UniversitätsKlinikum Heidelberg Priv.-Doz. Dr. Alexander Scharf, Universitäts-Frauenklinik Heidelberg Epidemiologie fetomaternaler und fetaler Störungen Durch den dramatischen Wissenszuwachs in der der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf dem Feld der medizinischen Genetik (Zytogenetik: 1956 Charakterisierung des normalen menschlichen Chromosomensatzes, 1959 Erstbeschreibung der Trisomie 21 als zytogenetische Grundlage des Down-Syndroms, 1966 Erstdiagnose des Down-Syndroms aus in Kultur gebrachte Amniozyten, Molekulargenetik: 1953 DNA-Doppelhelix als Träger der Erbinformation, 1958 Replikationsmechanismus der DNA, 1961 RNA und Proteinsynthese-Transkription und Translation, 1975 Southern Blot, 1977 DNA-Sequenzierung, 1988 PCR, 90er Jahre Gen-Sequenzierung) und der klinischen Geburtshilfe (1960 Mikroblutuntersuchung, 50er/60er Jahre Wandel der Geburtshilfe von Hausgeburtshilfe in Klinikgeburtshilfe, 1968 CTG, 70er/80er Jahre Perinatalstudie, Einführung der Real-Time-Sonographie, 70 er und 80er Jahre Etablierung einer nicht-invasiven und invasiven Diagnostik) kam es in den 80er Jahren zur Etablierung einer neuen Subdisziplin unseres Faches: Der Pränatalmedizin. Sie beinhaltet alle die diagnostischen Maßnahmen, durch die morphologische, strukturelle, funktionelle, chromosomale und molekulare Störungen vor der Geburt erkannt oder ausgeschlossen werden können und alle Maßnahmen der antenatalen fetalen Therapie. Da uns der Fet als potentieller Patient intrauterin nicht direkt zugänglich ist, bedienen sich fast alle pränatalmedizinischen diagnostischen und therapeutischen Prozeduren der Ultrasonographie als bildgebendes Verfahren des Feten. Damit kommt dem Ultraschall eine in der Bereitstellung von Echtzeit-Information über den Feten zentral wichtige Bedeutung zu. Entsprechend spielt die Sonographie in allen Teilaspekten der Pränatalmedizin eine ebenfalls eine zentrale Rolle. Zu den Aufgaben und Zielen der Pränatalmedizin zählen: - - - Die Frühidentifikation genetisch erkrankter Feten über nicht-invasive Suchstrategien (Ersttrimester-NT-Test, Triple-Test) und den Methoden der invasiven Diagnostik (Amniozentese, Chorionzottenbiopsie, Cordocentese) Die Identifikation somatisch erkrankter Feten über das in den Mutterschaftsrichtlinien verankerte sog. „Sonographiescreening“ Die Früh-Identifikation fetomaternaler Störungen (Gestationsdiabetes, Präeklampsie, HELLPSyndrom) über biochemische und dopplersonographische Verfahren (UterinaDopplerscreening, OGT-Screening) Die Beurteilung des Schweregrades einer Plazentainsuffizienz durch die fetale Dopplersonographie Die Identifikation funktioneller Störungen (Arrhythmien, Anämien) über die Echocardiographie und Dopplersonographie Die Prophylaxe und Identifikation fetaler Infektionen durch Impfberatung, Infektionsscreening, Ultraschall Die pränatalen therapeutischen Konzepte stehen bislang noch am Anfang ihrer Entwicklung. Medikamentöse Konzepte sind etabliert für den Gestationsdiabetes, die fetalen Infektionen und die fetalen Arrhythmien, operative Konzepte für fetale Anämien, das fetofetale Transfusionssyndrom und obstruktive Fetopathien. Weitere chirurgische Konzepte (Spina bifida, Zwerchfellhernie) befinden sich noch in der experimentellen bzw. Evaluationsphase. Eine bereits in Kapitel 1.1. eingehender dargestellte zentrale Aufgabe der Pränatalmedizin ist es, bei denjenigen Störungen, welche noch nicht zufriedenstellend intrauterin behandelbar sind, - - - durch eine eingehende Beratung der betroffenen Eltern