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Informationen zur Raumentwicklung
Heft 6/7.2008
341
Klimaszenarien und Klimafolgen
1 Klimawandel und -folgen:
Was wissen wir?
Nach Berichten des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) 1 bestehen
kaum noch Zweifel, dass sich das Klima
durch die Einflussnahme des Menschen
ändert. Die Atmosphäre der Erde hat sich
global zwischen 1906 und 2005 um 0,74 0C
erwärmt (linearer Trend). Dabei ist in den
letzten Jahren eine deutlich beschleunigte
Entwicklung zu beobachten.
In Deutschland betrug der Anstieg der Lufttemperatur seit 1901 im linearen Trend
0,9 0C und im polynomischen Trend sogar
etwa 1 °C seit 1990. Dabei zeigten sich allerdings erhebliche räumliche Unterschiede.
Besonders ausgeprägt ist der Temperaturanstieg seit 1901 im Südwesten; für das
Saarland wurde eine Erwärmung um 1,2 0C
seit 1901 berechnet. Nach Nordosten hin
fällt der Anstieg wesentlich geringer aus
und erreichte in Mecklenburg-Vorpommern
nur noch 0,4 0C. Dabei war eine ganze Reihe von Rekorden zu verzeichnen: So war
z. B. der Winter 2006/2007 der wärmste
Winter in Deutschland seit 1901.
Neben der Zunahme der bodennahen Lufttemperatur wurden eine Erwärmung der
Ozeane und ein Anstieg des Meeresspiegels
beobachtet. Der Meeresspiegel stieg im 20.
Jahrhundert um etwa 17 cm im globalen
Mittel. Auslöser hierfür sind schmelzende
Gletscher, Eiskappen und Eisschilde sowie
die thermische Ausdehnung des Meeres.
Auch die Menge und die Verteilung des Niederschlags haben sich während des letzten
Jahrhunderts geändert. In Deutschland
wurde insgesamt eine leichte Zunahme des
Niederschlags im Jahresmittel beobachtet.
Er ist jedoch aufgrund der starken natürlichen Schwankungen als statistisch nicht
signifikant anzusehen. Wie bei der Temperatur zeigen sich auch beim Niederschlag
große regionale Unterschiede. Die Zunahme ist im Wesentlichen auf West- und Süddeutschland beschränkt. In Sachsen und
Brandenburg ergibt sich sogar eine schwach
Paul Becker
Thomas Deutschländer
Meinolf Koßmann
Joachim Namyslo
Andrea Knierim
abnehmende Tendenz. Nur in den Wintermonaten fand man eine Zunahme der Niederschläge in allen Bundesländern. Auch
hier sind die jährlichen Schwankungen allerdings sehr groß.
Bezüglich des Windes konnten zwar einige
periodische Schwankungen festgestellt werden. Ein durchgängiger Trend wurde jedoch
nicht beobachtet.
2 Klimaszenarien
Um Aussagen über die Auswirkungen
menschlichen Handelns auf das zukünftige
Klima der Erde machen zu können, werden
Klimamodelle und Klimaszenarien eingesetzt. Ein Klimaszenario ist dabei die mit
einem Klimamodell für die Zukunft berechnete Klimaveränderung, wobei die künftige
Entwicklung der für den Treibhauseffekt
relevanten Emissionen, das sog. Emissionsszenario (Emission von Treibhausgasen),
jeweils vorgegeben wird. Das mit dieser
Methode für eine künftige Zeitspanne berechnete Klima bezeichnet man auch als
Klimaprojektion. Man spricht also nicht
von Prognose oder Vorhersage wie bei der
Berechnung des Wetters der nächsten Tage
oder Woche, da das verwendete Emissionsszenario hypothetisch angesetzt wurde
und zudem das Verhalten des Klimasystems
nicht hinreichend bekannt ist.
Weichen ihre Anfangsbedingungen nur
leicht ab, so liegen trotz des „chaotischen“
Klimasystems die Lösungen von verschiedenen Klimasimulationen eines Klimamodells aber immer in einer bestimmten
Schwankungsbreite: Die Verläufe der
Klimasimulationen sind dann zwar verschieden, ihre zeitlichen Mittelwerte über
längere Zeiträume aber etwa gleich. Ein
Klimamodell, das über längere Zeiträume
rechnet, beschreibt somit einen möglichen
Witterungsverlauf als Klimaprojektion, dessen statistische Auswertung durchaus sinnvoll ist.
Dr. Paul Becker
Dr. Thomas Deutschländer
Dr. Meinolf Koßmann
Joachim Namyslo
Deutscher Wetterdienst
Abt. Klima- und Umweltberatung
Frankfurter Straße 135
63067 Offenbach
E-Mail: [email protected]
Dr. Andrea Knierim
Leibnizzentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V.
Institut für Sozialökonomie
Eberswalder Straße 84
15374 Müncheberg
E-Mail: [email protected]
342
Paul Becker, Thomas Deutschländer, Meinolf Koßmann, Joachim Namyslo, Andrea Knierim:
Klimaszenarien und Klimafolgen
Die Anwendungen von Klimamodellen erstrecken sich dabei von der Simulation des
gegenwärtigen Klimas über die Untersuchung der natürlichen Klimavariabilität bis
hin zur Berechnung des zukünftigen Klimas.
Die Simulationen des derzeitigen Klimas,
d. h. die sog. Kontrollläufe (im Allgemeinen
für den Zeitraum von 1951 bis 2000) für die
vorliegenden Klimaprojektionen, werden
als Referenz für Klimaänderungsszenarien
verwendet.
(1)
Intergovernmental Panel on
Climate Change – IPCC; Solomon, S.; Qin, D.; Manning, M.;
Chen. Z. et al. (eds.): Fourth
Assessment Report – Climate
Change 2007: The Physical
Science Basis. Contribution of
Working Group I to the Fourth
Assessment Report (AR4) of
the IPCC. – Cambridge, New
York 2007
(www.ipcc.ch/ipccreports/ar4wg1.html)
(2)
Intergovernmental Panel on
Climate Change – IPCC; Nakicenovic, N.; Swarts, R. (eds.):
Special Report on Emissions
Scenarios. – Cambridge, New
York 2000
Zur Erfassung des möglichen Spektrums der
künftigen Klimaänderung werden mehrere
globale Klimaprojektionen durchgeführt,
wobei jeweils sowohl unterschiedliche
Emissionsszenarien wie auch verschiedene
globale Klimamodelle verwendet werden.
