimamodellen wichtig und müssen „parametrisiert“ werden, womit man die Beschreibung der subskaligen Prozesse mit Hilfe der an den Modellgitterpunkten vorhergesagten skaligen Zustandsvariablen sowie die Bestimmung der zeitlichen Änderung der Zu- standsvariablen aufgrund dieser Prozesse bezeichnet. Die wichtigsten parametrisierten Prozesse sind: • Strahlungstransporte • Bildung und Anwachsen von Niederschlagspartikeln (Regen und Schnee) • turbulenter Austausch von Impuls und fühlbarer Wärme zwischen Erdoberfläche und Atmosphäre • Verdunstung an der Erdoberfläche in Abhängigkeit von der Intensität des turbulenten Austauschs, vom Energieangebot, vom im Boden verfügbaren Wasser und vom Zustand der Pflanzendecke • Bildung von Schauern und Gewittern (hochreichende Konvektion mit schnellem Vertikaltransport von Wärme und Wasserdampf). Zudem wird die Flächennutzung nur über prozentuale Flächenanteile der untersten atmosphärischen Gitterquader und die jeweils flächennutzungsabhängig zugeordneten Modellparameter unterschieden. Das regionale Klimamodell REMO ist ein „hydrostatisches“ Modell, d.h. die wichtige Größe der Vertikalbewegung wird nicht als prognostische Variable behandelt, sondern über die Bedingung der Massenerhaltung diagnostiziert. Dies beschränkt die horizontale Gitterauflösung auf maximal etwa 10 km, die für die hier betrachteten Klimaprojektionen auch verwendet wurde. Die prognostischen Variablen sind der Luftdruck am Boden, die Lufttemperatur, die horizontalen Windkomponenten, die spezifische Feuchte und das Wolkenwasser, die auf 27 Rechenflächen in der Atmosphäre gelöst werden. Zusätzlich werden die Temperatur und der Wassergehalt im Boden auf fünf Rechenflächen bis etwa 10 m Tiefe berechnet. Dabei werden der Oberflächenabfluss sowie eine schnelle und langsame Drainage des Niederschlags- bzw. Bodenwassers berücksichtigt sowie Interzeptionswasser und die Schneemenge diagnostiziert. Das CLM unterscheidet sich zum REMO insbesondere durch die nicht-hydrostatische Form der Navier-Stokes-Gleichungen, d. h. für die Vertikalgeschwindigkeit wird die entsprechende zeitabhängige (prognostische) Gleichung der 3. Bewegungskomponente gelöst. Dies gestattet prinzipiell Informationen zur Raumentwicklung Heft 6/7.2008 höhere Gitterauflösungen (theoretisch z. B. bis 100 m) sowie eine erheblich bessere Simulation konvektiver und orographisch bedingter Strömungsstrukturen als bei hydrostatischen Modellen. Tatsächlich ist aber nur eine höhere Gitterauflösung sinnvoll, wenn diese auch mit entsprechenden orographischen, bodenphysikalischen und Flächennutzungsdaten belegt und der erhöhte Rechenaufwand auch geleistet werden kann. Während das Modell REMO als „hydrostatisches Modell“ mit einer Auflösung des horizontalen Gitters von 10 km für die vorliegenden Klimaprojektionen bereits an seine „Grenze“ gegangen ist, wurde für das „nicht-hydrostatische“ CLM für die bisher vorliegenden Klimaprojektionen daher „nur“ eine geringere horizontale Gitterauflösung von etwa 20 km gewählt. Bei deutlicher Verringerung der Gitterweite (z. B. unter 5 km) muss die Parametrisierung zudem angepasst werden, insbesondere die der hochreichenden Konvektion. Die prognostischen Variablen des CLM sind horizontale und vertikale Windkomponenten, Luftdruck, Lufttemperatur, Wasserdampf, Wolkenwasser, Wolkeneis und turbulente kinetische Energie, die auf insgesamt 32 atmosphärischen