eine möglichst genaue Information über die zugrundeliegende Störung bereitzustellen. Häufig erfolgt dabei die Beratung interdisziplinär (Neonatologe, Kinderchirurg, Kinderkardiologe, Genetiker) ein Konzept der weiteren Betreuung des Feten intra- wie extrauterin zu entwickeln und anzubieten (fetales Monitoring, Planung des Geburtsortes, des Geburtszeitpunktes und der zur Geburt bereitstehenden Logistik, postpartale Therapie die werdenden Eltern in dieser belastenden Phase psychologisch zu betreuen, zu führen und weiterführende Hilfskonzepte bereitzustellen bzw. zugänglich zu machen (maternale bzw. parentale Therapie) In den schwierigen Fällen, in welchen sich die Schwangere gegen die Fortführung der Schwangerschaft entscheidet, ist eine noch weitaus intensivere ganzheitliche Betreuung der Schwangeren vonnöten. Hier ist neben der fachlichen und psychologischen Kompetenz des Pränatalmediziners gleichermaßen auch diejenige der Personen und Berufsgruppen maximal gefordert, welche die Schwangere auf ihrem weiteren Weg begleiten. Wenn wir uns die Frage stellen, wie häufig die pränatalmedizinisch behandelbaren fetomaternalen Störungen vorkommen, so kann konstatiert werden: Mit einer Frequenz von jeweils zwischen 5 und 10% aller Schwangeren sind der Gestationsdiabetes (1, 2), die Plazentainsuffizienz (3) und die Störungen aus dem Formenkreis der hypertensiven Gestose (Präeklampsie – HELLP-Syndrom) (4) die häufigsten pränatalmedizinischen Störungen, zu deren Diagnose, prognostischer Einschätzung und Therapie der geburtshilfliche Ultraschall (Biometrie-Doppler-Fehlbildungsausschluß) einen maßgeblichen Beitrag leistet. Er dient damit als Meß- bzw. Steuerglied für eine notwendige maternofetale Therapie. Da es sich bei diesen Störungen immer um solche handelt, die Mutter und Kind betreffen, erfolgt die Betreuung der Schwangerschaft gemeinsam durch den in diesen Fragen erfahrenen Geburtshelfer (Schwangerschafts-Risikosprechstunde) und dem Pränatalmediziner. Dabei ist die Therapie ihrer Natur nach primär auf die Mutter gerichtet. Sie strebt über die Verbesserung der maternalen Homöostase (Insulingabe, RR-Senkung, Flüssigkeitssubstitution …..) eine indirekte Verbesserung der fetalen Versorgungslage an. Dieses Konzept ist deswegen schlüssig, da das größte kindliche Organ vor der Geburt die Plazenta ist. Sie nimmt auf fetaler Seite die Funktion von Lunge, Leber und Niere wahr und ist durch eine breite Austauschfläche unmittelbar an das mütterliche System gekoppelt. Der Pränatalmediziner überwacht die Auswirkung der Therapie auf die fetale Versorgung und liefert beim Versagen der therapeutischen Bemühungen (z.B. bei einer progredienten schweren uteroplazentaren Insuffizienz oder einer exazerbierenden Gestose) wertvolle Information über den anzustrebenden Entbindungszeitpunkt. Damit trägt die Pränatalmedizin in Gegenwart dieser Störungen maßgeblich zur Abwendung von Folgeschäden für den Feten bei. Dicht gefolgt werden diese von den fetalen Fehlbildungen: Mit einer Gesamtprävalenz (unter Einschluß auch klinisch minder bedeutsamer Fehlbildungen) von insgesamt ca. 3 - 5% (5, 6) zählt die Detektion dieser fetalen Störungen (u.a. bedingt dadurch, dass diese meist durch keine weitere Untersuchungsmodalität bzw. nur schwierig, weil durch indirekte Zeichen diagnostizierbar sind) zu den zentralen Aufgaben der Pränatalmedizin. Beschränkt man die Häufigkeit fetaler Fehlbildungen als Ausdruck der durchschnittlichen Frequenz von Fehlentwicklungen des somatischen menschlichen Bauplans auf