Als Basis für die Klimaszenarien werden
zurzeit in der Regel die durch das IPCC
vorgelegten sog. SRES-Emissionsszenarien
(Special Report on Emissions Scenarios 2)
verwendet. Sie umfassen insgesamt vier
Szenarienfamilien, die eine Abschätzung
der zukünftigen Entwicklung der Emissionen sowie der daraus resultierenden
Konzentrationen der Treibhausgase liefern.
Dabei wird im Wesentlichen zwischen der
wirtschaftlichen und demographischen
Entwicklung sowie dem Grad der Globalisierung differenziert.
Die Szenarien der A1-Familie gehen von
einem schnellen wirtschaftlichen Wachstum in einer eher homogenen Welt, dabei
von wachsenden kulturellen und sozialen
Kontakten zwischen den unterschiedlichen
Regionen auf der Erde aus. Die technologische Entwicklung schreitet rasch voran,
wobei sich das Pro-Kopf-Einkommen auf
der Erde immer weiter angleicht. Die Bevölkerungszahl auf der Erde erreicht ihr Maximum in der Mitte dieses Jahrhunderts.
Die A2-Familie legt die Annahme einer sehr
heterogenen Welt zugrunde, die wirtschaftlich orientiert ist. Das Pro-Kopf-Einkommen steigt nur in einzelnen Gebieten und
das auch nur langsam. Das Bevölkerungswachstum setzt sich unvermindert fort.
Bei den Szenarien der B1-Familie wird wie
bei den Szenarien der A1-Familie eine rasche Globalisierung unterstellt, wobei allerdings von einem Wandel der wirtschaftlichen Strukturen ausgegangen wird. Es
wird ein Übergang hin zu einer Dienstleistungs- und informationstechnologisch orientierten Gesellschaft angenommen, wobei
die Einführung von umweltverträglichen
Techniken erheblichen Einfluss auf die
Treibhausgaskonzentrationen hat.
Die Szenarien der B2-Familie gehen wie
A2-Familie von einer heterogenen Welt aus,
wobei jedoch Umweltbewusstsein und soziales Denken eine erheblich größere Bedeutung haben.
3 Ergebnisse der globalen
Klimamodelle
Nach dem IPCC-Bericht 2007 ist bis 2100
ein Anstieg der globalen Mitteltemperatur
zwischen 1,1 und 6,4 0C zu erwarten. Die
Bandbreite der Ergebnisse ergibt sich zum
einen durch die unterschiedlichen Emissionsszenarien, zum anderen durch die verwendeten Modelle. Das bei Klimafolgenbetrachtungen besonders häufig betrachtete
Emissionsszenario A1B hat z. B. selbst noch
eine Bandbreite von 1,7 bis 4,4 0C.
Quelle: IPCC: Summary for Policymakers. In: Climate Change 2007: The Physical Science Basis.
– Cambridge, New York 2007 (s. Anm. 1)
Die Temperaturzunahme wird sich nicht
gleichmäßig über die Erde verteilen. Besonders betroffen sind die Kontinente
der mittleren und nördlichen Breiten. Für
den Meeresspiegel wird bis zum Ende des
21. Jahrhunderts ein deutlicher Anstieg
berechnet. Selbst das niedrige Emissionsszenario B1 geht von einem Anstieg von 18
bis 21 cm im globalen Mittel aus. Die Modellrechnungen für alle Emissionsszenarien
zeigen darüber hinaus einen Rückgang des
Meereises.
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Heft 6/7.2008
Bezüglich der Niederschläge wird in den
höheren Breiten eher eine Zunahme erwartet. Dagegen ist für die meisten subtropischen Landregionen eher eine Abnahme
wahrscheinlich.
Für Deutschland muss nach den Prognosen
des IPCC bis 2050 u. a. mit folgenden Änderungen gerechnet werden: Im Sommer
werden die Temperaturen um 1,5 bis 2,5 0C
höher liegen als 1990. Im Winter liegt die
Zunahme zwischen 1,5 und 3 0C. Die Niederschläge können im Sommer um bis zu
40 % geringer ausfallen, im Winter dagegen um bis zu 30 % zunehmen. Mit diesen
mittleren Änderungen von Klimaparametern sind auch Verschiebungen bei den statistischen Verteilungen, zum Beispiel den
Extremwerten verbunden. Da diese nicht
zwangsläufig linearer Natur sind, können
geringe Änderungen bei den Mittelwerten
durchaus große Auswirkungen auf die statistische Verteilung der Extremwerte haben.3
Die Veränderung von klimatologischen
Mittel- und Extremwerten hat bedeutsame
Folgen für Mensch, Wirtschaft und Ökosysteme. Höhere Maximumtemperaturen
führen zu einem höheren Sterberisiko vor
allem bei älteren Menschen. Bei längeren
Trockenperioden und Hitzewellen drohen
Ernteausfälle. Mehr und intensivere Niederschläge werden zu mehr Erosion und
Sachschäden mit zunehmenden Versicherungskosten führen. Der Bedarf an Energie für Heizung wird zurückgehen, der für
Klimatisierung hingegen steigen. Längere
Schönwetterperioden werden in einigen
Regionen für die Freizeitindustrie sicherlich
von Vorteil sein. Zugleich werden uns aber
die Zunahme der Wasserkosten, regionale
Wasserversorgungsprobleme oder gar Auseinandersetzungen über die Wasserverteilung belasten.
4 Regionale Klimamodelle
Die räumliche Auflösung der globalen Modelle für die Anwendung in Wirkmodellen und damit zur Ermittlung der Folgen
des Klimawandels reicht häufig nicht aus.
Daher werden Regionalisierungsverfahren
eingesetzt. Bei diesem sog. „downscaling“
kommen sowohl statistische als auch deterministische regionale Klimamodelle (auch
„Regionalmodelle“ genannt) zur Anwendung. Diese simulieren die dynamischen
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und thermodynamischen Vorgänge in der
Atmosphäre aufgrund der physikalischen
Gesetze, ähnlich wie Wettervorhersagemodelle. Deterministisch heißt dabei, dass sich
bei genau gleichen Anfangs- und Randbedingungen auch gleiche Modellergebnisse
ergeben sowie Änderungen physikalischer
Parameter wie z. B. des Bodenwassergehalts
sich direkt als „Klimasignal“ z. B. in der Lufttemperatur widerspiegeln können.