Modellflächen vom Boden bis etwa 22 km Höhe berechnet werden. Zusätzlich werden die Temperatur und der Wassergehalt in zehn Bodenschichten bis etwa 15 m Tiefe sowie Schneemenge und Interzeptionswasser berechnet. Zu den statistischen Downscaling-Verfahren gehören das „WETTREG“-Verfahren der Firma CEC-Potsdam 6 sowie das Modell „STAR“ des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) 7. Beide Modelle basieren auf einer Neuzusammensetzung typisierter Witterungsabschnitte des Ist-Klimas. Zur Erzeugung regionaler Klimaprojektionen werden die Häufigkeiten der typisierten Witterungsabschnitte aus den globalen Klimaprojektionen abgeleitet und mittels statistischer Methoden in regionale Felder umgesetzt. Die eigentliche Typisierung der Witterungsabschnitte erfolgt bei beiden Modellen einheitlich anhand der Temperatur auf regionaler Skala. Das WETTREG-Verfahren unterteilt die Zeitreihe der Regionaltemperatur dabei zunächst in aufeinanderfolgende Abschnitte mit Temperaturen oberhalb und unterhalb der jahreszeitüblichen 345 Werte. Zur weiteren Differenzierung werden diese Witterungsepisoden in Bezug zur großräumig herrschenden Wetterlage 8 gesetzt. Das Modell STAR hingegen zerlegt die Zeitreihe in einzelne Zwölftagesblöcke und unterzieht diese einer Ähnlichkeitsanalyse allein auf Basis der Regionaltemperatur. Die Verknüpfung mit den globalen Klimamodellen ist in beiden Modellen sehr unterschiedlich realisiert. Das WETTREGVerfahren bestimmt zunächst die Häufigkeitsverteilung der vom Globalmodell simulierten Wetterlagen. Im Anschluss werden die einzelnen Witterungsabschnitte mittels eines Zufallsgenerators neu zusammengestellt. Diese Neuanordnung geschieht unter Beachtung der Nebenbedingung, dass die Häufigkeitsverteilung der Wetterlagen innerhalb der resultierenden Zufallszeitreihe derer des globalen Klimamodells möglichst exakt entspricht. Durch die Einhaltung dieser Zwangsbedingung können Zeitreihen entstehen, deren mittlere Charakteristika sich vom Ist‑Klima signifikant unterscheiden. Im Vergleich dazu ist der Ansatz des Modells STAR wesentlich direkter. Hier wird die vom Globalmodell projizierte Temperaturänderung für die betrachtete Region selbst als Trendvorgabe für die Neuzusammensetzung der Witterungsabschnitte verwendet. Die Neuanordnung geschieht dabei grundsätzlich unter Annahme eines einfachen linearen Temperaturverlaufs. Das Verfahren verzichtet bewusst auf die Berücksichtigung der von den globalen Klimamodellen simulierten großräumigen Feldverteilungen der atmosphärischen Zirkulation. Insbesondere für die Klimafolgenforschung von großer Bedeutung ist die Eigenschaft des WETTREG-Verfahrens, neue, bislang noch nicht beobachtete Extremwerte zu modellieren. In Abhängigkeit des regionalen Klimaparameters werden hierfür unterschiedliche Ansätze verfolgt. Für die meisten meteorologischen Größen wird ein mehrfacher Regressionsansatz verwendet, der die regionalen Klimaparameter mit den großräumigen atmosphärischen Verhältnissen in Beziehung setzt. Verlassen die von den Globalmodellen simulierten großskaligen atmosphärischen Zustandsvariablen den Wertebereich des Ist-Klimas, so können auch auf der regionalen Skala neue Extreme auftreten. Streng betrachtet handelt es sich daher um eine leichte Extrapolation. (6) Enke, W.; Deutschländer, T.; Schneider, F.; Küchler, W.: Results of five regional climate studies applying a weather pattern based downsaling method to ECHAM4 climate simulations. Metereologische Zeitschrift 14 (2005), S. 247–257 (DOI 10.1127/ 0941-2948/2005/0028) (7) Orlowsky, B.; Gerstengarbe, F.