die sog. „Major Anomalies“ (hiermit sind solche Fehlbildungen gemeint, welche lebensbedrohlich sind oder mit einer deutlichen kosmetischen oder funktionellen Einschränkung einhergehen), so findet sich immerhin noch eine natürliche Fehlbildungsfrequenz von zwei Prozent (5). Diese Häufigkeit ist als Minimum der „natürlichen Fehlerquote“ der Natur bei der Anlage neuen Lebens (bei Geburt) und mithin als Sockel der Normalität in ihrer naturgegebenen Unvollkommenheit zu betrachten. Dies bedeutet herabgebrochen auf die Vereinigten Staaten mit ca. 3,5 Mio Geburten/Jahr eine Frequenz von ca. 110.000 bis 120.000 fehlgebildeten Neugeborenen/Jahr. Für Deutschland mit im Jahre 2000 knapp 800.000 Geburten/Jahr berechnet sich dementsprechend eine Fehlbildungsfrequenz bei Geburt von zwischen 20.000 und 30.000 pro Jahr. Gegenüber den somatischen Fehlbildungen sind zytogenetisch diagnostizierbare Störungen deutlich seltener. So liegt die Prävalenz des Down-Syndroms (Trisomie 21) als häufigste numerische Chromosomenanomalie unter Neugeborenen bei 1:800 bis 1:1000 (7) und damit bei einem Promille. Die nächsthäufigere numerische Chromosomenanomalie ist das Edwards-Syndrom (Trisomie 18). Sie weist eine Prävalenz bei Geburt von 1:8000 (in 7 Studien fand sich eine Varianz zwischen 1:3400 bis 1:11000) auf und ist damit bereits im Vergleich zum Auftreten des DownSyndroms noch einmal um eine Zehnerpotenz seltener (8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16). Das nächsthäufigste Patau-Syndrom weist eine Prävalenz von 1:11000 auf und ist damit noch seltener als das Edwards-Syndrom (17). Hinsichtlich der Häufigkeit ihres Auftretens decken diese drei numerischen Chromsomenanomalien mehr als 90% der vorkommenden zytogenetisch diagnostizierbaren Störungen ab: In einer großen retrospektiven Studie, in welcher 35.131 Amniozentesen über einen Zeitraum von 20 Jahren untersucht wurden, fanden sich insgesamt 1232 Befunde mit einer Aneuploidie. Dabei entfielen auf das Down-Syndrom 797 Fälle, das EdwardsSyndrom 140 Fälle, das Patau-Syndrom 89 Fälle. Es fanden sich nur 3 Fälle einer anderen numerischen Chromosomenanomalie der Autosomen (2x Trisomie 8, 1x Trisomie 17). Weiter fanden sich 147 Fälle einer gonosomalen Aneuploidie, 21 Polyploidien, 9 Cri-du-chat-Syndrome, 10 andere chromosomale Deletionen, 7 Mosaike und 9 andere Aneuploidien (18). Damit sind diese drei häufigsten zytogenetischen Störungen um den Faktor 10 bis 100 seltener als körperliche Fehlbildungen. Dies ist insofern bemerkenswert, da sowohl in der Wahrnehmung der Laien, zu welchen die Mehrzahl der Schwangeren gerechnet werden dürfen, aber auch bei den Gynäkologinnen und Gynäkologen als Fachleuten das Down-Syndrom im Vordergrund der Aufmerksamkeit steht. Dies liegt im Wesentlichen in zwei Aspekten begründet: Menschen mit einem Down-Syndrom haben gerade durch die Errungenschaften der modernen Medizin heute eine durchschnittliche Lebenserwartung, welche nahe an derjenigen von Menschen liegt, welche nicht diese Aneuploidie aufweisen. Im Vergleich dazu versterben trotz der medizinischen Bemühungen fast alle Menschen mit einem Patau- oder EdwardsSyndrom innerhalb des ersten Lebensjahres. Auf der Ebene der psychomentalen Entwicklung der Menschen mit einem Down-Syndrom bleiben auch nach optimaler Förderung 5% geistig leicht, 25% mäßig und immerhin 65% schwer behindert. Hieran knüpft sich für die davon Betroffenen, Ihre Geschwister und Eltern eine komplexe Problematik, die nicht in knappe Worte gefasst werden kann. Durch die