Wegen der räumlichen Begrenzung des Simulationsgebiets (Europa, Deutschland) ist
sowohl eine Verringerung der Gitterweite
(derzeit bis etwa 10 km) als auch eine Verfeinerung der Modellphysik möglich. Solche Modelle werden durch die Ergebnisfelder der Globalmodelle angetrieben. Zur
Gruppe dieser deterministischen Regionalmodelle gehören zwei in Deutschland betriebene Modelle, die beide auf vom DWD
entwickelten numerischen Wettervorhersagemodellen basieren. Dies sind zum einen
das Modell „REMO“ (Regionales Modell),
das beim Max Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) angewendet wird 4, und zum
anderen das „CLM“ (Climate Local Model).
Letzteres wird von einem Konsortium gepflegt, bestehend aus verschiedenen Hochschulinstituten, der GKSS (Gesellschaft für
Kommunikation, Schutz und Sicherheit)
und dem Deutschen Wetterdienst (DWD).
Die Koordination liegt bei der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU)
Cottbus.5 2007 wurden der Klima- und Vorhersagemodus wieder in einem gemeinsamen Modell zusammengeführt, dem
CCLM (COSMO-CLM).
Globale und regionale Klimamodelle unterscheiden sich von den ursprünglich zugrunde liegenden Wettervorhersagemodellen
dadurch, dass sie nicht nur für einen mehrtägigen oder bis zu zweiwöchigen Vorhersagezeitraum angewendet werden, sondern
für bis zu mehrhundertjährige Zeiträume.
Eine Klimasimulation setzt – neben der
zeitlich vorgeschriebenen Konzentration
strahlungsrelevanter atmosphärischer Gase
(aus den oben genannten Klimaszenarien) – hierzu eine der jeweiligen räumlichen Gitterauflösung angepasste Beschreibung der zeitlichen Variation der unteren
Randbedingungen voraus, die insbesondere
die (jahres)zeitliche Änderung der Vegetation sowie den Zustand der Ozeane (z. B.
die Wasseroberflächentemperatur, Vereisung der Meeresoberfläche, Meeresströmungen) zum Gegenstand hat.
(3)
Umweltbundesamt
(Hrsg.):
Berechnung der Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten von
Extremereignissen durch Klimaänderungen – Schwerpunkt
Deutschland. – Dessau 2005.
= Climate Change 07/05 (www.
umweltdaten.de/publikationen/
fpdf-l/2946.pdf)
(4)
Jacob, D.: REMO Climate of the
20th century run No. 006210.
1950–2000 and A1B scenario
run No. 006211, 2001–2100.
UBA project, 0.088 degree resolution, 1h data (2005, CERADatenbank:
http://cera-www.
dkrz.de/WDCC/ui/BrowseExperiments.jsp?proj=REMOUBA)
(5)
Keuler, K.; Lautenschlager, M.:
Climate Simulations with CLM.
Climate of the 20th Century run
No. 1, 1960–2000, Data Stream
2 and Scenario A1B run No. 1,
2001–2100. Data Stream 2,
European Region, MPl-M/MaD.
(2006, CERA-Datenbank: http://
cera-www.dkrz.de/WDCC/ui/
BrowseExperiments.jsp?proj
=CLM_regional_climate_model_runs)
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Paul Becker, Thomas Deutschländer, Meinolf Koßmann, Joachim Namyslo, Andrea Knierim:
Klimaszenarien und Klimafolgen
Zusätzlich haben regionale Klimamodelle
mit den (regionalen) Wettervorhersagemodellen gemeinsam, dass der Korrektur
der Modellorografie bzgl. einer zwar dem
Modellgitter angepassten, aber doch möglichst realitätsnahen Beschreibung der
Flusseinzugsgebiete für hydrologische Fragestellungen eine besondere Bedeutung zukommt. Die Lösung der Modellgleichungen
in den deterministischen Modellen erfordert die Definition eines Raum- und Zeitgitters. Alle Zustandsvariablen der Atmosphäre (Luftdruck, Wind, Lufttemperatur
usw.) sind nur an den diskreten Punkten
dieses Gitters darstellbar (skalige Variable
an diskreten Raumpunkten und für diskrete
Zeitschritte). Einer direkten Simulation im
Gitter des Modells sind nur solche Prozesse
zugänglich, die charakteristische Abmessungen von mindestens dem doppelten Gitterpunktabstand des Modellgitters haben
(skalige Prozesse). Auch im bereits gegenüber den globalen Klimamodellen wesentlich
engmaschigeren numerischen Gittern der
regionalen Klimamodelle ist es nicht möglich, so wichtige Vorgänge wie z. B. den turbulenten Austausch von Impuls, fühlbarer
Wärme und Wasserdampf zwischen dem
Erdboden und den untersten Atmosphärenschichten direkt zu simulieren. Die hierbei ablaufenden Prozesse haben typische
Abmessungen von nur wenigen Metern.
Unmittelbar an der Erdoberfläche erfolgen
die Transporte sogar durch molekulare Prozesse. Auch andere wichtige Vorgänge wie
die Bildung und das Anwachsen von Niederschlagspartikeln oder die Strahlungstransporte spielen sich auf sehr kleiner bzw.
molekularer Skala ab. Alle diese Vorgänge
entziehen sich damit einer direkten Simulation im Gitter des Modells. Sie sind in Bezug
auf das Modellgitter „subskalig“, im Gegensatz zu den direkt simulierbaren skaligen
Prozessen. Trotzdem dürfen sie nicht vernachlässigt werden. Außerdem treten in der
Atmosphäre intensive Wechselwirkungen
zwischen allen Prozessen auf, auch wenn
sie ganz unterschiedliche charakteristische
Abmessungen haben. Deshalb sind alle
subskaligen Prozesse auch für die korrekte
Simulation der skaligen Prozesse in Klimamodellen wichtig und müssen „parametrisiert“ werden, womit man die Beschreibung
der subskaligen Prozesse mit Hilfe der an
den Modellgitterpunkten vorhergesagten
skaligen Zustandsvariablen sowie die Bestimmung der zeitlichen Änderung der Zu-
standsvariablen aufgrund dieser Prozesse
bezeichnet.