-W.; Werner, P.C.: A resampling scheme for regional climate simulations and its performance compares to a dynamical RCM. Theor. Appl. Climatol. Online published (2007) (DOI 10.1007/s00704-007-0352-y) (8) Eine Wetterlage stellt einen Zustand der Atmosphäre in einem größeren Gebiet und zu einem bestimmten Zeitpunkt dar. Sie ist durch die Lage der Hochund Tiefdruckgebiete geprägt und ändert sich von Tag zu Tag nur wenig. 346 Paul Becker, Thomas Deutschländer, Meinolf Koßmann, Joachim Namyslo, Andrea Knierim: Klimaszenarien und Klimafolgen Eine Ausnahme von der bislang beschriebenen Vorgehensweise bildet die Behandlung des Niederschlags beim WETTREGVerfahren. Dieser Parameter weist weder mit der Regionaltemperatur noch mit den großräumigen atmosphärischen Zustandsvariablen einen hinreichend engen Zusammenhang auf. Um dennoch ausreichend realistische Niederschlagszeitreihen simulieren zu können, bedient sich das WETTREG-Verfahren eines zweistufigen Ansatzes. In einem ersten Schritt werden die Häufigkeitsverteilungen der Wetterlagen im Globalmodell erneut analysiert, in diesem Falle jedoch speziell in Bezug auf die mit ihnen einhergehenden regionalen Niederschlagsmengen. Anschließend werden einzelne Niederschlagsmengen der Simulationszeitreihe so lange gezielt erhöht bzw. verringert, bis die neu entstandene Niederschlagsreihe die Resultate der zweiten Analyse der Wetterlagenhäufigkeiten optimal widerspiegelt. Für die Schaffung bislang noch nicht registrierter Zustandswerte wird zusätzlich ein Extremwertverfahren verwendet. Durch Anpassung von theoretischen Extremwertverteilungen an die Verteilungen der vom Verfahren modellierten Zufallszeitreihen können sog. Jährlichkeiten für bestimmte Niederschlagsereignisse ermittelt werden. Im Anschluss werden die Niederschlagszeitreihen nach Zufallsprinzip derart manipuliert, dass sie die berechneten Wiederkehrintervalle auch tatsächlich enthalten. Dabei wird – wie auch beim ersten Schritt – auf die Einhaltung der physikalischen Plausibilität geachtet. 5 Erwartete Klimaänderungen Alle vorgestellten regionalen Modelle wurden mit demselben globalen Klimamodell verknüpft. Vergleicht man die Modellergebnisse, so stellt man fest, dass sie zum Teil erheblich voneinander abweichen. Hier kommen die unterschiedlichen physikalischen bzw. statistischen Eigenschaften der Modelle zum Tragen. Für das A1b-Szenario ergaben sich z. B für den Zeitraum 2021–2050 folgende Ergebnisse (s. a. Abb.): Alle vier Modelle lassen eine Temperaturzunahme um 1 0C bis maximal 2,25 0C erwarten. Dabei simulieren die numerischen Modelle CLM und REMO in weitgehender Übereinstimmung ein deutschlandweites Änderungssignal von 1 bis 1,25 0C. Die statistischen Modelle weichen hingegen ab. So ist nach dem Modell WETTREG mit einer von Ost nach West größer werdenden Temperaturzunahme um bis zu 1 0C zu rechnen, bei STAR erreicht die Temperaturerhöhung im Südosten Deutschlands mit über 2 0C etwa 0,25 0C höhere Werte als die im übrigen Gebiet von diesem Modell simulierte Änderung der Temperatur. Auch bezüglich der Niederschläge unterscheiden sich die Resultate der numerischen und der statistischen Modelle. Im Gegensatz zu den Ergebnissen für die Jahresmitteltemperatur stimmen die Aussagen