Möglichkeit, diese Chromosomenanomalie pränatal zu diagnostizieren, steht jeder Schwangeren prinzipiell offen, eine Information darüber sich einzuholen, ob ihr ungeborenes Kind hiervon betroffen ist oder nicht. Diese Möglichkeit wird von etwa jeder zehnten Schwangeren (d.h. 80.000 von 800.000 Schwangeren pro Jahr) wahrgenommen. Dabei sind diese Zahlen trotz stetiger Zunahme des Anteils älterer Schwangerer (er liegt zur Zeit für Schwangere über 35 Jahre bei etwa 20%) die letzten 8 Jahre weitgehend konstant geblieben. Dies lässt sich mit der Fortentwicklung der nicht-invasiven Suchstrategien nach Vorliegen eines Down-Syndroms (Ersttrimestertest, NT-Messung) erklären. Diese dienen der individuellen Schwangeren vor dem Hintergrund ihrer Lebenseinstellung und Lebenserfahrung als rationale Entscheidungsgrundlage für die Frage, ob eine weiterführende invasive Diagnostik bei ihr sinnvoll ist oder aber ob sie (dann mit besseren Gründen als einer alleinigen Entscheidung „aus dem Bauch heraus“) auf einer weiterführende Diagnostik verzichten soll. Dysfunktionelle Zustände wie beispielsweise vorübergehende fetale Rhythmusstörungen sind nicht ungewöhnlich und zunächst nicht als pathologisch zu betrachten: Gelegentliche Extrasystolen lassen sich in 90% aller Schwangerschaften nachweisen, 3-4 Sekunden andauernde Bradycardien werden ebenfalls häufig beobachtet (19). In Abwesenheit eines strukturellen Herzfehlers sind sie prognostisch gutartig und meist von vorübergehender Natur (20). Demgegenüber sind fortgesetzte Bradycardien (<100 spm), Tachycardien (>200 spm) oder häufigere Extrasystolen (>1 pro 10 Herzzyklen) als abnorm zu werten (21). Solche fetale Arrhythmien als ein kontroll- oder gar behandlungsbedürftiges Krankheitsbild kommen in ca. 1-3% (=1:30 bis 1:100) und damit vergleichsweise häufig vor. Die Mehrzahl dieser Arrhythmien (ca. 90%) entfällt dabei auf prognostisch günstige, harmlose ventrikuläre oder häufiger supraventrikuläre Extrasystolen, welche meist postpartal spontan sistieren und nur in <1% in Tachyarrhythmien übergehen (22). Damit liegt die Frequenz ernstzunehmender fetaler Arrhythmien (Tachyarrhythmien, fortgesetzte Bradycardien) mit 1:1000 im Bereich der Häufigkeit des Auftretens des Down-Syndroms. Während Tachyarrhythmien primäre Störungen des Reizleitungssystems darstellen, sind Bradyarrhythmien meist sekundärer Natur infolge eines strukturellen Herzfehlers (z.B. AV-Kanal) oder aufgrund eines maternalen systemischen Lupus erythematodes (SLE). Die Behandlung der Tachyarrhythmien erfolgt in der Regel medikamentös über die Mutter (Digitalis, Antiarrhythmika), bei Bradycardien ist die Prognose ernst. Als therapeutische Option kommt pränatal die Digitalisgabe in Ausnahmefällen in Frage, postnatal erfolgt entweder die operative Korrektur des strukturellen Herzfehlers oder beim SLE die Schrittmacherimplantation. Ein aus Sicht der Pränatalmedizin ungelöstes Problem stellt trotz der Verfügbarkeit von häufig äusserst wirkungsvollen Therapiekonzepten (Chemotherapeutika, aktive und passive Immunisierung) der Bereich der transplazentaren fetalen Infektion mit Bakterien, Viren oder Protozoen dar. Diese potentiell fruchtschädigenden Agenzien werden unter dem Akronym TORCH zusammengefasst. Dabei steht TORCH für Toxoplasma, Other organisms (Parvovirus, HIV, Epstein-Barr Virus, Herpesviruses 6 und 8, Varicella, Syphilis, Enteroviren), Rubella, Cytomegalovirus (CMV) und Hepatitis. Im Abschnitt C der Mutterschaftsrichtlinien ist festgelegt, dass an serologischen Untersuchungen