Die wichtigsten parametrisierten Prozesse
sind:
• Strahlungstransporte
• Bildung und Anwachsen von Niederschlagspartikeln (Regen und Schnee)
• turbulenter Austausch von Impuls und
fühlbarer Wärme zwischen Erdoberfläche und Atmosphäre
• Verdunstung an der Erdoberfläche in Abhängigkeit von der Intensität des turbulenten Austauschs, vom Energieangebot,
vom im Boden verfügbaren Wasser und
vom Zustand der Pflanzendecke
• Bildung von Schauern und Gewittern (hochreichende Konvektion mit
schnellem Vertikaltransport von Wärme
und Wasserdampf).
Zudem wird die Flächennutzung nur über
prozentuale Flächenanteile der untersten
atmosphärischen Gitterquader und die jeweils flächennutzungsabhängig zugeordneten Modellparameter unterschieden.
Das regionale Klimamodell REMO ist ein
„hydrostatisches“ Modell, d.h. die wichtige
Größe der Vertikalbewegung wird nicht als
prognostische Variable behandelt, sondern über die Bedingung der Massenerhaltung diagnostiziert. Dies beschränkt die
horizontale Gitterauflösung auf maximal
etwa 10 km, die für die hier betrachteten
Klimaprojektionen auch verwendet wurde. Die prognostischen Variablen sind der
Luftdruck am Boden, die Lufttemperatur,
die horizontalen Windkomponenten, die
spezifische Feuchte und das Wolkenwasser, die auf 27 Rechenflächen in der Atmosphäre gelöst werden. Zusätzlich werden
die Temperatur und der Wassergehalt im
Boden auf fünf Rechenflächen bis etwa
10 m Tiefe berechnet. Dabei werden der
Oberflächenabfluss sowie eine schnelle und
langsame Drainage des Niederschlags- bzw.
Bodenwassers berücksichtigt sowie Interzeptionswasser und die Schneemenge diagnostiziert.
Das CLM unterscheidet sich zum REMO insbesondere durch die nicht-hydrostatische
Form der Navier-Stokes-Gleichungen, d. h.
für die Vertikalgeschwindigkeit wird die
entsprechende zeitabhängige (prognostische) Gleichung der 3. Bewegungskomponente gelöst. Dies gestattet prinzipiell
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Heft 6/7.2008
höhere Gitterauflösungen (theoretisch z. B.
bis 100 m) sowie eine erheblich bessere
Simulation konvektiver und orographisch
bedingter Strömungsstrukturen als bei hydrostatischen Modellen. Tatsächlich ist
aber nur eine höhere Gitterauflösung sinnvoll, wenn diese auch mit entsprechenden
orographischen, bodenphysikalischen und
Flächennutzungsdaten belegt und der erhöhte Rechenaufwand auch geleistet werden kann. Während das Modell REMO als
„hydrostatisches Modell“ mit einer Auflösung des horizontalen Gitters von 10 km für
die vorliegenden Klimaprojektionen bereits
an seine „Grenze“ gegangen ist, wurde für
das „nicht-hydrostatische“ CLM für die bisher vorliegenden Klimaprojektionen daher
„nur“ eine geringere horizontale Gitterauflösung von etwa 20 km gewählt. Bei deutlicher Verringerung der Gitterweite (z. B.
unter 5 km) muss die Parametrisierung zudem angepasst werden, insbesondere die
der hochreichenden Konvektion.
Die prognostischen Variablen des CLM
sind horizontale und vertikale Windkomponenten,
Luftdruck,
Lufttemperatur,
Wasserdampf, Wolkenwasser, Wolkeneis
und turbulente kinetische Energie, die auf
insgesamt 32 atmosphärischen Modellflächen vom Boden bis etwa 22 km Höhe
berechnet werden. Zusätzlich werden die
Temperatur und der Wassergehalt in zehn
Bodenschichten bis etwa 15 m Tiefe sowie
Schneemenge und Interzeptionswasser berechnet.
Zu den statistischen Downscaling-Verfahren gehören das „WETTREG“-Verfahren
der Firma CEC-Potsdam 6 sowie das Modell
„STAR“ des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) 7. Beide Modelle basieren auf einer Neuzusammensetzung typisierter Witterungsabschnitte des Ist-Klimas.
Zur Erzeugung regionaler Klimaprojektionen werden die Häufigkeiten der typisierten Witterungsabschnitte aus den globalen
Klimaprojektionen abgeleitet und mittels
statistischer Methoden in regionale Felder
umgesetzt.
Die eigentliche Typisierung der Witterungsabschnitte erfolgt bei beiden Modellen
einheitlich anhand der Temperatur auf regionaler Skala. Das WETTREG-Verfahren
unterteilt die Zeitreihe der Regionaltemperatur dabei zunächst in aufeinanderfolgende Abschnitte mit Temperaturen oberhalb und unterhalb der jahreszeitüblichen
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Werte. Zur weiteren Differenzierung werden diese Witterungsepisoden in Bezug zur
großräumig herrschenden Wetterlage 8 gesetzt. Das Modell STAR hingegen zerlegt die
Zeitreihe in einzelne Zwölftagesblöcke und
unterzieht diese einer Ähnlichkeitsanalyse
allein auf Basis der Regionaltemperatur.
Die Verknüpfung mit den globalen Klimamodellen ist in beiden Modellen sehr
unterschiedlich realisiert. Das WETTREGVerfahren bestimmt zunächst die Häufigkeitsverteilung der vom Globalmodell simulierten Wetterlagen. Im Anschluss werden
die einzelnen Witterungsabschnitte mittels
eines Zufallsgenerators neu zusammengestellt. Diese Neuanordnung geschieht unter
Beachtung der Nebenbedingung, dass die
Häufigkeitsverteilung der Wetterlagen innerhalb der resultierenden Zufallszeitreihe
derer des globalen Klimamodells möglichst
exakt entspricht. Durch die Einhaltung dieser Zwangsbedingung können Zeitreihen
entstehen, deren mittlere Charakteristika
sich vom Ist‑Klima signifikant unterscheiden. Im Vergleich dazu ist der Ansatz des
Modells STAR wesentlich direkter. Hier wird
die vom Globalmodell projizierte Temperaturänderung für die betrachtete Region
selbst als Trendvorgabe für die Neuzusammensetzung der Witterungsabschnitte
verwendet. Die Neuanordnung geschieht
dabei grundsätzlich unter Annahme eines
einfachen linearen Temperaturverlaufs.
Das Verfahren verzichtet bewusst auf die
Berücksichtigung der von den globalen
Klimamodellen simulierten großräumigen
Feldverteilungen der atmosphärischen Zirkulation.