der beiden statistischen Modelle WETTREG und STAR dabei aber weitgehend überein. Beide Modelle deuten auf eine Reduktion der Niederschläge in den östlichen und südlichen Landesteilen hin (WETTREG 5 bis 10 % weniger Niederschlag, STAR bis zu 15 % weniger Niederschlag). Die numerischen Modelle zeigen kein eindeutiges Signal. Eine Differenzierung des Niederschlags nach Jahreszeiten ergibt eine Reihe von zusätzlichen Details. Danach zeigen alle Modelle einen Rückgang der Sommerniederschläge zwischen 5 % und 25 %. Für die anderen Jahreszeiten zeigen die Modelle sehr unterschiedliche Ergebnisse. Für den Zeitraum 2071–2100 wird ein weiterer Anstieg der Jahresmitteltemperaturen erwartet. CLM und REMO simulieren weitgehend übereinstimmend eine Zunahme zwischen 2,75 und 4 0C. Die höchsten Werte werden dabei für den Süden Deutschlands projiziert. Für den Norden werden geringere Werte erwartet, d. h. es besteht ein deutlich ausgeprägter Nord-Süd-Gradient. WETTREG simuliert hingegen einen deutschlandweiten Temperaturanstieg um 2 bis 2,5 0C. Der Jahresniederschlag wird sich zwischen 2071 und 2100 nur unwesentlich von den heutigen Verhältnissen unterscheiden. Es muss jedoch mit einer deutlichen Verschiebung des Niederschlagszyklus gerechnet werden. Alle drei Modelle zeigen eine deutliche Zunahme der Winterniederschläge bei gleichzeitiger Abnahme der Niederschläge im Sommer. Dabei werden für den Sommer Niederschlagsrückgänge von bis zu 40 % projiziert. Die stärksten Niederschlagsrückgänge werden für den Südwesten Deutschlands erwartet. Das Modell WETTREG simuliert zusätzlich noch für eine weitere Region im Nordosten einen Rückgang der Informationen zur Raumentwicklung Heft 6/7.2008 Regionale Auswirkungen des Klimawandels (Emissionsszenario A1B) Datenquellen:REMO: MPI-M i. A. des Umweltbundesamtes, 2006; CLM: MPI-M/MaD i. A. des BMBF; WETTREG: Meteo Research i. A. des Umweltbundesamtes, 2006; STAR: PIK Potsdam, 2007 347 348 Paul Becker, Thomas Deutschländer, Meinolf Koßmann, Joachim Namyslo, Andrea Knierim: Klimaszenarien und Klimafolgen Niederschläge um bis zu 40 % im Sommer. Für die übrigen Landesteile simulieren die Modelle für das Sommerhalbjahr Niederschlagsrückgänge zwischen 15 und 25 %, wobei die einzelnen Modelle recht gut übereinstimmen. Für das Winterhalbjahr werden z.T. noch deutlichere Änderungen simuliert. Das CLM simuliert eine von Süd nach Nord größer werdende Zunahme, die zwischen 25 und 40 % liegt. Nach den Projektionsergebnissen des Modells REMO ist eine deutschlandweit relativ einheitliche Zunahme zwischen 5 und 25 % zu erwarten. Davon weichen die westlichen Mittelgebirgsregionen mit Niederschlagszunahmen von bis zu 40 % und eine Zone im Bereich der Nordseeküste ab, die ebenfalls Änderungen zwischen 25 und 40 % aufweist. Beim Modell WETTREG ist der Einfluss der Orographie auf das Änderungssignal des Niederschlags besonders deutlich zu erkennen. Grundsätzlich nimmt hier die Niederschlagsänderung von Ost nach West von 15 auf 55 % zu. Es ist also ein starker Ost-West-Gradient erkennbar. Dieser Struktur sind Bereiche in den Mittelgebirgsregionen von Hessen und Rheinland-Pfalz sowie den nordöstlichen Landesteilen Bayerns überlagert, für die Niederschlagszunahmen von bis zu 70 % simuliert werden. 