bei jeder Schwangeren zu einem möglichst frühen Zeitpunkt aus einer Blutprobe a) der TPHA (Treponema-pallidum-Hämagglutinationstest) als Lues-Suchreaktion (LSR), b) der Röteln-Hämagglutinationshemmungstest (Röteln-HAH), c) gegebenenfalls ein HIV-Test, d) die Bestimmung der Blutgruppe und des Rh-Faktors D, e) ein Antikörper-Suchtest (AK) f) in der 32. SSW eine Hbs-Antigenbestimmung und bei begründetem Verdacht eine serologische Untersuchung auf Toxoplasmose und andere Infektionen durchgeführt werden soll. Damit kann ein Teil der unter TORCH subsumierten Infektionen bei Schwangerschaftsbeginn ausgeschlossen werden. Entscheidend für die Frage, ob hier dennoch im weiteren SS-Verlauf eine derartige Infektion akquiriert werden kann, ist dabei prinzipiell der maternale Immunstatus. Die Prävalenz einer maternalen TORCH-Infektion bei Geburt beträgt für Toxoplasmose, Herpes, CMV, Parvovirus B19, HIV und Syphilis zwischen 1:1000 und 1:100 (= 0,1 bis 1 Prozent). Dabei beläuft sich die vertikale Transmission subpartual auf Werte zwischen 25 und 50%. Entsprechend beläuft sich die fetale Prävalenz bei Geburt auf 1:4000 bis 1:200. Die maternale Durchseuchung mit Hepatitis C und Gruppe-B-Streptokokken (GBS) erreicht eine Höhe von bis zu 10 (Hepatitis C) bzw. 20 Prozent (GBS). Hepatitis C weist eine vertikale Transmissionsrate von nur 5% auf, GBS von 50%, so dass hier auf fetaler Seite mit einer Prävalenz bei Geburt von 1:200 (Hepatitis C) bzw. 1:20 bis 1:10 (GBS) gerechnet werden muß (23). Damit liegt die Frequenz fetaler Infektionen, welche bei Geburt zu eine klinisch und prognostisch relevanten Beeinträchtigung der Gesundheit des Neugeborenen führen kann mit einer starken Streuung ebenfalls im Bereich der Häufigkeit des Auftretens eines Down-Syndroms. Obwohl ein nicht geringer Anteil dieser bei Geburt nachweisbaren Infektionen bereits intrauterin erworben wird, erfolgt in einem nur verschwindenden Anteil bereits vorgeburtlich die zutreffende Diagnose. Dies beruht auf verschiedenen Ursachen: Zum einen verläuft die Mehrzahl der durch die Mutter während der Schwangerschaft erworbenen Infektionen hypo- oder asymptomatisch. Man geht davon aus, dass die Rate subklinischer Infektionen für die CMV, die Toxoplasmose, Hepatitis B, Parvovirus B19, Epstein-Barr-Virus, Herpesviren Typ 6 und 8, GBS und HIV mehr als 95% beträgt. Für Varizellen, Herpes-Simplex-Virus und Syphilis beträgt diese Rate immerhin noch 50 bis 75%. Ist der Fetus davon betroffen, kommt es nur selten zu pränatal im Ultraschall nachweisbaren sonographischen Symptomen. Dies bedeutet, dass der Ultraschall als Such- oder Screeninginstrument für die Diagnose von fetalen Infektionen ungeeignet ist. Die Diagnose einer fetalen Infektion wird demzufolge laborchemisch gestellt. Dabei muß der Frauenarzt die Möglichkeit einer derartigen Infektion aufgrund anamnestischer Informationen oder beim Nachweis entsprechender klinischer Hinweiszeichen in Erwägung ziehen. Wesentliche Risikofaktoren sind dabei die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Risikopopulation, Bluttransfusionen oder eine Geschlechtskrankheit in der Vorgeschichte, Zugehörigkeit zu einer sexuellen Risikogruppe, Drogensucht oder berufliche Exposition (Kindergarten, Krankenhäuser, Dialysezentren). Die Inzidenz der Rhesus (D) Immunisierung hängt von der genetischen Frequenz des Blutgruppenmerkmals in der Bevölkerung ab. In der europäischen und der weißen amerikanischen Bevölkerung tragen etwa 15 % das Blutgruppenmerkmal Rh-negativ (Phänotyp). Die 