Insbesondere für die Klimafolgenforschung
von großer Bedeutung ist die Eigenschaft
des WETTREG-Verfahrens, neue, bislang
noch nicht beobachtete Extremwerte zu
modellieren. In Abhängigkeit des regionalen Klimaparameters werden hierfür
unterschiedliche Ansätze verfolgt. Für die
meisten meteorologischen Größen wird ein
mehrfacher Regressionsansatz verwendet,
der die regionalen Klimaparameter mit den
großräumigen atmosphärischen Verhältnissen in Beziehung setzt. Verlassen die von
den Globalmodellen simulierten großskaligen atmosphärischen Zustandsvariablen
den Wertebereich des Ist-Klimas, so können
auch auf der regionalen Skala neue Extreme
auftreten. Streng betrachtet handelt es sich
daher um eine leichte Extrapolation.
(6)
Enke, W.; Deutschländer, T.;
Schneider, F.; Küchler, W.: Results of five regional climate
studies applying a weather pattern based downsaling method
to ECHAM4 climate simulations.
Metereologische Zeitschrift 14
(2005), S. 247–257 (DOI 10.1127/
0941-2948/2005/0028)
(7)
Orlowsky, B.; Gerstengarbe,
F.-W.; Werner, P.C.: A resampling
scheme for regional climate
simulations and its performance compares to a dynamical
RCM. Theor. Appl. Climatol.
Online published (2007) (DOI
10.1007/s00704-007-0352-y)
(8)
Eine Wetterlage stellt einen Zustand der Atmosphäre in einem
größeren Gebiet und zu einem
bestimmten Zeitpunkt dar. Sie
ist durch die Lage der Hochund Tiefdruckgebiete geprägt
und ändert sich von Tag zu Tag
nur wenig.
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Paul Becker, Thomas Deutschländer, Meinolf Koßmann, Joachim Namyslo, Andrea Knierim:
Klimaszenarien und Klimafolgen
Eine Ausnahme von der bislang beschriebenen Vorgehensweise bildet die Behandlung des Niederschlags beim WETTREGVerfahren. Dieser Parameter weist weder
mit der Regionaltemperatur noch mit den
großräumigen atmosphärischen Zustandsvariablen einen hinreichend engen Zusammenhang auf. Um dennoch ausreichend realistische Niederschlagszeitreihen
simulieren zu können, bedient sich das
WETTREG-Verfahren eines zweistufigen
Ansatzes. In einem ersten Schritt werden
die Häufigkeitsverteilungen der Wetterlagen im Globalmodell erneut analysiert, in
diesem Falle jedoch speziell in Bezug auf
die mit ihnen einhergehenden regionalen
Niederschlagsmengen. Anschließend werden einzelne Niederschlagsmengen der Simulationszeitreihe so lange gezielt erhöht
bzw. verringert, bis die neu entstandene
Niederschlagsreihe die Resultate der zweiten Analyse der Wetterlagenhäufigkeiten
optimal widerspiegelt. Für die Schaffung
bislang noch nicht registrierter Zustandswerte wird zusätzlich ein Extremwertverfahren verwendet. Durch Anpassung von
theoretischen Extremwertverteilungen an
die Verteilungen der vom Verfahren modellierten Zufallszeitreihen können sog. Jährlichkeiten für bestimmte Niederschlagsereignisse ermittelt werden. Im Anschluss
werden die Niederschlagszeitreihen nach
Zufallsprinzip derart manipuliert, dass sie
die berechneten Wiederkehrintervalle auch
tatsächlich enthalten. Dabei wird – wie auch
beim ersten Schritt – auf die Einhaltung der
physikalischen Plausibilität geachtet.
5 Erwartete Klimaänderungen
Alle vorgestellten regionalen Modelle wurden mit demselben globalen Klimamodell
verknüpft. Vergleicht man die Modellergebnisse, so stellt man fest, dass sie zum Teil erheblich voneinander abweichen. Hier kommen die unterschiedlichen physikalischen
bzw. statistischen Eigenschaften der Modelle zum Tragen.
Für das A1b-Szenario ergaben sich z. B für
den Zeitraum 2021–2050 folgende Ergebnisse (s. a. Abb.):
Alle vier Modelle lassen eine Temperaturzunahme um 1 0C bis maximal 2,25 0C erwarten. Dabei simulieren die numerischen
Modelle CLM und REMO in weitgehender
Übereinstimmung ein deutschlandweites
Änderungssignal von 1 bis 1,25 0C. Die statistischen Modelle weichen hingegen ab. So
ist nach dem Modell WETTREG mit einer
von Ost nach West größer werdenden Temperaturzunahme um bis zu 1 0C zu rechnen,
bei STAR erreicht die Temperaturerhöhung
im Südosten Deutschlands mit über 2 0C
etwa 0,25 0C höhere Werte als die im übrigen Gebiet von diesem Modell simulierte
Änderung der Temperatur.
Auch bezüglich der Niederschläge unterscheiden sich die Resultate der numerischen und der statistischen Modelle. Im
Gegensatz zu den Ergebnissen für die Jahresmitteltemperatur stimmen die Aussagen
der beiden statistischen Modelle WETTREG
und STAR dabei aber weitgehend überein.
Beide Modelle deuten auf eine Reduktion
der Niederschläge in den östlichen und
südlichen Landesteilen hin (WETTREG
5 bis 10 % weniger Niederschlag, STAR bis
zu 15 % weniger Niederschlag). Die numerischen Modelle zeigen kein eindeutiges
Signal. Eine Differenzierung des Niederschlags nach Jahreszeiten ergibt eine Reihe
von zusätzlichen Details. Danach zeigen
alle Modelle einen Rückgang der Sommerniederschläge zwischen 5 % und 25 %. Für
die anderen Jahreszeiten zeigen die Modelle
sehr unterschiedliche Ergebnisse.
Für den Zeitraum 2071–2100 wird ein weiterer Anstieg der Jahresmitteltemperaturen
erwartet. CLM und REMO simulieren weitgehend übereinstimmend eine Zunahme
zwischen 2,75 und 4 0C. Die höchsten Werte
werden dabei für den Süden Deutschlands
projiziert. Für den Norden werden geringere
Werte erwartet, d. h. es besteht ein deutlich
ausgeprägter Nord-Süd-Gradient. WETTREG simuliert hingegen einen deutschlandweiten Temperaturanstieg um 2 bis 2,5 0C.