6 Quantitative Abschätzung von Klimafolgen mit Wirkmodellen Um die Auswirkungen der Klimaänderung auf die unterschiedlichen Lebensbereiche quantifizieren zu können, sind sog. Wirkmodelle erforderlich. Ein Beispiel dafür ist das „Klima-Michel-Modell“. Mit ihm kann unter Vorgabe der benötigten Eingangsdaten aus den Zeitreihen der Lufttemperatur, der Luftfeuchtigkeit, der Windgeschwindigkeit und des Grades der Wolkenbedeckung die Zahl der Tage mit Wärmebelastung für den Menschen berechnet werden. Für den Bereich der Stadt- und Umweltklimatologie können mit dem Stadtklimamodell „MUKLIMO_3“ die sich innerhalb der Stadtgebiete einstellenden klimatologischen Verhältnisse für ausgewählte Wettersituationen detailliert simuliert werden. Unter den Vorgaben der genannten regionalen Klimaprojektionen und unter Verwendung des „Klima-Michel-Modells“ wird es damit möglich sein, Aussagen über die in Zukunft zu erwartende Wärmebelastungsverteilung in Städten zu treffen. Zur künftigen Unterstützung der Regionalplaner und der Bundesländer bei der Kartierung klimasensibler Flächen/Gebiete können auch sog. Klimaeignungskarten eingesetzt werden. Mit ihnen können Durchlüftungsgrade und vorrangig zu sichernde Freiflächen ausgewiesen werden. Beide Größen werden bei der zu erwartenden steigenden Wärmebelastung eine zunehmende Rolle in der Flächennutzungsplanung einnehmen. 7 Reduzierung der Unsicherheit bei regionalen Klimaprojektionen Der Anwender steht häufig vor der Frage, welches Simulationsergebnis er als Eingabedatensatz für seine Wirkmodelle verwenden soll. Beim Aufbau einer regionalisierten Klimasimulation ist grundsätzlich zu bedenken, dass eine Reihe von Unsicherheitsquellen vorhanden ist. Eine davon bilden die Annahmen über die Emissionsentwicklungen der Treibhausgase und der Aerosole. Diese Annahmen sind abhängig von den erwarteten Entwicklungen etwa im Bereich Wirtschaft, Bevölkerung, Landnutzung u. a., die sich aber nur grob abschätzen lassen. Daher wird mit plausiblen Szenarien (Szenarienrechnungen oder Projektionen) gearbeitet, die alle gleichwahrscheinlich sind. Auch das Klimasystem der Erde selbst mit seinen komplexen Prozessen ist noch längst nicht vollständig verstanden. Aus diesem Nichtverstehen erwachsen bei der Modellierung natürlich ebenfalls beträchtliche Fehlerquellen. Darüber hinaus sind die verwendeten Modelle immer nur Näherungen der Wirklichkeit. Die Erfahrung mit Wettervorhersagemodellen hat aber gezeigt, dass sich die Unsicherheiten quantifizieren bzw. eingrenzen lassen, wenn mit mehreren verschiedenen Modellen gearbeitet wird. Von dieser Philosophie wird bei Nutzung der globalen Modelle Gebrauch gemacht, die im IPCCProzess eingesetzt werden. In jüngerer Zeit findet diese sehr kostenaufwändige Technik auch bei der Regionalmodellierung Anwendung. Durch diese Zusammenschau von Modellen mit unterschiedlichen physikalischen bzw. statistischen Eigenschaften wird ein Resultatsraum aufgespannt, der mehrere mögliche Klimaentwicklungen Informationen zur Raumentwicklung Heft 6/7.2008 vereint. Stimmen die Einzelaussagen gut überein, kann von einer relativ geringen Unsicherheit ausgegangen werden. Ist dies nicht der Fall, sind die Einzellösungen als gleichwahrscheinlich anzusehen. Es verbleibt jedoch die Möglichkeit der Bildung einer Spanne, innerhalb derer sich die tatsächliche Klimaentwicklung mit recht hoher Wahrscheinlichkeit bewegen wird. In Analogie zur numerischen Wettervorhersage kann davon ausgegangen werden, dass sich die Zuverlässigkeit mit wachsender Ensemble-Stärke erhöht. Abhängig ist die Verlässlichkeit der Projektionsergebnisse auch vom betrachteten Klimaelement und von der Länge des Vorhersagezeitraums. 