85% Bevölkerung mit dem Blutgruppenmerkmal Rh-positiv sind zu 55% heterozygot (1 Allel rh-positiv, 1 Allel rh-negativ), zu 45% homozygot für dieses Blutgruppenmerkmal. Dies führt dazu, dass das stumme Allel (Rh-negativ-Allel) insgesamt unter der europäischen Bevölkerung (gemäß dem HardyWeinberg-Gesetz) eine Frequenz von 40-45% aufweist. Die Ethnie spielt bei der Verteilung des RhMerkmals eine wichtige Rolle. Genetische Studien konnten zeigen, dass das Blutgruppenmerkmal rhnegativ in nicht-europäischer Bevölkerung weitaus seltener vorkommt. Die Allelenfrequenz liegt bei Afrikanern bei 3%, bei den eingeborenen Amerikanern (Indianer) bei 1%. Dies führt dazu, dass 9/10000 Afrikanern rh-negativ sind, und bei den eingeborenen Amerikanern nur 1/10.000 Menschen dieses Blutgruppenmerkmal tragen sollten. Für Nordamerika ist die tatsächliche Frequenz bei den Afroamerikanern mit 5-10% und für die indianische Bevölkerung Mexikos deutlich höher, als es zu erwarten wäre. Dies beruht auf dem Fluß europäischer Gene (= als Ausdruck der Vermischung) in diese Bevölkerungsgruppen. Die hohe Frequenz des stummen rh-Allels in Europa weist darauf hin, dass die Mutation, welche zu diesem Blutgruppen-Merkmal führt, sich ursprünglich offenbar in Europa ereignete. Häufigkeitsverteilungen innerhalb Europas weisen für die baskische Bevölkerung ein Maximum mit 30% Rh-negativen Merkmalsträgern auf. Entsprechend kann davon ausgegangen werden, dass die ursprüngliche Mutation in dieser Region stattgefunden haben muß (24). Rh-negative Frauen haben ohne die Anwendung präventiver Maßnahmen ein nicht zu unterschätzendes Risiko für eine sog. Isoimmunisierung: In der weißen Bevölkerung geschieht sie bei 9-23% der Frauen, welche eine entsprechende Risikokonstellation aufweisen. Dies bedeutet, dass von den 15% Rh-negativen Schwangereren etwa jede Fünfte bis Zehnte eine Immunisierung erfährt. Dabei (oder entsprechend nach einem Abort) werden 1-2% antenatal immunisiert, 5-15% subpartual und 3-6% postpartal (25). Ein Abortus imminens ist kaum mit einer Rh-Immunisierung assoziiert, da für eine Immunisierung bedeutsame Blutungen in weniger als 10% der Fälle entstehen (26). Immerhin 2-5 % aller Rh-negativen Patientinnen werden nach einer Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie ohne entsprechende Anti-D-Prophylaxe immunisiert (27). Das im Verhältnis hierzu noch höhere Risiko bei einer Nabelschnurpunktion ist nicht exakt bekannt (28). Unter den auf diese Art immunisierten Frauen ist jeder vierte perinatale kindliche Todesfall hierauf zurückzuführen (29). Von der Immunisierung unterschieden werden muß das klinische Bild der fetalen Erythroblastose. Vor Einführung der Anti-D-Prophylaxe und der intrauterinen Therapie fand sich die Rh-Erythroblastose bei 0,6 % (1:160) aller Schwangerschaften, d.h. bei etwa jeder vierten immunisierten Schwangeren kam es zur Induktion einer fetalen Anämie mit einem entsprechend hohen Bedarf an postpartaler Austauschtransfusion. Etwa jeder 7te (1:1100) betroffene Fet erlitt dabei eine ausgeprägte Anämie mit einem Hydrops congenitus universalis. Durch die Einführung der Rhesusprophylaxe Ende der 60er Jahre nahm die Rate an Immunisierungen und damit auch die Rate an Erythroblastosen stark ab. Seit den 80er Jahren liegt die Immunisierungsrate im Bereich von einem Fall pro Tausend Geburten (30). Eine Schätzung des CDC (Center for disease control, Atlanta, USA) stuft die Frequenz einer hämolytischen fetalen Erkrankung in dem gleichen Bereich ein. Damit liegt die Frequenz