Der Jahresniederschlag wird sich zwischen
2071 und 2100 nur unwesentlich von den
heutigen Verhältnissen unterscheiden. Es
muss jedoch mit einer deutlichen Verschiebung des Niederschlagszyklus gerechnet
werden. Alle drei Modelle zeigen eine deutliche Zunahme der Winterniederschläge bei
gleichzeitiger Abnahme der Niederschläge
im Sommer. Dabei werden für den Sommer
Niederschlagsrückgänge von bis zu 40 %
projiziert. Die stärksten Niederschlagsrückgänge werden für den Südwesten Deutschlands erwartet. Das Modell WETTREG simuliert zusätzlich noch für eine weitere
Region im Nordosten einen Rückgang der
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Regionale Auswirkungen des Klimawandels (Emissionsszenario A1B)
Datenquellen:REMO: MPI-M i. A. des Umweltbundesamtes, 2006; CLM: MPI-M/MaD i. A. des BMBF;
WETTREG: Meteo Research i. A. des Umweltbundesamtes, 2006; STAR: PIK Potsdam, 2007
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Klimaszenarien und Klimafolgen
Niederschläge um bis zu 40 % im Sommer.
Für die übrigen Landesteile simulieren die
Modelle für das Sommerhalbjahr Niederschlagsrückgänge zwischen 15 und 25 %,
wobei die einzelnen Modelle recht gut übereinstimmen.
Für das Winterhalbjahr werden z.T. noch
deutlichere Änderungen simuliert. Das
CLM simuliert eine von Süd nach Nord größer werdende Zunahme, die zwischen 25
und 40 % liegt. Nach den Projektionsergebnissen des Modells REMO ist eine deutschlandweit relativ einheitliche Zunahme
zwischen 5 und 25 % zu erwarten. Davon
weichen die westlichen Mittelgebirgsregionen mit Niederschlagszunahmen von bis zu
40 % und eine Zone im Bereich der Nordseeküste ab, die ebenfalls Änderungen zwischen 25 und 40 % aufweist. Beim Modell
WETTREG ist der Einfluss der Orographie
auf das Änderungssignal des Niederschlags
besonders deutlich zu erkennen. Grundsätzlich nimmt hier die Niederschlagsänderung von Ost nach West von 15 auf 55 %
zu. Es ist also ein starker Ost-West-Gradient
erkennbar. Dieser Struktur sind Bereiche in
den Mittelgebirgsregionen von Hessen und
Rheinland-Pfalz sowie den nordöstlichen
Landesteilen Bayerns überlagert, für die
Niederschlagszunahmen von bis zu 70 %
simuliert werden.
6 Quantitative Abschätzung von
Klimafolgen mit Wirkmodellen
Um die Auswirkungen der Klimaänderung
auf die unterschiedlichen Lebensbereiche
quantifizieren zu können, sind sog. Wirkmodelle erforderlich. Ein Beispiel dafür ist das
„Klima-Michel-Modell“. Mit ihm kann unter Vorgabe der benötigten Eingangsdaten
aus den Zeitreihen der Lufttemperatur, der
Luftfeuchtigkeit, der Windgeschwindigkeit
und des Grades der Wolkenbedeckung die
Zahl der Tage mit Wärmebelastung für den
Menschen berechnet werden.
Für den Bereich der Stadt- und Umweltklimatologie können mit dem Stadtklimamodell „MUKLIMO_3“ die sich innerhalb
der Stadtgebiete einstellenden klimatologischen Verhältnisse für ausgewählte Wettersituationen detailliert simuliert werden.
Unter den Vorgaben der genannten regionalen Klimaprojektionen und unter Verwendung des „Klima-Michel-Modells“ wird
es damit möglich sein, Aussagen über die in
Zukunft zu erwartende Wärmebelastungsverteilung in Städten zu treffen.
Zur künftigen Unterstützung der Regionalplaner und der Bundesländer bei der Kartierung klimasensibler Flächen/Gebiete
können auch sog. Klimaeignungskarten eingesetzt werden. Mit ihnen können Durchlüftungsgrade und vorrangig zu sichernde Freiflächen ausgewiesen werden. Beide Größen
werden bei der zu erwartenden steigenden
Wärmebelastung eine zunehmende Rolle in
der Flächennutzungsplanung einnehmen.
7 Reduzierung der Unsicherheit bei
regionalen Klimaprojektionen
Der Anwender steht häufig vor der Frage,
welches Simulationsergebnis er als Eingabedatensatz für seine Wirkmodelle verwenden soll. Beim Aufbau einer regionalisierten
Klimasimulation ist grundsätzlich zu bedenken, dass eine Reihe von Unsicherheitsquellen vorhanden ist. Eine davon bilden
die Annahmen über die Emissionsentwicklungen der Treibhausgase und der Aerosole.
Diese Annahmen sind abhängig von den
erwarteten Entwicklungen etwa im Bereich
Wirtschaft, Bevölkerung, Landnutzung u. a.,
die sich aber nur grob abschätzen lassen.
Daher wird mit plausiblen Szenarien (Szenarienrechnungen oder Projektionen) gearbeitet, die alle gleichwahrscheinlich sind.
Auch das Klimasystem der Erde selbst mit
seinen komplexen Prozessen ist noch längst
nicht vollständig verstanden. Aus diesem
Nichtverstehen erwachsen bei der Modellierung natürlich ebenfalls beträchtliche
Fehlerquellen. Darüber hinaus sind die verwendeten Modelle immer nur Näherungen
der Wirklichkeit.
Die Erfahrung mit Wettervorhersagemodellen hat aber gezeigt, dass sich die Unsicherheiten quantifizieren bzw. eingrenzen
lassen, wenn mit mehreren verschiedenen
Modellen gearbeitet wird. Von dieser Philosophie wird bei Nutzung der globalen
Modelle Gebrauch gemacht, die im IPCCProzess eingesetzt werden. In jüngerer Zeit
findet diese sehr kostenaufwändige Technik
auch bei der Regionalmodellierung Anwendung. Durch diese Zusammenschau von
Modellen mit unterschiedlichen physikalischen bzw. statistischen Eigenschaften
wird ein Resultatsraum aufgespannt, der
mehrere mögliche Klimaentwicklungen
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 6/7.2008
vereint. Stimmen die Einzelaussagen gut
überein, kann von einer relativ geringen
Unsicherheit ausgegangen werden. Ist dies
nicht der Fall, sind die Einzellösungen als
gleichwahrscheinlich anzusehen. Es verbleibt jedoch die Möglichkeit der Bildung
einer Spanne, innerhalb derer sich die tatsächliche Klimaentwicklung mit recht hoher Wahrscheinlichkeit bewegen wird. In
Analogie zur numerischen Wettervorhersage kann davon ausgegangen werden, dass
sich die Zuverlässigkeit mit wachsender
Ensemble-Stärke erhöht.