8 Risikokommunikation für gesellschaftliche Schutz- und Anpassungsmaßnahmen zum Klimawandel Für Politik und Verwaltungen sowie für Verbände und Interessenorganisationen stellt sich angesichts dieser Datenbreite und den mit den Prognosen verbundenen Unsicherheiten die Frage nach dem angemessenen Umgang mit den vorhandenen Informationen und den erwarteten Risiken. Wie ist eine verantwortungsvolle Kommunikation in die Fachwelt und in die breite Öffentlichkeit zu gestalten? Auf der Fachtagung des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung zu „Raumentwicklungsstrategien zum Klimawandel“ am 30. Oktober 2007 wurde betont, dass sowohl auf individueller wie auf gesellschaftlicher Ebene Abstimmungsund Abwägungsprozesse erforderlich sind, um das richtige Maß an Sicherheit und Schutz gegenüber der individuellen Verantwortung für Risikovermeidung und Risikoanpassung zu bestimmen.9 Dies erfordert eine differenzierte Risikokommunikation, die den Ansprüchen und Besonderheiten der unterschiedlichen Akteure entspricht und z. B. die einzelnen Bürgerinnen und Bürger weder über- noch unterfordert. Angemessene Risikokommunikation darf allerdings nicht lediglich gelungene Öffentlichkeitsarbeit bedeuten, sondern muss sich als ein dialogischer Prozess verstehen, der Risikomündigkeit und einen pro-aktiven Umgang mit den absehbaren Unsicherheiten in der Bevölkerung zum Ziel hat.10 Da bisher noch keine systematische 349 Darstellung von Möglichkeiten und Methoden der Risikokommunikation im Zusammenhang mit dem Thema Klimaanpassung erfolgt ist, wird im Folgenden auf Literatur zu den Bereichen Gesundheitsvorsorge/ Verbraucherschutz und Hochwasserschutz zurückgegriffen. Berücksichtigung findet außerdem eine empirische Annäherung an die Fragestellung aus der Untersuchung „Klimawandel in Deutschland“11. Partizipative Risikokommunikation, darauf weisen Carius und Renn12 hin, muss sich in Inhalt und Form nicht nur an der interessierten Fachöffentlichkeit, sondern auch an den betroffenen Laien orientieren, um wirksam zu sein. Während (natur)wissenschaftlich geschulte Akteure ein Risiko häufig über die mögliche Schadenshöhe und deren Eintrittswahrscheinlichkeit quantifizieren und bewerten, spielen bei anderen Menschen Faktoren wie die wahrgenommene persönliche Betroffenheit, das eigene Kontrollvermögen und auch intuitive Bewertungen eine Rolle. Wie Informationen von den jeweiligen Adressaten aufgenommen, eingeordnet und bewertet werden, muss daher situations- und fallbezogen eruiert werden. Dies sollte im Dialog oder über andere Formen der Rückmeldung geschehen. Am Beispiel von Untersuchungen zur Kommunikation von Risikodaten im Gesundheitsbereich (z. B. im Hinblick auf Krebs- oder Aidserkrankungen) konnte gezeigt werden, dass oft die Unsicherheit der vorliegenden Informationen bzw. die Bedeutung von Wahrscheinlichkeitsaussagen durch Experten nicht genügend klar vermittelt wurden, was z. T. gravierende individuelle Fehlentscheidungen zur Folge hatte.13 Andererseits treffen viele der sog. Laien-Entscheidungen, die auf Faustregeln und Erfahrungslernen beruhen, ins Schwarze und führen zu besseren Ergebnissen als solche, die statistisch oder durch Simulationsrechnungen abgesichert sind.14 Verantwortungsvolle Risikokommunikation