auch dieser Störung auf der Ebene der Immunisierung mit 1:1000 im Bereich der Häufigkeit des Auftretens des Down-Syndroms, auf der Ebene der klinisch nachweisbaren Hämolyse im Bereich der Häufigkeit des Auftretens eines Edwards-Syndroms. Ein immunologisch induzierter Hydrops ist mit einer Frequenz von 1:7000 bis 1:10.000 ein seltenes Ereignis geworden. Das Monitoring der immunisierten Schwangeren erfolgt primär über den Antikörpertiter. Dabei muß streng zwischen Erstsensibilisierung und Frauen mit einer Sensibilisierung in der Vorschwangerschaft unterschieden werden. Bei erstsensibilisierten Frauen findet man erfahrungsgemäß keine schwerere Erkrankung des Feten, wenn der bestimmte Rh-AK-Verdünnungstiter über 1:16 liegt. Eine weiterführende invasive Diagnostik ist dann indiziert, wenn der Titer unter 1:16 liegt (1:32, 1:64, 1:128 usw.) oder ein Titeranstieg von mind. 2 Verdünnungsstufen nachgewiesen wird. Bei einer in der Vorschwangerschft bereits immunisierten Frau mit Vorliegen einer Rh-Konstellation in der Folgeschwangerschaft korreliert die messbare Titerhöhe aufgrund des aktiven Transports des Antikörper zum Feten nicht mit dem Ausmaß der Hämolyse und ist deshalb zur Einschätzung der Aktivität des Krankheitsprozesses ungeeignet. Hier ist generell die Indikation zur invasiven Diagnostik zwischen der 20. und 24. SSW gegeben. Während in der Ära vor der Anwendung der systematischen Rhesusprophylaxe die Mehrzahl der Feten mit einem Hydrops diese immunologische Ursache als zugrundeliegenden Pathomechanismus aufwiesen, sind die überwiegende Mehrzahl der Fälle nicht-immunologischer Ursache (sog. NIHF). Die Frequenz des NIHF bewegt sich zwischen 1:2000 bis 1:3000. Zusammenfassend ist zu konstatieren: Die häufigsten fetalen Störungen sind eigentlich fetomaternaler Natur. Hierzu zählen (jeweils mit einer Frequenz zwischen 5 und 10% aller Schwangerschaften) der Gestationsdiabetes, die Präeklampsie und die Plazentainsuffizienz. Dabei besteht eine gewisse Wechselbeziehung dieser drei Störungen zueinander. Diese werden dicht gefolgt von den fetalen Fehlbildungen (mit einer Prävalenz von 2 bis 5% bei Geburt). Alle anderen Störungen (Genetische Erkrankungen, Arrhythmien, Rh-Immunisierung, NIHF) sind mit einer Frequenz von 1:1000 oder niedriger mindestens 10 mal seltener als körperliche Fehlbildungen und spielen ihrer Häufigkeit nach eine nachgeordnete Rolle. In der psychologischen Gewichtung ist das Down-Syndrom insoweit hiervon ausgenommen, als es in der gesellschaftlichen Wahrnehmung eine hohe Bedeutung besitzt. Da der Gestationsdiabetes und die Präeklampsie vom Schwerpunkt der Betreuung her primär vom in der Therapie von Risikoschwangerschaften geschulten Geburtshelfer versorgt werden, ist der Häufigkeit und der Bedeutung nach die Kernaufgabe der Pränatalmedizin die Detektion der fetoplazentaren Insuffizienz und der fetalen Fehlbildungen. Literatur 1 L. Jovanovic, D.J. Pettitt, Gestational diabetes, J. Am. Med. Assoc. 286 (2001) 2516 – 2519, R.J. Jarret, Gestational diabetes: a non entity, Br. Med. J. 306 (1993) 37 - /38 2 S.W. Wen, S. Liu, M.S. Kramer, Impact of prenatal glucose screening on the diagnosis of gestational diabetes and on pregnancy outcomes, Am. J. Epidemiol. 152 (2000) 1009 /1014 3 D.O.C. Anumba: The small baby on gestational ultrasound scan. Current Obstetrics & Gynaecology 2002; 12: 286-292 4 National High Blood Pressure Education Program Working Group. Report on high blood pressure in pregnancy. 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