Abhängig ist die Verlässlichkeit der Projektionsergebnisse auch vom betrachteten Klimaelement und von der Länge des Vorhersagezeitraums.
8 Risikokommunikation für gesellschaftliche Schutz- und Anpassungsmaßnahmen zum Klimawandel
Für Politik und Verwaltungen sowie für Verbände und Interessenorganisationen stellt
sich angesichts dieser Datenbreite und den
mit den Prognosen verbundenen Unsicherheiten die Frage nach dem angemessenen
Umgang mit den vorhandenen Informationen und den erwarteten Risiken. Wie ist
eine verantwortungsvolle Kommunikation
in die Fachwelt und in die breite Öffentlichkeit zu gestalten? Auf der Fachtagung des
Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung zu „Raumentwicklungsstrategien zum
Klimawandel“ am 30. Oktober 2007 wurde
betont, dass sowohl auf individueller wie
auf gesellschaftlicher Ebene Abstimmungsund Abwägungsprozesse erforderlich sind,
um das richtige Maß an Sicherheit und
Schutz gegenüber der individuellen Verantwortung für Risikovermeidung und Risikoanpassung zu bestimmen.9 Dies erfordert
eine differenzierte Risikokommunikation,
die den Ansprüchen und Besonderheiten
der unterschiedlichen Akteure entspricht
und z. B. die einzelnen Bürgerinnen und
Bürger weder über- noch unterfordert.
Angemessene Risikokommunikation darf
allerdings nicht lediglich gelungene Öffentlichkeitsarbeit bedeuten, sondern muss
sich als ein dialogischer Prozess verstehen,
der Risikomündigkeit und einen pro-aktiven Umgang mit den absehbaren Unsicherheiten in der Bevölkerung zum Ziel
hat.10 Da bisher noch keine systematische
349
Darstellung von Möglichkeiten und Methoden der Risikokommunikation im Zusammenhang mit dem Thema Klimaanpassung
erfolgt ist, wird im Folgenden auf Literatur
zu den Bereichen Gesundheitsvorsorge/
Verbraucherschutz und Hochwasserschutz
zurückgegriffen. Berücksichtigung findet
außerdem eine empirische Annäherung
an die Fragestellung aus der Untersuchung
„Klimawandel in Deutschland“11.
Partizipative Risikokommunikation, darauf
weisen Carius und Renn12 hin, muss sich in
Inhalt und Form nicht nur an der interessierten Fachöffentlichkeit, sondern auch an
den betroffenen Laien orientieren, um wirksam zu sein. Während (natur)wissenschaftlich geschulte Akteure ein Risiko häufig über
die mögliche Schadenshöhe und deren Eintrittswahrscheinlichkeit quantifizieren und
bewerten, spielen bei anderen Menschen
Faktoren wie die wahrgenommene persönliche Betroffenheit, das eigene Kontrollvermögen und auch intuitive Bewertungen
eine Rolle. Wie Informationen von den jeweiligen Adressaten aufgenommen, eingeordnet und bewertet werden, muss daher
situations- und fallbezogen eruiert werden. Dies sollte im Dialog oder über andere
Formen der Rückmeldung geschehen. Am
Beispiel von Untersuchungen zur Kommunikation von Risikodaten im Gesundheitsbereich (z. B. im Hinblick auf Krebs- oder
Aidserkrankungen) konnte gezeigt werden,
dass oft die Unsicherheit der vorliegenden
Informationen bzw. die Bedeutung von
Wahrscheinlichkeitsaussagen durch Experten nicht genügend klar vermittelt wurden,
was z. T. gravierende individuelle Fehlentscheidungen zur Folge hatte.13 Andererseits
treffen viele der sog. Laien-Entscheidungen,
die auf Faustregeln und Erfahrungslernen
beruhen, ins Schwarze und führen zu besseren Ergebnissen als solche, die statistisch
oder durch Simulationsrechnungen abgesichert sind.14 Verantwortungsvolle Risikokommunikation muss daher die Grenzen
und die Fehlerbehaftetheit der expertenbasierten Wissensvermittlung und auch
den sorgfältigen Umgang mit dem eigenen
Nichtwissen im Auge haben. Damit kommt
auf die wissenschaftlichen und behördeninternen Experten zunächst die Herausforderung zu, Unsicherheiten in der externen
Kommunikation nicht zu verschleiern, weil
dies als Inkompetenz ausgelegt werden
könnte, sondern diese verständlich offen-
(9)
Vgl. Bundesamt für Bauwesen
und Raumordnung: Raumentwicklungsstrategien
zum
Klimawandel. BBR-Workshop
30.10.07 im Umweltforum Berlin. Tagungsdokumentation siehe unter: www.bbr.bund.de/DE/
Forschungsprogramme/ModellvorhabenRaumordnung/Initiativen/Klimawandel/Fachtagung/
Klimawandel_Fachtagung.html
(10)
Carius, R.; Renn, O.: Partizipative Risikokommunikation –
Wege zu einer risikomündigen Gesellschaft. Bundesgesundheitsblatt,
Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz
46 (2003) H. 7, S. 578–585
(11)
Umweltbundesamt
(Hrsg.):
Klimawandel in Deutschland –
Vulnerabilität und Anpassungsstrategien klimasensitiver Systeme. – Dessau 2005. = Climate Change 8/2005 (www.
umweltdaten.de/publikationen/
fpdf-l/2947.pdf)
(12)
Carius, R., Renn, O.: Parizipative
Risikokommunikation,
a. a. O.