muss daher die Grenzen und die Fehlerbehaftetheit der expertenbasierten Wissensvermittlung und auch den sorgfältigen Umgang mit dem eigenen Nichtwissen im Auge haben. Damit kommt auf die wissenschaftlichen und behördeninternen Experten zunächst die Herausforderung zu, Unsicherheiten in der externen Kommunikation nicht zu verschleiern, weil dies als Inkompetenz ausgelegt werden könnte, sondern diese verständlich offen- (9) Vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung: Raumentwicklungsstrategien zum Klimawandel. BBR-Workshop 30.10.07 im Umweltforum Berlin. Tagungsdokumentation siehe unter: www.bbr.bund.de/DE/ Forschungsprogramme/ModellvorhabenRaumordnung/Initiativen/Klimawandel/Fachtagung/ Klimawandel_Fachtagung.html (10) Carius, R.; Renn, O.: Partizipative Risikokommunikation – Wege zu einer risikomündigen Gesellschaft. Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz 46 (2003) H. 7, S. 578–585 (11) Umweltbundesamt (Hrsg.): Klimawandel in Deutschland – Vulnerabilität und Anpassungsstrategien klimasensitiver Systeme. – Dessau 2005. = Climate Change 8/2005 (www. umweltdaten.de/publikationen/ fpdf-l/2947.pdf) (12) Carius, R., Renn, O.: Parizipative Risikokommunikation, a. a. O. (13) Z.B. Gigerenzer, G.: Das Einmaleins der Skepsis. Über den richtigen Umgang mit Zahlen und Risiken. – Berlin 2002 (14) Gigerenzer, G.: Bauchentscheidungen. – München 2007, S. 56 f., 91 f. 350 Paul Becker, Thomas Deutschländer, Meinolf Koßmann, Joachim Namyslo, Andrea Knierim: Klimaszenarien und Klimafolgen zulegen und die wahrgenommenen Risiken so akkurat wie möglich darzustellen.15 (15) Kurzenhäuser, S.: Risikokommunikation in der BSE-Krise – Illusorische Sicherheit und Transparenz. Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz 44 (2001) H. 4, S. 336–340 (16) Hohmeyer, O.: Wissenschaft und Klimawandel: handeln, bevor es wehtut – warum eigentlich? In: Der UN-Weltklimareport. Hrsg.: Müller, M.; Fuentes, U.; Kohl, H. – Köln 2007, S. 138–142 (17) Carius, R.; Renn, O.: Partizipative Risikokommunikation, a. a. O., insbes. S. 582 (18) Umweltbundesamt (Hrsg.): Klimawandel in Deutschland, a. a. O. (19) Ebda., S. 161 Wird die Kommunikation über antizipierte Risiken als ein dialogischer Prozess gestaltet, der auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Entscheidungsebenen geführt wird, dann müssen einerseits die inhaltlichen Ausrichtungen und Handlungsfelder der Akteure, andererseits ihre Betroffenheit und Entscheidungskompetenzen in den Blick genommen werden. Bereits die Berichterstattung des IPCC trägt der Tatsache unterschiedlicher Interessen und Informationsverarbeitungskapazitäten Rechnung; sie reicht von umfangreichen Sachstandsberichten, die höchsten wissenschaftlichen Anforderungen entsprechen, über überschaubare technische Expertisen für die interessierte Fachöffentlichkeit bis zu knappen entscheidungsrelevanten Vorlagen für Politiker.16 Während im IPCC-Kontext die Wissenschaftsgemeinschaft der beteiligten Arbeitsgruppen maßgeblich die Rolle des „Senders“ im Kommunikationsprozess übernimmt, mit Politik und interessierter Fachöffentlichkeit als „Empfänger“, stellen Carius und Renn – im Zusammenhang mit gesundheitlichen Risiken – die Fachbehörden an den Ausgangspunkt der Risikokommunikation. Diesen Akteuren kommt die entscheidende Bedeutung für das gesellschaftliche Risikomanagement zu, wenn es also darum geht, den Umgang mit Risiken durch verwaltungsfeste Verfahren zu regeln. Für die Beteiligung weiterer gesellschaftlicher Gruppen empfehlen die Autoren – die Einbeziehung von behördenexternen Experten, wenn die Komplexität des Risikos überdurchschnittlich ist, – die Partizipation von Interessenvertretern bei hoher verbleibender Unsicherheit und – die Durchführung eines breiten öffentlichen Diskussionsprozesses im Fall von ambivalenten ethischen Entscheidungen.17 Die vom Umweltbundesamt herausgegebene Studie zu Vulnerabilität und Anpassungsstrategien klimaempfindlicher Handlungssysteme18 hat u. a. die Risikoeinschätzung und wahrgenommenen Anpassungsoptionen der Akteursgruppen „Fachbehörde“ und „Interessenvertreter“ erhoben. Angesprochen wurden zum einen Experten von Landesfachbehörden aus den Handlungsfeldern Wasser-, Land- und Forstwirtschaft, Naturschutz, Gesundheit, Tourismus und Verkehr. Im vorliegenden Kontext zunächst interessant ist die Frage nach der behördeninternen Bedeutung der Klimaproblematik. Obwohl die Ergebnisse angesichts der geringen Antwortzahl (s. Tabelle) mit Zurückhaltung zu interpretieren sind, spiegeln sie eine allgemeine Sensibilisierung der Behörden für das Thema wider. Auffällig sind einerseits die vergleichsweise starke Resonanz im Forstsektor und andererseits die geringe Problemwahrnehmung im Verkehrsbereich. Die anschließende Befragung von Interessenvertretern aus diesen Handlungsfeldern zeigte, dass diese die Wichtigkeit des Themas Klimawandel und Klimaanpassung deutlich höher einschätzen als die Behördenvertreter. Mit gut 56 % hält mehr als die Hälfte von ihnen dieses Thema für entweder sehr wichtig oder wichtig und sieht dazu einen hohen Informations- und Vernetzungsbedarf.19 Relevanz der Klimawandel-Anpassungsproblematik in Fachressorts auf Länderebene (Anzahl der Nennungen) Bewertung Wasserwirtschaft Landwirtschaft wichtig 2 2 8 1 2 3 etwas wichtig 4 2 3 3 1 4 nicht wichtig 1 2 2 3 7 6 sehr wichtig Forst Naturschutz/ GesundBiodiversität heit Tourismus Verkehr 2 k. A. 2 18 2 19 3 11 5 52 2 Quelle: UBA 2005b, eigene Zusammenstellung 13 Σ 8 2 6 7 Informationen zur Raumentwicklung Heft 6/7.2008 Obwohl also insgesamt eine gewisse Sensibilisierung für die Notwendigkeit von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel konstatiert werden kann, ist dies sicherlich noch nicht ausreichend, um eine breite gesellschaftliche Diskussion über die Risiken des Klimawandels und angemessene Verhaltensreaktionen abzusichern. Bereits unter Einsatz öffentlicher Mittel im Entstehen und weiter einzurichten sind Meinungsbildungs- und Austauschforen, und zwar sowohl vertikal über die unterschiedlichen politischen Entscheidungsebenen wie auch horizontal auf lokale und regionale Räume 351 ausgerichteter. Dabei wird es im Hinblick auf das Ausmaß und die Langfristigkeit der erforderlichen Veränderungen, die sowohl das individuelle Verhalten wie auch gesellschaftliche Institutionen betreffen, darauf ankommen, die Kommunikation als gemeinsamen Lernprozess zu gestalten. In Anlehnung an das strategische Risikomanagement im Hochwasserschutz 20 wird dafür als Leitmotiv der Risikokommunikation „learning to live with climate change“ vorgeschlagen. (20) Hutter, G.: Strategies for Flood Risk Management – a Process Perspective. In: Flood Risk Management – Hazards, Vulnerability and Mitigation Measures. Hrsg.: Schanze, J.; Zeman, E.; Marsalek, J. – Berlin 2006