(13)
Z.B. Gigerenzer, G.: Das Einmaleins der Skepsis. Über den
richtigen Umgang mit Zahlen
und Risiken. – Berlin 2002
(14)
Gigerenzer, G.: Bauchentscheidungen. – München 2007,
S. 56 f., 91 f.
350
Paul Becker, Thomas Deutschländer, Meinolf Koßmann, Joachim Namyslo, Andrea Knierim:
Klimaszenarien und Klimafolgen
zulegen und die wahrgenommenen Risiken
so akkurat wie möglich darzustellen.15
(15)
Kurzenhäuser, S.: Risikokommunikation in der BSE-Krise
– Illusorische Sicherheit und
Transparenz. Bundesgesundheitsblatt,
Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz
44 (2001) H. 4, S. 336–340
(16)
Hohmeyer, O.: Wissenschaft
und Klimawandel: handeln,
bevor es wehtut – warum eigentlich? In: Der UN-Weltklimareport. Hrsg.: Müller, M.; Fuentes, U.; Kohl, H. – Köln 2007,
S. 138–142
(17)
Carius, R.; Renn, O.: Partizipative
Risikokommunikation,
a. a. O., insbes. S. 582
(18)
Umweltbundesamt
(Hrsg.):
Klimawandel in Deutschland,
a. a. O.
(19)
Ebda., S. 161
Wird die Kommunikation über antizipierte
Risiken als ein dialogischer Prozess gestaltet, der auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Entscheidungsebenen geführt wird,
dann müssen einerseits die inhaltlichen
Ausrichtungen und Handlungsfelder der
Akteure, andererseits ihre Betroffenheit
und Entscheidungskompetenzen in den
Blick genommen werden. Bereits die Berichterstattung des IPCC trägt der Tatsache
unterschiedlicher Interessen und Informationsverarbeitungskapazitäten Rechnung;
sie reicht von umfangreichen Sachstandsberichten, die höchsten wissenschaftlichen
Anforderungen entsprechen, über überschaubare technische Expertisen für die
interessierte Fachöffentlichkeit bis zu knappen entscheidungsrelevanten Vorlagen für
Politiker.16
Während im IPCC-Kontext die Wissenschaftsgemeinschaft der beteiligten Arbeitsgruppen maßgeblich die Rolle des
„Senders“ im Kommunikationsprozess
übernimmt, mit Politik und interessierter
Fachöffentlichkeit als „Empfänger“, stellen
Carius und Renn – im Zusammenhang mit
gesundheitlichen Risiken – die Fachbehörden an den Ausgangspunkt der Risikokommunikation. Diesen Akteuren kommt die
entscheidende Bedeutung für das gesellschaftliche Risikomanagement zu, wenn es
also darum geht, den Umgang mit Risiken
durch verwaltungsfeste Verfahren zu regeln.
Für die Beteiligung weiterer gesellschaftlicher Gruppen empfehlen die Autoren
– die Einbeziehung von behördenexternen
Experten, wenn die Komplexität des Risikos überdurchschnittlich ist,
– die Partizipation von Interessenvertretern bei hoher verbleibender Unsicherheit und
– die Durchführung eines breiten öffentlichen Diskussionsprozesses im Fall
von ambivalenten ethischen Entscheidungen.17
Die vom Umweltbundesamt herausgegebene Studie zu Vulnerabilität und Anpassungsstrategien
klimaempfindlicher
Handlungssysteme18 hat u. a. die Risikoeinschätzung und wahrgenommenen Anpassungsoptionen der Akteursgruppen
„Fachbehörde“ und „Interessenvertreter“
erhoben. Angesprochen wurden zum einen Experten von Landesfachbehörden aus
den Handlungsfeldern Wasser-, Land- und
Forstwirtschaft, Naturschutz, Gesundheit,
Tourismus und Verkehr. Im vorliegenden
Kontext zunächst interessant ist die Frage
nach der behördeninternen Bedeutung der
Klimaproblematik. Obwohl die Ergebnisse
angesichts der geringen Antwortzahl (s. Tabelle) mit Zurückhaltung zu interpretieren
sind, spiegeln sie eine allgemeine Sensibilisierung der Behörden für das Thema wider.
Auffällig sind einerseits die vergleichsweise
starke Resonanz im Forstsektor und andererseits die geringe Problemwahrnehmung
im Verkehrsbereich. Die anschließende Befragung von Interessenvertretern aus diesen Handlungsfeldern zeigte, dass diese die
Wichtigkeit des Themas Klimawandel und
Klimaanpassung deutlich höher einschätzen als die Behördenvertreter. Mit gut 56 %
hält mehr als die Hälfte von ihnen dieses
Thema für entweder sehr wichtig oder
wichtig und sieht dazu einen hohen Informations- und Vernetzungsbedarf.19
Relevanz der Klimawandel-Anpassungsproblematik in Fachressorts auf Länderebene
(Anzahl der Nennungen)
Bewertung
Wasserwirtschaft
Landwirtschaft
wichtig
2
2
 8
1
2
3
etwas wichtig
4
2
 3
3
1
4
nicht wichtig
1
2
2
3
7
6
sehr wichtig
Forst
Naturschutz/ GesundBiodiversität
heit
Tourismus
Verkehr
 2
k. A.
 2
18
2
19
3
11
5
52
2
Quelle: UBA 2005b, eigene Zusammenstellung
13
Σ
8
 2
6
7
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 6/7.2008
Obwohl also insgesamt eine gewisse Sensibilisierung für die Notwendigkeit von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel
konstatiert werden kann, ist dies sicherlich
noch nicht ausreichend, um eine breite gesellschaftliche Diskussion über die Risiken
des Klimawandels und angemessene Verhaltensreaktionen abzusichern. Bereits unter Einsatz öffentlicher Mittel im Entstehen
und weiter einzurichten sind Meinungsbildungs- und Austauschforen, und zwar
sowohl vertikal über die unterschiedlichen
politischen Entscheidungsebenen wie auch
horizontal auf lokale und regionale Räume
351
ausgerichteter. Dabei wird es im Hinblick
auf das Ausmaß und die Langfristigkeit
der erforderlichen Veränderungen, die sowohl das individuelle Verhalten wie auch
gesellschaftliche Institutionen betreffen,
darauf ankommen, die Kommunikation als
gemeinsamen Lernprozess zu gestalten. In
Anlehnung an das strategische Risikomanagement im Hochwasserschutz 20 wird dafür als Leitmotiv der Risikokommunikation
„learning to live with climate change“ vorgeschlagen.
(20)
Hutter, G.: Strategies for Flood
Risk Management – a Process Perspective. In: Flood Risk
Management – Hazards, Vulnerability and Mitigation Measures.
Hrsg.: Schanze, J.; Zeman, E.;
Marsalek, J. – Berlin 2006
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